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SACHBERICHT ZUM PROJEKTABSCHLUSS (31.10.2016) Projekt: Perspektiven öffnen – Inklusion als Chance für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen (MeH) Entwicklung eines mobilen Beratungsangebotes für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen

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SACHBERICHT ZUM PROJEKTABSCHLUSS (31.10.2016)

Projekt:

Perspektiven öffnen –

Inklusion als Chance für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen (MeH)

Entwicklung eines mobilen Beratungsangebotes

für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen

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Perspektiven öffnen – Inklusion als Chance für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen

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Inhalt

0. Projektplan in der Übersicht ..............................................................................................4

I. Sachstand in den Arbeitspaketen (AP) der Pilotphase ...........................................................5

AP 3.1 – Durchführung und Auswertung der Pilotberatung ...................................................5

AP 3.2 – Durchführung und Auswertung der Schulungen .................................................... 12

AP 3.3 – Externe Evaluation ............................................................................................. 16

Ergebnisbewertung Pilotphase .......................................................................................... 19

II. Sachstand in den Arbeitspaketen (AP) der Nachhaltigkeitsphase ......................................... 20

AP 4.1 – Veröffentlichung ............................................................................................... 20

AP 4.2 – Umsetzung/ Nachhaltigkeitsstrategie ................................................................... 25

Ergebnisbewertung Nachhaltigkeitsphase .......................................................................... 27

III. Zusammenführung der Projektergebnisse ........................................................................ 27

AP 5.1 - Qualitätsstandards und Ableitung der Beratungsbedarfe ......................................... 27

Ausblick ....................................................................................................................... 34

IV. Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 35

V. Anlagen ........................................................................................................................ 36

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Abkürzungsverzeichnis:

AP - Arbeitspaket

BTHG - Bundesteilhabegesetz

GdB - Grad der Behinderung

HMS - Helene-Maier-Stiftung

MeH - Menschen mit erworbener Hirnschädigung

SGB - Sozialgesetzbuch

SHT - Schädel-Hirn-Trauma

VBG - Verwaltungsberufsgenossenschaft

WfbM - Werkstatt für behinderte Menschen

ZNS - Zentrales Nervensystem

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis:

Abb. 1 Überblick der Projektphasen I - V mit Laufzeit der Arbeitspakete (AP) in den Quartalen von 2013 bis 2016.

S. 4

Abb. 2 Prozentualer Anteil Erst- und Folgeberatungen. S. 5

Abb. 3 Lebensalter der Betroffenen vom 14. bis 93. Lebensjahr in prozentualer Häufigkeit. S. 5

Abb. 4 Ursachen der erworbenen Hirnschädigung bei Betroffenen. S. 6

Abb. 5 Prozentuale Häufigkeit der übergeordneten Beratungsthemen Versorgungssystem, Neuropsychologie und Beruf.

S. 8

Abb. 6 Ergebnis der Pilotberatungen in prozentualer Häufigkeit: Informationsweitergabe (48 %), Lotsen zu Netzwerkpartnern (24 %), ungelöste Fragestellungen (15 %), Integration in eine neue Maßnahme (5 %), Strukturierung des Alltags (4 %), Folgeberatung indiziert (3 %).

S. 8

Abb. 7 Qualitätsbereiche und zugehörige Qualitätskriterien. S. 27

Abb. 8 Zeitraum nach dem Betroffene die Beratung nach Schädigungsereignis aufsuchen: Circa ein Drittel unmittelbar bis zu einem Jahr, jeweils ein Viertel ein bis zu fünf Jahren oder nach über zehn Jahren, ein Fünftel zwischen fünf bis zehn Jahren.

S. 28

Abb. 9 Ratsuchende in der Beratung: Angehörige, Betroffene allein, Angehörige mit Betroffenen und Professionelle Berater.

S. 9

Abb. 10 Prozentuale Häufigkeit der Beratungsthemen: Rechtliche Fragen (dunkelblau); Strukturierung von Freizeit, Wohnen und Tagesbeschäftigung (grün); Zuständigkeiten der Kostenübernahme (orange); Beruf (rot); Psychoedukation, Krankheitsverarbeitung und -akzeptanz (lila); Lotsenhilfe (violett).

S. 30

Abb. 11 Grad der Behinderung (GdB) bei den Betroffenen. S. 31

Tab.1 Zeit nach Schädigungsereignis, nach der die Beratung aufgesucht wurde. *9 fehlende Werte. S. 6

Tab.2 Beweggründe für Beratungsbedarf in bestimmten Abständen nach SchädigungsereigniS. S. 7

Tab.3 Modul 1 – 3 der Basisschulung. S. 12

Tab.4 Modul 4 – 6 der Schwerpunktschulung. S. 13

Tab.5 Evaluation der Feedbackbögen zu den Schulungen. S. 15

Genderhinweis:

Aufgrund der Lesbarkeit wurden die Endungen für Personenbeschreibungen nicht gesondert in die männliche

und weibliche Form übersetzt. Bei allen Personenbeschreibungen sind aber stets beide Geschlechter

gleichermaßen angesprochen und inbegriffen, wie beispielsweise bei den hier am häufigsten genutzten

Bezeichnungen „Betroffener“, „Ratsuchender“ sowie „Beratender“.

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0. Projektplan in der Übersicht

Abb. 1. Überblick der Projektphasen I - V mit Laufzeit der Arbeitspakete (AP) in den Quartalen von 2013 bis 2016.

Zusammenfassung:

Der vorliegende Abschlussbericht des Projektes Perspektiven öffnen – Inklusion als Chance für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen enthält einen Überblick zum Abschluss der Projektarbeit. In den zuletzt bearbeiteten Arbeitspaketen (AP) liegen abschließende Ergebnisse in den AP 3.1, 3.2, 3.3. sowie AP 4.1, 4.2 und AP 5.1 vor. Dargestellt wird die Zusammenführung der Projektergebnisse und eine abschließende Zusammenfassung.

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I. Sachstand in den Arbeitspaketen (AP) der Pilotphase

AP 3.1 – Durchführung und Auswertung der Pilotberatung

Zielstellung dieses Arbeitspaketes war die pilotweise Umsetzung der Beratung von Betroffenen und deren sozialem Umfeld in den geschaffenen Strukturen bis zum 30.06.2016. Es wurde geplant, 50 Pilotberatungen in diesem Zeitraum durchzuführen.

Verlauf

Im gesamten Projektzeitraum wurden 56 Pilotberatungen durchgeführt. Der Kontakt zur Beraterin wurde zumeist über Empfehlungen (73,2 %) zu 10 % über Flyer bei Netzwerkpartnern und Kontaktstellen und Internetrecherchen und zu ca. 20 % über Vorstellung des Projektes auf Tagungen und dem Hoffest der Helene-Maier-Stiftung (HMS) hergestellt. 70 % der Ratsuchenden nutzten einen Beratungstermin, 21 % der Ratsuchenden zwei und 9 % drei (Abb. 2).

Abb. 2. Prozentualer Anteil Erst- und Folgeberatungen.

Betroffene in der Beratung

Die Betroffenen (Menschen mit erworbener Hirnschädigung - MeH) befanden sich im Alter von 14 bis 93 Jahren; 45 % davon im Alter zwischen 36 bis 55 Jahren, 29 % im Alter zwischen 21 bis 35 Jahren und 12 % im Alter zwischen 56 bis 65 Jahren (Abb. 3). Die Ratsuchenden unter 20 und über 65 Jahren waren mit jeweils unter 10 % ebenso vertreten. Es waren deutlich mehr Männer (64,3 %) als Frauen (35,7 %) in der Beratung.

Abb. 3. Lebensalter der Betroffenen vom 14. bis 93. Lebensjahr in prozentualer Häufigkeit (n = 56; 8 fehlende Werte).

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Schädigungsursache und Beratungsbedarfe

Die häufigste Schädigungsursache war mit 43 % der Schlaganfall (dazu gehören die beiden Unterformen Minderdurchblutung/Infarkt sowie akute Hirnblutung), gefolgt von Schädigungen durch Schädel-Hirn-Trauma (SHT) mit 31 % (Abb. 4). Zu der großen Gruppe der „Sonstigen“ Schädigungsursachen (18 %) gehörten Hirnschädigungen aufgrund von Viruserkrankungen, entzündlichen Prozessen im Gehirn und Epilepsien. Geringfügig vertreten waren chronisch-progrediente neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose, 2 %) und Hirntumor (3 %). Als Begleiterkrankungen wurden Kopfschmerzen, Alkoholmissbrauch und epileptische Anfälle genannt.

Abb. 4. Ursachen der erworbenen Hirnschädigung bei Betroffenen.

Das SHT wurde zu 78 % durch Unfälle mit dem PKW, zu 18,5 % durch Fahrradunfälle und zu 3 % durch eine Gewaltstraftat verursacht. Aufgrund der Häufung großer Betroffenengruppen schien es relevant, diese Erkenntnisse auch in die Schulungsmodule zu übertragen. Die bedeutsamsten Ursachen Schlaganfall, SHT und Epilepsie wurden somit in die Konzeption der Schulungen aufgenommen (s. AP 3.2).

Die Betroffenen erlitten die Hirnschädigung in den Jahren 1969 bis 2015, die meisten in den Jahren 2010 (n = 5) und 2013 bis 2015 (n = 6 - 9). Es bestand eine sehr breite Streuung von sofortigem Beratungsbedarf bis hin zu zehn Jahren nach Schädigung (vgl. Tab. 1, Abb. 4).

Zeit nach Schädigungsereignis (in Jahren)

Anteil Ratsuchender in % (% von n = 47)*

Unmittelbar 11,1 %

Bis zu ½ Jahr nach Ereignis 5,6 %

½ bis 1 Jahr 14,8 %

> 1 Jahr 25,9 %

> 5 Jahre 18,5 %

> 10 Jahre 24,1 %

Tab. 1. Zeit nach Schädigungsereignis, nach der die Beratung aufgesucht wurde. *9 fehlende Werte.

Unmittelbar nach Schädigung kam die erste Welle der Ratsuchenden (11,1 %). Betroffene, bei denen die Schädigung eins bis fünf Jahre zurücklag, waren zu 25,9 % vertreten. Betroffene mit Schädigungsereignis von vor über zehn Jahren waren mit 24,1 % vertreten. Die Beweggründe, in diesen Zeitspannen die Beratung aufzusuchen, wurden aus der qualitativen Auswertung der Anamnesegespräche extrahiert, in Cluster zusammengefasst und den auffälligen Zeiträumen zugeordnet (Tab. 2):

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Zeitpunkt der Beratung nach Schädigung

Qualitativ zusammengefasste Beweggründe für die Lebensphasen

Unmittelbar • Lebensphasen enden: An den Übergängen zur nächsten Phase entstehen Fragen zu Zukunftsperspektiven (Bsp. nach Schule, Studium, …)

• Wechsel stationäre in ambulante Versorgung: Neue Versorgungsthemen und Alltagsfragen

• Entlastung: Pflegende Angehörige (meistens die Mütter) suchen nach Entlastung oder Abgabe der Fürsorge und Verantwortung

> 1 bis 5 Jahre • Wechsel stationäre in ambulante Versorgung (S. oben) • Ablehnungsbescheide von Versorgersystemen in der ambulanten

Gesundheitsversorgung (Krankengeld, Rente, besondere Ausweise, Zusatzleistungen von Sozialamt oder KSV,…) müssen rechtlich, finanziell, und hinsichtlich Zuständigkeit verstanden und Vorgehen besprochen werden

> 10 Jahre • Lebensphasen enden (s. oben) • Ablehnungsbescheide (s. oben) • Entlastung (s. oben) • Probleme in der Eingliederung: v. a. nach der Eingewöhnungs- und

Orientierungsphase entstehen Konflikte (Unterstützungsbedarf von Betroffenen, Maßnahmemitarbeitern, Angehörigen in WfbM oder anderen Einrichtungen)

Tab. 2. Beweggründe für Beratungsbedarf in bestimmten Abständen nach Schädigungsereignis.

Diese breite Streuung zeigte, dass, wie in den Qualitätskriterien bereits empfohlen (s. AP 5.1), Betroffene zeitlich gesehen in den unterschiedlichsten Rehabilitationsphasen an Versorgungssysteme gebunden waren, und somit eine breite Bedarfslage bestand. Von stationärer bis ambulanter Versorgung, Alltagsbewältigung und systemischen Konflikten waren es stets die Schnittstellen in Lebensphasen oder durch das Versorgungssystem, welche die größten Probleme und Beratungsbedarfe mit sich brachten.

Wie soeben verdeutlicht, entwickeln sich Beratungsbedarfe nach Auswertung der Pilotberatungen akut, nach eins bis fünf Jahren und zehn Jahren nach Schädigungsereignis. Hier eine Kontaktaufnahme und regelmäßige Kontaktangebote zu installieren, könnte das aus dem System Herausfallen oder Verzögerung von Lebensveränderungen minimieren und rechtzeitige Inklusion und Teilhabe befördern.

Inhaltliche Auswertung der Pilotberatungen

Folgende Hierarchie bestand in den Beratungshemen: Fast jeder zweite Ratsuchende (47 %) hatte Fragen zum Bereich „Versorgungssystem“ (Abb. 5), dazu gehörten die Unterkategorien „Rechtliche Fragen“, „Kostenträgerschaft und Zuständigkeiten“ sowie „Strukturierung von Wohnen, Freizeit und Tagesbeschäftigung“ (Abb. 10, S. 30). Jeder dritte Ratsuchende hatte Fragen zum Bereich „Beruf“, wozu die Unterkategorien „Rückkehr in Arbeit“, „Neuorientierung“ sowie „Bisherige Empfehlungen und Einschätzungen bzgl. der Arbeitsfähigkeit“ gehörten. Und etwa jeder fünfte Ratsuchende hatte Fragen im Bereich „Neuropsychologie“ (22 %), wozu die Unterkategorien „Aufklärung und Psychoedukation“ über die Krankheit, „Krankheitsakzeptanz und –verarbeitung“ als auch „Auswirkungen der Schädigung auf das (familiäre) Umfeld“ gehörten.

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Abb. 5. Prozentuale Häufigkeit der übergeordneten Beratungsthemen Versorgungssystem, Neuropsychologie und Beruf.

