Schwerpunkt Zukunft Erdgas

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SCHWERPUNKT 22 Energieexperten sind sich einig: Erdgas ist optimaler Partner der erneuerbaren Energien. medium gas 1 | 2011 von André Deichsel, Redaktion 23 Detailaufnahme eines Gas-Brennwert-Heizkessels der Firma Buderus. Moderne Gas-Brennwert-Heizungsanlagen lassen sich besonders einfach mit einer Solaranlage kombinieren. Das Gerät vereint einen Brennwert-Heizkessel, einen Warmwasser-Speicher und eine Solareinheit auf kleinstem Raum.

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ZukunftErdgasEnergieexperten sind sich einig: Erdgas ist optimaler Partner der erneuerbaren Energien.

von André Deichsel, Redaktion

„Der optimale Energiemix der Zukunft, der unter Einhal-tung der CO2-Ziele die geringsten volkswirtschaftlichen Kosten verursacht, wird zu einem großen Teil aus Erdgas bestehen.“

Dieser leitsatz stammt nicht, wie vielleicht vermutet, aus dem Munde der Erdgasbranche, sondern wurde von den Energieexperten des Hamburgischen WeltWirt-schaftsInstituts (HWWI) geprägt. Das bereits im Jahr 2007 veröffentlichte Zitat steht als Symbol dafür, dass seit ge-raumer Zeit auf Expertenebene Konsens darüber besteht, dass weder Kohle noch Atomkraft die zukünftigen Partner der erneuerbaren Energien sein werden.

So wie sich das HWWI zur Zukunft von Erdgas positio-nierte, haben insbesondere nach Veröffentlichung des Energiekonzeptes der Bundesregierung andere Ener-gieexperten gleichgezogen. Aber werden diese Exper-tenmeinungen überhaupt von der Öffentlichkeit wahr-genommen? Eins ist sicher: Eine weitere Debatte über das Energiekonzept der Bundesregierung zu führen, ist müßig, angesichts der tragischen Ereignisse in Japan völlig unangemessen und nicht zielführend. medium gas hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, eine realistische Einordnung der Zukunft von Erdgas zu vollziehen. Dabei stehen Fakten und neueste Entwicklungen im Vorder-grund.

Detailaufnahme eines Gas-Brennwert-Heizkessels der Firma Buderus. Moderne Gas-Brennwert-Heizungsanlagen lassen sich besonders einfach mit einer Solaranlage kombinieren. Das Gerät vereint einen Brennwert-Heizkessel, einen Warmwasser-Speicher und eine Solareinheit auf kleinstem Raum.

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Einigkeit bei Verbrauchern und ExpertenDie aktuelle Kundenbefragung des Bundesverbandes der Ener-gie- und Wasserwirtschaft (BDEW) „Kundenfokus Haushalte 2010/2011“ macht es deutlich: Haushaltskunden in Deutschland sind mit ihrem Erdgasversorger zufrieden und schätzen insbeson-dere die zuverlässige Erdgaslieferung, aber auch die Sicherheit und Umweltverträglichkeit des Energieträgers.

Die Befragungsergebnisse sind ein klares Indiz dafür, dass auch Endverbraucher Erdgas als Energiequelle sehr schätzen und die Energiedebatte des letzten Jahres völlig verkürzt ge-führt wurde. Auch für EU-Energiekommissar Günther Oettinger steht es bereits fest, dass Erdgas zukünftig einen erheblichen Beitrag für die Energieversorgung der EU leisten wird. So machte Oettinger unter anderem bei der Vorstellung der europäischen Energiestrategie 2020 deutlich, dass man auf Erdgas aufgrund seiner sicheren Verfügbarkeit, Speicherfähigkeit und erfreuli-chen Klimabilanz im europäischen Energiemix nicht verzichten könne. laut Prof. Dr. Friedbert Pflüger, Direktor des „European Centre for Energy and Ressource Security“ am Kings College in london, muss Erdgas auch aufgrund seiner hohen Flexibilität neben den erneuerbaren Energien die höchste Bedeutung bei der künftigen Energieversorgung Deutschlands und Europas beigemessen werden. Das Meinungsbild zeigt, dass es vor

