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Urologe 2009 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00120-009-2048-7 Online publiziert: 8. Juli 2009 © Springer Medizin Verlag 2009 Arbeitskreis „Harnsteine“ der Akademie der Deutschen Urologen · Arbeitskreis „Endourologie und Steinerkrankung“ der Österreichischen Gesellschaft für Urologie S2-Leitlinien zu Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis Teil 2: Metabolische Diagnostik und Metaphylaxe Leitlinien der DGU Weltweit nimmt in den westlich ge- prägten Industrienationen die Häu- figkeit der Harnsteinerkrankungen zu. Nach einer bundesweiten Er- hebung liegt die derzeitige Präva- lenzrate der Urolithiasis in Deutsch- land bei 4,7%. Die Zahl der Neuer- krankungen (Inzidenz) verdreifach- te sich in den letzten 10 Jahren von 0,54% auf 1,47%. Vielfältige Gründe sind hierfür verantwortlich: die ver- änderten Lebensumstände, moder- ne Ernährungsgewohnheiten, aber auch die verbesserte medizinische Grundversorgung. Hierzu zählen die allgemeine Verfügbarkeit des Ultra- schalls in der Routine der Harnstein- diagnostik wie auch der extrakorpo- ralen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) und der endourologischen Techniken in der Harnsteintherapie. Trotzdem müssen wir bei rund 50% der Patien- ten mit mindestens einem Steinrezi- div rechnen, bei 10–20% der Patien- ten sogar mit ≥3 Steinrezidiven. Bei genetisch determinierten Stoffwech- selstörungen, die zur Nephrokalzino- se oder Nephrolithiasis führen, wird auch heute noch die Diagnose nicht selten erst bei der Ursachenabklä- rung einer terminalen Niereninsuffi- zienz gestellt. Die vorliegenden Leitlinien sollen sowohl den klinischen als auch den praktischen Erfordernissen im urologischen Alltag ge- recht werden. Zur Sicherstellung einer ho- hen Akzeptanz wurden nur Maßnahmen berücksichtigt, welche in der Tagesroutine problemlos durchgeführt werden können (s. Infobox 1). Die Publikation in „Der Urologe“ er- folgt in gekürzter Form in zwei Teilen: . Diagnostik und Therapie, sowie 2. me- tabolische Diagnostik und Metaphylaxe. Die komplette, ausführliche Leitlinie (Nr. 043/025) kann im PDF-Format unter http://www.awmf.org kostenlos herunter- geladen werden. Hier findet sich auch das komplette Literaturverzeichnis. Patienten und Algorithmen Patientenselektion Etwa die Hälfte aller Harnsteinpatienten bekommen nur ein Steinrezidiv in ihrem Leben. Bei diesen Patienten sind im All- gemeinen Empfehlungen zum Trink- und Ernährungsverhalten ausreichend. Aller- dings sind bei 0–20% der Steinbildner ≥3 Rezidive zu erwarten. Rund 25% aller Steinbildner werden als Hochrisikopatien-  In Zusammenarbeit mit der „Sektion Lapa- roskopie und Endoskopie“ des Arbeits- kreises „Operative Techniken“, der Aka- demie der Deutschen Urologen und der „Deutschen Gesellschaft für Stoßwellen- Lithotripsie e.V.“. ten (Tab. 1) eingestuft und benötigen steinartspezifische Maßnahmen bzw. ei- ne Pharmakometaphylaxe. Daher ist bei jedem Urolithiasispatienten – besonders bei Kindern – die frühzeitige Bestimmung des Rezidivrisikos essentiell. Algorithmus: Diagnostik Zur Risikoeinstufung des Patienten nach einem Steinereignis sind eine verlässliche Harnsteinanalyse sowie eine Basisdia- gnostik (Tab. 2), welche darauf ausge- legt ist, schwere harnsteinrelevante meta- bolische Störungen zu identifizieren, un- abdingbar. Die Identifikation der Hoch- risikopatienten (Tab. 1) wird so ohne weiteres ermöglicht. Tatsächlich benötigt nur diese klar definierte Gruppe eine er- weiterte, steinartspezifische metabolische Diagnostik (Abb. 1). Algorithmus: Metaphylaxe Grundsätzlich sollte jeder Steinpatient unabhängig vom individuellen Risiko all- gemeine Metaphylaxemaßnahmen ein- halten (Tab. 3). Sie zielen im Wesent- lichen auf die „Normalisierung“ der Er- nährungs- und Trinkgewohnheiten, aber auch der lebensstilbedingter Risikofak- toren ab. Für Patienten der Hochrisiko- gruppe kommen steinartspezifische Me- taphylaxemaßnahmen in Abhängigkeit der diagnostisch charakterisierten meta- bolischen Störung hinzu. 1 Der Urologe 9 · 2009 |

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Urologe 2009 · [jvn]:[afp]–[alp]DOI 10.1007/s00120-009-2048-7Online publiziert: 8. Juli 2009© Springer Medizin Verlag 2009

Arbeitskreis „Harnsteine“ der Akademie der Deutschen Urologen · Arbeitskreis „Endourologie und Steinerkrankung“ der Österreichischen Gesellschaft für Urologie

S2-Leitlinien zu Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der UrolithiasisTeil 2: Metabolische Diagnostik und Metaphylaxe

Leitlinien der DGU

Weltweit nimmt in den westlich ge-prägten Industrienationen die Häu-figkeit der Harnsteinerkrankungen zu. Nach einer bundesweiten Er-hebung liegt die derzeitige Präva-lenzrate der Urolithiasis in Deutsch-land bei 4,7%. Die Zahl der Neuer-krankungen (Inzidenz) verdreifach-te sich in den letzten 10 Jahren von 0,54% auf 1,47%. Vielfältige Gründe sind hierfür verantwortlich: die ver-änderten Lebensumstände, moder-ne Ernährungsgewohnheiten, aber auch die verbesserte medizinische Grundversorgung. Hierzu zählen die allgemeine Verfügbarkeit des Ultra-schalls in der Routine der Harnstein-diagnostik wie auch der extrakorpo-ralen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) und der endourologischen Techniken in der Harnsteintherapie. Trotzdem müssen wir bei rund 50% der Patien-ten mit mindestens einem Steinrezi-div rechnen, bei 10–20% der Patien-ten sogar mit ≥3 Steinrezidiven. Bei genetisch determinierten Stoffwech-selstörungen, die zur Nephrokalzino-se oder Nephrolithiasis führen, wird auch heute noch die Diagnose nicht selten erst bei der Ursachenabklä-rung einer terminalen Niereninsuffi-zienz gestellt.

Die vorliegenden Leitlinien� sollen sowohl den klinischen als auch den praktischen Erfordernissen im urologischen Alltag ge-recht werden. Zur Sicherstellung einer ho-hen Akzeptanz wurden nur Maßnahmen berücksichtigt, welche in der Tagesroutine problemlos durchgeführt werden können (. s. Infobox 1).

Die Publikation in „Der Urologe“ er-folgt in gekürzter Form in zwei Teilen: �. Diagnostik und Therapie, sowie 2. me-tabolische Diagnostik und Metaphylaxe.

Die komplette, ausführliche Leitlinie (Nr. 043/025) kann im PDF-Format unter http://www.awmf.org kostenlos herunter-geladen werden. Hier findet sich auch das komplette Literaturverzeichnis.

Patienten und Algorithmen

Patientenselektion

Etwa die Hälfte aller Harnsteinpatienten bekommen nur ein Steinrezidiv in ihrem Leben. Bei diesen Patienten sind im All-gemeinen Empfehlungen zum Trink- und Ernährungsverhalten ausreichend. Aller-dings sind bei �0–20% der Steinbildner ≥3 Rezidive zu erwarten. Rund 25% aller Steinbildner werden als Hochrisikopatien-

1   In Zusammenarbeit mit der „Sektion Lapa-roskopie und Endoskopie“ des Arbeits-kreises „Operative Techniken“, der Aka-demie der Deutschen Urologen und der „Deutschen Gesellschaft für Stoßwellen-Lithotripsie e.V.“.

ten (. Tab. 1) eingestuft und benötigen steinartspezifische Maßnahmen bzw. ei-ne Pharmakometaphylaxe. Daher ist bei jedem Urolithiasispatienten – besonders bei Kindern – die frühzeitige Bestimmung des Rezidivrisikos essentiell.

