Sahnestückchen des Schwarzwalds Bürger machen...hören. Bislang konnte nur ein histori-scher Fund...

1
Bürger machen sich Gedanken übers Klima VIER FRAGEN AN Klimaforscher Martin Knapp aus Karlsruhe FREIBURG. Bei der ersten deutschen Bürgerkonferenz diskutieren heute 100 Baden-Württemberger in Karlsruhe über den Klimawandel. Zeitgleich gibt es ähnliche Konferenzen in 38 Län- dern, darunter Uganda und China. Die Empfehlungen der Teilnehmer werden im Dezember dem Kopenhagener Kli- magipfel überreicht. Martin Knapp or- ganisiert die Konferenz in Karlsruhe. Mit ihm sprach Sebastian Kretz. BZ: Was passiert auf Ihrer Konferenz? Knapp: Wir werden den ganzen Tag in Kleingruppen die gleichen Themen dis- kutieren wie die Delegierten auf der Welt- klimakonferenz. Am Ende beantworten die Teilnehmer weltweit dieselben Fra- gen. Die reichen von „Sollte man etwas gegen den Klimawandel tun?“ bis „Sollte man den Anstieg der CO 2 -Emissionen so begrenzen, dass das Klima höchstens um zwei Grad steigt?“ Die Essenz werden wir dann in eine Empfehlung einarbeiten. BZ: Und die kommt dann in Kopenhagen auf die Tagesordnung? Knapp: Nein, wir sind nicht offizieller Teil des Programms. BZ: Aber was bringt die Bürgerkonferenz denn dann? Knapp: Wir wollen die nationalen Dele- gierten vorab mit Informationen versor- gen. Außerdem ist unsere Schirmherrin, die dänische Ministerin für Klima und Energie, Gastgeberin der Weltklimakon- ferenz. Sie wird sich dafür einsetzen, dass die Botschaft die Delegierten erreicht. BZ: Interessieren sich die Menschen in Afrika für die gleichen Themen wie die Baden-Württemberger? Knapp: Das ist vorher schwierig zu sa- gen. Aber Menschen in weniger entwi- ckelten Regionen nehmen eher die Ver- änderungen ihrer Umgebung wahr. In Deutschland hingegen wird der Zusam- menhang von CO 2 -Emissionen und Erd- erwärmung als Problem erkannt. Martin Knapp FOTO: PRIVAT

Transcript of Sahnestückchen des Schwarzwalds Bürger machen...hören. Bislang konnte nur ein histori-scher Fund...

  • 6 b a d i s c h e z e i t u n g aus land und r egion samstag, 26 . september 2009

    Experten lassen Knochen sprechenRechtsmediziner untersuchen den rätselhaften Freiburger Knochenfund / Sicher ist nur, dass es kein historisches Skelett ist

    Vo n u n s e r e r R e d a k t e u r i nA l e x a n d r a S i l l g i t t

    FREIBURG. Der Fund von Kno-chenteilen am Freiburger Schloss-berg beschäftigt das Rechtsmedi-zinische Institut der Uniklinik.Mit Röntgengerät und Mikroskopanalysieren Experten die einzel-nen Fragmente. Schritt für Schrittversuchen sie das Knochenpuzzlezusammenzusetzen, hinter demsich die Identität eines Menschenverbirgt. Rechtsmediziner RainerAmberg erklärt, wie sie in einemsolchen Fall vorgehen.

    Mitte September entdecktenSpaziergänger am Schlossberg einKnochenstück. Die Analyse er-gab: Es stammt von einemmenschlichen Schädel. 25 Polizistendurchkämmten daraufhin mit Spürhun-den den steilen Waldhang unterhalb desSchlossbergturms und förderten Kno-chen um Knochen zutage. Noch ist un-klar, ob die Teile nur zu einem Skelett ge-hören. Bislang konnte nur ein histori-scher Fund ausgeschlossen werden.

    Der Freiburger Rainer Amberg ist seitmehr als 40 Jahren Rechtsmediziner, be-arbeitet allerdings nicht den Schlossberg-

    fund. „Eine Knochenanalyse folgt aberimmer einem ganz bestimmten Schema.“

    In der Regel erkennt ein Rechtsmedizi-ner auf einen Blick, ob es sich um einenMensch- oder Tierknochen handelt.„Nur bei Affe und Mensch sind die Ähn-lichkeiten groß“, sagt Amberg. Liegennur Bruchstücke vor, hilft eine chemischeAnalyse bei der Bestimmung.