allem die idealen Eigenschaften sind, die Erdgas zum optimalen Partner der Erneuerbaren werden lassen. Demnach sind sowohl die Öffentlichkeit als auch Experten davon überzeugt, dass es gelingen wird, durch Nutzung von Erdgas in Kooperation mit erneuerbaren Energien einen Energiemix zu gewährleisten, der versorgungssicher, wirtschaftlich und umweltverträglich ist und somit allen Zielen des energiepolitischen Dreiecks entspricht.

Dezentrale Wärmeerzeugung mit ErdgasIm Wärmemarkt ist die Dynamik bereits seit einiger Zeit spürbar und nicht mehr aufzuhalten. Bereits heute heizen 50 Prozent der deutschen Haushalte mit Erdgas. Mini-BHKW, Mikro-BHKW, Brennstoffzelle, Gaswärmepumpe oder Erdgas plus Solar sind die Schlagworte, die die Zukunft auf diesem Gebiet bestimmen. Für den laien anfangs schwer verständlich, geht es doch um ganz banale Dinge: Die Heizung von morgen. Viessmann, Buderus und viele andere sind ganz vorn mit dabei. Serienproduktionen gibt es bereits, Hunderte Feldtests finden in ganz Deutschland statt.

Im Fokus dieser Unternehmen steht eine dezentrale und hoch effiziente Energieversorgung, das eigene Minikraftwerk für den heimischen Keller. Auch Bundesumwelt minister Norbert Röttgen legte sich auf der Energiefachmesse enertec 2011 fest. „Effiziente Technologien sind die Voraussetzung für das Wachs-

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Der Wärmemarkt der Zukunft wird maßgeblich durch dezentrale Heizungstechnik bestimmt – ein Beispiel dafür ist das mit Erdgas betriebene Brennstoffzellen-Heizgerät (BZH) des Unternehmens BAxI-INNOTECH GmbH.

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tum der Zukunft“, so Röttgen und verwies damit zugleich auf die enorme Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsfaktors. In Sachen Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit sind Heizungsgeräte mit Erdgasbrennwerttechnik in Verbindung mit Solarthermie bereits heute unschlagbar, so das Institut für Wohnungswesen, Immobili-enwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) im kürzlich veröffentlichten „Modernisierungskompass 2011“. „Tauschen die Haushalte ihre Heizung gegen ein modernes Brennwertgerät aus, können die meisten ihre Wohnkosten deutlich senken“, so Michael Neitzel, Geschäftsführer des InWIS. Im Wärmemarkt gehört Erdgas die Zukunft.

Erhebliche Verschiebungen im Energiemix der Zukunft„Erdgas ist der Schritt zu den Erneuerbaren.“ Mit dieser Über-schrift sorgte die Umweltorganisation Greenpeace im vergan-genen Jahr für Schlagzeilen. Es zeigt aber vor allem eins: Um-weltschutz und Erdgas passen auch bei der Stromerzeugung perfekt zusammen. So sind moderne Gaskraftwerke billiger im Bau, zentral oder dezentral einsetzbar, stoßen einen Bruchteil von CO2 im Vergleich zu Kohlekraftwerken aus und können durch ihre hohe Flexibilität – anders als Atommeiler – die schwankende Stromeinspeisung erneuerbarer Energien perfekt ausgleichen. Fa-tih Birol, Chefvolkswirt der Internationalen Energie Agentur (IEA),

prognostiziert, dass 62 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten, die bis 2035 neu gebaut werden, auf Gaskraftwerke entfallen. Dies entspräche einer Gesamtkapazität von 135 Giga watt. Die IEA wird dazu in einem großen Report mit dem Titel „Ein goldenes Zeitalter für Gas?“ Mitte des Jahres detailliert Stellung beziehen. Fazit: Strom aus Erdgas – eine perfekte lösung für die Zukunft.

