Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt! · 2010. 2. 12. · Empfang durch den...

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Helmut Schuster, Rektor VS Schwarzenfeld Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt! Bericht von der Exkursion der Modus-F - Volks- und Förderschulen vom 13. bis 16. Oktober 2009 zum Südtiroler Schulverbund Pustertal Warum besuchen Modus-F-Schulen Schulverbünde in Südtirol? Aus dem Antrag der Modus-F-Schulen an die Abt. IV/Volksschulen des Kultusministeriums: Schulverbünde in Südtirol sind dafür bekannt, dass sie die staatlich gewährten Chancen der Weiterentwicklung zu selbständi- gen Schulen, die individualisiertes und eigenverantwortliches Lernen ihrer Schüler ermöglichen, sehr erfolg- reich nützen. Sie bauen dabei auf die Ressourcen und Kompetenzen aller Schulen der Region und nützen die Möglichkeiten zur Kooperation vor Ort. Wenn das Ziel aller Schulentwicklung verbessertes Lernen der Schüler sein soll, ist es besonders für Modus-F-Schulleiter, die sich diesem Ziel in selbständigeren Schulen verschrie- ben haben, sehr reizvoll, den Schulen im Schulverbund Pustertal in die Karten sehen zu dürfen. Sie sind be- reits seit mehreren Jahren auf diesem Weg und haben wertvolle Erfahrungen und Fortschritte bei der Indivi- dualisierung des Lernens erreicht. Ganz entscheidend war dabei die Koope- ration in Lehrerteams, die sich an die Umgestaltung des Unterrichts mit einer veränderten Rolle des Lehrers hin zum Lerncoach gemacht haben. Im Fokus von Modus-F-Schulen steht auch nach der Einführung einer mittle- ren Führungsebene die innere Schulentwicklung. Trotz sehr unterschiedli- chen Rahmenbedingungen in Südtirol/Italien und in Bayern geht der mögli- che Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn einer viertägigen Fortbildung in den Schulen des Pustertals weit über den horizonterweiternden „Blick über den eigenen Tellerrand“ hinaus. Wir versprachen uns eine Ermutigung zu weite- ren fundierten „Experimenten“ mit der Weiterentwicklung neuer Lernformen und Unterrichtsstrukturen, wenn wir sie in bewährter Realität erfahren kön- nen. Die Zielsetzung der Schulreform im Pustertaler Schulverbund folgt in ihrer Ausrichtung explizit den Bildungszielen in der gesamteuropäischen Entwicklung. Wir glauben, dass wir mit unseren Teamleitern und weiteren Mitarbeitern in der Schulleitung gute Voraussetzungen haben, die Unterrichtsentwicklung an unseren Schulen in der gleichen gewünschten Richtung voranzubringen. Darüber hinaus konnten wir miterleben, wie selbständige Schulen in der Region durch gute Zusammenarbeit voneinander profitieren. Dies könnte als Beispiel und Anregung für die eigene Arbeit wirksam gemacht werden. Nebenher konnten wir Erfahrungen sammeln, wie kleinere Schulen sinnvoll und zielführend in Verbünden ihre eigene Entwicklung vorantreiben und können diese Erkenntnisse gerne auch in Bayern weiter- geben, wo es ja auch tausende kleiner Schulen gibt. …“ Modus-F-Schulleiter waren vier Tage im deutschsprachigen Pustertal/I

Transcript of Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt! · 2010. 2. 12. · Empfang durch den...

  • Helmut Schuster,

    Rektor VS Schwarzenfeld

    Schulentwicklung in Südtirol: Es geht, wenn man sie lässt!

    Bericht von der Exkursion der Modus-F - Volks- und Förderschulen

    vom 13. bis 16. Oktober 2009 zum Südtiroler Schulverbund Pustertal

    Warum besuchen Modus-F-Schulen Schulverbünde in Südtirol?

    Aus dem Antrag der Modus-F-Schulen an die Abt. IV/Volksschulen des Kultusministeriums: Schulverbünde in

    Südtirol sind dafür bekannt, dass sie die staatlich gewährten Chancen der Weiterentwicklung zu selbständi-

    gen Schulen, die individualisiertes und eigenverantwortliches Lernen ihrer Schüler ermöglichen, sehr erfolg-

    reich nützen. Sie bauen dabei auf die Ressourcen und Kompetenzen aller Schulen der Region und nützen die

    Möglichkeiten zur Kooperation vor Ort. Wenn das Ziel aller Schulentwicklung verbessertes Lernen der Schüler

    sein soll, ist es besonders für Modus-F-Schulleiter, die sich diesem Ziel in selbständigeren Schulen verschrie-

    ben haben, sehr reizvoll, den Schulen im Schulverbund Pustertal in die Karten sehen zu dürfen. Sie sind be-

    reits seit mehreren Jahren auf diesem Weg und haben wertvolle Erfahrungen und Fortschritte bei der Indivi-

    dualisierung des Lernens erreicht. Ganz entscheidend war dabei die Koope-

    ration in Lehrerteams, die sich an die Umgestaltung des Unterrichts mit

    einer veränderten Rolle des Lehrers hin zum Lerncoach gemacht haben.

