Schubfachprinzip Färbungsmethoden_Seminararbeit.pdf

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Lehrtext zu Schubfachprinzip und F¨ arbungsmethoden Nach A.Beutelspacher, M.-A. Zschiegner: Diskrete Mathematik f¨ ur Einsteiger. (2004) von Alexander M¨ uller Matr.Nr: 3265725 im Proseminar Algebra SS 09 von Dr. J¨ urgen Brunner

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Lehrtext zu Schubfachprinzipund Farbungsmethoden

Nach A.Beutelspacher, M.-A. Zschiegner:Diskrete Mathematik fur Einsteiger. (2004)

von Alexander MullerMatr.Nr: 3265725im Proseminar Algebra SS 09von Dr. Jurgen Brunner

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Inhaltsverzeichnis

1 Schubfachprinzip 21.1 Vorbemerkung und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Beispiel: Sockenkiste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3 Beispiel: Entfernte Punkte im Quadrat . . . . . . . . . . . . . 21.4 Beispiel: Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Farbungsmethoden 42.1 Beispiel: Das Museumsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 Beispiel: Schachbrettfarbungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

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1 Schubfachprinzip

1.1 Vorbemerkung und Definition

Das Schubfachprinzip wurde zuerst 1834 vom deutschen Mathematiker PeterGustav Lejeune Dirichlet explizit formuliert. Im englischen Sprachraum ist esals pigeon principle bekannt, deshalb spricht man auch im Deutschen manch-mal vom Taubenschlagprinzip. Es beschreibt eine Selbstverstandlichkeit, mitder allerdings—das werden wir spater sehen—interessante Behauptungen be-wiesen werden konnen.

Satz 1.1.1 (Definition Schubfachprinzip). Seien m Objekte in n Kategorien(bzw. Schubfacher) eingeteilt mit n, m > 0. Wenn m > n ist, so gibt esmindestens eine Kategorie, die mindestens zwei Objekte enthalt.

Beweis 1.1.1. Es seien m Objekte in n Kategorien eingeteilt und es sei m >n. Wenn nun jede der n Kategorien nur ein Objekt enthalten wurde, gabe esinsgesamt hochstens n Objekte: Ein Widerspruch zu unserer Voraussetzung.

1.2 Beispiel: Sockenkiste

In einer Sockenkiste befinden sich 10 graue und 10 braune Socken. Mannimmt zufallig eine Reihe von Socken heraus. Wie viele muss man heraus-nehmen, damit man (a) garantiert zwei gleichfarbige oder (b) garantiert zweigraue Socken erhalt?

Losung Man schafft zwei Kategorien: graue Socken und braune Socken.Also ist n = 2.(a) Nach dem Schubfachprinzip sind bei dreimaliger Entnahme mindestenszwei in der gleichen Kategorie.(b) Schlimmstenfalls zieht man erst alle braunen Socken (10 Stuck) und dannzwei graue, also muss man mindestens 12 mal ziehen.

1.3 Beispiel: Entfernte Punkte im Quadrat

Wir wollen uns jetzt mit den Abstanden von Punkten beschaftigen, welche ineinem Quadrat liegen sollen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass zwei Punktein einem Quadrat der Seitenlange 1 hochstens einen Abstand von

√2 haben

konnen—namlich genau dann, wenn sie in gegenuberliegenden Ecken desQuadrats liegen. Man kann allerdings mit Hilfe des Schubfachprinzips weitausinteressantere Behauptungen beweisen:

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Satz 1.3.1. Unter 5 Punkten, die in einem Quadrat der Seitenlange 2 liegen,gibt es mindestens 2, die einen Abstand ≤

√2 haben.

Beweis 1.3.1. Man teile das Quadrat in 4 Teilquadrate der Seitenlange 1.Da wir 5 Punkte haben, muss nach dem Schubfachprinzip mindestens einTeilquadrat 2 Punkte enthalten. Der Abstand dieser 2 Punkte ist, wie wirbereits geklart haben, hochstens

√2.

1.4 Beispiel: Teilbarkeit

Ein weiteres Anwendungsgebiet sind die zwei folgenden Aussagenden aus demBereich der Teilbarkeit, fur dessen Beweis wir wieder das Schubfachprinzipbenotigen.

Satz 1.4.1. Sei M eine Menge mit M = {1, 2, . . . , n − 1, n, n + 1, . . . , 2n}und n ∈ N. Außerdem sei A ⊆ M mit |A| = n + 1. Dann gibt es in A stetszwei teilerfremde Zahlen, d.h.

∃ a, b ∈ A : ggT (a, b) = 1

Beweis 1.4.1. Wir wissen, dass zwei aufeinanderfolgende Zahlen teilerfremdsind. Wir ordnen die Zahlen in A der Große nach. Zwei nicht aufeinanderfolgende Zahlen haben einen Abstand von mindestens 2. Da |A| = n + 1 gibtes in A hochstens n solche Zahlenpaare. In M gibt es aber wegen |M | = 2nnur genau n − 1 Zahlenpaare mit dem Abstand 2. Weil aber A ⊆ M , kannes auch in A nur n− 1 Zahlenpaare mit dem Abstand 2 geben, also mussenin A mindestens zwei aufeinander folgende sein. Diese sind teilerfremd.

