Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... ·...

52
Erwachsenenbildung: Wichtiger denn je! Besser dotieren: Eine nachhaltige Investition Seite 1 Erwachsenenbildung: Wichtiger denn je! Besser dotieren: Eine nachhaltige Investition Seite 1 Schwerpunkt 69. Jahrgang · Nr. 264 · Frühjahr/Sommer 2018 Die Österreichische Volkshochschule Magazin für Erwachsenenbildung Begegnung und Austausch fördern Volkshochschule der burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft Seite 27 Zusammenhalt Zusammenleben

Transcript of Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... ·...

Page 1: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Erwachsenenbildung: Wichtiger denn je!Besser dotieren: Eine nachhaltige Investition

Seite 1

Erwachsenenbildung: Wichtiger denn je!Besser dotieren: Eine nachhaltige Investition

Seite 1

Schwerpunkt

69. Jahrgang · Nr. 264 · Frühjahr/Sommer 2018

Die ÖsterreichischeVolkshochschule Magazin für Erwachsenenbildung

Begegnung und Austausch fördernVolkshochschule der

burgenländischen Roma

Seite 22

Die Kunst des guten ZusammenlebensAkademie der Zivilgesellschaft

Seite 27

ZusammenhaltZusammenleben

Page 2: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Inhalt

Editorial 1 Gerhard Bisovsky: Erwachsenenbildung: Wichtiger denn je, aber nach wie vor chronisch unterdotiert!

Medienpreise 2 VÖV-Wissenschaftspreise vergeben

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben 5 Gerhard Bisovsky: Gutes Zusammenleben und sozialer Zusammenhalt – die Herausforderung der Gegenwart 8 Bernhard Riederer: Die Herausforderung des sozialen Zusammenhalts: Zu den langfristigen Folgen der Flüchtlingskrise 2015 für Europa. 11 Anne Tastula: Polarisierung ist das Gegenteil von sozialer Inklusion. Interview mit Bart Brandsma 13 Iris Ratzenböck-Höllerl: Zusammenleben aktiv gestalten 16 Julia Panholzer, Iris Ratzenböck-Höllerl: Integrationsaktivitäten der Volkshochschule Oberösterreich 20 Benjamin Hell und Tonia Waldner: Die Kärntner Volkshochschulen – Lobbying für den sozialen Zusammenhalt 22 Horst Horvath/Peter Liszt: Flogoskeri utschi ischkola le burgendlanditike romdenar Die Volkshochschule der burgenländischen Roma 27 Brigitte Pabst: Die Kunst des guten Zusammenlebens 30 Sabine Aschauer-Smolik: Interreligiöser Stammtisch: Dialog auf Augenhöhe 31 Stefanie Miksanek: Lehrgang „Persönliche Zukunftsplanung in der VHS Hietzing“

Bildungsthemen 33 Petra Steiner: Lifelong Learning and Adult Education Professionals. Eine globale Begegnung bei der ASEM-Conference 2018 35 Sarah Aldrian, Karin Fließer, Rudolf Egger, Martin Bauer: Lernen vor Ort. Unterstützende Lernnetzwerke für Menschen in peripheren Regionen

Aus den Volkshochschulen 38 Leo Faltus: Großes Kino: LeiterInnentagung 2018 an der VHS Krems 39 VHS-MännerKarte: Bildungspass für Männer 40 Melanie Fetz: Jodelkurs – seit zehn Jahren ein Erfolg

Personalia 42 Michael Ludwig zum Bürgermeister von Wien gewählt 43 Ulrike Königsberger-Ludwig zur Landesrätin ernannt 43 Karl Bader, Mitglied des Bundesratesk

Rezensionen 44 Robert Streibel (Hrsg.): Das Vermächtnis der Eugenie. Gesammelte Feuilletons von Eugenie Schwarzwald 1908–1938. 45 Beate Hörr/ Wolfgang Jütte (Hrsg.): Weiterbildung an Hochschulen. Der Beitrag der DGWF zur Förderung wissenschaftlicher Weiterbildung 46 Johannes Wahl: Lebenslanges Lernen zwischen Bildungspolitik und pädagogischer Praxis. Die Verankerung in pädagogischen Arbeitsfelder. 47 Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne

AutorInnen 48 Für diese Ausgabe der Österreichischen Volkshochschule haben geschrieben Impressum

Page 3: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Editorial

gerhard bisovsky

Erwachsenenbildung: Wichtiger denn je, aber nach wie vor chronisch unterdotiert!

Für die Erwachsenenbildung gibt es genug zu tun: Verbesserung der Grundkompetenzen (Grundbildung), Förderung von Maßnah-men zur Integration, zum Zusammenleben und sozialen Zusammenhalt, zur demokra-tiepolitischen Bildung und Medienkompe-tenz (Stichwort: „fake news“) sowie zur Di-gitalisierung – das sind die Themen, die die Bildungssysteme, die Arbeitsmärkte und die Gesellschaft noch einige Zeit beschäftigen werden. Die Institutionen der Erwachse-nenbildung und die Volkshochschulen als größte Einrichtung der österreichischen Er-wachsenenbildung stehen für Kontinuität, Gleichberechtigung und für ein breites An-gebot zu leistbaren Gebühren. Und wir bie-ten nicht nur das an, was marktgängig und profitabel und für den Einzelnen wichtig ist, sondern auch Nützliches und Wichtiges für die Gesellschaft, für das Zusammenleben und für die Demokratieentwicklung.