Die Auswertung der Beratungen ergab (Abb. 6), dass in fast 50 % der Fälle Informationen durch die Beraterin in den Pilotberatungen weitergegeben wurden. Diese bezogen sich auf Netzwerkpartner, weitere Beratungsangebote, Einrichtungen oder Maßnahmen. In 24 % wurden die Betroffenen direkt zu den Netzwerkpartnern gelotst, sodass Termine im Namen des Ratsuchenden ausgemacht oder begleitet wurden.

Abb. 6 Ergebnis der Pilotberatungen in prozentualer Häufigkeit: Informationsweitergabe (48 %), Lotsen zu Netzwerkpartnern (24 %), ungelöste Fragestellungen (15 %), Integration in eine neue Maßnahme (5 %), Strukturierung des Alltags (4 %), Folgeberatung indiziert (3 %).

Bei 15 % konnte dem Bedarf nicht entsprochen werden, sodass ungelöste Probleme und zum Teil eine erfolglose Beratungssituation vorlag. Damit zeigte sich wie im Sachbericht 2015, dass zwar der Großteil der Beratungen erfolgreich war (80 %), aber gleichzeitig 15 % erfolglos und darüber hinaus nur in 5 % der Fälle eine Integration stattfinden konnte. Betroffene, die längere Zeit nach der Beratung in eine Maßnahme aufgenommen wurden, konnten aufgrund der begrenzten Möglichkeiten des Projektes leider nicht weiterverfolgt bzw. in der Auswertung „erfolgreicher“ vs. „erfolgloser“ Beratung berücksichtigt werden.

Erfolgreiche Beratung wurde definiert als erfolgreiche Vermittlung zu Netzwerkpartnern, Vermittlung gewünschter Informationen, Unterstützung bei der Strukturierung der Lebenssituation und Lösung von vorhandenen Problemen. 80 % der Fragestellungen konnten als erfolgreich eingestuft werden.

Erfolgreiche Integration fand statt, wenn die Integration in eine berufliche Tätigkeit bzw. therapeutische Arbeitsmaßnahme oder Integration in ein Wohnprojekt gelang. Dies traf bei 5 % der Ratsuchenden zu.

Erfolglose Beratung wurde definiert als nicht erfolgsführende Vermittlung an Netzwerkpartner oder Unlösbarkeit von Problemen. Dazu gehörte das Nicht-Auffinden neuer Perspektiven wegen

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fehlender Angebote oder Handlungsspielräume für Veränderungen bzw. Versorgung des Betroffenen. Aufgrund des Charakters der Pilotberatung, welche kein Fallmanagement darstellte, sondern auf Aufnahme von Problemlagen und Bedarfen beschränkt war, konnten längere Verläufe und Veränderungen nach den Pilotberatungen nicht erfasst werden. In 15 % der Beratungsgespräche konnte am Ende der Beratung keine Lösung gefunden werden. Das bedeutete, circa jeder sechste Ratsuchende fiel aus dem Gesundheits- und Versorgungssystem trotz Inanspruchnahme einer Beratung heraus.

„Problematische Rahmenbedingungen struktureller, sozialer und finanzieller Art [Ergänzung der Autorin: stellen Hindernisse für die Teilhabe von MeH dar und die] Erwartungen Dritter (Über- oder Unterfürsorglichkeit Angehöriger) können förderliche als auch hemmende Wirkung entfalten.“ (Fries, 2013)

Diese Gründe für Perspektivlosigkeit, fehlende Handlungsoptionen und Stagnation im Teilhabeprozess der Ratsuchenden können durch die Erkenntnisse aus den Pilotberatungen bestätigt und ergänzt werden. Zur Extraktion dieser Gründe aus den Pilotberatungen wurde ein qualitativer Ansatz nach Glaser verwendet (Grounded Theory, Glaser & Strauss, 2005).

Konkret lagen die Gründe für das Scheitern einiger Pilotberatungen auf folgenden Ebenen:

• Krankheitsfolgen und Krankheitsverarbeitung der Betroffenen beeinträchtigen Orientierung und Handlungsfähigkeit

• Überforderung und Unwissenheit Angehöriger, professioneller Helfer oder unspezifischer Beratungsangebote

• Probleme der Leistungsübernahme durch Leistungsträger • Widerspruchsverfahren bei 7,8 % der Betroffenen • Ablehnung von Anträgen bei 2 % der Betroffenen (i. d. R. auf medizinisch-berufliche

Rehabilitation oder Leistungsübernahme durch Unfallkasse etc.)

In diesen ca. 10 % der Widerspruchs- und Ablehnungsbescheide gab es keine Kostenübernahme zum Zeitpunkt der Erhebung und somit eine Versorgungslücke, in der Betroffene und Angehörige sich selbst überlassen waren. Die Auswertung der Pilotberatungen zeigte weiterhin, dass zwei Drittel der Ratsuchenden Leistungsträger aus dem gegliederten Gesundheitssystem hatten (35,2 % Deutsche Rentenversicherung, 29,6 % die Gesetzliche oder Private Krankenversicherung), in 7,4 % die Arbeitsagentur und in 9,3 % der Fälle gar kein Kostenträger zuständig war: Hier trugen entweder die Ratsuchenden selbst oder Angehörige privat die Kosten für Rehabilitations- oder Teilhabeleistungen, Hilfsmittel, Transporte zu Freizeit- oder Therapieangeboten usw. Weitere Leistungsträger waren Unfallversicherungen, Berufsgenossenschaften und der Kommunale Sozialverband. Das bedeutet, zwei Drittel der Betroffenen waren über das gegliederte System versichert, in Überforderungs- und Warteposition ohne Kostenzusagen oder aus der regulären Versorgung herausgefallen.

Die hier gefundenen Erkenntnisse decken sich mit der Einteilung der ICF (Internationalen Klassifizierung der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO), dass bestimmte Kontextfaktoren nicht unmittelbar zum Gesundheitsproblem gehören, aber die Teilhabe maßgeblich beeinflussen. Dieses individuelle Spannungsfeld von personenbezogenen und Umweltfaktoren macht eine engere Zusammenarbeit und Kommunikation über Einzelschicksale erforderlich, die von der Regelversorgung abweichend versorgt werden müssen.

Hinzu kommt erschwerend, dass MeH ganz unterschiedliche Teilhabeprognosen haben, die nach Schmidt-Ohlemann (2013; S. 80 ff.) grob den folgenden vier Kategorien zuzuordnen sind:

. Menschen mit guten Aussichten der Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt, gegebenenfalls auch bei bleibenden Beeinträchtigungen.

. Menschen mit voraussichtlich bleibenden relevanten Funktions- und Aktivitätseinschränkungen mit fraglicher Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt, voraussichtlich länger dauerndem Bedarf an Leistungen der medizinischen, beruflichen

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und sozialen Rehabilitation und Versorgung einschließlich Pflege und Assistenz mit der langfristigen Perspektive zumindest der Beschäftigung in einer WfbM und Wohnen in eigener Häuslichkeit, gegebenenfalls mit Assistenz oder betreuten Wohnformen.

. Menschen mit voraussichtlich erheblichen und andauernden Funktions- und Aktivitätseinschränkungen, sodass die soziale Eingliederung ganz im Vordergrund steht (zu Hause, im Wohnheim), gegebenenfalls Beschäftigung in einer WfbM, in Förderbereichen von WfbM oder in Tagesförderstätten oder entsprechenden alternativen Tagesstrukturen.

. Menschen mit schwerster lang dauernder Beeinträchtigung, umfangreicher Pflege- und Behandlungsbedürftigkeit, z. B. mit Tracheostoma und Beatmung.

Aus diesem sehr heterogenen Bedarf lässt sich die Beobachtung aus den Pilotberatungen erklären, dass bei einigen Betroffenen ein bis drei Beratungssitzungen ausreichend waren und bei anderen eher eine langfristige Fallbetreuung angezeigt und dementsprechend eine Standardregelung für die Intensität von Beratung keine Lösung war. Ein „prolongierter Rehabilitationsbedarf“ (Schmidt-Ohlemann, 2013) ist typisch bei MeH. Mit anderen Worten (Schmidt-Ohlemann, 2013) kann man diese Erkenntnisse auch wie folgt zusammenfassen:

„Da Einrichtungen und Dienste sich (aber) mit ihren Angeboten an dieser Aufteilung orientieren (Anm. der Autorin: Entweder ist jemand körperlich, geistig oder seelisch behindert; MeH können allerdings mehrere Behinderungen aufweisen), können diese im Hinblick auf die besondere Art und die Komplexität der Beeinträchtigungen bei Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen den speziellen Bedarf an neurokompetenten und komplexen Hilfen nicht decken. Außerdem benötigen Menschen mit erworbenen Hirnschäden häufig intensive Behandlungs- und Fördermaßnahmen und nicht nur Assistenzleistungen. Insofern stellt diese Personengruppe eine besondere Gruppe mit einem besonderen Hilfebedarf dar [...]. Sobald eine komplexe oder auch eine sogenannte mehrfache Behinderung vorliegt, entstehen systematische Zuordnungsprobleme und praktische Probleme in der bedarfsgerechten Gestaltung der Angebote”.

Zwei typische „Versorgungsfallen“ konnten mit Hilfe der Pilotberatungen zusammengefasst werden. Diese entstehen v. a. bei Betroffenen mit „zu leichten“ oder „zu schweren Beeinträchtigungen“, die oftmals zu folgenden Fallverläufen führen:

Bei leichten Hirnverletzungen werden Schädigungen oft verkannt. Hier verbindet sich häufig eine Verkettung von Abstiegen:

Beispiel Herr A.: Wiedereingliederung, Teilzeitstelle, Substanzmissbrauch, Vereinsamung, Umsetzen auf niedrigere Stelle, schädigungsbedingte häufige Abwesenheit führt zu Kündigung/Angewiesensein auf Grundsicherung/Sozialamt, ohne dass erworbene Hirnschädigung noch als Ursache erkannt wurde und ein Leistungsträger sich zuständig fühlte.

In diesem Fall „schleichen sich die Betroffenen aus dem Versorgungssystem aus“ u. a. in der oft hirnorganisch bedingten Selbstwahrnehmung „gut genug zu sein“. Oder sie werden aufgrund ihrer auf den ersten Blick wieder voll hergestellten Funktionsfähigkeit aus der Versorgung und/oder Teilhabe „weggelobt“.

Bei schweren Hirnverletzungen werden oft falsche dauerhafte Einrichtungen empfohlen oder zu wenig Förderung zur Verfügung gestellt, weil man die Betroffenen als nicht mehr förderfähig einschätzt:

Beispiel Herr R.: Aufgrund mangelhafter spezifischer Angebote fand Unterbringung im Demenzheim statt, keine Förderstrukturen, Reduktion auf Pflegeleistung mit Basalversorgung „satt und sauber“ ohne Bestrebungen, eine Teilhabeperspektive zu eruieren. Der Betroffene wird wie ein Demenzkranker im Pflegeheim behandelt.

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In diesem Fall werden die Betroffenen für den Teilhabeanspruch „disqualifiziert“ und aufgegeben, ohne dass es einen Mechanismus gibt, der deren Weiterentwicklung und Förderfähigkeit erneut prüft. Mit engerer beratender Anbindung oder zusätzlicher Fallbetreuung für alle Betroffenen könnten diese Abwärtsspiralen unterbunden werden und diese typischen Versorgungsfallen rechtzeitig erkannt werden.

Prüfung und kritisches Hinterfragen der Strukturen und Materialien

Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde der Erstgesprächsfragebogen, die Handlungsanleitung dazu sowie der Fragebogen für die Folgeberatung kontinuierlich weiterentwickelt und optimiert. Zum einen ergaben sich mit den an die Beraterin herangetragenen Nachfragen durch die Betroffenen stets Anmerkungen zum Fragebogen. Zum anderen wurde im Abgleich mit anderen bestehenden Fragebögen die Spezifität vergrößert. Eine interne Expertenbefragung und Evaluation wurde ergänzend durchgeführt. Drei erfahrene MeH-Beratende füllten anhand eines Fallbeispiels den Fragebogen aus. Sie brachten inhaltliche sowie formale Verständnisfragen und Änderungsvorschläge an. Infolge dieser Expertenbewertungen wurden letzte inhaltliche Veränderungen vollzogen.

Wesentliche inhaltliche Veränderungen von der ersten zur finalen Version sind erhöhte:

• Komplexität • Neurokompetenz • Ergebnisoffenheit • Vorstrukturierung der Beratung • Netzwerkanbindung.

Von einem anfänglich sehr groben Frageschema veränderte sich der Anamnesebogen im Verlauf der Projektlaufzeit zu einem stark strukturierten Erfassungs- und Diagnoseinstrument, das mit präzisen Handlungspfaden und Priorisierungsangeboten von Beratungsthemen den Beratenden unterstützt und leitet.

Kritisch anzumerken ist, dass die Anwendung des Anamnesebogens ohne Erklärungen und praktische Einleitung bei Vorerfahrung mit MeH zwar möglich ist (belegt durch die Probeanwendung der Expertenbewertung), aber sicherlich ist ein umfassendes Verständnis von Problemen der Betroffenen, sprich: ein neuropsychologisch-therapeutisches Denken, damit nicht ersetzbar. Die Handlungsleitfäden schlagen in den Erläuterungen und entwickelten Netzwerklisten Ansprechpartner vor, was ein sehr schnelles Weitergeben von Kontaktinformationen und Weiterlotsen ermöglicht. Dennoch können diese Empfehlungen und ersten Ansprechpartner nur die Erstkontakte sein. Die entwickelten Netzwerklisten, die den Beratenden zur Verfügung stehen, sind nicht allumfassend sachsenweit vollständig. Wenn eine jahrelang nachhaltige Netzwerkliste entstehen soll, müsste man eine digitale Datenbank anlegen, die vom gesamten Netzwerk kontinuierlich aktualisiert und gepflegt wird. Dafür waren in diesem Projektzeitraum nicht ausreichend zeitliche und finanzielle Ressourcen vorhanden.

