Schulprojekte zum Umgang mit Sterben, Tod und Trauer · Schulprojekte zumUmgang mit Sterben,Tod und...

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12 Leidfaden, Heſt 4 / 2012, S. 12–19, © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012, ISSN 2192–1202 Schulprojekte zum Umgang mit Sterben, Tod und Trauer Stephanie Witt-Loers Sterben, Tod und Trauer gehören auch zum Le- bensfeld Schule. Unterschiedlichste Verluster- fahrungen der dort lernenden und arbeitenden Menschen fließen mit ihren Belastungen sowie der Notwendigkeit der Anpassung an neue Le- benssituationen in den Lebensbereich Schule ein. Meist ist es der Tod eines Mitschülers, Leh- rers oder eines nahen Angehörigen, der einzel- ne Menschen aus dem Lebensraum Schule oder die gesamte Schulgemeinschaſt mit Sterben, Tod und Trauer konfrontiert. Die Chancen, die sich durch die Auseinan- dersetzung mit Sterben, Tod und Trauer in der Schule für alle Beteiligten eröffnen, sind viel- fältig. So können beispielsweise die Enttabui- sierung, frühzeitige Sensibilisierung, Vorbe- reitung, Informationen, die Stärkung sozialer Verantwortung und Empathie sowie Ressour- cenarbeit dazu beitragen, den Bereich Sterben, Tod und Trauer, der zu unser aller Leben gehört, in den prägenden Lebensraum Schule einzubin- den und einen Umgang damit erleichtern. Lange haben die notwendigen schulpädago- gischen Auseinandersetzungen mit dem e- menkomplex zu wenig Beachtung gefunden. In den letzten Jahren sind jedoch ein zunehmen- des schulisches Interesse an präventiven Projek- ten zum ema sowie gleichzeitig der Wunsch nach Begleitung und Beratung in akuten Kri- senfällen festzustellen. Besonders aufmerksam wurden Verantwortliche im schulischen Bereich nach den Ereignissen von Winnenden, als auf tragische Weise klar wurde, dass der Tod auch in größerem Ausmaß nicht vor der Schule halt

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Leidfaden, Heft 4 / 2012, S. 12–19, © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012, ISSN 2192–1202

Schulprojekte zum Umgang mit Sterben, Tod und Trauer

Stephanie Witt-Loers

Sterben, Tod und Trauer gehören auch zum Le-bensfeld Schule. Unterschiedlichste Verluster-fahrungen der dort lernenden und arbeitenden Menschen fließen mit ihren Belastungen sowie der Notwendigkeit der Anpassung an neue Le-benssituationen in den Lebensbereich Schule ein. Meist ist es der Tod eines Mitschülers, Leh-rers oder eines nahen Angehörigen, der einzel-ne Menschen aus dem Lebensraum Schule oder die gesamte Schulgemeinschaft mit Sterben, Tod und Trauer konfrontiert.

Die Chancen, die sich durch die Auseinan-dersetzung mit Sterben, Tod und Trauer in der Schule für alle Beteiligten eröffnen, sind viel-fältig. So können beispielsweise die Enttabui-sierung, frühzeitige Sensibilisierung, Vorbe-reitung, Informationen, die Stärkung sozialer Verantwortung und Empathie sowie Ressour-cenarbeit dazu beitragen, den Bereich Sterben, Tod und Trauer, der zu unser aller Leben gehört, in den prägenden Lebensraum Schule einzubin-den und einen Umgang damit erleichtern.

Lange haben die notwendigen schulpädago-gischen Auseinandersetzungen mit dem The-menkomplex zu wenig Beachtung gefunden. In den letzten Jahren sind jedoch ein zunehmen-des schulisches Interesse an präventiven Projek-ten zum Thema sowie gleichzeitig der Wunsch nach Begleitung und Beratung in akuten Kri-senfällen festzustellen. Besonders aufmerksam wurden Verantwortliche im schulischen Bereich nach den Ereignissen von Winnenden, als auf tragische Weise klar wurde, dass der Tod auch in größerem Ausmaß nicht vor der Schule halt

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Schulprojekte zum Umgang mit Sterben, Tod und Trauer sind vielfach durch Initiativen von ambulanten Hospizen entstanden. Schon frühzeitig wurde hier die Notwendigkeit gesehen, sich auch in der Schule mit wich-tigen Lebensfragen wie Sterben, Tod und Trauer zu befassen.

