Saitenweiseservi~rt:';spritziger. I...2013/11/04  · Vaja Azarashvili, das ein wenig an den Sina...

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v LOKALE KULTUR Sa Cell o-Cockta i I RU,tesheim Ein Meer an hat beim Konzert des' Cello- Orchesters Bühne geflutet. Von Barbara Bross- Wink/er V äterchen Stalin wäre womöglich nicht amüsiert gewesen. Der Wal- zer Nr. 2 aus der Jazz-Suite Nr. 2 von Dmitri Schostakowitsch - ganz nungsgemäß inmitten des abwechslungs- reichen und erneut als Zugabe gespielt vom 120-köpfigen Cello-Orches- ter! Schließlich hatte Schostakowitsch sich 1936 nicht nur mit der Aufführung seiner Oper "Lady Macbeth von Mzensk" Stalins' Unwillen zugezogen. Die Musik sei nihilis- tisch, pessimistisch und dekadent, hieß es in der Prawda. Nunja.Stalin ist tot und Schostakowitsch lebt in seiner Musik wei- ter, wie die sehnsuchtsvolle Melodie des, Walzers Nr. 2 am Freitagabend in der aus- verkauften Halle Bühl II zeigt. Erst nach der Pause sind die schwarz- weiß gekleideten Mitglieder des von Ekke- .......... -.. - , Cello-Akademie 2013 hard Hessenbruch, Jochen Kefer und Giga Khelaia geleiteten Cello-Orchesters auf die Bühne geklettert. Schon die schiere Menge an Menschen und Instrumenten bietet einen überwältigenden Anblick -überra- schend ist <j.ann eher die Tatsache, dass der \ veritable Klangkörper-Goliath auch ganz zarte Töne in den Raum zu streichen und zu zupfen vermag. Schon zum dritten Mal ha- ben damit beim Cello-Festival Musiker Mehr Cello geht nicht: Das Cello-Orchester lasst die Bögen tanzen. Foto: factum/ Granville . . . , , unterschiedlichsten Alters, und Könnens gemeinsam in einer Art "Cello-Big-Big- Band" auf großer Bühne und vor großem Publikum musiziert -. auch in der dritten Auflage mit ihren Dozenten. Die haben die Stücke so arrangiert, dass auch Neulinge mittun konnten. Denn gerade an diesem Abend geht es in erster Linie darum, Spaß am gemeinsamen Musizieren zu vermit- teln und aufs Publikum zu übertragen. Geprobt und gespielt hat die Cello- Hun- dertschaft sechs überaus unterschiedliche Stücke, etwa das schwermütig schwebende "Nocturne" des georgischen Komponisten Vaja Azarashvili, das ein wenig an den Sina- tra-Hit "I did it myway" erinnerte. Oder die nebelumwaberte Metallica-Gänsehaut- Ballade "Nothing else matters", die sich ge- radezu anbietet für klassisch-rockigen Crossover. Das haben vor fast 20 Jahren schon vier finnische Cello-Studenten be- wiesen, die mit Metallica-Liedern nicht nur ihre Hochschulprüfung bestanden, sondern als Band ,,Apocalyptica" auch das Genre des "Cello-Rock" in die Welt trugen. Ohnehin wissen fleißige Besucher der Rutesheimer Konzerte längst, dass dem Cello als melodieführendem Instrument in der modernen Musik keine Grenzen ge- setzt sind. Ein gutes Stück entfernt von deT Klassik ist an diesem Abend etwa die Titel- melodie "Phantom der Oper" des gleichna- migen Musicals von Andrew Lloyd Web ber, die als Ohrwurm längst Eingang in die Pop- Kultur gefunden hat und in einemArrange- ment von Jochen Kefer entsprechend vom Publikum beklatscht wird. Oder der Hit der Hard-Rock-Band "Europe", "The Final Countdown" - wobei just dieser Titel mit echtem Hard-Rock nicht allzu viel zu tun: hat. Hier sausen die Bögen mit geradezu kolobriflügelartiger Geschwindigkeit über die Saiten, besonders an jener Stelle, wo im Original das Gitarrensolo steht . Die Schlag- zeuger liefern zum Song das rhythmische Fundament und treiben die Celli passend zu denmitzuckenden grünen Strahlen der Lightshow zum hymnischen Höhepunkt. Weniger rockig als von einer Mischung aus archaisch-spiritueller Geistigkeit und Lebenslust geprägt, spielt das Orchester Carl Orffs ,,0 fortuna" aus der Carmina Bu- rana Hier zeigt sich das Orchester als volu- minöser Klangkörper, der die gewaltige Magie und Rhythmik von Orffs Musik schnörkellos undseelenvoll interpretiert. Den Auftakt zum Konzert hatte das En- gelsberger Cello-Oktett gemeinsam mit der jungen Sopranistin Esther Rebecca Utecht übernommen, die den ersten Satz von Hei- tor Villa-Lob os zarter "Aria" aus der Ba- chiana Brasileira Nr. 5 herzzerreißend sehnsuchtsvoll sang. Fünf Stücke schließ- lich hatte das Auswahlensemble aus 24 Cel- listen im Gepäck, das als die "Kammercel- listen" auf der Bühne Platz nahm. Die Son- ne hörbar machte das Ensemble mit seinen zart verwobenen Melodielinien in so unter- , schiedlichen Werken wie Dieter Kreidlers House-of-the- Rising-Sun - Varia tionen ,,Ab out Rising Sun" und dem italienischen Gassenhauer ,, 0 Sole Mio". Geklopft, ge- strichen, gezupft und voller, Hingabe ge- groovt wird dagegen beim gar nicht mehr barocken Joschi-Schumann-Stück "Play Bach furiky" nach einem Thema aus' dem 3. Brandenburgischen Konzert von J ohann Sebastian Bach. Ein Konzert , das klar macht, dass das Cello-Universum irgend- wie unendlich ist. Man kann dem kleinen Städtchen Rutesheim nur wünschen, dass Andreas Truck und sein Team weiter am Erfolg der Cello-Akademie arbeiten.