Algorithmus: Diagnostik

Zur Risikoeinstufung des Patienten nach einem Steinereignis sind eine verlässliche Harnsteinanalyse sowie eine Basisdia-gnostik (. Tab. 2), welche darauf ausge-legt ist, schwere harnsteinrelevante meta-bolische Störungen zu identifizieren, un-abdingbar. Die Identifikation der Hoch-risikopatienten (. Tab. 1) wird so ohne weiteres ermöglicht. Tatsächlich benötigt nur diese klar definierte Gruppe eine er-weiterte, steinartspezifische metabolische Diagnostik (. Abb. 1).

Algorithmus: Metaphylaxe

Grundsätzlich sollte jeder Steinpatient unabhängig vom individuellen Risiko all-gemeine Metaphylaxemaßnahmen ein-halten (. Tab. 3). Sie zielen im Wesent-lichen auf die „Normalisierung“ der Er-nährungs- und Trinkgewohnheiten, aber auch der lebensstilbedingter Risikofak-toren ab. Für Patienten der Hochrisiko-gruppe kommen steinartspezifische Me-taphylaxemaßnahmen in Abhängigkeit der diagnostisch charakterisierten meta-bolischen Störung hinzu.

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Metabolische Basisdiagnostik und allgemeine Metaphylaxe

Harnsteinanalyse

Akzeptierte Standardmethoden für die Harnsteinanalyse sind: Infrarotspektro-skopie und Röntgendiffraktometrie. Bei-de Analyseverfahren gelten als ausrei-chend präzise, um Steinkomponenten in der Größenordnung von 5–�0% des Ge-samtmaterials zu erkennen. Eine dritte verlässliche Methode ist die Polarisations-mikroskopie; sie wird jedoch nur in weni-gen Steinzentren qualitativ sicher durch-geführt, Die mineralische Zusammenset-zung des Harnsteins gibt Aufschluss über die der Steinbildung zugrunde liegende(n) metabolische(n) Störung(en). Sie ist daher ein unverzichtbares Diagnoseinstrument.

Steinklassifikation

Es existieren unterschiedliche Harn-steinklassifikationen. Am praktikabels-ten für metabolische Belange erscheint die Definition anhand der verschiedenen Mineralien oder steinbildenden Substan-zen. Oxalathaltige Steine sind in Deutsch-land am häufigsten. In einigen Regionen Süddeutschlands treten Harnsäure- und Uratsteine vermehrt auf. . Tab. 4 listet die im Alltag relevanten Harnsteinarten auf. Raritäten wurden für die Leitlinie be-wusst ausgeklammert. Ihre Diagnostik und Therapie sollte erfahrenen Steinzent-ren vorbehalten sein.

Basisdiagnostik

Die metabolische Basisdiagnostik bein-haltet ein Minimum an klinischen und laborchemischen Untersuchungen, um schwere organische oder metabolische Störungen als Ursache der Harnsteinbil-dung sicher zu identifizieren (Details in . Tab. 2). Weitere Steine, Anomalien oder Obstruktionen des Harntraktes; Nie-reninsuffizienz, Hyperparathyreoidismus bzw. Hyperkalziämien anderer Ursache, oder eine Hyperurikämie kann man so rasch erkennen. Besteht im Urinschnell-test der Verdacht auf einen Harnwegin-fekt, muss eine Urinkultur angelegt wer-den.

Allgemeine Metaphylaxe

Grundlage zur Verhinderung von Kristal-lisationsprozessen im Urin bzw. zur Verhin-derung einer Harnübersättigung mit litho-genen Substanzen ist die ausreichende Harndilution. Bei Erwachsenen gilt allge-mein eine Flüssigkeitszufuhr mit >2 l/Tag als angemessen; bei Kindern werden �,5 l/m2 KÖF vorgeschlagen (. Tab. 3). Um nächtlichen Konzentrationsspitzen der Lithogene im Urin vorzubeugen, wird ein über den Tag verteiltes Trinken harnneu-traler Getränken empfohlen. Eine einma-lige Nykturie gilt für einen Steinpatienten als normal.

Eckpunkte einer „steinneutralen“ Er-nährung sind ein geringer Gehalt an Koch-salz und an tierischem Eiweiß sowie eine normale Kalziummenge. Nahrungsmit-tel mit hohem Oxalat- oder Puringehalt sollten vermieden werden. Die exzessive Zufuhr von Vitaminpräparaten kann die normale Harnzusammensetzung erheb-lich beeinträchtigen.

Die Normalisierung allgemeiner Risi-kofaktoren ist ein wichtiger Bestandteil in der Rezidivprophylaxe von Harnsteinen. So hat sich für Steinpatienten ein BMI zwischen �8 und 25 kg/m2 als empfehlens-wert herausgestellt.

Steinartspezifische Diagnostik und Metaphylaxe

Steine mit unbekannter Harnsteinanalyse

Die Risikofaktorensuche beginnt mit einer genauen Anamnese (. Tab. 5). Der aktu-elle Steinstatus des Patienten wird mit ei-ner Ultraschalluntersuchung beider Nie-ren erhoben. Falls Steine sonographisch nachweisbar sind, sollte sich bei Erwach-senen ein natives Spiral-CT des Abdo-mens anschließen. Calciumhaltige kön-nen von nicht calciumhaltigen Steinen im CT durch die gemessenen Hounsfield-Einheiten (HE) unterschieden werden. Die Blutuntersuchung gibt Hinweise auf schwere metabolische oder organische Störungen (bei Kindern sollte zusätzlich eine Hyperoxalämie ausgeschlossen wer-den). Routinemäßig wird ein Urinschnell-test durchgeführt - bei Infektverdacht zu-sätzlich eine Urinkultur angelegt. Urin-

Tab. 1 Hochrisikogruppe der Harn-steinbildner

Hoch rezidivierende Harnsteinbildung  (≥3 Steine in 3 Jahren)

Infektsteinbildung

Harnsäure- und Uratsteinbildung (Gicht)

Kinder und Jugendliche

Genetisch determinierte Steinbildung- Zystinurie (Typ A, B und C)- primäre Hyperoxalurie (PH)- RTA Typ I- 2,8-Dihydroxyadeninurie (APRT-Defizienz)- Xanthinurie- zystische Fibrose

Brushitsteinbildung

Hyperparathyreoidismus

Gastrointestinale Erkrankungen  (Morbus Crohn, Malabsorption, Kolitis)

Einzelnierensituation

Residuale Steinfragmente  (3 Monate nach Steintherapie)

Nephrokalzinosea

Bilaterale große Steinmasse

Positive FamilienanamneseaBei Kindern und Patienten mit Nephrokalzinose müssen noch weitere Risikofaktoren berücksichtigt werden: Morbus Dent (CLCN5, X-chromosomal, Fanconi-Syndrom), Morbus Bartter (Hypokaliämie mit hypochlorämischer metabolischer Alkalose), familiäre Hypomagnsiämie und Hyperkalziuriesy-ndrom (FFHNC, Paracellin-I, autosomal rezessiv), familiäre juvenile hyperurikämische Nephropathie (FJHN; MCKD), Williams-Beuren-Syndrom und ehe-malige Frühgeborene.