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macht. Zudem wurde durch andere Amokläu-fe an Schulen, den Mord an Mirco, die Lovepa-rade in Duisburg oder den Suizid des Fußballers Robert Enke einer breiten Öffentlichkeit deutli-cher, dass es erforderlich ist, den Themenbereich in die Gesellschaft zu integrieren und einer Aus-einandersetzung nicht auszuweichen.

Die Schule und die Schulpädagogik haben ihre Verantwortung auf diesem Gebiet erkannt. Zahlreiche Bundesländer haben in den Lehrplä-nen für alle Schulformen die Themen Sterben, Tod und Trauer als festen Bestandteil in Fächern wie Religion, Deutsch, Ethik oder Philosophie aufgenommen.

Schulprojekte zum Umgang mit Sterben, Tod und Trauer sind vielfach durch Initiativen von ambulanten Hospizen entstanden. Schon früh-zeitig wurde hier die Notwendigkeit gesehen, sich auch in der Schule mit wichtigen Lebens-fragen wie Sterben, Tod und Trauer zu befassen. Es besteht eine Fülle an Projekt- und Hilfsange-boten, die die schwere Thematik in den unter-schiedlichsten Facetten in den Lebensraum Schule einbringen. Nicht immer stehen Lehrer und Eltern Schulprojekten vorbehaltlos gegen-über. Meist können jedoch durch Transparenz und Informationen Skepsis und Ängste abge-baut werden. Im Rückblick, so das Fazit fast al-ler Durchführenden, werden die Projekttage von den Beteiligten positiv bewertet.

Allen präventiven Projekten gemeinsam ist das Ziel, einen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu finden, und nicht erst dann, wenn das Thema gerade akut ist. Informationen und die aktive vorzeitige Auseinandersetzung mit ver-schiedensten Aspekten des Themenbereichs sol-len in aktuellen Notsituationen unterstützen. Ängste sollen abgebaut, Hilfen zur Krisenbewäl-tigung entwickelt und wichtige soziale Fähigkei-ten erlernt werden, wie z. B. die Fähigkeit, Ge-fühle auszudrücken, zu trauern oder Empathie zu entwickeln.

Das präventive Projekt Hospiz macht Schule wird bundesweit seit 2008 mit ca. 500 ehrenamt-

lichen Hospizmitarbeitern aller Bundesländer in den Grundschulklassen 3 und 4 durchge-führt und war eines der ersten Projekte dieser Art. Entwickelt von der Hospizbewegung Dü-ren e.V. wird es heute von der Bundes-Hospiz-Akademie durchgeführt. Hospiz macht Schule ist eine Projektwoche, die von zuvor befähigten und ehrenamtlich engagierten Menschen aus örtlichen Hospizgruppen in Kooperation mit den Grundschulen nach einem feststehenden Curriculum realisiert wird. An jedem Tag der Projektwoche geht es um einen neuen Themen-schwerpunkt: Werden und Vergehen, Krankheit und Leid, Sterben und Tod, Traurig sein, Trost und Trösten. Die Themen werden den Schülern z. B. durch Geschichten, Bilderbücher, Filmaus-schnitte, eine Fragestunde mit einem Arzt so-wie durch Informationen zu Bestattung oder Jenseitsvorstellungen anderer Religionen nahe gebracht. Zudem bekommen die Kinder die Gelegenheit, sich kreativ mit den Themen aus-einanderzusetzen. Die Ergebnisse der einzelnen Tage werden den Eltern in einer Abschlussver-anstaltung präsentiert.

