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Tschernobyl Fact Sheet Ursachen und Ablauf des Reaktorunfalls 1

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Ursachen und Ablauf des Reaktorunfalls1

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1 Ursachen und Ablauf des Reaktorunfalls

Beim Kernkraftwerk Tschernobyl handelt es sich um einen grafitmoderierten Siedewasser-Druckröhrenreaktor vom Typ RBMK („Reaktor Bolschoi Moschtschnosti Kanalnyi“). Dieser Reaktortyp wurde in der ehemaligen Sowjetunion entwickelt und dort an den Standorten Leningrad, Kursk, Smolensk, Ignalina und Tschernobyl errichtet und betrieben. Die Anlagen in Ignalina (Litauen) und Tschernobyl (Ukraine) sind inzwischen nicht mehr in Betrieb und befinden sich in Stilllegung. In Russland sind noch 11 Blöcke an drei Standorten am Netz.

Der Reaktorkern mit einer Gesamthöhe von 7 m und einem Durchmesser von 11,8 m besteht aus etwa 2500 Grafitsäulen, zusammengesetzt aus Blöcken unterschiedlicher Länge. In Vertikalen Bohrungen in den Grafitsäulen sind die über 1600 Druckrohre, die Rohre für Regel- und Schutzsysteme sowie die Kerninstrumentierung untergebracht. Der Reaktorkern ist umgeben von einem zylinderförmigen Metallgehäuse, welches zusammen mit der oberen und unteren Kernplatte den Reaktorbehälter bildet.

Bei der Katastrophe von Tschernobyl handelte es sich um einen Reaktorunfall, der durch die

besonderen reaktorphysikalischen und sicherheitstechnischen Eigenschaften des RBMK und durch gravierende menschliche Fehlhandlungen bedingt war. Die Fehlhandlungen sowie nicht beseitigten Auslegungsmängel basierten im Wesentlichen auf unzureichender Sicherheitskultur.

Die Katastrophe im Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl am 26. April 1986 ereignete sich, als die Anlage für eine Revision abgefahren werden sollte. Während des Abfahrvorganges war vorgesehen, einen bis dahin nicht durchgeführten Versuch nachzuholen, um bestimmte Sicherheitseigenschaften für das Not- und Nachkühlsystem nachzuweisen. Der Versuch wurde – fälschlich – als rein konventioneller Versuch im Bereich der Elektrotechnik ohne Rückwirkung auf den nuklearen Teil angesehen.

Während der Versuchsdurchführung kam es am 26. April 1986 um 1:23 Uhr auf Grund unvorhergesehener unzulässiger Anlagenzustände zu einem Leistungsanstieg, der durch die Regelung nicht mehr kompensiert werden konnte. Die eingeleitete Handabschaltung führte durch die konstruktiven Besonderheiten der RBMK-Steuerstäbe zu einer weiteren extremen Leistungssteigerung. Dies führte zu einem extrem schnellen Anstieg der Energiefreisetzung in den Brennelementen. Durch diese extrem schnelle Energiefreisetzung wurde der Reaktorkern vollständig zerstört. Die im Brennstoff freigesetzte extreme Energie sorgte dafür, dass das umgebende Kühlmittel sofort verdampfte. Der so entstandene plötzliche extreme Druckanstieg im Reaktorkern führte zur Explosion des Reaktorbehälters. Die Reaktorleistung erreichte dabei mehr als den 100fachen Nominalwert. Der Zerstörung des Reaktorkerns folgten Grafitbrände. Es verbrannten 250 t Grafit. Durch die Explosion wurde die Reaktorhalle vollständig zerstört und es erfolgte eine massive Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umwelt. Die massive Freisetzung dauerte 10 Tage. In der

Abb.: Blick in den Reaktorsaal eines RBMK -Quelle: http://www.vokrugsveta.ru/vs/article/114/

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Literatur wird die unmittelbare Explosion teilweise unterschiedlich diskutiert, einschließlich der Möglichkeit eines nuklearen Verlaufs. Die Mehrheit geht weiterhin von dargestellten Ablauf aus.

Abb.: Der zerstörte Block 4 (links) und Block 3 (rechts) des Kernkraftwerks Tschernobyl, Quelle: ChNPP

Durch den Brand wurde radioaktives Material in sehr hohe Luftschichten getragen. Die Ausbreitung der kontaminierten Luftmassen wurde durch die vorherrschende Wetterlage (Luftströmungen) bestimmt, die sich aus der großräumigen Luftdruckverteilung, den Windverhältnissen und den Niederschlägen ergaben. Während der ersten Freisetzungsphase gelangten die radioaktiven Stoffe durch den heißen Luftstrom des Grafitbrandes bis in eine Höhe von 1.200 m und wurden nordwärts transportiert. In den weiteren Freisetzungsphasen nach der Löschung des Brandes hatten die ausströmenden Gase eine niedrigere Temperatur, sodass der Auftrieb bis in Höhen von 200 bis 400 m erfolgte. Die Größe der aufgetretenen Kontamination resultiert aus der Intensität der Regenfälle (Auswaschen der Radioaktivität aus der Luft), sodass es lokal zu unterschiedlichen Kontaminationen kam.

Von Mai bis November 1986 wurde zur Isolierung des zerstörten Reaktors eine Stahl-/Beton-Konstruktion, der heute bekannte Sarkophag errichtet. Wegen der extrem hohen Strahlung am zerstörten Reaktor konnten bei den Bauarbeiten nicht alle Teile miteinander verschweißt oder verschraubt werden. Sie wurden zum Teil nur aufeinander gesetzt. Der immer noch existierende Sarkophag war als Provisorium für eine begrenzte Standzeit von 20 bis 30 Jahren konzipiert.

Die Hauptursachen des Unfalls waren: gravierende Mängel der reaktorphysikalischen Auslegung und der Auslegung der Abschalteinrichtungen; ein politisches und organisatorisches System, welches nicht in der Lage war, diese Mängel abzustellen, obwohl sie lange vor dem Unfall bekannt waren; ein sicherheitstechnisch unzureichend durchdachtes und geprüftes Versuchsprogramm sowie eine Betriebsführung und Bedienungseinrichtungen, die das Personal bei der Wahrnehmung seiner Verantwortung für die Sicherheit überforderten. Nach dem Unfall wurden bei den noch in Betrieb befindlichen RBMK viele sicherheitstechnische Verbesserungen und Nachrüstungen durchgeführt, damit sich ein vergleichbarer Unfall nicht wiederholen kann.

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Welches Leid hat das Unglück für die Menschen gebracht (und bringt es heute noch)?

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2 Welches Leid hat das Unglück für die Menschen gebracht (und bringt es heute noch)?