Tab. 2 Metabolische Basisdiagnostika

Anamnese Steinanamnese (frühere Steinereignisse, Nephrokal-zinose)ErnährungsanamneseMedikamentenanamneseFamilienanamnese

Klinische Un-tersuchung

Körperliche UntersuchungSonographie

Blut KreatininCalcium (ionisiertes Calcium oder Gesamtcalcium + Albumin)Harnsäure

Urin Urinstatus (Leuko/Ery/Ni-trit/Eiweiß/pH/Harndichte)Urinkultur

aBei Kindern sollte zusätzlich ein Urinsediment mikroskopisch ausgewertet werden.

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Leitlinien der DGU

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pH-Werte konstant <6 im pH-Tagespro-fil zeigen eine „Säurestarre“ des Urins an, die die Kristallisation von Harnsäure be-günstigt. Urin pH-Werte konstant >5,8 im Tagesprofil sind als Hinweis auf eine zugrunde liegende renal-tubuläre Azido-se (RTA) zu werten, sofern ein Harnwe-gsinfekt ausgeschlossen wurde. Wertvolle Zusatzinformationen erhält man durch die Mikroskopie des Urinsediments. Sel-tene Steinarten wie 2,8-Dihydroxyadenin, Cystin und Xanthin können anhand ih-rer Kristalle im Urin zweifelsfrei diagnos-tiziert werden. Durch dieses diagnostische Vorgehen kann man auch in Ermangelung einer Harnsteinanalyse die für die weitere spezifische Abklärung wahrscheinlichsten Harnsteinart eingrenzen.

Erweiterte metabolische Abklärung

Maßgeblich für das diagnostische Pro-gramm ist Harnsteinanalyse. Für die stein-artspezifische metabolische Abklärung werden standardmäßig zwei konsekuti-ve 24-h-Sammelurine herangezogen. Die Sammelbehälter sollte man zur Konser-vierung entweder mit 5%-igem Thymol in Isopropanol (�0 ml für einen 2-l-Behälter) versetzen oder während der Urinsamm-lung bei einer Temperatur 8°C aufbewah-ren. Mit einer umgehenden Urinanalytik nach Abschluss der Sammelperiode wird der potentielle Messfehler minimal gehal-ten.

Die international akzeptierten Refe-renzwerte für die in Blut und Urin (. Tab. 6, 7) gelten für die Mehrzahl der Erwachsenen. Die Normwerte für Kinder können sich hiervon deutlich unterschei-den und sind deswegen separat aufgeführt (. Tab. 8).

Calciumoxalatsteine

Diagnostik (. Tab. 9)Ein erhöhtes ionisiertes Calcium im Blut (oder alternativ ein erhöhtes Gesamtcal-cium bei bekanntem Albumin) deutet auf einen Hyperparathyreoidismus hin. Zur Diagnosesicherung wird das intakte Pa-rathormon bestimmt.

Konstant azide Werte (pH<6,0) im Urin-pH-Tagesprofil sind Ausdruck ei-ner Säurestarre, bei der es zur Kokristal-lisation von Harnsäure und Calcium-

oxalat kommen kann. Auch eine Hype-rurikosurie (Harnsäureexkretion bei Er-wachsenen >4 mmol/Tag und bei Kin-dern >0,�2 mmol/kg/Tag) kann zum „sal-ting out“ von Calciumoxalat führen.

Urin-pH-Werte konstant >5,8 im Ta-gesprofil deuten – sofern eine Harnweg-infekt ausgeschlossen ist – auf eine RTA Typ I hin. Die Diagnosesicherung der RTA Typ I erfolgt klassischerweise mit dem Ammoniumchloridbelastungstest (. Abb. 2).

Eine Hyperoxalurie liegt bei Oxalat-werten im Urin >0,5 mmol/Tag bei Er-wachsenen und >0,37 mmol/�,73 m2/Tag bei Kindern vor. Drei verschiedene Ty-pen müssen diagnostisch unterschieden werden:F  primäre Hyperoxalurie (PH, Oxala-

texkretion meistens >� mmol/Tag), mit 2 genetisch determinierten For-men;

F  sekundäre Hyperoxalurie (Oxalatex-kretion ≥0,5 mmol/Tag, aber norma-lerweise <� mmol/Tag), als Folge in-

Harnsteinanalyse

Basisdiagnostik

RISIKO?

ja

Hochrisiko-Gruppe

nein

Niedrigrisiko-Gruppe

AllgemeineHarnsteinmetaphylaxe

SpezifischeHarnsteinmetaphylaxe

Erweiterte metabolischeHarnsteinabklärung

HARNSTEIN

Abb. 1 8 Algorithmus

Urin pHkonstant > 5,8

Urin pH > 5,4Urin pH < 5,4

Verdacht aufRTA Typ l

Ammoniumchlorid-Belastungstest

BGA mit normalem BicarbonatRTA - inkomplett

BGA mit erniedrigtem BicarbonatRTA – komplett

(NH4Cl 0,1 g/kg Körpergewicht)

Keine RTA! RTA

Abb. 2 8 Ammoniumchloridbelastungstest

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testinaler Hyperabsortion von Oxalat oder einer extremen Oxalataufnahme mit der Nahrung;

F  milde Hyperoxalurie (Oxalatexkre-tion 0,45–0,85 mmol/Tag), diese Form wird häufig bei idiopathischer Calciumoxalatsteinbildung gefunden.

Differentialdiagnostik und Therapie von Patienten mit manifester Hyperoxalu-rie sollte ausschließlich an spezialisierten (und dafür ausgestatteten) Zentren statt-finden. Der Nachweis einer absorptiven Hyperoxalurie erfolgt mittels �3C-Oxa-latabsorptionstest. Bei sehr hohen Urin-oxalatwerten ist eine primäre Hyperoxal-urie wahrscheinlich. Die Verdachtsdiag-nose wird entweder durch Leberbiopsie oder durch Mutationsanalyse der Gene AGXT (bei PH Typ I) oder GR (bei PH Typ II) bestätigt.

Zur Beschreibung des Calciumoxalat-kristallisationsrisikos im Urin existieren verschiedene Risikoindices. Die wichtigs-ten Vertreter hierunter sind der APCaOx-Index nach TISELIUS, der EQUIL-2-In-dex sowie der Bonn-risk-Index. Ihr klini-scher Nutzen hinsichtlich Rezidivvorher-sage und Therapieoptimierung wird wis-senschaftlich intensiv diskutiert. Für die klinische Routine können sie aus heutiger Sicht nur als Zusatzparameter empfohlen werden.

Spezifische MetaphylaxeDie Pharmakotherapie der Calciumoxa-latsteine ist komplex, daher kommt es bei dieser Harnsteinart auf die verlässlich Umsetzung der allgemeinen Harnsteinme-taphylaxe als Basistherapie an (. Tab. 3, 10).

Alkalizitrate bzw. Natriumbicarbonat gelten als Medikamente der ersten Wahl, wenn eine pharmakologische Interventi-on erforderlich wird. Beide Substanzen stellen dem Metabolismus Alkaliäquiva-lente zur Verfügung, hierdurch nimmt in der Regel die Citratrückresorption im proximalen Tubulus ab, was klinisch zur Normalisierung der Zitratausscheidung führt. Zusätzlich werden die Hyperkalzi-urie, die Hyperoxalurie und die Hyperuri-kosurie durch die zitratbedingte Alkalisie-rung günstig beeinflusst.