Das Schulprojekt Leben bis zuletzt ist eine Ini-tiative des Lukas-Hospiz Herne und des Journa-listenteams Zirkel. An dem über die Schulformen hinweg angelegten Projekt sind insgesamt zehn Gymnasien, Gesamt-, Real- und Hauptschulen beteiligt. Die über 400 Schüler der Klassen 7 bis 12 arbeiteten insgesamt zehn Wochen lang an den Themen Sterben und Tod. Sie besuchten das Hospiz und führten unter anderem Interviews in Fußgängerzonen durch, um sich mit ande-ren Menschen zu den Themen Sterben, Tod und Trauer auszutauschen sowie der Sprachlosigkeit der Gesellschaft beim Thema Sterben entgegen-zuwirken. Gemeinsam haben die Schüler ein Buch geschrieben, dass die verschiedensten As-pekte des Themenkomplexes individuell in Form von journalistischen Texten, Kurzgeschichten, Gedichten, Fotos, Bildern, Collagen aufgreift. Genutzt werden kann das Buch auch als Impuls für andere Projekte zum Themenbereich. So-

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bald die zum Projektzeitpunkt jüngsten Klassen die Schulen verlassen haben, soll das Projekt er-neut anlaufen. Bis dahin besteht weiterhin enger Kontakt zwischen den Schulen und dem Hospiz. Im Rahmen von themenbezogenen Unterrichts-einheiten besuchen Schüler das Hospiz. Zudem werden die Schulen in akuten Situationen durch Begleitung und Beratung unterstützt.

Strings war Teil eines über zwei Jahre laufen-den, von der Stadt geförderten Großprojekts an einem Gymnasium in Stuttgart. Ziel war es zu erfahren, wo die Themen Tod und Trauer so-wie der Umgang damit im schulischen Kon-text Platz finden können. Letztendlich war die Schulgemeinschaft überrascht über die Vielfalt der Ansätze, die sich im Unterricht integrieren lassen. Das dreimonatige Teilprojekt Strings in den Fächern Deutsch, Musik, Sport/Tanz bei-spielsweise ermöglichte es Schülern über Klas-sen- und Stufenverbände hinweg, sich mit dem

Themenbereich zu beschäftigen und das Ergeb-nis einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Aus musikalischen Improvisationen des Kurses Musik der Stufe 12 zum Thema Abschied, Tanz-improvisationen zum Thema Halten und Los-lassen einer Klasse 10 im Fach Sport sowie die Textwerkstatt einer Klasse 10 im Fach Deutsch »Trauer ist wie…« entstand eine einstündige Aufführung. Das Gesamtprojekt hatte eine lan-ge Vorlaufzeit. Zunächst wurde die Projektidee in allen Klassen vorgestellt, um zu erfahren, ob die Schüler Interesse daran haben. Das Projekt selbst wurde dann in regelmäßigen Sitzungen gemeinsam mit den Lehrern erarbeitet.

Interessant aus kulturellem Blickwinkel ist auch das Projekt Ich komm als Blümchen wie-der, an dem sich 30 Institutionen und ca. 500 Kinder, Jugendliche und eine Seniorengruppe aus Bremen beteiligt haben. Mit professionellen Künstlern erarbeiteten die Projektteilnehmer

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Allen präventiven Projekten gemeinsam ist das Ziel, einen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu finden, und nicht erst dann, wenn das Thema gerade akut ist.

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ihre Vorstellungen zu Leben und Tod. Eine ähn-liche präventive künstlerisch-kreative Auseinan-dersetzung zum Themenbereich bietet das Hos-piz Leverkusen für alle Schulformen an.

