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Schweizerische Graphologische Gesellschaft SGG Société Suisse de Graphologie SSG BULLETIN SGG LIEBE LESERINNEN UND LESER Schreiben und Denken gehören zusammen, bedingen einander gegenseitig. Wenn Kinder nicht mehr richtig schreiben lernen, werden sie nicht nur in ihrer intellektuellen, sondern in der gesamten Entwicklung behindert - denn die Persön- lichkeit ist immer ein Ganzes. Gerade diese Sichtweise war immer auch wichtig für unser kürzlich verstorbenes Vorstandsmitglied Rudolf Knüsel: Als Graphologen sind wir in erster Linie und immer Psychologen. Als solche haben wir den ganzen Menschen im Auge, des- sen Persönlichkeit sich nun einmal in seiner Handschrift essentiell ausdrückt. Nehmen wir die Alarmzeichen ernst und kümmern wir uns wieder um eine gute Handschrift. Marie Anne Nauer INHALT: IN MEMORIAM DR. RUDOLF KNÜSEL (Marie Anne Nauer) • ZUM TOD VON DR. FRED W. SCHMID (Urs Imoberdorf) • WER NICHT SCHREIBT, BLEIBT DUMM: DAS AKTUELLE THEMA • EMMANUEL MACRON (Esther Dosch) ARBEITSTAG: KRITZELSCHRIFTEN VON KINDERN ALS PROGNOSE FÜR SCHULERFOLG? AGENDA: FORTBILDUNG CH & INTERNATIONAL SGG-WEITERBILDUNGSTAG: SOZIALE FÜHRUNGSKOMPETENZ UND WIE MAN SIE IN DER HANDSCHRIFT ERKENNT 3. Februar 2018 Zürich NR. 117 - JANUAR 2018

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Schweizerische Graphologische Gesellschaft SGG

Société Suisse de Graphologie SSG

BULLETIN SGGLIEBE LESERINNEN UND LESER

Schreiben und Denken gehören zusammen, bedingen einander gegenseitig. Wenn Kinder nicht mehr richtig schreibenlernen, werden sie nicht nur in ihrer intellektuellen, sondern in der gesamten Entwicklung behindert - denn die Persön-lichkeit ist immer ein Ganzes.

Gerade diese Sichtweise war immer auch wichtig für unser kürzlich verstorbenes Vorstandsmitglied Rudolf Knüsel: AlsGraphologen sind wir in erster Linie und immer Psychologen. Als solche haben wir den ganzen Menschen im Auge, des-sen Persönlichkeit sich nun einmal in seiner Handschrift essentiell ausdrückt. Nehmen wir die Alarmzeichen ernst undkümmern wir uns wieder um eine gute Handschrift.

Marie Anne Nauer

INHALT:

• IN MEMORIAM DR. RUDOLF KNÜSEL

(Marie Anne Nauer)• ZUM TOD VON DR. FRED W. SCHMID

(Urs Imoberdorf)• WER NICHT SCHREIBT, BLEIBT DUMM: DAS AKTUELLE THEMA

• EMMANUEL MACRON (Esther Dosch)• ARBEITSTAG: KRITZELSCHRIFTEN VON KINDERN

ALS PROGNOSE FÜR SCHULERFOLG?• AGENDA: FORTBILDUNG CH & INTERNATIONAL

SGG-WEITERBILDUNGSTAG:

SOZIALE FÜHRUNGSKOMPETENZ

UND WIE MAN SIE IN DER

HANDSCHRIFT ERKENNT

3. Februar 2018Zürich

NR. 117 - JANUAR 2018

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Redaktion und Layout:Dr. Marie Anne Nauer, CH-8006 Zürich+41 44 362 96 03 [email protected]

SGG-Sekretariat: Ursula SebbenWeinbergstrasse 102, CH-8006 Zürich+41 44 364 50 51 [email protected]

