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WISSEN Flottenmanagement 4/2017 78 WISSEN Unsere westliche Welt ist in den letzten dreißig Jahren deutlich grüner ge- worden, dafür gibt es genügend Beispiele. Das Rauchen von Zigaretten ist verpönter denn je, Biosiegel sind dagegen so beliebt wie nie – und ja, auch das Automobil ist vom Zeitpunkt kurz vor der Einführung des Dreiwege-Ka- talysators bis heute deutlich sauberer geworden. Wer einmal beim katlosen Fahrzeug etwas in den Kofferraum einlädt, während der Motor läuft, kann seine Kleidung gleich in die Waschmaschine stecken – denn die wird danach penetrant nach Autoabgasen riechen. Wer noch Mitte der Achtziger durch die Straßen gelaufen ist, weiß, wovon die Rede ist. Neue Autos mit Verbren- nungsmotoren sind recht sauber, das belegt sogar das Umweltbundesamt – und das ist nicht gerade verdächtig, auf der Seite der Autoindustrie zu stehen. So sind laut seiner Statistik die Stickstoffdioxid-Emissionen seit dem Jahr 1990 um 59 Prozent gesunken, dazu hat auch der Verkehrssektor einen beträchtlichen Teil beigetragen. Dennoch wird der Diesel seit einiger Zeit als besonders gefährlich dargestellt, weil er als Stickoxid-Schleuder gehandelt wird. Die Stickoxid-Problematik hängt mit der CO 2 -Problematik zusammen – ob- wohl diese beiden Schadstoffe zunächst nichts miteinander zu tun haben. Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) entsteht, wenn kohlenstoffhaltige Substanzen – also auch Kraftstoff – verbrannt werden und zeichnet verantwortlich dafür, den Klimawandel zu beschleunigen. Nun braucht die Autoindustrie den Selbstzünder aber, um die europäische CO 2 -Grenzwert-Gesetzgebung einzuhalten. Wir erinnern uns: Ein Autohersteller, dessen Flotte ab dem Jahr 2021 im Schnitt mehr als 95 g CO 2 /km pro Fahrzeug ausstößt, be- kommt Strafzahlungen aufgebrummt. Dieselmotoren verbrennen weniger Kraftstoff als Benziner, also stoßen sie folglich auch weniger CO 2 aus. Und während Stickoxide tatsächlich Erkrankungen hervorrufen können, indem sie die Atemwege reizen, hat CO 2 keinen unmittelbaren Einfluss auf die Ge- sundheit der Menschen und Tiere, sondern schädigt die Umwelt durch die Absorption der Infrarotstrahlung. Und daher wird bei der CO 2 -Emission im Gegensatz zum Stickoxid-Ausstoß auch nicht so genau geschaut, wo genau das unerwünschte Gas entsteht. Stickoxide in geballter Form kommen vor allem dann vor, wenn sich viele Autos in der Innenstadt tummeln. In dieser Disziplin hat das Elektroauto Das Autofahren in der Zukunft soll sauberer werden. Das heißt: möglichst CO 2 -neutral. Aber auch andere Schadstoffe wie Feinstaub, Kohlenstoffmonoxide, Schwefeldioxide oder Stickoxide können ein Pro- blem darstellen. Mit Elektromobilität alleine wird das Emissions-Problem allerdings nicht zu lösen sein. Sauber ist relativ Elektroautos werden sich eines Tages durchsetzen Variables Packaging ist bei E-Autos vorteil- haft, die Akkureichweite noch ein Nachteil Mit EQ verbindet Mercedes-Benz künftig alle batterieelektrisch angetriebene Automobile sowie die dazugehörigen Produkte und Dienstleistungen

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WISSEN

Flottenmanagement 4/201778

WISSEN

Unsere westliche Welt ist in den letzten dreißig Jahren deutlich grüner ge-worden, dafür gibt es genügend Beispiele. Das Rauchen von Zigaretten ist verpönter denn je, Biosiegel sind dagegen so beliebt wie nie – und ja, auch das Automobil ist vom Zeitpunkt kurz vor der Einführung des Dreiwege-Ka-talysators bis heute deutlich sauberer geworden. Wer einmal beim katlosen Fahrzeug etwas in den Kofferraum einlädt, während der Motor läuft, kann seine Kleidung gleich in die Waschmaschine stecken – denn die wird danach penetrant nach Autoabgasen riechen. Wer noch Mitte der Achtziger durch die Straßen gelaufen ist, weiß, wovon die Rede ist. Neue Autos mit Verbren-nungsmotoren sind recht sauber, das belegt sogar das Umweltbundesamt – und das ist nicht gerade verdächtig, auf der Seite der Autoindustrie zu stehen. So sind laut seiner Statistik die Stickstoffdioxid-Emissionen seit dem Jahr 1990 um 59 Prozent gesunken, dazu hat auch der Verkehrssektor einen beträchtlichen Teil beigetragen. Dennoch wird der Diesel seit einiger

Zeit als besonders gefährlich dargestellt, weil er als Stickoxid-Schleuder gehandelt wird.

