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Heft – Jahrgang 2016 Die Neue Hochschule Z 12916 F Postvertriebsstück Entgelt bezahlt Wienands PrintMedien GmbH Linzer Straße 140 53604 Bad Honnef ISSN 0340-448 x für anwendungsbezogene Wissenschaft und Kunst DNH Stefan Vörtler, Friederike Menz und Franziska Nitsche Vielfalt für die Bildung – Bildung für die Vielfalt: Studierende der ersten Generation Sabine Weidauer und Heike Rosemann Zusätzliche mathematische Förderung am Fachbereich Maschinenbau: Mathematik Basiskurs Olga Wälder Eine feste Struktur für die Lernorganisation während der Studienanfangsphase mittels der DMAIC-Methodik Timo Becker und Sebastian Kaiser Zur Rolle von Theorie und Praxis in der Hochschulbildung Achim Weiand Lehrende und Studierende – Spurensuche und Annäherungen an ein schwieriges Verhältnis

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Heft – Jahrgang 2016

Die Neue Hochschule

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�Ste fan Vör t l e r, F r i eder ike Menz und F ranz i ska N i t s che Vielfalt für dieBildung – Bildung für die Vielfalt: Studierende der ersten Generation

Sab ine We idauer und He ike Rosemann Zusätzliche mathematische Förderungam Fachbereich Maschinenbau: Mathematik Basiskurs

Olga Wä lder Eine feste Struktur für die Lernorganisation während derStudienanfangsphase mittels der DMAIC-Methodik

T imo Becker und Sebas t i an Ka i se r Zur Rolle von Theorie und Praxis in derHochschulbildung

Ach im We iand Lehrende und Studierende – Spurensuche und Annäherungen an einschwieriges Verhältnis

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Seminartermine 2016

Fr. 10. Juni Prüfungsrecht und Prüfungsverfahren an HochschulenSiegburg, Kranz Parkhotel, 10:00 Uhr bis 17:30 Uhr

Fr. 24. Juni Prüfungsrecht und Prüfungsverfahren an HochschulenHannover, ANDOR Hotel Plaza, 10:00 Uhr bis 17:30 Uhr

Fr. 28. Oktober Prüfungsrecht und Prüfungsverfahren an HochschulenSiegburg, Kranz Parkhotel, 10:00 Uhr bis 17:30 Uhr

Programm und Anmeldung auf unserer Homepage unter www.hlb.de/seminare

Wissenschaftsfreiheit – quo vadis?

ANKÜNDIGUNG

Kolloquium 2016 des Hochschullehrerbundes hlb

Montag, 28. November 2016 Wissenschaftszentrum Bonn, Ahrstraße 45, 53175 Bonn

VORLÄUFIGES PROGRAMM

> 10:30 Eröffnung

> Impulsreferate

· Die „unternehmerische Hochschule“ als Leitbild der neueren Hochschulpolitik

· Rechtliche Rahmenbedingungen der Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 GG

· Organisationssoziologische Überlegungen zur Ausgestaltung der Wissenschaftsfreiheit an den Hochschulen

· Hochschulpolitische Entwicklungen in den Ländern

> 12:30 Mittagspause

· Anschließend Arbeitsgruppen zu den Themen hochschulinterne Organisation, W-Besoldung und Zielvereinbarungen, Forschung, Akkreditierung, private Hochschulen.

> 15:00 Kommunikationspause

· Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitsgruppen

> 16:00

· Abschlussdiskussion der Referentinnen und Referenten mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern

> Ende gegen 17:00

Voranmeldungen sind ab sofort möglich bei Gaby Wolbeck, E-Mail: [email protected].

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1EDITORIAL

Wie können im Rahmen eines Curricu-lums Wissensdefizite aufgefangen wer-den? Sabine Weidauer und Heike Rose-mann stellen ein Konzept vor, bei demdie Studierenden an ihren individuellenfachlichen Lücken arbeiten (Seite 10).

Wie wird der oder die einzelne Studie-rende befähigt, die eigene Verantwor-tung für den Studienerfolg wahrzuneh-men? Olga Wälder hat aus der „SixSigma“-Methodik eine Anleitung entwi-ckelt, mit der Studierende ihre Selbst-lernphasen organisieren (Seite 14).

Wie sollten wir mit Menschen umge-hen, die nicht die akademische Stufen-leiter Schritt für Schritt erklimmen wol-len, sondern unmittelbar nach einemMasterstudium suchen? An der Hoch-schule für Wirtschaft und Recht Berlinist der Zugang zum Masterstudiengang„Prozess- und Projektmanagement“über eine Eignungsprüfung geregelt –unabhängig von einem etwaigen vor-hergegangenen Studienabschluss (Seite 17).

In der Rubrik „Aus den Ländern“ findenSie diesmal drei Beiträge zum Themen-kreis Forschung und Promotion anFachhochschulen. Das zeitliche Zusam-mentreffen mit dem aktuellen Schwer-punktthema war nicht geplant. Ichfinde aber, es zeigt, wie selbstverständ-lich an unseren Hochschulen beideszusammengehört: der Einsatz für denakademischen Einstieg und das Strebennach hochwertiger wissenschaftlicherLeistung.

IhrChristoph Maas

„Warum sind amerikanische Spitzenuni-versitäten so erfolgreich?“, fragte 2004eine HIS1-Studie. Eine wichtige Erfolgs-komponente sahen die Autoren darin,dass diese Universitäten große Anstren-gungen unternehmen, die Besten derBesten als Studierende zu gewinnen. Fürdie Fachhochschulen in Deutschland isteine solche Selektion nach ihrem Selbst-verständnis nie ein gangbarer Weg ge -wesen. Natürlich freuen wir uns auchüber hochmotivierte Studierende, diesich ganz selbstverständlich in die aka-demische Welt des Wissenserwerbs undder Wissensproduktion einfügen. Es sollaber keineswegs eine Ausnahme darstel-len, wenn Menschen bei uns erfolgreichstudieren, die nicht in akademisch ge -prägten Familien aufgewachsen sindoder die nicht reibungslos in den gym-nasialen Lehr- und Lernstrukturen funk-tioniert haben. Dazu müssen wir aberdann auch dafür sorgen, dass diese Stu-dierenden den Weg von der Eingangs-tür zur Mitte unserer Hochschulen fin-den, dass sie die Methoden und Zieleeines Studiums verstehen, das nötige(Vor-)Wissen erwerben und ihr Lernver-halten weiterentwickeln.

Die Beiträge in diesem Heft zeigen,welch breiter Aufgabenstellung wir unsdabei gegenübersehen:

Wie muss sich eine Hochschule alsInstitution aufstellen, damit Menschenohne akademische Sozialisation mitguten Erfolgschancen ein Studium auf-nehmen können? Stefan Vörtler, Friede-rike Menz und Franziska Nitschebeschreiben, welche Aspekte zu beach-ten sind und welche Maßnahmen in -einandergreifen müssen, damit diebeabsichtigte Ermutigung und Orientie-rung tatsächlich stattfindet (Seite 6).

Seit je gehört es zum Selbstverständnis der Fachhochschulen, Menschen

den Zugang zu akademischer Bildung neu zu ermöglichen. Doch wie

geht es weiter, wenn sie dann erst einmal unsere geöffnete Tür durch-

schritten haben?

DEN WEG EBNEN – HINTER DER TÜR!

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Foto: S. Maas

1 HIS = Hochschul-Informationssystem, heute:Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissen-schaftsforschung

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2 INHALT

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4

HWR BerlinOhne Bachelor zum Master

Aufsätze

Editorial:Den Weg ebnen – hinter der Tür!

1

Vielfalt für die Bildung – Bildung fürdie Vielfalt: Studierende der erstenGenerationStefan Vörtler, Friederike Menz undFranziska Nitsche

Zusätzliche mathematische Förde-rung am Fachbereich Maschinenbau:Mathematik-BasiskursSabine Weidauer und Heike Rosemann

Eine feste Struktur für die Lernorga-nisation während der Studienan-fangsphase mittels der DMAIC-MethodikOlga Wälder

Zur Rolle von Theorie und Praxis inder HochschulbildungTimo Becker und Sebastian Kaiser

Lehrende und Studierende – Spuren-suche und Annäherungen an einschwieriges VerhältnisAchim Weiand

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Neue Perspektiven für das Promo -tionsrecht für FH

Hochschullehrerbund richtet neueArbeitsgruppen ein

Neue AG Karrierewege und -ziele anFachhochschulen

Neue AG „Demokratisierung derHochschulen“ lädt zur Teilnahme ein

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Wie wird eine Hochschule der besonderen Situation von „Studienpionieren“ gerecht?(Seite 6) Grafik: Hochschule OWL

hlb-Aktuell

FH-Trends

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3INHALT

DNH 1 ❘ 2016

Wissenswertes

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Impressum

Autoren gesucht

Neue Bücher von Kolleginnen undKollegen

Neuberufene

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Kein finanzieller Ausgleich wegenMehrarbeit?

hlb-Konkret: „Mehrlehre“ bei Professorinnen und Professoren

Aus den Ländern

BremenBremer Thesen zur Forschungsförde-rung (Kurzfassung)

HessenFachhochschulen in Hessen mitneuem Namen und Promotionsrechtfür forschungsstarke Fachrichtungen

Schleswig-HolsteinAuf Augenhöhe – Das neue „Promo-tionskolleg Schleswig-Holstein“ alsChance für die Fachhochschulen

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Lehrverpflichtung übererfüllt: Besteht ein Anspruch auf Ausgleich in Zeit oder in Geld?(Seite 32) Foto: privat

In Hessen und Schleswig-Holstein gibt es jetzt konkrete Rahmenbedingungen für dasPromotionsrecht an Fachhochschulen. (Seite 4 und 27 ff.) Foto: Ina Nachtweh

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DNH 1 ❘ 2016

4 hlb-AKTUELL

Voraussichtlich kann den ersten for-schungsstarken Fachrichtungen hessi-scher Hochschulen für angewandteWissenschaften (HAW) das Promotions-recht bereits im Laufe dieses Jahres ver-liehen werden. Möglich macht dies dasEnde letzten Jahres verabschiedete neueLandeshochschulgesetz mit einer inno-vativen Regelung zum Promotionsrechtaußerhalb der Universitäten (siehe Seite27). Die neue Regelung in § 4 Ab satz 3sieht vor, dass forschungsstarken Fach-richtungen an HAW das Promotions-recht befristet verliehen werden kann:

„(3) Die Hochschule für angewandteWissenschaften […] beteiligt sich imRahmen kooperativer Promotionen mitUniversitäten und Kunsthochschulenan der Heranbildung des wissenschaftli-chen Nachwuchses. Darüber hinauskann der Hochschule für angewandteWissenschaften durch besonderen Ver-leihungsakt des Ministeriums ein befris-tetes und an Bedingungen geknüpftesPromotionsrecht für solche Fachrich-tungen zuerkannt werden, in denen sieeine ausreichende Forschungsstärkenachgewiesen hat.”

Diese Möglichkeit ist ein wichtiger Teil-erfolg des politischen Engagements fürdas Promotionsrecht für Fachhochschu-len. In Stellungnahmen, Positionspapie-ren und Podiumsdiskussion hat derHochschullehrerbund immer wieder die

Probleme mit der bisher ausschließlichmöglichen kooperativen Promotion zurSprache gebracht und das Promotions-recht für Fachhochschulen eingefordert.

Profitieren werden nun sowohl innova-tionsstarke regionale Unternehmen alsauch gut ausgebildete Masterabsolven-ten der HAW. Die Akquisition von grö-ßeren anwendungsorientierten For-schungsvorhaben wird in allen Fachge-bieten erleichtert, denn das dafür benö-tigte wissenschaftliche Personal hat ander HAW nun die Perspektive auf einePromotion und damit die Motivation,nach dem Masterabschluss an der HAWzu forschen.

Diese neue Regelung kommt besondersdem an den HAW gut etablierten Pfle-ge- und Gesundheitswissenschaften unddem Fachgebiet der Sozialen Arbeitzugute, für die an den Universitätenkeine ausreichenden fachspezifischenMöglichkeiten zur Qualifizierung deswissenschaftlichen Nachwuchses beste-hen. Denn in Fällen, in denen eine ander HAW vertretene Disziplin an Uni-versitäten nicht vorhanden ist, war bis-her die Möglichkeit der kooperativenPromotion ausgeschlossen mit derFolge, dass die betroffenen HAW-Absol-venten keine Perspektiven auf eine wis-senschaftliche Qualifikation hatten.„Selbst wenn ein Fachgebiet an beidenHochschularten existiert, fehlt es oft an

Neue Perspektiven für das Promotionsrecht für FH Promotionsrecht für forschungsstarke Fachrichtungen an hessischen HAW möglich

Hochschullehrerbund richtet neue Arbeitsgruppen einNeue AG Karrierewege und -ziele an Fachhochschulen

ei nem gemeinsamen Forschungsinteres-se”, schätzt Prof. Dr. Müller-Bromley,Präsident hlb, die Situation ein.

Die Konferenz der hessischen HAW-Prä-sidien (HAW Hessen) berät derzeit mitdem Wissenschaftsministerium über dieVoraussetzungen und Kriterien zur Ver-leihung des Promo tionsrechts für for-schungsstarke Fachrichtungen. Siemöchte die für die Verleihung des Pro-motionsrechts nachzuweisende For-schungsstärke an den vom Wissen-schaftsrat für die Vergabe des Promoti-onsrechts empfohlenen Leistungskrite-rien orientieren. Maßnahmen zur Qua-litätssicherung sollen ebenfalls denEmpfehlungen des Wissenschaftsratesund auch europäischen Standards ent-sprechen. „Ein Scheitern von Promoti-onsvorhaben oder berechtigte Kritik anAblauf und Ergebnissen liegt nicht imInteresse der Beteiligten. Das Ministeri-um kann auf die Fähigkeit der Vertreterder Wissenschaften zur Selbstkoordina-tion vertrauen”, betont Prof. Dr. Chris-toph Heckenkamp, Vorsitzender deshlb-Landesverbands Hessen. So ist bei-spielsweise die Trennung von Betreuungund Begutachtung der Promotion vor-gesehen. Neu einzurichtende Promoti-onszentren unterstützen die Durchfüh-rung der Promotionsverfahren auchhochschulübergreifend.

Karla Neschke

Eine Arbeitsgruppe des hlb wird sich indiesem Jahr mit dem Problem der Fach-hochschulen bei der Rekrutierung vonProfessorinnen und Professoren be -schäftigen und ein Positionspapier ent-wickeln. Mit dem Thema „Karrierewegeund -ziele an Fachhochschulen“ befasstsich derzeit eine Arbeitsgruppe des Wis-senschaftsrates. Der Hochschullehrer-bund wurde vor einem Jahr zur Exper-

tenanhörung der Arbeitsgruppe eingela-den, die Anfang 2016 ihr Ergebnispa-pier vorlegen wird.

Professuren an HAW/Fachhochschulensind in vielen Fachgebieten schwierigzu besetzen. Der bevorstehende Fach-kräftemangel wird die Situation vermut-lich noch verschärfen. Fachhochschu-len konkurrieren mit anderen Berei-

chen, aus denen sie die Bewerberinnenund Bewerber gewinnen müssen, ohneimmer das dort übliche Gehalt, die Per-sonalverantwortung oder die For -schungs ausstattung bieten zu können.Zunehmend konkurrieren Fachhoch-schulen auch mit Universitäten undaußeruniversitären Forschungseinrich-tungen, gegenüber denen sie oft deut-lich schlechtere Arbeits- und For-

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DNH 1 ❘ 2016

5hlb-AKTUELL

schungsbedingungen anbieten. In neuentstehenden Lehrgebieten, wie imGesundheitsbereich, müssen Fachhoch-schulen auf Personal aus affinenFächern zurückgreifen, in denen dieUniversitäten über Promotionsmöglich-keiten verfügen. Bei Stellenausschrei-bungen bleibt es aufgrund der großenVielfalt der bisherigen Tätigkeitsberei-che der Bewerber dem Zufall überlassen,ob sie alle potenziellen Bewerber errei-chen. Für eine gezielte Kooperation mitUnternehmen, Forschungsinstitutionen,Behörden und Universitäten, um dierichtigen Bewerber zu erreichen, fehleninsbesondere an kleineren Hochschulenoft die Kapazitäten.

Der Zielgruppe der wissenschaftlichenMitarbeiter kann nur durch verbesserteChancen auf geeignete Qualifikation,wie die Promotion, eine Perspektiveeröffnet werden. Erste Verbesserungen

für ein Promotionsrecht für HAW/Fach-hochschulen sind in den Ende 2015beschlossenen Hochschulgesetznovellie-rungen in Hessen und in Schleswig-Hol-stein zu erkennen. Es sind Schritte aufeinem Weg, der weiter ausgebaut wer-den muss. Besonders wichtig ist es,auch bei der Erschließung neuer Karrie-rewege die berufspraktische Kompetenzals typenbildendes Merkmal der Profes-soren an HAW/Fachhochschulen zuerhalten.

Berufsbiografien, die zu einer Dreifach-kompetenz von Forschung, Lehre undBerufspraxis führen, setzen in besonde-rer Weise gestaltete Übergänge undDurchlässigkeit zu anderen Arbeits-märkten voraus. Die bereits vorhande-nen Angebote der Personalentwicklungan den Hochschulen sollen in derArbeitsgruppe auf den Prüfstand kom-men, Erfahrungen zu Teilzeitprofessu-

ren, Doppelberufungen, Professuren imNebenamt oder „Shared Professoren-ship“ ermittelt und eingeschätzt wer-den. Und weitere Möglichkeiten solltenaufgezeigt werden. Die Rekrutierungvon hauptamtlichem wissenschaftli-chen Personal, wissenschaftlichen Hilfs-kräften, Lehrkräfte für besondere Aufga-ben und Personen mit Aufgaben imWissenschaftsmanagement könnte eineOption sein. Wichtig für alle Personal-gruppen sind letztlich transparente undkonkurrenzfähige Karrierewege, Karrie-reförderinstrumente und Angebote derPersonalentwicklung.

Wenn Sie Interesse an der Mitarbeit indieser Arbeitsgruppe haben, melden Siesich bitte in der Bundesgeschäftsstelleunter der E-Mail-Adresse [email protected].

Karla Neschke

Neue AG „Demokratisierung der Hochschulen“ lädt zur Teilnahme ein

Im Rahmen der neoliberalen politi-schen Ideologie (Schlagwort: „NewPublic Management“) wurden über dieHochschulgesetzgebung seit ca. 1999u. a. die Rechte und Aufgaben derdemokratischen Selbstverwaltung derHochschulen systematisch abgebautund den Leitungsorganen sowie neugeschaffenen extern dominierten Orga-nen (Hochschulräte) zugewiesen. Diesgeschah im Sinne der Vorstellung einerautokratisch geführten und vom Staatgelösten sogenannten „unternehmeri-schen Hochschule”. Im Detail erfolgtediese Entwicklung zwar landesspezifischunterschiedlich, aber das Ergebnis istflächendeckend sehr ähnlich.

Eine hierarchieorientierte und Unter-nehmen nachempfundene Organisati-onsform steht jedoch von Natur aus inKonflikt mit der Freiheitsgarantie desGrundgesetzes für den individuellenWissenschaftler und Künstler. EinzelneAspekte dieses Konflikts haben in denletzten Jahren schon zur Kassierungeiniger hochschul- und besoldungsge-setzlicher Regelungen durch das Bun-desverfassungsgericht geführt. Schwer-

wiegende schädliche Auswirkungen aufden ge sellschaftlichen Nutzen einerunfreien Wissenschaft liegen dennochauf der Hand und werden bereits sicht-bar. Ein anderes Element dieser Ent-wicklung ist die sysstematische Ent-machtung, Marginalisierung und verba-le Eliminierung der früher bedeutendenund entscheidungsmächtigen demokra-tisch legitimierten Willensbildungsorga-nen Senat und Fakultäts- oder Fachbe-reichsrat. So gibt es etwa im branden-burgischen Hochschulgesetz Senate undFachbereichsräte bereits seit Jahrennicht einmal mehr dem Namen nach.

Eine Folge dieser Entwicklung ist einzunehmender Unwille vieler Hoch-schulmitglieder, Lebenszeit für die Tä -tigkeit in bis zur Bedeutungslosigkeitmarginalisierten Schwundformen vonDemokratie aufzuwenden. So gibt esz. B. im Senat der TH Wildau seit demWS 2015/16 erstmals keine studenti-schen Vertreter mehr – es hat niemandmehr kandidiert. Die Hochschulmitglie-der dafür als demokratiemüde oder un -politisch zu schelten, geht jedoch fehl.Die Gesetzgeber der Länder haben viel-

mehr dokumentiert, wie wenig sie vonfreiheitlich-demokratischer Grundord-nung für ihre öffentlich-rechtlichenKörperschaften halten. Diese Haltungausgerechnet dem Nachwuchs der geis-tigen Elite des Landes so drastisch vor-zuführen, ist auch gesellschaftspolitischnicht ungefährlich. Es liegt die Fragenahe, ob und, wenn ja, weswegen untersolchen Umständen die Wertschätzungder Politiker für die freiheitlich-demo-kratische Grundordnung wesentlichanders ausfallen könne. Oder sind Wis-senschaftler vielleicht nur besondersungeeignet für Demokratie?

Nach Diskussionen in der Bundesdele-giertenversammlung und der Zu kunfts-werkstatt 2015 hat das Bundespräsidi-um des hlb die „ArbeitsgemeinschaftDemokratisierung der Hochschulen“ insLe ben gerufen. Ihre Aufgabe soll es sein,die Entwicklung zu analysieren undVorschläge für die künftige politischeStrategie des hlb in diesen Fragen zuunterbreiten. Interessenten wenden sichbitte an die Bundesgeschäftsstelle unterhlb@ hlb.de.