Eine der besten Ideen Deutschlands: Ökostromspeicherung im ErdgasnetzStrom aus erneuerbaren Energien wird im kommenden Energie-mix eine viel größere Rolle spielen als heute. Doch sorgen der Transport und der dafür notwendige Bau von neuen Hochspan-nungsleitungen und Überlandkabeln von Nord nach Süd für er-hebliche Verstimmungen. Ursache: Ökostrom lässt sich nicht speichern. Kann Erdgas auch hier Abhilfe leisten?

Ja, sagt Dr. Michael Sterner vom Fraunhofer-Institut für Wind-energie und Energiesystemtechnik (IWES). In Kooperation mit Ingenieuren des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg haben die Forscher ein Verfahren entwickelt, dass Ökostrom in Erdgas umwandelt. Dabei wird aus überschüssigem Ökostrom Wasser per Elektrolyse gespalten. Dadurch entsteht Wasserstoff und Sauerstoff. Durch eine che-mische Reaktion des Wasserstoffs mit Kohlendioxid entsteht

Auch die Industrie profitiert von der flexiblen Stromerzeugung moderner Gas- und Dampfkraftwerke (GuD).

Erneuerbare Energien und Erdgas – die Partner der Zukunft.

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Methan, sprich synthetisches Erdgas. Dass das Verfahren keine reine Phantasie mehr ist, zeigt die vom Unternehmen SolarFuel bereits in Betrieb genommene Demonstrationsanlage, die beim Wettbewerb „365 Orte im land der Ideen 2011“ als eine der besten Ideen Deutschlands ausgezeichnet wurde. Auch wenn das Verfahren erst in einigen Jahren marktfähig sein wird, so zeigt es doch bereits heute, dass das bestehende Erdgasnetz zukünftig zur tragenden Säule des erneuerbaren Energiesystems werden kann und damit jene Speicher- und Transportkapazitäten liefert, die im Stromnetz dringend benötigt werden.

Mit Bioerdgas bereits heute zu 100 Prozent erneuerbarAuch die Verbreitung von Bioerdgas, dem auf Erdgasqualität aufbereiteten Biogas, wäre ohne das vorhandene Erdgasnetz undenkbar. Die Möglichkeit, Bioerdgas sowohl im Wärmebereich, bei der Stromversorgung als auch als Kraftstoff zu nutzen, zeigt, dass Erdgas und Bioerdgas tatsächliche Partner der erneuerbaren Energien sind. Die Bundesregierung hat ihre Ziele in der aktuel-len Gasnetzzugangsverordnung bereits definiert. So sollen bis 2020 bis zu 6 Mrd. m³ Bioerdgas pro Jahr und bis zum Jahr 2030 jährlich 10 Mrd. m³ Bioerdgas zur Energieversorgung beitragen. Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes

(DBV) ist sich sicher, dass auch „die Bedeutung der Aufbereitung und Einspeisung von Biogas ins Erdgasnetz an Bedeutung zu-nehmen“ wird. Bioerdgas ist als dezentral gewonnene Energie, die heimische Arbeitsplätze sichert, somit eine echte Innovation mit Zukunftspotenzial.

Im Kraftstoffsektor ist die Zukunft bereits GegenwartUm Innovationen, die bezahlbar sind und bereits heute beim Händler angeboten werden, ging es Anfang des Jahres auch bei der Verleihung von Deutschlands bedeutendstem Autopreis, dem vom ADAC gestifteten „Gelben Engel 2011“. 431 Autos sind in der neu geschaffenen Kategorie „Auto der Zukunft“ gegenein-ander angetreten. Mit dem VW Touran TSI EcoFuel landete ein Erdgasfahrzeug auf dem 2. Platz. Das verwundert kaum, denn bei einem Verbrauch von nur 4,6 kg Erdgas auf 100 Kilometern und nur 128 g CO2-Ausstoß pro Kilometer gehört der Touran zu den umweltfreundlichsten Fahrzeugen auf Deutschlands Stra-ßen. Zugleich steht er stellvertretend für die neue Generation von Erdgasfahrzeugen, die nicht mehr nur alternativ, sondern sauber, dynamisch und ökonomisch zugleich sind.

