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Schweizerischer Verein für Gefängnisseelsorge Jahrestagung 23./24. März 2015 Referat Pfr. Markus Giger

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Seelsorge als Hermeneutik des Lebens und als zweifacher Dienst der Diakonia und Martyria

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• Besonderheiten von Jugendlichen im Strafvollzug bezüglich Vollzug• Besonderheiten von Jugendlichen im Strafvollzug bezüglich der

Hintergründe• Jugendliche im Strafvollzug aus entwicklungspsychologischer Sicht• Seelsorge in der U-Haft• Seelsorge im Massnahmenvollzug (z.B. MZU)• Jugendseelsorge als Hermeneutik des Lebens• Theologische Reflexion einer biographisch-hermeneutisch orientierten

Seelsorge in der Situation des «gescheiterten» Jugendlichen• Der zweifache Dienst der Diakonia und Martyria • Gottesbegegnungen als unverfügbare Folge des zweifachen Dienstes

der Diakonia und Martyria – ein Filmportrait

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„Jeder Mensch befindet sich in einem endlos variierten Versuch, glücklich zu werden.“Karl Barth

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Besonderheiten von Jugendlichen im Strafvollzug bezüglich VollzugNormverlauf:

Verhaftung Untersuchungshaft (nach Art. 28 JStPO, besondere Anforderungen) Unterbringung in einer Jugendabteilung (z.B. Gefängnis

Limmattal); Abklärungen -> z.B. DSW / AH Basel Anschluss- bzw. Massnahmenplanung (Rückkehr in Familie,

offene, oder geschlossene Unterbringung)

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Besonderheiten von Jugendlichen im Strafvollzug bezüglich der HintergründeHintergründe für Jugenddelinquenz: (Oberjugendanwalt Marcel Riesen)

Geringes Selbstwertgefühl Unvollständige Familie Misshandlung / Vernachlässigung Migrationshintergrund Schwache Schulleistungen Geringe elterliche Kontrolle Geändertes Freizeitverhalten (Gelegenheitsstruktur von Jugenddelinquenz) Irritierende Wertsysteme

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Jugendliche im Strafvollzug aus entwicklungs-psychologischer SichtGrundsätzliche Herausforderung für Jugendliche in der Adoleszenz: Streben nach Unabhängigkeit, Akzeptanz der eigenen Persönlich-

keitsstruktur mit ihren Grenzen. Dies führt im Strafvollzug zur Kollission: Autonomiebestreben versus massive Einschränkungen in einer

tendenziell totalitären Institution. U-Haft: Massive Beschneidung Bewegungsfreiheit, Selbstbestimmung Massnahme: Korsett an zu akzeptierenden Verhaltensvorgaben, aber

auch Konfrontation mit gesellschaftlich unerwünschten Denkmustern. „Therapie“ im Zwangskontext widerstrebt dem Autonomiebestreben der Adoleszenz.

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Seelsorge in der U-HaftExtremer Freiheitsentzug: Isolation -> «auf sich geworfen“ Erste, emotionale Phase der Wut, Verzweiflung

Evtl. Gesprächsverweigerung, Vorwürfe, Externalisieren der Verantwortung Seelsorger als «An-Teilnehmer» am Geschehen

Zweite, stabilisierende Phase der Reflexion, des Verstehens Auseinandersetzung mit sich selbst, der Familie, dem Umfeld, der Tat Seelsorger als «Reflexionshelfer»

Gemeinsame Interpretation des Geschehens. Seelsorger wird zum Hermeneut, der das Geschehen gemeinsam mit dem jungen Menschen in Sprache übersetzt, auslegt, interpretiert, einordnet -> es geht darum, das Geschehen im Gesamtkontext des Lebens zu verstehen. -> vgl. Jugendseelsorge als Hermeneutik des Lebens

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Seelsorge im Massnahmenvollzug (z.B. MZU)Seelsorge ist integraler Bestandteil eines pädagogischen-therapeutischen Settings Chancen & Gefahren: Umfassende Sicht/Wahrnehmung des Klienten Ritzen des Seelsorgegeheimnisses im Austausch mit Soz.päd./ TherapeutenWeiter gilt auch für die Seelsorge im Massnahmenvollzug: Seelsorger bleibt Hermeneut der gebrochenen BiographieZusätzlich: Begleiter auf der «Tour de Prison»: Support bei Krisen, ermutigen zum