Folgende Materialien befinden sich im Anhang:

• Beratungsbogen Erstgespräch - Version 1 (Anlage 18) • Verlaufsnotiz Version 1 (Beratungsbogen Folgeberatung) (Anlage 19) • Beratungsbogen Erstgespräch (Anlage 15) • Kategorien und Erläuterungen – zum Erstberatungsbogen (Anlage 16) • Beratungsbogen Folgeberatung (Anlage 17) • Netzwerklisten (Anlagen 14 a - f) • Evaluationsbögen Beratungsbögen (Anlage 20)

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Ergebnisstand

56 Pilotberatungen wurden durchgeführt und evaluiert. Handlungsleitfäden und Strukturen für die Beratung sind entwickelt, standardisiert und kritisch bewertet worden. Die Ziele des Arbeitspaketes wurden vollständig, frist- und zielgerecht erfüllt.

AP 3.2 – Durchführung und Auswertung der Schulungen

Zielstellung dieses Arbeitspaketes ist die Umsetzung des im Projektzeitraum erarbeiteten Schulungskonzeptes für Arbeitgeber und professionelle Helfer bis zum 30.06.2016.

Verlauf

Das Projektteam erprobte das Schulungskonzept und passte Module und Inhalte bedarfsbezogen an die jeweiligen Nachfragen der professionellen Helfer an. So wurden die Konzepte in die Praxis umgesetzt und angewendet. Nachfragen von Arbeitgebern aus dem zweiten Arbeitsmarkt kamen vor allem von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.

Im Verlauf wurden fünf Pilotschulungen durchgeführt. Mit jeder Schulung wurde das Konzept neu evaluiert und Bedarfe der Klienten in die Module aufgenommen. Die Hintergründe und detaillierten Inhalte der einzelnen Schulungen können im dritten Sachbericht nachgelesen werden. Entwickelt wurden eine Basis- und eine Schwerpunktschulung. Die Basisschulung sollte obligatorisch sein, die Schwerpunktschulung kann je nach Zielgruppe spezifisch zusammengestellt werden (Tab. 3 und 4). Diese Schulungsmodule wurden den Qualitätsbereichen (Tab. 3) zugeordnet, um das Lernziel und den Fokus im jeweiligen Modul auf einen Blick sichtbar zu machen. Im Schwerpunktmodul wurden Zielgruppen, die als relevant erachtet wurden, vorgeschlagen.

Tab.3. Modul 1 – 3 der Basisschulung.

BASISSCHULUNG Kompetenz- bzw. Qualitätsbereich (QB)

Modul 1: Grundlagen Versorgungssystem von MeH

• Medizinisches Versorgungssystem und Bedarfslage für MeH

• Rehabilitationsphasen und Möglichkeiten der Rehabilitation

• Tagesstruktur: Therapie, Alltagsstruktur und Beschäftigung

QB I Beratung

QB II Berater

Modul 2: Grundlagen Neuropsychologie

• Grundwissen Gehirnfunktion

• Grundwissen neurologische Erkrankungen: Schwerpunkt Schlaganfall, Epilepsie und SHT - Entstehung, Diagnosen, Prävention und förderliche Faktoren für Gesundung

QB III Adressatenorientierung

Modul 3: Neuropsychologische Krankheitsfolgen

• Sozialverhalten und Soziales Umfeld

• Kognition, Motorik, Sprache

• Krankheitsverarbeitung

• Abgrenzung von Behinderungsgruppen

QB III Adressatenorientierung

QB IV Lotsenfunktion

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Tab.4. Modul 4 – 6 der Schwerpunktschulung.

Die Erweiterung der Schulungsmodule spiegelt die Diversität der Einrichtungen wider und den großen Bedarf an Weiterbildung zur Zielgruppe MeH.

Drei von fünf Schulungen wurden evaluiert mit einem im Projekt entwickelten Feedbackbogen (Anlage 21). Dieser erfasste die theoretischen und praktischen Vorkenntnisse der Teilnehmer zum Thema MeH und die Bewertung, wie hilfreich die Schulung wahrgenommen wurde (vorgegebene Kategorien). In einem Freitextfeld konnten die Teilnehmenden ihre Rückmeldung dazu geben, wo sie das Gelernte anwenden konnten, was sie in der Schulung gelernt hatten und konstruktive Vorschläge zur Verbesserung der Schulung machen. Folgende Rückmeldungen wurden aufgenommen (Tab. 5):

SCHWERPUNKTSCHULUNG Qualitätsbereich (QB) und spezifische Kompetenz

Zielgruppe

Modul 4: Kontextspezifische Anwendung von Neurokompetenz

• Auswirkungen von Krankheitsfolgen in spezifischen Kontexten und Fallbeispielen

• Fördermöglichkeiten im spezifischen (Arbeits-)Kontext: Verhaltensspektrum von MeH, welche Auffälligkeiten weist der spezifische Klient auf und wie kann man dieses Verhalten neurokompetent interpretieren, um fallgerechte Maßnahmen einzuleiten; häufige Missverständnisse und Fehlinterpretationen von Leistungs- und Verhaltensgrenzen von MeH; kontextbezogene neurokompetente Interventionsmöglichkeiten.

QB III Adressatenorientierung

Praktische Neurokompetenz

WfbM

professionelle Berater

Arbeitgeber 1.Arbeitsmarkt

Wohneinrichtungen

Pflegeeinrichtungen

Modul 5: Basiswissen Beraterkompetenz

• Proaktive Haltung

• Gesprächsführung

• Umgang mit Konflikten

• Ethik und Selbstfürsorge: Supervision, Professionalität, Transparenz

• Systeme beraten

QB II Berater Metakognitive Beratungskompetenz

QB IV Lotsenfunktion

Netzwerkkompetenz

Professionelle Berater

Selbsthilfegruppen

Modul 6: Grundlagen Sozialrecht für MeH

• Sozialrecht SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung), IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen), XII (Leistungen der Eingliederungshilfe)

• Versorgungsstrukturen aus sozialrechtlicher Sicht

QB II Berater

Professionelle Berater

Selbsthilfegruppen

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Schulungseinheit Vorkenntnisse der Klienten

Einschätzung der Schulung

Qualitative Rückmeldung

Schulung 2: Teaminterne Schulung für Angestellte und die Leitung aus dem Ambulanten Behindertenzentrum der Diakonie Dresden (8 Personen)

• Rücklauf der Feedbackbögen: n = 2

• d. h. 25 % Rückmeldung

• Basale theoretische Vorkenntnisse (50 %)

• Basale praktische Vorkenntnisse (100 %)

• 100 % sehr hilfreich

• Anwendbarkeit des Gelernten: *In der praktischen Arbeit mit Klienten (100 %)

• Was habe ich in der Schulung gelernt: * Verständnis für die sehr individuellen Einschränkungen von MeH vergrößert

Schulung 3: teaminterne Schulung für Angestellte der Lebenshilfe Pirna-Sebnitz-Freital/ Hohwald Werkstätten (WfbM Neustadt, 15 Personen) • Rücklauf der

Feedbackbögen: n = 8

• d. h. 50 % Rückmeldung

• Basale theoretische Vorkenntnisse (75 %)

• Basale praktische Vorkenntnisse (100 %)

• 37,5 % kaum hilfreich

• 25 % hilfreich

• 37,5 % sehr hilfreich

• Anwendbarkeit des Gelernten: *im tägl. Arbeitsalltag (62,5 %)

• Was habe ich in der Schulung gelernt: *Bestätigung und Festigung des vorhandenen Wissens (25 %) *höchst individuelle Begleitung ist unumgänglich *alle erworbenen Fähigkeiten können durch die Hirnschädigung schlagartig abhanden kommen

• Konstruktive Verbesserungsvorschläge: *Mehr Zeit für konkrete Fallbesprechungen einplanen (25 %) *Speziell Erklärung von Hirnschädigung nach Alkoholmissbrauch (12,5 %) *konkretere Förderwege besprechen (12,5 %)

Schulung 4: Gruppenleiter und Mitarbeiter aus dem Förder- und Betreuungsbereich, Psychosozialen Dienst und der Berufsbildung der Behindertenhilfe/ WfbM (Diakonisches Werk der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsen e.V., 18 Personen) • Rücklauf der

Feedbackbögen: n = 18

• d. h. 100 % Rückmeldung

• Basale theoretische Vorkenntnisse (50 %)

• Basale praktische Vorkenntnisse (100 %)

• 50 % hilfreich

• 50 % sehr hilfreich

• Anwendbarkeit des Gelernten: *im Arbeitsalltag (Sozialdienst, Berufsbildungsbereich, Förderbereich, für Mitarbeiterschulungen)

• Was habe ich in der Schulung gelernt: *Infos zu neuen Ansprechpartnern und Möglichkeiten der Beratung *Bedarf an Ausrichtung neuer Angebote *Auswirkung der organischen Schädigung auf den Arbeitsalltag *dass die WfbM bei bestimmten Personen nicht die richtige Einrichtung ist – Schwierigkeiten z. B. fehlende

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Räume/Personal *Bestätigung der angewandten Konzepte *theoretisches Hintergrundwissen *Schulungsbedarf sehr hoch, Möglichkeiten für MeH im WfbM-Netzwerken recht unbekannt

• Konstruktive Verbesserungsvorschläge: *Mehr Zeit für diese Schulungseinheit einplanen (16,7 %; Anm. Projekt: die Schulung dauerte 2 Stunden) *Theorieteile kürzen zugunsten der Förderansätze (5 %) *Schulungsinhalte den Teilnehmern anpassen (11 %) *mehr medizinische und tiefer gehende Fachinfos und Theorie (22,2 %) *Umsetzungshinweise für Förderplanung (5 %) *weiterführende intensivere Schulung und Austausch anbieten (11 %) *Lernen an Fallbeispielen, Praxisbeispiele differenzierter betrachten (5 %)

Tab. 5. Evaluation der Feedbackbögen zu den Schulungen über MeH.

Die Gesamtauswertung ergab, dass die Schulung von den meisten Teilnehmern als hilfreich bis sehr hilfreich empfunden wurde. In Schulung 3 wurden die Inhalte von einem Drittel der Gruppe als kaum hilfreich empfunden. Dies war eine sehr heterogene Gruppe und vor allem für die Arbeitstrainer der schien der theoretische Teil zu viel Raum einzunehmen.

Der Großteil der Teilnehmenden (62,5 % – 100 %) gab an, dass die Informationen im Arbeitsalltag anwendbar seien. Die meisten hätten theoretisches Wissen und Verständnis für das Schädigungsbild, Erkenntnisse über Beratungs- und Vernetzungsmöglichkeiten sowie Notwendigkeiten von Schulungen zum Umgang mit MeH für Werkstätten gewonnen.

Die häufigste Forderung betraf die Fortsetzung von Weiterbildungen über MeH in Werkstätten:

• Es solle mehr Zeit in intensivere Schulungen über Hintergründe und Schädigungsfolgen von MeH investiert werden.

• Es solle angepasst an die Aufgaben der Werkstätten einen stärkeren Fokus auf die Förderplanung, Anwendung des Wissens in Praxisfällen und Lernfallbeispielen geben. Dies bedeutet für die Schulungskonzepte, eine komplexe Verknüpfung von Wissen und Handlungskompetenz zu vermitteln:

o Welches Verhaltensspektrum haben Betroffene insgesamt? o Welche Auffälligkeiten weist der spezifische Betroffene auf? o Und wie muss der Arbeitstrainer oder Betreuer dieses Verhalten neurokompetent

interpretieren, um dann fallgerechte Maßnahmen einzuleiten? Hier entstehen oft Missverständnisse und Fehlinterpretationen von Leistungs- und Verhaltensgrenzen, was wiederum in unpassenden Maßnahmen resultiert und zu Problemsituationen führen kann.

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• Dahingehend müssen Mitarbeiter von WfbM anhand von Verhaltensbeispielen und Lernen an gelungenen Interventionsfällen Wissen und handhabbare Interventionen vermittelt bekommen.

Eine weitere Erkenntnis dieser Auswertung ist, dass es nicht möglich war, ein einheitliches Schulungsmodell für alle Nachfragen anzubieten. Denn einige Teilnehmer empfanden die Schulung als kaum hilfreich, während der Großteil sie als sehr hilfreich empfand und mehr Vertiefung wünschte. Die gemeinsame Schnittmenge der Schulungen lag in der Basisschulung. Individuell angepasste Schulungsmodelle müssen mit der Schwerpunktschulung entwickelt und erweitert werden. Um dies professionell umzusetzen, wurde der Bedarf vom Projektteam gesehen, umfassendere Pilotschulungen durchzuführen, in denen diese Vertiefungsmodule erprobt und evaluiert we

rden. Noch nicht berücksichtigt wurden in der Akquise der Schulungsteilnehmer Pflegedienste, Selbsthilfegruppen, Wohneinrichtungen bzw. Wohnangebote, die nicht spezialisiert sind, aber dennoch Zulauf von MeH haben. Ebenso potentielle Schulungsteilnehmer sind Arbeitgeber vom ersten allgemeinen Arbeitsmarkt, die Unterstützung und Aufklärung im betrieblichen Eingliederungsmanagement von MeH benötigen.

Aus einigen Schulungen wiederum ergab sich Beratungsbedarf bei professionell Beratenden, die von diesen Schulungen sehr profitieren konnten, aber im Sinne des Moduls vier oder fünf sogar eine interne Schulung in Kombination mit einer Supervision, über längere Zeit, fallbegleitend benötigten.

Wenn mit diesen Modulen Multiplikatoren geschult werden sollen, müssen die bestehenden Schulungsmaterialien (Präsentation, S. 3. Sachbericht) zu Handouts und Seminarunterlagen umgewandelt werden. Der Umfang solch einer Konzeption bedarf umfassender Recherche und Ausarbeitung, die in einem potentiellen Folgeprojekt aufgenommen werden müsste.

Ergebnisstand

Die Projektarbeit in AP 3.2 wurde erfüllt. In der Auswertung der Schulungen zeichnete sich Schulungsbedarf für Arbeitgeber und Beratende von MeH ab.

AP 3.3 – Externe Evaluation

Ziel dieses Arbeitspaketes ist die unabhängige Überprüfung von Materialien, Vorgehen und Ergebnissen im Projekt mit einem wissenschaftlich fundierten „Expertenblick“ im Sinne der Projektidee.