Die Stickoxid-Problematik hängt mit der CO2-Problematik zusammen – ob-wohl diese beiden Schadstoffe zunächst nichts miteinander zu tun haben. Kohlenstoffdioxid (CO2) entsteht, wenn kohlenstoffhaltige Substanzen – also auch Kraftstoff – verbrannt werden und zeichnet verantwortlich dafür, den Klimawandel zu beschleunigen. Nun braucht die Autoindustrie den Selbstzünder aber, um die europäische CO2-Grenzwert-Gesetzgebung einzuhalten. Wir erinnern uns: Ein Autohersteller, dessen Flotte ab dem Jahr 2021 im Schnitt mehr als 95 g CO2/km pro Fahrzeug ausstößt, be-kommt Strafzahlungen aufgebrummt. Dieselmotoren verbrennen weniger Kraftstoff als Benziner, also stoßen sie folglich auch weniger CO2 aus. Und während Stickoxide tatsächlich Erkrankungen hervorrufen können, indem sie die Atemwege reizen, hat CO2 keinen unmittelbaren Einfluss auf die Ge-sundheit der Menschen und Tiere, sondern schädigt die Umwelt durch die Absorption der Infrarotstrahlung. Und daher wird bei der CO2-Emission im Gegensatz zum Stickoxid-Ausstoß auch nicht so genau geschaut, wo genau das unerwünschte Gas entsteht.

Stickoxide in geballter Form kommen vor allem dann vor, wenn sich viele Autos in der Innenstadt tummeln. In dieser Disziplin hat das Elektroauto

Das Autofahren in der Zukunft soll sauberer werden. Das heißt: möglichst CO2-neutral. Aber auch andere Schadstoffe wie Feinstaub, Kohlenstoffmonoxide,

Schwefeldioxide oder Stickoxide können ein Pro-blem darstellen. Mit Elektromobilität alleine wird das

Emissions-Problem allerdings nicht zu lösen sein.

Sauber ist relativ

Elektroautos werden sich eines Tages durchsetzen

Variables Packaging ist bei E-Autos vorteil-haft, die Akkureichweite noch ein Nachteil

Mit EQ verbindet Mercedes-Benz künftig alle batterieelektrisch angetriebene Automobile sowie die dazugehörigen Produkte und Dienstleistungen

Page 2: Sauber ist relativ - Flotte.de › files › newspapers › 2017 › 4 › pdf › 078-79_Wis… · ökologischeren „Reifen“-Abdruck als reine Verbrenner. Hier manifestiert sich

WISSEN

Flottenmanagement 4/2017 79

unbestritten Vorteile – auch gegenüber Fahrzeugen mit Ottomotor, die ja genau wie der Diesel Stickoxide (wenngleich weniger), Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid emittieren. Es muss jedoch nicht das reine Elektroauto sein, auch Plug-in-Hybride mit teilweise ordentlichen Reichweiten erlau-ben lokal emissionsfreies Fahren und hinterlassen im urbanen Raum den ökologischeren „Reifen“-Abdruck als reine Verbrenner. Hier manifestiert sich die Problematik, dass es eine sehr komplexe Fragestellung ist, ob ein Automobil umweltfreundlich ist oder nicht. Bei der CO2-Frage wiederum macht das Elektroauto in der Realität keinen sonderlich guten Eindruck. Denn laut des Statistischen Bundesamtes wird in Deutschland über 60 Prozent des Stroms aus fossilen Brennstoffen gewonnen – da wird die ver-meintlich weiße Weste des Stromers ganz schön beschmutzt.

Umweltschützer fordern ja CO2-neutrales Autofahren – können sie haben, aber nicht zwingend mit dem Elektroauto. Wurden so genannte E-Fuels in den letzten Monaten noch zaghaft diskutiert, sind norwegische Ingenieure jüngst vorgeprescht: Mit einer ganzen Armada von Fabriken will die Firma Nordic Blue Crude synthetischen Diesel herstellen, der als klimaneutral gilt. Wie das geht? Indem bei der Herstellung exakt so viel CO2 gebunden wie bei der Verbrennung wieder freigegeben wird. Das Feine an der Sache ist, dass der künstliche Diesel-Kraftstoff auch noch sauberer verbrennt – die Rede ist von bis zu 20 Prozent weniger Stickoxid und Feinstaub. Doch bedingungslos umweltfreundlich ist natürlich auch der synthetische Kraft-stoff nicht. Hier hat Norwegen allerdings gut lachen, denn die Skandina-vier beziehen über 95 Prozent ihrer elektrischen Energie aus Wasserkraft. Und auch bei der Elektrolyse (zur Herstellung des Sprits wird Wasserstoff benötigt) waren die Forscher erfinderisch und haben ein Hochtemperatur-Verfahren entwickelt, das den Wirkungsgrad auf 90 Prozent hochschraubt.