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v LOKALE KULTUR

Saitenweiseservi~rt:';spritziger . Cello-CocktaiI RU,tesheim Ein Meer an Strei~hern hat beim Konzert des' Cello­Orchesters di~ Bühne geflutet. Von Barbara Bross-Wink/er

Väterchen Stalin wäre womöglich nicht amüsiert gewesen. Der Wal­zer Nr. 2 aus der Jazz-Suite Nr. 2

von Dmitri Schostakowitsch - ganz ord~ nungsgemäß inmitten des abwechslungs­reichen ~rogramms und erneut als Zugabe gespielt vom 120-köpfigen Cello-Orches­ter! Schließlich hatte Schostakowitsch sich 1936 nicht nur mit der Aufführung seiner Oper "Lady Macbeth von Mzensk" Stalins ' Unwillen zugezogen. Die Musik sei nihilis­tisch, pessimistisch und dekadent, hieß es in der Prawda. Nunja.Stalin ist tot und Schostakowitsch lebt in seiner Musik wei­ter, wie die sehnsuchtsvolle Melodie des, Walzers Nr. 2 am Freitagabend in der aus­verkauften Halle Bühl II zeigt.

Erst nach der Pause sind die schwarz­weiß gekleideten Mitglieder des von Ekke­

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~~~~ Cello-Akademie 2013

hard Hessenbruch, Jochen Kefer und Giga Khelaia geleiteten Cello-Orchesters auf die Bühne geklettert. Schon die schiere Menge an Menschen und Instrumenten bietet einen überwältigenden Anblick -überra­schend ist <j.ann eher die Tatsache, dass der \ veritable Klangkörper-Goliath auch ganz zarte Töne in den Raum zu streichen und zu zupfen vermag. Schon zum dritten Mal ha­ben damit beim Cello-Festival Musiker

Mehr Cello geht nicht: Das Cello-Orchester lasstdie Bögen tanzen. Foto: factum/ Granville . . . , ,

unterschiedlichsten Alters , und Könnens gemeinsam in einer Art "Cello-Big-Big­Band" auf großer Bühne und vor großem Publikum musiziert - . auch in der dritten Auflage mit ihren Dozenten. Die haben die Stücke so arrangiert, dass auch Neulinge mittun konnten. Denn gerade an diesem Abend geht es in erster Linie darum, Spaß am gemeinsamen Musizieren zu vermit­teln und aufs Publikum zu übertragen.