Beim Tschernobyl-Unfall wurden große Mengen an Radioaktivität (Radionuklide: insbesondere Cäsium, Iod, Strontium und Plutonium) in die Umwelt freigesetzt. Diese führten zu Strahlenbelastungen von Menschen außer- und innerhalb des Körpers. Für einzelne Bevölkerungsgruppen sieht die Strahlenexposition verschieden aus (siehe Tabelle rechts). Zum Vergleich: die jährliche durchschnittliche natürliche Strahlendosis in Deutschland beträgt 2 bis 3 mSv.

Zur unmittelbaren Bekämpfung des Brandes und Abdeckung des offenen Reaktorkerns von Block 4 wurden das Betriebspersonal des Reaktors, Feuerwehrleute sowie Armeeangehörige eingesetzt. Dieser Personenkreis erhielt zum Teil sehr hohe Strahlendosen. Etwa 300 Personen wurden in Krankenhäuser gebracht, 134 Personen zeigten Symptome einer akuten Strahlenkrankheit mit Schwäche, Erbrechen und Schwindel sowie Hautverbrennungen. Trotz intensiver medizinischer Bemühungen, zum Teil mit Knochenmarktransplan-tationen in Spezialkliniken in Moskau und Kiew mit Hilfe amerikanischer Ärzte, starben 28 Personen an der Strahlenkrankheit und den erlittenen Brandverletzungen innerhalb der ersten vier Monate nach dem Unfall. Bis 1998 sind weitere 19 Überlebende aufgrund der erhaltenen Dosen verstorben. Die IAEO geht von insgesamt 56 Toten aus, den vorab genannten 47 Katastrophenhelfern und weiteren neun an Schilddrüsenkrebs verstorbenen Kindern aus dem Umfeld des Reaktors.

An den späteren Aufräumungsarbeiten beteiligten sich 200.000 bis 600.000 Liquidatoren. Die erhaltene Dosis, die teilweise nur mit einem Messgerät je Arbeitsgruppe ermittelt wurde und starke Unsicherheiten aufweist, lag maximal zwischen 100 und 500 mSv im Jahr; ein großer Teil dieser Personengruppe erhielt eine viel niedrigere Dosis.

Neben den oben genannten akuten gesundheitlichen Strahlenschäden ist zusätzlich auf Grund der Exposition durch radioaktive Stoffe das Risiko an Krebs zu erkranken für die Bevölkerung insbesondere in der Umgebung von Tschernobyl und die evakuierten Gebiete erhöht. Zur Zahl der durch den Tschernobyl-Unfall zu erwartenden zusätzlichen Todesfälle infolge von Krebserkrankungen gibt es sehr unterschiedliche Angaben. So wurde z.B. im Jahr 2005 durch eine internationale Expertengruppe die Zahl der Toten insgesamt auf ungefähr 4.000 geschätzt. Andere Abschätzungen sprechen von bis zu 100.000 Toten.

1986 entschied eine medizinische Kommission über die Kriterien für die Evakuierungsmaßnahmen in der heutigen 30-km-Zone. In den ersten Wochen der Evakuierung ging es primär darum, die Einwohner und insbesondere Kinder und Schwangere, die in der unmittelbaren Umgebung des

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Kernkraftwerks lebten, vor der ionisierenden Strahlung (landläufig auch als radioaktive Strahlung bezeichnet) zu schützen. Als Entscheidungskriterium für eine Evakuierung wurde in Tschernobyl die gemessene Ortsdosisleistung herangezogen. Gebiete, in denen für Personen der Bevölkerung eine zusätzliche Strahlendosis von über 5 mSv/a zu erwarten war, sollten zuerst evakuiert werden. Von der ersten kurzfristigen Evakuierung am 27. April waren etwa 116.000 Personen betroffen. Am 2. und 3. Mai 1986 folgte dann eine zweite Evakuierungsphase aus der 10-km-Zone um den Unglücksreaktor von rund 10.000 Personen. Ab 4. und 5. Mai 1986 wurde auch die 30-km-Zone um den Reaktor evakuiert. Insgesamt wurden nach einem UN-Bericht beinahe 400.000 Menschen (150.000 in Weißrussland, 150.000 in der Ukraine und 75.000 in der Russischen Föderation) zwangsweise oder aus eigenem Antrieb umgesiedelt.

Die evakuierten Personen waren schätzungsweise einer durchschnittlichen Dosis von etwa 20 mSv ausgesetzt. Für Bewohner der strikten Kontrollzonen (270.000 Personen) liegt die durchschnittliche Dosis bei 50 mSv. Zwei Drittel der Menschen in weiteren kontaminierten Gebieten (6.400.000 Personen) empfingen eine Jahresdosis von weniger als 1 mSv, beim restlichen Drittel lag die Dosis zwischen 1 und 10 mSv.

Für die Bevölkerungen in Nordeuropa betrug die berechnete Lebenszeitfolgedosis ca. 1 mSv und für Westeuropa ca. 0,15 mSv. Auf Grund der in Deutschland festgestellten Strahlenbelastungen durch den Tschernobyl-Unfall schließt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) akute Strahlenschäden für Personen in Deutschland aus (Zur Erinnerung: die jährliche durchschnittliche natürliche Strahlen-exposition in Deutschland beträgt 2 bis 3 mSv. Die durchschnittliche Dosis aus Tschernobyl beträgt ca. 0,011 mSv (Wert aus dem Jahr 2014)).

Insgesamt gibt es in den Ländern Russland, Weißrussland und Ukraine ca. 7 Mio. anerkannte „Tschernobyl-Betroffene“, davon in der Ukraine ca. 3 Mio. Menschen. „Tschernobyl-Betroffene“ sind Personen, die durch den Reaktorunfall einen gesundheitlichen oder finanziellen Nachteil erlitten haben. Sie werden je nach Schwere des Nachteils in 4 Kategorien eingeteilt.

Das BfS berichtet darüber, dass die vielen wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Spätfolgen nicht immer klar zeigen, ob und in welchem Umfang sich strahlenbedingte gesundheitliche Schäden auf den Tschernobyl-Unfall zurückführen lassen. Lediglich bei Schilddrüsenkrebserkrankungen sowie bei höher belasteten Liquidatoren gibt es diese Korrelation. Anerkannt als andere (nicht strahlenin-duzierte) Folgen des Unfalls sind bei der betroffenen Bevölkerung aber vermehrte Stresssymptome, Depressionen, allgemeine Angstzustände sowie nicht erklärbare Krankheitssymptome.

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Welche Auswirkungen hatte es auf die Umwelt (und hat es heute noch) – auch in DEU?

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3 Welche Auswirkungen hatte es auf die Umwelt (und hat es heute noch) – auch in DEU?