Günter-U. Tolkiehn

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Vielfalt für die Bildung – Bildung für die Vielfalt: Studierende der ersten Generation

Hochschulen der „zweiten“ Generation– für Studierende der „Ersten“

Mit der über 600-jährigen Bildungstra-dition seit den ersten Universitätsgrün-dungen in Deutschland ist eine 1971gegründete Hochschule ein Jungspund.Dennoch markierten die Fachhochschu-lengründungen vor 45 Jahren einenveränderten Bildungsansatz. Die großenUniversitätsreformen von Halle bisHumboldt beiseite lassend, kann sie alsHochschule 2.0, also der „zweitenGeneration“, gesehen werden: anwen-dungsorientiert, praxisnah, im Aus-tausch mit Partnern der Wirtschaft, fo -kussiert auf die und innovativ in derLehre mit Praxisprojekten, dualen Stu-dienangeboten, seminaristischemUnterricht in kleinen Gruppen, aberzugleich wissenschaftlich und immerstärker wahrgenommen durch ihre For-schung mit An wendungsbezug.Zugleich legten die Gründungen oft dieTraditionen aus ihren Vorläufereinrich-tungen mit in die Wiege. Bei der Hoch-schule Ostwestfalen-Lippe (HochschuleOWL, siehe Info-Box 1) durch Bauge-werke-, Tischler-, Techniker- und Inge-nieurschulen, die über die letzten 130Jahre bereits vielfältigste Hochschulzu-gänge unterschiedlichster Bildungsni-veaus erlebt und produktiv gestaltethaben. Mit dieser Perspektive ist dasThema Vielfalt nicht neu für FHs,jedoch sehr aktuell.

Zu der Zeit, als Darendorf „Bildung istBürgerrecht“ 1965 proklamierte1, lag dieStudierendenzahl bei rund 315.000,heute bei fast 2.7 Millionen. Im Jahr2009 schrieben sich 50 Prozent einesAltersjahrgangs ein, 1965 dagegenweniger als 5 Prozent. Damit nehmenmehr Menschen in Deutschland ein

Studium auf, als eine Berufsausbildungbeginnen2, auch als „Akademisierungs-wahn“ kontrovers diskutiert. Die hoheNachfrage nach Bildung ist zunächstein Erfolg. Aber auch die Konsequenzder veränderten Rahmenbedingungeneiner vielfach vernetzten, überkomple-xen, arbeitsteiligen Gesellschaft mitimmer globalerem Austausch. Dies istfür das Duale System und eine Karriereals Facharbeiter eine Herausforderung,ebenso aber auch für die Hochschulen.Denn Bildungswille und -interessegehen nicht immer mit der Bildungsfä-higkeit einher. Vom akademischenSelbstverständnis her gesehen liegt es inder Verantwortung der Studierenden,ihren eigenen Weg zu finden und zugehen. Dies bedeutet aber nicht, dasssie dabei allein gelassen werden müs-sen. Die schon lange gelebte Vielfalt aneiner FH und ihr Lehransatz zeigen sichhier als neue Stärke, wie nachfolgenddargestellt wird.

Studierende der ersten Generation:Studienpioniere

Die Hochschule OWL ist durch regiona-le Verankerung und Anwendungsbezugeine natürliche Anlaufstelle für Studie-rende gerade mit vielfältigen Bildungs-historien. Insbesondere kommen Stu-dierende, die als Erste aus ihrer Familieeinen Hochschulabschluss erlangenwollen. Die jährlichen Studieneingangs-befragungen zeigen deutlich, dass derAnteil über die letzten fünf Jahre kon-stant bei 64 bis 66 Prozent lag, wahr-scheinlich als Folge der regionalen Ver-ankerung – in dieser Größenordnungund Breite aber bemerkenswert.

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6 VÖRTLER/MENZ/NITSCHE

Prof. Dr. Stefan VörtlerLeitung des LernzentrumsKOM Campus Lemgo [email protected]

Friederike MenzProjektleitung Studien -pioniere an der HochschuleOWLTel.: 05261 - 702 [email protected]

Franziska Nitschewiss. Mitarbeiterin Gender& Diversity, Koordinationim Bereich Geflüchteten-Angebote Tel.: 05261 - 702 [email protected]

Hochschule Ostwestfalen-LippeKOM – Institut für Kompe-tenzentwicklungLiebigstr. 8732657 Lemgowww.hs-owl.de/kom

Stefan Vörtler

Friederike Menz

Franziska Nitsche

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Für Hochschulen ist es zunächst schwer,mit der Vielfalt an Studienfächern und -richtungen auch noch individuelleLösungen für bestimmte Studierendeanzubieten. Dies hat nicht nur mitWiderständen gegenüber Neuem zutun, sondern auch mit den historischhohen Studierendenzahlen, für die nurbegrenzte Ressourcen zur Verfügung ste-hen. Auch der Ansatz, die Studierendenmüssten nur ihr Fach beherrschen, umdamit selbstständig ihren Weg zu fin-den, trägt im 21. Jahrhundert nichtmehr. Sei es durch das verschlechterteBetreuungsverhältnis, durch gesell-

Studierende aus Familien ohne akademische Traditionen sind zugleich Herausforderung und Ressource für

Hochschulen, die mehr Beachtung bedürfen, wenn Zugang zu Bildung wirklich offenstehen soll. Auch

Geflüchtete in der aktuellen Zuwanderungssituation fallen hierunter. Leistungsträger sind auch die, die

unter widrigen Umständen den Weg in und durch die akademische Welt finden – zum Mehrwert der gan-

zen Gesellschaft.

schaftliche Veränderungen, größeremediale Ablenkungen und generelleVeränderungen in der Erziehung, derWerte, der Ziele und des Arbeitswesens,unter denen die junge Generation auf-gewachsen ist. „Die Studierenden habensich im Vergleich zur Zeit der Jahrtau-sendwende verändert“, ist eine sehrhäufige Rückmeldung von Lehrenden.

Plakativ formuliert: „One size fits all“als Ansatz kommt an Grenzen. Fach-

hochschulen könnten hier aber Motorsein, da sie im Unterschied zu Universi-täten aus ihrer Lehrtradition herausbereits kleine Seminarkohorten, eineintensive Betreuung und starke Fokus-sierung auf die Lehre mit ihren ausge-sprochenen Praxisbezügen anbieten.

Das Projekt „Studienpioniere an derHochschule OWL“ konnte sich 2013beim Stifterverband der Deutschen Wis-senschaft und der Stiftung Mercatorgegen 63 Anträge durchsetzen und mitneun weiteren Hochschulen je rund300.000 Euro bis 2017 einwerben (sieheInfo-Box 2). Alle geförderten Hochschu-len pflegen einen sehr partnerschaftli-chen Austausch, insbesondere zur West-fälischen Hochschule, die die Studien-pioniere und ihr Talent-Scouting schonlänger entwickelt.

Mehrere Studien, wie jene des Soziolo-gen Aladin El-Maasfalani von der FHMünster3, aber auch von KatjaUrbatsch, der Gründerin von Arbeiter-Kind.de4, zeigen deutlich, dass die Ent-scheidung für oder gegen die Aufnahmeeines Studiums und jenseits des fachli-chen Interesses und der Eignung voneiner überschaubaren Anzahl an Grün-den beeinflusst wird. Das sind Beratungund Bestärkung schon in der Schule,eine finanzielle Unterstützung, eineVernetzung und Begleitung nach Studi-enaufnahme zur Rückmeldung spezifi-scher Fragen und Herausforderungen.

Gerade die finanzielle Unterstützung,auch in kleineren Beträgen, ist wichtig.Oftmals erscheint das Risiko einer Ver-schuldung (Aufnahme von BAföG oderStudienkrediten) zu hoch gegenüberden Unklarheiten, was dem Studienab-schluss folgt. Denn Studierende der ers-ten Generation haben weder Rollenvor-

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7VIELFALT FÜR DIE BILDUNG – BILDUNG FÜR DIE VIELFALT: STUDIERENDE DER ERSTEN GENERATION

Zahlen und Fakten zur Hochschule OWL (WS 2015/16)

■ Rund 6.500 Studierende, davon 1481 Erstsemester, 175 Professoren, 550 Mit-arbeiter, davon über 50 Doktoranden

■ Drei Standorte (seit 1971 Lemgo und Detmold, seit 2002 Höxter) und ein Stu-dienort (seit 2009 Warburg) im östlichen Westfalen und dem ehemaligenFürstentum/Freistaat Lippe

■ Benachbarte Hochschulen in der Bildungsregion (FH Bielefeld, Hochschule fürMusik Detmold, die Universitäten Bielefeld und Paderborn) kooperieren viel-fältig z. B. beim Studienfonds OWL, um an begabte Studierende (Deutschland-)Stipendien vergeben zu können, oder beim BMBF Spitzencluster „It‘s OWL“zur Intelligenten Industrie Automation.

■ Forschungsrankings platzieren die Hochschule unter den forschungsstärkstenFHs (eingeworbene Mittel/pro Professor: TOP 10 bundesweit, TOP 3 in NRW,im Jahr 2012 62.000 Euro je Professor); sie ist Mitglied der EUA, auf der HRKForschungslandkarte gelistet, beherbergt das erste Fraunhofer Anwendungs-zentrum in Kooperation mit einer FH und ist durch drei ihrer Forschungs-schwerpunkte geprägt: Intelligente Automation/Industrie 4.0, IntelligenteEnergiesysteme und Lebensmitteltechnologie.

■ Beide Projekte des Qualitätspakts Lehre wurden positiv evaluiert und bis 2020verlängert: „Praxis-OWL“ und „Optes“ (mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, dem Ilias Träger-Verein, der Bundeswehr-Universität Hamburgund der Zeppelin Universität).

■ Das Graduiertenzentrum.OWL begleitet als eine der ersten Einrichtungenihrer Art die über 50 kooperativen Promotionen und über das Konzept einerFH Nachwuchsprofessur wird ein neuer, innovativer Weg für die Entwicklungdes wissenschaftlichen Nachwuchses an einer FH etabliert.

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lich werden, um nicht in ein Studiumzu stolpern.

Über den Bildungsaufstieg und die Bil-dungsgerechtigkeit versucht das Projekt,Gespräche innerhalb und außerhalb mitSchulen und anderen Akteuren in derGesellschaft anzuregen. SehenswertesBeispiel ist eine Podiumsdiskussion2015, die über den YouTube-Kanal derHochschule weiter zur Verfügung steht.5

In der Folge suchen zunehmend Stipen-diengeber das Gespräch und den Erfah-rungsaustausch, da sich nach wie vorwenige FH-Studieninteressierte bewer-ben und generell weniger Erfahrungenmit deren Heterogenität vorliegen.

Bei rund 1.500 Erstsemester-Studieren-den an der Hochschule OWL erscheintein Stipendienprogramm wie die Studi-enpioniere nur als ein kleiner Tropfen:Rechnerisch 0,4 Prozent erhalten dieUnterstützung. De facto ist die Zahlhöher, da die Vergabe an Bedingungengeknüpft ist, die nicht alle erfüllen.Aber auch ein kleiner Tropfen kanneinen Stein verändern, wenn er stetigfällt. Dies ist bereits im zweiten Jahr derProjektlaufzeit festzustellen. Immermehr Studieninteressierte nehmen dasProgramm wahr und fragen bei der

Hochschule nach. Deutlich also einMarketing- und Informationsneben -effekt, der sogar auf potenzielle neueBeschäftigte ausstrahlt und in Bewer-bungsgesprächen mehrfach als ein Be -werbungsgrund genannt wurde. Aberauch intern strahlt das Thema aus, bei-spielsweise greifen Studierende Projekt-themen für eigene Arbeiten auf. Span-nendes Beispiel ist eine Informations-kampagne im Rahmen eines Medien-projektes, die Schüler über die Ideeeines Hochschulstudiums mit Clips undWeb-Angeboten im Design und derSprache von Schülern informiert.6

Projektfinanzierung ist begrenzt, mittel-fristig braucht die Unterstützung derStudienpioniere daher weitere Partner.Durch den Studienfond OWL und dieKopplung mit dem Deutschlandstipen-dium benötigt eine Patenschaft rund2.000 Euro pro Jahr. Im Vergleich mitvielen Werbe- und Informationskampa-gnen nicht viel Geld, es kann hier aberungleich mehr bewirken. Zumal sichdie bisher geförderten Studienpionierevielfältig einbringen, von Mentor bisTutor, von Ansprechpartner bis hin zumBotschafter in Sachen des Projektes. Essind spannende Menschen, die einenspannenden Weg gehen – und offen fürdie Zukunft sind.

bilder noch eine klare Vorstellung, wasein akademischer Abschluss auchabseits des primären Studienfeldesermöglicht. Fast die Hälfte der einge-worbenen Mittel ist daher fest für Sti-pendien eingeplant, die über Auswahl-gespräche noch vor Studienbeginn ver-geben werden.

Abgesehen von diesen Unterstützungenmuss ein grundlegendes Interesse amFach, dem Lernen und der intellektuel-len und wissenschaftlichen Auseinan-dersetzung vorhanden sein. Studierendeder ersten Generation trauen sich diesoft nicht zu, auch hier oftmals wegendes Mangels an Rollenvorbildern oderGesprächspartnern sowie aufgrundmangelnder Unterstützung durch dasUmfeld. So unterstützend Eltern seinkönnen, so unbewusst können sie auchDruck aufbauen. Manche der Studien-pioniere OWL berichten von sehr inte-ressierten Nachfragen über den Verlaufdes Studiums, verbunden mit großemUnverständnis, warum Prüfungen zu -rückgestellt oder auch nicht bestandenwerden. Für die nicht mit dem akade-mischen Betrieb Vertrauten ist es unge-wöhnlich, eigene Veranstaltungs- undPrüfungspläne zusammenzustellen.Dabei ist es prägend, an akademischenAufgaben auch scheitern zu können,aus eigener Kraft Fehler zu identifizie-ren, seine Grenzen kennenzulernen undsie zu verschieben.

Für das Auflösen falscher Vorstellungenbraucht es daher auch die Kooperationzwischen den Schulen im Umfeld undder Hochschule. Das Projekt Studien-pioniere erwies sich als Türöffner zurund 180 Schulen, um mit über 20 Info-Veranstaltungen das Studium allgemeinund an einer FH greifbarer zu machen.Hierbei unterstützt das unabhängigeQualitätspakt-Lehre-Projekt „StudyWorkshops“, in dem Studieninteressier-te bereits vor einer Studienwahl Fallstri-cke, Ansprüche und Fehlvorstellungenbeim Studieren aufgezeigt bekommen.Über die Konfrontation mit Fakten,Selbstwahrnehmungen, Möglichkeitenund Herausforderungen eines Studiums,einer Berufsausbildung oder der Kombi-nation von beidem im Dualen Studiumsoll eine bewusste Entscheidung mög-

VÖRTLER/MENZ/NITSCHE

Studienpioniere an der Hochschule OWL:

■ Durchlaufen eine Auswahl mit schriftlicher Bewerbung, Nachweisen zu gutenschulischen und beruflichen Leistungen, Bestätigung sozialen Engagementsund ein persönliches Gespräch vor einer Jury

■ Erhalten ein umfangreiches Förderprogramm zur Persönlichkeitsentwicklung,Berufsorientierung, Stärkung der Studierfähigkeit (wie Schreibwerkstätten,Lern- und Zeitmanagement-Kurse) über das hochschulweite Institut für Kom-petenzentwicklung (KOM)

■ Werden Teil eines Netzwerkes mit anderen Studienpionieren (Mentoring-Pro-gramme) und regional den Stipendiaten des Studienfonds OWL sowie überre-gional über die Projektvernetzung oder die Arbeiterkind-Initiative

■ Werden in Ergänzung zur ideellen Förderung in das Stipendienprogramm desStudienfonds OWL (Info-Box 1) aufgenommen mit 300 Euro pro Monatinnerhalb der Regelstudienzeit

■ Erhalten eine individuelle Begleitung und Beratung durch das Projektbüro■ Sind selbst sozial engagiert und wirken als Botschafter nach innen (Mentorenfür andere Studierende) und außen

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DNH 1 ❘ 2016

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Aktueller Bezug: Migranten sind auchStudierende der ersten Generation

Sobald der Begriff „Studierende der ers-ten Generation“ um „in Deutschland“ergänzt wird, entwickelt er einen nochaktuelleren Bezug. Auch Migranten undderen Kinder sind in der Regel nichtvertraut mit europäischen und deut-schen Bildungstraditionen und -syste-men. Auch sie sind Studienpioniere.Von der über einer Million Geflüchte-ten, die 2015 nach Deutschland kamen,ist der überwiegende Anteil unter 35Jahren. Geschätzte fünf bis zehn Pro-zent davon sind bereits akademischgebildet und benötigen Phasen derÜberbrückung und Begleitung an einerHochschule. Die Überlegungen zumAusgangspunkt des Projekts Studienpio-niere gelten auch für diese Gruppe. Vorallem können nach einer Adaption aufdie spezifischen Bedürfnisse und dieHerkunftsregionen der Migranten vieleder existierenden Angebote rasch ge -nutzt werden – durch die Vielfalt und

den Wissenstransfer auch zum Mehr-wert aller Studierenden, wie Studien zurInternationalisierung zeigen. Im Mo -ment werden in der Hochschule OWLAngebote zur Umsetzung vorbereitetund synchronisiert, (Zugangswege inInfo-Box 3), um 2016 zu starten undvielleicht zu einem späteren Zeitpunktauch als Thema „Studienpionieren 2.0“wieder den Weg in die DNH zu finden.

Fazit

Mit einer 45-jährigen Tradition der an -gewandten Lehre und Forschung erleb-ten Fachhochschulen schon die vielfäl-tigsten Hochschulzugänge, es ist eineStärke und gelebter Alltag. AngewandteThemen werden mit wissenschaftlichenGrundsätzen verbunden und einer hete-rogener werdenden Studierendenschaftzu Lehre und Forschung angeboten. Be -wusst als Angebot, denn es liegt im aka-demischen Selbstverständnis, die Selbst-

ständigkeit der Studierenden anzuneh-men und einzufordern. Wie Wissen-schaftsfreiheit eine Säule der Vielfalt,Kreativität und Stärke unserer Gesell-schaft ist, so ist es auch die Freiheit,den eigenen Bildungsweg zu finden.Sich dessen intellektuellen Herausforde-rungen zu stellen, daran zu wachsen,aber vielleicht auch zu scheitern – ohnevorherige Ausgrenzung durch Zugangs-hürden. Genau hier wird es zukünftigmehr Begleitung bedürfen. So wie heutemehr Wege ins Studium führen, musses auch mehr strukturierte und partner-schaftlich mit der Wirtschaft organisier-te Wege heraus geben, falls die eigenenStärken doch in anderen Feldern liegen.Begleitung für beide Wege lohnt sich –und tut not. ■

Alle Autoren arbeiten am 2002 eingerichtetenhochschulübergreifenden Institut für Kompetenz-entwicklung (KOM), dessen Aufgaben über Kurseder Studienmethodik und Schlüsselqualifikationen,Personalentwicklungs- und Weiterbildungsangebotesowie die Forschung zu deren Wirkungen bis in dieevidenzbasierte Weiterentwicklung von Lehr-undLernkonzepten reicht.

1 Die Zeit, 48/2015 vom 12.11.15, onlinewww.zeit.de/2015/46/ralf-dahrendorf-streit-schrift-bildung-buergerrecht-aktualitaet(10.01.2016)

2 Studierendenzahlen WS 13/14, DeStatis onlinehttps://www.destatis.de/DE/Publikationen/The-matisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/StudierendeHochschulenVorb2110410138004.pdf (10.01.2016)

3 El-Maafalani, Aladin: Vom Arbeiterkind zumAkademiker. Über die Mühen des Aufstiegsdurch Bildung, Konrad-Adenauer-Stiftung2014, online www.kas.de/wf/doc/kas_36606-544-1-30.pdf (10.01.2016)

4 Urbatsch, Katja: Ausgebremst – Warum dasRecht auf Bildung nicht für alle gilt, München2011

5 YouTube-Kanal der Hochschule OWL, StichwortBildungsgerechtigkeit, onlinewww.youtube.com/watch?v=F9ArXpkPmBw(10.01.2016)

6 Clips unter „Warum studieren?“ und Portraitsvon Studienpionieren, die ihren Weg bereitsgegangen sind: www.studienpioniere-owl.de

Die Autoren danken der Strategischen Hochschul-entwicklung der Hochschule OWL für beständigenAustausch und Datenmaterial sowie dem ProjektStudy-Workshops für Informationsaustausch undebensolche beständige Unterstützung.

VIELFALT FÜR DIE BILDUNG – BILDUNG FÜR DIE VIELFALT: STUDIERENDE DER ERSTEN GENERATION

Vielfältiger Hochschulzugang: Beispiele aktueller Zugangswege für Geflüchtete

■ Generell: Nach Statusfeststellung (über Nachweise zu Identität, Hochschulzu-gangsberechtigung, ausreichenden Deutschkenntnissen, Anerkennung derSchutzbedürftigkeit durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge(BAMF)) ist Studienaufnahme oder Vorkursbesuch in allen Bundesländernmöglich.

■ Sonderregelungen, z. B. Studien- oder Vorkursaufnahme in Niedersachsenohne Vorlage von Zeugnissen, sind erlaubt, wenn eine sehr gute Feststellungs-prüfung an einem Studienkolleg vorliegt.