Verlauf

Die Evaluation basierte auf einem Evaluationskonzept, das durch die Firma Intelligenz System Transfer (Frau Dr. Christine Schmidt) entwickelt wurde und folgende Aktivitäten in den Mittelpunkt stellte:

1. Beratung und Begleitung in den Phasen Entwicklung, Pilotphase und Nachhaltigkeit

2. Bewertung der im Projekt entwickelten Unterstützungsangebote für den Beratungsprozess

Im Handlungsfeld Beratung und Begleitung wurden folgende Evaluationsaktivitäten realisiert:

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− Durchführung von Beratungen mit der Projektleiterin und projektbegleitender Informationsaustausch per E-Mail bzw. Telefon

− Einbringen der wissenschaftlichen Expertise zum Projektansatz, geplanten Beratungskonzept und der Instrumente/Materialien sowie zur Datenaufbereitung und -auswertung

− Bereitstellung von Methodenbeispielen zum Erstberatungsgespräch, zur Evaluation von Schulungsmaßnahmen (Feedbackbogen), zur Evaluation des Beratungsbogens zur Führung des Erstgespräches durch Berater und Experten

Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, dass der Feedbackbogen für die Schulungen erfolgreich eingesetzt wurde und als Basisfragebogen zur Optimierung von projektbezogenen Schulungen auch weiterhin eingesetzt werden kann. Der Projektansatz hatte auch in der Umsetzung Erfolg und die gestellten Ziele, Kooperationen und Netzwerke anhand des Aufbaus der Arbeitspakete konnten entwickelt werden. Der Zweck der Pilotberatung, als Hilfsmittel für die Verfeinerung eines Beratungskonzeptes und -qualitätsmodells sowie als Grundlage, um die Bedarfslage von Beratung für MeH in Sachsen zu beschreiben, wurde erfüllt.

Nach Abschluss des Arbeitspaketes Öffentlichkeitsarbeit waren faktisch keine finanziellen Mittel mehr vorhanden, um weiterhin Flyer zu drucken bzw. für die Abschlussveranstaltung Mittel aufzuwenden, um Dozenten oder die benötigten Präsentationsmaterialien zu bezahlen. Ebenso endeten die Pilotberatungen, nicht jedoch der Bedarf an Beratung, der dann durch Stundenerhöhung und Zuarbeit der Stiftung bewältigt wurden. Diese Planung muss bei einer nächsten Projektplanung besser verteilt oder verlängert geplant werden, um die Projektarbeit an entscheidenden Stellen, wie der Öffentlichkeitsarbeit, bei geforderten öffentlichkeitswirksamen Events nicht zu beeinträchtigen.

Im Handlungsfeld Bewertung der Materialien und Unterstützungsangebote für den Beratungsprozess wurden folgende Evaluationsaktivitäten realisiert:

− Rückmeldung zur Revision des Entwurfs des Anamnesebogens zur Vorbereitung des Erstgesprächs

− Formative Evaluation des Beratungsbogens zum Erstgespräch

Im Beratungsprozess stand die Entwicklung des Beratungsbogens zum Erstgespräch im Mittelpunkt. Eine der Kernfragen war, wie der Prozess der Entwicklung des Beratungsbogens erfolgen sollte. Prinzipiell wurden zwei Varianten diskutiert: Eine finale Entwicklung des Bogens vor dem ersten Einsatz durch die Berater oder die Entwicklung in einem iterativen Prozess.

Letztendlich wurde entschieden, die Entwicklung in einem Mix beider Varianten durchzuführen. In der ersten Phase erfolgte nach Erstellung der Entwurfsfassung durch die Projektleitung ein Revisionsvorschlag, der dann wiederum zur Überarbeitung des Beratungsbogens geführt hat und anschließend an die im Projekt involvierten Berater zum Einsatz im Rahmen des Erstgesprächs übergeben wurde. In der zweiten Phase wurden Rückmeldungen zur Revision des Bogens von den Beratern erbeten und diese wurden wiederum genutzt, um die Endversion zu erstellen.

Dieser iterative Entwicklungsprozess hat den Vorteil, dass bereits in der Projektphase die Erfahrungen und Expertise der Berater für die Entwicklung einbezogen werden können und damit die Akzeptanz und Qualität des Bogens bereits in der Projektphase gesichert wird. Darüber hinaus hat dieses Vorgehen positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit des Einsatzes im Beratungsprozess nach Abschluss des Projektes.

Der Nachteil besteht darin, dass im Verlauf des Entwicklungsprozesses nicht so viele Evaluationsdaten erhoben werden können und eine statistische Auswertung nicht möglich ist, da

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die Fallzahlen für die einzelnen erprobten Versionen des Beratungsbogens sehr gering sind. Die Projektleitung und Evaluation waren dennoch zur gemeinsamen Auffassung gelangt, dass eine qualitative Auswertung für den Gesamtprozess nützlicher ist, weil durch die Partizipation der Berater die kontinuierliche Kommunikation gepflegt wird, die sich wiederum auf die Netzwerkentwicklung sehr positiv auswirkt.

Der Vergleich des Erstentwurfes mit der finalen Fassung des Beratungsbogens zum Erstgespräch zeigt folgende Veränderungen in der finalen Fassung des Bogens (vgl. Anlage 15 und 18):

0. Soziodemografische Daten - Differenzierung nach Art der Betroffenheit in Betroffene(r) und

Ratsuchender(r) (unmittelbar bzw. mittelbar betroffen) - Einführung von Unterkategorien erleichtern die Erfassung der Daten und

geben differenziertere Informationen 1. Allgemeine Angabe

- Kategorien beibehalten - nur formative Änderungen - Erreichbarkeit unterschieden in Angehöriger und Betroffener

2. Vorgeschichte und aktuelle Situation

- Vorgegebene Antwortkategorien bei Ereignis/Diagnose und Datum - Stärkere Differenzierung der Erfassung der Lebenssituation

statt bisher: Alltag und Arbeit jetzt: Biografie vor Schädigung, Aktueller Alltag, Bisherige Integrations maßnahmen

- Veränderung der Kategorien für die Beschreibung der Krankheitsfolgen: a) statt bisher: kognitiv, körperlich, psychisch

jetzt: körperlich, kognitiv, Verhalten b) statt bisher: angegeben/wahrgenommen

jetzt: Einschätzung Betroffene(r)/Einschätzung Ratsuchende(r) - Differenziertere Erfassung der Krankheitsfolgen durch Unterscheidung von

qualitativer Beschreibung und Schwere der Krankheitsfolgen/Beschwerden mittels einer dreistufigen Skala (0 - 2)

- Erweiterung durch Hinzufügung der Gesamteinschätzung der Beeinträchtigung durch BeraterIn differenziert nach: Krankheitsfolgen in den drei Bereichen (dreistufige Skala); Krankheitsverarbeitung (dreistufige Skala); Tagesstrukturierung (dreistufige Skala), Ressourcen qualitativ und Gesamtbewertung durch Summation der Werte über die drei Kriterienbereiche und Einstufung des Gesamtergebnisses in eine der vier Klassen (von keine Beeinträchtigung bis übermäßige Beeinträchtigung)

- Erweiterung der Beeinträchtigungsgrade um GdB, AU, MdE, EM und Pflegestufe - Erweiterung der Angabe des Reha-Trägers um eine breitere Erfassung des

zuständigen Leistungsträgers und der Erfassung des Verfahrensstandes; durch vorgegebene Unterkategorien wird die Erfassung erleichtert

- Unterkategorien für Art der Unterhaltsleistung gebildet, um die Erfassung zu erleichtern

3. Aktuelle Fragestellung

- Vollständige Veränderung der Beschreibungskategorien - Differenzierung der aktuellen Fragestellung in drei Bereiche mit jeweiliger

Differenzierung in Unterkategorien und Eingabemöglichkeiten für Freitext: 1) Neuropsychologischer Unterstützungsbedarf

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(Krankheitsverarbeitung/Krankheitsakzeptanz; Psychosoziale Auswirkungen; Information/Psychoedukation)

2) Versorgungssystem

(Rechtliche Fragen; Bedarf im Alltag für Wohnen, Freizeit, Tagesstruktur; Kostenträgerschaft/Zuständigkeit)

3) Beruf, Tätigkeit und Weiterbildung (Neuorientierung/neue Perspektiven; Rückkehr in bisherige Tätigkeit) 4. Gesprächsergebnis

- Neu aufgenommener Punkt bei Übernahme der beiden Kategorien (Gesprächsergebnis und weitere Vereinbarungen) aus dem bisherigen Punkt “Aktuelle Fragestellung“

- Differenzierung in: • Informationsweitergabe • Verbesserung/Strukturierung Lebenssituation • Folgeberatung/Themen für neuen Termin • Integration in neue Maßnahme: • Ungelöste Fragestellung/bestehende Probleme

- Ergänzungen von Anlagen, Berichten und Vermerken für Absprachen

Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, dass es durch den iterativen Entwicklungsprozess des Beratungsbogens Erstgespräch gelungen ist, ein Instrument für die Unterstützung des Beraters zu entwickeln, dass sich auszeichnet durch:

- Differenzierte Erfassung der Gesamtsituation der/des Betroffenen - Ganzheitliche Erfassung des Erstgesprächs durch Dokumentation der

Kommunikationsinhalte aller Beteiligten des Erstgesprächs - Effiziente Dokumentation der Gesprächsinhalte durch die Möglichkeit der

Kennzeichnung vorgegebener Unterkategorien - Fachadäquate Beschreibungskategorien für die Situation und die Folgen bzw.

die Gesamteinschätzung - Differenzierung der Aussagen in qualitative und quantitative/skalierte

Einschätzungen - Unterstützung des Begleitprozesses des Betroffenen durch Ergebniskontrolle

der vereinbarten Aufgaben und durch Orientierung auf den nachfolgenden Schritt

- Transparenz und Nachvollziehbarkeit der geleisteten bzw. noch zu leistenden Unterstützung für den/die Betroffene(n)

Ergebnisstand

Die Projektarbeit in AP 3.3 wurde fristgerecht erfüllt.

Ergebnisbewertung Pilotphase

Der Arbeitsauftrag der Pilotphase ist in AP 3.1, 3.2 und 3.3 erfüllt. Die Ziele der Arbeitspakete wurden vollständig, frist- und zielgerecht erreicht. Empfohlen wird, in einem Folgeprojekt detailliertere Schulungen und kombinierte Schulungen mit Supervisionen/Beratung zu erproben und Multiplikatoren für die Nutzung des Anamnesebogens sowie die Vertiefung der neurokompetenten Hintergründe zu schulen.

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II. Sachstand in den Arbeitspaketen (AP) der Nachhaltigkeitsphase

AP 4.1 – Veröffentlichung

Ziel dieses Arbeitspaketes ist die Zusammenfassung und das Verbreiten aller Projektergebnisse und entwickelten.

Verlauf

In den Jahren 2015 bis 2016 wurden mehrere Artikel über das Projekt Perspektiven öffnen veröffentlicht. Dies waren ein Kurzbeitrag über die aktuelle Nachfrage in der Pilotberatung im Projekt Perspektiven öffnen in den Gutsnachrichten (Herbst 2015, Anlage 1d) und in der MIEZE (01/2016, Anlage 1e); Die Darstellung der Ergebnisse des Meilensteinworkshops in der deutschlandweit publizierten Fachzeitschrift not (2/2016, Anlage 1b). Außerdem wurden im Rahmen des deutschlandweit bekannten Nachsorgekongresses im Tagungsband Teilergebnisse der Projektarbeit vorgestellt (Tagungsband Nachsorgekongress, Anlage 1f). Geplant ist die Veröffentlichung der Projektergebnisse außerdem in der Jubiläumsausgabe der Gutsnachrichten der Helene-Maier-Stiftung. Zusätzlich wurde eine Broschüre mit den Projektergebnissen und Beratungsleitlinien veröffentlicht, die im sächsischen und bundesweiten Beraternetzwerk von Perspektiven Öffnen verbreitet wurden (Anlagenkategorie F). Außerdem werden die Projektergebnisse in den nächsten Gutsnachrichten der Helene-Maier-Stiftung voraussichtlich im Dezember 2016 veröffentlicht.

Meilensteinworkshop

Am 05. April 2016 fand der Meilensteinworkshop zum Projekt Perspektiven öffnen – Inklusion für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen statt. „Guter Spannungsbogen“, „Ich habe hier mein Netzwerk gefunden“, „Aufschlussreiche Beiträge“ – so die Rückmeldung einiger Teilnehmer.

Mit 30 Teilnehmern war ein vielfältiges Publikum aus den Bereichen der Leistungsträger, Leistungserbringer, Politik, Sozialdienste sowie Beratungsstellen aus der Region Dresden und Leipzig anwesend (Anwesenheitsliste Meilensteinworkshop, s. Anlage 10). Vertreter von Krankenkassen konnten bedauerlicherweise nicht für den Workshop anreisen, was in späteren Diskussionen auch als ausbaufähiges Vernetzungspotential aufgegriffen wurde. Beratungsstellen aus Süd-Westsachsen unterstützten den Workshop durch eine Stellungnahme, die später vorgestellt wird.

Der Meilensteinworkshop fand in den Räumlichkeiten der Bezirksverwaltung der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) Dresden am Wiener Platz statt. Projektkoordinatorin Alica Aßmann und Co-Moderator Christian Stoebe, Projektleiter des Wohnprojekts Wohnen mittendrin von der Lebenshilfe Dresden, begrüßten die Gäste und führten durch den Workshopnachmittag mit dem Schwerpunktthema Regionale unabhängige Beratung für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen in Sachsen. Inhaltlich ging es v. a. um unabhängige Beratung auf der sozialstrukturellen Ebene, auf Organisations- und Netzwerkebene sowie der Individualebene. Herzliche Grußworte sprachen Astrid Medack, Leiterin der Bezirksverwaltung VBG Dresden, sowie Hartmut Stern, Geschäftsführer der Helene-Maier-Stiftung Kreischa. Es folgten drei Dialogforen, die jeweils mit einem Impulsvortrag eingeleitet wurden. Mittels der Workshopmethode „Think-Pair-Share“ (Denken-Zweiergruppengespräch-Großgruppengespräch) wurden die Teilnehmenden instruiert, mit Fokus auf eine spezifische Diskussionsfrage auf den jeweiligen Impulsvortrag zu lauschen, im Anschluss in Zweiergesprächen und anschließend in der Großgruppe Fragen und Forderungen zu diskutieren. Aus dieser Gruppenarbeit konnten effektiv Ideen und Forderungen für unabhängige Beratung in Sachsen gesammelt werden. Da die Teilnehmenden Vertreter verschiedener direkt oder indirekt beratender Einrichtungen (Rehakliniken Kreischa, kognitive Tagesklinik Leipzig, Epilepsieberatung Kleinwachau,

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Lebenshilfe Dresden „Wohnen mittendrin“, ZNS Hannelore Kohl Stiftung), Leistungsträger (DRV Bund, KSV, VBG Dresden, Gemeinsame Servicestelle VBG) und Leistungserbringer (TTZ Oschatz, Fallmanagement, Helene-Maier-Stiftung, Fr. Beiersdorf Beratung Persönliches Budget, SHT-Wohngruppe Dresden) waren, wurden vielfältige Blickwinkel in diesen Workshop eingebracht.