    Im Fokus von Modus-F-Schulen steht auch nach der Einführung einer mittle-

    ren Führungsebene die innere Schulentwicklung. Trotz sehr unterschiedli-

    chen Rahmenbedingungen in Südtirol/Italien und in Bayern geht der mögli-

    che Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn einer viertägigen Fortbildung in den

    Schulen des Pustertals weit über den horizonterweiternden „Blick über den

    eigenen Tellerrand“ hinaus. Wir versprachen uns eine Ermutigung zu weite-

    ren fundierten „Experimenten“ mit der Weiterentwicklung neuer Lernformen

    und Unterrichtsstrukturen, wenn wir sie in bewährter Realität erfahren kön-

    nen. Die Zielsetzung der Schulreform im Pustertaler Schulverbund folgt in

    ihrer Ausrichtung explizit den Bildungszielen in der gesamteuropäischen

    Entwicklung. Wir glauben, dass wir mit unseren Teamleitern und weiteren Mitarbeitern in der Schulleitung gute

    Voraussetzungen haben, die Unterrichtsentwicklung an unseren Schulen in der gleichen gewünschten Richtung

    voranzubringen. Darüber hinaus konnten wir miterleben, wie selbständige Schulen in der Region durch gute

    Zusammenarbeit voneinander profitieren. Dies könnte als Beispiel und Anregung für die eigene Arbeit wirksam

    gemacht werden. Nebenher konnten wir Erfahrungen sammeln, wie kleinere Schulen sinnvoll und zielführend in

    Verbünden ihre eigene Entwicklung vorantreiben und können diese Erkenntnisse gerne auch in Bayern weiter-

    geben, wo es ja auch tausende kleiner Schulen gibt. …“

    Modus-F-Schulleiter waren vier Tage

    im deutschsprachigen Pustertal/I

  • Erwartungen von der Realität weit übertroffen

    Auf Einladung von Dr. Josef Kühebacher und der Direktion des Schulverbunds Pustertal waren elf Schulleiter

    und zwei Konrektoren der Modus-F-Volks- und Förderschulen für vier Tage nach Mühlbach/Südtirol gereist, um

    das Südtiroler Schulsystem und seine Schulen praxisnah kennen zu lernen. Auf dem Programm standen die Be-

    suche von Grund- und Mittelschulen in Brixen (mit und ohne Montessori-Konzept), einer beruflichen Oberschu-

    le in Bruneck, der Fakultät der Bildungswissenschaften an der Freien Universität Bozen in Brixen mit einem

    Empfang durch den Dekan Franz Comploi, ergänzt mit Vorträgen und Gesprächsrunden an den Nachmittagen.

    Die Gastgeber hatten damit den Schulleitern aus Bayern nicht nur ein sehr vielseitiges Angebot unterbreitet,

    sondern sie gewährten jederzeit tiefe Einblicke, zeigten größte Offenheit, beantworteten alle Fragen und waren

    überaus großzügig darin, den Besuchern alles erdenkliche und gewünschte Material zu übergeben. Besonders

    beeindruckt waren die Rektoren von der Bescheidenheit und der Glaubwürdigkeit der Südtiroler Pädagogen,

    mit der sie ihren vergleichsweise reifen Entwicklungsstand bei dem Bemühen um individualisiertes Lernen der

    Schüler darstellen. Es würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, wenn hier versucht würde, die Struktur und

    Entwicklung des Schulsystems im Pustertal darzustellen. Wer sich dafür interessiert, kann auf der Internetseite

    www.snets.it/sv-pustertal und www.snets.it/psf. Um allerdings die positive Schulentwicklung dort nachvollzie-

    hen zu können, muss man einige grundlegende Gegebenheiten kennen, die zugleich Voraussetzungen für die

    günstigen Rahmenbedingungen sind.

    Schulautonomie und Schulentwicklung in engem Zusammenhang

    Historische Gegebenheiten

    1919 kam Südtirol zu Italien. Seite 1859 gibt es die Schulpflicht. Allerdings ist bis heute die Möglichkeit zur

    „scuola paterna“, der Elternbeschulung, gegeben. Seit 1962 gibt es die Einheitsmittelschule. Nach einer gemein-

    samen Grundschulzeit von fünf Jahren folgen drei Jahre gemeinsame Mittelschule für alle Kinder. Seit 1977 ist

    die Schule bis einschließlich der 8.Klasse eine wirkliche „Polis“, in der auch die geistigen und körperlich behin-

    derten Kinder mit ihren besonderen Lernbedürfnissen integriert sind. Der italienische Staat machte Ernst mit

    der „Inklusion“ und schaffte damals auch alle geschlossenen psychiatrischen Anstalten ab.

    Wie die Direktorin der Montessori-Grund- und Mittelschule in Brixen, Elisabeth

    Flöss, deutlich machte, sind die Pädagogen sehr stolz darauf, dass alle Kinder in

    einem Haus unterrichtet und gefördert werden und niemand ausgeschlossen

    werden darf. Für sie und die meisten Pädagogen in den staatlichen Schulen ist

    Vielfalt viel mehr eine Chance denn ein Problem. Viele Privatschulen (Anteil

    unter 10 Prozent) dagegen würden ihre Schüler nicht nach integrativen Ge-

    sichtspunkten auswählen und Kinder mit Beeinträchtigungen kaum berücksich-

    tigen.

    Einen großen Sprung nach vorne sei durch das im Jahre 2000 in Kraft getretene

    „Gesetz zur Autonomie der Schulen“ möglich gemacht worden, das für die

    ganze Schullandschaft „eine radikale Wendung“ bedeutete. Man habe auch in

    der deutschstämmigen Bevölkerung Südtirols die Erfahrung gemacht, dass nicht alles schlecht sein muss, was

    aus „Rom“ kommt. Unter Bildungsminister Luigi Berlinguer war in Anlehnung an das Staatsgesetz und unter

    Ausnützung der in Südtirol gewährten „sekundären Gesetzgebungsgewalt“ das Landesgesetz Nr. 12 erlassen

    worden, das den Schulen im Lande weitreichende Autonomie (=Selbstorganisation) gibt. Die Einzelschulen bzw.

    Schulsprengel erhielten Rechtspersönlichkeit. Mit der Übertragung von Verantwortung an die Schulen vor Ort

    wurde den Schulen aber auch die Gestaltung gewichtiger Bildungsfragen in eigener Wirksamkeit aufgebürdet.