Thiazide sind bei nachgewiesener (zit-ratrefraktärer) Hyperkalziurie [≥8mmol/

Tab. 4 Harnsteinarten und -häufigkeiten

Harnsteinart Chemische Zusam-mensetzung

Mineral Hauptkomponen-te (% der Fälle)

Monomineralisch (% der Fälle)

Oxalate Calciumoxalatmono-hydrat

Whewellit 70,4 20,8

Calciumoxalatdihydrat Weddellit

Harnsäure und Urate

Harnsäure Uricit 11,0 8,0

Harnsäuredihydrat   1,03  

Monoammoniumurat   0,5 0,1

Phosphate Magnesiumammoni-umphosphathexahydrat

Struvit 6,0 2,1

Karbonatapatit Dahllite 4,8 1,1

Calciumhydrogenphos-phatdihydrat

Brushit 1,0 1,0

Genetisch deter-minierte Steine

Cystin   0,4 0,4

Xanthin      

2,8-Dihydroxyadenin      

Iatrogene Steine Indinavir      

Sulfonamide      

Tab. 5 Abklärungsprogramm „Unbekannte Harnsteinart“a

Anamnese SteinanamneseErnährungsanamneseMedikamentenanamnese

Bildgebung Sonographie bei sonographischem Steinverdachtnatives Spiral-CT mit HE (orientierende Aussage über Harnsteinzusammensetzung)

Blut KreatininCalcium (ionisiertes Calcium oder Gesamtcalcium + Albumin)Harnsäure

Urin Urin-pH-Tagesprofil (bei jeder Miktion, mindestens 4 zirkadiane Einzelmessungen)Urinstatus (Leuko/Ery/Nitrit/Eiweiß/pH/Harndichte)Urinkulturkristallines Urinsediment (im Morgenurin)

a Die Blutuntersuchung bei Kindern sollte zusätzlich Phosphat, PTH, ALP, Oxalat, Magnesium und eine Blutgasa-nalyse umfassen.

Tab. 3 Maßnahmen der allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe

Diureseerhöhung „Trinkprophylaxe“ Flüssigkeitszufuhr: 2,5–3,0 l/Tagzirkadianes Trinkenharnneutrale GetränkeDiurese: 2,0–2,5 l/TagHarndichte <1,010 kg/l

Ernährung Ausgewogena

ballaststoffreichvegetabilCalciumzufuhr: 1000–1200 mg/Tagb

Kochsalzzufuhr: 4-5 g/TagEiweißzufuhr: 0,8–1,0 g/kg KG/Tagc

Normalisierung allgemeiner Risi-kofaktoren

BMI zwischen 18 und 25 kg/m2 (Richtwert für Erwachsene, bei Kindern nicht anwendbar)Stressbegrenzungadäquate körperliche BewegungAusgleich hoher Flüssigkeitsverluste

aKeine exzessive Zufuhr von Vitaminpräparaten.bFür Patienten mit absorptiver Hyperkalziurie ≥8 mmol/Tag gelten andere Empfehlungen.cBei Kindern ist der Eiweißbedarf alterabhängig und muss daher individuell angepasst werden.

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Leitlinien der DGU

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Tag bei Erwachsenen oder >4 mg/Tag/kg Körpergewicht (KG) bei Kindern] indi-ziert. Sie senken die renale Calciumexkre-tion hoch effizient. Wegen ihrer Neben-wirkungen ist jedoch die Patientencom-pliance bei Langzeitanwendung proble-matisch.

Der Nutzen von Magnesium wird inter-national kontrovers diskutiert. Indikatio-nen für eine Magnesiumtherapie sind die Hyperoxalurie, hier in Kombination mit einem Zitrat, sowie die isolierte Hypo-magnesiurie (sehr selten!). Bei Nierenin-suffizienz verbietet sich die Magnesium-gabe.

Bei manchen Hochrisikopatienten mit aggressiver Rezidivsteinbildung ist eine multimodale Therapie mit Kombinati-on der genannten Wirkprinzipien unum-gänglich.

Calciumphosphatsteine

DiagnostikHyperparathyreoidismus, RTA und Harn-weginfekte müssen als Ursachen einer Calciumphosphatsteinbildung in Be-tracht gezogen werden. Calciumphospat tritt in den Mineralformen Karbonata-patit und Brushit auf - de facto verhalten sich beide Minerale als Harnsteine völlig unterschiedlich. Karbonatapatit kristalli-siert bei pH-Werten ≥6,8, es tritt bevor-zugt in Verbindung mit Harnweginfekten auf oder als Komponente von Calcium-oxalatmischsteinen. Brushit kristallisiert dagegen in einem sehr engen und stabilen Urin-pH-Bereich zwischen 6,5 und 6,8 bei hohen Calcium- (>8 mmol/Tag) und Phosphatkonzentrationen (>35 mmol/Tag) aus. Brushitsteine sind nicht infekt-assoziiert (. Tab. 11).

Spezifische MetaphylaxeHyperparathyreoidismus (HPT) und RTA sind häufige Ursachen der Calciumphos-phatsteinbildung. Der HPT bedarf nach Diagnosestellung einer operativen The-rapie, wogegen die RTA pharmakolo-gisch korrigiert werden kann (s. dort). Bei infektassoziierter Karbonatapatit-steinbildung müssen zusätzlich die Emp-fehlungen für Infektsteine berücksichtigt werden (. Tab. 12).

Sind HPT und RTA ausgeschlossen, zielt die Behandlung auf eine Normalisie-

rung der erhöhten renalen Calciumaus-scheidung mit Thiaziden ab.

Ansäuerung mit L-Methionin (Do-sis 200–500 mg 3-mal tgl.) verbessert die Löslichkeit des Calciumphosphats im

Urin, wenn die Steinbildung bei Urin-pH-Werten konstant >6,2 stattfindet.

Tab. 6 Referenz und Normbereiche der urolithiasisrelevanten Laborparameter

Parameters in urinalysis Reference ranges and limits for medical attention

Indication for urin

pH Constantly >5.8constantly >7.0constantly ≤5.8

RTAurinary tract infectionacidic arrest

Specific weight >1010 Insufficient fluid intake

Creatinine 7–13 mmol/d females13–18 mmol/d males

Kidney functioncollecting failure

Calcium >5.0 mmol/d≥8.0 mmol/d

Metaphylaxis justifiedmanifest hypercalciuria

Oxalate >0.5 mmol/d0,45–0,85 mmol/d≥1.0 mmol/l

Hyperoxaluriamild hyperoxaluriaprimary hyperoxaluria likely

Uric acid >4.0 mmol/d Hyperuricosuria

Citrate <2.5 mmol/d Hypocitraturia

Magnesium <3.0 mmol/d Hypomagnesuria

Inorganic Phosphate >35 mmol/d Hyperphosphaturia

Ammonium >50 mmol/d Hyperammonuria

Cystine >0.8 mmol/d Cystineuria

Tab. 7 Referenz und Normbereiche der urolithiasisrelevanten Laborparameter (Blut-werte)

Parameters in blood analysis Reference ranges

Creatinine 20–100 µmol/l

Calcium Total calciumionized calcium

2,0–2,5 mmol/l1,12–1,32 mmol/l

Uric acid 119–380 µmol/l

Phosphate 0,81–1,29 mmol/l

BGA pHpO2

pCO2

HCO3-

BE

7,35–7,4580–90 mmHg35–45 mmHg22–26 mmol/l±2 mmol/l

Tab. 8 Referenz und Normbereiche der urolithiasisrelevanten Laborparameter

Parameter age Normal value Remarks Kinderwerte

Calcium all ages <4 mg/kg/d (<0.1 mmol/kg/d) HPT, RTA, genetic background

Oxalate <10 years>10 years

<0.37 mmol (<33 mg)/1.73 m2/d<0.50 mmol (<45 mg)/1.73 m2/d

Consider PH I/II for constant excessive elevation (see below)

Citrate malecitrate female

>1.9 mmol/1.73 m2/d>1.6 mmol/1.73 m2/d

Hypocitraturia: metabolic acidosis, hypokalemia, calcineurin inhibitors

Uric acid all ages <0.12 mmol (<20 mg)/kg/d Hyperuricosuria =>check diet,  medication, tumor lysis, inborn errors of metabolism