Geprobt und gespielt hat die Cello-Hun­dertschaft sechs überaus unterschiedliche Stücke, etwa das schwermütig schwebende "Nocturne" des georgischen Komponisten Vaja Azarashvili, das ein wenig an den Sina­tra-Hit "I did it myway" erinnerte. Oder die nebelumwaberte Metallica-Gänsehaut­Ballade "Nothing else matters", die sich ge­

radezu anbietet für klassisch-rockigen Crossover. Das haben vor fast 20 Jahren schon vier finnische Cello-Studenten be­wiesen, die mit Metallica-Liedern nicht nur ihre Hochschulprüfung bestanden, sondern als Band ,,Apocalyptica" auch das Genre des "Cello-Rock" in die Welt trugen.

Ohnehin wissen fleißige Besucher der Rutesheimer Konzerte längst, dass dem Cello als melodieführendem Instrument in der modernen Musik keine Grenzen ge­setzt sind. Ein gutes Stück entfernt von deT Klassik ist an diesem Abend etwa die Titel­melodie "Phantom der Oper" des gleichna­migen Musicals von Andrew Lloyd Web ber, die als Ohrwurm längst Eingang in die Pop­Kultur gefunden hat und in einemArrange­ment von Jochen Kefer entsprechend vom

Publikum beklatscht wird. Oder der Hit der Hard-Rock-Band "Europe", "The Final Countdown" - wobei just dieser Titel mit echtem Hard-Rock nicht allzu viel zu tun: hat. Hier sausen die Bögen mit geradezu kolobriflügelartiger Geschwindigkeit über die Saiten, besonders an jener Stelle, wo im Original das Gitarrensolo steht. Die Schlag­zeuger liefern zum Song das rhythmische Fundament und treiben die Celli passend zu denmitzuckenden grünen Strahlen der Lightshow zum hymnischen Höhepunkt.

Weniger rockig als von einer Mischung aus archaisch-spiritueller Geistigkeit und Lebenslust geprägt, spielt das Orchester Carl Orffs ,,0 fortuna" aus der Carmina Bu­rana Hier zeigt sich das Orchester als volu­minöser Klangkörper, der die gewaltige Magie und Rhythmik von Orffs Musik schnörkellos undseelenvoll interpretiert.

Den Auftakt zum Konzert hatte das En­gelsberger Cello-Oktett gemeinsam mit der jungen Sopranistin Esther Rebecca Utecht übernommen, die den ersten Satz von Hei­tor Villa-Lob os zarter "Aria" aus der Ba­chiana Brasileira Nr. 5 herzzerreißend sehnsuchtsvoll sang. Fünf Stücke schließ­lich hatte das Auswahlensemble aus 24 Cel­listen im Gepäck, das als die "Kammercel­listen" auf der Bühne Platz nahm. Die Son­ne hörbar machte das Ensemble mit seinen zart verwobenen Melodielinien in so unter­

, schiedlichen Werken wie Dieter Kreidlers House-of-the-Rising-Sun-Variationen ,,About Rising Sun" und dem italienischen Gassenhauer ,,0 Sole Mio". Geklopft, ge­strichen, gezupft und voller, Hingabe ge­groovt wird dagegen beim gar nicht mehr barocken Joschi-Schumann-Stück "Play Bach furiky" nach einem Thema aus ' dem 3. Brandenburgischen Konzert von J ohann Sebastian Bach. Ein Konzert, das klar macht, dass das Cello-Universum irgend­wie unendlich ist. Man kann dem kleinen Städtchen Rutesheim nur wünschen, dass Andreas Truck und sein Team weiter am Erfolg der Cello-Akademie arbeiten.

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LKZ 4.11.2013
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