    Direktorin Elisabeth Flöss kann zu

    Recht stolz auf ihre Schule sein

  • Selbstverantwortung als Herausforderung – Schulsprengel und Schulverbünde

    Auszüge aus dem Südtiroler Gesetz „Autonomie der Schulen“: „Die autonomen Schulen sind verantwortlich für

    die Festlegung und Verwirklichung ihres Bildungsangebots. Zu diesem Zweck arbeiten sie auch mit anderen

    Schulen und den lokalen Körperschaften zusammen“(Art.2, Abs.2). „Die Schulen üben für sich allein oder im

    Schulverbund die Autonomie der Forschung, der Schulentwicklung und der Schulversuche aus, indem sie die

    kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Umfelds berücksichtigen; …“ (Art. 8, Abs.2) „Durch

    Vertrag können sich Schulen zu einem Schulverbund zusammenschließen, um institutionelle Zielsetzungen auf

    Grund vereinbarter Projekte gemeinsam zu verwirklichen.“ (Art 9, Abs.1)

    Das Schulautonomiegesetz schuf Voraussetzungen, dass sich vor Ort stabile, sich selbst tragende Strukturen

    bilden können, die ihrerseits im selben Geist von unten her weitere autonome Strukturen ermöglichen. Schulen

    können sich zu lebendigen und dynamischen Organisationen entwickeln mit eigenen Zielsetzungen, die mit an-

    deren kooperieren und für sich und andere die Verantwortung für das übernehmen, was sie tun.

    Viele Schulen in Südtirol, vor allem Grundschulen, haben nur 50 bis 100 Kinder im Schulhaus und sind für eine

    qualitätsvolle Entwicklung in Eigenverantwortung viel zu klein und zu begrenzt. So haben sich meist mehrere

    kleine Schulen zu einem so genannten „Schulsprengel“ („Entwicklungseinheiten nach Menschenmaß“) zusam-

    mengeschlossen, der meist alle Grund- und Mittelschulen einer Region einschließt. Es entstanden autonome

    (=selbstorganisierte) Schulen mit einer Schülerzahl zwischen 500 und 900 und einer eigenen Direktion und meh-

    reren Außenstellenleitern. Jede Schule war gehalten, ein eigenes Schulprofil, ein Leitbild und ein Schulpro-

    gramm zu erstellen. Schon früh zeigte sich, dass hier die Kooperation untereinander und die Konzentration der

    Kräfte große Synergieeffekte für eine systemtische Weiterentwicklung der Bildungsarbeit aller Schulen birgt.

    Der Direktor einer Sprengelschule ist natürlich der Dienstvorgesetzte aller Lehrkräfte mit Personalverantwor-

    tung und Beurteilungsfunktion. Ihm obliegt die Verantwortung für das „funktionale Plansoll“ an Lehrerstunden,

    für den Stundenplan, die Klassenbildung, die Gruppeneinteilung und die Wahlfächer, für das Schulprogramm,

    für die Schulgebäude und Anlagen, für Lehr- und Lernmittel, für die Qualitätsentwicklung und Evaluationsmaß-

    nahmen, für die Kooperation mit Partnern, Betrieben, Sponsoren und Institutionen, für die Lehrerfortbildung

    sowie für das gesamte Finanzbudget der Schule mit Ausnahme der Lehrergehälter, die vom Land Südtirol ent-

    sprechend der Zuweisung durch das Schulamt bezahlt werden.

    Rahmenbedingungen und Führungsstruktur in den Sprengelschulen

    Die Südtiroler Schulexperten sprechen selbst von recht günstigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der

    Schulqualität. Die äußeren Rahmenbedingungen zeichnen sich durch politische Stabilität, Vollbeschäftigung (nur

    3 % Arbeitslosigkeit) und geringe soziale Probleme aus, eine Migrantenproblematik gibt es nur sehr marginal.

    Die schulischen Rahmenbedingungen sind gekennzeichnet durch

    ein in sich stimmiges Schulkonzept

    brauchbare gesetzliche Rahmen

    gute Ausstattung der Schulen

    effektives Lehrerdienstrecht

    hohe finanzielle Mittel für Lehrerfortbildung

    angenehme Klassengrößen (meist unter 20)

    sehr günstiges Lehrer/Schüler-Verhältnis (1:8)

    wenig soziale und kaum Disziplinprobleme

    Schulverbundsdirektor Dr. Josef Watschinger referierte die

    Konturen Südtirols und die Entwicklung seiner Schulverbünde

  • Lehrkräfte halten an Mittelschulen 20 und an Grundschulen 22 Stunden (zu 60 Minuten) Unterricht. Dazu kom-

    men 220 zusätzlich nachzuweisende Arbeitsstunden pro Jahr. Das relativ wohlhabende Südtirol zahlt seinen

    Lehrkräften gegenüber der Besoldung der Lehrer in Italien eine Aufschlag von 500 € monatlich. Es gibt keinen

    Mangel an Bewerbern, vor allem Bewerberinnen. Das Lehrersein in Südtirol bietet vielversprechende Perspekti-

    ven. Früher konnten in Italien junge Leute schon mit 19 Lehrer/in sein, heute studieren sie nach der Matura fünf

    Jahre an der Fakultät für Bildungswissenschaften, eng verknüpft mit der Schulpraxis. Die Lehrer werden mitt-

    lerweile zu Teamarbeit verpflichtet und gemeinsame Vorbereitungszeit ist vorgeschrieben. In der Schule in Bri-

    xen z.B. sind dazu am Dienstagnachmittag alle Lehrkräfte, aber keine Schüler da. Als die zwei fruchtbarsten Wo-

    chen im Schuljahr werden von der Schulleitung die zwei ersten Septemberwochen bezeichnet, wenn zum Ende

    der sehr langen Sommerferien (für Schüler 10 Wochen!) alle Lehrkräfte ganztags an der Schule sind und ge-

    meinsam das Schuljahr und alle Projekte und Vorhaben planen und vorbereiten. 80 Prozent der Lehrer begin-

    nen übrigens schon ab 20. August mit Fortbildungen ihre Vorbereitung.