GEMISCHTE FINANZIERUNG DER ERWACHSENENBILDUNG

Die Erwachsenenbildung ist längst zu einer wichtigen und nicht mehr wegzuden-kenden Säule im Bildungswesen geworden. Sie reagiert rasch und flexibel auf neue He-rausforderungen. Die Finanzierung setzt sich aus Beiträgen von TeilnehmerInnen und aus Beiträgen der Gebietskörper-schaften zusammen. Bei den Volkshoch-schulen kommen 42,5 Prozent von den TeilnehmerInnen, rund 16 Prozent aus Drittmitteln (Projekte), 1,9 Prozent machen die Leistungsvereinbarungen des Bundes aus, zwei Prozent kommen von den Län-dern, knapp 30 Prozent von den Gemein-den (inkl. Wien), 1,3 Prozent von den Sozi-alpartnern sowie 6,7 Prozent sind sonstige Einnahmen.1

LEISTUNGSVEREINBARUNGEN DES BUNDES VALORISIEREN

Der Bund unterstützt die Erwachsenen-bildung ergänzend zu den anderen Gebiets-körperschaften. Mit den gemeinnützigen Bundesverbänden der Erwachsenenbildung werden Leistungsvereinbarungen abge-

schlossen, wodurch Planungssicherheit und Kontinuität gewährleistet wird. Angesichts der bereits erwähnten Aufgaben für die Er-wachsenenbildung ist eine substanzielle Erhöhung der Leistungsvereinbarungen 2019–2021 keine unrealistische Forderung, sondern würde die seit 2012 gleich geblie-benen Mittel und die steigenden Personal-kosten kompensieren. Mit einer Erhöhung der Leistungsvereinbarungen kann die ge-meinnützige Erwachsenenbildung ihren ge-sellschaftspolitischen Aufgabenstellungen besser nachkommen als bisher. Mittelfristig gesehen ist der Anteil der Förderungen für Erwachsenenbildung, die derzeit – gemes-sen am Bildungsbudget – bei 0,5 Prozent liegen, auf 1 Prozent anzuheben, wenn man auch die Herausforderungen der Digitalisie-rung ernst nimmt.

ERWACHSENENBILDUNG BRAUCHT KLARE ZUSTÄNDIGKEITEN

Das lebensbegleitende Lernen soll in der Bundesverfassung verankert werden, jedem Menschen soll das Recht auf Bildung, auf Zugang zu Schule, Hochschule und Erwach-senenbildung verfassungsmäßig garantiert werden. Die Erwachsenenbildung ist im Sinne eines lebensbegleitenden und berufs-begleitenden Lernens eine gleichwertige Säule im Bildungssystem und braucht daher auch die Bundeskompetenz zur Sicherstel-lung der Rahmenbedingungen. Bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen sind notwendig für: Transparenz, Qualität, An-erkennung und Professionalisierung. Diese Positionen wurden im Jahre 2005 von der Konferenz der Erwachsenenbildungsbil-dung Österreichs gemeinsam mit den Län-der-Arbeitsgemeinschaften erarbeitet und von der Konferenz der Landeskulturreferen-tInnen unterstützt.

EUROPÄISCHE UNION: NICHT AUF DIE ERWACHSENENBILDUNG VERGESSEN!

Nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission sollen die Mittel für Erasmus+ verdoppelt werden.2 Für die Erwachsenen-bildung sind allerdings geringere Mittel als bisher vorgesehen, berichtet der Europä-ische Verband für Erwachsenenbildung.3 Dies mutet umso seltsamer an, als seitens der Kommission beabsichtigt ist, die Wir-kungen der Programme auf die Erwachse-nenbildung zu verbessern und europaweit die Teilnahmen am Erwachsenenlernen zu erhöhen. Eine Steigerung der Mittel für Erwachsenenbildung ist unbedingt vorzu-sehen, auch, um sich den ambitionierten Zielen der Europäischen Kommission zur Teilnahme an Erwachsenenbildung zu nä-hern. Im österreichischen Zwischenbericht zu Erasmus+ vom Juni 2017 wird eine An-hebung der Mittel für Erwachsenenbildung sowohl national wie auch auf europäischer Ebene gefordert.4

Die nächste Ausgabe des Magazins „Die Österreichische Volkshochschule“ erscheint im Herbst 2018. Im Schwerpunkt wird das Thema „Volkshochschule und Jugend“ behandelt. Beiträge senden Sie bitte bis Mitte September an: [email protected]

1 Daten aus 2016

2 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung von Erasmus, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52018PC0367&from=EN [27.6.2018].

3 Vgl. https://eaea.org/2018/06/18/happened-plus-erasmus/

4 Vgl. https://www.bmbwf.gv.at/fileadmin/user_upload/Bologna/170704_Bericht_Erasmus_A4_BF_final.pdf

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 03-2017 · NR. 263 — 1

Page 4: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Medienpreise

VÖV-Wissenschaftspreise vergebenAm 5. April 2018 wurden auf Einladung des Präsidenten des Nationalrates, Mag. Wolfgang Sobotka, im Palais Epstein in Wien zum 16. Mal die Wissenschaftspreise des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen vergeben. Überreicht wurden die Preise von Parlamentspräsident Sobotka, VÖV-Präsident Dr. Heinz Fischer und vom VÖV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Michael Ludwig.

Gerhard Bisovsky

2 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Die Ludo-Hartmann-Preise1 werden für herausragende Arbeiten im Interesse der österreichischen Volkshoch-schulen verliehen, der zum zweiten Mal vergebene Bar-bara-Prammer-Preis steht für hervorragende Arbeiten und realisierte Initiativen im Bereich der bürgerschaftli-chen Bildung und würdigt die viel zu früh verstorbene Nationalratspräsidentin und VÖV-Präsidentin Barbara Prammer.2 Den Anstoß für die Ludo-Hartmann-Preise gab der frühere Präsident des Verbandes Österreichi-scher Volkshochschulen, Dr. Dr. Viktor Heller, der in seinem Hauptberuf Präsident des Verwaltungsgerichts-hofes war.

Mitglieder der Jury waren: Dr. Hans Angerer, Eh-renvorsitzender der Volkshochschule Krems und lang-

jähriges Mitglied des Pädagogischen Ausschusses des Bundesverbandes, Mag.a Beate Gfrerer, Pädagogische Referentin des Verbandes Österreichischer Volks-hochschulen und Geschäftsführerin der VHS Kärnten, Univ.-Prof.in Dr.in Elke Gruber von der Karl-Franzens-Universität Graz als Vertreterin der universitären Er-wachsenenbildungswissenschaft, Mag. Günter Kotrba, Finanzreferent des Verbandes Österreichischer Volks-hochschulen und Direktor der Volkshochschule Salz-burg sowie zusätzlich für den Barbara-Prammer-Preis Mag.a Gertraud Diendorfer, Leiterin des Demokratiezen-trum Wien.