Hospize haben nicht immer die Kapazitäten oder die Intention, den Bedarf der Schulen zu decken, und unterstützen deshalb mit Einzel-projekten, Hilfen zur Selbsthilfe, Fortbildungen und akuten Begleitungen in Notfällen, so wie beispielsweise das Hospiz Horn in Bremen oder der Kinder- und Jugendhospizdienst in Mann-heim. Weiteres Ziel ist, Pädagogen im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu stärken und Schulen zu ermutigen, selbst individuelle Schul-projekte zu entwickeln. Dass den Schülern und Lehrern angepasste Schulprojekte über Alters-

stufen und Bildungsgrade hinweg möglich sind, lässt eine Initiative des Ökumenischen Kin-der- und Jugendhospizdienstes Mannheim er-kennen. Aus der Idee zu dokumentieren, wie es möglich ist, sich gemeinsam mit Schülern zum Themenkomplex auseinanderzusetzen und die Thematik in den Schulalltag zu integrieren so-wie einen Anstoß zu eigenen Schulprojekten zu geben, ist der Film Ungeküsst zurück entstan-den. Er gibt einen Einblick in die Gefühle von Kindern und Jugendlichen, zeigt, welche Ver-luste sie beschäftigen und welche Vorstellungen sie zu Tod und Trauer haben. Zudem sind krea-tive Auseinandersetzungsmöglichkeiten zu se-hen. Der Film kann ergänzend zur thematischen Arbeit im Unterricht eingesetzt werden.

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Im Rahmen von themenbezogenen Unterrichtseinheiten besuchen Schüler das Hospiz.

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Die Arbeit in Schulen sollte unbedingt durch Fortbildungen für Lehrer ergänzt werden. Zu-dem sollten Eltern Themen und Abläufe von Pro-jekten transparent gemacht und sie auf Wunsch umfassender informiert werden. Fortbildungs-angebote für Pädagogen sind erforderlich, da-mit fachliche und persönliche Kompetenzen zur Thematik aufgebaut und gefördert werden kön-nen. Einige Schulprojekte bieten parallel Fortbil-dungsmöglichkeiten für Pädagogen, die neben dem Aufbau persönlicher Kompetenzen auch Selbsterfahrung zur eigenen Sterblichkeit sowie Fachwissen vermitteln und methodisch-didak-tische Praxishilfen für Notfälle oder präventive Projekte und mehr Sicherheit im Umgang mit der Thematik geben sollen. Auch die Bistümer, Sinus-schulische Krisenintervention sowie In-stitute für Lehrerfortbildungen oder andere An-bieter geben qualifizierte Weiterbildungsmög-lichkeiten zur Thematik.

Projekte, die mehrere und unterschiedliche Module zum Themenbereich anbieten, ermög-lichen eine breite Einsatzmöglichkeit sowie eine individuelle Ausgestaltung und Anpassung an die besonderen Bedürfnisse und Kompetenzen einer Schule. So sind, um nur einige zu nennen, Projekte wie z. B. das KiSchuh, ein Kindergar-ten- und Schulprojekt zum Thema Sterben, Tod und Trauer des Katharinen-Hospiz am Park in Flensburg, das Projekt Wie ist das mit dem Tod, ein Kindergarten- und Grundschulprojekt des Bundesverbandes Verwaister Eltern in Deutsch-land e.V. in Leipzig und Sinnvoll Trauern sowie das im Jahr 2011 begonnene Projekt Gib mir’n kleines bisschen Sicherheit (GmS) so flexibel konzipiert, dass Projekttage und -wochen durch einzelne Module frei gestaltbar sind. Erweite-rungen durch eigene Ideen und die Gestaltung nach individuellen Bedürfnissen, präventiv oder akut, sind hier möglich und werden ausdrück-lich begrüßt und für sinnvoll erachtet.

Ein sehr umfassendes und durch seine Fle-xibilität herausragendes Projekt ist das KiSchu. Im KiSchu werden Kinder, Eltern und Pädago-

gen auf vielfältige Weise einbezogen. Das Ki-Schu bindet zudem die ganze Bandbreite der Schulformen von der Grundschule bis hin zur Berufsschule ein und läuft mittlerweile seit über vier Jahren an bisher ca. 36 Schulen. Die Modu-le sind für verschiedene Altersstufen konzipiert und können situationsadaptiert modifiziert wer-den. Das Projekt baut im Wesentlichen auf drei Säulen: Projekteinheiten in Schulen (präventiv oder akut), Pädagogenschulungen, die akuten, präventiven oder nachsorgenden Charakter ha-ben können, und Elternabende bzw. Projektein-heiten, in die Eltern eingebunden werden.