    Es gibt bis zur 8. Klasse keinerlei Selektion. Nach fünf Jahren Grundschule bleiben alle Schüler auch noch in der

    Mittelschule drei Jahre zusammen. "Mittelschule" ist also dort weder ein auf- noch ein abwertendes Etikett,

    sondern bezeichnet nur die "mittlere" Altersstufe. Bis vor

    einem Jahr gab es auch keine Noten (1977 abgeschafft!). Zwar

    hat die Regierung in Rom entgegen dem Willen der meisten

    Pädagogen nun Noten eingeführt, aber die können von den

    Lehrern durchaus „pädagogisch“ gehandhabt werden und so

    müssen z.B. geistig behinderte Kinder nicht mit der schlech-

    testen Note „4“ herabgesetzt werden. Beste Notenstufe ist

    übrigens „10“, aber auch diese Noten sind nicht ausschlagge-

    bend für eine Berechtigung zum Übertritt in bestimmte wei-

    terführende Schulen nach der 8. Klasse. Die Schüler selbst

    entscheiden, in welche Schule sie nach der 8. Klasse gehen, in

    welches Gymnasium (fünfjährig) oder andere Oberschule, ob mathematisch-naturwissenschaftlich, musisch,

    sprachlich oder pädagogisch profiliert. Natürlich nehmen die Eltern Einfluss, die Lehrer haben nur ein unver-

    bindliches Gutachten abzugeben, können und wollen aber den Jugendlichen die Entscheidung nicht abnehmen.

    Ca. 30 Prozent entscheiden sich für die berufliche Oberschule, in der sie im ersten Jahr eine gewählte berufliche

    Grundausbildung machen und dann meist ab der 10. Klasse in einem dualen Ausbildungsverhältnis mit einem

    Betrieb und der beruflichen Oberschule stehen. Jede Matura nach dem erfolgreichen Besuch eines Gymnasiums

    oder Oberschule berechtigt wie unser Abitur für das Studium eines jeden Faches. Einzelne Studienfächer ken-

    nen aber eine Aufnahmeprüfung, um den Zugang nach den vorhandenen Studienplätzen zu beschränken.

    Was den Menschen in Südtirol die Schulbildung wert ist, sieht man am deutlichsten an der Lehrer-Schüler-

    Relation. Sie schwankt nur geringfügig zwischen 1 zu 7,9 in der Grundschule und 1 zu 9 in den Oberschulen. So

    haben die Schulen in Südtirol oft die Wahl, ob sie die Klassen kleiner (im Durchschnitt 17 Schüler) machen oder

    lieber mit zwei Lehrkräften den Unterricht planen. Allein aus dieser Lehrer-Schüler-Relation werden die Mög-

    lichkeiten zur Individualisierung des Unterrichts deutlich verbessert gegenüber Ländern, in denen oft doppelt so

    viele Schüler auf einen Lehrer kommen (Bayern 1:19). Spontan fiel den Besuchern ein: Ja, damit könnten wir es

    auch probieren! In Deutschland geben wir nach OECD-Berechnungen alles in allem 7100 € pro Schüler aus, wo-

    bei es große Unterschiede zwischen Grundschülern und Gymnasien gibt. In Südtirol sind das 10.600 € pro Schü-

    ler und Jahr und dabei ist wichtig zu wissen, dass die Lehrer dort deutlich weniger verdienen als der Lehrer-

    durchschnitt in Deutschland. Die Schlussfolgerung ist, dass in Südtirol wesentlich mehr Mittel direkt bei den

    Schülern ankommen, sowohl Personal als auch Sachaufwand. Was die Experten aus den Schulen begründet

    vorschlagen und planen, wird in der Regel auch finanziert, bisher gab es noch keine „Deckelung“

    Selbstredend ist, dass eine Schuldirektorin eines autonomen Schulsprengels in Südtirol mit Budget- und Pla-

    nungsverantwortung (Lehrkräfte werden vom Schulamt in Bozen zugewiesen, das allerdings nicht Schulaufsicht

    Modus-F-Schulleiterinnen im Gespräch mit einer Montessori-

    Mittelschule-Teamleiterin

  • ist) keinen Unterricht hält. Sie verfügt über fünf Verwaltungsfachkräfte, außerdem acht sogenannten „Schuldie-

    nern“, die Aufsichtsfunktionen und Aufgaben für die Schulhäuser erfüllen. In den einzelnen kleineren Schulhäu-

    sern gibt es die Außenstellenleiter, das sind Lehrkräfte, die je nach Schülerzahl zwei bis vier Unterrichtsstunden

    ermäßigt bekommen. Dafür kümmern sich diese als „wichtige Personen im Dorf“ um die Bibliothek in der Schule

    und die Kooperation mit den Vereinen, der Kirche, der Musikschulen und dem Kindergarten. Die Direktorin hält

    einmal monatlich eine Sitzung mit ihrem Führungsstab, den Lehrkräften mit besonderen Funktionen: den Schul-

    stellenleitern, vier Schulentwicklungskoordinatoren (schulstufenbezogen), didaktischen Systembetreuern, In-

    tegrations- Umwelt- und Medienbeauftragten. Außerdem gibt es einmal im Monat, in Brixen am Freitagnach-

    mittag, ein Treffen mit dem „Schulrat“, in dem auch Eltern und Schülervertreter sind, ähnlich des in Bayern ein-

    geführten Schulforums.

    Werden Aufgaben in Südtirol verantwortlich an Lehrkräf-

    te verteilt, erhalten diese dafür entweder Anrechnungs-

    stunden oder Geld. Das Schulbudget sieht dafür ausrei-

    chend Mittel vor, es gibt auch für besondere Leistungen

    Prämien bis hin zur Höhe eines Monatsgehalts.

    Welche Rolle spielten nun aber seit der Einführung der

    Schulselbstorganisation die freiwilligen Schulverbünde,

    wieso sprechen die Südtiroler gerne von dem „Umkehr-

    schub“, der dadurch möglich gemacht wurde?