Magnesium 0.07±0.03 mmol (1.6±0.8 mg)/kg/d

Consider FFHNC with hypomagnese-mia and elevated FEMg

Phosphorus 12–38 mmol/1.73 m2/d  

Cystine <10 years>10 yearsAdults

<55 µmol (13 mg)/1.73 m2/d<200 (48 mg)<250 (60 mg)

Enhance cystine dissolution by ad-justing urine pH>7.5; check morning urine for hexagonal crystals

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Stoffwechselstörungen mit assoziierter Calciumsteinbildung

HyperparathyreoidismusZum klinischen Erscheinungsbild des Hyperparathyreoidismus (HPT) gehört klassischerweise Knochenabbau, Magen-ulkus und Urolithiasis. Erhöhte PTH-Spiegel führen zum Anstieg des Calcium-turn-over mit der Folge einer Hyperkalz-ämie und einer resorptiven Hyperkalzi-urie. Wenn aufgrund der Symptoment-rias, des erhöhten Serumcalciums und der PTH-Spiegel ein HPT vermutet werden muss, so ist der nächste Schritt die opera-tive Halsexploration zur Bestätigung der Diagnose einerseits und kausalen Thera-

pie andererseits. Eine Entfernung der Epi-thelkörperchen mit autologer Transplan-tation von Nebenschilddrüsengewebe in die Unterarmmuskulatur ist der momen-tane chirurgische Standard. Ein primärer HPT kann nur chirurgisch geheilt wer-den, sämtliche pharmakologischen An-sätze sind symptomatischer Natur.

Primäre HyperoxalurieDas Management von Patienten mit primä-rer Hyperoxalurie (PH) verlangt ein inter-disziplinäres Team mit spezieller Exper-tise. Zur Bestätigung der Diagnose und weiteren Therapie sollten PH-Patienten an ein entsprechendes Zentrum ange-bunden werden. Genetisch determinierte Defekte an Enzymen des Leberstoffwech-sels führen bei beiden PH-Formen zu ei-ner exzessiven endogenen Oxalatproduk-tion. Vor allem bei Kindern mit Nephro-

kalzinose oder Kalziumoxalatsteinbildung muss an eine PH gedacht werden. Für die Diagnosestellung ist eine Quantifizierung von Oxalat im Urin und Serum des Patien-ten notwendig. Zur Bestätigung der PH Typ I empfiehlt sich zusätzlich eine Gly-kolatbestimmung (. Tab. 13).

Als pathologisch gelten folgende Tages-exkretionsraten:F  Oxalat ≥50 mg/�,73 m2 Körperober-

fläche (KÖF) und Tag,F  Glykolat ≥70 mg/�,73 m2 KÖF und

Tag.

Im Falle einer Anurie lässt sich die Dia-gnose entweder durch Leberbiopsie und Messung der Enzymaktivität von AGAT stellen oder durch eine Mutationsanalyse für das AGXT-Gen (PH-Typ I) bzw. das GR-Gen (PH-Typ II) sichern.

Tab. 9 Abklärungsprogramm Calcium-oxalata

Basisdiagnostik +

Blut Parathormon (bei erhöhtem Calcium)NatriumKaliumChlorid

Urin Urin-pH-Tagesprofil (bei jeder Miktion, mindestens 4 zirkadia-ne Einzelmessungen)2-mal 24-h-Sammelurine:- Volumen- Urin-pH- Harndichte- Calcium- Oxalat- Harnsäure- Zitrat- Magnesium

aDie Blutuntersuchung bei Kindern sollte zusätzlich eine Blutgasanalyse umfassen.

Tab. 10 Spezifische Metaphylaxe bei Calciumoxalatsteinen

Lithogene Ri-sikofaktoren

Indikation zur Metaphylaxe Spezifische Metaphylaxe

Hyperkalziurie Calciumausscheidung 5–8 mmol/Tag

Alkalizitrate: Dos. 9–12 g/Tag alternativNatriumbikarbonat: Dos. 1,5 g 3-mal täglich

Calciumausscheidung >8 mmol/Tag

Primär Alkalizitrate: Dos. 9–12 g/TagSekundär Hydrochlorothiazid: Dos. 25 mg/Tag initial, bis 50 mg/Tag

Hypozitraturie Zitratausscheidung <2,5 mmol/Tag

Alkalizitrate: Dos. 9–12 g/Tag

Hyperoxalurie (sekundäre)

Oxalatausscheidung >0,5 mmol/Tag

Oxalatarme ErnährungCalcium: Dos. ≥500 mg/Tag jeweils zu den Mahl-zeiten, Cave: Calciumexkretion!Magnesium: Dos. 200–400 mg/Tag jeweils zu den MahlzeitenCave: Kontraindiziert bei Niereninsuffizienz!

Hyperurikos-urie

Harnsäureausscheidung >4 mmol/Tag

Purinarme ErnährungAlkalizitrate: Dos. 9–12 g/Tag alternativNatriumbikarbonat: Dos. 1,5 g 3-mal täglich plusAllopurionol: Dos. 100 mg/Tag

Hyperurikosurie und Hyper-urikämie >380 µmol

wie oben plusAllopurionol: Dos. 300 mg/Tag, Cave: Nierenfunk-tion beachten!

Hypomagne-siurie

Magnesiumausscheidung <3,0 mmol/Tag

Magnesium: Dos. 200–400 mg/Tag jeweils zu den MahlzeitenCave: Kontraindiziert bei Niereninsuffizienz!

Tab. 11 Abklärungsprogramm Cal-ciumphosphat, Carbonatapatit/Brushit

Basisdiagnostik

Blut Parathormon (bei erhöhtem Calcium)NatriumKaliumChlorid

Urin Urin-pH-Tagesprofil (bei jeder Miktion, mindestens 4 zirkadiane Einzelmessungen)2-mal 24-h-Sammelurine:- Volumen- Urin-pH- Harndichte- Calcium- Phosphat- Zitrat

Tab. 12 Spezifische Metaphylaxe bei Calciumphosphatsteinena

Lithogene Risikofaktoren Indikation zur Metaphylaxe Spezifische Metaphylaxe

Ausschluss einer RTA und eines Hyperparathyreodismus!!!

Hyperkalziurie Calciumausscheidung >8 mmol/Tag

Hydrochlorothiazid: Dos. 25 mg/Tag initial, bis 50 mg/Tag

Urin-pH Urin-pH konstant >6,2 L-Methioninb: Dos. 200–500 mg 3-mal täglich, Ziel: Urin-pH=5,8–6,2

aCalciumphosphat ist möglicher Mischpartner bei Struvitsteinen.bCave: L-Methionin ist bei der renal tubuläre Azidose kontraindiziert!

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Leitlinien der DGU

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Das vorrangige Behandlungsziel ist die Verringerung der endogenen Oxalatpro-duktion, welche bei PH-Patienten auf ein Vielfaches der Norm erhöht sein kann. Ferner eine adäquate Harnverdünnung durch zirkadianes Trinken von 3,5–4,0 l bei Erwachsenen (Kinder �,5 l/m2 KÖF). Rund ein Drittel der Patienten mit PH-Typ I profitiert von einer Therapie mit Py-ridoxin zur Normalisierung der Oxalat-ausscheidung im Urin.

Verstärkte Diurese, Alkalicitrate und Magnesium sind therapeutische Optio-nen, um den „malignen“ Kristallisations-prozess von Calciumoxalat zu verhindern. Beim terminalen Nierenversagen hilft dem PH-Patienten nur noch eine kombi-nierte Leber-/Nierentansplantation.

Renal-tubuläre AzidoseDie renal-tubulär Azidose (RTA) wird durch einen defekten Protonen- und/oder Bikarbonattransport im Nephron verurs-acht. Diagnostisch richtungweisend sind deshalb Urin-pH-Werte konstant >5,8 im Tagesprofil (nach Ausschluss eines Harn-weginfekts). Diagnosesicherung und Dif-ferentialdiagnose der RTA Typ I erfolgen mit dem Ammoniumchloridbelastungs-test (. Tab. 14).