Der Start für das österreichische Modulpro-jekt Lebensschule – Jugendliche begegnen dem Tod fand vor neun Jahren in der Steiermark statt. Vier weitere Bundesländer Österreichs set-zen es inzwischen ebenso um. Bedarf an Projek-ten besonders für Jugendliche besteht auch in der Bundesrepublik. Bisher gab es für diese Al-tersgruppe individuelle Angebote einzelner Ini-tiatoren. Dazu gehören z. B. das Projekt und das daraus entstandene gleichnamige Buch Durch-kreuztes Leben – Gedenkstätten am Straßen-rand, ein Projekt über Straßenkreuze und was es bedeutet, mit dem plötzlichen Tod eines Ange-hörigen zurechtzukommen, oder als weiteres fä-cherübergreifendes Projekt Uns allen blüht der Tod, das Zehntklässler einer Haupt- und Real-schule anspricht. Mit zukünftig bundesweit ge-planten Projekten wie GmS« oder mit Umgang mit Sterben, Tod und Trauer kommen weite-re Projekte für Jugendliche hinzu. Das im Auf-bau befindliche Gemeinschaftsprojekt Umgang mit Sterben, Tod und Trauer – Ein Konzept für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstu-fen 9–13 des Zentrums für Palliativmedizin der Uniklinik Köln und des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes e.V. soll Jugendlichen künftig an einem Projekttag eine persönliche Auseinan-dersetzung mit den Themen Sterben, Tod und Trauer ermöglichen und sie dabei unterstützen, individuelle Bewältigungsstrategien im Umgang mit Verlust zu entwickeln.

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Ausgangspunkt zum bundesweit geplanten GmS – Gib mir’n kleines bisschen Sicherheit – Die Unsicherheiten des Lebens und Sterbens tei-len war die Idee von Hospiz macht Schule. Das dialogisch angelegte Gemeinschaftsprojekt der Malteser Abteilung Schule Willich, der Malte-ser Fachstelle Hospizarbeit, Palliativmedizin und Trauerbegleitung in Köln wird durch Prof. Dr. A. Heller der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt in Wien wissenschaftlich begleitet und befindet sich im Aufbau. Kooperationen mit Sinus e.V. – schulische Krisenintervention bestehen ebenso wie eine enge Zusammenarbeit mit dem deut-schen Kinderhospizverein. Dabei werden bereits entwickelte Modelle und vorhandene Materia-lien der Malteser Dienste wie z. B. das oben be-nannte Projekt des Katharinen-Hospizes eben-so einbezogen sowie neue entwickelt. Deshalb gehören Projektworkshops und Foren als wie-derkehrende feste Elemente zur Projektstruk-tur, um mit örtlichen Diensten, Einrichtungen der Malteser sowie anderen Projektentwicklern in den kollegialen Austausch zu kommen. Hier-zu besteht bereits eine Ideenbörse über Intranet. Ziele des GmS sind u. a., altersstufenangepasste Module für unterschiedliche Schulformen und Unterrichtsformate zu entwickeln, die jeweils um Angebote für Lehrer und Eltern ergänzt wer-den. Das Projekt soll nicht statisch sein und ist in Bezug auf die Projektstruktur selbstreflektie-rend angelegt. Ein besonders wichtiger Punkt er-scheint mir, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter professionell und intensiv in schulischer Krisen-intervention fortgebildet werden, um im Akutfall auf Anfragen von Schulen auf eine breitere be-raterische Kompetenz zurückgreifen zu können.