    Schulverbünde als freiwillige „Entwicklungsbeschleuniger“

    Schulverbünde sind nach dem Schulautonomiegesetz nicht verpflichtend. Die Schulämter haben ihre

    dienstaufsichtliche und weisende Funktion verloren, sie teilen wohl noch das Lehrerpersonal zu und unterstüt-

    zen die Lehrerausbildung, sind aber ansonsten nur beratend und unterstützend tätig. Das Schulamt und das

    Pädagogische Institut unterstützen in der Regel die Projekte des Schulverbunds auch finanziell, sie sind aber

    nicht dabei, wenn sie der Schulverbund Pustertal in Eigeninitiative verwirklicht.

    Von der Entwicklung des Schulprogramms angefangen über eine qualitätsvolle Lehrerfortbildung und der Ent-

    wicklung von sinnvollen Unterrichtsprojekten sowie erfolgreichen Konzepten für individuelles Lernen bis hin zur

    internen und externen Evaluation und der Entwicklung neuer Zukunftsperspektiven ist die gemeinsame Bil-

    dungsplanung in einer überschaubaren Region durch die Beteiligten selbst der Schlüssel für den Fortschritt.

    Systematischer Austausch, Arbeitsteilung und gemeinsame Nutzung von Ressourcen entlasten die einzelnen

    Schulsprengel und garantieren ein vielfältiges, hochwertiges Bildungsangebot, das weit über die einzelnen

    Schulstufen hinausgeht. So haben sich im beständig wach-

    senden Schulverbund Pustertal 19 Bildungseinrichtungen

    zusammengefunden, zu denen auch Kindergärten, Gymnasi-

    en, Oberschulen und berufliche Schulen gehören. Dabei ge-

    ben die Mitglieder des Schulverbunds keineswegs ihre Selb-

    ständigkeit auf, sondern entscheiden sich souverän, bei wel-

    chen Vorhaben und Projekten sie sich wie beteiligen. Die

    Zugehörigkeit nach Vertragsunterzeichnung gilt für drei Jah-

    re und verlängert sich automatisch, wenn nicht gekündigt

    wird.

    Alle Schulen brauchen effiziente und dynamische Unterstüt-

    zungssysteme auf allen Ebenen der Bildungsarbeit und

    Schulbibliotheken erfüllen in Südtirol eine ganz wesentliche

    Funktion und werden mit hohem Aufwand und Liebe gepflegt

  • Schulentwicklung. Zu diesem Zwecke arbeiten Schulen „vertikal“ und „horizontal“ zusammen. So erreicht man

    zusammen eine angemessene Größe und Qualitätsstufe. Die Einzelschulen bleiben überschaubare Lern- und

    Arbeitsgemeinschaften und die Schule bleibt im Dorf – auch kleine Schulen können erhalten werden.

    Nicht an den Worten, an den Taten sollt ihr sie messen: Konsequente Kompetenzorientierung!

    Eine Exkursion von Schulleitern in eine Schullandschaft ist erst dann ergiebig, wenn zu den Theorien des Schul-

    systems und seiner Ansprüche auch Einblicke in die lebendige Schul- und Unterrichtspraxis bei der Arbeit mit

    den Kindern kommen. Besonders beeindruckend war dabei zu sehen, wie Klassen der Mittelstufe mit der Mon-

    tessori-Pädagogik eigenverantwortlich lernen. Das Lernen beschränkt sich dabei längst nicht mehr auf ein Klas-

    senzimmer, der ganze Trakt mit den Gängen ist zum Lernraum

    mit umfangreichen, didaktisch ausgezeichnet aufbereiteten Ma-

    terialien geworden. Die Schüler arbeiten einzeln, in Partner- oder

    Kleinstgruppen an ihren Wochenaufgaben. Die Lehrkräfte, oft

    zwei bis drei für eine größere Lerngruppe, halten sich als Lernbe-

    rater und Lerncoaches im Hintergrund, sind aber jederzeit an-

    sprechbar und beobachten die Schüler bei ihren Lernprozessen

    sehr genau. Die Lernatmosphäre ist wunderbar, konzentriert und

    gleichzeitig aggressionsfrei-entspannt. Es herrscht Flüsterlaut-

    stärke.

    Bei zahlreichen Gesprächen mit den Schülern wird deutlich, dass

    diese wirklich weitestgehend die Verantwortung für ihr Lernen

    selbst übernehmen. Die Schüler führen eigene Lerntagebücher und dokumentieren selbst ihre Lernfortschritte.

    Die Lehrer ihrerseits haben immer ihr Vorbereitungsbuch dabei und führen Schülerlisten, in denen sie ihre Be-

    obachtungen festhalten. Natürlich signieren sie auch die Aufgaben der Schüler, die diese erledigt haben. Den

    Schülern ist es sehr wichtig, dass sie so selbst bestimmen können, was sie wie lange und wie intensiv lernen und

    üben. Den Lehrern ist es eine ungeheure Erleichte-

    rung, nicht mehr vier oder fünf Stunden am Tag

    „fragend-entwickelnden Unterricht“ halten zu

    müssen, bei dem man so tun muss, als ob wirklich

    alle Schüler beständig und gleichzeitig dasselbe

    lernen könnten.

    Natürlich gibt es – fach- und altersabhängig- nach

    wie vor auch Unterricht und Unterweisung im

    Sinne von „Input-Einheiten“ und die Schüler be-

    kommen Zusammenhänge auch in einem Klassen-

    verband erklärt. Aber sehr oft und sehr bald gehen

    die Schüler dann beim Einüben und Vertiefen wie-

    der individuell ihre Lernwege und machen dabei

    die Erfahrung, dass es in der Tat um ihr ureigenes

    Lernen und ihre persönliche Weiterentwicklung geht.