LUDO-HARTMANN-FÖRDERUNGSPREIS AN: MAG.A JULIA LEENA RÜHRLINGER

Für ihr im deutschen AkademikerVerlag erschiene-nes Buch „Von Menschen, die ihre Leselust entdecken. Eine Aktionsforschung zu Empowerment in der lerne-rInnenzentrierten Basisbildung“ wurde der Mitarbeite-rin der Volkshochschule Floridsdorf in Wien der Preis im Wert von 1.000 Euro verliehen.

Forschungsgegenstand von Julia Leena Rührlinger sind die Basisbildungskurse an der VHS Floridsdorf. Diese Volkshochschule hat Pionierarbeit in der österrei-chischen Erwachsenenbildung geleistet, indem sie diese Form der Basisbildung bereits im Jahre 1990 umgesetzt hat, gefördert aus Mitteln der Stadt Wien und des Bun-desministeriums für Bildung. Die konkreten Lerninhal-te der Kurse werden an die individuellen Bedürfnisse, Möglichkeiten, Lebensbezüge und Lernressourcen der TeilnehmerInnen angepasst, also um die Lernenden he-rum zentriert.

Die Umsetzung der Bildungsziele erfolgt im Rahmen der „Initiative Erwachsenenbildung“, die gemeinsam vom Bund und von allen österreichischen Bundeslän-dern umgesetzt wird.

Rührlinger ist an der Volkshochschule Trainerin für Basisbildung und begründet die Verwendung der Me-

1 Der 1865 geborene und 1924 verstorbene Historiker Ludo Moritz Hartmann habilitierte sich mit 24 Jahren an der Wiener Universität, an der er erst nach dem Ersten Weltkrieg, wenige Jahre vor seinem Ableben, eine Professur erhielt. Darüber hinaus war Hartmann unter anderem auch Mitglied des Bundesrates (bis Dezember 1920), Abgeordneter der konstituierenden Nationalversammlung des Nationalrats (März 1919 bis November 1920), Mitglied des Staats- und Verfassungsausschusses der Weimarer Nationalversammlung sowie erster österreichischer Gesandter in Berlin Auf Anregung von Hartmann wurden 1890 erstmals einzelne Vorträge zu „Unterrichtscursen“ zusammengefasst. Hartmann war maßgeblich an der Gründung der „Volkstümlichen Universitätsvorträge“ beteiligt, die im Jahre 1895 erfolgte. Im Frauenbildungsverein Athenäum, der 1900 gegründet wurde, war Hartmann stellvertretender Obmann. Schließlich erfolgte die Gründung der Volkshochschule Volksheim Ottakring in Wien 1901 auf Initiative von Ludo Moritz Hartmann und des Philosophen Emil Reich. Das Volksheim Ottakring erhielt 1905 das erste Abend-Volkshochschulgebäude Europas. Grundlegend und kennzeichnend war die wissenschaftliche Bildungsarbeit mit und für Laien in „Fachgruppen“, die in den 1920er-Jahren einen international vielbeachteten Höhepunkt erreicht hat.

2 Barbara Prammer (1954–2014) studierte nach dem Besuch der Handelsakademie Soziologie an der Universität Linz und schloss ihr Studium mit dem akademischen Grad Magistra der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ab. Anschließend war sie als Sozial- und Berufspädagogin und beim Arbeitsmarktservice Oberösterreich als Frauenreferentin sowie in der Landespolitik tätig. Nach ihrer Tätigkeit in der oberösterreichischen Landespolitik wurde sie im Februar 1997 Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz. In den drei Jahren als Ministerin konnte Barbara Prammer wichtige Erfolge in familienpolitischen Gleichstellungsanliegen erreichen, insbesondere 1999 mit der Verankerung der „vollen Ausgewogenheit der Beiträge“ bei der Führung des gemeinsamen Haushaltes in der Ehe im Familien- und Eherecht. Am 16. Juni 2004 wurde Prammer vom österreichischen Nationalrat zur Vizepräsidentin gewählt und 2006 als erste Frau zur österreichischen Nationalratspräsidentin. Sie hat sich im Nationalrat besonders für die Stärkung der Minderheitenrechte eingesetzt. Die Öffnung des Parlaments war ihr ein wichtiges Anliegen und mit der von ihr initiierten „Demokratiewerkstatt“ wurden mehrere tausend Schülerinnen und Schüler sowie Jugendliche für Demokratie sensibilisiert. Barbara Prammer ist auch Autorin mehrerer Publikationen, 2013 erschien von ihr „Wir sind Demokratie“. Als VÖV-Präsidentin setzte sie sich besonders für Grundbildung und für demokratiepolitische Bildung ein.

Page 5: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Medienpreise

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 3

thode der Aktionsforschung als eine „sich reflektierende Praxis“, die den persönlichen Zugang sehr bewusst nützt.

Ihre Analyse basiert auf der Auswertung von Daten und Fragebögen, auf Gesprächsprotokollen im Vorfeld, auf Unterrichtsbeobachtungen sowie auf Interviews mit TeilnehmerInnen und mit ExpertInnen an der Volkshochschule. Die Ergebnisse der Aktionsforschung von Rührlinger bestätigen die Intentionen und Ziele des Programmbereiches Basisbildung in der „Initiati-ve Erwachsenenbildung“. Neben der Verbesserung der grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen sowie im Umgang mit Computer und Internet sind Selbstermächtigung oder Empowerment von großer Bedeutung wie auch die Motivation zum Weiterlernen.

Ein wichtiger Hinweis aus den TeilnehmerInnen-In-terviews soll allerdings nicht verschwiegen werden: Es ist für Betroffene nach wie vor nicht leicht, Basisbildungs-kurse zu finden. Hier besteht zweifelsohne noch großer Handlungsbedarf im Hinblick auf Sensibilisierung, Ent-tabuisierung und Öffentlichkeitsarbeit.

Julia Leena Rührlinger ist eine forschende Praktikerin – mit solchen Forschungsarbeiten und mit der Reflexion der eigenen Praxis wird ein guter Grundstein für Innova-tion und Veränderung der Bildungspraxis gelegt.

