Schadensprävention: Was sagt der Anwalt?

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„SCHADENSPRÄVENTION: WAS SAGT DER ANWALT? LEITUNG UND VERANTWORTUNG IN PRÄNATAL- UND GEBURTSMEDIZIN“ Köln, 19.06.-20.06.2015, Caritas-Akademie Köln-Hohenlind Dr. Roland Uphoff, Fachanwalt für Medizinrecht, M.mel.

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„SCHADENSPRÄVENTION: WAS SAGT DER ANWALT?LEITUNG UND VERANTWORTUNG IN PRÄNATAL- UND GEBURTSMEDIZIN“

Köln, 19.06.-20.06.2015, Caritas-Akademie Köln-HohenlindDr. Roland Uphoff, Fachanwalt für Medizinrecht, M.mel.

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I. Ist der Facharztstandard „rund um die Uhr“ gewährleistet?

II. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Facharzt und Hebamme organisiert, d.h. wie ist die Delegation ärztlicher Leistungen geregelt?

III. Wie ist zu dokumentieren und wer hat zu dokumentieren?

IV. Wann ist das Aufklärungsgespräch zu führen und wer führt es?

V. Resümee

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I. Ist der Facharztstandard jederzeit gewährleistet?

Grundsätzlich gilt, dass sowohl im Krankenhaus als auch in einer Facharztpraxis durchgehend eine Behandlung nach dem jeweiligen Facharztstandard sichergestellt sein muss (vgl. Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht , 4. Aufl., 24).

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Der Facharztstandard ist

• individuell, d.h. abhängig von der Versorgungsstufe des Krankenhauses,

• dynamisch, d.h. eine Behandlung, die gestern eine Außenseitermethode und heute den Behandlungsstandard darstellt, kann morgen behandlungs- fehlerhaft sein,

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• objektiv, d.h. es kommt auf die Kenntnisse und Fähigkeiten eines „gewissenhaften und aufmerksamen Facharztes“ an.

Es kommt auf die objektive Sorgfalt und nicht auf die subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse des Arztes an (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., 562 f, mit Rechtsprechungsnachweis).

„Übliche“ Nachlässigkeiten, steuerbare personelle Engpässe oder individuelle Inkompetenz entlasten nicht.

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AG Medizinrecht der DGGG, Mindestanforderungen, 2011:

„Nicht „das Übliche“, nicht „individuelle, örtliche Qualitätsdefizite“ oder gar optimale, maximale-gute Bedingungen, sondern der Standard des

jeweiligen Fachgebiets ohne Ansehen der Person und ohne Rücksicht auf die subjektiven Fähigkeiten des Arztes ist maßgebend für das ärztliche Tun und Lassen …

„… Das Versorgungsniveau für Frauen und Kinder in der Geburtshilfe ist unabhängig von Ort und Krankenhausgröße und unabhängig von

der Uhrzeit jederzeit zu gewährleisten …“

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Im Einzelnen: AG Medizinrecht der DGGG, 2011:

Personelle, prozessuale und organisatorische Voraussetzungen:Dienstanweisungen, „Pflichtenheft“, Organisationsstatut, QualitätshandbuchÜbungen am PhantomFire-drills

Der Krankenhausträger ist verpflichtet, die interne Ablauforganisation durch generelle Richtlinien und Weisungen so zu regeln, dass in jeder Behand- lungsphase der Facharztstandard verfügbar ist, der die fehlerfreieBehandlung und Überwachung sicherstellt (BGH VersR 1985, 1043).

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„Kostendruck ist kein Rechtfertigungsgrund für die Unterschreitung dieser Mindestanforderungen. Wo dies nicht gewährleistet werden kann, bleibt als Ausweg in der Regel die Regionalisierung, konkret: die rechtzeitige Verlegung der Patientin oder die Schließung der Abteilung.“

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II. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Facharzt und Hebamme organisiert, d. h. wie ist die Delegation ärztlicher Leistungen geregelt?

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Delegation Arzt – nichtärztliches Personal

Nicht delegationsfähig sind

• die dem Kernbereich ärztlicher Tätigkeit unterfallenden Maßnahmen, • Maßnahmen, die wegen der Komplexität oder der mit der Maßnahme verbundenen Risiken zwingend ärztliche Kompetenz verlangen.

Arztvorbehalt besteht beispielsweise bei notwendiger ärztlicher Unter-suchung, Diagnose, Aufklärung.

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Delegation Arzt – nichtärztliches Personal

Bedingt delegationsfähig sind Maßnahmen, wenn dies nach einerEinzelfallprüfung „vertretbar“ ist.→ maßgeblichen Kriterien sind:

• Art der Maßnahme• Gefahr für den Patienten• Erfahrenheit der angewiesenen Person

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Delegation Arzt – nichtärztliches Personal

Generell delegationsfähig sind Tätigkeiten, die weder speziellesFachwissen noch besondere ärztliche Kompetenz erfordern.

Zur Beurteilung des Fachwissens/der Kompetenz können die Berufsdienst- und AusbildungsOrdnungen herangezogen werden.