    Die Nachfrage an den Grund- und Mittelschulen nach Montessori-Pädagogik ist stark zunehmend, schon mehr

    als die Hälfte der Kinder in Brixen nimmt dieses Angebot an und aufgrund der großen Nachfrage musste zuletzt

    sogar ausgelost werden. Auch die übrigen Klassen verwenden verstärkt Elemente des eigenverantwortlichen

    Lernens. Ein interessantes Detail der umfassenden Integration und des Miteinanders war für die Besucher die

    Tatsache, dass Jungen und Mädchen auch im Sport bis in die Oberstufe hinein zusammen unterrichtet werden.

    Die Lehrkräfte gestatteten auch Einblick in Lerntagebücher

    und in die Register

    Klare und von allen respektierte Regeln prägen das Arbeitsklima beim

    selbstbestimmten Lernen

  • In Südtirol setzt der Staat nur sehr grobe Rahmenrichtlinien, in denen Kompetenzen für die einzelnen Fächer

    und Lernbereiche beschrieben sind. Die Schule erstellt ihr eigenes Curriculum, natürlich können hier die Schulen

    im Schulverbund zusammenarbeiten. Wie die Kompetenzen erreicht werden, das liegt in der Verantwortung der

    autonomen Schule, sie legt Inhalte, Themen, Methoden und Lernformen fest und stimmt sich dabei mit den

    Schülern und Eltern ab. Beachtenswert ist auch die Tatsache, dass Lehrkräfte der Schule oder des Schulverbun-

    des das „selbstleitende“ Lernmaterial selbst hergestellt haben und diesen Schatz zunehmend erweitern. Wer als

    Lehrkraft oder werdender Lehrer in Südtirol die Montessori-Ausbildung machen will, kann dies jederzeit tun, die

    gesamte Ausbildung ist kostenlos. Es ist für die eigene Weiterentwicklung als zeitgemäße Lehrkraft förderlich.

    Schulverbund als Motor für Schulentwicklung und Innovationen: Von nichts kommt nichts!

    Nach dem Schulautonomiegesetz schließen sich Schulen zu Verbünden zusammen und gehen dazu einen Ver-

    trag ein. „Der Vertrag kann Unterrichtstätigkeiten, Untersuchungen, Schulentwicklung, Schulversuche, interne

    Fortbildung, Verwaltung, Organisation .... sowie die Beschaffung von Gütern und Diensten zum Gegenstand

    haben; er kann auch den zeitweiligen Austausch von Lehrpersonen zwischen den Schulen vorsehen.“ Art. 9, Abs.

    2).

    Eine gemeinsam ausgehandelte und verabschiedete Satzung regelt die Zusammenarbeit und definiert die Ar-

    beitsfelder, in denen der Verbund im Auftrag der vernetzten Schulen tätig ist. Jede Schule bringt Ressourcen in

    Form personaler Kompetenzen und auch Geld und Arbeitszeit ein. Die Steuerung der gesamten Tätigkeiten des

    Schulverbunds erfolgt durch das Gremium der Direktoren. Diese treffen sich mindestens dreimal pro Jahr. Eine

    Lehrperson wird völlig freigestellt für Koordinationsaufgaben; dies ist derzeit Dr. Kühebacher, der die Modus-F-

    Delegation durch die Besuchswoche leitete. Ein pädagogischer Beirat mit Lehrpersonen aus den Schu-

    len/Institutionen steht den Direktoren beratend zur Seite. Dieser Beirat sichtet und bewertet Projektanträge,

    erstellt Gutachten und liefert Anregungen und Impulse. Das Gremium der Direktoren veranlasst die geplanten

    Maßnahmen, ernennt Projektverantwortliche und gibt die Mittel dafür frei. Die personellen Ressourcen, die

    über den Schulverbund zum Einsatz kommen, werden von allen Partnern über das „funktionale Plansoll“ zu

    gleichen Teilen gestellt. Eventuelle Freistellungen von Lehrpersonen werden bereits bei der Erstellung des Plan-

    solls berücksichtigt. Für die Bezahlung von internen Überstunden wird auf Grund einer Hochrechnung ein

    Schulverbundskontingent eingerichtet, das zu gleichen Teilen von den Kontingenten der einzelnen Direktoren

    abgebucht wird.

    Aus all dem wird deutlich: Wenn wo der Schuh

    drückt oder Anliegen von Herzen kommen, wenn

    gemeinsame Visionen „brennen“, werden diese

    nicht unverbindlich und freiwillig aufgepfropft,

    sondern mit einem wirksamen Projektmanage-

    ment und ausreichend personellen und finanziel-

    len Mitteln umgesetzt. Im Folgenden sollen dazu

    zwei (von vielen) Beispiele dargestellt ausgeführt

    werden.

    Selbstlernpakete - die Schule muss das le-

    ben, was sie hervorbringen soll

    Ziel der schulischen Bemühungen ist die Entfaltung der individuellen Potentiale zum Wohle der Gemeinschaft

    und der Aufbau einer Kompetenzkultur (aus „Bildungsgesetz“). Auf dem Weg zur Individualsierung des Lernens

    Alle Referenten wie hier Lernberaterin Ingrid Mair stellten sich stets

    aufgeschlossen den Fragen der sehr interessierten Modus-F-Schulleiter

  • mit Hinblick auf das überragende Ziel, lebenstüchtige Kinder durch die bestmögliche Förderung jedes Einzelnen

    zu erreichen, haben sich in den Schulen des Schulverbunds Lehren und Lernen sehr stark verändert. Umfang

    und Qualität eigenverantwortlichen Lernens der Schüler haben stark an Bedeutung gewonnen, die Lehrer sind

    im Team für die effektive Individualisierung verantwortlich und erfüllen zunehmend im Lernprozess die Rolle

    des Lerncoachs.