Im ersten Dialogforum blickte Herr Carsten Freitag (stellvertretender Geschäftsführer der ZNS Hannelore Kohl Stiftung) in seinem Impulsvortrag aus sozialpolitischer Sicht unter Einbeziehung des neuen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auf die neuen Möglichkeiten und Perspektiven für unabhängige Beratung für MeH. Folgende Fragen wurde im ersten Dialogforum diskutiert:

Welche Strukturen kennen Sie für die Beratung von MeH in Sachsen? Welche Erwartungen haben Sie an das Bundesteilhabegesetz im Hinblick auf die Entwicklung unabhängiger Beratung für MeH?

Kritik an bestehenden Zuständen sei das immer noch mangelhafte Bewusstsein für das Recht auf Teilhabe an Arbeit und Gesellschaft in den Beratungsgesprächen der Leistungsträger und -anbieter. Sei ein Versorgungsstatus erreicht, fehle es an regelmäßiger Nachprüfung und Planung neuer Lebensperspektiven in der Versorgung außerhalb der Berufsgenossenschaften, Unfallversicherer bzw. Privatversicherer. Betroffene, die keine Beratung erfahren, wissen weniger um ihre Rechte und Perspektiven. Betroffene hingegen, die in Beratungsgesprächen über ihre Möglichkeiten informiert werden, entwickeln ein Bewusstsein für Perspektiven und Teilhabemöglichkeiten. Daher wird vermutet, dass mit steigendem Beratungsangebot auch der Versorgungsbedarf steigt und deutlicher eingefordert wird.

Die Gruppe der Teilnehmenden forderte:

• Quantitativ wird mehr Beratung in Ballungszentren und ländlichen Gebieten Sachsens benötigt

• Peer to Peer Counseling soll etabliert werden: Vor allem in den Sozialämtern muss die Beratungsinstanz der Selbstbetroffenen vorhanden sein, um Betroffene zu bestärken, Bedürfnisse zu artikulieren und an anderen Lebenswegen beispielhaft die Umsetzung der Bedarfe zu sehen

• Vermeiden von Doppelstrukturen • Man sollte Kompetenzzentren gründen, in denen gebündelt alle Kompetenzen unter

einem Dach sind (Einzelkämpfer werden eher als nachteilig, veraltet und gemeinschaftliche Zusammenschlüsse als zukunftsweisend erachtet)

• Man müsste die Unabhängigkeit der Beratung trotz Trägerschaft gewährleisten: Zum Beispiel mit räumlicher Trennung der Beratungsstelle von den Leistungsangeboten der Träger und gesondertem Beratungspersonal, das nicht zu trägereigenen Leistungen berät

• Mehr sinnvolle Finanzierung (Mischfinanzierung) soll verhandelt werden • Die Beratungsangebote sollen weg von Symptomberatung (einzelne Aphasieberatung,

Beratung von Komapatienten, Epilepsieberatung) und hin zu Beratung für alle MeH oder Teilhabeberatung orientiert werden, in der alle von dieser Thematik Betroffenen unabhängig von ihrer Diagnose beraten werden

• Neben Beratungsangeboten muss für komplexe Lebensschicksale auch Fallmanagement angeboten werden

Im zweiten Dialogforum blickte Herr Sauter, Ärztlicher Leiter der Helene-Maier-Stiftung, aus medizinischer Sicht auf Möglichkeiten der Angliederung an berufliche Teilhabe direkt von der Klinik in die ambulante Versorgung. Folgende Fragen wurden im zweiten Dialogforum diskutiert:

Wo sehen Sie Versorgungslücken auf dem Weg aus der klinischen Rehabilitation in die ambulante Versorgung? Und wie würde aus ihrer Sicht an dieser Schnittstelle eine gelungene ambulante Beratung und Begleitung aussehen?

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Die Teilnehmenden waren sich einig, dass Entlassmanagement keine unabhängige bedarfsgerechte Beratung für MeH leisten kann: es fehle an zeitlichen Ressourcen und Vernetzung. Unabhängige Beratung müsse an anderen Stellen angesiedelt bzw. durch andere Stellen bereitgestellt werden.

Die Gruppe der Teilnehmenden forderte:

• Es solle eine Beratung geben, die zu jeder Rehaphase in der Klinik abrufbar ist und den Betroffenen sowie Angehörige beraten kann. Ein bestehendes funktionierendes Modell gäbe es z. B. in Niedersachsen, wo Rehapädagogen diese Aufgabe in Kliniken übernehmen (Oldenburg)

• Diese unabhängige Beratung soll den Klinikdienst entlasten und den Gesamtblick und das weitere Leben nach der Entlassung aus der Klinik bahnen: Aus der Klinik heraus sollen Termine und Kontakte zu ambulanter Versorgung vereinbart werden, sodass keine Versorgungslücke entsteht

• Ambulante Ärzte müssen darin geschult werden, neuropsychologische Beeinträchtigungen von psychosomatischen bzw. psychischen Erkrankungen zu unterscheiden, um die Unterschiede in den Versorgungsbedarfen zu verstehen und an fachspezifische Stellen weiter leiten zu können

• Überregionale Beratung (z. B. ZNS Hannelore Kohl Stiftung) muss sich auf regionale Strukturen verlassen können, die besser dargestellt werden müssen (z. B. in Broschüren, Internetseiten etc.)

Im dritten Dialogforum stellte Frau Aßmann die bisherigen quantitativen Ergebnisse von Beratungsbedarfen, -themen und Qualitätskriterien für gute Beratung vor, die im Projekt Perspektiven öffnen mit dem Stand zum Februar 2016 errechnet werden konnten. Folgende Fragen wurden im dritten Dialogforum diskutiert:

Welche Gütekriterien schätzen Sie aus Ihrer Erfahrung als wichtig für eine gute Beratung für MeH ein? Und wie können Beratungsangebote die Teilhabe der Betroffenen unter Einbeziehung ihrer Netzwerke verbessern und Perspektiven schaffen?

Die Teilnehmenden bemerkten, dass es keine einfachen Antworten für MeH-Beratung gäbe: Immer noch werde verkannt, dass Menschen mit erworbener Hirnschädigung spezifische, hoch individuelle und komplexe Schicksale haben, die sowohl im Fallmanagement als auch in Beratungsangeboten zu versorgen sind. Es mangele vor allem an der proaktiven Beratung: Oft werden Anfragen zwar beantwortet, aber es finde kein Mitdenken und Perspektivenplanung im Sinne einer Dienstleistung für den Betroffenen statt. Daher forderte das Forum:

• Neurokompetenz, Sozialrechtkenntnisse und Lotsenfunktion als Kernkompetenzen für unabhängige Beratungen sei unerlässlich sowie Netzwerkarbeit und -treffen

• MeH-Beratung muss Türen öffnen und proaktiv sein: nach außen aktives Beraten und Öffnen neuer Wege und Strukturen ist Hauptbestandteil der Beratung von MeH

• Flächendeckende Qualitätskriterien müssen von einer übergeordneten Instanz geprüft und in Schulungen verbreitet werden

• Mobile Beratung sollte um einen sächsischen Beratungskompass ergänzt werden mit dem Ziel Zugang zu bestehenden Strukturen erleichtern, durch bessere Informationen über alle bestehenden Beratungsangebote und Ansprechpartner für eine neurokompetente Erstberatung

Ein weiter oben beschriebener Versorgungsmangel in den ländlichen Regionen wurde durch die Stellungnahme der Kontakt- und Beratungsstelle des Vital e.V. im Vogtlandkreis eindrücklich verdeutlicht:

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Die Kontakt- und Beratungsstelle des VITAL e.V. hat Kontakt zu rund 300 Betroffenen und Angehörigen im Landkreis und darüber hinaus.

- Angebote: Beratung zu rechtlichen, psychosozialen und gesundheitlichen Fragen

- Beratung zur Zeit durch Soziologin/Systemische Beraterin (i. A.) mit 4 –jähriger Berufserfahrung in der Arbeit mit MeH

- rund 15 Beratungen pro Monat – davon etwa 5 persönliche Beratungen, 10 per Telefon

- auf 80 % aller Beratungsanfragen folgt ein einmaliges Gespräch, bei 20 % der Anfragen folgt eine längere Begleitung mit mehreren Gesprächen/ Hausbesuchen

- Persönliche Beratungen finden häufig als Hausbesuch statt - Häufige Themen:

o Suche nach Selbsthilfeangeboten und Austausch mit anderen Betroffenen/Angehörigen

o Fragen/Probleme bei Hilfsmittelversorgung o Tagespflege oder geeignete Wohnformen für Betroffene o rechtliche Fragen z. B. zu gesetzlicher Betreuung o entlastende Gespräche für (pflegende) Angehörige

- häufige Erfahrung, dass das Überleitungsmanagement verbessert werden muss – Hilfsmittel kommen zu spät an, Betroffene berichten oft von mangelnder Aufklärung durch die Sozialdienste in den stationären Rehabilitations-einrichtungen

- eher seltene Themen: berufliche Rehabilitation

Situation im Strukturraum Vogtlandkreis

- vergleichsweise hohe Altersstruktur – daher hohe Zahl an Schlaganfällen und anderen altersbedingten Erkrankungen

- im Landkreis pro Jahr ca. 800 neue Schlaganfälle, die in der Stroke Unit in Plauen oder Rodewisch behandelt werden; hinzu kommen ca. 400 weitere Patienten mit anderen Schädel-Hirn-Schädigungen

- in Bad Elster (südl. Vogtland) befindet sich die nächstgelegene Klinik für neurologische Rehabilitation („MediClin Klinik am Brunnenberg“): z. Z. 40 Behandlungsplätze der Phase D und 40 Behandlungsplätze der Phase C sowie einige Plätze für neurologische Frührehabilitation

- stark ländlich geprägter Raum mit wenigen mittelgroßen Städten (Zentren Plauen, Auerbach, Reichenbach) � ausgehend davon strukturbedingt ungünstige Bedingungen:

o wenige Ärzte/Fachärzte: dies führt zu langen Anfahrtswegen, langem Warten auf Termine

o öffentliches Verkehrsmittelnetz mangelhaft, insbesondere zur Nutzung für Menschen mit Behinderung - selbständige Mobilität der Betroffenen wird dadurch eingeschränkt und damit die soziale Rehabilitation zusätzlich erschwert

o selbständige Nutzung von Freizeit- und Kulturangeboten ist damit ebenfalls erschwert, Verbesserungen nötig in Sachen Barrierefreiheit

o für MeH passende Wohnformen/Betreuungs- und Förderangebote existieren bislang nicht – besonders für jüngere Betroffene unter 50 Jahren bleibt oft nur die Unterbringung in Senioren-/Pflegeheimen – ähnlich verhält es sich mit Tagespflegeangeboten o. ä.

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o generell sind so gut wie keine Angebote/Konzepte für Betroffene der Phase E in der Region vorhanden

- Positiv: Engagierte Therapeuten in der Region, viele Ergo-, Physio- und Logotherapeuten zeigen persönliches Engagement - auch über die eigene Profession hinaus

Lage des Vogtlandes innerhalb Sachsens

- Zugang zu Kliniken mit Spezialangeboten in der Nachsorge für MeH ist nicht gegeben

- weite Anfahrtswege zu Treffen/Veranstaltungen zum überregionalen Austausch (z. B. Leipzig/Dresden) erschweren das Kontakthalten

- dadurch sind Synergien mit solchen Angeboten kaum nutzbar - Zusammenarbeit mit anderen medizinischen/therapeutischen/wissenschaft-

lichen Einrichtungen ist eher weniger möglich

Zusammengefasst wuchs durch diesen Meilensteinworkshop die Erkenntnis, dass es in den Ballungsgebieten Sachsens bereits gute Versorgungsstrukturen gibt, die es in der nächsten Zeit mit aktiveren Vernetzungsveranstaltungen zu bündeln gilt. So sind in Leipzig durch den Stammtisch Kopfsache (FAW Leipzig/Romy Trinks und kognitive Tagesklinik Leipzig/Elvira Miedtank), in Oschatz durch das TagesTrainigsZentrum Oschatz (TTZ, Steffi Flux) und in Dresden durch Perspektiven Öffnen (Helene-Maier-Stiftung, Alica Aßmann) in Kooperation mit der Gemeinsamen Servicestelle der VBG Dresden (Michael Hönisch) schon vier sehr starke Lotsen- und Netzwerkpartner aktiv. Probleme und Versorgungsengpässe liegen allerdings in den ländlichen Gegenden Südwestsachsens und Ostsachsens. Um dieser Problematik entgegen zu treten, wurde die Idee formuliert, einen sächsischen Beratungskompass zu entwerfen, der auf einen Blick Auskunft gibt, wo die Betroffenen und Angehörigen qualifizierte MeH-spezifische Beratung erhalten können. Solch ein „Kompass“ kann Fokus eines Folgeprojektes sein. Ein weiteres Ergebnis des Meilensteinworkshops war die Zusage aller Workshopteilnehmer, sich als neues überregionales Netzwerk zu verstehen und durch Zusammenfassung in einem Netzwerkverteiler per Mail und Kontaktliste nun noch enger zusammenzuarbeiten und die Kompetenzen der Mitstreiter für Beratungen nutzen zu können.

