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Seite 3 · Rubrik Abheben oder abstürzen? (sr) Red Bull ist durch Todesfälle von Athleten in die Schlagzeilen geraten. Stunt-Experte Stefan Roos aus Hepberg im Interview. Wir alle wissen es: „Red Bull verleiht Flügel“. Den bekannten Werbeslogan setzt das erfolg- reiche Unternehmen mit einem aufwändigen Marketingkonzept konsequent um. Der österrei- chische Hersteller des weltweit führenden Energy Drinks spon- sert Events, überwiegend im Bereich Extremsport. Darunter auch der Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner aus 39 Kilometern Höhe. Jetzt ist Red Bull (Firmensitz: Fuschl am See bei Salzburg) in die Schlagzeilen geraten: Bei Marketing-Events des boomenden Getränkeher- stellers sind in den vergange- nen Jahren sechs Extremsport- ler ums Leben gekommen. Das jedenfalls deckte am vergange- nen Montag die ARD-Doku „Die dunkle Seite von Red Bull“ auf. Autor Helmar Büchel beleuchtet die tödlichen Unfälle, u.a. des Schweizer Basejumpers Ueli Gegenschatz, der 2009 beim Sprung von einem Züricher Hochhaus auf dem Boden auf- schlug. Der amerikanische Sky- diver Eli Thompson sprang mit einem Wingsuit (Flügelanzug) aus einem Hubschrauber und krachte gegen eine Felswand in den Schweizer Alpen. Der ka- nadische Freeskiing-Spezialist Shane McConkey sprang von einem 300 Meter hohen Fel- sen in den Dolomiten – in den Tod. Der Film über McConkey wird trotzdem fertiggestellt. Im Herbst soll er in die deutschen Kinos kommen. Sportler bezah- len die waghalsigen Marketing- Aktionen des Energy-Drink- Konzerns mit ihrem Leben. Geht das nicht einen Flügelschlag zu weit? Sabine Roelen sprach mit Stefan Roos, Stuntman und Ge-

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Abheben oder abstürzen?(sr) Red Bull ist durch Todesfälle von Athleten in die Schlagzeilen geraten. Stunt-Experte Stefan Roos aus Hepberg im Interview.

Wir alle wissen es: „Red Bull verleiht Flügel“. Den bekannten Werbeslogan setzt das erfolg-reiche Unternehmen mit einem aufwändigen Marketingkonzept konsequent um. Der österrei-chische Hersteller des weltweit führenden Energy Drinks spon-sert Events, überwiegend im Bereich Extremsport. Darunter auch der Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner aus 39 Kilometern Höhe. Jetzt ist Red

Bull (Firmensitz: Fuschl am See bei Salzburg) in die Schlagzeilen geraten: Bei Marketing-Events des boomenden Getränkeher-stellers sind in den vergange-nen Jahren sechs Extremsport-ler ums Leben gekommen. Das jedenfalls deckte am vergange-nen Montag die ARD-Doku „Die dunkle Seite von Red Bull“ auf. Autor Helmar Büchel beleuchtet die tödlichen Unfälle, u.a. des Schweizer Basejumpers Ueli Gegenschatz, der 2009 beim Sprung von einem Züricher Hochhaus auf dem Boden auf-schlug. Der amerikanische Sky-diver Eli Thompson sprang mit

einem Wingsuit (Flügelanzug) aus einem Hubschrauber und krachte gegen eine Felswand in den Schweizer Alpen. Der ka-nadische Freeskiing-Spezialist Shane McConkey sprang von einem 300 Meter hohen Fel-sen in den Dolomiten – in den Tod. Der Film über McConkey wird trotzdem fertiggestellt. Im Herbst soll er in die deutschen Kinos kommen. Sportler bezah-len die waghalsigen Marketing-Aktionen des Energy-Drink-Konzerns mit ihrem Leben. Geht das nicht einen Flügelschlag zu weit? Sabine Roelen sprach mit Stefan Roos, Stuntman und Ge-

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schäftsführer von Sports Unli-mited in Hepberg. Seit mehr als 20 Jahren ist Sports Unlimited international im Bereich Action-Marketing, Stunt- Produktionen und Product-Placements tätig.