Annemarie Pierpaoli8123 [email protected]

Beiräte:Dr. Urs Imoberdorf, 8032 Zü[email protected]

Druck: STEINEMANN PRINT AG Digital + Analog Uitikonerstrasse 27, CH-8952 Schlieren T +41 44 730 93 94 www.steinemann-print.ch2

AGENDA

SCHRIFTPSYCHOLOGISCHE & PSYCHOLOGISCHE WEITERBILDUNG 2017/18:

3. Februar 2018 (10:15-15:30)ARBEITSTAG: Soziale Führungskompetenz und wie man sie in der Handschrift erkenntReferenten: MARKUS FURRER & JACQUELINE KLAUSER

Ort: Berufsschule für Gestaltung, Ausstellungsstrasse 104, 8005 ZürichVeranstaltung: SGG Schweizerische Graphologische GesellschaftInfo & Anmeldung auf: www.sgg-graphologie.ch

24. November 2018 (10:15-15:30)ARBEITSTAG: Induktives CoachingReferentin: BARBARA M. BUZZI

Ort: ZürichVeranstaltung: SGG Schweizerische Graphologische GesellschaftInfo & Anmeldung demnächst auf: www.sgg-graphologie.ch

29. INTERNATIONALER KONGRESS FÜR SCHRIFTPSYCHOLOGIE LINDAU

GRAPHOLOGIE IM KONTEXT

VON PSYCHOLOGIE, MEDIZIN UND KUNST10./11. Mai 2018 - Lindau im Bodensee

www.egs-graphologie.org

Referenten:Rosmarie Bolliger (CH) - Sabine M. Gruber (A) - Dr. Christa Hagenmeyer (D) - Dr. Mariella Kögl (A) -

Dr. Marie Anne Nauer (CH) - Olivier Netter (D) - Dr. Jaroslav Sturma (CZ) - Dr. Max Schreier (CH) - Hester van de Weg-Schuringa (NL)

www.sgg-graphologie.ch

INTERVISION GRAPHOLOGEN SGG / SCHRIFTPSYCHOLOGEN SBAP:

8. Januar 2018 (14:30-16:30) - 13. März 2018 (17:00-19:00)INTERVISION: Besprechung von mitgebrachten HandschriftenTeilnehmerzahl: begrenzt - bitte frühzeitig anmelden!

Ort: Praxis Jürg Schläpfer, Bäulistrasse 22, 8049 ZürichVeranstaltung: SGG Schweizerische Graphologische GesellschaftAnmeldung an: [email protected]

ANMELDUNG NEUES GRUNDSTUDIUM

Beginn Frühling 2019 - www.iapbasel.ch

GENERALVERSAMMLUNG SGG: 20. April 2017 - Zürich

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IN MEMORIAM DR. RUDOLF KNÜSELVORSTANDSMITGLIED SGG16. Mai 1946 – 9. Oktober 2017

Rudolf - für uns alle Ruedi - Knüsel war ein äusserst fähiger und differenziertdenkender Psychodiagnostiker, Verkehrspsychologe, Experte für Einzelassess-ments, Schriftpsychologe und Graphologe. Neben seiner beruflichen Tätigkeit -vor allem in der Pilotenselektion bei der damaligen Swissair und auch bei derAustrian Airlines sowie als Vertrauenspsychologe des Bundesamtes für Verkehr(BAV) - wirkte er lange Jahre als Dozent für Schriftpsychologie an der Hoch-schule für Angewandte Psychologie in Zürich (heute ZHAW) und auch als gerngehörter Referent an internationalen Kongressen.