Julia Leena Rührlinger, ist – mit Karenzunterbre-chung – seit 2009 Basisbildungstrainerin an der Wiener Volkshochschule Floridsdorf. Frau Rührlinger studierte an der Universität Wien Internationale Entwicklung. Sie ist zertifizierte Erwachsenenbildnerin der Weiterbil-dungsakademie Österreich. Berufsbegleitend bildete sie sich weiter im Lehrgang Deutsch als Fremd-/Zweitspra-che am Institut für Germanistik der Universität Wien sowie im Lehrgang „Alphabetisierung und Deutsch mit MigrantInnen“ der Wiener Volkshochschulen. Ihre Inter-essensgebiete sind qualitative Forschung, Empowerment in der Basisbildung und das Thema Mehrsprachigkeit.

LUDO HARTMANN PREIS AN MAG. DR. THOMAS DOSTAL

In seiner Dissertation „Bildung zu ‚Volkstum und Hei-mat‘ in der österreichischen Zwischenkriegszeit in Öster-reich“, die am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien abgenommen wurde, setzt sich Thomas Dostal mit einem Bereich in der österreichischen Erwachsenenbil-dung auseinander, der von der Erwachsenenbildungs-forschung bislang nur wenig Beachtung erfahren hat. „Aus heutiger Sicht“, so schreibt der Autor, „scheint es ungewöhnlich, dass es während der Zwischenkriegszeit – mit einem Nachwirken bis in die ersten Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – eine ‚Neue Richtung‘ in der österreichischen Volksbildung gab, die mit pädagogischen Vermittlungspraktiken wie Volkslied und Volkstanz, Laienspiel und Brauchtumspflege sowie mit der Förderung einer bäuerlich geprägten Volkskultur ihr bildungs- und identitätspolitisches Ziel einer ideellen und emotionalen Herausbildung und Bewahrung von ‚Volkstum und Heimat‘ zu erreichen bestrebt war“.

Der Fokus der historiographischen Erwachsenen-bildungsforschung lag in Österreich zumeist auf der urbanen, der bürgerlich-liberalen und wissenschafts-orientierten Volksbildungsbewegung, wie sie durch die „Wiener Richtung“ verkörpert wurde.

Wenn wir die Formation und Etablierung der Volks-bildung auf dem Gebiet des heutigen Österreich von den 1870er-Jahren an bis in die 1930er-Jahre betrachten, dann können wir drei Linien bzw. Richtungen feststellen:• Die Arbeiterbildung, die in den Arbeiterbildungsver-

einen ab den 1860er-Jahren ihre Ausprägung gefun-den hat;

• die bürgerlich-liberale Volksbildung mit ihrer welt-anschaulich neutralen Position, die sich im Zuge der Universitätsausdehnungsbewegung in Wien, Inns-bruck, Graz und anderen Universitätsstädten heraus-

Gruppenbild der Preisträger/innenFoto: Michaela Obermair

Page 6: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Medienpreise

4 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 03-2017 · NR. 263

gebildet hat und schließlich• die katholisch-konservative Volksbildung, die sich in

den 1920er-Jahren als eine „neue“ und „ganzheitlich“ verstandene Volksbildung in Abgrenzung zur über-wiegend wissenschaftsorientierten Volksbildung ent-wickelt hat.

Die Unterschiede insbesondere zwischen der bürgerlich-liberalen und der katholisch-konservativen Volksbildung waren nicht nur weltanschauliche und ideologische, son-dern auch pädagogischer Natur. Während die vernunft- und verstandesorientierte Volksbildung davon ausging, dass das Kulturgut selber bilde und dieses daher im Volk möglichst umfassend verbreitet werden sollte, man denke hier nur an die Volksbüchereien, die Volkshochschulen und die Zugänge zum Radio, setzte bald eine Gegenbe-wegung ein, die stärker das „Ästhetische“ betonte. Thea-ter- und Musikaufführungen und verschiedene künstle-rische Veranstaltungen wurden zu einem eigenständigen pädagogischen Zugang, der schließlich in der Volksbil-dung, auch in der bürgerlich-liberalen, Eingang fand.

Den Gegensatz zwischen der sogenannten Alten Richtung und der Neuen Richtung beschreibt Dostal unter Bezugnahme auf die jeweiligen Protagonisten: Ei-nerseits ging es um die „Sanierung der Gehirne“ und an-dererseits, der Formulierung des Bundeskanzlers Ignaz Seipel folgend, um die „Sanierung der Seelen“.

Was allerdings nicht vergessen werden sollte: Bei manchen Volksbildnern wurde die seelische Volksbil-dung wichtiger erachtet als die verstandesmäßige.

Die Dissertation von Thomas Dostal ist sehr dicht und kompakt geschrieben. Sie besticht durch eine Fül-le an Fakten, die auf eine sehr intensive Archivarbeit zurückzuführen ist. Dabei wurden sowohl Bestände des Staatsarchivs bearbeitet wie auch das umfangreiche Urania-Archiv, das sich im Österreichischen Volkshoch-schularchiv befindet.

Dieser Arbeit von Thomas Dostal ist jedenfalls zu wünschen, dass sie von möglichst vielen Akteuren in der österreichischen Erwachsenenbildung und darüber hinaus gelesen wird. Sie bildet nämlich eine gute und fundierte Grundlage für das Verständnis einer institutio-nalisierten Erwachsenenbildungslandschaft, wie sie sich in der Zweiten Republik entwickelt hat.

Dr. Thomas Dostal studierte Geschichte und Politik-wissenschaft an der Universität Wien, arbeitete anschlie-ßend im Ausstellungswesen und in der Organisation zeitgeschichtlicher Symposien, im Bereich der Medien-dokumentation und im Verlagswesen. Thomas Dostal war wissenschaftlicher Projektmitarbeiter im Archiv der Stadt Linz und im Oberösterreichischen Landes-archiv. Er führte historiografische Forschungsprojekte für den Verband Oberösterreichischer und Niederös-terreichischer Volkshochschulen sowie für den Ver-band Wiener Volksbildung durch. Dostal arbeitete am Internet-Projekt und der Open-Data-Plattform „Know-ledgebase Erwachsenenbildung“ mit, die vom Verband Österreichischer Volkshochschulen gemeinsam mit dem Volkshochschularchiv umgesetzt wird. Thomas Dostal ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Österreichischen Volkshochschularchivs.

Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutschnationa-lismus, Geschichte der Ersten Republik, Nationalsozia-lismus in der Provinz, Geschichte der Erwachsenenbil-dung und Wissenschaftspopularisierung.

Den Ludo-Hartmann-Förderungspreis hat er 2005 erhalten, den Anerkennungspreis für Erwachsenenbil-dung der Wissenschaftspreise des Landes Niederöster-reich 2007 und den Theodor Körner Preis 2010.

BARBARA-PRAMMER-PREIS AN DAS PROJEKT „WAHLBEOBACHTUNG.ORG“

Mag. Paul Grohma, Mag. Michael Lidauer, Mag.a Iris O’Rourke, BA und Dr. Armin Rabitsch sind das Team dieser zivilgesellschaftlichen Arbeitsgemeinschaft ös-terreichischer Wahlbeobachter und -experten mit inter-nationaler Wahlerfahrung. Die Arbeitsgemeinschaft ist unabhängig und verfolgt das Ziel, zur Verbesserung der österreichischen Wahlprozesse und des Wahlsystems beizutragen. Das Team von wahlbeobachtung.org bringt Erfahrungen aus internationalen Wahlbeobachtungs-missionen und Wahlassistenzeinsätzen in mehr als 50 Ländern ein.

Die wichtigsten Punkte von wahlbeobachtung.org sind: • Umfassende Wahlreformen sollten unter Einbindung

der Zivilgesellschaft umgesetzt werden;• Vereinfachung der Wahlprozesse und des Wahl-

rechts;• verbesserte Bürgerbeteiligung und erhöhte Transpa-

renz der Wahlprozesse;• Öffnung des Wahlbeisitzes für interessierte Personen

abseits von Parteizugehörigkeit bei gleichzeitiger Aufwertung durch entsprechendes Training und an-gemessener, einheitlicher Entlohnung.

• Schaffung eines rechtlichen Rahmens für nationale Wahlbeobachter zur Einbindung der Zivilgesellschaft in die Weiterentwicklung der Wahlpraxis.

Wahlbeobachtung.org untersucht seit dem Jahr 2013 österreichische Wahlprozesse. Zahlreiche Gespräche wurden mit Vertretern aller Parlamentsparteien, Verfas-sungsexperten, Vertretern der Bundeswahlbehörde und anderen staatlichen Institutionen wie dem Verfassungs-dienst des Bundeskanzleramts oder dem Rechnungshof sowie mit mehreren zivilgesellschaftlichen Organisa-tionen geführt. Das Team von wahlbeobachtung.org analysierte die Wahlgesetzgebung und beobachtete die Wahlpraxis.

Im Januar 2017 wurde ein Vorschlagskatalog für Wahlreformen publiziert, der Reformbedarfe in der ös-terreichischen Wahlgesetzgebung und Wahlpraxis iden-tifiziert sowie Empfehlungen zu deren Verbesserung ausspricht.

Mit diesem Vorschlagskatalog will wahlbeobachtung.org daran mitwirken, das Vertrauen in die österreichi-schen Wahlprozesse und deren Integrität zu stärken und Wahlrechtsreformen als Chance für einen inklusiven und partizipativen Wahlreformprozess zu verstehen.

Wahlbeobachtung.org besteht aus einem Team von Kultur- und Sozialanthropologen, einer Juristin und ei-nem Politologen. //

Page 7: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 5

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Gutes Zusammenleben und sozialer Zusammenhalt – die Herausforderung der Gegenwart„Learning to live together“ ist eine der vier Säulen des lebensbegleitenden Lernens, die im Delors-Bericht der UNESCO beschrieben wurden (Delors et al 1996). Die anderen Säulen sind learning to know, learning to do und learning to be.

Learning to know beinhaltet eine breite Allgemeinbildung, Fertigkeiten für das alltägliche Leben wie etwa die Kulturtechniken aber auch die Lernfähigkeit und kritisches Denken. Learning to do umfasst berufliche Bildung, IT und praktische Fertigkeiten aber auch Kompetenzen, die in neuen und unvorhersehbaren Situationen verwendet werden können. Learning to be bezieht sich auf die persönliche Entwicklung der Menschen, auf ihre Unabhängigkeit aber auch auf ihre Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber.

Learning to live together bezieht sich auf soziale Kohäsion und beinhaltet unter anderem Kooperation, soziale Fertigkeiten, interkulturelles und intergenerationelles Verständnis.

Schwerpunkt

Gerhard Bisovsky

SOZIALE KOHÄSION IST SICHERUNG DES WOHLERGEHENS ALLER

Soziale Kohäsion definiert der Europarat als die „Fä-higkeit einer Gesellschaft, das Wohlergehen all ihrer Mitglieder zu sichern“. Ungleichheiten sollen minimiert werden und Marginalisierung vermieden werden und Mittel zur Erreichung des Wohlergehens aller sind zu gewährleisten (Europarat 2010, S. 2).

Soziale Kohäsion ist ein wichtiger stabilisierender Faktor, denn „Gesellschaften, in denen es Spaltung und Ungleichheit gibt, sind nicht nur ungerecht, sie können auf lange Sicht auch keine Stabilität garantieren“ (Ebd.).

Die Strategie des Europarates für soziale Kohäsion ruht auf vier Säulen• Reinvestition in soziale Rechte und eine kohäsive Ge-

sellschaft;• Schaffen eines Europas gemeinsamer und sozialer

Verantwortung• Stärkung von Repräsentation und der demokrati-

schen Entscheidungsprozesse sowie den Ausbau des sozialen Dialogs und des zivilgesellschaftlichen En-gagements;

• Aufbau einer gesicherten Zukunft für alle. (Ebd.)