Die Explosion des Reaktorkerns in Tschernobyl führte dazu, dass auch Kernbrennstoffe wie Plutonium-239 (Pu-239) und Radionuklide wie Strontium-90 (Sr-90) aus dem Reaktor in die Umgebung der Anlage geschleudert wurden. Der anschließende mehrtägige Brand des Grafits mit Temperaturen von weit über 2000 Grad Celsius transportierte die leichter flüchtigen Radionuklide wie Iod und Cäsium in große Höhen der Atmosphäre, von wo sie sich mit Höhenwinden über große Gebiete bis nach Mitteleuropa ausbreiteten.

Abb.: Hauptausbrei-tungsrichtung vom 27.4 bis 1.5. 1986 sowie vom 2.5 bis 10.5.1986 Quelle: GRS

Die bis zum 6. Mai 1986 freigesetzte Menge der radioak-tiven Stoffe – ohne Berücksichtigung der meist kurzlebi-gen Edelgase und des Tritiums – wur-de 1986 mit

1,8x1018 Bq abgeschätzt, bei einer Unsicherheit von ± 50 %.

Von den 190 t bestrahlten Kernbrennstoffs, der sich zur Zeit der Explosion im Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl befand, befinden sich noch etwa 96 % innerhalb des Sarkophags. Etwa 0,5 bis 1 % sind am Standort bis ca. 500 m Entfernung vom Sarkophag überwiegend als fein dispergierte Teilchen, aber auch als Trümmerstücke des Reaktorkerns, verstreut. Ein weiterer Anteil von etwa 1,5 % befindet sich in Form von fein verteilten Teilchen in einem Gebiet mit einem Umkreis von 80 km, der größte Teil davon jedoch in der 30 km Sperrzone um das Kraftwerk. Der restliche Teil von etwa 1,5 % wurde in Form von fein verteilten Teilchen durch atmosphärische Ausbreitung z.T. über weite Entfernungen fortgetragen.

Außerhalb der Sperrzone in Tschernobyl werden Gebiete in Russland, Weißrussland und der Ukraine mit einem hohen Cäsium-137 (Cs-137) Aktivitätsniveau der obersten Bodenschicht (≥ 37 kBq/m2) als kontaminiert definiert und unterliegen daraufhin der sogenannten radiologischen Kontrolle. Das betrifft nach offiziellen Angaben in Weißrussland eine Fläche von etwa 46.500 km2, in Russland von 57.000 km2 und in der Ukraine von 41.800 km2 (einschließlich Sperrzone).

Die Nuklidzusammensetzung in den radioaktiven Wolken änderte sich mit der Entfernung zum Reaktor.

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In unmittelbarer Nähe wurden die weniger flüchtigen Elemente, wie Strontium (z. B. Sr-90) oder Plutonium (z. B. Pu-239), abgelagert.

Abb.: Kontamination durch Sr-90 (links) bzw. Pu-239 und 240 in der unmittelbaren Umgebung von Tschernobyl – Quelle: GRS

Vor allem Cäsium- und Iod-Isotope wurden dagegen über weite Strecken transportiert.

Abb. Cäsium-137 Kontaminationen in Ukraine, Weißrussland und Russland nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl sowie von Fukushima Daiichi (gleicher Maßstab) Quelle: TEPCO

Aus radioökologischer Sicht stellt der im Süd-Osten des Standortes gelegene Kühlteich ein bedeutendes Objekt dar. Mit einer Länge von 11,4 km, einer Breite von 2 km und einer durchschnittlichen Tiefe von 6 bis 20 m besitzt er eine Wasserkapazität von ca. 149 Mio. m3. Durch den Unfall wurde er stark kontaminiert. Radioaktive Teilchen und „Hot Particles“ wurden durch die radioaktive Wolke in den Kühlteich eingebracht. Hinzu kommen ca. 5.000 m3 stark kontaminierten Wassers, das in den Kühlteich gepumpt wurde. Messungen zeigen, dass die Kontamination

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heutzutage hauptsächlich aus Cäsium-137 und Strontium-90 besteht, wobei über 90% im Sediment gebunden sind. Aus dem Kühlteich fließen jährlich größere Mengen (zwischen 3,6 und 14 GBq) Strontium-90 in den Fluss Pripyat.

Für die Auswirkungen von Strahlung auf Flora und Fauna sind die äußere Bestrahlung und die Aufnahme von Radionukliden in den Organismus sowie die sehr unterschiedlich ausgeprägte Strahlenempfindlichkeit der Organismen bestimmend.

In der Nähe des Kraftwerks wurden in einem angrenzenden Waldstück große Mengen radioaktiver Partikel abgelagert. Dieser Wald wurde massiv geschädigt. Vor allem die Kiefern in der näheren Umgebung des Unfallortes starben in den Wochen und Monaten nach dem Unfall völlig ab (sogenannter "Roter Wald"). Für diesen Bereich wurden die höchsten Energiedosen (> 10 Gray) abgeschätzt. Im weiteren Bereich, in dem die Energiedosen etwas niedriger (3 - 10 Gray) lagen, gab es deutlich erkennbare Schäden an den Kiefern. Andere Baumarten, wie Espen, Birken und Eichen in der Nachbarschaft der geschädigten Kiefern, zeigten keine oder nur geringe Symptome. Viele der geschädigten Kiefern gingen in den folgenden Jahren ein. Krautige Pflanzen hingegen zeigten kaum sichtbare Schäden.

In Bezug auf den Transfer vom Boden in die Pflanze sind in der Sperrzone die Nuklide Cs-137, Sr-90 und Pu-239 zu betrachten, wobei letzteres nur eine sehr geringe Transferrate aufweist. Für die Kontamination von Waldprodukten und landwirtschaftlichen Erzeugnissen außerhalb der Sperrzone ist hingegen nur noch das langlebige Cs-137 von Bedeutung.

Durch unterschiedliche Maßnahmen bei der Agrarbewirtschaftung wie die Anwendung von Düngemitteln, Kartierung der Kontamination und Leitlinien für die Weidehaltung des Viehs, Herstellung von Silofutter aus Mais anstelle von Heu, Umstellung der Verarbeitung von Milch usw. konnte die Kontamination der erzeugten Lebensmittel um einen Faktor von 2 bis 50 reduziert werden. In 2006 war die Kontamination von Nahrungsmitteln auf einen Wert gesunken, bei dem die durchschnittliche Individualdosis 1 mSv pro Jahr im Verzehrsfall nicht mehr überschritten wird. Die Menge der landwirtschaftlichen Produkte, die die von der Ukraine, Russland und Belarus festgelegten Grenzwerte für den Handel überschreiten, ist äußerst gering, so dass 30 Jahre nach dem Unfall Nahrungsmittel wieder ohne große Einschränkungen produziert werden konnten.