Durchhalten, Aushalten, «Klagemauer»Dazu gehören auch: Lebensentwürfe hinterfragen und mitentwickeln. Werte, Haltungen erarbeiten

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Jugendseelsorge als Hermeneutik des Lebens – Biblische Referenz

Referenztext: Die Frau am Brunnen, Joh 4, 1-42

«Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.», Joh 20,21

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Jugendseelsorge als Hermeneutik des Lebens – Herausforderungen (Orientierung an Joh 4,1-42)

Überwindung der doppelten Hürde: Scham & Sprachlosigkeit (Voraussetzung: Vertrauensbasis zwischen Jugendlichem und Seelsorger)Vor der Hermeneutik (Auslegung) des biographischen Erlebens und des deliktischen Handelns muss dieses Erleben und Handeln in Sprache ausgedrückt werden. Aufgabe: Aus Andeutungen Schwieriges, Traumatisches erahnen und für den

Jugendlichen (emphatisch und ohne Verurteilung) formulieren, bzw. aussprechen.

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Jugendseelsorge als Hermeneutik des Lebens – Ein gemeinsamer Weg des «Erkennens»Der Weg der hermeneutischen Deutung des biographischen Erlebens und deliktischen Handelns: Über das gemeinsame Betrachten des Geschehens… zum Suchen nach; und Finden von Erklärungen… und so zum Verstehen der eigenen Biographie… …coram Deo (-> Frau am Brunnen) Erkennen: «Ich darf ein anderer werden!»Die hermeneutische Deutung des Lebens als Weg zur Ermöglichung eines Prozesses des Neuanfangs und der Neuwerdung.

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Theologische Reflexion einer biographisch- hermeneutisch orientierten Seelsorge in der Situation des «gescheiterten» Jugendlichen

Grundlage: Theologia Cruxis, die das Leiden und das Kreuz Jesu in den Mittelpunkt stellt und in jedem menschlichen Scheitern eine Identität mit dem Leidensweg Jesu erkennt. Identifikation: Der Weg Jesu (ins Leiden und ans Kreuz) ist

Vorwegnahme von leidvollem Geschehen in einem jeden Leben. Jeder Mensch befindet sich auf seinem je eigenen Leidensweg. Der delinquente Jugendliche erlebt im Scheitern und Zerbruch sein «Gehtsemane».

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Daraus ergeben sich folgende Dienste:1. Anteilnahme, Mitleiden auf dem Leidensweg des Jugendlichen.

«Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?» Mt 26,40

Implizite Verkündigung- durch Bereitschaft der Anteilnahme und des Mittragens- durch Hilfestellung im (biographischen) Ordnen, Auslegen, Verstehen

Dienst der Diakonia > proaktiv & uneingeschränkt

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2. Deutung des Geschehens auf dem Hintergrund von Kreuz und Auferstehung

Explizite Verkündigung- durch Wegweisung zum fundamentalen Neuanfang aus der

Vergebung im Hier und Jetzt.- Kreuz und Auferstehung Jesu als Befreiung, Versöhnung und

Ermächtigung: «Ich darf ein Anderer werden.»

Dienst der Martyria > reagierend & eingeschränkt durch die Rücksicht auf Religionszugehörigkeit/religiöse Praxis

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Gottesbegegnungen als unverfügbare Folge des zweifachen Dienstes der Diakonia und Martyria…

oder: Das Wirken des Heiligen Geistes in der Seelsorge

«Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von oben geboren werden. Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, weisst aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.» Jesus zu Nikodemus in Joh 3,7f

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…in den Worten von Karl Barth:

«Der Heilige Geist ist die erweckende Macht, in der Jesus Christus einen sündigen Menschen zu seiner Gemeinde und also dazu beruft, als Christ an ihn zu glauben: ihn als den Herrn zu anerkennen, zu erkennen und zu bekennen, der gerade für ihn Knecht wurde – angesichts der in ihm geschehenen Überwindung gerade seines Hochmuts und Falles seiner selbst und der Welt ganz leid zu werden und wieder sich selbst, eben damit aber auch für die Welt, ganz zuversichtlich angesichts der in ihm geschehenen Herstellung gerade seines neuen Rechtes und Lebens.» Karl Barth, Dogmatik IV/1, zu §63, Der Heilige Geist und der christliche Glaube