Er vertrat ganz klar die Überzeugung, dass das Erlernen der graphologischenMethode in ein Psychologiestudium eingebettet sein müsse, weil für die kompe-tente Anwendung der Graphologie fundierte psychologische Kenntnisseunbedingt notwendig seien. Exemplarisch für sein Denken sei eine Frage vonUrs Imoberdorf aus einem Interview mit ihm sowie seine Antwort daraufwiedergegeben:

Du hast als Lehrer besonders darauf geachtet, den Studierenden die genaue Betrachtung der Handschrift beizubringen, also strengphänomenologisch vorzugehen. Kannst du das näher erklären?"Dass dies wohl so war, wurde mir erst bewusst, als ich darauf angesprochen wurde. Ausreichendes Grundwissen voraus-gesetzt finde ich es wichtig, Theorien in den Hintergrund zu rücken und die volle Aufmerksamkeit der Schrift zuwidmen, diese zu befragen. So sollte man bereits die Einzelmerkmale nicht lediglich verlässlich skalieren, sondern auch alsFenster für weitere Beobachtungen nutzen. Auf diese Weise entsteht ein Feld von Beobachtungen und gewonnenenInformationen und damit auch eine Verflechtung der Merkmale. Das ist eine günstige Ausgangslage für die Interpreta-tion. Dabei habe ich den Studierenden nahegelegt, auch das eigene kombinatorische Geschick einzusetzen. Ein weitererSchwerpunkt, den ich setzte, war die Aufforderung, während des Deutungsprozesses immer wieder mal einen Schrittzurückzutreten, um die Schrift als Gesamtbild wahrzunehmen. 'Der Teil und das Ganze' ist für mich so etwas wie eineZusammenfassung meiner Empfehlung, eine Handschrift aus mehreren Perspektiven zu betrachten und sich ihr auch mitdialektischen Denkansätzen anzunähern."

Die Gespräche mit Ruedi führten häufig in eine überraschende Tiefgründigkeit und waren stets von seinem einmalig trä-fen und geistreichen Witz geprägt. Diese spezielle und wertvolle Note der langjährigen Zusammenarbeit mit ihm wirduns ganz besonders in Erinnerung bleiben.

Für den Vorstand der SGG, die Präsidentin Dr. Marie Anne Nauer

Eine Gedenkschrift für Dr. Rudolf Knüsel ist in Vorbereitung; einstweilen verweisen wir auf das Interview im SGG-Bulletin No. 99vom Januar 2014 (www.sgg-graphologie.ch/publikationen).

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ZUM TOD VON DR. FRED W. SCHMID

11. März 1932 - 2. Dezember 2017

Psychologe, Berufs- und Laufbahnberater, Pionier des Einzelassessments im deutschsprachigen Raum

Fred W. Schmid hat in Zürich und Pittsburgh Psychologie studiert. Schon als Studenthat er im Pilotenselektionsteam der Swissair unter Prof. Jean Ungricht psychodiag-nostisch gearbeitet. Während seines Graduate Studiums in Pittsburgh war er am Insti-tut von Prof. John C. Flanagan auf dem Gebiet der Testkonstruktion und Testvalidie-rung tätig gewesen. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz arbeitete er von 1958 an ineigener Praxis als Berufs- und Laufbahnberater. Er war bekannt für seine detailliertenschriftlichen Berichte, in denen er die Untersuchungsergebnisse für seine Klienten zu-sammenfasste. Von 1963 an verlagerte sich der Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf dieBeurteilung von Führungskräften. Nach ersten Abklärungen für ein grosses amerika-nisches Unternehmen arbeitete Fred W. Schmid vermehrt auch für führende Schwei-zer Unternehmen. Die angewandte Testserie wurde sukzessive hiesigen Verhältnissenangepasst. Die Assessments waren darauf angelegt, den Untersuchten ebenso Nutzenzu bringen wie den auftraggebenden Firmen und Organisationen. Bereits für die Pilo-tenselektion, später für Laufbahnberatung und Begutachtung von Führungskräftennahm Fred W. Schmid oft auch Dienste von Graphologen in Anspruch. In einem gra-phologischen Interview1 antwortete er auf meine Frage: Welchen Stellenwert hatte fürdich dabei die Graphologie?