Abb.: In Maronenröhrlingen werden noch mehr als 1.000 Bq Cs-137 pro kg gemessen Quelle: BfS

Die Kontamination von Wildfleisch ist, ähnlich wie bei wild wachsenden Pilzen, im Vergleich zu landwirtschaftlichen Produkten immer noch deutlich erhöht. Für die Kontamination von Waldprodukten und landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist heute in Mitteleuropa nur noch das langlebige Cs-137 von Bedeutung. In höher kontaminierten Gebieten Süddeutschlands wurden in Semmelstop-pelpilzen, Pfifferlingen und Steinpilzen noch erhöhte Mengen Cs-137 gefunden (Werte aus dem Jahr 2013).

Im Rahmen des bundesweiten Routinemessprogramms zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS) wurden im Fleisch von Hirschen maximal 74 Bq/kg, in Rehen 430 Bq/kg gemessen (Werte aus 2012). Die höchsten Cs-137-Aktivitäten wurden bei

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Schwarzwild gemessen (ca. 9.800 Bq/kg im Muskelfleisch von Wildschweinen). Der Spitzenwert betrug etwa 65.000 Bq/kg und wurde 1998 im Bayerischen Wald festgestellt.

Im Vergleich: EU-weit gilt für alle Lebensmittel ein Höchstwert von 600 Bq/kg. Liegt die Aktivität über diesem Wert, ist eine Vermarktung nicht zulässig. Die Ukraine und auch Weißrussland haben die 30 km Sperrzone von Tschernobyl in ihrer Ausdehnung bis heute nicht verändert. Es gab und gibt zwar immer wieder diesbezügliche Diskussionen und Vorschläge, praktisch gibt es aber keine gemeinsam tragbare Strategie oder Roadmap. Lediglich einzelnen älteren Leuten hat man zwischenzeitlich aus humanitären Gründen gestattet, in die Zone zurückzukehren und dort zu verbleiben. Andererseits gibt es ausgewählte Vorschläge und Einzelfallentscheidungen zur wirtschaftlichen Nutzung in der Zone. Gedanken zur Errichtung eines Naturschutzgebietes sind ebenso zu vernehmen.

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Welche Sanierungsarbeiten fanden und finden am Unglücksort statt?

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4 Welche Sanierungsarbeiten fanden und finden am Unglücksort statt?

Sofortmaßnahmen, Dekontamination, Errichtung von Lagern für radioaktive Abfälle

Die benachbarten drei Blöcke des KKW Tschernobyl, die sich zum Zeitpunkt des Unfalls in Betrieb befanden, wurden innerhalb von 24 Stunden abgeschaltet. Die endgültige Außerbetriebnahme erfolgte jedoch erst Jahre später (Block 1: 1996, Block 2: 1993 und Block 3: im Dezember 2000). Aktuell wird die Stilllegung der Blöcke organisiert oder vorbereitet.

Weitere Sofortmaßnahmen erfolgten zur Eindämmung der Folgen des Unfalls. Dazu zählte das Löschen von Bränden, insbesondere auf dem Dach des Maschinenhausdaches, da von hier die Gefahr einer Weiterverbreitung des Brandes in Richtung der benachbarten Blöcke 1-3 ausging. Zur Verringerung der Freisetzung von radioaktiven Stoffen und zur Abdeckung des vollständig zerstörten Reaktorschachts wurden im Ketteneinsatz von über 30 Militärhubschraubern Materialien in das Reaktorgebäude geworfen, um den Grafitbrand zu löschen. Zu diesen Materialien gehörten etwa 40 t Borkarbid, um eine erneute Kettenreaktion zu verhindern, 800 t Dolomit zur Verringerung der Wärmeentwicklung und zum Ersticken des Grafitbrandes, 2.400 t Blei zur Verringerung der Wärmeentwicklung und zur Abschirmung der Gamma-Strahlung sowie 1.800 t Sand und Lehm als Filtermaterial für die freigesetzten radioaktiven Stoffe. Unterhalb der Reaktorgrube wurde eine Stickstoffkühlsystem installiert, wodurch sich die Temperatur und die Freisetzungen weiter verringerten. Als zusätzliche Sicherungsmaßnahme wurde unterhalb des Reaktorfundaments ein Wärmetauscher in einer horizontalen Betonplatte installiert. Die gesamte Masse an im Block 4 nach dem Unfall verbliebenem bestrahltem Kernbrennstoff aus der Kernladung, die ursprünglich aus 1.659 Brennelementen mit insgesamt 190 t Brennstoff bestand, wurde auf etwa 96 %, d.h. mehr als 180 t abgeschätzt.

Die Umgebung des zerstörten Blocks 4 einschließlich der angrenzenden Gebäudestrukturen wurde von z.T. hochaktiven herausgeworfenen Anlagenteilen und Materialien gesäubert. Der Boden um den Block 4 wurde ca. 5-10 cm abgetragen und gelagert. Danach wurden Betonplatten verlegt bzw. es erfolgte eine Aufschüttung mit sauberem Material welches mit filmbildendem Material abgedeckt wurde.

Es wurden drei Oberflächenendlager für die radioaktiven Abfälle des Störfalls errichtet. Das dritte zu den beiden oben erwähnten ist das auch heute noch in Betrieb befindliche Endlager „Buryakowka“.

Die drei Standorte wurden für die Lagerung von „höher“ aktivem Abfall ausgelegt, im Gegensatz zu den nur als “temporäre” Lagereinrichtungen bezeichneten anderen Lagern für radioaktive Abfälle aus der Störfallbeseitigung in der gesamten 30km Zone. Zusammen mit den im Block 4 verbliebenen kernbrennstoffhaltigen Materialien sind die in den Oberflächenendlagern gelagerten Abfälle entsprechend ihrer Kategorisierung nach

internationalen Standards perspektivisch in einem entsprechenden geologischen Endlager

Abb.: Endlager - Quelle: Ref No. Q3143-A2, Greenpeace International

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sicher zu verwahren. Allerdings wurde zur Entsorgung dieser Abfälle noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

Sarkophag

Um das stark beschädigte Gebäude von Block 4 zu sichern und von der Umwelt zu isolieren und damit den Weiterbetrieb der anderen Reaktorblöcke zu ermöglichen, wurde der „Sarkophag“ (Stahl/Beton-Konstruktion) um den zerstörten Block 4 errichtet, die am 30. November 1986, nach knapp 6 Monaten Bauzeit, fertig gestellt wurde. Ein ursprünglicher Entwurf sah eine Verfüllung mit Beton vor, wie auf der Abbildung zu sehen.

