Schäden am Silberlinien-System der Wimpertiere. Das ... · Borax, 10 g Hydrochinon, 200 g...

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Mikrokosmos Sonderabdruck aus Heft 12 Dezember 1968 Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart

Transcript of Schäden am Silberlinien-System der Wimpertiere. Das ... · Borax, 10 g Hydrochinon, 200 g...

Mikrokosmos

Sonderabdruck aus

Heft 12 Dezember 1968

Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart

schließend wird mit destilliertem Wasser gutgespüIt und abermals getrocknet. Das vollstän-dig trockene Präparat wird 30 bi,s 60 Sekundenlang in einem Abstand von 1 bis 3 cm über eineGlühbirne von 40 Watt gehalten. Darauf wirdmit dem folgenden Reduziergemisch überschich-tet: Feinkornentwickler A (20 g Borsäure, 20 gBorax, 10 g Hydrochinon, 200 g Natrium:sulfit, 5 gMetol in der angegebenen Reihenfolge in zweiLiter warmem Wasser gelöst), Feinkornentwick-ler B (käuflicher Para 10, der unverdünnt ver-wendet wird), Natronlauge 100/oig. Lösung A, Bund die Natronlauge werden folgendermaßen an-gesetzt:

A 20 ecmB lccm100/oige Natronlauge 1 ccmJe nach dem Mischungsverhältnis der I(ompo-

nenten bekommt man stärker oder schwächerimprägnierte Präparate. Das Entwicklergemischsoll 30-60 Sekunden lang einwirken, dann kommtder Objektträger für 5 Minuten in ein normalessaures Fixierbad (I{odak), wird kurz mit destil-liertem Wasser abgespült und mit 700/oigem, rei-nem Athylalkohol überschichtet. Während 15 Mi-nuten wird der Alkohol zweimal gewechselt. An-schließend wird das Präparat in senkrechterStellung getrocknet. Einschluß in neutralem I{a-nadabalsam.

Bei der Methode, 'die ich 1967 im MxRo-KosMos angegeben habe, wuriden die Präpa-rate noch mit destilliertem Wasser gespült.Heute empfehle ich Alkohol, da ,daidurchdie ,manchmal ungünstige Quellung der Ob-jekte bei der Wässerung vermieden wird.

lDie ,,trockenen'( Metho,den suchen dasP1asma und ganz be,son,ders das Silber-liniensystem möglichst naturgetreu zu er-halten. Die ,,nassen(( Metho,den dagegen,die mit herkömmlichen Fixierungsmittelnarbeiten, erhalten die Gestalt der Tieresehr viel besser, zerstören a,ber das Silber-Iiniensystem mintdestens teilweise. Erfolgt,wie ibei meiner Metlhode, 'die Entquellungunter Eiweiß, wird das Silberliniensystemnoch besser erhalten. Um eine optimaleEntquellung zu erreiche'n, müssen aber be-stimmte Bedingungen ,erfüllt sein. So müs-sen Alter und Auftragsdicke des Eiweißesin günstigem Verhältnis zueinander stehen.Eine große Rolle spielen auch der physio-logische Zustan,d des Tieres und die EIek-trolytkonzentration der Umrge'bung.

Feinbau, Funktion und Zerfallstypen desSilberliniensystems

Daß das Silberliniensystem ,sogenanntemorphoigenetische, das heißt der Formbil-dung tdienEnde Atlfgalben hat, steiht heutefast außer Zweifel. Dagegen konnte dieVermutung, es diene auch ,der Erregung's-Ieitung, nicht sicher ibewiesen werden.

Nach der lichtmi'kroskopischen Untersu-chung von Silberpräparaten bei hoher Auf-Iösung kann man zwei Typen von Silber-liniensystemen unterschei'den: Die Gitter-systeme und das Streifensystem.

Gittersysteme

Es gibt Eng- und Weitmaschengitter. DasEngmaschengitter ist ,die einfachste undwahrscheinlich auch urspr'ünglichste Formeines flrbrillären Silberliniensystems. DasWeitmaschengitter leitet über zurn Strei-fensystem, das nach KrprN als am höchstendifferenziert anzusehen ist.

Str eif ensystem

Viele Zwischenformen verbinden dasEngmaschengitter und das Streifensy,stem.Die Zerfallsformen der beiden Typen sindetwas verschieden - ebenso wohl ,der Fein-bau der Fibrillen.

Feinbau der SiIb erl,inr,en

Schon KruN erkannte, 'daß sich die imLichtmikroskop einfach erscheinen,de Sil-berlinie aus mehreren einzelnen Fibrillenzusammensetzt. Bei ,der Streifensystem-flbrille kann man außerdem noch eineflbrilläre und eine plasmatische Kompo-nente unterscheiden (I(rrrN L932, }|r'[rrz

Bild 3: Streifensystem (Silberliniensystem vonGlaucoma scintillans). Ansicht von der Bauch-seite. Das Silberliniensystem befindet sich imnormalen Variationsber,eich der Form und Struk-turerhaltung. Zellmund im oberen Drittel desBildes links. Vergrößerung 1800.