    Das Alter eines Skeletts kann anhanddes Beckenknochens, des Gelenks zwi-

    schen Schlüssel- und Brustbeinund des Schädels bestimmt wer-den. Der Kopf besteht aus mehre-ren Knochen, die erst im Lauf derder Zeit zusammenwachsen, einestark gezackte Linie bleibt abersichtbar. „Ist diese Naht im In-nern des Schädels vollständig ge-schlossen, war der Mensch älterals 30 Jahre“, erklärt Amberg.

    Bei der Bestimmung des Ge-schlechts helfen Schädel undHüfte weiter: Ein breites Beckenweist auf eine Frau hin, eine engeHüfte auf einen Mann. Am Kopfkann das Geschlecht an dreiPunkten bestimmt werden: anden Knochen über den Augen,unter den Ohren und am Hinter-kopf. „Sie sind bei Männern stär-

    ker ausgeprägt.“ Liegen nur Knochenfrag-mente vor, muss der Experte hoffen, dasssich DNS extrahieren lässt – die den To-ten womöglich sogar identifiziert.

    Die Identifikation hängt von vielenFaktoren ab. „Je kürzer der Tod zurück-liegt, desto eher findet man noch Erbgut“,sagt Amberg. Bei alten Knochen sei dieDNS oft nur in Bruchstücken erhaltenoder durch Pilze verunreinigt. Aber auchwenn die Wissenschaftler fündig werden:

    „Ein Toter kann nur über die DNS identi-fiziert werden, wenn sie in einer Daten-bank gespeichert ist.“ Sonst muss derRechtsmediziner Krankenakten abglei-chen: Haben Brüche am Knochen Spurenhinterlassen? Kann man das Gebiss demRöntgenbild eines Zahnarztes zuordnen?

    Auch die Liegezeit spielt eine großeRolle. „Am Schlossberg skelettiert eineLeiche im Sommer binnen zwei Wo-chen“, so Amberg. Gerade für die Polizeiist die Bestimmung des Todeszeitpunktswichtig. „Ist ein Knochen älter als 75 Jah-re, wird er für sie uninteressant.“ Unab-hängig von der Todesursache. Mord ver-jährt nicht, doch die Wahrscheinlichkeit,dass der Täter noch lebt, ist gering.

    Ein Skelett liefert Informationen überdie Vergangenheit des Menschen, seineLebensgewohnheiten, seine Krankheiten– und die Umstände des Todes. EineKerbe im Knochen deutet womöglich aufeinen Messerangriff hin. „Liegen nurFragmente vor, kann diese Frage aber viel-leicht nie geklärt werden.“

    Am Ende der Analyse steht das Gut-achten. „Hinter die Geschichte einesKnochens zu kommen ist Puzzlearbeit“,sagt Amberg. Und das braucht Zeit. Jenach Fund könne es Wochen dauern, ehedie Untersuchung abgeschlossen sei.

    Sahnestückchen des SchwarzwaldsBei den Fallers dreht sich derzeit alles um den Westweg / Aufnahmen für die Erfolgsserie auf der Weißtannenhöhe bei Breitnau

    Vo n u n s e r e r R e d a k t e u r i nS i m o n e H ö h l

    BREITNAU. Hermann Faller steht von derBank am Waldrand auf, geht ein paarschwere Schritte, öffnet die Arme, ruft„Blümle!“. „Aus!“, unterbricht ein ande-rer. Hermann zieht’s dennoch voll durchund umarmt die Frau vor sich. Allerdingsist das gar nicht Ehefrau Johanna, sonderneine Ersatzfrau zum Proben. Und Johannaund Hermann sind in Wirklichkeit auchgar nicht verheiratet, sondern die Haupt-figuren der Fernsehserie „Die Fallers“,die an diesem Nachmittag für Dreharbei-ten bei Breitnau auf dem Westweg wan-dern – gut, nicht exakt auf dem echtenWestweg, aber doch ganz nah am Origi-nal. Denn dieses ist einige Meter entferntund wird, na klar, durch eine Fälschungausgewiesen: Weil das richtige Zeichenmit der roten Raute wenig filmreif an ei-nem Baum hängt, wurde ein eigener Weg-weiser angefertigt und dazu ein Weg-kreuz, das ebenfalls täuschend echt aus-sieht und sich perfekt für die Aufnahmenplatzieren lässt. Die Fallers – eine Eigen-produktion des SWR, die einzige Serie inDeutschland, die ein öffentlich-rechtli-cher Sender herstellt, und ein echter Dau-erbrenner: Die erste Folge ging gesternvor 15 Jahren auf Sendung, morgen,Sonntag, läuft ab 19.15 Uhr Teil 620.