Das primäre therapeutische Ziel ist die Wiederherstellung des Säure-Basen-Äquilibriums. Der RTA liegt eine Säure-exkretionsstörung des Nephrons zugrun-de. Ungeachtet alkalischer Urin-pH-Wer-te besteht die zwingende Notwendigkeit zur Alkalisierungsbehandlung. Hierdurch normalisiert sich der sekundär erhöhte Calciumumsatz (Hyperkalzurie) sowie die gesteigerte Zitratrückresorption (Hypozi-traturie) im proximalen Nierentubulus. Das Therapiemonitoring bei kompletter RTA sollte mittels venöser Blutgasanaly-se (BGA) erfolgen: idealer „base excess“ bei ±2.0.

Wenn die Hyerkalziurie (>8 mmol/Tag) nach Wiederherstellung des Säure-Basen-Äquilibriums persistiert, können zusätzlich Thiazide verabreicht werden.

NephrokalzinoseUnter Nephrokalzinose (NC) versteht man eine pathologische Ablagerung von Kristallen in der Nierenrinde und dem -mark. Die NC kann sowohl isoliert als auch in Verbindung mit einer Harnstein-

bildung auftreten. Eine Vielzahl meta-bolischer Störungen bzw. Erkrankungen kann für den NC-Prozess verantwort-lich sein, darunter der HPT, die PH, die RTA, Störungen des Vitamin-D-Metabo-lismus, die idiopathische Hyperkalzurie und Hypozitraturie. Auch hereditäre Er-krankungen wie der Morbus Dent oder das Bartter-Syndrom führen zur NC. Die vielfältigen Ursachen begründen das um-fassende metabolische Abklärungspro-gramm für NC-Patienten (. Tab. 15).

Wegen der vielfältigen Ursachen der Nephrokalzinose gibt es keine Standard-therapie. Das therapeutische Augenmerk muss primär auf die zugrunde liegende

Tab. 13 Konservative Therapie der primären Hyperoxalurie (PH): allgemeine Harnsteinmetaphylaxe

Lithogene Risikofaktoren Indikation zur Metaphylaxe Spezifische Metaphylaxe

Hyperoxalurie (primär) Oxalatausscheidung >0,5 mmol/Tag

Harndilution: Tagesurinmenge >3,0 lPyridoxin (Vitamin B6): Dos. 5–20 mg/kgKG/TagCave: regelmäßige Oxalatkontrollen im Urin!Alkalizitrate: Dos. 9–12 g/TagNormale Calciumzufuhr!Magnesium: Dos. 200–400 mg/TagCave: kontraindiziert bei Nierenin-suffizienz!

Tab. 14 Therapie der RTA: allgemeine Harnsteinmetaphylaxe

Lithogene Risikofaktoren Indikation zur Metaphylaxe Spezifische Metaphylaxe

Urin-H konstant >5,8HyperphosphaturieHypozitraturie

Normalisierung des Säure-Basen-EquilibriumsDie Ztratindikation ist unabhän-gig vom Urin-pH-Wert!

Alkaliztrate: Dos. 9–12 g/TagalternativNatriumbikarbonat: Dos. 1,5 g 3-mal täglich

Hyperkalzurie Calciumausscheidung >8 mol/Tag

Hydrochlorothiazid: Dos. 25 mg/Tag initial, bis 50 mg/Tag

Tab. 15 Abklärungsprogramm bei Nephrokalzinose

Basisdiagnostik +

Blut Intaktes Parathormon (bei erhöhtem Calcium)Vitamin-D- und Vitamin-D-MetaboliteVitamin ANatriumKaliumMagnesiumChloridBlutgasanalyse

Urin Urin-pH-Tagesprofil (bei jeder Miktion, mind. 4 zirkadiane Einzelmessungen)2-mal 24-h-Sammelurine:- Volumen- Urin-pH- Harndichte- Calcium- Phosphat- Oxalat- Harnsäure- Zitrat- Magnesium

Tab. 16 Die wichtigsten ureasebilden-den Bakteriena

Obligate Ureasebildner (>98%)

Proteus spp.Providencia rettgeriMorganella morganiiCorynebacterium urealyticumUreaplasma urealyticum

Fakultative Ureasebildner

Enterobacter gergoviaeKlebsiella spp.Providencia stuartiiSerratia marcescensStaphylococcus spp.aCave: 0–5% der Stämme von Escherichia coli, Enterkokken und Pseudomonas aeruginosa bilden Urease

7Der Urologe 9 · 2009 |

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metabolische oder genetische Erkrankung gerichtet sein, um die biochemischen Risi-kofaktoren für die Nephrokalzinose so gut wie möglich zu eliminieren.

Infektsteine (Struvit)

DiagnostikAls infektassoziierte Harnsteine gelten: Struvit, Karbonatapatit und Ammonium-

urat. Typischer Weise zeigt sich in der korrespondierenden Urinkultur ein In-fekt mit ureasebildenden Keimen. Die wichtigsten Vertreter dieser Bakterien sind in . Tab. 16 aufgeführt. Durch die Ureasereaktion wird im Urin Bikarbonat und Ammonium freigesetzt, hierdurch entsteht ein alkalischer Urin-pH, der die Kristallisation von Magnesiumammoni-umphosphat wie auch Karbonatapatit be-günstigt. Konstant alkalische Urin-pH-Werte im Tagesprofil sind der entschei-dende Hinweis auf eine Infektsteinbildung [Urin: pH-Tagesprofil (mindestens 4 über den Tag verteilte Messungen].

Spezifische MetaphylaxeInfektsteinbildung und Harnweginfekt mit ureaseproduzierenden Bakterien bil-den einen Teufelskreis. Deswegen ist ei-ne rein pharmakologische Infektstein-therapie bzw. Rezidivprophylaxe sinnlos. Zur erfolgreichen Langzeitsanierung sind wichtig (. Tab. 17):F  komplette Entfernung der Infektstein-

masse aus dem Hohlsystem. Residu-alfragmente können als Nukleus des Rezidivsteins fungieren. Ferner ent-halten sie oft „Keimnester“, die den Harnwegsinfekt mit den Ureasebild-nern unterhalten.

F  Eradikation des Harnweginfekts mit einem testgerechten Antibiotikum.

F  Angemessene Harndilution zur Kon-zentrationssenkung der an der Infekt-steinbildung beteiligten Lithogene und Gewährleistung eines prograden Urinflusses im Hohlsystem.

F  Einstellung eines aziden Urin-pH Wertes zwischen 5,8 und 6,2 (mit L-Methionin: 200–500 mg 3-mal täg-lich), um die Löslichkeit von Magne-siumammoniumphosphat im Urin zu verbessern.

Der Nutzen von Ureaseinhibitoren wie Acetohydroxaminsäure oder Flurofamid bleibt international kontrovers diskutiert. In Deutschland ist diese Substanzgruppe nicht zugelassen.

Harnsäure und Uratsteine

DiagnostikPermanent saure Urin-pH-Werte (<pH=6,0) im Tagesprofil entsprechen ei-

Tab. 17 Spezifische Metaphylaxe bei Infektsteinen (Struvita)

Lithogene Risikofaktoren Indikation zur Metaphylaxe Spezifische Metaphylaxe

Harnweginfekt mit urease-bildenden Bakterien

Harnweginfekt Testgerechtes Antibiotikum

Urin-pH >7,0 L-Methioninb: Dos. 200–500 mg 3-mal täglich, Ziel-Urin-pH=5,8–6,2

aMögliche Mischpartner von Struvit sind Karbonatapatit und Ammoniumurat.bCave: L-Methionin ist bei der RTA kontraindiziert!