"Als ein Ausdruck der Persönlichkeit ermöglicht die Handschrift eine Begegnung mit ihrem Urheber, ohne dass dieserphysisch anwesend sein muss. Ähnlich wie bei der Betrachtung eines Kunstwerks erfahren wir dabei immer etwas überseinen Erschaffer, wenn auch die Ergiebigkeit unterschiedlich und der biographische Stellenwert schwierig zu bestimmensein kann. Talentierte und erfahrene Graphologen sind jedoch meist in der Lage, ihre Beobachtungen richtig einzuord-nen, so dass ich ihre Hinweise immer ernst genommen und oft auch als sehr nützlich und hilfreich empfunden habe."

Auf meine letzte Frage "Welchen Rat möchtest du jüngeren Psychologen oder Graphologinnen heute mit auf den Weggeben?" gab er die philosophische wie menschlich berührende Antwort:

„'Alles psychologische Denken behält diesen Grundzug, dass das Auffassen des Ganzen die Interpretation des Einzelnen ermöglicht und be-stimmt.' So lautet eine der zentralen Thesen Diltheys. Wer sie beherzigt, wird seinen Probanden unvoreingenommen und partnerschaftlich be-gegnen und dafür reich belohnt werden."

In seinen letzten Lebensjahren hat sich Fred W. Schmid intensiv mit 'Goethe und seinem Kreis' beschäftigt. Viele Jahrewar er im Stiftungsrat der Greina-Stiftung aktiv und engagiert für das Wohlergehen unserer Um- und Lebenswelt. In derTodesanzeige wird sein Leben und Wirken in der Aussage zusammengefasst:

Wacher Geist, analytisches Denken und Menschlichkeit waren Grundlage all seines Tuns.

Urs Imoberdorf1 Interview im SGG-Bulletin No. 97 vom September 2013 (www.sgg-graphologie.ch/publikationen).

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WER NICHT SCHREIBT, BLEIBT DUMM -WARUM UNSERE KINDER OHNE HANDSCHRIFT DAS DENKEN VERLERNEN

Von Maria-Anna Schulze Brüning und Stephan Clauss1 

Die neue Volkskrankheit: Handschriftprobleme - jedes sechste Kind kann nicht richtig schreiben! 

"Seit vielen Jahren beobachten Lehrer an deutschen Schulen, wie die Handschriften der Schü-ler sich alarmierend verschlechtern. Sie sehen mit Sorge, dass immer mehr Kinder unleserlich,langsam oder nur mit großer Mühe schreiben können. 

Hinzu kommt bei immer mehr Schülern eine fehlende Rechtschreibkompetenz. Die Leh-rer sehen, wie sehr diese Kinder gehandicapt sind, wenn sie schriftliche Aufgabennicht bewältigen können, und wie ihre Motivation zu lernen abnimmt, sobald esums Schreiben geht. Und sie sehen auch, welche negativen Folgen die fehlendeSchreibfertigkeit für den Schulerfolg haben kann. 

Das Rumoren in den Kollegien, insbesondere der weiterführenden Schulen, ist so groß,dass sich der Deutsche Lehrerverband 2014 genötigt sah, eine bundesweite Befragung inAuftrag zu geben, um das Ausmaß dieses Schriftdesasters sichtbar zu machen. Als Lehrerinan einer Gesamtschule mache auch ich seit den Neunzigerjahren die Erfahrung, dass einezunehmende Zahl von Kindern eine Handschrift hat, die nicht lesbar, sondern bestenfallsentzifferbar ist. 

Dabei erging es mir zunächst wie wohl fast allen anderen Unterrichtenden: Ich empfand die Krakelschriften als Zumu-tung und sah darin eine ärgerliche Nachlässigkeit und Flüchtigkeit desinteressierter Schüler. Erstaunlich für mich wardann aber, dass kleine Anregungen, wie man diesen oder jenen Buchstaben besser schreiben kann, von einigen Schülerndankbar angenommen wurden und sich ihr Schriftbild tatsächlich ein wenig verbesserte.

Eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Problem begann, als ich einem Fünftklässler, der nichts Entzifferbares zuPapier bringen konnte, im Kunstunterricht Schriftübungen vorlegte, die ich für ihn entworfen hatte. Die Reaktion warüberraschend. Geradezu eifersüchtig reagierten andere Jungen: "Wieso darf der Niklas Schreiben üben und ich nicht?" -"Schauen Sie, mein Heft!" - "Schauen Sie, meine Schrift!" - "Und ich?" - "Und ich?" Am Ende waren es sieben Jungen,die fast um die Wette das korrekte, leserliche und zügige Schreiben übten. Und das mit gutem Erfolg! Die Deutsch- undKlassenlehrerin beschrieb den Effekt des Schrifttrainings als Befreiungsschlag für ihre Jungen."

Die Schule als Spiegel der Gesellschaft

"Die tieferen Ursachen für das Verkommen dieser Kulturtechnik [des Handschreibens] liegen jedoch in einer Neubewer-tung ihres Stellenwerts im bildungspolitischen Gesamtkonzept. Und da hat es seit den Sechzigerjahren entscheidendeVeränderungen gegeben, die man kennen muss, um die aktuelle Situation zu verstehen. Schule ist einerseits Spiegel derGesellschaft und andererseits ihr Motor für Veränderungen. Die Schriftdidaktik ist wie alle anderen Gegenstandsbereicheder Schule eingebettet in eine Vorstellung oder Vision davon, welche Werte und Einstellungen Grundlagen der Gesell-schaft sein sollen. 

Es geht darum, Persönlichkeiten zu formen, die den vermuteten und gewünschten Erfordernissen einer sich wandelndenGesellschaft entsprechen. Bildungsvorgaben sind also zwangsläufig ideologiegeprägt. 

Was hat das Erlernen der Handschrift damit zu tun? Ist dieser Unterrichtsgegenstand nicht eigentlich wertneutral? Er istes schon allein deshalb nicht, weil die Bedeutung der Handschrift und damit ihr Platz in der Schule heute angesichts derdigitalen Medien-Revolution diskutiert und neu bewertet wird. Während die meisten die Frage, ob wir in Zukunft über-haupt noch eine Handschrift brauchen, für abseitig halten, haben andere sie längst beantwortet und betrachten die Tasta-tur als vollwertigen Ersatz für das Schreiben mit der Hand."

Auszüge aus dem Buch von Maria-Anna Schulze Brüning und Stephan Clauss2 

1 Eine Rezension des Buches ist in Vorbereitung.2 http://www.huffingtonpost.de/mariaanna-schulze-bruening/handschriftprobleme-schulebildung_b_16309398.html

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SGG-WEITERBILDUNGSTAG:ANALYSE VON KRITZELSCHRIFTEN UND PROJEKTIVEN VERFAHREN

ALS PROGNOSE FÜR DEN SCHULERFOLG

25. NOVEMBER 2017MIT

KATARINA REHM

Graphologin DGV, Berufsschullehrerin, Beratungslehrerin (Stuttgart)

Katarina Rehm hatte im September 2007 ihre graphologische Abschlussar-beit bei Dipl. Psych. Renate Joos, StR, über die Deutung von Kritzelschrif-ten bei Kindern vorgelegt.

Als sie von Renate Joos bereits im Jahr 2000 auf dieses Thema aufmerksamgemacht wurde, war sie zunächst allerdings nicht begeistert, handelt dochGraphologie von Schrift - und Kritzel sind keine Schrift! Trotzdem konntesie sich mit dem Thema anfreunden und etwa 80 Schüler aus 3 Klassenüber 4 Jahre bis zum Übergang in weiterführenden Schulen aus der Fernebegleiten. So erhielt sie jeweils von jedem Schüler etwa 10 Blätter zum Be-arbeiten.