    Auf der Weißtannenhöhe bei Breitnauwird bereits für Folge 665 geprobt, die ineinem Jahr ausgestrahlt wird, jetzt auchmit Johanna „Blümle“ Faller, die mit ihrerFreundin Leni den Westweg bewandertund Hermann trifft. Wieder und wiederbegrüßen sich die Darstel-ler probehalber, Johannaruft „Brummel!“, Leni sagt„Lass dich drigge, Her-mann!“, der Regisseur gibtAnweisungen. Um dasSchauspiel scharen sich gut30 Leute, Aufnahmeleiter,Beleuchter, Tonmänner, Maskenbildner,Requisiteur und Handwerker. Irgend-wann ist alles im Kasten.

    Außenaufnahmen sind eine kompli-zierte Kiste. Nur 30 Prozent der Faller-Szenen entstehen nicht im Studio in Ba-den-Baden. Dort dreht das Team durch-schnittlich zehn Sendeminuten an einemTag, draußen schafft es nur die Hälfte.Denn die ganze Ausrüstung muss mit Las-tern angekarrt, auf- und wieder abgebautwerden. Am Waldrand bei Breitnauschleppt das Team Boxen, Scheinwerferund Kameras für die nächste Einstellung

    einige Meter weiter, zieht Kabel durchden Wald, stellt das Zelt, in dessen Dunkelder Regisseur die Bilder der Kamerasgleich kontrolliert, auf den echten West-weg. Auf dem laufen Wanderer verwun-dert Slalom, viele bleiben neugierig undsichtlich erfreut eine Weile stehen.

    Auch für die Schauspieler sind solcheDrehtage etwas Besonderes. „Ja herrlich,

    vor allem, wenn es so ist“,schwärmt Ursula Cantienialias Johanna und macht ei-ne Handbewegung Rich-tung blauen Himmel undBilderbuchlandschaft. Dieganze Woche bis heute istdas Team in der Region un-

    terwegs, filmt auch im Fallerschen Säge-werk, um dessen Lage der SWR genausoein Geheimnis macht wie um den reale-xistierenden Fallerhof. Hier wie da wirdnämlich wirklich gelebt und gearbeitetund man will vermeiden, dass Fans inScharen hinpilgern.

    Drehorte wie die für die Westweg-Fol-gen sucht Szenenbildnerin Gertrud Ess-linger anhand des Drehbuchs aus. Für siemuss es nicht immer der Originalschau-platz sein. „Wirkung geht vor Wirklich-keit“, sagt die 51-Jährige, schließlichdreht man ja keinen Dokumentarfilm.

    Wichtiger ist, dass die Stimmung stimmt.Etwa der Ausblick: „Wir wollen natürlichdie Sahnestückchen vom Schwarzwaldzeigen.“ Gleichzeitig müssen die Orteauch mit Lastwagen voller Technik er-reichbar sowie fern von Lärmquellen wieBaustellen sein.

    Bei aller notwendigen künstlerischenFreiheit legt Gertrud Esslinger, die auchfür Gestaltung zuständig ist, Wert auf Au-thentizität. Sie hat auch das Wegkreuzentworfen, das liebevoll mit alten Schin-deln, bemoostem Schummel-Sandsteinund weißem Vogelschiss ausgestattet ist.Der allerdings strahlt nun in der Sonne zugrell, und für die Aufnahmen wird etwasDreck drüber gerieben.

    –Für Ursula Cantieni warWandern immer ein Thema

    Über den Westweg rückt eine Wander-gruppe an, bleibt aber unschlüssig hinterden SWR-Lastern im Wald stehen. „Siekönnen schon noch durchgehen“, sagtAufnahmeleiter Daniel Geier. Also abdurchs Bild. „Richtige Menschen“, sagteine Wandersfrau im Vorbeigehen. „DerLiebling meiner Frau“, ein Wandersmannzu Hermann-Darsteller Wolfgang Hepp,der freudig grüßen lässt. Bald ist die Ein-stellung geprobt, die Technik parat, die

    nächste Gruppe durchgewunken, dieSchauspieler stehen auf Position. Allesfertig? Von wegen. Wieder kommen Wan-derer. „Ja, sind wir hier auf dem Westweg,oder was?“, scherzt Daniel Geier.

    Der Fernwanderweg zwischen Pforz-heim und Basel boomt, da ist sich UrsulaCantieni sicher. „Letztes Jahr bin ich ihnmit meinem Mann, also meinem richti-gen Mann, zusammen gelaufen.“ Zu Hau-se bei Baden-Baden ging’s los und in elf Ta-gen über den Farrenkopf („der ist hunds-gemein“), die Kalte Herberge bis Lörrach.Unterwegs sei die Idee entstanden, Jo-hanna und Leni auf die Piste zu schicken.Die Redaktion hat sie sofort aufgegriffen,erzählt Cantieni, und dass Wandern fürsie immer ein Thema war. Sie stammt ausGraubünden, „da kriegt man’s mit derMuttermilch“.