Wohlergehen hat sehr viel mit dem Individuum zu tun, es hat aber auch damit zu tun, in welchem Verhältnis das Individuum zu seinen Mitmenschen steht, über welche sozialen Kontakte die Menschen verfügen. Trauen sie ihren Mitmenschen oder sind sie generell misstrauisch. Weiters wäre die gesellschaftliche Stellung zu nennen. Ist das in Ordnung, dass ich mich hier befinde und an-dere sich dort befinden. Wie kommt das überhaupt zu-stande, dass die einen unten sind und die anderen oben? Schließlich geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen.

WIE SIEHT ES MIT DEM SOZIALEN ZUSAMMENHALT IN ÖSTERREICH AUS?

Dazu gibt der „Radar gesellschaftlicher Zusammen-halt“ Auskunft, der im Auftrag der Bertelsmann Stiftung unter der Leitung eines Forscherteams der Jacobs Uni-versity Bremen ab 1989 den Zusammenhalt in 34 westli-chen Staaten untersucht. Dabei werden Indikatoren aus international vergleichenden Befragungsstudien ver-wendet und andere, nicht näher definierte, wissenschaft-liche Daten (Bertelsmann o.J., S. 3)

Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird in einem Gesamtindex erfasst, der aus drei Bereichen besteht (soziale Beziehungen, Verbundenheit mit dem Gemein-wesen und Gemeinwohlorientierung), die in neun Di-mensionen erfasst werden: Soziale Netze, Vertrauen in Mitmenschen, Akteptanz von Diversität, Identifikation, Vertrauen in Institutionen, Gerechtigkeitsempfinden, Solidarität und Hilfsbereitschaft, Anerkennung sozialer Regeln und gesellschaftliche Teilhabe.

Eine besondere Stärke Österreichs liegt darin, dass soziale Regeln anerkannt werden. Österreich war auch lange Zeit in der Spitzengruppe bei der Solidarität und Hilfsbereitschaft der Bürger, hier sind wir allerdings zu-rückgefallen. Die soziale Vernetzung und die Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben haben sich positiv entwickelt. Der Umgang mit Diversität ist ein Schwachpunkt in Österreich, hier hat sich unser Land in die Schlussgruppe bewegt und im letzten Erhebungs-zeitraum in das untere Mittelfeld entwickelt. Hier geht es darum, wie Minderheiten und ihre Lebensstile toleriert werden, zum Beispiel von MIgrantInnen oder Homose-xuellen (ebd., S. 4).

Der Ländervergleich zeigt, dass ein hoher Anteil von MigrantInnen kein Hindernis für sozialen Zusammen-halt ist, hingegen belastet die fehlende Akzeptanz von Vielfalt das Zusammenleben.

Page 8: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

6 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Quelle: Bertelsmann Stiftung http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/wp-content/uploads/2014/01/IBIB_Gesell-schaftlicher_Zusammenhalt_Oesterreich.pdf

Dem Thema “Wir und die anderen” widmet sich die aktu-elle Arena Analyse, die seit 2006 jedes Jahr von Kovar & Partners durchgeführt wurde, 2018 in Zusammenarbeit mit der Tageszeitung “Der Standard” und mit der Öster-reich-Ausgabe von “Die Zeit”. 51 ExpertInnen wurden zum Thema “gesellschaftlicher Zusammenhalt” um Ant-worten zu offen gestellten Fragen ersucht. Die Befragten kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen, damit wird eine Vielfalt sichergestellt. Die Antworten werden erfasst und geclustert, um Muster offen zu legen. In wei-terer Folge wird die Auswertung in Form eines Berichtes gemacht. (Osztovics et al 2018)

Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wird schwächer, so lautet der globale Befund der Arena Analy-se. Dazu werden mehrere Themen bzw. Entwicklungen genannt, wie die Desintegration der EU, der Zerfall von Nationalstaaten mit separatistischen Regionen, Konflik-te zwischen Stadt und Land oder Peripherie und Zent-rum, eine wachsende Verständnislosigkeit zwischen Gruppen mit ethnisch oder kulturell unterschiedlichem Hintergrund. Ein starker Treiber ist die Digitalisierung, die die die Gefahr weiterer Spaltungen und Ungleichhei-ten bewirken kann.

Zusammenhalt müssen wir jedenfalls versuchen, lautet die Schlussfolgerung der ExpertInnen, den die

menschliche Gemeinschaft kann ohne Kohäsion nicht funktionieren. Wichtig sind dabei einerseits Bildung und andererseits die Arbeit der Zivilgesellschaft, den diese bringt die Menschen in der wirklichen Welt zusam-men. Bildung verbessert nicht nur Qualifikationen, son-dern sie schafft auch Perspektiven.

ERWACHSENENBILDUNG WIRKT FÜR EIN BESSERES ZUSAMMENLEBEN

Die in zehn europäischen Ländern durchgeführt BeLL-Studie zu den „Benefits of Lifelong Learning“ hat interessante Ergebnisse zu den Wirkungen von allge-meiner Erwachsenenbildung, wie sie beispielsweise in Volkshochschulen umgesetzt wird, erbracht (Manni-nen et al. 2014). Mehr als 8.000 Menschen haben in Fra-gebogen bekannt gegeben, welche Veränderungen der Kursbesuch bei Ihnen gebracht hat, anhand von rund 4.500 Fragebögen wurden die offen gestellten Fragen qualitativ ausgewertet und 82 Personen haben persön-lich vertiefende Interviews gegeben.

Zwischen 70 und 87 Prozent haben von positiven Veränderungen durch den Kursbesuch bei der Lern-motivation, bei sozialen Kontakten, beim allgemeinen Wohlergehen und ihrer Lebenszufriedenheit berichtet, 31 bis 42 Prozent haben gemeint, dass es Veränderun-

Page 9: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 7

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

gen in ihrer Arbeit bzw. in der beruflichen Karriere ge-geben hat und beim staatsbürgerlichen Engagement.

Besonders interessant ist, dass alle Gruppen von allgemeiner Erwachsenenbildung profitieren und dass alle Typen von Kursen Änderungen in der Selbstein-schätzung und in den Einstellungen ihrer Kursteil-nehmerInnen zur Folge haben. Für die jüngeren Teil-nehmerInnen fungiert die Erwachsenenbildung als Sprungbrett in die Gesellschaft, indem beispielsweise ihr Bewusstsein, das eigene Leben im Griff zu haben, verbessert wird. Bei älteren Menschen federt der Kurs-besuch Übergänge etwa in die Pension, den Verlust von Freunden usw. ab.