■ Studienkollegien bieten deutschlandweit zweisemestrige kostenlose Fachkurseund Studienvorbereitungen (Ausnahme NRW, da privatisiert und gebühren-pflichtig), setzen aber Deutschkenntnisse voraus; aktuell 4.000 Plätze mit Auf-stockung auf 6.400 in 2016.

■ Präsenzmodule (oftmals in Anzahl oder Art beschränkt) können als reguläreStudienmodule, Schnupperstudium, Zertifikatskurs ohne Rechtsanspruch aufspätere Anrechnung oder als Gasthörer, meist ohne Prüfungszulassung,besucht werden (z. B. Brückenkurse, Open Lecture Hall der Leuphana Univer-sität, Schnupperstudium wie an der Hochschule Fulda oder den Unis inBochum und Greifswald).

■ Online-Angebote als 12-wöchiger Integrations- und Vorbereitungskurs(„Ready to Study“ Leuphana Universität im Auftrag der Bundesagentur fürArbeit) oder der Kiron University, die von Berlin aus als Open Education Ini-tiative seit WS 15/16 online Fachmodule etablierter Hochschulen nutzt (oftals MOOCs und in Englisch); mehrere Hochschulen kooperieren über Modul-Anerkennung und Übernahme ins dritte Studienjahr (z. B. RWTH Aachen,Hochschule Heilbronn); derzeit etwa 1.000 Nutzer aus Deutschland.

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Zusätzliche mathematischeFörderung am FachbereichMaschinenbau: Mathematik-Basiskurs

Die Studienanfänger des FachbereichsMaschinenbau der FachhochschuleDortmund sind aufgrund ihrer unter-schiedlichen Studienzugangsvorausset-zungen fachlich sehr heterogen. Beson-ders deutlich zeigt sich dies bei denmathematischen Kenntnissen, die sie zuStudienbeginn mitbringen. Diese Hete-rogenität gilt es mit Hilfe zusätzlicherFörderung durch einen Mathematik-Basiskurs weitgehend anzugleichen.Dieser Artikel beleuchtet dabei zweiAspekte: zum einen den mathemati-schen Lernfortschritt der Studierendenund zum anderen Faktoren für eingelingendes Lernen.

Mathematik-Basiskurs

Der Mathematik-Basiskurs richtet sichprimär an Studierende des erstenSemesters, die Schwierigkeiten mit denmathematischen Grundlagen und somitProbleme hinsichtlich der Stoffbewälti-gung im Pflichtfach Mathematik Ihaben. Er ist auch für Studierendehöherer Fachsemester offen. Die neunThemengebiete dieser zusätzlich ange-botenen Veranstaltung sind:

■ Rechnen mit Termen,■ Bruchrechnung,■ Potenzen, Logarithmen und Wur-zeln,

■ Gleichungen,■ Lineare Gleichungssysteme,■ Ungleichungen,■ Betrags(un)gleichungen,■ Bruch- und Wurzelgleichungen sowie■ Funktionen.

Um den Studierenden die Entscheidungzum Besuch des Basiskurses zu erleich-tern, schreiben sie zu Beginn des Win-tersemesters einen Einstufungstest. Die-ser Test wurde von der Arbeitsgemein-schaft Ingenieurmathematik der Fach-hochschulen in NRW entwickelt undverfolgt zwei Ziele: Zum einen soll erden Studierenden eine Rückmeldungüber ihre Vorkenntnisse geben und zumanderen den Ist-Zustand zu Studienbe-ginn (differenziert nach Schulform)dokumentieren. Dieser Test besteht auszehn Aufgaben und die Studierendenkönnen maximal zehn Punkte erzielen.Der Test wird pseudonymisiert untereiner Kennziffer durchgeführt. Die Bear-beitungszeit beträgt 45 Minuten und essind keine Hilfsmittel erlaubt. Nach derVeröffentlichung der Ergebnisse wird inder Vorlesung und in den Übungengezielt auf den Basiskurs hingewiesen.

Beim ersten Termin des Basiskurses wirdein auf die Veranstaltung abgestimmterEinstufungstest im Umfang von 120Minuten geschrieben, bei dem auch dieRechenwege bewertet werden. DieErgebnisse dieses Einstufungstests wer-den unter der jeweiligen Matrikelnum-mer in dem zugehörigen ILIAS-Lern-raum veröffentlicht. Um den Studieren-den eine Einschätzung über ihre Vor-kenntnisse zu geben, werden dieerreichten Punkte pro Aufgabe in einerTabelle farblich in Form eines Ampel-systems unterlegt. Bei höchstens 50 Pro-zent der maximalen Punkte pro Aufga-be ist der Eintrag rot unterlegt, beimehr als 50 und weniger als 80 Prozentgelb und bei mindestens 80 Prozentgrün. Darüber hinaus ist in der Tabelledas Datum angegeben, an dem dasThema in der Veranstaltung behandeltwird.

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10 WEIDAUER/ROSEMANN

Dr. rer. nat. Sabine WeidauerVertretungsprofessorin fürMathematik am Fach -bereich [email protected]

Dipl.-Päd. Heike RosemannProjektmitarbeiterin Gleich-stellungsbü[email protected]

Fachhochschule DortmundSonnenstraße 9644139 Dortmund

Sabine Weidauer

Heike Rosemann

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Die einzelnen Veranstaltungsterminebeginnen immer mit einer kurzen Vor-lesung (15–30 Minuten) zu dem jeweili-gen Thema. Anschließend bearbeitendie Studierenden einzeln oder in einerKleingruppe die zugehörigen Übungs-aufgaben. Die Endergebnisse (nichtjedoch die Lösungswege) der Aufgabenfinden die Studierenden auf demÜbungsblatt. Die Dozentin und einTutor stehen dabei als Ansprechpartnerzur Verfügung und geben Hilfe zurSelbsthilfe. Zum Abschluss jedes Veran-staltungstermins werden schwierigeAufgaben gemeinsam an der Tafelbesprochen. Am Semesterende schrei-ben die Studierenden einen Abschluss-test, der in Art und Umfang des Einstu-fungstests durchgeführt wird und ihnenihren Lernfortschritt zeigt.

Zwischentests

An zwei Zeitpunkten wurde im Winter-semester 2015/16 ein kleiner Zwischen-test durchgeführt. Im Vorfeld wurdendie Studierenden in der Veranstaltungdarauf hingewiesen, den Stoff selbst-ständig zu wiederholen und nachzuar-beiten. Zu den Themen „Rechnen mitTermen“ sowie „Bruchrechnung“ wurdezwei bzw. sechs Wochen, nachdemdiese Themen in der Veranstaltungbehandelt wurden, dieser Zwischentestim Umfang von jeweils 20 Minuten ge -schrieben. Die Aufgabenstellung ent-sprach den Aufgaben des Einstufungs-tests mit anderen Zahlenwerten undRechenzeichen. Mithilfe dieses Zwi-schentests sollten die Fortschritte derStudierenden überprüft werden.

Am ersten Zwischentest zum ThemaBruchrechnung nahmen 45 Studierende

Sehr unterschiedliche mathematische Kenntnisse zu Studienbeginn erfordern zusätzliche Angebote im ers-

ten Semester, um eine einheitliche Basis zu schaffen. Am Fachbereich Maschinenbau der Fachhochschule

Dortmund wird hierzu ein ergänzender Mathematik-Basiskurs angeboten.

teil, davon hatten 28 Studierende auchan dem Einstufungstest teilgenommen.Insgesamt konnten jeweils 15 Punkteerzielt werden. Von den 28 Studieren-den haben sich 22 Studierende (79 Pro-zent) verbessert, zwei Studierende (sie-ben Prozent) haben gleich viele Punkteerzielt und vier Studierende (14 Pro-zent) verschlechterten sich. Der Mittel-wert der Punkte konnte von 2,9 Punk-ten (Einstufungstest) auf 5,2 Punkte(Zwischentest) verbessert werden. EinGroßteil der Studierenden hat sich umein bis zwei Punkte verbessert; drei Stu-dierende haben acht bzw. neun Punktemehr erzielt (siehe Abbildung 1).

Am zweiten Zwischentest zum ThemaTerme haben 69 Studierende teilgenom-men, davon hatten 34 Studierende auchan dem Einstufungstest teilgenommen.Insgesamt konnten jeweils zwölf Punkteerzielt werden. Von den 34 Studieren-den haben sich 19 Studierende (56 Pro-

zent) verbessert, vier Studierende (zwölfProzent) haben gleich viele Punkteerzielt und elf Studierende (32 Prozent)verschlechterten sich. Der Mittelwertder Punkte konnte von 6,6 Punkten(Einstufungstest) auf 8,9 Punkte (Zwi-schentest) verbessert werden. Ein Groß-teil der Studierenden, die sich ver-schlechtert haben, hat sich nur umeinen Punkt verschlechtert; fünf Studie-rende haben fünf bzw. sechs Punktemehr erzielt (siehe Abbildung 2).

Lern- und Leistungsbedingungen

Neben den mathematischen Vorkennt-nissen der Studierenden war auch dieZusammensetzung der Gruppe sowiedie Zufriedenheit mit der Veranstaltungvon Interesse. Um diese Daten zu erhe-ben, wurde ein Fragebogen konzipiert.Ziel dieses Fragebogens war es, nebenden genannten Aspekten auch die Fak-toren zu beleuchten, die für ein gelin-

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11MATHEMATIK-BASISKURS

Abbildung 1: Punktedifferenz zwischen Punkten des Zwischentests und dem Einstufungstest zum Thema Bruchrechnung

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des eigenen Könnens eingefügt. Sowohldie Selbstwirksamkeit als auch dasSelbstkonzept sind wichtige Bereicheder Motivation. Motivation bedeutetdabei, ein Ziel vor Augen zu haben, sichanzustrengen und sich nicht ablenkenzu lassen (vgl. Rheinberg 2002). Dieseunterscheidet sich in intrinsische undextrinsische Motivation. Die intrinsi-sche Motivation meint das auf Interessebasierende Handeln einer Person. DiesesHandeln wird aufrechterhalten ohnevon außen kommende Anregungenoder Versprechungen (vgl. Krapp, Ryan2002). Für die extrinsische Motivationsind instrumentelle Absichten, wie z. B.die Belohnung, Kennzeichen (vgl. Göh-ring 2010).

Ergebnisse der Evaluation

Befragt wurden 52 Studierende desBasiskurses. Davon sind 47 Studierendeaus dem Studiengang Maschinenbau,drei Studierende aus dem StudiengangFahrzeugtechnik und ein Studierenderaus der Fahrzeugelektronik. Von denbefragten Studierenden sind 43 Studie-rende im ersten Fachsemester.

Von allen Befragten nannten 35 Prozentals ihre Hochschulzugangsberechtigungdas Abitur, 48 Prozent die Fachhoch-schulreife, zehn Prozent die Fachgebun-dene Hochschulreife und sieben Pro-zent gaben Sonstiges an. Als Schulartder Hochschulzugangsberechtigunghaben 49 Prozent der Studierenden einBerufskolleg angegeben, 26 Prozentbesuchten ein Gymnasium und zehnProzent haben eine Lehre bzw. Berufs-ausbildung abgeschlossen. Von Interes-se war die Zufriedenheit der Studieren-den hinsichtlich des Basiskurses. 98 Pro-zent der Studierenden stimmten derAussage zu, dass die Lehrende sich umeine angenehme Kursatmosphärebemüht, und 95 Prozent bestätigten,dass sie den Stoff verständlich erklärt.92 Prozent der Studierenden seheneinen persönlichen Nutzen der Veran-staltung für das Fach Mathematik und96 Prozent würden die Veranstaltung indieser Form weiterempfehlen.

33 Prozent gaben an, keine Zeit in dieVor- und Nachbereitung bezüglich desLernstoffs zu investieren. Eine Stundepro Woche investieren 19 Prozent derStudierenden, zwei Stunden investieren21 Prozent. Einen zeitlichen Umfangvon drei Stunden Vor- und Nachberei-tung gaben 14 Prozent der Studieren-den an. Vier bzw. sechs Stunden wur-den von vier Prozent angegeben, achtrespektive zehn Stunden investierenjeweils zwei Prozent der Studierendenin die Vor- und Nachbereitung desLernstoffs. Zwei Prozent der Befragtentrafen dazu keine Aussage. Hierbei fälltauf: Je höher das Fachsemester, destohöher der Vor- und Nachbereitungsauf-wand.

Weiterhin stellt sich die Frage, wie dieSelbstwirksamkeit, das Selbstkonzeptund die Motivation der Studierendeneinzuschätzen sind. 94 Prozent der Stu-dierenden gaben an, anstrengende undkomplizierte Aufgaben in der Regelnicht gut lösen zu können. 70 Prozenthaben den Eindruck, im Stoff nichtmehr mitzukommen, wenn dieser nochschneller durchgenommen würde. ImHinblick auf den Lernstoff des Basiskur-

gendes Lernen von Bedeutung sind. Ele-mentare Aspekte wie Motivation, Selbst-wirksamkeit und das Selbstkonzepthaben einen großen Einfluss auf dasLernverhalten und somit auf die Lerner-gebnisse.

Relevant für ein erfolgreiches Studiumist die individuell optimistische bzw.pessimistische Fähigkeit, nötige Vorge-hensweisen im Hinblick auf den Stoffdes jeweiligen Faches so zu planen undumzusetzen, dass eine Abschlussarbeiterfolgreich absolviert werden kann. Istein Studierender davon überzeugt, dasser die Klausuren in Mathematik gutbestehen kann, zeigt sich bei ihm einefür das Lernen positive Selbstwirksam-keit (vgl. Schwarzer, Jerusalem 2002;Fuchs 2005). Die Selbstwirksamkeit wie-derum ist Teil des Selbstkonzepts. Diesesbeinhaltet die auf eine Person bezoge-nen Informationen, wie das Wissen umdie eigenen Fähigkeiten, Vorlieben,Überzeugungen und Absichten im z. B.mathematischen Bereich. Neben derkognitiven Komponente beinhaltet esauch eine emotionale Komponente (vgl.Böhm 2005). Von den Studierendenerzielte eigene Ergebnisse hinsichtlichdes Lernens werden mit denen der Mit-studierenden verglichen und in das Bild

WEIDAUER/ROSEMANN

Abbildung 2: Punktedifferenz zwischen Punkten des Zwischentests und dem Einstufungstest zum Thema Terme

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ses zeigt sich eine geringe Überzeugungin die eigenen Fähigkeiten zum erfolg-reichen Lernen des Stoffs. Demnachscheint bei einem Großteil der Befrag-ten eine eher geringere Selbstwirksam-keit vorzuliegen.

31 Prozent der Studierenden sind derMeinung, etwas Neues leichter zu ler-nen als ihre Mitstudierenden. Den Lern-stoff in Diagrammen oder Schaubildernstrukturieren zu können, gaben 57 Pro-zent der Studierenden an. Legt man dieTatsache zugrunde, dass die Befragtentendenziell eher schwächere Studieren-de sind, deuten die Ergebnisse ein posi-tives Selbstkonzept an.

53 Prozent der Befragten verschiebenAufgaben nicht auf später, weil sie dieseals uninteressant einstufen. Von denBefragten gaben 57 Prozent an, dass sieüberzeugt sind zu wissen, wo sie beimLernen anfangen sollten, und dass sie esschaffen, den Stoff zu bewältigen, umerfolgreich an der Mathematik-Klausurteilnehmen zu können. Dies deutet beimehr als der Hälfte der Befragten aufdie Fähigkeit hin, motiviert das ZielKlausurbestehen zu erreichen, sichanzustrengen und sich nicht ablenkenzu lassen.

Fazit

Bei beiden Zwischentests haben die Stu-dierenden, die auch den Einstufungstestgeschrieben haben, im Durchschnittmehr Punkte erzielt. Auffällig ist, dassdie Defizite beim Thema Bruchrech-nung höher sind als beim ThemaTerme. Der gewonnene Einblick zuSelbstwirksamkeit, Selbstkonzept undMotivation der Studierenden lässt denSchluss zu, dass sich ein Großteil derBefragten motiviert zeigt, den Basiskurserfolgreich abzuschließen. Von Vorteildabei sind neben der sehr positiv be -werteten Durchführung der Veranstal-tung die beiden Zwischentests, die denStudierenden ihren jeweils individuel-len Lernstand aufzeigten. Dies bestätigtsich durch die ermittelte Zufriedenheitder Studierenden. Aufgrund der vorlie-genden Auswertung zur Lern- und Leis-tungsbedingung ist tendenziell voneiner negativen Selbstwirksamkeit undeinem eher positiven Selbstkonzept beiden Befragten auszugehen.

Insgesamt zeigt sich, dass die Studieren-den sich ihrer unzureichenden mathe-matischen Kenntnisse bewusst sind und

sich motiviert zeigen, daran zu arbeiten.Von weitergehendem Interesse ist dieFragestellung, wie erfolgreich die Stu-dierenden ihr weiteres Studium absol-vieren. ■

LiteraturBöhm, Winfried: Wörterbuch der Pädagogik. 16. vollständig überarbeitete Auflage. AlfredKröner Verlag, 2005.

Fuchs, Carina: Selbstwirksamkeit lernen im schuli-schen Kontext. Kennzeichen – Bedingungen –Umsetzungsbeispiele. Julius Klinkhardt Verlag,2005.

Göhring, Anja: Selbstbestimmtes Lernen im natur-wissenschaftlichen Unterricht. Eine empirischeInterventionsstudie. In: Didaktik in Forschungund Praxis. Band 50. Hamburg: Verlag Dr.Kovac 2010, S. 21–22.

Krapp, Andreas; Ryan, Richard M.: Selbstwirksam-keit und Lernmotivation. In: Jerusalem, Matthi-as; Hopf, Diether: Selbstwirksamkeit und Moti-vationsprozesse in Bildungssituationen. In: Zeit-schrift für Pädagogik Nr. 44 (2002), Beiheft,S. 58–59.

Schwarzer, Ralf; Jerusalem, Matthias: Das Konzeptder Selbstwirksamkeit. In: Selbstwirksamkeitund Motivationsprozesse in Bildungsinstitutio-nen. In: Zeitschrift für Pädagogik Nr. 44 (2002),Beiheft S. 35–46.

MATHEMATIK-BASISKURS

IMPRESSUM

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Eine feste Struktur für dieLernorganisation währendder Studienanfangsphasemittels der DMAIC-Methodik

Die Vorteile einer Hochschule wie Pra-xisnähe, regionale Vernetzung und einegute Bewältigung des Bologna-Prozessessowie die studentische Zufriedenheitund Forschungsaktivitäten der Studie-renden sollen bei einem heterogenenHochschulzugang zusätzlich gestärktwerden. Die Schwundquote spielt imZusammenhang mit der Bologna-Reform eine große Rolle. Auf dem ers-ten Platz bei den Begründungen einesStudienabbruchs stehen bei den Studie-renden mangelnde mathematischeKenntnisse. Es besteht eine Kluft zwi-schen Studienanforderungen und demauf der Schulbank erworbenen Wissens-stand, die in den vergangenen Jahrendeutlich größer geworden ist.

Hochschulen versuchen diesen Schwie-rigkeiten mit vielfältigen Angeboten fürStudienanfänger entgegenzuwirken.Wegen der starken Heterogenität derStudienanfänger bemüht man sich umeinen Ausgleich ihres ursprünglichenWissenstandes. Es werden unter ande-rem Vor- und Brückenkurse (auchonline) und zahlreiche Tutorien ange-boten. Man kann aber schlecht einenStudierenden zu seinem Glück zwingen.Die beste Hilfe während des Studiumsist die Selbsthilfe. Der Studierende wirdoft mit Online-Materialien und Mathe-Tutorien überhäuft, braucht eigentlichaber eine Schulung zur systematischenUmsetzung des Selbststudiums.

Auf den Online-Lernplattformen derHochschulen werden den Studierendensemesterbegleitend Hausaufgaben, zahl-reiche E-Tutorien, Videomaterial sowieregelmäßige Tests zur Selbstkontrolleangeboten. Nun soll den Studierenden

auch der richtige und effektive Umgangmit diesen Materialien nähergebrachtwerden. Und natürlich lautet die wich-tigste Voraussetzung für ein ingenieur-wissenschaftliches Studium: Ein gewis-ses Talent im Umgang mit Zahlen,Funktionen etc. sowie mit der Techniksollte vorhanden sein. Die menschlicheMotivation kann man ganz grob inextrinsische (Belohnungen) und intrin-sische (Eigenantrieb) Ursachen untertei-len. Studierende sollen nicht nur durchgute (und teilweise geschenkte) Notenmotiviert werden, sondern sie sollen einnachhaltiges Glücksgefühl nach Aha-Erlebnissen während des ganzen Studi-ums und vielleicht auch während derWeiterbildung danach beibehalten. Einehohe eigene, intrinsische Motivationkann dann über einen langen Studien-oder sogar Lebenszeitraum die Hand-lungen beispielsweise im Hinblick aufangestrebte Weiter- und Fortbildungs-maßnahmen bestimmen. In diesem Bei-trag wird ein Optimierungsmodel basie-rend auf der Anwendung der sogenann-ten DMAIC-Methodik präsentiert undzur Diskussion gestellt.

Kurze Vorstellung der DMAIC-Methodik

Die sogenannte DMAIC-Methodik isteine universelle Methode zur Problem-lösung und wird bei Six-Sigma-Projek-ten überwiegend in der Industrie erfolg-reich angewendet. Eine Weiterentwick-lung dieser Methodik heißt Lean SixSigma und bedeutet so viel wie Vermei-dung von Verschwendung und dieSchaffung eines kontinuierlichen Flus-ses innerhalb eines Wertstroms, vgl.Rath & Strong (2009). Lean soll dieGrundlage für eine kontinuierliche Ver-

Prof. Dr. rer. nat. habil.Olga WälderProfessur für mathemati-sche Grundlagen und inter-kulturellen WissenstransferBrandenburgische Techni-sche Universität Cottbus-Senftenberg, Großenhainer Str. 5701968 Senftenberg [email protected]

Olga Wälder

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14 WÄLDER

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besserung innerhalb dieses Wertstromesschaffen. Ein Studium kann ebenfallsals ein Prozess (Wertstrom, Wert = Fach-wissen) verstanden werden, der opti-miert werden soll.