    Das Thema scheint bestens zur boden-ständigen TV-Serie zu passen. Einer derZuschauer beim Dreh jedenfalls zieht dasSchwarzwaldverein-Buch „Wandernrund um den Fallerhof“ aus dem Ruck-sack, als er mit der Schauspielerin amRande plaudert. Zwei andere sonnen sichauf der Bank, die das SWR-Team eigent-lich nur für Hermanns Szene aufgestellthat. Scheinwelt und Wirklichkeit sindwohl nicht so weit voneinander weg.

    Projektbeirat tagterstmals am 5. OktoberFREIBURG (ko). Der Termin für die ersteSitzung des Projektbeirats zur Rheintal-bahn steht fest: Am 5. Oktober trifft sichdas Gremium zu seiner konstituierendenSitzung im BundesverkehrsministeriumBerlin. Das teilte Innenminister HeribertRech am Freitag in Stuttgart mit. Bei derkonstituierenden Sitzung gehe es um dieinhaltliche und organisatorische Gestal-tung der Beiratsarbeit. „Ich freue mich,dass der Termin jetzt so schnell zustandegekommen ist, und hoffe auf eine kon-struktive Arbeit“, betonte Rech, der vorder Sitzung mit den Teilnehmern aus derRegion in der Landesvertretung zu einemVorgespräch zusammentrifft.

    Bürger machensich Gedankenübers KlimaV I E R F R A G E N A N KlimaforscherMartin Knapp aus KarlsruheFREIBURG. Bei der ersten deutschenBürgerkonferenz diskutieren heute 100Baden-Württemberger in Karlsruheüber den Klimawandel. Zeitgleich gibtes ähnliche Konferenzen in 38 Län-dern, darunter Uganda und China. DieEmpfehlungen der Teilnehmer werdenim Dezember dem Kopenhagener Kli-magipfel überreicht. Martin Knapp or-ganisiert die Konferenz in Karlsruhe.Mit ihm sprach Sebastian Kretz.

    BZ: Was passiert auf Ihrer Konferenz?Knapp: Wir werden den ganzen Tag inKleingruppen die gleichen Themen dis-kutieren wie die Delegierten auf der Welt-klimakonferenz. Am Ende beantwortendie Teilnehmer weltweit dieselben Fra-gen. Die reichen von „Sollte man etwasgegen den Klimawandel tun?“ bis „Sollteman den Anstieg der CO2-Emissionen sobegrenzen, dass das Klima höchstens umzwei Grad steigt?“ Die Essenz werden wirdann in eine Empfehlung einarbeiten.BZ: Und die kommt dann in Kopenhagenauf die Tagesordnung?Knapp: Nein, wir sind nicht offiziellerTeil des Programms.BZ: Aber was bringt die Bürgerkonferenzdenn dann?Knapp: Wir wollen die nationalen Dele-gierten vorab mit Informationen versor-gen. Außerdem ist unsere Schirmherrin,die dänische Ministerin für Klima undEnergie, Gastgeberin der Weltklimakon-ferenz. Sie wird sich dafür einsetzen, dassdie Botschaft die Delegierten erreicht.BZ: Interessieren sich die Menschen inAfrika für die gleichen Themen wie dieBaden-Württemberger?Knapp: Das ist vorher schwierig zu sa-gen. Aber Menschen in weniger entwi-ckelten Regionen nehmen eher die Ver-änderungen ihrer Umgebung wahr. InDeutschland hingegen wird der Zusam-menhang von CO2-Emissionen und Erd-erwärmung als Problem erkannt.

    Baby-Hai sucht VaterIm Seewasseraquarium des KarlsruherNaturkundemuseums haben sie einenneuen Bewohner entdeckt – einen vordrei Wochen geschlüpften Bambus-Hai.Das allein ist eine Sensation. Doch damitnicht genug. Denn der Vater des Winz-lings ist unbekannt: Im Becken desAquariums ist laut Südwestrundfunkseit 13 Jahren kein Bambus-Hai-Männ-chen mehr gesichtet worden. BZ

    A U C H D A S N O C H

    Stochern nach Knochen: Polizisten durchsuchenden Wald nach Skelettteilen. F O T O : I N G O S C H N E I D E R

    Auf dem richtigen Weg: Ursula Cantieni, Wolfgang Hepp und Heidi Vogel-Reinsch F O T O : S W R / S C H W E I G E R T

    Martin Knapp F O T O : P R I V A T