Je niedriger das Niveau der Erstausbildung bei den KursteilnehmerInnen ist, umso höher fallen die Ver-änderungen durch den Kursbesuch aus. Benachteiligte Personengruppen profitieren am meisten vom Kursbe-such.

Kursbesuch hat positive Auswirkungen auf das per-sönliche Wohlergehen und auf die eigene Gesundheit. KursteilnehmerInnen stellen einen Zusammenhang zu ihrem eigenen Glücksgefühl her. Zufriedenheit und Wohlbefinden der Menschen sind gerade für das Zu-sammenleben wichtig.

KursbesucherInnen berichten von einer höheren Lernmotivation. Die Freude am Lernen zeigt sich auch darin, dass TeilnehmerInnen das Lernen in der Erwach-senenbildung als sehr positiv bestimmt beschreiben. Und sie tun es gerne. Einmal damit begonnen, können die Menschen nicht genug davon bekommen. Gerade das wird ja heute verlangt: selbsttätiges und ständiges Weiterlernen.

Die KursteilnehmerInnen sprechen von einem ver-besserten Umgang mit neuen Herausforderungen, mit Stress, aber auch mit persönlichen Schwierigkeiten oder Krankheiten. Das hängt wahrscheinlich auch damit zu-sammen, dass das Lernen in der Erwachsenenbildung überwiegend ein Lernen in der Gruppe ist und hier fin-det ein Prozess in mehrere Richtungen statt: Die Grup-pe stützt das Individuum und der/die einzelne leistet einen Beitrag für die anderen, für die Gruppe.

Über ein Mehr an Toleranz sprechen die Lernenden in der Erwachsenenbildung. Toleranz bildet sich aus den Erfahrungen des Umgangs miteinander, der sozia-len Interaktion in gemischten Gruppen heraus. Gerade diese heterogenen Gruppen haben wir in Volkshoch-schulen. In ihnen geschieht vielfach auch das, was wir als „Probehandeln“ bezeichnen, hier werden Interak-tionen ausprobiert, hier kommt Feedback von den an-deren KursteilnehmerInnen und Handlungen werden korrigiert oder verändert.

Erwachsenenbildung hat Wirkung und Effekte auf den einzelnen Menschen, über diese wirkt sie auch auf die Gemeinschaft, trägt zur Verbesserung des sozialen Zusammenhalts bei und durchaus auch auf die Bereit-schaft des Einzelnen sich für die Gesellschaft zu enga-gieren. Erwachsenenbildung trägt so zur persönlichen Weiterentwicklung, zur Verbesserung der Chancen der Menschen im Alltag und im Beruf, aber auch in der Bil-dung und in der Gesellschaft bei.

WAS LEISTEN DIE ÖSTERREICHISCHEN VOLKSHOCHSCHULEN FÜR EINEN BESSEREN SOZIALEN ZUSAMMENHALT?

Die Beiträge in dieser Ausgabe der ÖVH (Die Ös-terreichische Volkshochschule) sind exemplarische, die weitestgehend für die gesamte österreichische VHS-Landschaft gelten. Zahlreiche Vorträge zum The-ma Zusammenleben und Zusammenhalt finden Jahr für Jahr in den Volkshochschulen statt. Bundesweite bildungspolitische Maßnahmen wie die „Initiative Er-wachsenenbildung“ mit ihren beiden Programmberei-chen Basisbildung und Pflichtschulabschluss werden Österreich-weit von den Volkshochschulen umgesetzt und tragen wesentlich zu einem verbesserten sozialen Zusammenhalt bei. In dieser Ausgabe der ÖVH haben wir einige Beispiele aus den Volkshochschulen zusam-mengestellt, die für das breite Spektrum an Bildungs-aktivitäten stehen, die das Zusammenleben und den Zusammenhalt verbessern.

Bildung ermöglicht Teilhabe und Bildung ermög-licht sozialen Aufstieg. Eines der stärksten Motive, an die Gesellschaft zu glauben und sich von ihr nicht ab-zukapseln stellt die Aussicht dar, die soziale Stufen-leiter erklimmen zu können. Dafür ist allerdings ein Bildungssystem notwendig, das soziale Unterschiede ausgleicht und überwindet und nicht zementiert. //

Verwendete LiteraturBertelsmann Stfitung (o.J.): Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt.

messen was verbindet. Gesellschaftlicher Zusammenhalt im internationalen Vergleich. Länderbericht: Österreich. Online verfügbar: http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/wp-content/uploads/2014/01/IBIB_Gesellschaftlicher_Zusammenhalt_Oesterreich.pdf [22.06.2018]

Delors, Jaques et al (1996): Learning the treasure within. Report to UNESCO of the International Commission on Education for the Twenty-first Century. Paris: Unesco. Highlights online im Internet: http://unesdoc.unesco.org/images/0010/001095/109590eo.pdf [22.06.2018]

Europarat (Hrsg.) (2010): Die neue Strategie und Aktionsplan des Europarates für soziale Kohäsion. Verabschiedet vom Ministerkomitee des Europarates am 7. Juli 2010. http://www.coe.int/t/dg3/socialpolicies/source/Die%20neue%20Strategie%20und%20Aktionsplan%20des%20Europarates%20f%C3%BCr%20soziale%20Koh%C3%A4sion%20dt-%20Version.pdf [22.06.2018]

Manninen, Jyri; Sgier, Irena, Fleige, Marion, Thöne-Geyer, Bettina, Kil, Monika, Možina, Ester, Danihelková, Hana, Mallows, David, Duncan, Samantha, Meriläinen, Matti , Diez, Javier, Sava, Simona, Javrh, Petra, Vrečer, Natalija, Mihajlovic, Dubravka, Kecap, Edisa, Zappaterra, Paola, Kornilow, Anina, Ebner, Regina, Operti, Francesca (2014): Benefits of Lifelong Learning in Europe: Main Results of the BeLL-Project. Research Report. Online verfügbar unter: http://www.bell-project.eu/cms/wp-content/uploads/2014/06/BeLL-Research-Report.pdf [22.06.2018]