Auf diese Art und Weise könnte der Verbrennungsmotor doch noch länger überleben, als von vielen Autofahren gemutmaßt. Wie steht es denn um die Frage, ob der Diesel ein Auslaufmodell ist? Grundsätzlich birgt eine solche Prognose zahlreiche Unwägbarkeiten, jedoch ist eine Tendenz durchaus sichtbar. Es ist dringend davon auszugehen, dass die Emissionsvorschrif-ten eher strenger als lockerer werden, was die Abgasreinigung beim Die-sel natürlich aufwendiger und damit auch teurer macht. Andererseits sind die Hersteller bei großen Fahrzeugen auf Selbstzünder angewiesen wegen der CO2-Grenzen. Und bei hochpreisigen Vehikeln jenseits der 50.000 Euro

Anschaffungspreis fällt die Abgasentgiftung monetär weniger ins Gewicht bei bei Klein- oder Kompaktfahrzeugen. In diesem Bereich könnte sich in den nächsten Jahren tatsächlich ein stärkerer Rückgang nicht nur der Zu-lassungen, sondern auch des Modellangebots abzeichnen. Ob Fahrverbote in den Städten drohen werden, ist natürlich spekulativ, aber man darf da-von ausgehen, dass die Hersteller neuer Autos auf die Einhaltung ausgege-bener Grenzwerte achten.

Allerdings dürften einseitige Maßnahmen gegen schlechte Luft in den Städten – also Diesel-Fahrverbote – kaum Besserung bringen, zumal re-gional unterschiedliche Anforderungen gegeben sind. Während es hier die Stickoxide sind, deren Werte häufig überschritten werden, besteht dort eine Feinstaub-Problematik. Und Feinstaub wird nicht nur von Verbren-nungsmotoren emittiert, sondern resultiert ebenso aus dem Einsatz von Baugerät, Heizungen oder Industrieschornsteinen. Beim Auto sind es ne-ben dem Motor auch Brems- und Reifenabrieb – hiervon wäre also auch das Elektroauto betroffen. Langfristig könnten Elektromotoren, von welchem Energiespeicher auch immer gespeist, das Rennen machen. Aber es ist zu vermuten, dass der Diesel noch lange nicht zum Auslaufmodell gehören wird, zumal ja auch bei jeder aktuellen Produktpräsentation eines Auto-herstellers noch Selbstzünder im Spiel sind. Es bleibt nach wie vor span-nend an der Antriebs-Front.

Eine Herausforderung für die Autohersteller ist ohne Frage, dass sie auf alle Eventualitäten vorbereitet sein müssen. Derzeit kämpfen die Firmen da-mit, gleichzeitig viele verschiedene Antriebskonzepte vorzuhalten für die Zukunft. Sprich: Sollte sich am Ende doch die Brennstoffzelle durchsetzen mangels geeigneter Akkus, dann haben jene Konzerne einen Vorsprung, die auf diesem Feld schon lange aktiv sind. Kleinere Autohersteller werden in Zukunft mehr Technik bei Zulieferern einkaufen müssen oder kooperieren, um profitabel zu bleiben. Diese Entwicklung zeichnet sich ja jetzt bereits ab. Wie lange es Verbrenner geben wird, ist natürlich schwer abzusehen – aber wenn neue Generationen auf den Markt kommen, dann werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit (mild) hybridisiert. Schließlich werden die Autokonzerne von der europäischen Union bereits zwangsreglementiert: Bis zum Jahr 2021 darf der durchschnittliche CO2-Ausstoß des gesamten Fahrzeugangebotes je Hersteller 95 g/km nicht überschreiten.

Den zwecks Spriteinsparung gut geeigneten elektrischen Starter-Gene-rator entweder per Riemen zu betreiben oder fest mit der Kurbelwelle zu verbinden, macht Sinn – dabei handelt es sich um integrale Lösungen. So genannte Mildhybride geben Leistungen von bis zu 20 kW auf die Kurbel-welle und unterstützen die Verbrenner in ungünstigen Betriebssituati-onen. Hierbei geht es weniger um den Boost-Effekt als darum, zum Beispiel beim Anfahren, wenn besonders viel Energie benötigt wird, jene Energie einzusetzen, die durch Bremsen vorher zurückgewonnen wurde.

Dass in der Öffentlichkeit der Fokus immer auf Elektromobilität gelegt wird, ist insofern erstaunlich, als dass diese Antriebsvariante nicht zwin-gend umweltfreundlich sein muss – vor allem, wenn man die energetische Gesamtbilanz betrachtet. Und: Auch ein Akku, der am Ende seines Lebens-zyklus entsorgt wird, verursacht mitunter Umweltschäden. Der Ansatz mit den E-Fuels ist eine interessante Sache, und man darf gespannt sein, wie sie sich entwickelt.

Der elektrische Startergenerator greift dem Verbrenner unter die Arme

Der gute, alte Dieselmotor wird noch lange nicht ausgedient haben

Elektromotoren sind kompakter als Verbrenner