Die Lean-Ziele für die jeweilige Phasedes DMAIC-Zyklus können nun wiefolgt formuliert werden:

DEFINE (Definieren): Wählen und defi-nieren Sie den zu optimierenden Teil-prozess in Rahmen des Gesamtprozesses(Studium).

MEASURE (Messen): Erstellen Sie einIst-Diagramm dieses Teilprozesses, umso einen Basisprozess für den Teilpro-zess zu erstellen.

ANALYZE (Analysieren): Analysieren Sieden Ist-Zustand des Teilprozesses, umeinen Teilprozess mit der kürzestenBearbeitungszeit, der höchstmöglichenQualität und möglichst niedrigen Kos-ten zu konzipieren.

IMPROVE (Verbessern): Konzipieren,implementieren und überprüfen SieIhren Teilprozess auf ideale Abfolgen,kürzeste Bearbeitungszeiten, höchst-mögliche Qualität und geringstmögli-che Kosten.

CONTROL (Kontrollieren): VergewissernSie sich, dass der neue Teilprozess dieangestrebten Ziele erreicht bzw. über-trifft, und fragen Sie sich, ob und wiedas neue Konzept weiter verbessert wer-den kann.

In weiteren Abschnitte werden die kon-kreten Werkzeuge für jede Phase präsen-tiert und an unsere Ausgangssituationangepasst.

DEFINE AND MEASURE

Wesentliche Voraussetzung für denErfolg im Studium ist eine gute Betreu-

Was nun, wenn man kein Überflieger im Studium ist? Mit Disziplin und einer optimierten Tagesord-

nung können Studierende systematisch zum Studienerfolg geleitet werden.

ung von Studierenden insbesondere inder Anfangsphase (Henn & Polaczek2007), Schwenk & Berger (2006), Derr &Hübl (2010). In den letzten Jahren hatdas Interesse an technisch unterstütztenPrüfungen (E-Assessment) stark zuge-nommen. Borgeest (2014) deutet aufdas immer weiter sinkende Eingangsni-veau hin und meint, dass dem nur mitdidaktischem Mehraufwand begegnetwerden kann. Höhere Durchfallquotenoder ein Durchwinken schlechter Leis-tungen führen zu einer Minderqualifi-kation des Absolventen.

Nun wählen wir die Mathematikausbil-dung für unseren Studierenden als Teil-prozess, der optimiert werden soll. EinStudierender soll von Anfang an dasZiel für seinen Teilprozess festlegen. ImRahmen der DEFINE-Phase soll eineÜbersicht über den Ist-Stand erstelltwerden. Diese kann in Form einerTabelle erfolgen, in der in den Zeilendie einzelnen mathematischen Fachbe-griffe (z. B. Logik und Mengen, Matri-zenrechnung, Definitions- und Werte-bereich) aufgelistet sind und die Spaltendie Prozessschritte beschreiben. DieseProzessschritte können von 0 (gar nichtverstanden) bis 4 (sehr gut verstanden)dokumentiert werden. Im nächstenSchritt erfolgt die Erkennung von soge-nannten Familien (die gleiche Spaltewurde in Zeilen angekreuzt). Undnatürlich wird vorrangig die Familie mitden Kreuzen bei 0 im Rahmen dernachfolgenden Optimierung ausge-wählt.

Im Rahmen der MEASURE-Phase solldie Erfassung des Zeitmanagementserfolgen, um die möglichen Verschwen-dungen zu identifizieren. Der Studieren-de soll seinen Tagesablauf ein bis zweiWochen lang in Schritten dokumentie-ren: das Aufstehen und Zubettgehen,Einkaufszeiten, Zeit für Hausaufgaben,Besuch der Mathe-Tutorien sowie Zeit,die er in sozialen Netzen etc. verbringt.Anhang dieser Informationen wird eine

Wertschöpfungsanalyse beispielsweisein Form einer Excel-Tabelle durchge-führt. Die nicht wertschöpfendenSchritte (Einkaufen gehen, Chat insozialen Netzen, Fernsehen u. ä.) kannrot gekennzeichnet werden. Die wert-schöpfende Zeit (Hausaufgaben lösen,Lernvideos im Internet anschauen,Mathe-Tutorien besuchen u. ä.) kanngrün gekennzeichnet werden. Laut Rath& Strong (2009) sind in einem typi-schen Prozess weniger als 17 Prozentaller Prozessschritte und weniger als5 Prozent der Zeit wertschöpfend.Bereits anhand dieser recht einfachenAnalyse ergibt sich eine Übersicht überdie Verschwendungsquellen.

ANALYSE AND IMPROVE

Das Ziel dieser Phasen besteht imDesign eines Tagesablaufes mit verkürz-ten nicht wertschöpfenden Episodenund der höchstmöglichen Qualität wäh-rend der wertschöpfenden Tagesab-schnitte sowie der unmittelbarenUmsetzung.

Zunächst wird der Soll-Zustand nachgeplanten Lean-Ansätzen erstellt. Hier-für wird ein neuer Tagesablauf in Formeines Kalenders für die nächsten vierWochen erstellt. In diesen Kalenderwerden die Informationen aus der DEFINE-Phase eingetragen. Ein Beispiel:

Mo., 11.01.201616:00 – 18:00 Uhr: Mathe-Hausaufga-ben lösen18:30 – 19:30 Uhr: Lernvideos zu denProzessschritten mit der Bewertung 0–3anschauen, evtl. Fragen aufschreiben …

Di., 12.01.2016 16:30 – 18:30 Uhr: Mathe-Tutorium,evtl. Fragen werden abgeklärt19:00 – 20:00 Uhr: Festigung der erhal-tenen Kenntnisse anhand dynamischenSelbsttests auf der Lernplattform …

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15LERNORGANISATION DURCH DMAIC-METHODIK

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behilflich sein könnte. Zu seinen Aufga-ben gehören dann die Diskussion derZwischenergebnisse, die Empfehlungenfür weitere Schritte sowie die Analyseder Abweichungen, die Erforschung derGründe dafür und die Suche nach mög-lichen Lösungen.

Bisherige Erfahrungen

Im Rahmen der Erprobung der DMAIC-Methodik wurde einerseits eine Fallstu-die und anderseits eine Simulationsstu-die durchgeführt. Die Autorin wurdevon einigen Studienanfängern im Hin-blick auf Probleme im Studium persön-lich angesprochen. In den meisten Fäl-len hat der oben beschriebene Ansatzden Studierenden tatsächlich geholfen,erfolgreich durchs Studium zu kom-men. Man muss allerdings zugeben,dass es sich dabei um Einzelfälle han-delte. Eine ausreichende statistische Stu-die (mit hinreichend großen Experi-mentier- sowie Kontrollgruppen) liegtnicht vor und ist aus nachvollziehbarenGründen auch kaum durchführbar. Fürdiese Problematik wurde daher einanderer Ansatz gewählt. Es wurde eineStudienanstiegsphase aus der Sicht einesStudierenden nach dem Prinzip einesBrettspiels mit MATLAB® simuliert.

Während des Semesters mit 15 Wochentreten verschiedene Störfaktoren, z. B.Krankheit, familiäre Schwierigkeiten,Party- sowie Internetsucht, zufällig auf.In Abhängigkeit von der Ausgangssitua-tion (Ist-Wissensstand) und der gewähl-ten Strategie werden dem Spieler, d. h.dem Studierenden, entweder Punkte fürbestimmte Skills vergeben oder abgezo-gen. Am Ende des Spiels erhält maneinen 15-Wochen-Überblick über dieEntwicklung des Punktestandes undden aktuellen Wissensstand (Ist-Soll-Vergleich). Diese Simulationsstudie ver-anschaulicht die Funktionalität derDMAIC-Methodik und bestätigt die inAnhängigkeit von den gewählten Strate-gien zu erwartenden Ergebnisse. ImBeratungsgespräch mit einem Studien-anfänger kann dieses Spiel verwendetwerden: Zunächst werden Ist-Wissens-stand und Prioritäten erfasst und alsStartwerte verwendet. Mittels des Spiels

lässt sich dann eine gute individuellePrognose bezüglich des Studienerfolgeserstellen.

Fazit

In diesem Beitrag wurde die DMAIC-Methodik zur Unterstützung vorgestellt,die unter anderem der Stärkung deroben erwähnten intrinsischen Motiva -tion dienen soll. Der beschriebeneDMAIC-Ansatz leitet sich letztendlichaus in Japan entwickelten Qualitätskon-zepten ab. Der Erfolg der dortigen Qua-litätsinitiativen wird ganz maßgeblichvon der Standardisierung, Transparenzund Organisation der relevantenMethoden bestimmt. In diesem Sinneist es beispielsweise nicht mit einemschlichten „Halte deinen Arbeitsplatzsauber und ordentlich“ getan, sondernes ist die 5S-Methode anzuwenden undggf. zu dokumentieren. Auf den Studie-renden übertragen, führt dies zu deroben beschriebenen Arbeitsorganisati-on, die über den Ad-hoc-Ansatz, ordent-lich zu studieren und sich anzustren-gen, hinausgeht. Diese Methodik kannselbstverständlich auf jedes weitere Stu-dienfach übertragen werden. Allerdingsmuss betont werden, dass der Ansatzsich in erster Linie an ingenieur-, natur-und wirtschaftswissenschaftlichen Stu-diengängen orientiert. Bei Studiengän-gen mit erhöhten Kreativitäts- oder For-schungsansprüchen sind zweifelsohneAnpassungen erforderlich. ■

LiteraturBorgeest, Kai: Zum Umgang der Fachhochschulenmit zukünftigen Entwicklungen. In: Die neueHochschule, Jg. 6 (2014), S. 186–188.

Derr, Katja, Hübl, Reinhold: Durchführung und Ana-lyse von Online-Tests unter Verwendung einerE-Learning-Plattform. Technische und methodi-sche Aspekte. In: Mandel, S., Rutishauser, M.,Seiler Schiedt E. (Hrsg.): Digitale Medien fürLehre und Forschung, Medien in der Wissen-schaft, Band 55, Waxmann, Münster, 2010,S. 263–274.

Henn, Gudrun, Polaczek, Christa: Studienerfolg inden Ingenieurwissenschaften. In: Das Hoch-schulwesen, 55, Jg. 5 (2007), S. 144–146.

Schwenk, Angelika, Berger, Manfred: ZwischenWunsch und Wirklichkeit: Was können unsereStudienanfänger? In: Die neue Hochschule, Jg.2 (2006), S. 36–40.

Rath & Strong: LEAN Pocket Guide®, Rath & StrongManagement Consultants Lexingt

(Für einen Studierenden ohne Abitur)Mi., 13.01.201616:30 – 18:00 Uhr: Mathe-Tutoriumzum Nachholen des Abiturstoffes …

Wie man leicht erkennen kann, geht eshier um ein Model für eine kontinuier-liche Verbesserung des Lernerfolges.Dabei ist sehr wichtig, die Arbeitsschrit-te zu standardisieren. In unserem Falleheißt es, dem entworfenen Kalenderstrikt zu folgen und ein Mathe-Tutori-um einer Abendparty vorzuziehen.

Zu der IMPROVE-Phase gehört auch diesogenannte 5S-Methode, die in Anleh-nung an Rath & Strong (2009) die fol-genden Komponenten beinhaltet:

1. Sortieren – das Notwendigste vomnicht Notwendigen trennen (z. B. dasHandy bleibt während der Lernphaseausgeschaltet)

2. Systematisieren – jeden Gegenstandam richtigen Platz aufbewahren

3. Säubern – den Schreibtisch sauberund einsatzbereit halten

4. Standardisieren – Reinigungsplananhalten

5. Selbstdisziplin – Aufrechterhalten derWochenpläne

Auch die Ergonomie am Arbeitsplatz istwichtig: Auf dem Sofa liegend lernt sichanders als sitzend am Schreibtisch!

CONTROL

Die erzielten Verbesserungen sollenerhalten bleiben und alle Veränderun-gen sollen als „Way of Life“ verstandenwerden.

Die Tabelle aus der DEFINE-Phase mitder Bewertung der Prozessschritte sollnun überarbeitet bzw. auf den aktuellenStand gebracht werden. Das kannwöchentlich, zweiwöchentlich odermonatlich – in Abhängigkeit von derLerngeschwindigkeit jedes einzelnenStudierenden – geschehen.

Ideal wäre, wenn den Studierenden vonder Hochschule ein Mentor zugewiesenwerden könnte, der ihnen bei derDurchführung der DMAIC-Methodik

WÄLDER

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HWR Berlin

Ohne Bachelor zum Master

Die „lebenslange wissenschaftliche Qua-lifizierung“ wurde bereits 2009 von derKultusministerkonferenz als bildungs-politisches Ziel identifiziert. Um diesesZiel zu erreichen, ist nun beispielsweiseder Zu gang zu Bachelorprogrammenohne Abitur möglich. Der Bachelorab-schluss ist heute noch die Regelvoraus-setzung für die Aufnahme eines Master-studiums. Von dieser Regel gibt es der-zeit nur wenige Ausnahmen.

Eine dieser Ausnahmen stellt der dualeMasterstudiengang Prozess- und Pro-jektmanagement (PPM) der Hochschulefür Wirtschaft und Recht (HWR) Berlindar. Grund dafür ist zunächst derUmstand, dass dieser Studiengang einWeiterbildungsangebot ist, welches fürden Zugang beruflich Qualifiziertergeeignet ist. Weiter eröffnet sich derZugang nur solchen Interessenten, diefür dieses Studium geeignet sind.Grundlage für die Bewertung der Eig-nung ist das Kompetenzprofil.

Eignung über Kompetenzprofil

Das Berufsbild Projektmanagement istnicht durch Gesetze oder Verordnungengeregelt. Ebenso gibt es keine rechtsver-bindlichen Regelungen über Leistungs-umfang und -inhalt von Projektmana-gementaktivitäten. Der Gegenstand desProjektmanagements ist zwar aus zahl-reichen Normen ableitbar. Als Bewer-tungsmaßstab für die Qualifikationeines Projektmanagers sind die Normenjedoch nicht geeignet.

Die Berufsbezeichnung „Projektmana-ger(in)“ ist zudem nicht geschützt.Branchenverbände wie die InternationalProject Management Association(IPMA) bieten Weiterbildungsmaßnah-men an, durch die Teilnehmer Zertifika-te erwerben und damit ihr theoretischerworbenes Wissen dokumentieren kön-nen. Basis für die personenbezogeneZertifizierung ist beispielsweise das

international abgestimmte und aner-kannte Vier-Ebenen-System der IPMA(4-Level-Certification-System; Level D,C, B, A) zur Qualifizierung und Zertifi-zierung von Projektmanagement-Perso-nal. Die vier Ebenen definieren Einsatz-gebiete bzw. Funktionsbereiche in derProjektmanagement-Praxis. Ein Hoch-schulabschluss ist nicht erforderlichund führt nicht zu einer höheren Ein-stufung. Dennoch verfügt mit rund 74Prozent der überwiegende Anteil derProjektmanager über einen akademi-schen Abschluss.

Schlüsselkompetenzen

Die vielfältigen und anspruchsvollenAnforderungen, die an das Projektema-nagement gestellt werden, könnenoffenkundig auf Grundlage einer gutenakademischen Ausbildung besser erfülltwerden. Diese Anforderungen lassensich in die SchlüsselkompetenzenGrundlagen-, Methoden-, Sozial- undOrganisationskompetenz strukturieren.In erster Linie erwerben Projektmanagerdiese Kompetenzen nicht über Weiter-bildung und Zertifizierung, sondernüber Erfahrung. Über praktische Tätig-keit im Projektgeschäft. Nach Angabender IPMA werden durchschnittlich etwafünf Jahre Berufserfahrung benötigt,um sich für eine höhere Zertifizierungs-stufe zu qualifizieren.

Weder Gesetzgeber noch Auftraggeberverlangen bei Projektmanagern einePM-spezifische Ausbildung oder Zertifi-zierung oder gar einen Hochschulab-schluss. Allerdings liegt es nahe, dassein Projektmanager die Kompetenzenumso besser wird ausfüllen können, jequalifizierter dieser ausgebildet wordenist. Im Idealfall wurde ein Hochschul-studium absolviert, welches genau aufdie benötigten Inhalte und Kompeten-zen zugeschnitten ist.

Berufserfahrung statt Studium

Der Studiengang PPM vermittelt dieerforderlichen Kenntnisse und Fähigkei-ten, die das Berufsbild Projektmanage-ment kennzeichnen. Der Studiengangeignet sich deshalb in besonderer Weisefür Personen, die ihre Fähigkeiten zurFührung von Projekten nicht durch eingrundständiges Studium, sondern durchQualifizierungen außerhalb der Hoch-schullandschaft erworben haben. Einesolche Qualifizierung kann vorliegen,sofern mindestens fünf Jahre Berufser-fahrung nachgewiesen werden, die inder Organisation, Durchführung oderLeitung von Projekten erworben wurde.

Eignungsprüfung

Auf der Grundlage einer Eignungsprü-fung ist gemäß Zulassungsordnung fest-zustellen, ob der Bewerber oder dieBewerberin die an einen erfolgreichenAbschluss des Studiengangs zu stellen-den Anforderungen erfüllen kann. DieEignungsprüfung besteht aus einerHausarbeit, einer Fallstudie und einemmindestens einstündigen mündlichenPrüfgespräch. Der Prüfungsausschussentscheidet auf der Grundlage der Prü-fungsbewertungen über das Bestehenoder Nichtbestehen der Eignungsprü-fung und in weiterer Folge über dieZulassung.

Im Wintersemester 2015/2016 wurdenerstmals drei Kandidaten als beruflichQualifizierte zum Studium PPM zugelas-sen.

Prof. Dr. sc. techn. Peter WotschkeLeiter des Masterstudiengangs Prozess-

und Projektmanagement

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17FH-TRENDS

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18 BECKER/KAISER

Zur Rolle von Theorie undPraxis in der Hochschul -bildung

Wilhelm von Humboldt beschreibt inseinem Antrag zur Gründung einer Uni-versität in Berlin aus dem Jahr 1809 dieNotwendigkeit und den Sinn dieserInstitution. Dabei stellt er einige bisheute bedeutsame Maßstäbe für dieHochschulausbildung auf, u. a. dieGrenzenlosigkeit wissenschaftlicherLehre betreffend:

„Man fühlte, daß jede Trennung vonFacultäten der Acht wissenschaftlicherBildung verderblich ist, daß Sammlun-gen und Institute, [...] nur erst dannrecht nützlich werden, wenn voll -ständiger wissenschaftlicher Unterrichtmit ihnen verbunden wird, [...] Sie (dieUniversität, Anm. d.A.) könnte, vonrichtigen Ansichten allgemeiner Bildungausgehend, weder Fächer ausschließen,noch von einem höhern Standpunkt, dadie Universitäten schon den höchstenumfassen, beginnen, noch endlich sichbloß auf praktische Uebungen be -schränken.“ (von Humboldt 1846)

Für Humboldt stand außer Frage, dasses den Wissenschaften nicht genügenkann, sich so sehr auf ein Fachgebiet zuspezialisieren, dass man den Kontextaus den Augen verliert. Darüber, was ereinen „vollständigen wissenschaftlichenUnterricht” nennt, wurde in den letztenbeiden Jahrhunderten teilweise leiden-schaftlich diskutiert. Die vorliegendekurze Passage des Briefs an den preußi-schen König wirft Fragen zur Komplexi-tät und Weltsicht und zum Ansprucheiner Hochschule im Allgemeinen auf.Sie verweist aber auch auf aktuellehochschulpolitische Themen, auf dieRelevanz einer Vielzahl hybrider Studi-engänge etwa mit immer neuen inhalt-lichen Abgrenzungen, die mit Blick aufkurzfristige und damit zweifelhafte Ver-marktungserfolge nur noch mehr aufSpezialisierung ausgelegt sind, anstatt

einen breiteren Ansatz zur Ausbildungzu verfolgen. Eine Entwicklung, dieauch der Wissenschaftsrat äußerst kri-tisch sieht. Demnach sollten sich Hoch-schulen (im Bachelor) auf breit angeleg-te Studiengänge beschränken, die einenguten Überblick über die betreffendeDisziplin geben. Wenn ein Studiengangausschließlich auf spezifische beruflicheTätigkeiten ausgerichtet sei, könne mannicht mehr von Hochschulbildung spre-chen (Osel 2015, 5).

Kommerzialisierung sowie eine hoheund steigende Zahl an Bildungseinrich-tungen aller Qualifizierungsebenen füh-ren dazu, dass sich auch Hochschulenvermehrt mit den Gesetzen eines (Bil-dungs-)Marktes konfrontiert sehen.Damit gewinnen die Passung von Bil-dungsinhalten und Qualifikationserfor-dernissen und der Erfolg von Absolven-tinnen und Absolventen auf demArbeitsmarkt zunehmend an Bedeutungund werden zu entscheidenden Wettbe-werbsfaktoren für Hochschulen imWettbewerb mit anderen Bildungs -trägern. Marktorientierung und Aus-richtung an Arbeitsmarkterfordernissensind aber für Hochschulen nicht nurnicht selbstverständlich, sondern ste-hen im Widerspruch zu ihrem traditio-nellen Selbstverständnis, welches durchAutonomie und akademische Freiheitgeprägt ist (vgl. Macilwain 2015).