Sinus – schulische Krisenintervention ist kein Schulprojekt im vorgenannten Sinn, aber eine wichtige Unterstützung für Schulen nach beson-ders kritischen oder gewaltsamen Ereignissen an der Schule. Diese erfordern schnelle, professio-nelle Unterstützung bei akutem Handlungs- und Informationsbedarf, wie z. B. nach einem Amok-lauf, Suizid eines Schülers oder Lehrers oder Ge-

waltverbrechen. Krisenintervention erfordert an-dere Kompetenzen als Trauerbegleitung, deshalb bietet Sinus Schulen neben psychosozialer Inter-vention nach kritischen Ereignissen auch Päda-gogenfortbildungen zur Krisenintervention an.

Unterstützung finden Schulen zum Thema Sterben Tod und Trauer auch beim Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Es bietet Grundschu-len den Museumskoffer Vergissmeinnicht, eine didaktische Materialsammlung für Kinder von 5 bis 12 Jahren, die nicht nur in Kassel, sondern mittlerweile auch in vielen anderen deutschen Städten ausgeliehen werden kann. Der Kof-fer ist vielseitig einsetzbar, da er als Ergänzung und Veranschaulichung des Themas im Unter-richt, im Rahmen einer Projektwoche oder in einem akuten Trauerfall in der Klasse verwendet werden kann. Er beinhaltet Bilder, Arbeitsblät-ter, Objekte, Filme und Musikstücke sowie ein Handbuch. Für Jugendliche eignet sich eine spe-zielle Führung durch das Museum. Hier können Unterrichtsinhalte in alternativer Form aufge-griffen werden. Zudem ist das Museum Koope-rationspartner für Schulen, die sich an Schüler-wettbewerben zum Thema beteiligen möchten. Darüber hinaus ist das Museum für Sepulkral-kultur Anbieter von Lehrerfortbildungen. Schu-len sowie Schulämter aus anderen Bundes-ländern können vom Museum direkt vor Ort unterstützt werden.

Ein Projekt mit einem anderen Ansatz ist die interaktive Ausstellung über das Davor und Da-nach Erzähl mir was vom Tod. Angelehnt an die Metapher der »letzten Reise« werden über be-gehbare Rauminszenierungen und Stationen unterschiedliche Aspekte und Themen, die zum Tod und zum Leben gehören, spielerisch und anschaulich thematisiert, so beispielsweise Alter, Zeit, Vergänglichkeit, Erinnerung, Bestattungs-kultur, um nur einige zu nennen. Die Ausstel-lung ist als Gemeinschaftsprojekt verschiedener Schulen gut geeignet und kann beim Kindermu-seum im FEZ-Berlin (Kinder-, Jugend- und Fa-milienzentrum) ausgeliehen werden.

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Empfehlenswerte und umfassende Handrei-chungen für Pädagogen, die kostenlos herunter-geladen werden können sind: Tod und Trauer in der Schule, Information für Lehrkräfte und Schulleitung sowie Tod und Trauer in der Schu-le. Auf der Internetseite des Referats Schulpasto-ral der Diözese Rottenburg-Stuttgart finden sich zudem umfangreiche professionell ausgearbei-tete Materialien und Informationen zum Um-gang mit Sterben, Tod und Trauer in der Schule für den präventiven und akuten Einsatz. Weitere Hinweise zu Broschüren finden sich im Anhang.

Der Bedarf an Schulprojekten zum Um-gang mit Sterben, Tod und Trauer ist noch lan-ge nicht gedeckt. Die Vielfalt und Verschieden-artigkeit der Schulprojekte und Ansätze zeigen die unterschiedlichen Bedürfnisse und Möglich-keiten, das Thema in den Lebensbereich Schu-le einzubinden. Deshalb ist es meiner Ansicht nach wertvoll, dass nebeneinander verschiedene Projekte und Konzeptionen bestehen. Parameter der Qualitätssicherung sollten vor dem Einsatz eines Schulprojekts ausführlich erörtert wer-den. Dazu gehören beispielsweise die Qualifika-tionen der Projektleiter und Durchführenden. Wenn Schule neben der Wissensvermittlung als ein sozial-emotionaler Lebensbereich erfahren werden kann, in dem wesentliche Lebensfragen und Anliegen der darin lernenden und arbei-tenden Menschen Raum finden, wird sich dies letztendlich auch auf unsere Gesellschaft und die Haltung gegenüber kranken, sterbenden und trauernden Menschen auswirken.