In Anlagenkategorie C sind die Unterlagen zum Meilensteinworkshop angefügt:

• Tagesordnung (Anlage 9)

• Teilnehmerliste (Anlage 10)

• Vortragsfolien zur Projektvorstellung (Anlage 11)

• Konzeptueller Ablauf des Meilensteinworkshops (Anlage 12)

• Foto- und Bilddokumentation (Anlage 13)

Ergebnisstand

Das Arbeitspaket 4.1 wurde fristgerecht zum 30.06.2016 mit vollständiger Ergebniserreichung beendet. Das Projekt wurde in zahlreichen Presseartikeln vorgestellt und mit einer Projektabschlussbroschüre in seinen Ergebnissen den Netzwerkpartnern zugänglich gemacht (Anlagenkategorie F). Das Projekt wurde von der Öffentlichkeit und den bestehenden Sachsenweit en Beratungspartnern aufgrund des Meilensteinworkshops wahrgenommen und als Vernetzungsplattform akzeptiert.

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AP 4.2 – Umsetzung/ Nachhaltigkeitsstrategie

Ziel dieses Arbeitspaketes ist die Implementierung des Beratungs- und Schulungskonzeptes in bestehende und geschaffene Strukturen.

Verlauf

Implementierung des Beratungskonzeptes

In der Bearbeitung dieses Arbeitspaketes konnte schon kurz nach Beginn der Projektarbeit der Kontakt zu einer in Dresden sehr aktiven Gemeinsamen Servicestelle für Rehabilitation hergestellt werden, die in Trägerschaft der VBG Dresden am Wiener Platz ansässig ist. In ersten Gesprächen sind die Projektanliegen von Perspektiven öffnen und die Herangehensweise der Gemeinsamen Servicestelle erörtert worden. Dabei konnte herausgearbeitet werden, dass ein Zusammenwirken der jeweiligen Ansätze einen Gewinn für beide Angebote darstellen kann. So kann die trägerübergreifend wirksame Arbeit der Gemeinsamen Servicestelle auch in Beratungsfällen von Perspektiven öffnen das Beratungsangebot bei konkreten Teilhabeansprüchen der Ratsuchenden ergänzen.

Gleichzeitig ergänzt Perspektiven öffnen das vorgehaltene Angebot der Gemeinsamen Servicestelle um eine spezifische Beratung für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen.

Eine Kooperation im Rahmen der Projektarbeit wurde dahingehend vereinbart, dass seit Juli 2014 an zwei Nachmittagen im Monat eine regelmäßige Beratungszeit für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen in der Gemeinsamen Servicestelle für Rehabilitation bei der VBG Dresden abgehalten wurde. Im Verlauf der Projektlaufzeit ließ sich erkennen, dass schwankend zwei bis zu sechs neue Betroffene und Ratsuchende monatlich die Beratung aufsuchten. Allerdings wurde die individuelle Terminabsprache vorgezogen und somit die regelmäßigen Sprechzeiten abgesetzt. Je nach individuellem Bedarf der Ratsuchenden wurden die Beratungen in der Helene-Maier-Stiftung, in den Räumlichkeiten der Gemeinsamen Servicestelle oder als Hausbesuch bei den Betroffenen durchgeführt. Zunehmend wurden komplexe Beratungen gemeinsam mit der Servicestelle durchgeführt, oder auch spezifische Beratungstermine für Antragstellungen an die Gemeinsame Servicestelle abgegeben. Somit wurde der Weg geebnet, das Beratungsangebot von Perspektiven öffnen in die bestehende Struktur der Gemeinsamen Servicestelle zu integrieren. Die nachhaltige Vereinbarung nach Auslaufen des Projektes Perspektiven öffnen ist, dass die Gemeinsame Servicestelle Erstberatungen von Betroffenen und Ratsuchenden übernehmen kann. Ebenso verfügt sie über die neurokompetenten Handlungsleitfäden. Aufgrund der bisherigen Zusammenarbeit, Austausch und dem neurokompetenten Leitfaden ist eine Neurokompetenz in dieser bestehenden Beratungsstruktur verankert. Die Helene-Maier-Stiftung (HMS) wird zukünftige Beratungsanfragen zur Erstberatung an die Gemeinsame Servicestelle weiterleiten. Bei neurokompetentem Unterstützungsbedarf wird die Gemeinsamen Servicestelle unterstützende Beratungen durch die Therapeuten der Helene-Maier-Stiftung erhalten.

Das Projektteam hat, wie bereits dargestellt, einen spezifischen Aufnahmebogen entwickelt (Anlage 15), der alle Aspekte dieser kritischen Übergänge und Rahmen der Bedarfe erfasst. Mit dem beiliegenden Netzwerkkatalog (Anlagen 14 a - f) werden unmittelbar Kontaktstellen für das zielführende Weiterlotsen zugänglich. Ebenso erzeugt dieser Überblick ein Bewusstsein für bereits bestehende Netzwerke und Kompetenzen in Sachsen. Die Nachhaltigkeit wird vom Projekt dadurch erzeugt, dass mehrere Materialien an das Sachsen- und Bundesweite MeH-Netzwerk verteilt und somit nutzbar gemacht werden. Dazu gehört eine Projektbroschüre mit den Ergebnissen des Projektes als Wissensgrundlage (Anlagenkategorie F) und der neurokompetente Erstgesprächsbogen mit Erklärungsanhang (Anlagen 15 und 16). Dieser leitet den Beratenden neuropsychologisch sinnvoll durch das Gespräch. Diese Vorgehensweise steigert die Handlungs-, Beratungs- und Lotsenkompetenz. Einschränkend muss man sagen, dass diese Materialien erst

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einmal eine Basis für bessere neurokompetente Beratung geben. Eine Multiplikatorenschulung und Weiterbildung für den praktischen Umgang oder den Umgang mit Krisensituationen ersetzen sie jedoch nicht. Hier sieht das Projektteam eindeutigen Bedarf, in einem fortführenden Projekt mittels Schulung und Weiterbildungsbedarfsanalyse, die Bedarfe der Beratenden zu konkretisieren.

Beratungsbedarfe der Betroffenen ergaben sich, nach Auswertung der Pilotberatungen, in Bezug auf das Schädigungsereignis von Betroffenen unmittelbar, nach ein bis fünf Jahren und nach zehn und mehr Jahren. Hier wären eine weitere Nachhaltigkeitsstrategie für die Versorgung der Betroffenen, eine Kontaktdatenbank mit und regelmäßige Kontaktangebote für alle Ratsuchenden einzurichten. Somit könnte man problematische Versorgungssituationen im Blick behalten und neue Fälle präventiv auffangen. Diese Ratsuchenden-Datenbank könnte ebenfalls Teil eines Folgeprojektes sein. Beispielhaft wird eine solche Datenbank bei der Versorgung von Schlaganfallpatienten in den Stroke Units und kooperierenden Kliniken bereits eingesetzt, sodass Patienten mit Vorerkrankungen bei nächsten Kontakten schnell gefunden und deren Versorgungs- und Behandlungsbedarfe zügig abgerufen werden können.

Des Weiteren ist die Helene-Maier-Stiftung Mitglied des Bundesweiten Netzwerkes für Beratung (BNB) von MeH und ist hier als Beratungsansprechpartner gelistet. In diesem Verbund ist die schnelle Vernetzung im Sinne der Betroffenen erleichtert und kann nachhaltig das Lotsen erleichtern. Weitere Verankerungsstrukturen mit einer mobilen neurokompetenten „Bauchladenberatung“ sollte mit Rehakliniken und deren Sozialdiensten eingerichtet werden. Um eine professionelle Datenbank der Netzwerkpartner innerhalb Sachsens zu erstellen, sieht das Projektteam allerdings den Bedarf, ein Folgeprojekt mit Förderschwerpunkt auf Vernetzung und Erstellung einer Netzwerkplattform zu initiieren.

Implementierung des Schulungskonzeptes

Das Schulungskonzept wurde als passend und bedarfsentsprechend für WfbM, Hilfeplangespräche und unspezifische Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen eingeschätzt. Momentan entwickelt sich mit der Arbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Menschen mit erworbener Hirnschädigung eine Initiative, die von spezialisierten und aus Erfahrung sprechenden Angeboten für Menschen mit erworbener Hirnschädigung profitieren können. Die Qualitätskriterien, nach denen das Schulungskonzept ausgerichtet ist, wurden im Bundesweiten Netzwerk für Beratung (BNB) von Menschen mit erworbener Hirnschädigung sowie auf dem Nachsorgekongress 2016 (Anlage 1f) vorgestellt. Die bestehende Struktur des BNB wird voraussichtlich die Qualitätskriterien und Beratungsempfehlungen nutzen, um Bundesweite Beratungsstandards zu etablieren. Damit besteht die Möglichkeit, dass die hier entwickelten Konzepte für Beratung und Schulung Bundesweit verbreitet und angewendet werden. Das Schulungskonzept wird als Kopiervorlage allen Netzwerkpartnern in Sachsen sowie im Bundesweiten Netzwerk für Beratung in Deutschland zugänglich gemacht.

Und seit einiger Zeit entwickelt sich eine Bewegung namens WfMeH (Werkstatt für Menschen mit erworbener Hirnschädigung), die gerade selbständig Bedarfe, Weiterbildungen und Schulungen für MeH in WfbM entwickeln und implementieren will. Dies ist eine mögliche Struktur, in welcher die hier entwickelten Konzepte zukünftig angedockt und verbreitet werden könnten.

Ergebnisstand

Der Arbeitsauftrag im AP 4.2 ist vollständig, frist- und zielgerecht erfüllt. Die Handreichungen wurden fertiggestellt und gemeinsam mit den Projektergebnissen zu einer Broschüre zusammengefasst (Anlagenkategorie F). Druck und Versand der Broschüre erfolgten.

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Ergebnisbewertung Nachhaltigkeitsphase

Der Arbeitsauftrag der Nachhaltigkeitsphase ist in AP 4.1 erfüllt. Auf Grund der bisher erarbeiteten Teilergebnisse ist eine vollständige, frist- und zielgerechte Erfüllung bis zum Abschluss des Arbeitspaketes erreicht. Die Ziele des AP 4.2 konnten frist- und zielgerecht erfüllt werden.

Die Nachhaltigkeit des Projektes wird aus derzeitiger Perspektive nur als langfristig wirksam angesehen, wenn sichergestellt wird, dass ein Folgeprojekt beantragt wird, um außerhalb Dresdens Kooperationsstrukturen für die Ankerung von Beratung in weiteren Regionen Sachsens auszubauen. Denkbar wären hierfür zusätzliche mobile Angebote, die sich auf die bereits entwickelten standardisierten Leitfäden, Beratungsstandards und Anamnesebögen beziehen. Diese können als Einstieg für die Unterstützung von Kliniksozialdiensten in Rehakliniken und kognitiven Tageskliniken weitergegeben werden.

III. Zusammenführung der Projektergebnisse

AP 5.1 - Qualitätsstandards und Ableitung der Beratungsbedarfe

Die Qualitätsbereiche I-IV dienen als Orientierungshilfe und Handlungsleitfaden für die Beratung von MeH. Jeder der vier Qualitätsbereiche beschreibt eine Dimension, auf der die Kriterien für gute und bedarfsgerechte Beratung für Menschen mit erworbener Hirnschädigung beschrieben werden. Das Projektteam hat diese Qualitätsbereiche über den gesamten Projektzeitraum überarbeitet und an die Bedarfe, die aus den Pilotberatungen und bestehenden Beratungskonzepten ableitbar waren, angepasst (Abb. 7).

QB I Beratung

• Kontextsensitivität • Prozessorientierung • Niedrigschwelligkeit • Transparenz

QB II Berater

• Fachwissen (Neuropsychologie; Sozial- und Leistungsrecht)

• Metakognitive Beratungskompetenz • Proaktive Grundhaltung

QB III Adressatenorientierung

• Neurokompetenz (explizit, implizit) • Mobilität

QB IV Lotsenfunktion

• Netzwerkkompetenz (extern, intern) • Medienkompetenz • Neutralität

Abb. 7. Qualitätsbereiche und zugehörige Qualitätskriterien.

Vor dem Hintergrund der in der Helene-Maier-Stiftung vorliegenden bestehenden Kompetenz in der Arbeit mit der Zielgruppe MeH und nach 56 Pilotberatungen konnte das Projektteam eine abschließende Evaluation dieses Qualitätsmodells vornehmen. In der Pilotphase wurden diese Qualitätsbereiche und -kriterien auf Gültigkeit und Praxisrelevanz überprüft, erweitert und zu einem Qualitätsmodell verallgemeinert. In der Evaluationsphase wurden diese nach Austausch mit dem regionalen Netzwerk (s. AP 4.1, Meilensteinworkshop) und dem überregionalen Netzwerk (Bundesweites Netzwerk Beratung BNB, Workshop Nachsorgekongress 2016) überarbeitet und finalisiert (s. Broschüre, Anlagenkategorie F). Die Zusammenfassung der Qualitätsbereiche und der statistischen Auswertung der Beratungen erlaubt die folgenden Ableitungen über den Bedarf von Beratung für Menschen mit erworbener Hirnschädigung in Sachsen.

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Qualitätsbereich I: Beratung

In Anlehnung an die Grundsätze guter Beratung (nfb, 2010, 2011) vom Nationalen Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (nfb) konnte die Kontextsensitivität als Rahmen für gute Beratung von MeH identifiziert werden. Die kontextsensitive Neurorehabilitation erlaubt, „die Patienten dort abzuholen, wo sie sich im wirklichen Leben befinden (Frommelt, 2010, S. 4).“ Dieses Kriterium erlaubt dem Beratenden, die Ausgangssituation des Betroffenen bezüglich des Gesundheits- und Versorgungssystems zu verstehen und Schnittstellen(-probleme) zu antizipieren. Orientierungshilfe ist das Phasenmodell der Neurorehabilitation (Erläuterung S. 3. Sachbericht, S. 5). Mit diesem Wissen kann die Zuständigkeit der Leistungsträger zielgenau eingeordnet und eine schnellere systemische Passung von individuellen Bedarfen und Grenzen durch das Umfeld gefunden werden.