Hochschule soll Erkenntnis(se) vermitteln

Vor dem Hintergrund des hier beschrie-benen bildungspolitischen Klimas undder Entwicklung hin zur Berufsqualifi-zierung (Stichwort „Employability“)

Prof. (FH) Dr. Timo BeckerLeiter des StudiengangsMarketing und Kommuni-kationsmanagement derFH [email protected]

Prof. Dr. Sebastian KaiserProfessor für Sportmana-gement an der HochschuleHeilbronnCampus Künzelsau – Rein-hold-Wü[email protected]

Timo Becker

Sebastian Kaiser

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erklärt sich die immer häufiger anHochschulen pauschal gerichtete Forde-rung nach „mehr Praxisnähe“. EineHochschulausbildung sei umso besser,so die populäre Annahme, je unmittel-barer sie auf konkrete praktische Anfor-derungen des späteren Berufsalltags hinqualifiziere. Theorie sei nur dann einzu-beziehen, wenn sie sich „in der Praxisanwenden lasse“. Eine solche Sichtwei-se, welche leider insbesondere von Sei-ten der Fachhochschulen bzw. Hoch-schulen für Angewandte Wissenschaf-ten allzu häufig vertreten wird, ent-spricht aber nicht nur einer Kultur blo-ßen praktischen Übens, wie sie bereitsHumboldt ablehnt. Mit der sogenann-ten Praxisorientierung verliert auch einebreite theoretische Fundierung undgewinnt einfaches Regelwissen (in Ab -grenzung zu Kenntnis und Überzeu-gungswissen, Detel 2007) immer mehran Bedeutung. Damit einher geht nichtzuletzt die Verkürzung des Theoriever-ständnisses auf eine modellhafte Sicht-weise, welche Theorie als das Gegenteilvon Praxis versteht. Zu beobachten isteine Verschulung und Instrumentalisie-rung von Studienangeboten für dieBedürfnisse von Industrie und Wirt-schaft „im Zuge eines auf Effizienzzugeschnittenen Bologna-Prozesses, dereinen an Information, und nicht an Bil-dung (im Humboldt‘schen Sinne, d. V.)interessierten Verwertungszusammen-hang fördert“ (Blecking 2010, S. 207)und letztlich dazu führt, dass Hoch-schulen ihrem zentralen Auftrag derErkenntnisvermittlung nicht in ange-messener Weise nachkommen können.Erkenntnis lässt sich nicht allein durchLehre herstellen. Sie ist ein individuellerepistemischer Prozess, der durch guteVermittlung in Gang gesetzt werdenkann.

Wissen über das Wissen: Eine angemessene Distanz zur Praxis in der Hochschulausbildung kann die

Praxistauglichkeit befördern.

„Schlechte Theorien“ führen zu„schlechter Praxis“

Im Zuge dieser Entwicklung tendierenHochschulen dazu, ein gerade für diePraxis gefährliches Wissenschaftsver-ständnis zu pflegen, indem sie sich zuAusstellern von Eintrittskarten für denArbeitsmarkt degradieren und damiteben nicht mehr den von Humboldtbeschriebenen „höchsten Standpunkt“einnehmen können. Die Gefahrenschildert Ghoshal in seinem weithinanerkannten Artikel, in dem er be -schreibt, wie „schlechte Theorien“ zu„schlechter Praxis“ führen (Ghoshal2005). Diese ursprünglich mit Blick aufbetriebswirtschaftlich geprägte Studien-angebote formulierte Kritik lässt sichgenerell darauf beziehen, dass Men-schen, die eine Hochschulausbildungabsolvieren, in der Praxis niemals nurmit fachlichen Aspekten konfrontiertwerden, sondern immer auch darüberhinausgehen müssen, wenn beispiels-weise aus Ingenieuren Projekt- oderAbteilungsleiter werden. In Analogie zuGhoshals These soll daher im Folgen-den kurz beschrieben werden, wie,unter Vernachlässigung allgemeinerberufsbedingter Anforderungen an Aka-demiker, eine zu starke (oder falsche)Praxisorientierung zu schlechter Praxis-tauglichkeit führen kann.

Falsche Sicherheit

Ghoshal bezieht sich auf Elster, der diegenerellen Unterschiede in den Erklä-rungsmodellen unterschiedlicher Wis-senschaftsdisziplinen formuliert hat.

Der wichtigste Unterschied zwischenden Disziplinen liegt hiernach weder inden Methoden der Erhebung noch inden dahinterstehenden Interessen, erliegt in der Art der Erklärung. Naturwis-senschaftliche Pämomene lassen sichkausal oder eingeschränkt auch funktio-nal erklären. Ethik oder Moral sind abermentale Phänomene und können dahernur intentional erklärt werden. Daherwerden sie im Rahmen einer solchenTheorienbildung ausgeschlossen. DieserAusschluss führt zu einer falschenSicherheit bei Führungskräften und Ver-waltungsangestellten, die ihre Augenvor allem verschließen, was nicht quan-tifizierbar ist. Das Resultat sind die all-täglichen Absurditäten und die Ent-menschlichung der Arbeitswelt (Ghos-hal 2005). Wieso findet vor dem Hinter-grund dieser Kritik kein Perspektiven-wechsel in der „Hochschulbildung”statt, der anerkennt, dass Organisatio-nen nur dann überleben und wachsen,wenn sie sich gleichzeitig um die Inte-ressen der Kunden, Mitarbeiter undAnteilseigner wie auch um die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungenihres Umfelds kümmern? Ghoshals Ant-wort darauf fußt auf der Eitelkeit desEstablishments der Hochschulen: Einesolche Perspektive liefert keine gutabgegrenzten, überprüfbaren Aussagenund keine einfachen, reduzierten Vor-schriften.

Vermittlung von Techniken

Eine ganz ähnliche Kritik an der Ver-mittlung von Techniken übt Grey. Aus-

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19ZUR ROLLE VON THEORIE UND PRAXIS IN DER HOCHSCHULBILDUNG

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tionale Vorgehensweise in der Hoch-schulausbildung wird auch von Hoganund Warrenfeltz kritisiert. Ausgehendvon der Feststellung, dass die psycholo-gischen Aspekte noch immer von ver-haltenstheoretischen Ansätzen domi-niert werden, skizzieren sie die Auswir-kungen dieser Ansätze. Einerseits kanneine Person ein profundes Verständnisder Welt haben und gleichzeitig unfä-hig sein, einfachste Tätigkeiten auszu-führen. Auf der anderen Seite kannjemand ein vollendeter Athlet, Musikeroder Schachspieler sein und gleichzeitigRassist oder Fanatiker. Hochschulausbil-dung als Prozess des Erlernens von Fer-tigkeiten vernachlässigt ein tieferes Ver-ständnis und ethische Implikationenvon Entscheidungen. Sie sollte als einProzess der Konstruktion mentalerModelle begriffen werden, die dazugeeignet sind, Phänomene zu interpre-tieren. Die zu starke Gewichtung funk-tionaler Inhalte führt außerdem zu derfalschen Annahme, dass gute Leistun-gen besonders auf kognitiven Fähigkei-ten beruhen (Hogan & Warrenfeltz2003).

Pluralität von Ansätzen und Sichtweisen

Hochschulen sollten sich insofern wie-der auf ihre Wurzeln als Institutionendes freien, toleranten und kreativenDenkens besinnen, wenn es darumgeht, Programme zu gestalten. Geradein der Integration von Theorien undder Behandlung nicht gängiger Perspek-tiven und Ansätze, die eine Herausfor-derung an konventionelles Wissen,Erfahrungen und Praxis darstellen, liegtihre besondere Stärke. AngestrebtesErgebnis sind Akademiker, die in derLage sind, Paradigmen zu hinterfragen,und einen Horizont aufweisen, derihnen ein breiteres Entscheidungsfeldbietet. Dazu ist es wichtig, den Men-schen der Pluralität von Ansätzen undSichtweisen auszusetzen. Dies geschiehtdurch neue Interpretationen, die vongängigen Herangehensweisen, Erfah-

rungswissen und „Best Practice“ abwei-chen. Hochschulausbildung darf nichtzu einer Verbreitung von professionali-siertem Alltagswissen werden (Harrisonet al. 2007).

Studierende mit der Fähigkeit auszustat-ten, sich ein Wissen über das Wissenanzueignen, wird somit zur Zielsetzung.Dieses Metawissen und die damit ver-bundene intellektuelle Agilität versetztsie in ihrer späteren Rolle als Praktikerin die Lage, Sichtweisen, Bestrebungen,Ziele, Rahmenbedingungen, Verpflich-tung und Verantwortung so zu beein-flussen, dass sie sich im Einklang mitden multiplen fachlichen, sozialen undökonomischen Erwartungen verändernkönnen.

Entwickeln statt ausbilden

Da Hochschulen der legitime intellektu-elle Schauplatz für freie Debatten sindund den kreativen Raum lassen sollten,um alternative Weltsichten und Ansätzezu tolerieren, die nicht einfach in einFunktionstraining integriert werdenkönnen, eignen sie sich besonders alsOrt zur Ausbildung von Führungskräf-ten. Paradoxerweise können Hochschu-len den praktischen Nutzen dadurchvergrößern, dass sie eine theoretischeDistanz zur Praxis einnehmen. Dieswird erreicht, indem sie schlüssige undzwingende alternative Sichtweisen lie-fern (Harrison et al. 2007). Ein Erfolgs-faktor liegt darin, den zugrunde liegen-den inhaltlichen und methodischenBedarf einer Ausbildung zu erkennenund sich weniger nach den Wünschenvon Teilnehmern und Unternehmen zurichten. Denn damit ist eine weiteregefährliche Sichtweise verbunden: Stu-dierende als Kunden zu bezeichnen. EinAusbildungsprogramm, in dem Men-schen zu etwas werden sollen, also sich

gehend von einem fragwürdigen Wis-senschaftsverständnis, wie es Ghoshalbeschrieben hat, und in Analogie zuden Naturwissenschaften wird der Glau-be verbreitet, dass eine Hochschulaus-bildung in allen Bereichen verlässlicheTechniken vermitteln könnte, derenAnwendung mit hoher Wahrscheinlich-keit ein bestimmtes Ergebnis zur Folgehaben. Dies ist jedoch ein Irrglaube, dain der Realität komplexe (soziale) Situa-tionen vorherrschen, deren Prämissennicht durch diese Techniken erfasst wer-den (können). Außerhalb der Naturwis-senschaften kann es keine verlässlichenTechniken geben. Grey verwendet hierden Begriff einer „illusorischen Vorstel-lung“, die etwas Unmögliches ver-spricht (Grey 2004). Trotzdem propagie-ren beispielsweise akademische Ausbil-dungsprogramme für Führungskräftegenau diese Vorstellung verlässlicherTechniken. Vieles in der praktischenArbeit von Hochschulabsolventenbasiert auf dem Versuch, Systeme oderPersonen zu kontrollieren und zu steu-ern. Es entstehen Steuerungskreisläufe,die lediglich Widerstand erzeugen, undjede neue Methode der Steuerungbringt Probleme hervor, die wiederumzum Gegenstand weiterer Steuerungs-versuche werden. Dabei steht für fort-schrittliche Organisationen weniger dieSteuerung im Vordergrund als das Pro-blem, Menschen in die Lage zu verset-zen, interdisziplinär zu denken. EineFähigkeit, die eigentlich im Rahmen derHochschulausbildung vermittelt werdensollte (Grey 2004).

Eine Reduktion auf einfaches Formel-wissen findet sich oftmals auch bei derÜbertragung von Herangehensweisenaus anderen Disziplinen, etwa wenn inBusiness Schools auf psychologischeoder soziologische Modelle und AnsätzeBezug genommen wird. Die Erkenntnis-se dieser Disziplinen werden auf formel-hafte Gesetzmäßigkeiten (Funktionen)reduziert und aus ihrem Kontextgenommen bzw. ohne Würdigung derBesonderheiten eines abweichendenKontextes unverändert angewendet(Clegg & Ross-Smith 2003). Diese funk-

BECKER/KAISER

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verändern und eine Persönlichkeitsent-wicklung durchlaufen sollen, kann nie-mals sein Ziel erreichen, wenn es dieBeziehung zu seinen Teilnehmern aufeine Angebots- und Nachfragesituationreduziert (Harrison et al. 2007).

Eine Hochschule zu sein bedeutet, Men-schen ins Arbeitsleben zu entlassen, diereflektiert, kritisch und kreativ denkenkönnen. Dies kann nicht durch immerstärkere Orientierung an Berufsbildernerreicht werden. Indem man Hoch-schulabsolventen immer stärker miteinem bestimmten Berufsbild vorAugen ausbildet, nimmt man ihnenviele Chancen am Arbeitsmarkt. Denn:Berufsausbildung betreiben Unterneh-men selbst wesentlich effektiver. DieAttraktivität von Hochschulabsolventenfür Arbeitgeber liegt eben nicht nur inihrer Fachkompetenz, sondern vorallem in der Fähigkeit, sich schnell undgewissenhaft in neue, komplexe The-mengebiete einzuarbeiten und sich ineinem institutionellen Rahmen zurecht-zufinden. Die Berufsvarianten für bei-spielsweise Ingenieure, Betriebswirteund Informatiker sind so vielfältig, dassmehr Spezialisierung und mehr Praxis-orientierung, im Sinne einer vorausei-lenden Arbeitsmarktorientierung, dazuführen kann, dass deren Chancen amArbeitsmarkt eher begrenzt als ausge-weitet werden.

Um reflektierte, systemisch denkendeAkademiker und zukünftige Führungs-kräfte hervorbringen zu können, musseine Hochschule diesen Menschen denRaum geben, die persönlichkeitsfor-menden Auswirkungen einer vollständi-gen wissenschaftlichen Ausbildung grei-fen zu lassen. Auf der anderen Seitesollte man dazu das Idealbild des selbst-verantwortlichen, sich selbst bildendenStudierenden vor Augen haben (Spoun& Domnik 2004). Dieses Idealbildbeschreibt Personen, die nicht mit demAnspruch an eine Hochschule gehen,sich ausbilden zu lassen, sondern mitdem Anspruch, sich zu bilden. Die Auf-

gabe der Hochschule ist es hiernach,Lieferant für Ideen, Konzepte, Theorienund Techniken zu sein und eine Diskus-sion darüber in Gang zu setzen. Sie istdabei die Plattform, auf der sich neueIdeen und Bestrebungen entwickelnkönnen. Sie sollte diese Bestrebungenfördern, statt sie zu steuern; ganz imSinne eines „facilitating over control-ling“ (Mintzberg & Gosling 2002). ■

LiteraturBlecking, D. (2010). Die transkulturelle und interkul-turelle Dimension des Sports. Tokarski, W. &Petry, K. Handbuch Sportpolitik. Schorndorf,195–213.

Clegg, S. R., Ross-Smith, A. (2003): Revising theBoundaries – Management Education and Lear-ning in a Postpositivist World, Academy ofManagement Learning and Education, Vol. 2,No. 1, 85–98.

Detel, W. (2007): Grundkurs Philosophie, Band 4.Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Reclam,Ditzingen.

Ghoshal, S. (2005): Bad Management Theories areDestroying good Management Practices, Aca-demy of Management Learning and Education,Vol. 4, No. 1, 75–91.

Grey, C. (2004): Reinventing Business Schools – TheContribution of Critical Management Educati-on, Academy of Management Learning andEducation, Vol. 3, No. 2, 179–186.

Harrison, R. T., Leitch, C. M., Chia, R. (2007): Deve-loping Awareness in University Business Schools– The Challenge for Executive Education, Aca-demy of Management Learning & Education,Vol. 6, No. 3.

Humboldt, W. v. (1846): Wilhelm Freiherr von Hum-boldt’s gesammelte Werke, Band 5, G. Reimer,Berlin.

Jansen, S. (2008): Humboldt 2.0 – Plädoyer für eineparadoxale Universitätstheorie und -praxis oder:eine Liebeserklärung an nährende und lehrendeMütter, Jg. 2010 (2), 156–173.

Hogan, R. & Warrenfeltz, R. (2003): Educating theModern Manager, Academy Of ManagementLearning & Education, Vol. 2, No. 1.

Macilwain, C. (2015): Time to cry out for academicfreedom, in Nature, Vol. 527, 19.11.2015,S. 277.

Mintzberg, H. & Gosling, J. (2002): EducatingManagers beyond Borders, Academy ofManagement Learning and Education, Vol. 1,No. 1, 64–76.

Osel, J. (2015): Jedem seine Nische, SüddeutscheZeitung, 71. Jg., (43) Nr. 240, 5.

Spoun, S. & Domnik, D. B. (2004): Erfolgreich stu-dieren – Ein Handbuch für Wirtschafts- undSozialwissenschaftler, Pearson, München.

Weick, K. E. (1995): Der Prozess des Organisierens,Suhrkamp, Frankfurt am Main.

Zu den Autoren

Prof. (FH) Dr. Timo Becker ist Professor für Betriebs-wirtschaftslehre an der Fachhochschule KufsteinTirol und leitet dort die Studiengänge Marketing &Kommunikationsmanagement (BA) sowie DigitalMarketing (MA).

Prof. Dr. Sebastian Kaiser lehrt Sportmanagementan der Hochschule Heilbronn, Campus Künzelsau –Reinhold-Würth-Hochschule. Er ist Herausgeber derZeitschrift Sportwissenschaft (Geistes-/Sozialwissen-schaftlicher Bereich).

ZUR ROLLE VON THEORIE UND PRAXIS IN DER HOCHSCHULBILDUNG

2/2016Das liebe Geld: Hochschulfinanzen zwischen

Schuldenbremse und Hochschulpakt

3/2016Bachelor- und Masterausbildung

für den öffentlichen DienstSchicken Sie uns Ihre Beiträge, Informationen und Meinungen!

Kontaktadresse: Prof. Dr. Christoph Maas · [email protected]

Redaktionsschluss für die Ausgabe 2/2016 ist der 29. Februar 2016Redaktionsschluss für die Ausgabe 3/2016 ist der 29. April 2016

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Lehrende und Studierende –Spurensuche und Annäherun-gen an ein schwieriges Ver-hältnis

Vorlesungen an Hochschulen sind gutoder schlecht, sie sind überraschendoder vorhersehbar, sie sind informativoder bringen nur Altbekanntes, sie bin-den Studierende ein oder belehren ein-seitig mittels Frontalunterricht, ohnedie Studierenden zum Nachdenken zubewegen … Das alles ist nichts Neues.Studierende sind zufrieden oder sindnicht zufrieden mit ihren Vorlesungenund den Lehrenden; die Lehrendengehen mit Motivation an ihren Job odernicht. Überraschend allerdings ist diegroße Bandbreite, die hohe Heterogeni-tät in Lehr- und Lern-Ansätzen, in ein-gesetzten Methoden und in der letzt-endlich realisierten (oder auch nur sub-jektiv empfundenen) Qualität vonLehre über alle Hochschulen und überalle Studiengänge hinweg. In diesemArtikel wird versucht, einigen Ursachenfür negative Abweichungen von einem(wie immer auch) als gut definiertenSoll-Zustand an Lehre auf die Spur zukommen. Lehrende und Studierendebegegnen sich dabei auf einer Bühnevoller Widersprüche: der Hochschule.

Die Lehrenden

Ein erster Blick gilt dem Individuum, zuallererst den Lehrenden, seien es Profes-soren oder fest angestellte Lehrkräfteohne Professorenstatus. Sie bestimmenin der Interaktion mit den Studierendenden Ton, wählen Lehrstoff aus, grenzenWissensgebiete ein, vermitteln und prü-fen.

Was aber genau bringt dieser neue Jobmit sich? Alle Neuberufenen solltensich überlegen, welche Aufgaben genauauf sie zukommen und ob sie dafür diebenötigten Kompetenzen haben. Dazu

gehört auch ein eigenes Bild davon, wiedenn eine gute Lehre aussehen könnte.1

Kurz-Reflexion:Welche Aufgaben sollen Sie konkret erledi-gen (in Lehre, Forschung, Selbstverwaltungetc.)?Haben Sie dazu die benötigten Kompeten-zen (fachliche, soziale, methodische undSelbst-Kompetenzen)? Falls nicht: Wie undwo können Sie sich diese Kompetenzenaneignen?

Warum aber wird jemand Lehrender?Was bringt sie oder ihn an die Hoch-schule in genau diesen Beruf? Überdiese Gründe kann nur spekuliert wer-den – wichtig erscheint aber, dass sichjeder selbst klarmacht, was er erwartetvon diesem Job. Es gibt realistischeErwartungen, z. B. „Wissen vermitteln,weil es mir Spaß macht, es weiterzuge-ben“, sowie offensichtlich unrealisti-sche Erwartungen wie „alle Studieren-den sind per se motiviert und enga-giert“. Es gibt aber auch unbewussteErwartungen, die Konflikte kreierenwerden, z. B. „ich möchte von allen Stu-dierenden gemocht werden“.

Kurz-Reflexion:Welche Erwartungen in Bezug auf IhrenJob haben Sie selbst an sich? Welche dieserErwartungen wollen und können Sie erfül-len?Wie „ticken“ Sie selbst? Was sind IhreAntreiber?