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vor und bauen so ein schlecht ausgepräg-tes Engmaschengitter auf. Schon währendes ausgebildet wird, zerfällt dieses Eng-maschengitter nach dem oben beschriebe-nen Dispersionstyp.

Solchen Engmaschengittern, ,die aus Weit-mascheprgittern und Streifen,systemen her-vor,gehen, fehlt wahrscheinlich die Zeit zurvollständigen Ausbildung. Sie sin,d daherfast immer schlecht ausgeprägt. Da in die-sen Fällen ,das Engmaschengitter als Reak-tion auf die Entquellung gebildet wird,das Tier a'ber meist schon vor der vollstän-digen Ausbil,dung des Engrn-aschengittersentquillt, verwundert ,die schlechte Struk-turerhaltung weiter nicht.

Es ist interesrsäfrt, ,daß Weitmaschengit-ter und Streifensysteme auch bei ganz ge-ringfügigen, die Zelle nicht verletzendenexperimentellen Reizungen und Schädigun-gen ein Engmaschengitter austbilden. Über-haupt haben alle lJm'formungen und Re-generationen als Grundlage ein Engma-schengitter. Hört die Reizung auf, wird dasEngmaschengitter sofort wieder zu:r.":, nor-malen System zurückgebildet. Tiere mitwirklichen Verletzungen dagegen tragendas Engmaschenrgitter wesentlich länger.Man könnte darau,s schließen, daß die Ak-tivierung eines Engmaschengitters folgen-den Zwecken dienen kann:1. das Engmaschengitter steht im Dienste

der Regeneration und sonstiger Umbil-dungen;

Bild 6: Streifensystem (Silberliniensystem vonGlaucoma scintillans). Teilansicht aus der Rük-kenseite. Starker Zerfall nach dem Dispersions-typ. f m Vergleich mit Bild 5 hat sich die Zahlder Fibrillen stark vermehrt und das Engma-schengitter ist teilweise recht gut ausgebildet.Vergrößerung 3600.

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Bild 5: Streifensystem (Silberliniensystem vonGlaucoma scintillans). Teilansicht aus der Bauch-seite. Das Silberliniensystem beginnt hier nachdem Dispersionstyp zu zerfallen. Zuerst sprießenaus den Stammfibrillen wenige, später sehr viele,nur schwach anf ärbbare Fibrillen ausr, die dannein schlecht ausgeprägtes Engmaschengitter bil-den. Diese Fibrillen zerfallen sehr rasch wieder.Erst bei starken Vergrößerungen fallen so ge-ringfügige Dissoziationsgrade auf. Vergrößerung4500.

2. das Engmaschengitter stellt eine ArtSchutzreflex dar, wofür die Tatsachespricht, idaß ,das Gitter auf i eden stär-kere'n o'der ungewohnten Reiz hin aus-gebildet wird. Bildung untd Rückbildun,gvollziehen sich innerhalb von drei bisvier Sekunden. Auch KruN ibeschriebschon ähnliche,,Blitzreaktionen".

Zerfall nach dem Frakturtyp

Das Erscheinungsbild ist ähnlich wiebeim Zerf.aLL eines Engmaschengitter,s nachdem Dispersionstyp, ,doch ist der Zerfallgrobrkörnig und ,fast immer ,sind die Fibril-len zerbrochen. Die ausgebrochenen Stückeliegen meist in der Nähe der Fibrille undoft sammelt ,sich um sie herum ,die frei-werdende,,argyrophile" Substanz (das isteine chemisch nicht näher ,deflnierte Sub-stanz, die sich mit Silbersalzen schwärzt).Die I{örner sind so groß, daß man sie schonmit mittlerer Vergrößerung erkennen kann.Wenn mehrere solcher Körner (Tröpfchen)zusammenfließen, serhen rsie oft schollen-artig aus.

Auch elektronenmikroskopisch findetman häuflg Zefiallserscheinungen nachdem Frakturtyp, wie zum Beispiel Zerbre-chen rder Fitbrillen oder körnigen Zerf.allder Basalkörper (Mrrz 1963).

Bitd 9: Weitmaschengitter (Silbertiniensystemvon Euplotes). Teilstück aus der Rückenseite.Beginnender Zerfall des Systems nach dem Frak-turtyp. Zwischen den Maschen liegen Fibrillen-stückchen und I{örner aus argyrophiler Sub-stanz. Vergrößerung 1700.

BiId 11: Feinbau der Pellicula des Pantoffeltier-chens. Bt Basalflbrille, Bk Basalkörper, T Tri-chocyste. Aus Merrsrs-WrNzrr nach Gnrn.

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Bild 10: Weitmaschengitter (Silberliniensystemvon Euplotes). Teilstück aus der Bauchseite. Mit-telschwerer Zerfall nach dem Frakturtyp. Zer-brochene Fibrillen sind deutlich erkennbar. fnden Maschen liegen Brustücke von Fibrillen undkleinere I{örner argyrophiler Substanz.

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Die naturkundliche Station der Stadt Linzhat mieh bei meinen Llntersuchungenr, vor allembei der Herstellung der Mikroaufnahmen, dan-k enswe rt un^t e rstützt.

Verfasser: Wilhelm Foissner, Frensdorf 23, öster-reich, 4231

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