Die Befunde

Kinderkritzel sind sehr wohl graphologisch auswertbar! Die Persönlichkeit der Kinder ist gut zu erfassen, Stärken undSchwächen sind zu erkennen. Um dies möglich zu machen, hat Katarina Rehm mit einer systematischen Erfassung allerMerkmale gearbeitet, analog zur üblichen Erfassung von Handschriftmerkmalen.

Normalerweise schreiben Kinder spontan, wenn man ihnen Papier und Stift in die Hand gibt. Sehr bald versuchen sie,die Erwachsenen nachzuahmen: sie entwickeln eine Vorstellung von Schreiben. Wie sie diese Vorstellung umsetzen, istindividuell verschieden und folgt doch entwicklungsmässigen Gesetzen.

Stufen der graphomotorischen Entwicklung des Vorschulkindes (gekürzt)1

1 Literaturangaben bei Katarina Rehm - Adresse über die Redaktion 6

Ettore, 7 J.

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Auswertungstabelle zur Beurteilung der Schulfähigkeit

Diese Methode ist tatsächlich ein vielversprechender Ansatz zur Erkennung der Schulreife. So sollte man die Gelegen-heit nutzen, Kinder vor dem Schuleintritt zum Kritzeln aufzufordern: Sie tun das mit Freude und ohne Leistungsdruck.Das ist die Chance, sie in ihrer Persönlichkeit zu erkennen und Wege aufzuzeigen, sie zur geordneten Entfaltung ihresPotentials zu führen. MAN

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EMMANUEL MACRON

PRÉSIDENT DE LA RÉPUBLIQUE FRANÇAISE1

„V„V„V„VOILÀOILÀOILÀOILÀ UNUNUNUN HOMMEHOMMEHOMMEHOMME!“!“!“!“ SOLL NAPOLEON BEIM ERSTEN BLICK AUF GOETHE AUSGERUFEN HABEN. In Emmanuel Macron steht ein authentischer, eigenständiger und sehr intelli-genter Mann vor uns. Sein prononcierter Ehrgeiz steht in einem ausgewoge-nen Verhältnis zu seinen Fähigkeiten. Eigenprägung und Kreativität verbindensich mit klarer Einschätzung der Realität; Weitblick und Zieldynamik werdenbegleitet von dem Bedürfnis, Detailfragen scharf zu überprüfen. Trotz seines recht guten Selbstwertgefühls sind ihm Selbstzweifel nicht ganzfremd; das zeigen schon die häufigen Stockungen im Wortinneren und dieplötzlichen Verkleinerungen des Mittelbandes. Vor allem aber ist er viel zuklug, um sein Urteil nicht stets zu hinterfragen. Nach intensiver Prüfung ist erdann jedoch jeweils so überzeugt von der Richtigkeit seiner Vorstellungen,dass es schwer fallen wird, ihn wieder davon abzubringen. Im Umgang dürfteer somit nicht immer ‚bequem‘ sein.

Da sich nun aber die Intention Macrons nicht auf persönliches Prestige, sondern auf sinnerfülltes Handeln richtet, erauch den Wert von Synergie kennt, kann man doch davon ausgehen, dass er die nötigen Anpassungen an die Bedürfnisseund Ansichten seiner ‘Mitspieler‘ aufbringen wird. Emmanuel Macron ist gewiss ein autonomer Querdenker, aber in kei-ner Weise ein Querschläger.  Im Moment dieses Schreibens an Francois Hollande, wo Macron voll in der Motivation steckt, wo er sich ‘auf dem Weg’weiß, läuft die Schrift zum Hoch ihres Formniveaus auf.

Esther Dosch

1 Dieser Artikel ist im Mai 2017 verfasst worden, als über Emmanuel Macron noch sehr wenig bekannt war.