Und: So unterschiedlich, wie Menschensein können, so unterschiedlich sindauch die Lehrenden: „Von Hause aus“haben sie mehr oder weniger Humor,mehr oder weniger Empathie, eine

Prof. Dr. Achim WeiandProfessor für Betriebswirt-schaftslehre, insbesonderePersonalentwicklung, ander Hochschule [email protected]

Achim Weiand

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mehr oder weniger dicke Haut, sie sindmehr oder weniger selbstzentriert. Jederträgt zudem sein Beziehungs- und Inter-aktionsmuster in und mit sich herum,meistens unbewusst, das aber entschei-denden Einfluss auf die Interaktion mitden Studierenden haben wird. So wirdderjenige, der selbst in seiner Jugendprimär für Leistung belohnt wird, diesesMuster mit Sicherheit auch auf seineStudierenden übertragen und Leistungprimär setzen; Studierende geduldig zuunterstützen wird ihm eventuellschwer fallen. Manche sind konflikt-scheu, manche sind empfindlich gegen-über Kritik etc. Bewusst sind diese wir-kungsvollen Antriebsmechanismenallerdings den wenigsten Lehrenden.

Alle Lehrenden kommen aber mit ihrerLehrfunktion in einen Kontext, in demihre Persönlichkeit in der direktenInteraktion mit den Studierenden diedominante Rolle spielen wird. Der Leh-rende steht prinzipiell alleine vor einerGruppe von Studierenden, sein „Ton“wird die „Musik“ seiner Veranstaltungbestimmen und seine blinden Fleckenwerden seine Sichtweise bestimmen,andererseits wird sein „roter Punkt“schnell von den Studierenden erkanntwerden. Alleine an seiner Begrüßungwerden die Studierenden erkennen, inwelcher Stimmung sich der Lehrendebefindet und was sie erwarten können.Der Lehrende ist ja für die Studierendenpermanent sichtbar mit all seineninhaltlichen, methodischen und per-sönlichen Stärken, aber auch mit all sei-nen Schwächen und Verletzlichkeiten.Er steht meist im Fokus, ob er sich des-sen bewusst ist oder nicht, ob er dieswill oder nicht. Grund genug allemal,sich mit sich selbst zu beschäftigen,bevor der Lehrende in den Ring steigtmit all zu viel ihm selbst Unbekannteman Bord.

Täglich gehen wir miteinander um als Lehrende und als Lernende, aber selten denken wir darüber nach,

was dabei eigentlich geschieht und warum es geschieht. Von Zeit zu Zeit sollten wir innehalten und einen

Blick von außen auf unsere Rolle werfen – in unserem eigenen Interesse.

Die Lehrenden sind prinzipiell Einzel-kämpfer in ihrer Lehrsituation: pro Vor-lesung ein Lehrender. Kooperation (undKontakt und Kommunikation) zu Kolle-gen findet auf freiwilliger Basis statt, derArbeitskontext selbst und die Arbeits-strukturen erfordern wenig Kooperationund Teamfähigkeit bei den Lehrenden.Ab und an taucht die Frage auf: „Wiemachen das eigentlich meine Kolle-gen?“ Da es aber wenig gestalteteRäume für Erfahrungsaustausch an denHochschulen oder in den Fachberei-chen gibt, bleibt diese Frage allzu oftunbeantwortet oder in der Eigenregiedes Lehrenden und damit getragen vonpersönlichen Sympathiebeziehungenund dem Prinzip „Zufall“. Wird derSozialkontakt zu Kollegen auf einer pri-vaten Basis von Sympathie oder ähnli-chen Interessen gesucht, so ist der Sozi-alkontakt zu Studierenden meist kurz,oft sieht man einen Studierenden nurwährend einer Veranstaltung von zweiSemesterwochenstunden, oftmals ist esdann aber auch nur einer von fünfzigoder mehr Studierenden. Die Sozialkon-takte der Lehrenden sind also eher frag-mentarisch und anders gestaltet als beiden Mitarbeitern der Verwaltung mitihren festen Arbeitskontexten.

Dieser Job gibt zudem wenig Feedback.Die Studierenden fühlen ihre Abhängig-keit: Wer gibt einem Lehrenden offenFeedback, wenn er in der Notengebungvon ihm abhängig ist? Ein „Himmel-fahrtskommando“, dessen offensichtli-che Risiken nur selbstbewusste Studie-rende mit einer großen Portion Idealis-mus eingehen, da eine Verhaltensände-

rung des Lehrenden ihnen selbst meistnicht zugutekommen würde, sondernnur den nachfolgenden Generationenan Studierenden.

Kurz-Reflexion:Mit welchen Adjektiven würden Sie selbstIhr Verhalten in den Vorlesungen beschrei-ben?Wir würden die Studierenden Sie beschrei-ben? Wie würden Kollegen Sie sehen?Wo gibt es Gemeinsamkeiten und wo gibtes Unterschiede bei diesen Bewertungen?Zu welchem Aspekt Ihres Handelns undeiner Wirkung brauchen Sie noch weitereInformationen von anderen?Was wollen Sie belassen an Ihrem Verhal-ten, was wollen Sie verändern?

Der Lehrende schwebt also oftmals ineinem rückmeldefreien Raum, allzu oftverstärkt dies die bei manchen vorhan-dene Tendenz, sich selbst für „gut“ zuhalten, für eine Autorität (eine fachli-che? eine moralische?) mit einem nichtweiter hinterfragbaren Verhalten. Einekritische Rückmeldung von Kollegenfehlt ebenfalls, eine kritische Rückmel-dung durch Dekane oder Präsidentenfällt ebenfalls weg, da diese den Ort desGeschehens, die Vorlesung des Lehren-den, kaum betreten. Zu was in derLehre sollten sie wie ein Feedbackgeben?2 Eine Rückmeldung zu quantifi-zierbarer Drittmittelforschung fällt daallemal leichter.

Zudem sind die Lehrenden auf einemberuflichen Plateau angekommen, dassie so bald nicht mehr verlassen wer-den: Mehr als Professor geht ebennicht, es sei denn, man nimmt eineFunktion innerhalb der Hochschulver-waltung an. Es gibt Fächer mit mehrund mit weniger Aktualisierungsbedarf;

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23SPURENSUCHE UND ANNÄHERUNGEN AN EIN SCHWIERIGES VERHÄLTNIS

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nachdenken über eine Art „Kodex“,eine Art Selbstverpflichtung der Leh-renden in Bezug auf Basisanforderun-gen des Lehrens.

Rollen und Rollenerwartungen an dieLehrenden

Es gibt einen im Job angelegten Rollen-konflikt, da Arbeitgeber und Vorgesetz-te, d. h. Ministerien und Hochschullei-tungen, mehrere widersprechende Auf-gaben delegiert haben an die Lehren-den. So hat der Lehrende eine Prüfungs-und damit eine Selektionsfunktion: Oftgenug entscheiden Prüfungen über densozialen Aufstieg eines Studierenden.Rechtlich gut absicherbar lässt sich Fak-tenwissen prüfen, was den einseitigenFokus von Prüfungen oft schon vorgibt(trotz der immer wieder betonten ho -hen Bedeutung von Transferwissen).Andererseits wird von den Lehrendenerwartet, die Studierenden zu unterstüt-zen und zu coachen beim Lernen – dereigentliche „Produzent“ von Wissen seija der Studierende selbst. Doch allzu oftbeißen sich diese beiden Rollen, auchvon den Studierenden aus gesehen, diekritisch und vorsichtig die Lehrendenbeäugen, wie diese diesen Konfliktmeistern – oder zumindest ihnengegenüber irgendwie artikulieren.

Die Studierenden selbst können auchmehrere Erwartungen haben, die nichtimmer kongruent sind: Wissen erwer-ben, gute Noten erhalten für die spätereberufliche Entwicklung, aufwandsarmund schnell studieren etc.

„Wegdrücken“ lässt sich dieses Span-nungsfeld nicht, am wenigsten überFraternisierungsstrategien wie etwa dasDuzen der Studierenden, das ein fal-sches Gefühl von Gleichheit trotzungleich verteilter Rollen mit unglei-chem Auftrag und Machtinstrumentari-um vermittelt. Eine Rollenklärungerfolgt in der Regel nicht, weder mitsich selbst noch mit den Kollegen nochmit den Studierenden. Zudem sollen

alle Lehrenden den Studierendengegenüber „neutral“ sein, Sympathieund Antipathie dürfen offiziell keineRolle spielen, wirken aber meist unbe-wusst mit. Dieser in den Aufgabenstel-lungen angelegte Widerspruch regeltsich nicht von alleine, er muss vomLehrenden erkannt und (meist) alleinebewältigt werden.

Kurz-Reflexion:Welche Erwartungen werden von anderenan Sie gestellt? Welche dieser Erwartungenwollen und können Sie erfüllen?Was müssen Sie wie abklären an Rollener-wartungen mit anderen?

Die Organisation und die Rahmen -bedingungen

An den strukturellen Rahmenbedingun-gen, die Gesetzgeber, Ministerien undHochschulleitungen vorab gesetzthaben, kommt trotz individuellerUnterschiede niemand vorbei; dieseRahmenbedingungen haben in derRegel eine starke verhaltensbeeinflus-sende, überindividuelle Wirkung für dieLehrenden. Es gibt deutlich einengendeRahmenbedingungen und – aus Sichtder Lehrenden – auch vorteilhafte Rah-menbedingungen.

Als negativ empfunden wird meistensdie hohe Regelungsdichte, die vor allemPrüfungen und deren Modalitätenbetrifft sowie viele Themengebiete desArbeitens abseits des direkten Kontaktsmit den Lernenden wie Einrichtungvon Studiengängen, Genehmigung vonDienstreisen, PC-Nutzung, Einwerbungund Nutzung von Drittmitteln. Im Ver-gleich zu nicht öffentlichen Einrichtun-gen wird diese Regelungsdichte oftmalsals zu rigide und als einengend angese-hen. Auch das Entgeltsystem der Hoch-schulen wird – im Vergleich zur freienWirtschaft, dem ursprünglichen Arbeits-gebiet vieler Lehrender – als wenigtransparent und leistungsbelohnendempfunden.

Fächer mit technischem Hintergrundhaben es da schwerer, ebenso wieFächer, deren Inhalt einer regelmäßigenNeuregulierung unterliegen. Ansonstenist der Zuwachs an neuen Aufgaben,Inhalten und Kompetenzen eher be -schränkt, es sei denn, Mann oder Frauzeigt Eigeninitiative, sucht sich neueVorlesungsgebiete und damit auch neueinhaltliche Herausforderungen aus. Auseinem Hochschullehrerjob kann einintellektuell unterfordernder Job wer-den, wenn Mann oder Frau bei seinenbzw. ihren Leisten und in der Komfort-zone bleibt.

Aufgaben

■ Die Lehrenden brauchen eine realis-tische Selbsteinschätzung des Job-Profils und der eigenen Kompeten-zen. Sie müssten sich ein eigenes Rol-lenverständnis erarbeiten und diesregelmäßig reflektieren, am besten ineiner Peergroup unter professionellerLeitung.

■ Im Auswahlverfahren für neue Leh-rende sollte mehr Wert gelegt werdenauf die wichtigen überfachlichenQualifikationen von Bewerbern, alsoauf die Kompetenzen, die sie zumerfolgreichen Lehren (und zum Über-Leben) an der Hochschule mitbrin-gen müssen. Manche dieser Kompe-tenzen sind leicht erlernbar, beianderen gehören eher Neigung undCharakter dazu. Hertl & Schaar -schmidt haben für Lehrer vier wichti-ge Anforderungsbereiche ausgearbei-tet: Psychische Stabilität; Aktivität,Motivation und Motivierungsfähig-keit; Soziale Kompetenz; Grundfähig-keiten und -fertigkeiten. Diese müss-ten auf Lehrende an Hochschulenangepasst werden.3

■ Lehrende könnten zu Beginn einesSemesters mit den StudierendenSpielregeln zum gegenseitigenUmgang vereinbaren. Bei Störungensollten diese im Sinne des Primatsder Beziehung vor dem Inhalt geklärtwerden. Man könnte außerdem

WEIAND

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Abgesehen von diesen Vorschriften for-maler Art gibt es aber – im Unterschiedetwa zu vielen Schulen oder auch zuWirtschaftsunternehmen – kaum Stan-dards in Bezug auf das erwünschte Ver-halten aller Beteiligten oder in Bezugauf Inhalte und Methoden –, also bei-spielsweise

■ zum Umgang zwischen Lehrendenund Studierenden,

■ zur Durchführung der Lehre (Termin-treue, Ansprechbarkeit, Evaluation),

■ zu Stoffabsprachen und Stoffabgren-zungen oder

■ zum Repertoire an möglichen Lehr-Lern-Interaktionen („Methoden -koffer“).

So finden Studierende mit Sicherheitdie „Lücke“ bei den Lehrenden undsuchen sich denjenigen aus, der bei-spielsweise mehr Hilfestellung bei derAbfassung der Bachelorarbeit gibt alsandere Lehrende und großzügigerbewertet.

Kurz-Reflexion:Welche Standards gibt es bereits bei Ihnenin Ihrem Organisationsbereich?Welche Standards wären aus Ihrer Sichtbesonders wichtig? Können Sie selbst dieseStandards begrifflich exakt definieren?Mit wem könnten Sie diese Standards erar-beiten?

Bei großen Gruppen, bei denen es keinegeregelten Kontakte und deshalb auchkeine soziale Kontrolle mehr gibt, reichtfür das Vorgehen in dieser Hinsicht der„gesunde Menschenverstand“ nichtmehr aus. Dies spricht für Standards,die aber schon um der Akzeptanz willengemeinsam erarbeitet, verabschiedetund kontrolliert werden sollten.

Zu nennen ist weiterhin die im Grund-gesetz verankerte Freiheit von For-schung und Lehre, die aus den Lehren-den oft unabhängige Kometen macht,

schwer zu berechnen in ihrer Flugbahnund kaum lenkbar. Oft wird diese Frei-heit der Lehrenden als universellesAbwehrmittel gebraucht, wo eine dis-kussions- und kompromissbereite Hal-tung angebrachter erscheint (z. B. beider Abstimmung von Lehrinhalten überVorlesungen von Kollegen hinweg).Hinzu kommt das Berufsbeamtentum,das maximale, leistungsunabhängigeArbeitsplatzsicherheit garantiert.

Dies führt zu einer als paradox empfun-denen Situation für die Lehrenden:einerseits stark fremdbestimmt durchenge Regulierungen für Beschäftigte imöffentlichen Dienst, andererseitsäußerst selbstbestimmt und autonomim Vorlesungsraum.

Die Selbstverwaltung der Hochschulemit zeitlich befristeten und daher oft-mals rotierenden Ämtern unter prinzi-piell Gleichen ist nicht förderlich fürzügige und mitunter notwendige„harte“ Entscheidungen, z. B. zum Strei-chen von Fächern oder Studiengängen.Durch die Form der Auseinandersetzungbei der Entscheidungsfindung verlierenviele einstmals engagierte Kollegenirgendwann die Lust und Energie.

Die Lehrenden haben einen Lehrauf-trag, aber anders als an den Schulendirekt verankert keinen Erziehungsauf-trag mehr. Damit scheint ein Primat derVermittlung von Wissen gegenüber derAusbildung von Persönlichkeit gesetzt.Die Lehrenden haben dementsprechendauch keine disziplinarische Gewalt, ihreAutorität den Studierenden gegenüberkönnte sich speisen „nur“ aus Persön-lichkeit, Fachwissen oder erarbeitetemRespekt.

Die Studierenden auf der anderen Seitekommen in immer jüngerem Alter andie Hochschulen. Damit sind sie biogra-fisch meist noch zu verorten in derpostpubertären Ablösung vom Eltern-haus: zum ersten Mal auf eigenenFüßen stehend. Es sind junge Erwachse-ne, oftmals auf der Suche nach sichselbst. Groß geworden im permanentenmedialen Entertainment, erwarten sieInfotainment mit ständig neu gesetzten

Aufmerksamkeitsreizen. An den Hoch-schulen haben sie ein hohes Maß anAutonomie, etwa beim Vorlesungsbe-such, bekommen aber wenig Rückmel-dung in Form von regelmäßigen Leis-tungsüberprüfungen, wie sie es von derSchule gewohnt waren. Im schlimmstenFall kommt das Erwachen dann erst amEnde des Semesters mit den alles ent-scheidenden Prüfungen.

Aufgaben

■ Die Hochschulleitungen und dieMinisterien müssen für gute Lehrbe-dingungen sorgen. So sind bei vielenThemen Gruppengrößen mit mehrals 20 Teilnehmern in der Regelunproduktiv.

Es ist durchaus möglich, das „Dreh-buch“ von Organisationen zu verän-dern, selbst wenn es viele starre, unver-änderliche Rahmenbedingungen gibt.Gemeinsam geht es wahrscheinlich bes-ser. Meine These ist, dass etliche Verän-derungsprojekte in den Hochschulenmit viel gutem Willen, aber eher unpro-fessionell angegangen werden, und dassdiese gut gemeinten Impulse dann ver-sanden.4 Eine entsprechende Professio-nalisierung tut not. ■

1 Vgl. hierzu etwa Hilbert Meyer – Zehn Merkma-le guten Unterrichts, http://www.staff.uni-oldenburg.de/hilbert.meyer/9290.html, Abrufam 19.06.2015

2 Vgl. hierzu die gut ausgearbeitete Aufgabe zuEigen- und Fremdwahrnehmung von Loebbert,Michael (2013) – Verhaltenscoaching. In: Loeb-bert, Michael (Hrsg.) (2013) – ProfessionalCoaching. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. S. 206

3 SUSANNE HERLT & UWE SCHAARSCHMIDThttp://www.vbe.de/angebote/potsdamer-lehrer-studie/fit-fuer-den-lehrerberuf.html, Abruf am07.05.2015

4 Vgl. zu einem systematischen Vorgehen etwaDörhöfer, Stefan & Loebbert, Michael (2013) –Coaching und Organisationsberatung. In: Loeb-bert, Michael (Hrsg.) (2013) – ProfessionalCoaching. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. S. 202

SPURENSUCHE UND ANNÄHERUNGEN AN EIN SCHWIERIGES VERHÄLTNIS

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26 AUS DEN LÄNDERN

Forschung an Fachhochschulen auchmateriell durch eine verstetigte undsubstanzielle staatliche Ausstattung indie Lage versetzt werden, Impulse indie Gesellschaft zu geben und neueThemen von gesellschaftlicher Rele-vanz anzustoßen.

4. Gute Arbeitsbedingungen für dieProfessorinnen und Professoren unddie Anerkennung ihrer Leistungen inder Forschung sind Voraussetzungenfür hochwertige und gesellschaftlichrelevante Forschungsergebnisse undeine forschungsbasierte Lehre. […]

5. Besonders hinderlich für die Erfül-lung der Aufgaben in der Forschungsind: die im Bundesländervergleich sin-gulär hohe Regellehrverpflichtung (fak-tisch 20 Semesterwochenstunden auf-grund der nur hälftigen Anrechnungvon Übungen auf das Lehrdeputat), diezunehmende Belastung der Professurendurch Verwaltungs- und Selbstverwal-tungsaufgaben […], der aufgrund einerimmer heterogener werdenden Studie-rendenschaft steigende Beratungs- undBetreuungsbedarf sowie die anhaltendeUnterfinanzierung der Forschung ausder Grundausstattung. […]

6. Die im Landesverband Bremen undBremerhaven zusammengeschlosseneHochschullehrerschaft setzt sich dahernachdrücklich ein für die schrittweiseReduktion der Regellehrverpflichtungauf 12 SWS (entsprechend der Empfeh-lungen des Wissenschaftsrates 2008)und die regelhafte Unterstützung jederProfessur durch einen wissenschaftli-chen Mitarbeiter bzw. eine wissen-schaftliche Mitarbeiterin aus derGrundfinanzierung (unabhängig vonder Einwerbung von Drittmitteln). […]

Die Forschungsbedingungen an denHochschulen für Angewandte Wissen-schaften optimieren – dazu legte eineArbeitsgruppe des hlb-LandesverbandesBremen im Dezember 2015 Thesen undForderungen vor, die nun mit Fachpoli-tikern und Entscheidern diskutiert wer-den sollen. Die DNH dokumentiert dieThesen in Auszügen.

1. Der gesetzliche Auftrag an die Pro-fessorinnen und Professoren aller staat-lichen bremischen Hochschulen be -inhaltet Forschung und Lehre sowieWissens- und Technologietransfer(BremHG, 2015, § 4). Auch die Professo-rinnen und Professoren an den Univer-sitäten für angewandte Wissenschaften(Fachhochschulen) in Bremen habendaher nicht nur die Befugnis zur For-schung, sondern sie können, anders alsFH-Professuren in einigen anderen Bun-desländern, Forschung auch als eineihrer dienstlichen Aufgaben wahrneh-men (so schon die HRK 1997).

2. Forschung und Lehre ergänzeneinander. Die Einbeziehung aktuellerForschungsergebnisse ist Voraussetzunghochwertiger Lehre, und ein wissen-schaftliches Studium erfordert, insbe-sondere in Masterkursen, die Beschäfti-gung mit modernen Forschungsmetho-den. Es entspräche daher weder demgesetzlichen Auftrag an die Professorin-nen und Professoren an den Universitä-ten für angewandte Wissenschaften(Fachhochschulen) noch der Realitätder Wissensproduktion und Wissensdif-fusion, wenn Fachhochschulprofessurenausschließlich als Lehrprofessuren ver-standen würden.

3. […] Eine ausschließliche Orientie-rung der Fachhochschulen auf die Auf-tragsforschung widerspräche nicht nurder grundgesetzlich verbürgten Wissen-schaftsfreiheit, sondern auch dem lan-desgesetzlichen Auftrag. Daher muss die

7. Angesichts der immer kürzer wer-denden Lebenszyklen von wissenschaft-lichen Erkenntnissen ist die regelhafteGewährung eines Forschungssemestersfür jede Professur jeweils nach drei Jah-ren erforderlich – wie es auch in ande-ren Bundesländern üblich ist. In demForschungssemester soll der Hochschul-lehrer bzw. die Hochschullehrerin vonLehrverpflichtungen freigestellt werden,ohne diese durch zuvor erbrachte Mehr-Lehre kompensieren zu müssen. DasForschungssemester soll auch als Praxis-semester gewährt werden können […].