Nicht alle qualifizierten Projekte und Ini-tiativen konnten hier vorgestellt werden. Die Auswahl zeigt jedoch deutlich, wie viel sich in den letzten Jahren auf diesem Gebiet entwi-ckelt hat und zurzeit noch im Aufbau befindet. Dies macht Hoffnung, dass in Zukunft Sterben, Tod und Trauer nicht mehr zu den Tabuthemen unserer Gesellschaft zählen und so trauernde Kinder, Jugendliche wie Erwachsene sensibler wahrgenommen und hilfreich unterstützt wer-den können.

Stephanie Witt-Loers ist Kinder- und Familientrauerbegleiterin und Trauer-begleiterin in eigener Praxis. Sie ist Fachbuchautorin, Leiterin von Kin-dertrauergruppen am Kinder- und Ju-gendhospiz Balthasar und anderen In-stitutionen sowie Trauerbegleiterin für

ambulante Trauertherapie im Auftrag verschiedener Jugend-ämter. Als Dozentin und Fortbildungsreferentin ist sie für Lehrer, Erzieher, Psychologen, Hebammen, Ärzte, Sozial-pädagogen, Seelsorger, Studenten Bestatter und Hospizmit-arbeiter tätig.E-Mail: [email protected] – Homepage: www.dellanima.de

ProjekteHospiz macht Schule: www.hospizmachtschule.deLeben bis zuletzt: www.lukas-hospiz.deMein Leben lang: www.meinlebenlang.deProjekte des Ökumenischen Kinder- und Jugendhospiz-

dienstes Mannheim: www.kinderhospizdienst-mann-heim.de

Ich komm als Blümchen wieder: www.quartier-bremen.deWie ist das mit dem Tod: www.sinnvolltrauern.deUns allen blüht der Tod: www.obs-neunkirchen.deHospiz Horn Lehrerfortbildungen: www.hospiz-horn.deHorus-Hospiz Projekte: www.horus.commas25.neusta.deHospiz Leverkusen: www.hospi-leberkusen.deKiSchu: www.katharinen-hospiz.deGmS: Dirk Blümke: E-Mail: malteser.hospizarbeit@malteser.

orgLebensschule – Jugendliche begegnen dem Tod: www.hos-

piz-stmk.atDurchkreuztes Leben – Gedenkstätten am Straßenrand:

www.osthessen-news.deUmgang mit Sterben, Tod und Trauer – Ein Konzept für

Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9–13: www.dhpv.de

Sinus-schulische Krisenintervention: www.schulische-kri-senintervention.de

Begleitende Materialien und AusstellungenMuseum für Sepulkralkultur/Ausstellungen/Fortbildungen/

Vergissmeinnichtkoffer: www.sepulkramuseum.deErzähl mir was vom Tod: www.fez-kindermuseum.deMaterialien und Informationen zum Umgang mit Sterben,

Tod und Trauer in der Schule: http://www.schulpastoral.drs.de/umgangtrauer.htm

Broschüren»Tod und Trauer in der Schule, Information für Lehrkräfte

und Schulleitung« Download als pdf-Datei unter www.km-bw.de oder www.schule-bw.de

»Tod und Trauer in der Schule«: www.trauernde-kinder-kiel.de

»Helft Kindern, den Tod zu begreifen«, www.bestatter.deProjektbroschüre: »Gibt’s im Himmel Spaghetti«, »Klei-

ner Eltern-Leitfaden für den Umgang mit Trauerfällen«: www.kinder-und-trauer.de