Tab. 18 Abklärungsprogramm Harnsäure und Urate

Basisdiagnostik +

Urin Urin-pH-Tagesprofil (bei jeder Miktion, mindestens 4 zirkadiane Einzel-messungen)2-mal 24-h-Sammelurine:- Volumen- Urin-pH- Harndichte- Harnsäure

Tab. 19 Spezifische Metaphylaxe bei Harnsäuresteinen

Lithogene Risikofaktoren Indikation zur Metaphylaxe Spezifische Metaphylaxe

Hyperurikosurie Harnsäureausscheidung >4 mmol/Tag

Purinarme ErnährungplusAllopurionol: Dos. 100 mg/Tag

Hyperurikosurie und Hyper-urikämie >380 µmol

Allopurionol: Dos. 300 mg/Tag,  Cave: Nierenfunktion beachten!

Urin-pH Urin-pH konstant ≤6,0  („Säurestarre“)

Alkalizitrate: Dos. 9–12 g/Tag,  Dosierung nach Urin-pHalternativNatriumbikarbonat: Dos. 1,5 g  3-mal täglichMetaphylaxe: Ziel-Urin-pH 6,2–6,8Chemolitholyse: Ziel-Urin-pH 7,0–7,2a

aZur oralen Chemolitholyse ist eine Erhöhung der Diuresemenge erforderlich.

Tab. 20 Spezifische Metaphylaxe bei Ammoniumuratsteinena

Lithogene Risikofaktoren Indikation zur Metaphylaxe Spezifische Metaphylaxe

Hyperurikosurie Harnsäureausscheidung >4 mmol/Tag

Purinarme ErnährungplusAllopurionol: Dos. 100 mg/Tag

Hyperurikosurie und Hyper-urikämie >380 µmol

Allopurionol: Dos. 300 mg/Tag, Cave: Nierenfunktion beachten!

Harnweginfekt mit ureasebil-denden Bakterien

Harnweginfekt Testgerechtes Antibiotikum

Urin-pH stets >6,5 L-Methioninb: Dos. 200–500 mg 3-mal täglich, Ziel-Urin-pH=5,8-6,2

aNeben der Infektgenese können Ammoniumurate auch infolge von Malnutrition und Malabsorption entste-hen.bCave: L-Methionin ist bei metabolischer Azidose kontraindiziert!

Tab. 21 Abklärungsprogramm Cystin

Basisdiagnostik +

Urin Urin-pH-Tagesprofil (bei jeder Miktion, mindestens 4 zirkadi-ane Einzelmessungen)2-mal 24-h-Sammelurine:- Volumen- Urin-pH- Harndichte- Cystin

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Leitlinien der DGU

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ner Säurestarre des Urins. Die Harnsäure-kristallisation nimmt bei saurem Urin-pH exponentiell zu. Als weiterer ätiologischer Faktor ist die Hyperurikosurie, definiert als Harnsäureexkretion >4 mmol/Tag bei Erwachsenen und >0,�2 mmol/kg/Tag bei Kindern, bedeutsam. Für die Harnsäure-steinbildung ist eine Hyperurikämie (Se-rumharnsäure >380 µmol/l) nicht zwin-gend notwendig, kann aber zusätzlich vorhanden sein (. Tab. 18).

Ammoniumuratsteine enthalten zwar ebenfalls Harnsäure, entstehen jedoch un-ter völlig anderen Bedingungen. Ammo-niumurat kristallisiert in alkalischem Urin (Urin-pH>6,5) bei hohen Harnsäurekon-zentrationen und gleichzeitiger Präsenz eines Kations aus. Klinisch ist diese Harn-steinart assoziiert mit Harnweginfekten, Malabsorption oder Malnutrition.

Spezifische Metaphylaxe: HarnsäuresteineHarnsäurekristalle bilden sich in sau-rem Urin (bevorzugt bei „Säurestarre“ pH permanent ≤6,0), der mit Harnsäure übersättigt ist. Je nach Urin-pH kristalli-siert die Harnsäure aus oder geht wieder in Lösung. Für die orale Chemolitholyse von Harnsäurekonkrementen muss der Urin-pH zwischen 7,0 und 7,2 eingestellt werden. Zur Rezidivprophylaxe wird ein Urin-pH zwischen pH=6,2 und 6,8 emp-fohlen. Man erreicht die dafür notwen-dige Harnalkalisierung entweder durch Alkalizitrate oder Natriumbikarbonat (. Tab. 19).

Allopurinol wird zur Senkung der Harnsäurespiegel verwendet. Durch die Hemmung des Enzyms Xanthinoxida-se führt Allopurinol zu einer Verminde-rung der Harnsäureproduktion. Daneben spielt die Ernährung eine Schlüsselrol-le bei der Harnsäuresteinbildung. Zur er-folgreichen Metaphylaxe beim Harnsäu-restein tragen eine adäquate Harndiluti-on sowie eine purinarme Kost in wesent-lichem Umfang bei.

Spezifische Metaphylaxe: AmmoniumuratsteineAmmoniumuratsteine entstehen unter völlig anderen Bedingungen als Harn-säuresteine. Sie sind nicht chemolitholy-sierbar! Es müssen demnach primär die zugrunde liegenden Störungen behan-

delt werden, d. h. je nachdem Sanierung des Harnweginfekts, Ausgleich der intesti-nalen Malabsorption bzw. Beendigung der Malnutrition (. Tab. 20).

Pharmakologisch kann der gesteigerte Harnsäure-turn-over dieser Steinpatienten mit Allopurinol normalisiert werden. Zu-sätzlich lässt sich durch die Harnansäue-rung mit L-Methionin die Kristallisation von Ammoniumurat hemmen.

Zystinsteine

DiagnostikDie Zystinurie ist Folge eines genetisch de-terminierten tubulären Transportdefekts für dibasische Aminosäuren mit entspre-chend vermehrter Cystinausscheidung im Urin. Zur Cystinsteinbildung kann es kommen, wenn die renale Cystinexkreti-on 0,8 mmol/Tag überschreitet. Der Kris-tallisationsprozess ist direkt vom Urin-pH abhängig: bei einem pH von 6,0 beträgt die Löslichkeit �,33 mmol/l im Urin. Für das Therapiemonitoring eignet sich die Routinebestimmung von Cystin im Urin nicht, weil hier eine Unterscheidung zwi-schen Cystin, Cystein und Cystein-Phar-makon-Komplexen nicht möglich ist. Soll also der Erfolg der reduktiven Therapie laborchemisch bewertet werden, erfor-dert dies eine HPLC-basierte Urinanaly-se (. Tab. 21).

Spezifische MetaphylaxeWichtigstes Ziel in der Behandlung der Zystinurie ist die Sicherstellung einer angemessenen Harndilution sowie eine

konstante Harnalkalisierung über einen Urin-pH Wert von 7,5. Beide Maßnah-men sollen die Löslichkeit des vermehrt ausgeschiedenen Cystins im Urin verbes-sern (. Tab. 22).

Für Erwachsene liegt die empfohlene Trinkmenge bei 3,5 l/Tag, Kinder sollten auf �,5 l/Tag/m2 Körperoberfläche kom-men. Als vorteilhaft haben sich alkalisie-rende oder harnneutrale Getränke erwie-sen.

Die Löslichkeit der Aminosäure Cystin hängt von ihrem Protonierungsgrad ab, d. h. je alkalischer der Urin, umso mehr Cystin kann sich darin lösen. Mit Hilfe von Alkalizitraten bzw. Natriumbikarbo-nat kann der optimale Urin-pH-Bereich zwischen 7,5 und 8,5 eingestellt werden.