8. Erforderlich sind die Bereitstellungeines substanziellen Forschungsförder-fonds und der konsistente Ausbau derFörderinstrumente. […] Der Forschungs-förderfonds soll von einem demokra-tisch legitimierten Gremium unterBeteiligung externer Fachleute („For-schungsförderkommission“) verwaltetwerden (siehe schon HRK 1997). […]

9. In der Verwaltung sind die Prozesseso zu organisieren, dass Forschung alsKernaufgabe der Hochschullehrerschaftverstanden und proaktiv unterstütztwird. Forschung, die aus Drittmittelnfinanziert wird, die keine Gemeinkos-tenzuschläge vorsehen, muss grundsätz-lich von der Gemeinkostenbeteiligungfreigestellt werden. […]

10. Auf der Basis einer hinreichendenAusstattung mit einem akademischenMittelbau aus der staatlichen Grundfi-nanzierung ist den Universitäten fürAn gewandte Wissenschaften unter Wah-rung der üblichen Qualitätsstandardsein Promotionsrecht zu gewähren. […]

Kontakt:Prof. Dr. rer. pol. Hans-Heinrich BassVorsitzender des hlb-Landesverbands

[email protected]

Tel.: 0421 5905-0

Bremen

Bremer Thesen zur Forschungsförderung (Kurzfassung)

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Die Hochschule Darmstadt (h_da) unddie Hochschule Fulda waren 2006 dieersten, bis 2014 folgten auch die Tech-nische Hochschule Mittelhessen, dieHochschule RheinMain und die Frank-furt University of Applied Sciences:Nach und nach hatten die staatlichenFachhochschulen in Hessen das „Fach“aus ihren Namen gestrichen. Seit An -fang dieses Jahres gibt es nun in Hessenauch als Hochschultyp keine „Fach-hochschulen“ mehr, stattdessen „Hoch-schulen für Angewandte Wissenschaf-ten“, kurz HAWs. Ende 2015 hat derHessische Landtag mit der Reform desHessischen Hochschulgesetzes (HHG)die Umbenennung beschlossen.

„Die hessischen Fachhochschulen leis-ten … im Bereich der anwendungsori-entierten Forschung ausnahmslos …großartige Arbeit“, begründete der hes-sische Staatsminister für Wissenschaftund Kunst, Boris Rhein, im Landtagseine Gesetzesinitiative: „Deswegen sol-len sie, damit draußen steht, was drin-nen passiert, ab sofort ‚Hochschulen fürAngewandte Wissenschaften‘ heißen.“„Der Landtag erkennt damit die enormeFortentwicklung an, die sich die hessi-schen HAWs seit Anfang der Siebziger-jahre bis heute erarbeitet haben. Diesewegweisende Entscheidung eröffnet unsganz neue Möglichkeiten“, freut sichProf. Prof. h. c. Dr. Ralph Stengler, Prä-sident der Hochschule Darmstadt undseit Anfang 2016 auch Vorsitzender der„HAW Hessen“, dem Verbund der fünfstaatlichen Hochschulen für Angewand-te Wissenschaften und der Evangeli-schen Hochschule Darmstadt.

Als bundesweiter Vorreiter wertet Hes-sen seine HAWs 2016 auf zwei Ebenenauf: So sieht der Hochschulpakt mitdem Hessischen Wissenschaftsministeri-um für 2016 bis 2020 erstmals drei bis

fünf Millionen Euro jährlich für denAufbau von Forschungsstrukturen anden HAWs vor. Vor allem aber gibtihnen das reformierte Gesetz die Mög-lichkeit, ein Promotionsrecht für for-schungsstarke Fachrichtungen zu bean-tragen. In den Beratungen mit demWissenschaftsministerium zur Umset-zung dieses Promotionsrechts läuft esdarauf hinaus, „dass die hessischenHAWs anhand sehr strenger Kriterienbeweisen müssen, dass eine Fachrich-tung forschungsstark ist, bevor das Pro-motionsrecht verliehen werden kann“,sagt Prof. Dr. Arnd Steinmetz, h_da-Vizepräsident für Forschung.

Zusätzlich zu einer definierten Zahl wis-senschaftlicher Veröffentlichungenmüssen voraussichtlich etwa im tech-nisch-naturwissenschaftlichen MINT-Bereich mindestens 12 Wissenschaftle-rinnen und Wissenschaftler einer Fach-richtung zusammenarbeiten, von denenjeder Drittmitteleinnahmen von zumin-dest 100.000 Euro im Jahr vorweisenkann. Für den nicht technischenBereich werden 50.000 Euro pro For-schendem und Jahr gefordert. „Das sindAnforderungen, die auch etliche Uni-versitäten herausfordern dürften. Den-noch sind wir sicher, dass die hessi-schen HAWs die Kriterien innerhalb dernächsten Jahre erfüllen werden.“ Alserster Schritt ist die Gründung einesHAW-übergreifenden Promotionszen-trums in der Sozialen Arbeit imGespräch.

Doch der Anspruch der HAWs gehtnoch weiter: „Wir wollen eine qualitäts-gesicherte Promotion nach dem angel-sächsischen Modell“, sagt Steinmetz.

Betreuung und Begutachtung der Pro-motion finden danach im Unterschiedzur üblichen Praxis in Deutschlanddurch verschiedene Personen statt. DieGutachterinnen und Gutachter sichernso indirekt auch die Qualität der Betreu-ung ab. Dazu soll über Zwischenberich-te der kontinuierliche Fortschritt derArbeit gewährleistet werden. Erfahrun-gen mit dem angelsächsischen Mo dellgibt es beispielsweise an der HochschuleDarmstadt seit Jahren durch die koope-rativen Promotionsverfahren mit denUniversitäten in Plymouth und Corksowie anderen Partnerunis. Insgesamtco-betreut die h_da gerade 69 koopera-tive Promotionen. 66 wurden seit 2005erfolgreich abgeschlossen.

Doch werden die HAWs jetzt „kleineUniversitäten“, wie Kritiker meinen?HAW Hessen-Vorsitzender Stengler siehtdas anders: „Wir können durch das Pro-motionsrecht die Qualität unsereranwendungsbezogenen Forschung stär-ken, was auch die Qualität der Lehrebefruchtet. Wir werden aber auch unse-re bekannten Stärken im Studiumbehalten. HAW heißt weiterhin: GuteBetreuung in kleineren Gruppen undhoher Praxisbezug.“

Martin Wünderlich-Dubsky, Hochschule Darmstadt

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27AUS DEN LÄNDERN

Prof. Prof. h. c. Dr.Ralph Stengler

Foto: S. Jens Steingässer

Hessen

Fachhochschulen in Hessen mit neuem Namen und Promotionsrecht für forschungsstarke Fach -richtungen

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28 AUS DEN LÄNDERN

steinischen WissenschaftsministerinProf. Dr. Waltraut Wende kam es zurBildung einer Arbeitsgruppe unter Lei-tung des Verfassers, der Vertreter derFachhochschulen, der Universitätenund des Wissenschaftsministeriums desLandes angehörten. Der dort erzielteKompromiss stellt einen guten Aus-gleich der verschiedenen Interessen undErwartungen dar. Das „Promotionskol-leg Schleswig-Holstein“ ist ein Eckpunktder Novellierung des Hochschulgeset-zes, das im Dezember 2015 vom Schles-wig-Holsteinischen Landtag beschlossenwurde.

Dabei geht es um wesentlich mehr alseine Erweiterung der „kooperativen Pro-motion“: Unserem Vorschlag liegt eineBalance von Interessen zugrunde. DieFachhochschulen müssen nicht mehrauf die Suche nach einer geneigten Uni-versität gehen. Dieser oftmals als hem-mend und auch als abwertend empfun-dene Schritt ist nicht mehr notwendig:Die Entscheidung, ob und in welchenFächern promoviert werden soll, trifftselbstverständlich die Fachhochschule.Die Kooperation mit einer Universitätentsteht dann entweder im wissen-schaftlichen Fachdialog, in der konkre-ten Arbeit des Kollegs oder auf der Basiseines ohnehin schon bestehenden Kon-taktes zwischen einer Universität undeiner Fachhochschule. Nicht zuletztdeshalb wird das Kolleg auch für aus-ländische Universitäten geöffnet. Damitist auch das universitäre Interessegewahrt. Im Kolleg selbst herrscht also„Augenhöhe“ und es steht einzig dasForschungsinteresse im Zentrum.

Die Herausforderung

Die Aufgabenstellung, Struktur undWissenschaftlichkeit der Fachhochschu-len haben sich seit ihrer GründungAnfang der Siebzigerjahre des vergange-nen Jahrhunderts erheblich gewandelt.Sollten Fachhochschulprofessorinnenund -professoren seinerzeit nicht selbstforschen, sondern die Forschung ande-rer in ihre Lehre einbringen, so gehörtdie Forschung heute explizit zu dengesetzlichen Aufgaben der Fachhoch-schulen. Auch ihr Lehrauftrag ist nachgeltender Rechtslage wissenschaftlichergeworden. Im Kontext der Bologna-Reform können infolge eines entspre-chenden Beschlusses der Kultusminis-terkonferenz aus dem Jahr 2000 alleHochschulen Studiengänge einrichten,die zu einem Bachelor- oder Mastergradführen.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem-entsprechend in seinem Beschluss vom13. April 2010, Az. 1 BvR 216/07, daraufhingewiesen, dass sich Universitätenund Fachhochschulen in den vergange-nen Jahren einander angenähert hätten.Es seien nicht allein die Abschlüssegleichgestellt worden. Nach dem Willendes Gesetzgebers sollten neben den Uni-versitäten auch die Fachhochschulenals wissenschaftliche Ausbildungsstättenangesehen werden. Darüber hinausmuss der Aspekt der Sicherung des wis-senschaftlichen Nachwuchses unddamit verbunden das Angebot einerüberzeugenden Karriereplanung für dieFHs stärker als bisher in den Fokus auchder wissenschaftspolitischen Betrach-tung rücken.

Wir sind deshalb davon überzeugt, dassMöglichkeiten für die Fachhochschulenzu schaffen sind, ihre Absolventinnenund Absolventen zu promovieren. AufInitiative der damaligen schleswig-hol-

Das „Promotionskolleg Schleswig-Holstein“

Fachhochschulen und Universitätenkönnen gemeinsam aufgrund einesöffentlich-rechtlichen Vertrages ein Pro-motionskolleg als hochschulübergrei-fende wissenschaftliche Einrichtungetablieren. An diesem Promotionskollegkönnen sich alle schleswig-holsteini-schen Hochschulen beteiligen. Nach-trägliche Beitritte sind möglich.

Rechtsfähigkeit und Verfahren

Das Promotionskolleg besitzt eigeneRechtsfähigkeit. Es regelt seine Organeund Zuständigkeiten im Rahmen gesetz-licher Mindeststandards selbst. Die Mit-gliederversammlung trifft die wesentli-chen Entscheidungen, erlässt insbeson-dere Satzungen und überwacht den Vor-stand, der wiederum die operativenAufgaben wahrnimmt und das Kollegnach außen vertritt.

Dem Kolleg kann durch Verordnungdes Ministeriums das Promotionsrechtverliehen werden, sofern bestimmte(Mindest-)Voraussetzungen erfüllt sind.Hierzu sieht § 54a des Hochschulgeset-zes spezielle Vorgaben für die Beteili-gung von Fachhochschulprofessorinnenund -professoren am Promotionsverfah-ren und zum Ablauf des Promotionsver-fahrens am Promotionskolleg vor. DasPromotionskolleg dient somit der Qua-litätssicherung sowohl der Promotionselbst als auch und vor allem des Pro-motionsverfahrens.

Staatssekretär Rolf Fischer

Foto: S. Olaf Bathke

Schleswig-Holstein

Auf Augenhöhe – Das neue „PromotionskollegSchleswig-Holstein“ als Chance für die Fachhoch-schulen

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Flankierend zur Einrichtung des Promo-tionskollegs können die Vorlesungszei-ten der Fachhochschulen an die Vorle-sungszeiten der Universitäten angegli-chen werden. Hierdurch werdenSchwierigkeiten bei Kooperationen zwi-schen Fachhochschulen und Universitä-ten abgebaut und zusätzliche Freiräumefür Professorinnen und Professoren anFachhochschulen zur Forschunggeschaffen. Außerdem wird der Hoch-schulwechsel für die Studierendenerleichtert.

Nicht staatliche Hochschulen

Professorinnen und Professoren nichtstaatlicher Hochschulen nach den§§ 76 ff. des Hochschulgesetzes sowievon Universitäten anderer Bundeslän-der und des Auslands können sich amPromotionskolleg beteiligen; Studieren-de nicht staatlicher Hochschulen nachden §§ 76 ff. können am Promotions-kolleg promoviert werden. Grundlagehierfür ist ein entsprechender Koopera-tionsvertrag der jeweiligen Hochschulemit dem Promotionskolleg.

Forschungsstärke

Notwendig ist die Bildung von For-schungsteams. Innerhalb des Promoti-onskollegs als „Dach“ sollen sich ineinem Forschungsteam mindestens dreiProfessorinnen und Professoren vonFachhochschulen aus einem gemeinsa-men Forschungsfeld zusammenfinden.Darüber hinaus muss mindestens eineProfessorin oder ein Professor des For-schungsteams von einer Universität(„Spiegelprofessur“) stammen. Damitwird einerseits der Schwerpunkt auf dieForschung an Fachhochschulen gelegtund andererseits universitären Quali-tätsansprüchen Rechnung getragen.

Fachhochschulprofessorinnen und -pro-fessoren können sich nach Absatz 3Satz 1 Buchstabe c) an den Forschungs-teams beteiligen, wenn sie entweder

1. bezüglich ihrer Forschungsstärkeextern evaluiert wurden,

2. eine Zweitmitgliedschaft an einerschleswig-holsteinischen Universitäthaben oder

3. zusätzliche wissenschaftliche Leis-tungen nach § 61 Absatz 1 Nummer5 Buchstabe a im Rahmen einerJuniorprofessur, durch eine Habilita-tion oder durch gleichwertige wis-senschaftliche Leistungen erbrachthaben. Insbesondere kommen Merk-male wie bisherige Forschungsergeb-nisse, Publikationen, Zitationen, daseingeworbene Drittmittelvolumen,Forschungskooperationen, For-schungsaufenthalte, Patente, Patent-anmeldungen, Forschungspreisesowie wissenschaftliche Ehrungenund Anerkennungen in Betracht. DieAufzählung ist nicht abschließend.

Es geht dabei nicht um eine Verpflich-tung zu Promotionsaktivitäten, sonderndarum, forschungsstarken Fachhoch-schulprofessorinnen und -professorengleichberechtigte Mitwirkung an Pro-motionsverfahren einzuräumen undihren Studierenden einen verlässlichenRahmen zur Durchführung von Promo-tionsvorhaben zu bieten. Auch ist esnicht Ziel der Landesregierung, die Pro-motionsquote weiter zu erhöhen. DieArbeit des „Promotionskollegs“ wirdnach einer Anlaufzeit von mehrerenJahren evaluiert.

Qualitätssicherung

Mit der Trennung zwischen Betreuungund Begutachtung wird darüber hinausein Höchstmaß an Objektivität in derBegutachtung und damit die Qualitätder Promotion insgesamt sichergestellt.Die weitere Ausgestaltung des Promo -tionsverfahrens wird im Gesetz nichtweiter geregelt, insofern gelten § 54a

und die Promotionsordnung des Pro-motionskollegs.

Die Urkunde zur Verleihung der Promo-tion soll neben dem Siegel des Promoti-onskollegs auch das Siegel der Fach-hochschule, aus der die Betreuungsper-son stammt, und das Siegel der Univer-sität, aus der die universitäre Spiegel-professur stammt, tragen. Die nähereAusgestaltung des Promotionsverfah-rens ist in der Promotionsordnung zuregeln. Dort wird auch das Verfahrenzur Verleihung von Ehrenpromotionengeregelt.

Fazit: Die Promotion als Perspektive

Mit der Einrichtung eines Promotions-kollegs Schleswig-Holstein als hoch-schulübergreifende wissenschaftlicheEinrichtung erhalten die Fachhochschu-len die Möglichkeit, an der Verleihungvon Promotionen und Ehrenpromotio-nen gleichberechtigt mitzuwirken. Da -bei wird sichergestellt, dass das Promo-tionsrecht ein institutionelles Rechtbleibt und nicht einzelnen Fachhoch-schulprofessorinnen oder -professorenals individuelles Recht zugesprochenwird. Unser Vorschlag stellt damit diebewährte Differenzierung im Wissen-schaftssystem nicht infrage.

Deshalb ist es richtig, was Karla Nesch-ke in Heft 5/2015, S. 169 der DNH alsConclusio eines Workshops zur Zukunftder Fachhochschulen schreibt: „Mitar-beiter verbleiben an ihrer Hochschulenach ihrem Hochschulabschluss nur,wenn sie eine Perspektive auf eine ange-messene Qualifikation haben; in derRegel ist das eine Promotion. Ohnediese Qualifikationsmöglichkeit wech-seln Fachhochschulabsolventen in bes-ser bezahlte Jobs in der Wirtschaft.“

Rolf FischerStaatssekretär für Wissenschaft

Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung des

Landes Schleswig-Holstein

DNH 1 ❘ 2016

29AUS DEN LÄNDERN

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30 WISSENSWERTES

DNH 1 ❘ 2016

Anspruch aus „Treu und Glauben“?

Auch aus dem Grundsatz von Treu undGlauben ergebe sich kein finanziellerAusgleichsanspruch. Ein solcher Billig-keitsanspruch setze voraus, dass derBeamte rechtswidrig zu viel gearbeitethabe. Hinzutreten müssten Billigkeitsge-sichtspunkte, die einen angemessenenAusgleich der Interessen der Beteiligtenim Einzelfall gewährleisten sollen. Dem-entsprechend hätte die Vorenthaltungeines Ausgleichs für die geleisteteZuvielarbeit angesichts der Gesamtum-stände grob unbillig und für den Beam-ten nicht zumutbar gewesen sein müs-sen. Dies sei aber konkret nicht der Fallgewesen, so dass VG Düsseldorf.

Dafür jedenfalls zeitnahe Geltend -machung notwendig

Denn der geltend gemachte Billigkeits-anspruch scheitere im Streitfall bereitsdaran, dass der Kläger die Mehrarbeitnicht zeitnah vor deren Erbringung gel-tend gemacht habe. Ein auf Treu undGlauben gestützter Ausgleichsanspruchkomme aber nur für rechtswidrigeZuvielarbeit in Betracht, die ab dem aufdie erstmalige Geltendmachung folgen-den Monat geleistet worden sei.

Dies folge aus der sich aus dem Beam-tenverhältnis ergebenden Pflicht, auchim Rahmen eines Ausgleichs für recht-widriges Verhalten auf die Belange desDienstherrn Rücksicht zu nehmen undihm die Möglichkeit zu geben, sich aufdie gegen ihn erhobenen Ansprücheeinzustellen. Der Dienstherr habe einberechtigtes Interesse daran, nichtnachträglich mit hohen Ausgleichsfor-derungen belastet zu werden. Auch derZweck des Anspruchs, vorrangig durchFreizeitausgleich die besonderengesundheitlichen Belastungen der

Zum Thema „Mehrarbeit“ von Beamtenhat das Verwaltungsgericht Düsseldorf(VG Düsseldorf) vor Kurzem entschie-den, dass kein finanzieller Ausgleichs-anspruch und auch kein Schadenersatz-anspruch eines Beamten wegen Mehrar-beit bestehen. Da zahlreiche Parallelenzu der Problematik der „Mehrlehre“ beiProfessorinnen und Professoren undden Lehrverpflichtungsverordnungender Bundesländer bestehen, soll diesesUrteil – gerade wegen seiner Aussagenzu einem möglichen Schadenersatzan-spruch – zusammengefasst und an -schließend in den Zusammenhang zuder konkreten Lage bei den Lehrendenan Hochschulen gesetzt werden.

Zugrunde liegender Sachverhalt

Der Kläger – ein Studienrat – forderte,ihm die „vom Studienseminar zur spä-teren Verrechnung an die Schule gemel-deten Freistellungsstunden als Mehr-stunden zu vergüten“, da es sich umZeiten gehandelt habe, die er für zusätz-liche Seminare, für Ausbildungsarbeitder Referendare sowie für die Betreuungund Korrektur von Examensarbeitenaufgewendet habe. Bei diesen Stundenhandele es sich um Semesterwochen-stunden, die daher entsprechend zumultiplizieren wären. Das VG Düssel-dorf wies nun seine Klage auf (finanziel-len) Ausgleich wegen Mehrarbeit ab(VG Düsseldorf, Urteil vom 13. März2015, Az. 2 K 7605/13).

Anordnung der Mehrarbeit notwendig

Nach Ansicht des Gerichts lasse sich dergeltend gemachte Anspruch insbeson-dere nicht aus der entsprechendenRegelung des Beamtenrechts herleiten.Dem Fall lag § 61 Absatz 1 Satz 2 Lan-desbeamtengesetz NRW zugrunde. Dortheißt es: „Wird er [der Beamte] durcheine dienstlich angeordnete oder geneh-

migte Mehrarbeit mehr als fünf Stun-den im Monat über die regelmäßigeArbeitszeit hinaus beansprucht, so istihm innerhalb eines Jahres für die überdie regelmäßige Arbeitszeit hinaus ge -leistete Mehrarbeit entsprechende Dienst -befreiung zu gewähren (…).“ In diesemPunkt ähnelt die zitierte Regelung derje-nigen Regelung, die sich auch in denLehrverpflichtungsverordnungen derLänder zu den Lehrverpflichtungen derProfessorinnen und Professoren findet.