Satz 1.4.2. Sei M und A definiert wie in Satz 1.4.1. Dann gibt es stets zweiZahlen, von denen die eine die andere teilt, d.h. es gilt

∃ a, b ∈ A : a | b ∨ b | a

Beweis 1.4.2. Sei A = {a0, a1, . . . , an}. Dann kann jede Zahl aus A alsProdukt einer Zweierpotenz und einer ungeraden Zahl geschrieben werden:

ai = 2ki · ui

Dabei ist ki ∈ N0 und i = 0, 1, . . . , n. Wenn ai ungerade ist, gilt ki = 0 undai = ui, fur gerade Zahlen ist ki 6= 0. Wir sehen, dass die ui ungerade Zahlen

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aus M sind. Da |M | = 2n gibt es davon aber hochstens n Stuck. In A gibt esaber n + 1 Zahlen, somit muss es in A zwei Zahlen mit gleichem ungeradenAnteil geben:

∃ i, j ∈ {1, 2, . . . , n} | i 6= j : ui = uj

⇒ ai = 2ki · ui und aj = 2kj · ui

Dann teilt die Zahl mit der kleineren Zweierpotenz die mit der großeren.

2 Farbungsmethoden

Farbungsmethoden sind ein Hilfsmittel, mit dem man interessante Satze be-weisen kann, die nicht offensichtlich sind. Im wesentlichen funktionieren sieso, dass Teile des betrachteten Objekts oder der betrachteten Struktur ge-schickt gefarbt werden, so dass der Beweis viel einfacher gelingt als ohnedieses Hilfsmittel.

2.1 Beispiel: Das Museumsproblem

Wir betrachten ein Museum, dass sich nur uber eine Ebene erstreckt und auseinem einzigen zusammenhangenden Raumm mit geraden Wanden besteht.Der Grundriss ist sozusagen ein beliebiges Vieleck, wie zum Beispiel Abb. 1zeigt.

Abbildung 1: Ein Museum.

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Dieses Museum braucht naturlich Aufseher, da an allen Wanden hochstwertvolle Gemalde hangen. Doch wieviele wird man brauchen, und wo sollensie stehen? Die letzte Frage lasst sich leicht beantworten: Naturlich an denEcken des Vielecks, denn so konnen sie mit ihrem Blickfeld moglichst vielWandflache abdecken. Doch wieviele wird man wohl brauchen? Auf den er-sten Blick ist nicht klar, dass es darauf uberhaupt eine vernunftige Antwortgibt. Doch es gibt sie, und wir werden sie mithilfe einer Farbungsmethodebeweisen:

Satz 2.1.1. Ein Museum, dass ein n-Eck ist, kann stets mit n/3 Aufsehernuberwacht werden.

Beweis 2.1.1. Wir gehen in 3 Schritten vor:

1. Wir triangulieren den Grundriss, d.h. wir ziehen virtuelle Wande ein,so dass es nur noch dreieckige Teilraume gibt:

Abbildung 2: Das Museum nach der Triangulation.

2. Wir farben die Ecken der Dreiecke nun so mit drei Farben, dass injedem Teildreieck alle drei Farben vorkommen. Man kann zeigen, dassdas immer geht (siehe folgender Vortrag zu vollstandiger Induktion).

3. Wir wahlen die Farbe aus, die am seltensten vorkommt (also hochstensn/3 mal) und stellen an jede dieser Ecken einen Aufseher. Diese Aufse-her insgesamt das gesamte Museum, da sie jeden dreieckigen Teilraumuberblicken.

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Abbildung 3: Das Museum mit eingefarbten Ecken.

2.2 Beispiel: Schachbrettfarbungen

Fur das folgende Beispiel betrachten wir ein Schachbrett, allerdings hates statt der ublichen 8x8 Felder nur 4x4 Felder—dies dient nur der Ver-einfachung, alle Betrachtungen und Aussagen gelten fur jedes Schachbrett.Zunachst betrachten wir es ohne die typische Farbung, und stellen uns dieFrage: Kann man dieses Brett luckenlos mit 2x1 großen Spielsteinen uberdecken,ohne dass sich zwei Steine uberlappen? Schon beim ersten probieren fallt auf,dass wir ohne Muhe eine solche Uberdeckung finden konnen.

Abbildung 4: Ein 4x4 Schachbrett ohne Farbung.

Abbildung 5: Ein 4x4 Schachbrett, vollstandig mit 2x1-Steinen uberdeckt.

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Was passiert nun, wenn wir ein Feld wegschneiden? Kann man dann im-mernoch eine solche Uberdeckung finden? Offensichtlich ist das nicht moglich,

Abbildung 6: Ein 4x4 Schachbrett, bei dem ein Feld fehlt.

denn unsere Spielsteine nehmen immer zwei Felder ein. Damit kann ein Brettmit 15 Feldern nicht uberdeckt werden. Aber vielleicht geht es ja bei einemBrett mit 14 Feldern?

Abbildung 7: Die gegenuberliegenden Ecken wurden weggeschnitten.

Abbildung 8: Ein Uberdeckungsversuch.

So oft man es auch versucht, man kommt zu keiner Uberdeckung. Wieaber konnen wir beweisen, dass es nicht moglich ist? Betrachten wir dazu dieFarbung des Schachbrettes: Unser Originalbrett hat 8 weiße und 8 schwarzeFelder, unser beschnittenes Schachbrett hat auch 8 weiße, aber nur 6 schwarzeFelder. Unsere Spielsteine uberdecken offensichtlich immer ein schwarzes undein weißes Feld. Das heißt, dass ein solches Brett nur dann luckenlos mit 2x1

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Abbildung 9: Beide Versionen mit Farbungen.

großen Spielsteinen uberdecket werden kann, wenn es die gleiche Anzahl vonweißen und schwarzen Feldern hat.

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