Die statistische Auswertung der Pilotberatungen zeigte (vgl. Tab.1, Abb. 8), dass ein Zehntel der Betroffenen unmittelbar in die Beratung kommt, ein Viertel ein bis fünf Jahre nach Schädigungsereignis und ebenfalls ein Viertel erst über zehn Jahre nach Schädigungsereignis. Das bedeutet, auffällig mehr Ratsuchende suchen längere Zeit nach Schädigungsereignis die Beratung auf, als unmittelbar akut. Betroffene kamen aus allen Rehabilitationsphasen (A - E; F ausgeschlossen) in die Beratung. Das Wissen um die Rehabilitationsphase ist daher dem Beratenden eine hilfreiche Orientierung, um phasenrelevante Fragen mit dem Betroffenen zu identifizieren und besprechen.

Abb. 8. Zeitraum nach dem Betroffene die Beratung nach Schädigungsereignis aufsuchen: Circa ein Drittel unmittelbar bis zu einem Jahr, jeweils ein Viertel ein bis zu fünf Jahren oder nach über zehn Jahren, ein Fünftel zwischen fünf bis zehn Jahren.

Diese Erkenntnisse unterstützen die Entscheidung, die Rehabilitationsphasen als Orientierungsrahmen für eine MeH-spezifische Beratung zu nutzen und verdeutlichen wie wichtig die Kontextsensitivität ist.

Die Fallverläufe bei MeH erfordern eine prozessorientierte Beratung. Im Verlauf der stationären Rehabilitation, ambulanten Betreuung, Integration und Hinführung zu höchstmöglicher Teilhabe der Betroffenen müssen alte und neue Einschätzungen immer wieder abgeglichen werden mit den aktuellen Entwicklungen. Der Betroffene entwickelt durch das Zusammenspiel von Möglichkeiten und Grenzen des Umfeldes und innerer Entwicklung vor allem an Übergängen zu neuen Lebensphasen (von sich oder dem versorgenden sozialen Netzwerk) stetig neue oder veränderte Bedarfe, die erneute Beratung nötig machen. „Beeinträchtigungen, verbliebene Fähigkeiten und vorhandene Ressourcen sollten voraussichtlich zur Basis einer Änderung des bisherigen Lebensentwurfes werden und so die Tatsache einer bleibenden Behinderung in den Lebenslauf [integrieren] (Schmidt-Ohlemann, 2013)“. Diese voraussichtliche Integration, wie sie Schmidt-Ohlemann fordert, ist allerdings im Lebensalltag durch kleine und größere Unwägbarkeiten nicht weit im Voraus berechenbar. Diese Empfehlung wird daher dahingehend umgedeutet, dass eine prozessbegleitende, also das Leben und seine Veränderungsprozesse im Moment aufnehmende,

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Beratung notwendig ist, die nach fünf, acht, zehn und mehr Jahren immer wieder von Betroffenen angefordert werden kann. Oder es wird ein zugehendes Beratungsprozedere eingerichtet, das die ehemaligen Ratsuchenden in regelmäßigen Abständen nach dem Entwicklungsstand befragt und einen Kontaktraum anbietet. Prozessorientierte Beratung eignet sich vor allem bei Krisen, Entscheidungsfindungsprozessen und neuen Lebensentwicklungen, die bei MeH stärker als in „normalen Biografien“ auftreten. Die Untersuchung der Pilotberatungen zeigte, dass in 73,2 % der Fälle eine durchschnittliche Komplexität vorlag (ergibt sich aus der Anzahl der Beratungstermine und besprochenen Themenfelder), in 21,4 % der Fälle eine überdurchschnittliche Komplexität und in 5,4 % eine weit überdurchschnittliche Komplexität vorlag. Letzteres kann bedeuten, dass z. B. bis zu 6 Sitzungen zur Klärung vieler verschiedener Problemthemen notwendig waren. Somit sollte der Beratende gerade wegen dieser Schwankung in der Komplexität in den Beratungen auf schwierigste bzw. komplexeste Situationen vorbereitet sein.

Niedrigschwelligkeit beschreibt das Angebot verschiedener alltagsnaher Zugangswege, die dem Ratsuchenden die Kontaktaufnahme oder das in Kontakt kommen erleichtern. Auf den Klienten zugehende bzw. niedrigschwellige Beratung verringert die Hemmschwelle, die bei Betroffenen zumindest so hoch ist, dass in den Pilotberatungen von Perspektiven Öffnen die Betroffenen zu 35 % (n = 21) in Begleitung der Angehörigen und nur zu 23 % (n = 15) alleine kamen bzw. den Kontakt zur Beratung aufnahmen. In 25 % der Beratungen wurden die Betroffenen komplett durch die Angehörigen vertreten (Abb. 9).

In 32,2 % der Fälle fand die Beratung niedrigschwellig in Form eines telefonischen Beratungsgespräches oder per Mail statt (davon 28,6 % telefonisch und 3,6 % per Mail). Damit geht einher, dass auch eine Barrierefreiheit im Sinne einer zentralen Lage und guten Erreichbarkeit gegeben ist. Dazu gehört ebenso gute rollstuhlgerechte Anreisemöglichkeit mit öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln, und rollstuhlgerechte sanitäre Einrichtungen und Wege im Beratungsgebäude.

Abb. 9. Ratsuchende in der Beratung: Angehörige, Betroffene allein, Angehörige mit Betroffenen und Professionelle Berater.

Die Transparenz in der Beratung ist für die Zusammenarbeit mit MeH fundamental: „Beratende machen Zielsetzungen, Inhalte und Struktur des Beratungsangebotes bekannt und fur alle Zielgruppen leicht zuganglich [und] veranschaulichen ihre Beratungsangebote in verstandlicher Form mit allen wesentlichen Kriterien (z. B. Beratungsform, Erreichbarkeit, Standards, Qualitatssicherung) gegenuber allen relevanten Akteursgruppen (z. B. Ratsuchenden, Kooperations- und Netzwerkpartnern, politischen Akteuren (nfb, 2014, S. 12)“. Aufgrund der Vermittlungs- und Lotsenfunktion in der Beratung von MeH ist diese Transparenz gegenüber den Ratsuchenden aber auch gegenüber dem Beratungsnetzwerk eine wichtige und stabilisierende Grundlage für langfristige Kooperationen und Vertrauensaufbau.

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Qualitätsbereich II: Beratender

Die primäre inhaltliche Kompetenz des Beratenden ist, Neuropsychologisches Fachwissen vorzuhalten. Dieses ist die Basis für Verständnis, Handlungswissen und Kommunikation über die Bedarfe des Ratsuchenden in der Beratung von MeH. Dies ist ein Teil der “Neurokompetenz”, die die spezifische Ausrichtung der MeH-Beratung erfordert. Diese Kompetenz ist in anderen Bereichen der Behindertenberatung, Bildungsberatung oder Lebensberatung so nicht vorhanden und wird daher als gesonderter Qualitätsbereich (QB III) unter dem Begriff Adressatenorientierung im Detail beschrieben.

Eine weitere inhaltliche Kompetenz stellt das Grundlagenwissen in Sozial- und Leistungsrecht dar. Die Betroffenen sind, solange es einen Leistungsträger gibt, in der Planung ihrer Zukunft finanziell und lebensstrategisch an die Zusammenarbeit mit den Institutionen der Gesundheitsversorgung gebunden. In 50 % der Pilotberatungen wurden Fragen zum Versorgungssystem an die Beratenden herangetragen (vgl. Abb. 5). Dazu gehören die Unterkategorien „Rechtliche Fragen“, „Kostenträgerschaft und Zuständigkeiten“ sowie „Strukturierung von Wohnen, Freizeit und Tagesbeschäftigung“. Jeder dritte Ratsuchende hatte Fragen zum Bereich „Beruf“, wozu die Unterkategorien „Rückkehr in Arbeit“, „Neuorientierung“ sowie „Bisherige Empfehlungen und Einschätzungen bzgl. der Arbeitsfähigkeit“ gehören.

Abb. 10. Prozentuale Häufigkeit der Beratungsthemen

Weniger vorstrukturiert und mit rein sozialrechtlichem Wissen abbildbar ist die Kompetenz des Beratenden, Alltagsstrukturen für Wohnen, Arbeit und Freizeit so einzurichten, dass sie sinnvoll ineinandergreifen. Die Pilotberatungen ergaben, dass die Beratung zur Versorgungsstruktur (Abb. 10), also das Zusammenspiel von MeH-gerechtem Wohn- und Arbeitsalltag, am häufigsten angefragt wurde. Für diese Versorgung braucht es ein gutes regionales Netzwerk und Verhandlungsgeschick, v. a. mit den Kostenträgern und Anbietern, um individuell funktionierende und sinnvolle Modelle zur Unterstützung der Teilhabe zu finden. Die Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft und Arbeit sind sehr wichtige und häufig nachgefragt Fragestellungen. Dies erklärt, weshalb Grundkenntnisse im SGB IX, SGB XII und SGB XI so essentiell für den Beratenden sind.

Das Wissen um Sozial- und Leistungsrecht überschneidet sich hier stark mit der Netzwerkkompetenz (QB IV). Dies zeigt sich auch bei dem Aspekt der Schwere der Beeinträchtigung der Betroffenen (Abb. 11): Nach den Grundsätzen der Gesamtbewertung von Hirnschäden (Knittel, 2008) wurden Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung dem Grad der Behinderung (GdB) 30 bis 40 zugeordnet, mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung dem GdB 50 bis 60 und Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung dem GdB 70 bis 100.

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Der häufigste GdB war 70 bis 100 bei 55 % (n = 17) der Betroffenen, gefolgt von GdB zwischen 50 bis 60 bei 26 % (n = 8) und ein GdB von 30 bis 40 bei 6 % (n = 2). Ein GdB von 0 lag bei 13 % (n = 4) vor. Der Großteil der Betroffenen war mit einem GdB von 70 bis 100 schwer beeinträchtigt und benötigte besondere und komplexe Beratung. Diese kann ohne Vernetzung und Lotsen zu sozial- und leistungsrechtlichen Beratungsangeboten nicht umfassend geleistet werden.

Abb. 11. Grad der Behinderung (GdB) bei den Betroffenen.

Die Metakognitiven Kompetenzen betreffen im Gegensatz zum inhaltlichen Fachwissen die Fähigkeiten der Gesprächsführung, des Konfliktmanagements und Strategien zur Stressbewältigung. Eine systemische Ausbildung zum Berater oder Therapeut sowie Kenntnisse in Prozessbegleitung erleichtern die Arbeit mit dem komplexen Gefüge von Strukturen des Familienumfeldes, der Leistungsträger, Therapeuten und Fachärzte. Vor allem die Kommunikation zwischen diesen Systemen erfordert Mediation und Aufklärung zwischen den und für die einzelnen Parteien. So müssen die passenden Erklärungen angebracht werden, um Missstände in einer „hirngeschädigten Familie“ zu verdeutlichen. Insgesamt 83 % aller Beratungsanfragen kamen bei den Pilotberatungen vom direkt betroffenen System (MeH und Angehörige) und 17 % vom Helfersystem, wie z. B. professionellen Helfern. Professionelle Helfer erfragten in der Regel Kontakte und Informationen für die bei Ihnen eingegangenen Beratungsersuche. 18 % der Beratungsanfragen von Angehörigen galten ausschließlich den eigenen Belangen der Angehörigen. Aus „therapeutischer Sicht“ ist in komplexen Gesprächssituationen metakognitive Beratungskompetenz eine wichtige Voraussetzung, um konstruktive und zielführende Gespräche zu führen, welche bei mangelnder Krankheitseinsicht, Verhaltensauffälligkeiten, Spracheinschränkungen oder angespannten familiären Verhältnissen mit den Angehörigen und Betroffenen emotional „geladen“ sein können. Die Pilotberatungen zeigten, dass der Beratende bei einem Fünftel aller Beratungen mit äußerst komplexen Situationen und Konstellationen rechnen muss. Etwa 22 % der Ratsuchenden hatten ein Anliegen zum Bereich „Neuropsychologie“, wo u. a. Auswirkungen der Schädigung auf das (familiäre) Umfeld thematisiert und dazu beraten werden musste.

Eine Proaktive Grundhaltung ist aufgrund der unklaren sozialrechtlichen Verankerung und schweren Zuordenbarkeit der Rechte von MeH wichtige Voraussetzung für Veränderung. Da der Begriff „erworbene Hirnschädigung“ kein eigener Behinderungsbegriff ist und MeH teilweise zu den körperlich, teilweise zu den geistig und teilweise zu den seelisch behinderten Menschen gezählt werden können, bewegt sich das Versorgungssystem oft in Grauzonen und Ermessensspielräumen. Somit kann der Beratende mit einer aktivierenden und einfordernden Haltung Türen öffnen und individuelle Wege für den Betroffenen finden.

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Qualitätsbereich III: Adressatenorientierung

„Neurokompetenz wird der bewusste Einsatz von neurowissenschaftlichen Kenntnissen und klinischen Erfahrungen aller an der Neuro-Rehabilitation beteiligten Disziplinen in allen Phasen der neurologischen Rehabilitation verstanden. Der Begriff drückt aus, dass es sich um störungsbildspezifische Kenntnisse und Erfahrungen bezüglich erworbener Hirnschäden handeln sollte, insbesondere im Hinblick auf die neuropsychologischen Problemstellungen und ihre Relevanz für das alltägliche Handeln und die rehabilitative Praxis (Schmidt-Ohlemann, 2013).”

Die Neurokompetenz fasst das Wissen um die Krankheitsfolgen und die krankheitsbedingten Einschränkungen sowie die metakognitive Beraterkompetenz bezüglich der Gesprächsführung und Kontextsensitivität zusammen. Mit Einschätzung des Standes der Krankheitsverarbeitung und –wahrnehmung sowie des Rehabilitationskontextes kann der Beratende inhaltlich das Gespräch lenken. Somit kann eingeschätzt werden, welche Anliegen des Betroffenen realistisch, für den Krankheitsprozess förderlich oder hinsichtlich der jeweilig relevanten Rehabilitationsphase angemessen sind. Bei 22 % der Beratungen benötigten die Ratsuchenden neuropsychologische Auskünfte. Dazu gehörten Aufklärung und Psychoedukation über die Hirnschäden, Krankheitsakzeptanz und –verarbeitung als auch Auswirkungen der Schädigung auf das (familiäre) Umfeld. Insofern ist explizite Neurokompetenz für direkte neuropsychologische Fragestellungen und Beratung nötig.