Die Hauptkonstruktionsteile des Sarkophags sind: (A) Rohrkonstruktion; (B) Südliche Paneele; (C) Südliche “Hockey-Sticks” (D) B1/B2 Träger; (E) Der Mammont-Träger (F) Oktopus Träger. Abb.: Hauptkonstruktionsteile des Sarkophags Quelle: www-pub.iaea.org/mtcd/ publications/pdf/pub1239_web.pdf

Aufgrund der besonderen Situation erfolgte die Projektierung in kürzester Zeit und konnte sich nicht auf genaue Kenntnisse der Situation vor Ort abstützen. Teile der neu errichteten Konstruktion stützen sich auf Trümmern des zerstörten Blockes ab und mussten zum großen Teil fernbedient montiert werden, sodass sie nicht immer präzise in den vorgesehenen Positionen abgesetzt wurden. Auch konnten einige wesentliche Bauteile nicht verschraubt

oder verschweißt, sondern nur aufgesetzt werden. Die Konstruktion des Sarkophags besteht aus monolithischen Stahlbetonwänden von bis zu einigen Metern Dicke und einer Höhe von bis zu 60 m. Zwischen den Blöcken 3 und 4 wurde eine Trennwand errichtet. Auf der nördlichen Seite wurde eine Kaskadenschutzwand aus Beton errichtet, in die

Abb.: Der Sarkophag (Im Hintergrund Blöcke 3-1) Quelle: www.chaes.ho.ua/avaria/posledstvia/chernobil_shelter.jpg

Abb.: Bestandteile des Sarkophags - Quelle: GRS

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auch radioaktive Trümmer eingeschlossen wurden.

Der Sarkophag wurde als Sofortmaßnahme für eine begrenzte Standzeit von 20 bis 30 Jahren konzipiert. Der Sarkophag ist nicht als ein isolierendes Bauwerk zu verstehen. Die Konstruktion schließt den zerstörten Block lüftungstechnisch nicht dicht ab. Auch ist das Innere nicht vollständig von Einflüssen von außen, wie z.B. durch Niederschläge, geschützt.

Shelter Implementation Plan (SIP)

Kernpunkte eines mit internationaler Unterstützung entwickelten Maßnahmenplans, der als „Shelter Implementation Plan“ (SIP) bezeichnet wurde sind u.a. die Stabilisierung des Sarkophags und die Errichtung eines neuen Einschlussbauwerks, des „New Safe Confinement“ (Neuer Sicherer Einschluss - NSC). Der SIP umfasst 22 Aufgaben, die 5 wesentlichen Aufgaben zugeordnet wurden. Ziel des SIP ist es, die Ukraine bei der Schaffung eines "umwelttechnisch sicheren Einschlusses" für den 1986 verunfallten Block 4 des KKW Tschernobyl zu unterstützen. Der Betrieb des NSC, der Rückbau des alten Sarkophags und die Beseitigung der darin enthaltenen radioaktiven Abfälle sind dagegen nicht Bestandteil des SIP.

Stabilisierung

Um die bereits unmittelbar nach der Errichtung des Sarkophags offensichtlichen strukturellen Mängel teilweise zu beseitigen, wurden bis 2008 die wichtigsten Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt. Eine dieser Maßnahmen war die Stabilisierung der westlichen Auflage der Träger B1/B2 und eine Lastreduzierung der Dachkonstruktion auf der Westwand. Als eine der letzten

Maßnahmen erfolgte die Reparatur der Dachkonstruktion des Sarkophags. Die ukrainische atomrechtliche Behörde erlaubte eine Betriebsdauer des Stabilisierten Sarkophags von 15 Jahren. Danach sind die nicht durchgeführten Stabilisierungsmaßnahmen nachzuholen, oder es muss eine Demontage der einsturzgefährdeten Teile erfolgen. Wie wichtig die Überwachung des Sarkophags selber auch weiterhin ist, zeigt der teilweise Einsturz des Maschinenhaus-dachs im Februar 2013.

New Safe Confinement (NSC)

Das „New Safe Confinement“ (NSC) stellt ein Schlüsselelement des SIP mit einer Lebensdauer von 100 Jahren dar. Das bogenförmige NSC mit zwei senkrechten Wandteilen an der Ost- und Westseite ist ca. 260 m breit, insgesamt ca. 165 m lang und ca. 110 m hoch. Es besteht aus einer doppel-wandigen Konstruktion, die nach Innen und Außen abgedichtet wird. Die jeweils äußeren Lagen be-stehen aus Edelstahlblech. Die Montage des NSC erfolgte auf einer speziell dazu eingerichteten Montageplattform vor der Südwand des Sarkophags. Dadurch konnten die Anforderungen an den Strahlenschutz und die Zugangsregelungen vereinfacht werden.

Abb.: Stabilisierter Sarkophag - Quelle: ChNPP

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Zur weiteren Reduzierung der Dosis des Montagepersonals wurde zwischen Sarkophag und Mon-tageplattform eine Abschirmwand errichtet.

Abb.: Der Sarkophag mit Abschirmwand und dem Technologiegebäude des NSC im Vordergrund links am 21. Januar 2016 - Quelle: http://chnpp.gov.ua

Abb.: Das NSC in der Montageposition am 10. Dezember 2015 (Blick in Richtung Westen) Quelle: http://chnpp.gov.ua

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Abb.: NSC nach der Verschiebung und Positionierung über dem Block 4 – Blick aus östlicher Richtung - Quelle ChNPP

Das NSC umschließt auf der Ost- und Westseite die bestehenden Baustrukturen des Sarkophags bzw. der Grenzstruktur zwischen den Reaktorblöcken 3 und 4. Diese Baustrukturen bilden den äußeren Abschluss. Das NSC ermöglicht den Einschluss des zerstörten Blocks. Es soll die Bedingungen für Demontage und Bergung radioaktiver Materialien bis zu einem ökologisch sicheren Zustand schaffen. Eine Lüftungsanlage soll die Luftfeuchtigkeit im Zwischenraum der Konstruktion unter Kontrolle halten, sowie eine Druckstaffelung von außen nach innen erzeugen, damit keine Radioaktivität entweicht. Das installierte Hauptkransystem mit 96 m Spannweite, welches im Inneren der Bogenkonstruktion angebracht ist, soll u.a. die Demontage von instabilen Teilen des Sarkophags und einen späteren Abbau des zerstörten Reaktorblocks ermöglichen. Im November 2016 wurde die bogenförmige Konstruktion des NSC erfolgreich über den zerstörten Block 4 geschoben und positioniert. Die restlichen Arbeiten zur Fertigstellung des NSC (z.B. Abdichtungsarbeiten, Montage des Lüftungssystems, Durchführung der notwendigen Abnahmen und Tests usw. sollen in Jahr 2018 abgeschlossen werden.

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TschernobylFact Sheet

Wie ist der Stand der internationalen Finanzierung (Chernobyl Shelter Fund und Nuclear Safety Account)?