Zusätzlich lässt sich die freie Cystin-konzentration im Urin durch reduktive Substanzen, welche die Disulfidbrücke im Cystinmolekül spalten, senkten. Tio-pronin ist heute die beste der dafür ver-fügbaren Substanzen. Leider bedingen Nebenwirkungen und Unverträglichkei-ten bei Langzeitanwendung des Wirk-

Tab. 22 Spezifische Metaphylaxe bei Cystinsteinen

Lithogene Risikofaktoren

Indikation zur Metaphylaxe

Spezifische Metaphylaxe

Zystinurie Löslichkeitsverbesserung  des Cystins

Harndilution: Tagestrinkmenge >3,5 lUrin-pH Optimum 7,5–8,5Alkalizitrate: Dosierung nach Urin-pHalternativNatriumbikarbonat: Dosierung nach Urin-pH

Cystinausscheidung  <3,0-3,5 mmol/Tag

Fakultativ:Ascorbinsäure: Dos. 3–5 g/Tag als BrausetabletteoderTiopronin: Dos. 250 mg/Tag initial, maximal  1-2 g/TagCave: Tachyphylaxie!

Cystinausscheidung > 3,0–3,5 mmol/Tag

obligat:Tiopronin: Dos. 250 mg/Tag initial, maximal 1–2 g/TagCave: Tachyphylaxie!

Tab. 23 Abklärungsprogramm 2,8-Di-hydroxyadeninurie und Xanthinurie

Basisdiagnostik +

Urin Urin-pH-Tagesprofil (bei jeder Miktion, mindestens 4 zirka-diane Einzelmessungen)2-mal 24-h-Sammelurine:- Volumen- Urin-pH- Harndichte- Harnsäure

9Der Urologe 9 · 2009 |

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stoffs nicht selten eine schlechte Therapie-compliance und können sogar zur Been-digung der Therapie zwingen. Zwischen frühem Therapiebeginn mit Blick auf das hohe Rezidivrisiko einerseits und der Ent-wicklung einer Tachyphylaxie mit nach-folgendem Dose-escape-Phänomen ande-rerseits muss bei jeden Patienten kritisch abgewogen werden. Allgemein wird Tio-pronin ab einer Cystinexkretion ≥3 mmol/Tag (obligat) empfohlen.

Captopril wirkt in gleicher Weise wie Tiopronin. Die Studienlage zur Effizi-enz des ACE-Hemmers in der Rezidiv-prophylaxe ist indessen kontrovers. Nach heutigem Kenntnisstand kann Captopril als Alternative gelten, allerdings im Sinne einer Second-line-Option bei Tiopronin-Unverträglichkeit.

2,8-Dihydroxyadeninsteine und Xanthinsteine

Beide Steintypen sind selten. Die emp-fohlene spezifische Diagnostik ist in . Tab. 23 zusammengefasst. Generell ist

die Metaphylaxe derjenigen der Harnsäu-resteine sehr ähnlich.

Bei den 2,8-Dihydroxyadenin-Steinen verursacht ein genetisch determinierter Defekt der Adenin-Phosphoribosyltrans-ferase (APRT) eine hohe Urinausschei-dung von schlecht löslichem 2,8-Dihydro-xyadenin. Purinarme Ernährung und Allo-purinol sind die geeigneten Mittel, um die-se Steine zu verhindern.

Xanthinsteine entstehen infolge eines autosomal-rezessiv vererbten Defekts des Enzyms Xanthinoxidase. Dadurch ent-stehen extrem hohe Xanthinkonzentrati-onen im Urin, während die Serumharn-säurespiegel für gewöhnlich niedrig sind. Die einzigen therapeutischen Optionen sind eine hohe Flüssigkeitszufuhr und ei-ne purinarme Ernährung.

Fazit für die Praxis

Ungefähr 25% der Steinbildner gehö-ren der Hochrisikogruppe an und be-nötigen definitiv spezifische Maßnah-men, um häufige Rezidive zu vermeiden. Patienten mit „Zivilisationssteinen“ oder mit einem metabolischen Syndrom profi-tieren vielfach allein schon von der allge-meinen Metaphylaxe. Die meisten in der Kindheit gebildeten Steine entstehen auf dem Boden einer schwereren metabo-lische Grunderkrankung. Folglich ist ei-ne frühe Diagnose essentiell für eine er-folgreiche Behandlung und längerfristi-ge Steinfreiheit.Eine längerfristig erfolgreiche Harnstein-metaphylaxe bei Patienten der Hochri-sikogruppe erfordert neben der spezi-fischen Ersteinstellung der Metaphylaxe-maßnahmen auch ein Monitoring. Nur so kann auf Veränderungen der Risikositua-tion rechtzeitig eingegangen werden. Eine lebensbegleitende Harnsteinmeta-phylaxe erscheint heute nur noch bei Pa-tienten mit schwereren genetischen Stö-rungen bzw. metabolischen Defekten ge-rechtfertigt. Ansonsten sollte das Prinzip der risikoadaptierten Harnsteinmetaphy-laxe verfolgt werden. 3–4 Monate nach primärer Metaphylaxeeinstellung wird der Therapieerfolg sowohl klinisch als auch durch Messung der Harnchemie un-ter Metaphylaxebedingungen bewertet. Bei weiterem Korrekturbedarf können zu diesem Zeitpunkt die notwendigen Än-

derungen im Metaphylaxekonzept vor-genommen werden. Eine optimale Ein-stellung vorausgesetzt, genügen halb-jährliche, später jährliche, klinische Kon-trolluntersuchungen. Dies ermöglicht eine flexible Anpassung des Metaphy-laxekonzepts an das aktuelle Risiko des Patienten und verhindert ein „Under-“ oder „Overtreatment“.

Korrespondenzadresse Dr. Michael Straub

Urologische Klinik und Poliklinik des  Klinikums rechts der IsarTechnische Universität MünchenIsmaninger Strasse 2281675 Mü[email protected]

Danksagung.  Die Autoren danken Herrn Thomas Horn für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die Mithilfe bei den Korrekturarbeiten.

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Knoll T, Köhrmann KU, Straub M, Türk C für den Ar-beitskreis „Harnsteine“ der Akademie der Deut-schen Urologen und des „Arbeitskreises Endo-urologie und Steinerkrankung“ der Österrei-chischen Gesellschaft für Urologie (2009) Leitli-nie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. Arbeitsgemeinschaft der Medizi-nischen Fachgesellschaften (AWMF), Nr. 043/025

  2.  Straub M, Strohmaier WL, Berg W et al (2005) Dia-gnosis and metaphylaxis of stone disease. Consen-sus concept of the National Working Committee on Stone Disease for the upcoming German Uroli-thiasis Guideline. World J Urol 23:309–323

  3.  Preminger GM, Tiselius HG, Assimos DG et al (2007) American Urological Association Education and Research, Inc; European Association of Urolo-gy. 2007 Guideline for the management of ureteral calculi. Eur Urol 52:1610–1631

  4.  Tiselius HG, Ackermann D, Alken P et al (2001) Working Party on Lithiasis, European Associati-on of Urology. Guidelines on urolithiasis. Eur Urol 40:362–371

Infobox 1

LeitliniengruppeDie Bearbeitung der spezifischen Themen-komplexe erfolgte in zwei Kernkompetenz-gruppen, anschließend wurde die Leitlinie durch angrenzende Fachgesellschaften konsentiert.

Harnsteindiagnostik und -therapieKoordinatoren: K.U. Köhrmann (Mannheim), T. Knoll (Sindelfingen)C. Chaussy (München), D. Fahlenkamp (Chemnitz), G. Haupt (Speyer), R. Hofmann (Marburg), V. Janitzky (Pirna), D. Jocham (Lübeck), S. Lahme (Pforzheim), S. Lebentrau (Neuruppin), D. Neisius (Trier), S. Oehlschläger (Dresden), J. Rassweiler (Heilbronn), C. Türk (Wien), D. Wilbert (Uznach).

Metabolische Harnsteinabklärung und HarnsteinmetaphylaxeKoordinator: M. Straub (München)W. Berg (Jena), A. Hesse (Bonn), N. Laube (Bonn), M. Schmidt (Bonn), W. L. Strohmaier (Coburg), B.Hoppe (Köln)

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Leitlinien der DGU