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DelegationArzt – nichtärztliches PersonalKriterien der Delegierbarkeit sind grundsätzlich:

Leistungen, die ärztliche Qualifikation und Erfahrung erfordernwegen der

• Schwierigkeit oder• Gefährlichkeit oder• „Unvorhersehbarkeit“ der Maßnahme

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Voraussetzungen und Grenzen der Delegation

Die Delegation an nichtärztliche Gesundheitsberufe ist abhängig

• von der Schwierigkeit/Gefährlichkeit/Vorhersehbarkeit der Maßnahme

• von der Qualifikation (Kenntnisstand und Erfahrung), abstrakt (Ausbildung) und konkret (individuell)

• von einer Anleitung

• von der Überwachung (in der Regel nicht nur stichprobenartig)

• von der Erreichbarkeit des Arztes

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Facharzt- oder Oberarztindikation müssen im Organisationsstatut geklärt und kommuniziert werden, insbesondere folgende Fälle/Konstellationen:

• nicht normales CTG,• Blutung unter der Geburt,• vorzeitiger Blasensprung,• grünes oder blutiges Fruchtwasser,• Erstgebärende über 40 Jahre,• protrahierter Geburtsverlauf, • Geburtseinleitung…(vgl. Empfehlung DGGG, Zusammenarbeit von Arzt und Hebamme, 2012)

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Notwendig ist eine

risikoadaptierte und prospektive geburtshilfliche Betreuung.

Siehe hierzu auch:

„Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind primär dann regelrecht, normal oder physiologisch, wenn

• während der Schwangerschaft keine Risiken diagnostiziert wurden und wenn

• keine geburtsrelevanten Risiken der Kataloge A und B des Mutterpasses bestehen“.

Empfehlung zur Zusammenarbeit von Arzt/Hebamme, DGGG, 2012

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III. Wie ist zu dokumentierten und wer hat zu dokumentieren?

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Haftung nach unzureichender Dokumentation

Die Dokumentation in den Krankenunterlagen muss „wahr, vollständig und widerspruchsfrei“ sein.Einer ordnungsgemäßen Dokumentation kommt Indizwirkung zu, d. h. der dokumentierte Behandlungsverlauf ist zugrunde zu legen(OLG Dresden, GesR 2005, 464).

Aus der Tatsache einer fehlenden, mangelhaften oder unvollständigen Dokumentation einer aus medizinischen Gründen aufzeichnungs-pflichtigen Maßnahme kann zurückgeschlossen werden, dass diese Maßnahme unterblieben bzw. vom Arzt nicht getroffen worden ist(BGH VersR 1999, S. 190).

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Die Dokumentation dient nicht dazu, dem Patienten Beweise für einenSchadenersatzprozess zu verschaffen.Die Dokumentation von Umständen und Tatsachen, deren Aufzeichnungund Aufbewahrung für die weitere Behandlung der Patienten nicht erforderlich sind, ist auch aus Rechtsgründen nicht geboten (BGH NJW1999, S. 3408, 3409).

Einer ordnungsgemäßen Dokumentation oder einem unterschriebenen Aufklärungsformular kommen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (prozessentscheidende) Indizwirkung zu.

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Was ist aus medizinischer Sicht zu dokumentieren?

• Die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen• Die wesentlichen Verlaufsdaten• Ärztliche Diagnosen sowie ärztliche Anordnungen• Informations- und Aufklärungsgespräche mit dem Patienten • Weigerung des Patienten, eine Untersuchung vorzunehmen oder/und der Hinweis auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Untersuchung• Operationsverlauf

• Nicht dokumentationspflichtig sind Routinemaßnahmen

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IV. Wann wird das Aufklärungsgespräch geführt und wer führt es?

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Zivilrechtliche Haftung wegen unzureichender Aufklärung

BGH: Bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass im weiteren Verlauf eines Entbindungsvorgangs eine Situation eintreten kann, in der eine normale vaginale Entbindung kaum noch in Betracht kommt, sondern eine Sectio notwendig oder zumindest zu einer echten Alternative zu einer vaginalen Entbindung wird, dann muss der geburtsleitende Arzt die Mutter bereits zueinem Zeitpunkt über die unterschiedlichen Entbindungsmethoden aufklären und ihre Entscheidung einholen, zu dem sie sich noch in einem Zustand befindet, in dem diese Problematik mit ihr besprochen werden kann.(BGH VersR 1993, 703)

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Nochmals:

Aufklärung und Einwilligung sind notwendig, wenn eine Sectio wegenernstzunehmender Gefahren für das Kind bei vaginaler Entwicklung zu einer echten Alternative geworden ist.

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Neuregelung durch Patientenrechtegesetz:§ 630 e Abs. 2 Nr. 1 BGB:

„...

Die Aufklärung muss

1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt, ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält, …“

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Jäger, Patientenrechtegesetz, S. 110:

„Es ist durchaus wichtig, dass diese Bögen unverfälscht sofort in die Hand des Patienten gelangen.“

Unklar und bisher nicht entschieden ist, welche Rechtsfolgen eine fehlende Übergabe des Aufklärungsbogens hat: Wegfall der Indizwirkung,weil keine ordnungsgemäße Dokumentation mehr vorhanden?

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V. Resümee

Geburtshilfe und Kinderheilkunde finden nicht im rechtsfreien Raum statt.Die fachmedizinischen Standards und deren rechtliche Kontrolle dienen der Qualitätssicherung und Fehlervermeidung in der Geburtshilfe/Kinderheilkunde.

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