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Abb.1: Blick auf das NSC über dem Sarkophag aus westlicher Richtung im Sommer 2017 - Quelle: ChNPP

5 Wie ist der Stand der internationalen Finanzierung (Chernobyl Shelter Fund und Nuclear Safety Account)?

Im Jahr 1997 haben die G7 Staaten und die Europäische Union der Ukraine Unterstützung für die Überführung des KKW Tschernobyl (Block 4) in einen ökologisch sicheren Zustand zugesagt. Die Unterstützungszusage wurde seit dem mehrfach durch die G7 erneuert. Die Geberstaaten haben mit der Projektabwicklung die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) beauftragt. Wichtige Projekte sind die neue Schutzhülle von Block 4 (NSC) sowie das Brennelement Zwischen-lager ISF-2. Beide Projekte nähern sich der lange erwarteten Fertigstellung Ende 2018 bzw. in 2019.

Die internationale Finanzierung der Tschernobyl-Projekte stützt sich im Wesentlichen auf die beiden durch die EBWE verwalteten Fonds, den Chernobyl Shelter Fond (CSF) und den Nuclear Safety Account (NSA). Der CSF finanziert Maßnahmen mit Blick auf den havarierten Block 4. Aus diesem Fonds wird der neue sichere Einschluss (New Safe Confinement (NSC)) finanziert. Der NSA finanziert Entsorgungseinrichtungen; hierzu zählt das Projekt zur Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente aus dem KKW Tschernobyl, die Intermediate Storage Facility ISF-2. Beide Projekte werden überwiegend durch die G7 sowie die EU finanziert.

2010 wurde eine Kosten-schätzung vorgelegt, die die Kosten zur Fertigstel-lung des NSC und weiterer SIP-Projekte auf 1,5 Mrd. EUR bezifferte. Mit der Geberkonferenz von 2011 in Kiew gelang es die Finanzierungslücke zu schließen. Zur gleichen Zeit konnte ein Defizit beim NSA zur Finanzierung des Brennelemente Zwi-schenlagers ausgeglichen werden. Hierzu benötigte

man weitere 140 Mio. EUR. Bis zum Stichtag 31. Oktober 2014 hatte sich nach einer endlich belastbaren Kostenschätzung eine erneute Finanzierungslücke von 615 Mio. EUR auf-getan. Der Gesamtfinanzierungsbedarf für das NSC und übrige SIP-Projekte stieg damit auf ca. 2,15 Mrd. EUR, Kosten in Folge von Zeitverzö-gerungen allerdings nicht inbegriffen.

Im Rahmen der Geberkonferenz vom 29.04.2015 in London konnte unter deutscher G7-Präsidentschaft die Weiterführung des Projekts gesichert und diese Finanzierungslücke

Chernobyl Shelter Fund (CSF) Gesamt

Zusagen für gesamten CSF (ca.)

Gelder der G7/EU-KOM 1,3 Mrd. EUR Beiträge anderer Geberstaaten 0,41 Mrd. EUR Zinsgewinne des Fonds 0,11 Mrd. EUR CSF-Gesamtsummen 1,82 Mrd. EUR + Projektgebundene Zuschüsse der EBWE (nicht CSF Bestandteil) 0,5 Mrd. EUR

Tabelle 1: Gesamtzusagen für den CSF Stand 31.Okt. 2017

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Abb.2 und 3: „Kalter“ Test der Belademaschine für doppelwandige Behälter mit abgebrannten Brennelementen zur Einlagerung im Trockenlager ISF-2 im Januar 2018 Quelle: ChNPP

geschlossen werden. Die Gesamtzusagen für den CSF beliefen sich im Oktober 2017 auf 1,82 Mrd. €. Hinzu kommen 0,5 Mrd. € projektgebundene Zuschüsse der EBWE.

Beim NSA bestand Ende 2014 noch eine Finanzierungslücke von ca. 105 Mio. EUR, die erst anlässlich der Geberversammlung vom 08. Dezember 2017 geschlossen werden konnte.

Die Gesamtzusagen für den NSA beliefen sich im Dezember 2017 auf 494 Mio. € (davon entfallen etwa 2/3 auf Ukraine-Projekte). Hinzu kommen 177 Mio. €

projektgebundene Zuschüsse der EBWE.

Anmerkung: Der gesamte NSA beinhaltet über UKR hinaus Projekte in BUL, LIT und RUS; EBWE nimmt jedoch keine deutliche Trennung vor. Die Ausgaben für Projekte der UKR nehmen ca. 2/3 des Projektvolumens ein.

Anteil Deutschlands an CSF und NSA

Deutschland war von Anbeginn maßgeblich am Zustandekommen der beiden Fonds CSF und NSA beteiligt. Der G7-Gipfel vom Juli 1994 in Neapel brachte den entscheidenden Durch-bruch. Der Ukraine wurde ein Aktionsplan zur Unter-stützung der Stilllegung des gesamten KKW Tschernobyl angeboten. Mit dem „Memo-randum of Understanding on

the Closure of the Chernobyl Nuclear Power Plant“ (MoU) vereinbarten die G7 zusammen mit EU-KOM und der Ukraine am 20. Dezember 1995 die Unterstützung der Ukraine im Gegenzug zur Schließung des KKW Tschernobyl bis zum Jahr 2000.

Größter finanzieller Geber beim CSF und NSA ist die Europäische Union, gefolgt von den USA. Dahinter kommt Deutschland als drittgrößter Geber, gefolgt von Frankreich. Diese Rangfolge ergibt sich in Summe der direkten Beiträge sowie aus den indirekten Anteilen durch Beiträge zum EU-Haushalt und Anteilen an der EBWE.

Nuclear Safety Account(NSA) Gesamt

Zusagen für gesamten NSA

Gelder der G7/EU-KOM 329,6 Mio. EUR Beiträge anderer Geberstaaten 73,3 Mio. EUR Rückzahlung AREVA 45 Mio. EUR Zinsgewinne des Fonds 46,4 Mio. EUR

NSA-Gesamtsumme 494,3 Mio. EUR

+ Projektgebundene Zuschüsse der EBWE (nicht NSA Bestandteil) 177 Mio. EUR

Tabelle 2: Gesamtzusagen für den NSA

CSF und NSA DEU Anteil aus Zusagen

Fondsbeiträge DEU aus Haushalt BMU im Rahmen der G7

ca. 158 Mio. EUR (davon ca. 123 Mio. €

für Ukraine)

Finanzanteil DEU aus Zusagen der EU-KOM ca. 99,6 Mio. EUR

Shareholderanteil DEU aus Zinsgewinnen+ Zuschüssen EBWE

ca. 82 Mio. EUR

Gesamtbeteiligung DEU ca. 339,6 Mio. EUR

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Tabelle 3: Überblick über direkte und mittelbare Beteiligung Deutschlands an CSF und NSA Anmerkung: Der gesamte NSA beinhaltet über UKR hinaus Projekte in BUL, LIT und RUS; EBWE nimmt jedoch keine deutliche Trennung vor. Die Ausgaben für Projekte der UKR nehmen ca. 2/3 des Projektvolumens ein.