Mit der Auszeichnung bestätigt der ADAC, was die Deutsche Energie-Agentur (dena) bereits im letzten Jahr in einer eige-

Sandro Pautz (VNG) erläutert auf der enertec 2011 die Funktionsweise einer Biogasanlage und die Veredlung von Biogas zu Bioerdgas.

Otto-Motor eines erdgasbetriebenen VW Passat 1.4 l TSI EcoFuel mit 110 kW (150 PS).

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nen Studie hervorhob: So verursacht ein Erdgasfahrzeug rund 25 Prozent weniger CO2 als ein vergleichbarer Benziner. Wird reines Bioerdgas getankt, emittiert ein Erdgasfahrzeug bis zu 97 Prozent weniger Kohlendioxid als herkömmliche Kraftstoffe. „Erdgas ist eine echte Alternative zu Benzin und Diesel und kann einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, so Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. Um Erdgas als Kraftstoff weiter zu verbreiten, hat sich bereits ein breites Bündnis aus dem Automobil-, Tankstellen- und Energiesektor gegründet. Ziel ist die Erarbeitung eines Maßnahmeplanes in Vorbereitung auf die neue Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung. Diese ist im Übrigen bereits von Erdgas als Kraftstoff überzeugt und strebt an, die Verbreitung von Erd-gasfahrzeugen in Deutschland durch eine dauerhaft niedrige Besteuerung weiter zu erhöhen.

Mit Erdgas in die luftAuch die luftfahrtbranche feierte bereits im Jahr 2008 eine Welt-premiere. Erstmals flog ein A 380 mit speziellem Kerosin, das teilweise auf Erdgas-Basis gewonnen wurde, in einem dreistün-digen Flug vom britischen Filton nach Toulouse in Frankreich. „Das ist ein Meilenstein für uns“, sagte Sébastien Rémy, Chef

des alternativen Kraftstoffprogramms von Airbus. Forscher des Deutschen Zentrums für luft- und Raumfahrt (DlR) glauben, dass Erdgas und Biomasse den Flugzeugtreibstoff Kerosin in Zukunft weitgehend werden ersetzen können. Im Emirat Katar, wo ein Teil der Praxistests läuft, werden bereits rund eine Million Tonnen des auf Erdgas basierenden Synthetik-Kraftstoffs pro Jahr produziert.

Multitalent mit riesigem PotenzialEs bleibt festzuhalten, dass die bereits im Jahr 2007 getroffene Feststellung des HWWI heute mehr denn je zutrifft. Der optimale Energiemix der Zukunft wird zum großen Teil aus Erdgas bestehen. Kein Energieträger verfügt über mehr Flexibilität. Auch Sorgen um die Verfügbarkeit sind trotz Importabhängigkeit in Europa nicht angebracht. Dank riesiger Investitionen der Gasimporteure und -produzenten ist die Versorgungssicherheit gewährleistet. Nüchtern – aber bestimmt – fasst EU-Energiekommissar Günther Oettinger die Diskussion zusammen: „Im Jahr 2030 werden Wind, Sonne und Gas eine wichtige Rolle im europäischen Energiemarkt einnehmen.“ Dies habe darüber hinaus positiven Einfluss auf die volkswirtschaft-liche Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und der EU. Abschließend der Hinweis: Die europäische Gasnachfrage ist im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 7,2 Prozent gestiegen.

Premierenflug eines Airbus A 380 mit auf Erdgas basierendem Kerosin (Gas to Liquids/GtL) von Filton (Großbritannien) nach Toulouse (Frankreich) am 1. Februar 2008.

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