Die Firma Sports Unlimited hat sich mit spektakulären Aktio-nen wie Bungy Jumping aus dem Helikopter, Autostunts oder House Running weltweit einen Namen gemacht. Arbei-tet Sports Unlimited auch für Red Bull?Stefan Roos: Nein, bis jetzt noch nicht. Unsere Kunden sind Mar-kenartikler aus anderen Sparten und TV-Produktionen. Werden Extremsportler durch den Anreiz hoher Gagen zu immer größeren Risiken ver-leitet?Roos: Welche Gagen Red Bull bezahlt, weiß ich nicht. Aber letztlich ist man als Extrem-sportler oder Stuntman für sein Handeln selbst verantwortlich. Das kann auch bedeuten, dass man eine Sache bei Bedenken nicht macht. Sports Unlimited ist dafür be-kannt, jedes Projekt im Vorfeld sorgfältig auf seine Durch-führbarkeit zu prüfen. Wird bei Red Bull vor einem extre-men Event das Risiko nicht geprüft?Roos: Ich bin mir sicher, dass man dort die Risiken kennt. Die

Frage muss man den Extrem-sportlern stellen. Wann bricht dieser ab? Da gibt es nur eine Antwort: Wenn die Aktion un-kontrollierbar und unkalkulierbar erscheint, egal wie viele Kame-ras auf den Einsatz warten. Hinter Red Bull steckt ein Milli-ardenimperium. Sechs Sport-ler sind bei den Marketing-Ak-tionen des Energy-Drinks ums Leben gekommen. Wo bleibt die Verantwortung des Unter-nehmens und seines Firmen-chefs Dietrich Mateschitz?Roos: Wenn der Bericht der Wahrheit entspricht, finde ich es nicht korrekt, wenn man bei Red Bull so tut, als sei nichts pas-siert. Schon aus Respekt für die Verunglückten und deren Ange-hörigen. Wie weit geht aber die Verantwortung? Es gibt Kinofil-me, wo der Stuntman bei den Dreharbeiten ums Leben kam. Der Film wird trotzdem gezeigt und wird ein Blockbuster (z.B. „The Expendables 2“ von Syl-vester Stallone), bei der Formel 1 kommt ein Pilot ums Leben (z.B. Senna) und trotzdem schaut die ganze Welt bei den Rennen zu. Man betrachte die große und vielfältige Markenpräsenz an den Boliden und Strecken. Oder Skiabfahrtsrennen (voll mit Sponsoren), auch da gab es Tote (z.B. in Garmisch, 1994) usw. Mit diesen Todesfällen ist zu-mindest die moralische Gren-

ze des Event-Marketings deutlich überschritten. Rast der Trend in diesem Bereich trotzdem ungebremst wei-ter in Richtung „immer höher, weiter, schneller, spektakulä-rer“?Roos: Ich sehe das nicht un-bedingt als Trend - Red Bull ist ja nicht alles. Ich lehne es aber strikt ab, wenn man Aktionen oder Stunts unterstützt, bei de-nen man offensichtlich mit dem Tod spielt, wie z.B. der gezeig-te Sprung aus dem Flugzeug ohne Fallschirm. Was kommt danach? Russisch Roulette? Vorbereitung in unserer Branche ist alles, aber ein Restrisiko be-steht immer. Dies gilt es zu mini-mieren. Unser Motto: No Plan B, no Action! Eins muss ich noch los werden: Der TV-Bericht war teils schlecht recherchiert und auf Schockeffekte aufgebaut. Im Bericht wurde gezeigt, wie ein Basejumper in eine Brücke einschlägt. Das hat mit Red Bull gar nichts zu tun (das passierte im Rahmen einer GoFast-Wer-beaktion in den USA). Der Tote bei den Winter X Games (Ski-doo-Unfall) hat direkt mit Red Bull auch nichts zu tun (Red Bull war Sponsor der Spiele, also auch der anderen Sportarten). Und... 1969 hat die Welt bei der Mondlandung den Atem ange-halten. Wenn Felix Baumgart-ner 2012 aus der Stratosphäre springt, ist das für mich nichts anderes.