Das VG Düsseldorf entschied, dass esim konkreten Fall bereits an der erfor-derlichen dienstlichen Anordnung vonMehrarbeit fehle, und unterstrich damiteinmal mehr die Bedeutung der Anord-nung und ihres Nachweises für denBeamten. Der Dienstherr entscheideüber die Anordnung von Mehrarbeitdurch Verwaltungsakt. Dabei habe er zuprüfen, ob nach den dienstlichen Not-wendigkeiten überhaupt eine Mehrar-beit erforderlich sei und welchemBeamten sie übertragen werden solle.Die Entscheidung müsse also gerade aufdie Anordnung von Mehrarbeit abzie-len. Eine solche Entscheidung des Lan-des lag in dem konkreten Fall nachAnsicht des Gerichts indes nicht vor.

Kein Schadenersatz

Auch als Schadenersatz stünde dem Klä-ger die finanzielle Abgeltung nicht zu,da er nach Ansicht des VG Düsseldorfkeinen materiellen Schaden erlittenhabe. Die Mehrarbeit eines Beamtenstelle keinen Schaden im Sinne des all-gemeinen Schadenersatzrechts dar.Denn für beamtenrechtliche Schaden -ersatzansprüche sei der Schadensbegriffmaßgebend, der den §§ 249 ff. BGBzugrunde liege, wonach Geldersatz nurbei einem Vermögensschaden, nichtaber bei einem immateriellen Schaden –wie etwa den Verlust von Zeit – zu leis-ten sei.

Kein finanzieller Ausgleich wegen Mehrarbeit?

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31WISSENSWERTES

DNH 1 ❘ 2016

rinnen und Professoren erfolgen kann,ist allerdings zu bezweifeln. Denn einerder wesentlichen Unterschiede zwi-schen Laufbahnbeamten und Lehren-den an Hochschulen besteht darin, dassin den Landesbeamtengesetzen fürLaufbahnbeamte ein finanzieller Aus-gleich – wenn auch nur in Ausnahme-fällen – vorgesehen ist (in dem zugrun-de liegenden Fall § 61 Absatz 2 LBGNRW). Dies stellt einen gravierendenUnterschied zu den Lehrverpflichtungs-verordnungen der Länder dar, die aner-kanntermaßen lediglich einen zeitli-chen Ausgleich zum Inhalt haben undgerade nicht auf einen finanziellen Aus-gleich abzielen. Wenn auch nicht alsSchadenersatz oder abgeleitet aus Treuund Glauben – es besteht für die Profes-sorenschaft immer noch die Möglich-keit, über eine besondere Leistungszula-ge zu verhandeln und die Mehrlehreinsofern geltend zu machen (sieheunten).

Bei dem Thema Mehrlehre ist regelmä-ßig zunächst danach zu unterscheiden,ob es sich um „freiwillige Mehrarbeit“oder „Mehrlehre im eigentlichen Sinne“handelt.

Freiwillige Mehrarbeit oder Mehrlehreauf Anordnung?

Der Unterschied zwischen freiwilligerMehrarbeit und Mehrlehre an sich liegtdarin, dass im letzteren Fall eine Anord-nung vorliegt. Für die Geltendmachungeines Ausgleichs müssen zusätzlicheLehrveranstaltungsstunden also ange-ordnet worden sein – ansonsten liegtein Fall freiwilliger Mehrarbeit vor. Pro-fessorinnen und Professoren haben stetsdie Freiheit, zusätzliche Lehrveranstal-tungen anzubieten, jedoch nur im Fallder Anordnung liegt ein Fall der Mehr-lehre vor. Der Fachbereichsleiter müsstedaher in dem konkreten Fall geprüfthaben, ob unter dem Gesichtspunkt

dienstlicher Notwendigkeit überhauptdie Ableistung zusätzlicher Lehrveran-staltungsstunden erforderlich ist undwelchem Lehrenden sie übertragen wer-den soll. Dieser Vorgang muss doku-mentiert sein, zumindest aber dieAnordnung der zusätzlichen Stunden.Unsere Empfehlung: Bestenfalls sollte indiesem Zusammenhang auch direktfestgelegt werden, wann der Ausgleicherfolgen soll, damit keine Unklarheitenzulasten des Lehrenden entstehen.

Zeitlicher Ausgleich

Erst dann, wenn feststeht, dass es sichtatsächlich um Mehrlehre im eigentli-chen Sinne handelt, kommt ein Aus-gleich in Betracht. Einen solchen – reinzeitlichen – Ausgleich sehen die Lehr-verpflichtungsverordnungen der Ländervor. Oft sind Unterschreitungen insge-samt nur bis zur Hälfte und Überschrei-tungen nur bis zum Doppelten der indi-viduellen Lehrverpflichtung zulässig.

Der Ausgleich ist zudem oftmals inner-halb einer gewissen Zeit herbeizufüh-ren, so etwa in NRW grundsätzlichinnerhalb der folgenden drei Studien-jahre. Auf einem anderen Blatt stehtselbstverständlich, inwieweit ein Aus-gleich von Mehrlehre im Alltag an denFachhochschulen tatsächlich möglichist – daher auch unsere Empfehlung,den Ausgleich direkt zusammen mit derAnordnung festzulegen, falls möglich.

Finanzieller Ausgleich

Was den finanziellen Ausgleich angeht,so bleibt die Möglichkeit der Gewäh-rung einer Leistungszulage, weil ebenMehrlehre geleistet wurde. Dies sehendie Besoldungsgesetze vor. Deren Höheist allerdings frei verhandelbar.

Christian Fonk

Zuvielarbeit auszugleichen, spreche fürdas Erfordernis einer Geltendmachungim zeitlichen Zusammenhang mit derBelastung. Hiervon unabhängig sei esdem Beamten in dem von gegenseitigerRücksichtnahme geprägten Verhältniszu seinem Dienstherrn zuzumuten, sei-nem Begehren auf Gewährung von zeit-lichem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zuverleihen, zumal an einen solchenAntrag keine hohen Anforderungen zustellen seien. Ohne einen derartigenAntrag müsse der Dienstherr nichtdavon ausgehen, jeder Beamte werdeÜberschreitungen des Pflichtstundende-putats auch beanstanden.

Fazit

Wenn auch Unterschiede bestehen, sosind Parallelen zwischen der Mehrarbeiteines Laufbahnbeamten auf der einenund der Mehrlehre eines Hochschulleh-

renden auf der anderen Seite unüber-sehbar, etwa, was die Bedeutung derAnordnung von Mehrarbeit bzw. Mehr-lehre angeht. Interessant sind vor allemder vom VG Düsseldorf diskutierteSchadenersatzanspruch und derAnspruch auf finanziellen Ausgleichabgeleitet aus dem Grundsatz von Treuund Glauben. Dies insbesondere, weilbislang keine nennenswerte Rechtspre-chung zu dem Thema „Mehrlehre“ beiProfessorinnen und Professoren exis-tiert. Die Grundsätze, die das VG Düs-seldorf bei den Laufbahnbeamtenanwendet, dürften daher entsprechendauch bei den Professorinnen und Pro-fessoren zur Anwendung kommen.

Ob eine Übertragung in Bezug auf dennach dem VG Düsseldorf grundsätzlichbestehenden Anspruch auf finanziellenAusgleich, abgeleitet aus Treu und Glau-ben, auf die Situation bei den Professo-

hlb-Konkret: „Mehrlehre“ bei Professorinnen und Professoren

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Neuberufene

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32 NEUES VON KOLLEGEN/NEUBERUFENE

Baden-Württemberg

Prof. Dr. rer. nat. AlexanderAuch, Informationstechnik,DHBW Mosbach

Prof. Dr.-Ing. Matthias Bahr,Bauingenieurwesen, insbes.Baubetrieb, HS Biberach

Prof. Dr. Ricardo Baumann,Prävention und Gesundheits-psychologie, SRH Fernhoch-schule Riedlingen

Prof. Dr. Frank Brodbeck, Bio-masseproduktion und Logistik,HS für Forstwirtschaft Rotten-burg

Prof. Katja Diefenbach, Ästhe-tische Theorie, Merz AkademieStuttgart

Prof. Dr. Andrea Goll-Kopka,Psychosoziale Grundlagen inder Sozialen Arbeit, SRH HSHeidelberg

Prof. Dr. med. Marco Halber,Health Care Management, SRHFernhochschule Riedlingen

Prof. Dr. phil. Alexander Loch,Psychologie, insbes. Interkultu-relle und soziale Kompetenz,HS für öffentliche Verwaltungund Finanzen Ludwigsburg

Prof. Dr. Dorores Sanchez-Ben-goa, Interkulturelle Studien,HdWM Mannheim

Prof. Veronika Schwegler,Grundlagen der Gestaltung, HS Mannheim

Bayern

Prof. Dr. Angelika Beranek,Grundlagen der sozialenArbeit, insbes. Medienpäda-gogik, HS München

Prof. Dr. Valentin Bontjes vanBeek, Architektonische Gestal-tung, Darstellung und Kommu-nikation, HS München

Neue Büchervon Kolleginnenund Kollegen

Technik/Informatik/Naturwissenschaften

Taschenbuch der MesstechnikHrsg. von J. Hoffmann (HS Osnabrück)7., neu überarbeitete AuflageHanser Verlag 2015

Mathematik für Bauingenieure 1 Grundlagen für das Bachelor-StudiumK. Rjasanowa (FH Kaiserslautern)Carl-Hanser Verlag 2015

Regenerative EnergiesystemeGrundlagen, Systemtechnik und Analy-sen ausgeführter Beispiele nachhaltigerEnergiesystemeH. Watter (FH Flensburg)4. Auflage, Springer Verlag 2015

Hydraulik und PneumatikGrundlagen und Übungen – Anwen-dungen und SimulationH. Watter (FH Flensburg)4. Auflage, Springer Verlag 2015

Elektrokonstruktion: Gestaltung,Schaltpläne und Engineering mitEPLANG. Zickert (Westsächsische HS Zwickau)4., aktualisierte AuflageHanser Verlag

Betriebswirtschaft/Wirtschaft/Recht

Lexikon Kita-RechtM. Hundt (Ev. HS Berlin)Carl Link Verlag 2015

Die private Bau- und Immobilienfi-nanzierung: Eine Einführung für Pla-ner und Anbieter von BauleistungenD. Noosten (HS Ostwestfalen-Lippe)Springer Verlag 2015

Kinder- und JugendhilferechtEine sozialwissenschaftlich orientier-te DarstellungT. Trenczek (FH Jena), J. Münder8. Auflage Nomos Verlag/utb GmbH 2015

25 Jahre SGB VIII. Die Geschichte desAchten Buches Sozialgesetzbuch von1990 bis 2015Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft fürKinder- und Jugendhilfe (AGJ) R. J. Wabnitz (HS RheinMain)Berlin 2015

Strategisches TourismusmarketingErfolgreiche Planung und Umsetzungvon ReiseangebotenK. A. Wiesner (HS Würzburg-Schwein-furt)2., neu bearbeitete Auflage Erich Schmidt Verlag 2016

Soziale Arbeit

Im Mittelpunkt der Mensch – Reflexi-onstheorien und -methoden für diePraxis der Sozialen Arbeit Hildesheimer Schriften zur Sozialpäda-gogik und SozialarbeitJ. Ebert und S. Klüger (beide HAWK Hildesheim)Bd. 23, 1. AuflageOlms-Verlag 2015

Lebenswelten von Menschen mitMigrationserfahrung und DemenzHrsg. von O. Dibelius (Ev. HS Berlin), E. Feldhaus-Plumin (Ev. HS Berlin), G. Piechotta-Henze (ASH Berlin)Hogrefe Verlag 2015

Grundkurs Bildungsrecht für Pädago-gik und Soziale ArbeitR. J. Wabnitz (HS RheinMain)utb GmbH 2015

Sonstiges

Nachhaltigkeit, Menschlichkeit,Scheinheiligkeit. PhilosophischeReflexionen über nachhaltige Ent-wicklung.J. H. Franz (HS Düsseldorf)oekom Verlag 2014

Nonfiction-Formate für TV, Onlineund Transmedia. Entwickeln, präsen-tieren, verkaufen.C. Gerhards (HS Düsseldorf)UVK Verlag 2013

Lernen und Geschlecht heute – Zur Logik der Geschlechterdichoto-mie in edukativen KontextenM. Meier Königshausen & Neumann Verlag 2015

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Neuberufene

NEUBERUFENE

Prof. Dr. Gerhard Schillhuber,Mikrocomputer, Mikrocontrol-ler und Embedded Systems, HS München

Prof. Dr. Holger Seebens, Ange-wandte empirische Volkswirt-schaftslehre, insbes. Mikroöko-nomie, Ökonometrie und Ent-wicklungsökonomik, TH Nürn-berg GSO

Prof. Dr.-Ing. Eric Simon, Bau-konstruktion, Energie undGebäude, TH Nürnberg GSO

Prof. Dr. rer. pol. MatthiasWeiss, Volkswirtschaftslehre,empirische Wirtschaftsfor-schung, Wirtschaftspolitik,Arbeitsmarktpolitik, OTHRegensburg

Berlin

Prof. Dr. Viktoria Berg-schmidt, gesundheitsbezo-gene Soziale Arbeit, Ev. HSBerlin

Prof. Dr. Christoph Kopke, Poli-tikwissenschaft, HWR Berlin

Prof. Dr. Christina Papenfuss,Grundlagen Maschinenbau, ins-bes. Thermodynamik und Tech-nische Mechanik, HTW Berlin

Prof. Dr. Simone Peschke,Lebensmitteltechnologie, BeuthHS Berlin

Prof. Dr. Sebastian Schröer,Soziale Arbeit, insbes. For-schungsmethoden, Ev. HS Ber-lin

Brandenburg

Prof. Dr. Antje Michel,Informationsdidaktik undWissenstransfer, FH Potsdam

Hamburg

Prof. Christoph Büch, Kom-munikationsdesign, BTK –HS für Gestaltung

Prof. Dr. Nicole Brandstetter,Business English and Intercul-tural Communication, HSMünchen

Prof. Dr. Victoria Eichhorn,Tourismusmanagement, HS Fresenius

Prof. Dr.-Ing. Jörg Elias, Auto-mobil- und Dienstleistungsma-nagement, HS München

Prof. Dr. Tobias Engel, SupplyChain Management, HS Neu-Ulm

Prof. Dr. Tanja Henking, LL.M,Strafrecht, Medizinrecht,Gesundheitsrecht, HS Würz-burg-Schweinfurt

Prof. Dr. Helga Hornberger,Biomaterialien, OTH Regens-burg

Prof. Dr. rer. pol. WolfgangHößl, Internationale Finanz-märkte und Asset Management,OTH Regensburg

Prof. Dr. phil. Helene Ignatzi,Handlungslehre und Methodender Sozialen Arbeit, Ev. HSNürnberg

Prof. Dr. Hannes Kühl, Allge-meine Werkstofftechnik, Nicht-silikatkeramik, Elektro- undMagnetokeramik, Sonder- undSpezialkeramik, TH NürnbergGSO

Prof. Dr. phil. Kathrin Maier,Pädagogische Psychologie,Kath. StiftungsfachhochschuleMünchen

Prof. Dr. Anja Morawietz,Externes Rechnungswesen undAllgemeine Betriebswirtschafts-lehre, TH Nürnberg GSO

Prof. Dr. Martin Müller, Pflege-wissenschaft, insbes. Pflegefor-schung, HS Rosenheim

Prof. Dr. Norbert Schiele,Finanzwirtschaft und Mittel-standsfinanzierung, TH Nürn-berg GSO

Hessen

Prof. Dr.-Ing. Claus Flei-scher, Thermische Verfah-renstechnik und Prozesstech-nik, Frankfurt University ofApplied Sciences

Prof. Dr. Swen Graubner, Elek-trische Energie- und Antriebs-technik, TH Mittelhessen

Prof. Dr. Jens Klose, Statistikund allgemeine Volkswirt-schaftslehre, TH Mittelhessen

Prof. Dr. rer. nat. Joachim Metz,Nichtmetallische Werkstoffeund Faserverbundwerkstoffe,TH Mittelhessen

Prof. Dr. Benedikt Model, Ange-wandte Linguistik, TH Mittelhessen

Prof. Dr.-Ing. Alexander Pell-nitz, Städtebau und Entwerfen,TH Mittelhessen

Prof. Dr. phil. Alexandra Rau,Soziale Arbeit, Ev. FH Darmstadt

Prof. Dr.-Ing. Thomas Stetz,Smart Grids und Energiespei-cher, TH Mittelhessen

Prof. Dr. Simone Wedler,Jugendhilferecht und Familien-recht, Ev. FH Darmstadt

Prof. Dr. Thomas Winkler, Kli-matechnik, TH Mittelhessen

Mecklenburg-Vorpommern

Prof. Dr. rer. nat. Stefan Frie-denberg, Mathematik fürIngenieurwissenschaften, FHStralsund

Prof. Dr.-Ing. DanielaSchwerdt, Kunststofftechnik,Werkstoffe, HS Wismar

Niedersachsen

Prof. Dr. Jörg LemmerSchmid, Motologie, HSEmden/Leer

Prof. Dr. phil. Jana Zehle, Heil-pädagogik, HS Hannover

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NEUBERUFENE

Platz für Adressaufkleber

Nordrhein-Westfalen

Prof. Dr. Alexander Förster,Wirtschaftsinformatik, ins-bes. ERP, FH Bielefeld

Prof. Dr. Julia Frohne, Kommu-nikationsmanagement, Westfä-lische HS

Prof. Dipl.-Des. WolfgangGauss, Interaktive Medien, FH Aachen

Prof. Dr. Jens Gerken, Medien-informatik, insbes. Mensch-Computer-Interaktion, Westfä-lische HS

Prof. Dr. Katrin Grammann,Mikrobiologie und MetabolicEngineering, Westfälische HS

Prof. Dr.-Ing. Stefan Grünwald,Konstruktionstechnik, TH Köln

Prof. Dr. phil. Michaela Hopf,Wissenschaft, Theorien undForschungsmethoden der Kind-heitspädagogik, HS Düsseldorf

Prof. Dr. Heike Köckler, Sozial-raum und Gesundheit, HS fürGesundheit

Prof. Dr. Robin Kröger, Hoch-schul- und Fachdidaktik, HSOstwestfalen-Lippe

Prof. Dipl.-Des. Eva Kubinyi,Typografie, FH Aachen

Prof. Dr. Cécile Le Prado,Sound Design, TH Köln

Prof. Dr. Peter Nalbach, Senso-rik und Mathematik, Westfäli-sche HS

Prof. Dr. Katrin Rakoczy, Päda-gogische Psychologie, HSD HSDöpfer

Prof. Dr. Peter Scheideler, All-gemeine Betriebswirtschafts -lehre, insbes. Internationales Distributionsmanagement, HS Düsseldorf

Prof. Dr.-Ing. Wolfram Schenck,Ingenieurinformatik, FH Biele-feld

Prof. Christian Scholz, Industri-al Product Design, FH Aachen

Prof. Dr. Youlia Spivak, Inter-kulturelle Markt- und Werbe-psychologie, HS Hamm-Lipp-stadt

Prof. Dr. rer. nat. JohannesÜpping, elektrische Energie-technik, HS Ostwestfalen-Lippe

Rheinland-Pfalz

Prof. Dr. Paulo Ferreira-Lopes, Auditive Gestaltung,HS Mainz

Prof. Dr. Stephan Ruhl,Betriebswirtschaftslehre, insbes.Bau- und Immobilienwirtschaft,Facility Management, HS Mainz

Sachsen

Prof. Dr. phil. Heike Förster,Soziale Arbeit in öffentl. u.freier Trägerschaft unter Berück-sichtigung sozialräumlicher Per-spektive: Jugendarbeit, HTWKLeipzig

Prof. Dr. Marlies Fröse, PD, Per-sonal- und Organisationsent-wicklung, Ev. HS Dresden

Prof. Dr. rer. nat. Mario Hla-witschka, Computergrafik,HTWK Leipzig

Prof. Dr. Simone Janssen, Bür-gerliches Recht und Strafrecht,Ev. HS Dresden

Prof. Dr. rer. pol. Holger Müller,Allgemeine Betriebswirtschafts-lehre, insbes. Marketing, HTWKLeipzig

Prof. Dr.-Ing. habil. ChristianRupprecht, Füge- undBeschichtungstechnik, West-sächsische HS Zwickau

Sachsen-Anhalt

Prof. Dr. ChristianAlbrecht, Anorganischeund Analytische Chemie,HS Anhalt

Prof. Dr. Jasper Cepl, Architek-turtheorie, HS Anhalt

Prof. Dr.-Ing. Jean Titze,Lebensmitteltechnologie pflanz-licher Produkte, HS Anhalt

Prof. Dr.-Ing. Maik Zeißler,Immobilienmanagement, HS Anhalt

Schleswig-Holstein

Prof. Dr.-Ing. Jens Ehlers,Data Management, SoftwareEngineering, FH Lübeck

Prof. Dr.-Ing. Jochen Immel,Mechatronische Konstruktion,FH Kiel

Prof. Dr. habil. Nicole Richter,Allgemeine Betriebswirtschafts-lehre, insbes. InternationalesManagement und Marketing,Nordakademie – HS der Wirt-schaft

Prof. Martin Schultz, BusinessIntelligence und ERP-Systeme,FH Wedel

Neuberufene