    Dabei wurde in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, das die Qualität des Lernens zu einem erheblichen

    Teil von der Qualität des Lernmaterials abhängt, das den Schülern zur Verfügung gestellt wird. Im Schulverbund

    wurde bald festgestellt, dass es einen erheblichen Bedarf für sogenannte „Selbstlernpakete“ gibt, die zwar

    Struktur und grundlegende Inhalte anbieten, aber zugleich Freiraum für individuelle Ansätze mit unterschiedli-

    chen Zugängen und Fähigkeiten sowie einer Aufbereitung, die Selbstlernprozesse aufrecht erhält. Ingrid Mair,

    eine Montessori-Lernexpertin mit Coach-Ausbildung im Schulverbund, ist seit drei Jahren dabei, solche „Selbst-

    lernpakete“ zu erstellen und sie orientiert sich dabei an den Vorstellungen von Renate Girmes, das diese in ih-

    rem „Konzept der Bildungsaufgaben“ für Wege zu Aufgaben mit Bildungsrelevanz und Lernqualität dargestellt

    hat. Es geht um Lerngelegenheiten zur „Welterschließung“, die sowohl die eigene innere Welt, als auch das

    Umfeld der sozialen Welt und die Welt der Dinge und

    der lebenden Natur enthalten. Alle Ansätze dieser unse-

    rer Projektarbeit sehr ähnlichen Arbeitsweise sind the-

    menzentriert und natürlich fächerübergreifend und

    zeugen von einer ganzheitlichen Grundhaltung, bei der

    die Schüler nicht nur kognitiv lernen, sondern offen und

    emotional wahrnehmen, forschend erkennen, innerlich

    teilnehmen, etwas herstellen, sozial handeln und spre-

    chen, mit eigenem Denken, Wollen und Entscheiden

    beteiligt sind.

    Ingrid Mair stellte mehrere Selbstlernpakete vor, u.a.

    „Mein Haus der Zukunft“ und „Mitten im Luftmeer“ und

    es wurde deutlich, wie vielfältig und anregend dieses Selbstlernen für die Schüler sein kann und wie zugleich die

    Lehrkraft in eine ganz andere Rolle als Lernberater gerät, die deutlich entspannter und schülerorientierter ist.

    Frau Mair hat alle Lernpakete zunächst selbst in ihrer Klasse ausprobiert und weiter verbessert. Weitere The-

    men waren: „Wie kommt die Mine in den Stift?“, „Leonardo da Vinci“, Jeans“, „Unternehmen Zukunft (Berufs-

    orientierung), „Farben der Welt“, Apfel“, „Zucker“ und „Tiroler Freiheitskämpfer“. Die Lernexpertin hat über

    Fortbildungen ihre Ergebnisse an die Schulen im Verbund weitergegeben und zu einer Arbeitsgemeinschaft

    angeregt, an der mittlerweile 24 Lehrkräfte aus dem Schulverband freiwillig und mit viel Initiative teilnehmen.

    Sie wurde dafür zunächst zur Hälfte von Unterricht „freigestellt“. Unter ihrer Federführung entstanden bisher

    zehn Selbstlernpakete, die sich allesamt schon in der Praxis bewährt haben und von Schule zu Schule „wan-

    dern“.

    In diesem Schuljahr wurde die Expertin für Selbstlernen vom Schulverbund sogar ganz vom Unterricht freige-

    stellt, damit sie diese Projektarbeit an vielen Schulen direkt mit den interessierten Lehrkräften in den Klassen

    implementieren und zugleich die Kreation weiterer Selbstlernpakete beschleunigen kann. Man sieht, wenn eine

    Initiative von unten kommt und es den Schulen die Sache wert ist, kann die autonome Schule im Verbund auch

    ganz unbürokratisch dafür sorgen, dass das rasch vorangeht, was man will und braucht. Selbstredend, dass alle

    Lernpakete stets evaluiert und weiter optimiert werden. Sie enthalten jeweils Material für 30 Schüler, Klassen

    müssen die Materialien jeweils für das nächste Schuljahr anfordern, sie nehmen das ein bis dreimal pro Jahr

    wahr, die Projektdauer ist unterschiedlich, von einer bis zu drei Wochen, je nach gewünschter Intensität und

    Einbindung in die Jahres- und Wochenplanung. Basis für das Gelingen des Lernens in diesen „vorbereiteten

    Lernumgebungen“ ist das Vertrauen in das Potential der Schüler, die gerne kreativ, intensiv, verquickt, über-

    greifend und selbstbestimmt themenzentriert arbeiten, wenn sie eine passende Aufgabenkultur vorfinden.

    Vier Tage wurden für die ungeheure Menge an Informationen fast

    ein bisschen knapp –und erforderten hohe Konzentration!

  • Schularchitektur – neues Lernen braucht andere Räume

    Die Umsetzung hin zu individualisiertem Lernen (und nach den Erkenntnis-

    sen des Konstruktivismus gibt es nur dieses!) hat in Südtirol (und nicht nur

    da!) zur Einsicht geführt, dass Kindergärten und Schulen in ihrer herge-

    brachten baulichen Konzeptionen das behindern, was neu entstehen soll.

    Der Schulverbund Pustertal wurde hier in Zusammenarbeit mit der Univer-

    sität Innsbruck forschend tätig und ist diesbezüglich mit führenden Lan-

    desarchitekten in Kontakt getreten. Es wurden Ideen entwickelt, wie vor-

    handene Bauten kind- und lerngerecht umgebaut werden können und wie

    in einer „Metamorphose der Schule“ neue Schulbauten und Kindertage-

    stätten aussehen könnten. Es zeigt sich, dass mit aktiver Beteiligung der

    Schulen sowohl für die Raum- als auch für Mobiliargestaltung für eine

    neue Lernkultur auf Grund des Bedarfs etwas ganz anderes und besser

    Passendes herauskommt, als wenn schulfern Architekten etwas entwerfen, wovon sie wenig wissen. Es ist ein

    großer Erfolg der engagierten Pädagogen in Südtirol, dass nun die Schulhausbau-Richtlinien des Landes entspre-

    chend den neuen Notwendigkeiten geändert wurden und Raum lassen für ein zukunftsweisende Gestaltung der

    Schulen und anderen Bildungseinrichtungen . Die neue Schule von Direktor Josef Watschinger in Welsberg ist

    ein Ergebnis dieses Entwicklungsprozesses und zeigt, wie durchdacht und „anders“ Schule gebaut werden muss,

    wenn sie den Bedürfnissen zeitgemäßen Lernens der Kinder gerecht werden will, ohne dass dabei die Kosten für

    einen konventionellen Schulbau überschritten worden wären.