Zusammen mit seinen G7-Partnern und im Einvernehmen mit den übrigen Anteilseignern der EBWE trug Deutschland erheblich dazu bei, das Gelingen der Tschernobyl-Projekte finanziell abzusichern. Die EBWE beziffert die Kosten für das ISF-2 weiterhin mit ca. 380 Mio. EUR. Schwierigkeiten bereitet vor allem die Unsicherheit des Wechselkurses für noch ausstehende Ausgaben. Diese basieren auf zumeist in USD abgeschlossenen Verträgen, die seinerzeit mit ca. 1,41 USD gegen 1 EUR kalkuliert wurden. Die EBWE geht in ihrer Schätzung von einem zusätzlichen Finanzbedarf von rd. 105 Mio. EUR aus. Dieses Finanzierungsdefizit wurde im Rahmen einer Geberkonferenz im Dezember 2017 in London geschlossen. Deshalb hat sich auch Deutschland im Rahmen der G7 bereit erklärt, noch in 2018 anteilig rd. 2,9 Mio. EUR zum NSA Fonds beizusteuern. Der deutsche Beitrag aus dem Tschernobyl-Titel für den CSF und NSA (Ukraine-Teil) wird mit derAuszahlung der Rate in 2018 einen direkt geleisteten Umfang von ca. 123,15 Mio. € erreichen.

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TschernobylFact Sheet

Wann sollen welche Arbeiten abgeschlossen sein und wie ist die Perspektive an dem Standort (inkl. 30 km Zone)

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6 Wann sollen welche Arbeiten abgeschlossen sein und wie ist die Perspektive an dem Standort (inkl. 30 km Zone)

Unfallreaktor, Sarkophag, Shelter (SIP/NSC) Die ursprünglich geplanten Termine zum Zeitpunkt der Entwicklung des SIP haben sich um mehr als 10 Jahre verschoben. Mittlerweile sind aber alle Arbeiten in Gang gekommen und verlaufen nach dem zwischenzeitlich angepassten Plan. Die nachstehende Tabelle gibt eine zeitliche Perspektive.

Etappe Meilensteine Zeitraum

0

Reduzierung der Auswirkungen des Unfalls: Errichtung des Sarkophags Mit ca. 7 Monaten Bauzeit war die Errichtung des Sarkophags unter schwierigsten Bedingungen sowie massivem Zeitdruck eine organisatorische, wenn auch nicht technisch perfekte Meisterleistung.

26. April 1986 bis

30. November 1986

1

Meilenstein 1: SIP: Stabilisierung Die Folge war eine wesentlich geringere Standzeit als man unter normalen Bedingungen hätte technisch erreichen können. Daher mussten vor dem geplanten Bau des NSC eine Reihe von Standzeit verbessernden Stabilisierungsmaßnahmen getroffen werden. Auch die bestmögliche provisorische Abdichtung (nicht zu 100 % machbar) des Dachs war dringend erforderlich.

2004 - 2008

2

Meilenstein 2: SIP: Bau des Neuen Sicheren Einschlusses Die Hauptmaßnahme des zweiten Projektabschnitts des SIP, die Er-richtung des NSC begann mit der Vorbereitung der Errichtungszone im Sommer 2010. Seit Mai 2015 standen die zusammengekoppelten Hälften der ca. 30.000 t schweren Stahlkonstruktion in Warteposi-tion. Inneneinrichtung samt Rohrleitungen, Überwachungssystemen und dem Hauptkransystem wurden inzwischen montiert. Bevor Ende November 2016 das „Schieben“ über den Sarkophag erfolgte, konn-ten rechtzeitig die „End Walls“ und zugehörige Versorgungsgebäude errichtet werden. Herausforderungen gab es bei den weiteren Arbei-ten, insbesondere bei der Befestigung der Membrane zur Abdichtung des Belüftungsringraums, bei der Installation des Lüftungssystems und der Elektrik, sowie bei der umfangreichen Abnahme und Prüfaktivitäten. Die Fertigstellung soll jetzt bis Ende 2018 erfolgen.

2010 bis 2018/2019

3

Meilenstein 3: SIP: Abbau der instabilen Teile des Sarkophags Zur Fertigstellung des NSC gehört ebenfalls als ein Hauptziel der Abbau der instabilen Teile des Sarkophags. Diese Arbeiten werden als Grundvoraussetzung für die Gewährleistung der zugesicherten Eigenschaft einer Standzeit von 100 Jahren betrachtet. Weniger kritische Vorarbeiten wie das Abtragen des Metalldachs des Maschinenhauses konnten jedoch begonnen werden.

Frühestens ab Mitte 2018

4 Meilenstein 4: Bergung der kernbrennstoffhaltigen Materialien, Endlagerung und Rückbau des Sarkophags.

bis 2117

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Entsorgung bestrahlter Brennelemente

Eine wichtige Aufgabe im Zusammenhang mit der Stilllegung und dem Rückbau des KKW Tschernobyl ist die Entsorgung der aus dem Betrieb angefallenen bestrahlten Brennelemente (BE), die sich derzeit nahezu vollständig im Nasslager „Interim Spent Fuel Storage Facility“ (ISF-1) am Standort befinden.

Die Planung sieht eine trockene Zwischenlagerung der Brennelemente in Lagerbehältern in der Nähe des KKW Tschernobyl für einen Zeitraum von bis zu 100 Jahren vor. Bis zur Inbetriebnahme des im Wesentlichen durch die G7 finanzierten und noch fertigzustellenden neuen Langzeit-Zwischenlagers (Interim Storage Facility - ISF-2) wird das am Standort bereits bestehende Nasslager ISF-1 für bestrahlte Brennelemente als Interimslager genutzt.

Kürzel Anlage, Bemerkung

Zweckbestimmung

ISF-1

Aktuelle Situation

Interim Spent Fuel Storage

Facility (ISF-1)

Das ISF-1 wurde zwischen 1983 und 1986 als eigenständiges Nasslager für bestrahlte RBMK-Brennelemente aus den Reaktoren des KKW Tschernobyl errichtet und im September 1986 in Betrieb genommen. Geplante Betriebszeit waren 30 Jahre. Mittlerweile wurde die Betriebserlaubnis unter Auflage regelmäßiger Sicherheitsüberprüfungen bis 2026 verlängert. Insgesamt 5 Lagerbecken mit einer Gesamtkapazität von rd. 22.000 BE-Lagerpositionen stehen zur Verfügung. Aktuell werden ca. 23.000 Lagerpositionen benötigt, was auch die Nutzung der Reservekapazitäten erforderlich macht.