Die implizite Neurokompetenz ist für den kompetenten Umgang und Gesprächsführung mit den Ratsuchenden erforderlich z. B. mit Nutzung leichter Sprache, verständlicher Darstellung neuropsychologischer Sachverhalte oder Berücksichtigung der Aufmerksamkeitsspanne des Betroffenen. Das Wechselspiel von expliziter und impliziter neuropsychologischer Kompetenz definiert die Neurokompetenz des Beratenden.

Die mobile Beratung (Mobilität) ist ein Angebot, das sich an verschiedenen Stellen im System öffnet; der Mehrgewinn dieser Leistung besteht in der Kompetenzentwicklung und Ankerung im bestehenden System. Die Hälfte aller Pilotberatungen (53,5 %; davon 7,1 % Hausbesuche) fand als mobile Beratung beim Kooperationspartner Gemeinsame Servicestelle der Verwaltungs- und Berufsgenossenschaft (VBG) Dresden oder zu Hause bei den Betroffenen statt (s. AP 2.3). Die Mobilität vereinfacht den Zugang zum Beratungsangebot. Hausbesuche wurden zum Ende des Projektzeitraumes zunehmend wahrgenommen.

Qualitätsbereich IV: Lotsenfunktion

Mit der Vielfalt der Beratungsthemen, die breites und tiefgründiges Wissen auf allen Bereichen erfordern, wird offensichtlich, dass die spezifische Beratung für MeH vor allem eine Verweisberatung ist, die sich aus der Netzwerkkompetenz, Medienkompetenz und einer Neutralitätshaltung des Beratenden zusammensetzt. Wie bereits im Qualitätsbereich II beschrieben wurde, ist die Lotsenfunktion auch fundamental, da in vielen komplexen Beratungsanfragen sehr spezifische Fragen meistens aus dem Versorgungssystem zu beantworten sind, bei denen das Verweisen zum passenden Netzwerkpartner essentiell für eine bedarfsgerechte Lösung ist.

Die Netzwerkkompetenz besteht aus zwei Facetten: der internen und der externen Netzwerkkompetenz. Die externe Netzwerkkompetenz ist die Fähigkeit, das Netzwerk auf sich aufmerksam zu machen, sodass es Ratsuchende an die Beratung weiterleitet. Zur Lenkung des Zulaufs der Ratsuchenden gehört, dass das regionale Netzwerk darüber informiert ist, dass und mit welchem Leistungsspektrum eine neurokompetente Beratung angeboten wird. Regelmäßiger Austausch und die Pflege guter Arbeitsbeziehungen mit den Kolleginnen und Kollegen sind Kriterien externer Netzwerkkompetenz. Die Ergebnisse der Pilotberatungen zeigten: In 73,2 % (n = 41) der Beratungen kamen die Ratsuchenden aufgrund von Empfehlungen von Netzwerkpartnern zur Pilotberatung, 9 % kamen über Internetrecherche auf die Homepage der Beratung und 18 % kamen u. a. durch Bewerbung der Beratung auf dem Hoffest und

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Gutsnachrichten der Stiftung und Vorstellung des Projektes in Kliniken und Netzwerkpartnern. Die Empfehlungen erfolgten zumeist aus dem professionellen Helfernetzwerk aus dem Raum Dresden, (S. Anlage 14 a - f), zu denen auch Kliniksozialdienste, Selbsthilfegruppen und andere Beratungsangebote gehören. Der Großteil davon wurde mittels Vorträgen und Schulungen von Perspektiven Öffnen zu Besonderheiten von erworbenen Hirnschädigungen auf das Beratungsangebot aufmerksam. Außerdem wirkten Beschäftigte der Helene-Maier-Stiftung sowie Maßnahmeteilnehmer und Freunde/Bekannte der Stiftung als Vermittler; ebenso Veröffentlichungen und Feste der Stiftung. Das lokale Netzwerk sollte an oberster Priorität bei der Vernetzungsarbeit der Beratenden stehen. Da die Projektergebnisse zeigten, dass der Großteil der Ratsuchenden unmittelbar aus der Landeshauptstadt Dresden (49 %) kam, ein Drittel aus dem Umland (bis zu 50 km; 27 %) und ein kleinerer aber über die Projektlaufzeit anwachsender Anteil aus den ländlichen Regionen Sachsens (12,7 %). An zweiter Priorität sollte die bundesweite Vernetzung stehen, da die restlichen zehn Prozent der Ratsuchenden aus Bundesländern wie Bayern, Nordrheinwestfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen kamen.

Die Fähigkeit des Beratenden, die Ratsuchenden an die passenden Partner aus dem Netzwerk zu lotsen ist die interne Netzwerkkompetenz. Sie beschreibt die Verweiskompetenz des Beratenden selbst, seine Netzwerkpartner und deren Kompetenzen ebenso zu kennen, zu benennen und Ratsuchende passgenau zu lotsen oder ihnen Empfehlungen zu Netzwerkpartnern geben zu können. Die Ergebnisse der Pilotberatungen zeigten: In 48 % aller Beratungen gab der Beratende Informationen und Kontakte über Netzwerkpartner weiter, in 24 % fungierte der Beratende als Lotse und stellte Kontakte und Termine her.

Die Medienkompetenz wurde in den Pilotberatungen ebenfalls als bedeutsamer Aspekt in der MeH-spezifischen Beratung erkannt. Voraussetzung für eine kompetente Verweisberatung ist der sichere Umgang und Kommunikation durch moderne Medien, Online-Netzwerke, Email-Verteiler, Internetrecherchen und telefonische Gesprächsführung. Der Kontakt zur Beraterin wurde zu 10 % über Flyer bei Netzwerkpartnern und Kontaktstellen und Internetrecherchen gefunden. In 32,2 % der Fälle fand die Beratung in Form eines telefonischen Beratungsgespräches oder per Mail statt.

Ein wichtiger Faktor für eine vertrauensvolle professionelle Beziehung zwischen Beratendem und Ratsuchendem ist die Gewährleistung von Neutralität durch den Beratenden hinsichtlich der Empfehlung von Leistungen, Angeboten und Kontakten. Der Beratende vermittelt im Sinne des Ratsuchenden und nicht im Sinne monetärer oder anderweitiger Interessen. Alle Angebote werden neutral und trägerübergreifend vorgestellt und bedarfsgerecht in die Beratungsleistung einbezogen.

Die wichtigsten Aspekte aller Qualitätsbereiche und ihrer Kriterien wurden in dem Arbeitspapier „Leitlinien für kompetente Beratung von MeH“ für Beratende zusammengefasst.

Die Hauptergebnisse der dreijährigen Projektarbeit waren:

• 68,5 % der Betroffenen und Angehörigen kommen ein Jahr bis über zehn Jahre nach Schädigungsereignis in die Beratung. Davon 24,1 % erst nach über zehn Jahren.

• 25 % aller Beratungsanfragen sind Anfragen von Angehörigen, 23 % von professionellen Beratenden.

• 55 % aller Betroffenen, die Rat suchen, haben einen Grad der Behinderung zwischen 70 - 100 und sind damit schwer leistungsbeeinträchtigt.

• 47 % aller Anfragen drehen sich um Antragsstellung und Zuständigkeitsklärung, 30 % um berufliche Perspektiven und Teilhabe sowie 22 % aller Beratungen um neuropsychologische Fragen.

• Nur in 5 % der Beratungsfälle gelingt durch Beratung eine Integration in eine Maßnahme; in 15 % der Beratungen konnten nach drei Sitzungen keine neuen Perspektiven für die Betroffenen eröffnet werden.

• Über die Pilotberatungszeit hinaus bestand Beratungsbedarf und folgten neue Beratungsanfragen. Diese wurden, durch Stiftungsmittel finanziert, gesondert gefördert.

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Die Projektergebnisse zeigen auf mehreren Dimensionen Fortführungsbedarf bestehender Ansätze und Initiierung neuer Analysen an.

Ausblick

Die Projektarbeit wurde abgeschlossen und sieht in folgenden Feldern weiteren Handlungs- und Bearbeitungsbedarf:

1. Beratung für MeH in sächsischen Versorgungsstrukturen: Die Beratung von Menschen mit erworbener Hirnschädigung ist auf gut vernetzte Erst-, Verweis- und spezialisierte Beratungsstellen angewiesen. Mehr ausgebaut werden sollte die sachsenweite Bekanntmachung der bestehenden Strukturen durch Erarbeitung eines sächsischen Beratungskompasses für MeH, als Überblick für die Betroffenen, Angehörigen und professionellen Berater. Vor allem die ländliche Versorgung sollte in einem nächsten Projekt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden. Die Helene-Maier-Stiftung beabsichtigt, diese Projektidee weiter zu verfolgen.

Ebenso, begründet auch durch das neue Bundesteilhabegesetz, wird die Angehörigenberatung wichtiger werden. Die Helene-Maier-Stiftung hält hier die Idee vor, eine Angehörigenplattform oder ein Unterstützernetzwerk zu fördern.

Das neue Bundesteilhabegesetz wird die Peer-to-Peer-Beratung verstärkt fördern, was in einem Folgeprojekt eingebracht werden könnte, indem Ratsuchende (Angehörige und Betroffene) weitergebildet werden könnten. Damit könnte man die bestehenden Strukturen der Selbsthilfegruppen stärker einbinden und nutzen.

Zusätzlich zeigten die Projektergebnisse, dass die Erstellung einer digitalen Kontaktdatenbank, die regelmäßige Kontaktangebote und Beratungszeiträume anbietet, ein sehr hilfreiches Tool sein kann, um den typischen Versorgungsfallen und folgenden Versorgungsabbrüchen vorzubeugen.

Über den 30.06.2016 hinaus (Ende der Pilotberatungen) wurden über zehn neue sowie Folgeberatungen angefragt. Bis zum Projektende wurde dieser zusätzliche Arbeitsaufwand von der Stiftung entlohnt. Die nahtlose Fortführung der Beratung nach Projektende wird über die kooperierende Gemeinsame Servicestelle der VBG Dresden übernommen und vorübergehend über therapeutische Unterstützung aus der Helene-Maier-Stiftung ergänzt. Langfristig muss eine Weiterführung und Vertiefung dieser neurokompetenten und zeitintensiven mobilen MeH-Beratung über Querfinanzierungen anderer bestehender Strukturen oder mit neuen Projekten unterstützt werden. Der Bedarf wird durch die stetig wachsende Zahl von Betroffenen steigen und auf Dauer nicht neben alltäglicher Stiftungsarbeit bewältigt werden können.

2. Schulung: Enormer Schulungsbedarf besteht bei den Werkstätten für behinderte Menschen zum Umgang mit der wachsenden Zahl an MeHs in den Werkstätten. Eine systematische Schulung könnte durch Einbettung in die Strukturen der Diakonien in einem Folgeprojekt untersucht werden. Weitere Einrichtungen und Zielgruppen für Schulungen sollten in den Pflegestützpunkten und Selbsthilfegruppen exploriert werden: Vor allem die Schulung von Hausärzten bzgl. Neurokompetenz und Vernetzung sollte einen großen Effekt auf die Anbindung von Betroffenen haben, die aus dem Versorgungssystem herausgefallen sind bzw. bislang übersehen werden. Ein sinnvoller Zugang könnte die Anbindung von Schulungen an die Sächsische Landesärztekammer und deren Weiterbildungsangebote sein. Hausärzte sind ein bedeutsamer ambulanter Ansprechpartner für diejenigen, die nicht in der Rehaklinik verweilen, was immerhin 23 % der SHV-Patienten betrifft (n = 273.000, Rickels, 2006).

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IV. Literaturverzeichnis

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Brooks, D.N., Truelle, J.-L., et al. (1994). Beurteilungsbogen für Schädelhirnverletzungen. E.B.I.S. (European Brain Injury Society) Dokument 1. Teil. Verfügbar unter: http://www.ebissociety.org/EBISdocdeutsch.pdf [19.01.2015].

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Perspektiven öffnen – Inklusion als Chance für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen

SACHBERICHT ZUM PROJEKTABSCHLUSS (31.10.2016)

V. Anlagen

A - Veröffentlichungen

Anlage 1a - Übersicht der Veranstaltungen mit Projektpräsentationen 2016

Anlage 1b - Neue Chancen eröffnen, not (Zeitschrift), 2016-2

Anlage 1c - Beratungsstellen tauschen sich aus, not (Zeitschrift), 2016-1

Anlage 1d - Trägerübergreifende Kostenlose Beratung, Gutsnachrichten Helene-Maier-Stiftung, 2015 Herbst

Anlage 1e - Servicestelle? Perspektiven Öffnen!, VBG Zeitung MIEZE, 2016-01, S. 6

Anlage 1f - Rehabilitation und Nachsorge nach Schädelhirnverletzung, Tagungsband Nachsorgekongress 2016, ZNS Hannelore Kohl Stiftung

B - Meilensteinworkshop

Anlage 9 - Meilensteinworkshop Tagesordnung

Anlage 10 - Anwesenheitsliste Meilensteinworkshop

Anlage 11 - Meilensteinworkshop - Vortrag Aßmann

Anlage 12 - Moderationsfragen – Ablauf – Konzepte-Ebenen Meilensteinworkshop

Anlage 13 - Foto-Bilddokumentation Meilensteinworkshop

C – Anamnesebogen und Listen

Anlage 14a - Netzwerkliste 1 - Neuropsychologischer Unterstützungsbedarf

Anlage 14b - Netzwerkliste 2a - Rechtliche Fragen

Anlage 14c – Netzwerkliste 2b - Wohnen

Anlage 14d – Netzwerkliste 2c - Freizeitgestaltung

Anlage 14e – Netzwerkliste 3 - Beruf, Tätigkeit, Weiterbildung

Anlage 14f – Netzwerkliste 4 -Telefonische Beratung - deutschlandweit

Anlage 15 – Beratungsbogen Erstgespräch

Anlage 16 – Kategorien und Erläuterungen - zum Erstberatungsbogen

Anlage 17 – Beratungsbogen Folgeberatung

Anlage 18 – Beratungsbogen Erstgespräch 1.Entwurf

Anlage 19 – Beratungsbogen Folgeberatung 1.Entwurf

Anlage 20 – Evaluationsbögen Beratungsbögen Experten

D – Schulung

Anlage 21 - Feedback zur Schulung

F – Broschüre

Anlage 22 - Projektergebnisse