    Fazit: Die Rahmenbedingungen sind nicht alles – aber doch mehr als eine Nebensache!

    Es gäbe noch viele andere interessante Merkmale und Projekte des Schulverbunds Pustertal, über die es sich zu

    berichten lohnen würde, z. B. das Freiluftatelier „Landart Toblach“, die ausgereifte Konzeption zur „Frühförde-

    rung und Entwicklungsbegleitung“ oder die hochentwickelte und sehr praxisorientierte Lehrerfortbildung, für

    die der Schulverbund jedes Jahr eine umfangreiche Broschüre erstellt. Doch sei hier nur kurz auf entsprechende

    Veröffentlichungen und auf Beiträge verwiesen, die auch im Internet zu finden sind. Für die Exkursionsteilneh-

    mer war es jederzeit spürbar: Lernen ohne den alljährlichen Auslesedruck tut den Schülern und der Schule gut

    und heißt noch lange nicht, dass die Begabteren nicht gefördert würden. Im Gegenteil: Beim Lesekompetenz-

    test „Pisa“ erreichte Südtirol mit 544 Punkten noch mehr Punkte als der Dauersieger Finnland, und auch in Ma-

    thematik war Südtirol bei den 15-Jährigen in der Spitzengruppe weit vor Deutschland. Offenbar kommt doch am

    meisten heraus, wenn man die Kinder intrinsisch motiviert lernen lässt und sie dafür die Eigenverantwortung

    übernehmen.

    Spannend war der Besuch der hervorra-

    gend ausgestatteten beruflichen Schule

    Die Berufswahl ist wie bei uns sehr vom Geschlecht abhängig:

    Schönheitsberufe ergreifen Mädchen, Jungs werden Techniker

  • Dabei ist Pisa in Südtirol kaum ein Thema. Fragt

    man Eltern, so sagen sie, dass sei eine Stadt in Itali-

    en, bei uns hört man dagegen „Bildungskrise“. Ein

    „learning for the test“ wäre verpönt, wenn die Kin-

    der auch sonst nicht für Noten, sondern aus Inte-

    resse an der Sache lernen. So sieht man künftigen

    Vergleichstest relativ gelassen entgegen, weil man

    sicher sein darf, dass die kompetenzorientierten

    Tests der OECD der eigenen Weiterentwicklung, der

    am Können und Anwenden orientierten Lernarbeit

    in Richtung allgemeiner und beruflicher Lebens-

    tüchtigkeit, in den Schulen des Schulverbunds ent-

    gegen kommen.

    Nicht Weisungen und Anordnungen, sondern das Schaffen von Ermöglichungsstrukturen sind dabei das Ge-

    heimnis für eine neue, von innen heraus motivierte Bildungsarbeit. (Dr. Josef Watschinger „Der Schulverbund

    Pustertal“) Und dann braucht es da neben den finanziellen Mitteln auch noch die richtigen Leute, für die der

    wichtigste Wert das gegenseitige Vertrauen ist – denn wie sonst könnte man sich erklären, dass viele andere

    Regionen in Italien ihre Möglichkeiten nur unzureichend nützen und oft noch Ergebnisse hervorbringen, die

    hinter denen bei uns in Deutschland weit zurückliegen.

    Der Schulverbund Pustertal ließ da nichts anbrennen. Mit seinen externen Beratern, u. a. Rainer Brockmeyer

    und Erika Risse (Mit-Herausgeber der „Pädagogischen Führung“, Zeitschrift für Schulleitung und Schulberatung),

    sicherte er sich über viele Jahre die Hilfe und Unterstützung von führenden Schulforschern im deutschsprachi-

    gen Raum. Was in Südtirol möglich war und ist, sollte nördlich der Alpen in den Heimatländern der deutschen

    Schulforschung doch ebenfalls möglich sein.

    Dr. Josef Watschinger, der Direktor des Schulverbunds Pustertal, fasst seine Erfahrungen mit dem Schulverbund

    in folgenden Thesen zusammen:

    In der Zusammenarbeit mit Partnern kann Schule im Dialog neu gestaltet werden.

    Schulen können die notwendigen Unterstützungssysteme, die sie brauchen, stimmig und in Eigenregie

    entwickeln.

    Schulen können das Wissen, das sie aufbauen, über funktionierende Netzwerke sich gegenseitig zur

    Verfügung zu stellen.

    Vorhandene Kompetenzen können sich in erweiterten Wirkungsfeldern besser entfalten. Ressourcen

    können gezielter und wirtschaftlich günstiger eingesetzt werden.

    In Schulverbünden können anfallende Aufgaben arbeitsteilig angegangen werden – das entlastet Einzel-

    schulen.

    Das Ziel: Von einer Summe von Einzelschulen hin zu einer gemeinsam verantworteten und gemeinsam

    getragenen Bildungslandschaft

    „Schulverbünde sind nichts anderes als logische Zusammenschlüsse, damit „unterm Strich“ für alle

    mehr herausschaut.“

    Modus-F-Schulleiterinnen im Gespräch mit einer

    Montessori-Teamleiterin

    Exkursions-Leiter Helmut Schuster bedankte sich bei Dr. Josef Kühebacher

    für die überaus freundliche und offene Aufnahme und Begleitung