ISF-2 Ziel

Das neue Langzeit-Zwischenlager, die „Intermediate Storage Facility“ (ISF-2) soll das bisherige Nasslager ISF-1 so bald wie möglich ersetzen. Rd. 22.000 Brennelemente müssen von dort umgeladen werden. Geplante Betriebszeit 100 Jahre.

ISF-2

Bild: Probebeladung mit einem DWSC Lagerbehälter im Dezember 2017 Quelle: ChNPP

ISF-2 Zeitplan

Herausforderungen bei der Auslegung bzw. Funktionstüchtigkeit von Komponenten der Innenausstattung und –ausrüstung verzögern die Fer-tigstellung des Prozessgebäudes nun bis voraussichtlich Ende 2018. Der Umladeprozess der Brennelemente von ISF-1 in ISF-2 wird sich nach späterer Inbetriebnahme der Anlage insgesamt über mehr als 7 Jahre hinziehen.

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Entsorgung radioaktiver Abfälle im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen 1986

Nach dem Unfall am 26. April 1986 blieb sehr wenig Zeit, um ein sorgfältiges Entsorgungskonzept auszuarbeiten und entsprechend ausgelegte Anlagen zur Zwischen- und Endlagerung zu errichten. Im Rahmen von Sofortmaßnahmen zur Eindämmung der Unfallfolgen musste vor allem der nähere Bereich um den zerstörten Block 4 so schnell wie möglich dekontaminiert werden. Hierzu schaffte man außer temporären Lagern drei Oberflächenendlager mit ausreichenden Kapazitäten.

Name Anlage / Bemerkung Zweckbestimmung / Fotos / Beschreibungen

Burya-kowka

Buryakowka Auch noch im Zu-sammenhang mit der Errichtung des NSC geborgene ra-dioaktive Abfälle aus der Unfallzeit, sowie Abfälle aus den Re-paraturarbeiten nach Teileinsturz des Maschinenhaus-dachs von Block 4 wurden hier einge-lagert.

Abb.: Teil des Lagers Buryakowka mit 2 Parzellen in Vorbereitung Quelle: ChNPP Das Lager besteht aus 30 Parzellen mit einer Kapazität von je ca. 15.000 – 23.000 m3, die mit einer Versiegelung gegenüber dem Grundwasser versehen sind. Hier werden Abfälle mit einer Dosisleistung von bis zu 10 mSv/h gelagert.

Podles-nyi

Podlesnyi

Z.T. hochaktive ausgeworfene Anlagenteile und Materialien aus Block 4 und Umgebung wurden im Rahmen der Sofortmaßnah-men in das Lager „Podlesnyi“ transportiert. Bei einer Kapazität von 50.000 m3 für 8 Module wurden bis En-de 1989 2 Module teilweise gefüllt. Gelagert wurden 12.000 m3 radioaktive Abfälle mit einer Dosisleistung bis zu 0,5 – 2,5 Sv/h.

Kom-pleksnyi Kompleksnyi

Der Boden um Block 4 wurde in einer Schicht von ca. 5-10 cm abgetragen und in Containern in das Lager „Kompleksnyi“ der 3. Ausbaustufe des KKW Tschernobyl verbracht.

Sponta-ne und tempo-räre Lagerung

Abb.: Arbeiten in Chisto-galovska - Quelle: ChNPP

Außer den genannten drei Anlagen wurden innerhalb der 30-km Sperrzone ca. 800 Flächen zu Lagerstätten für die spontane und temporäre Lagerung von radioaktiven Abfällen deklariert. Hier-zu gehören auch etliche komplette ehemalige Ortschaften wie z. B. Chistogalovka, die evakuiert wurden und seither für unbe-wohnbar erklärt sind. Zur Überwachung des Grundwassers wur-den im Sperrgebiet 235 Beobachtungsbrunnen gebohrt.

Künftige Veränderungen in Struktur und Nutzung der 30-km Zone

Die Reduzierung der 30-km Sperrzone um Tschernobyl in ihrer Gesamtheit und eine mögliche Nutzungsänderung waren bereits mehrfach Thema bei der ukrainischen Regierung. Präsident Poroshenko hatte das Ministerkabinett mit dem Erlass "On the Measures related to the 30th Anniversary of the Chernobyl Disaster” vom 14.12.2015 angewiesen, die Grenzen der 30-km Zone unter dem Gesichtspunkt der Einrichtung eines Biosphären-Reservats neu zu bewerten und dabei • die von radioaktiver Kontamination des Tschernobyl Desasters betroffenen Gebiete auszuweisen,

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Foto: Solar Chernobyl

• eine sorgfältige Bestandsaufnahme des Gebiets vorzunehmen und • das Land katastermäßig zu vermessen und für Eigentumsrechte zu registrieren.

Die Regierung bereitete Vorschläge zur Selbstfinanzierung der Exclusion Zone vor. Zu diesem Zweck werden Möglichkeiten der Einbindung der Zone in den allgemeinen Wirtschaftskreislauf gesucht.

Konkrete Formen hat inzwischen das von den USA unterstützte Projekt des zentralen Lagers für abgebrannte Brennelemente (Central Spent Fuel Storage Facility, CSFSF) angenommen. Mit Ausnahme von Saporishshja sollen dort die Brennelemente der ukrainischen WWER-Anlagen (Typen 1000 und 440) Riwne, Südukraine und Chmelnyzky gelagert werden. Die geplante Kapazität umfasst insgesamt mehr als 16.500 Brennelemente (2/3 davon aus WWER-1000 Blöcken) über vier Stufen. Der erste Abschnitt für 3.600 Brennelemente soll noch 2018 genehmigt werden. Auch verglaste hochradioaktive Abfälle aus russischem Rücklauf sollen dort eingelagert werden. Die Kosten sollen sich durch den Verzicht auf die Lagerung des ukrainischen Kernbrennstoffs in Russland innerhalb weniger Jahre amortisieren.

Auch zur Nutzung regene-rativer Energie gibt es konkrete Projekte sowie weitere Ausbaupläne für die Sperrzone. Hierzu ge-hört die Inbetriebnahme eines Photovoltaik-Kom-plexes mit einer Leistung von 1 MW direkt neben dem KKW Tschernobyl. Erbaut wurde die Anlage mit Hilfe des Konsortiums Rodina und der deut-schen Enerparc AG.

Das ukrainische Umweltministerium plant darüber hinaus erweiterte Kapazitäten in der Sperrzone mit Anlagen von bis zu insgesamt 1 GW. Für ein weiteres Projekt mit ca. 100 MW liegen der Verwaltung der Tschernobyl-Sperrzone bereits zahlreiche Bewerbungen vor. In der Ausschreibung wurden geeignete Parzellen zur Vermietung über 49 Jahre angeboten.