Osztovics, Walter, Kovar, Andreas, Fernsebner-Kokert, Bettina (2018): Arena Analyse 2018. Wir und die anderen. Online verfügbar: https://www.publicaffairs.cc/arena-analyse-2018-wir-und-die-anderen/ [22.06.2018]

Page 10: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

8 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Die Herausforderung des sozialen Zusammenhalts: Zu den langfristigen Folgen der Flüchtlingskrise 2015 für Europa.1

Die Zuwanderungsströme im Jahr 2015 lösten in ganz Europa vielfältige Reaktionen aus. Die Politik wandte sich bald dem Grenzschutz, der Reform von Asylverfahren und Sicherheitsfragen zu, während sich die sozialwissenschaftliche Forschung auf wirtschaftliche Konsequenzen für die öffentlichen Finanzen und Herausforderungen für die nationalen Arbeitsmärkte konzentrierte. Laut einer aktuellen ExpertInnenbefragung stellt aber gerade die soziale Vulnerabilität ein Langzeitrisiko für die europäischen Gesellschaften dar. In den Medien wurden Flüchtlinge häufig als „Problem“ oder als „Bedrohung“ dargestellt. Die breite Öffentlichkeit erlebte eine Polarisierung zwischen jenen, die Asylwerber willkommen heißen, und jenen, die vor ihnen Angst haben. Daher befasst sich dieser Beitrag mit Fragen des sozialen Zusammenhalts in Europa. Es zeigt sich, dass mehrdimensionale Strategien notwendig sind, um die bevorstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Am wichtigsten sind die Veränderung der öffentlichen Debatte sowie die Erhöhung der Investitionen in Flüchtlinge.

Schwerpunkt

1 „Policy“-Brief der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), leicht verändert: https://oegfe.at/wordpress/wp-content/uploads/2017/12/OEGfE_Policy_Brief-2017.25_Riederer.pdf [24-06-2018].

Die österreichische Gesellschaft für Europapolitik ist eine parteipolitisch unabhängige Plattform, gebildet von den österreichischen Sozialpartnern. Sie informiert über europäische Integration und steht für einen offenen Dialog über aktuelle europapolitische Fragen und ihre Relevanz für Österreich. Die ÖGfE verfügt über langjährige Erfahrung in Bezug auf die Förderung europäischer Debatten und agiert als Katalysator zur Verbreitung von europapolitischen Informationen.

2 Siehe z.B.: Göbl, Gabi; Lassen, Kvorning Christian; Lovec, Marko; Nic, Milan; & Schmidt, Paul (2016): Central Europe and the refugee question: cooperation, not confrontation. In: ÖGfE Policy Brief, 22’2016; Melander, Annika; Pichelmann, Karl (2015): An economic assessment of asylum seeker inflows: Spectacular and disturbing images, unspectacular macro-economic impact. In: ÖGfE Policy Brief, 37’2015. Eurofound (2016): Approaches to the labour market integration of refugees and asylum seekers. Luxembourg: Publications Office of the European Union.

3 Siehe Eurofound (2016).

4 Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/ [21.6.2018].

5 Siehe Göbl, et al. (2016) und Wolf, Walter (2016): Die Flüchtlingskrise und die territoriale Kohäsion: Eine verbesserte Armutsbekämpfung in Europas östlichen Regionen als Voraussetzung für einen EU-Konsens in der Flüchtlingsverteilung. In: ÖGfE Policy Brief, 2’2016.

DIE HERAUSFORDERUNG(EN) DES SOZIALEN ZUSAMMENHALTS

Mit hunderttausenden vertriebenen Menschen, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 in die Europäische Union kamen, beherrschten Asylbewerber aus Syrien und Afghanistan wochenlang die Schlagzeilen. Der Begriff „Flüchtlingskrise“ spiegelte die Überlastung der Behörden in Europa wider, die keine gemeinsame Strategie im Umgang mit dem massiven Zustrom von asylsuchenden Menschen entwickeln konnten. Seitdem wurden Grenzschutzprobleme im Schengen-System dis-kutiert, Studien über die wirtschaftlichen Konsequenzen für Gastländer durchgeführt und nationale Einwande-rungsgesetze reformiert.2 Infolgedessen wird Asyl in vielen Ländern nun temporär gewährt, während sich die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren erhöht hat.3

Gleichzeitig sind Debatten über die möglichen politi-schen und sozialen Konsequenzen hitziger geworden. Quer durch Europa konnten (zumeist nationalistische) Parteien, die vor einer Bedrohung durch „Wirtschaftsmi-gration“ und insbesondere Terroranschlägen warnten, bei Wahlen Gewinne verzeichnen. Zudem rückten In-tegrationsthemen in der öffentlichen Diskussion wieder in den Vordergrund. Auch in Österreich wurde entspre-chend gehandelt und mit dem Integrationsgesetz 20174 eine neue Integrationsvereinbarung eingeführt, die ne-ben der Verpflichtung zu Sprachunterricht zudem Bür-gerorientierungskurse zur Vermittlung demokratischer Werte beinhaltet.

IM LAUFE DER LETZTEN JAHRE IST DER SOZIALE ZUSAMMENHALT IN EUROPA OFFENBAR AUF MEHREREN EBENEN GESCHWÄCHT WORDEN.

Im Laufe der letzten Jahre wurde die soziale Kohäsion in Europa scheinbar auf mehreren Ebenen geschwächt: Erstens zeigten die Probleme bei der Einführung eines Quotensystems zur Aufnahme von Geflüchteten fehlen-de Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Zwei-tens hat die Differenzierung zwischen BürgerInnen, die es als Verpflichtung ansehen Vertriebene aufzunehmen, und jenen, die dem aus Angst vor kulturellen Unterschie-den und finanziellen Belastungen skeptisch gegenüber stehen, zu einer stärkeren Polarisierung europäischer Gesellschaften geführt. Drittens erschwert mangelnde soziale Unterstützung für Neuankömmlinge die soziale Integration. Da bereits an anderer Stelle5 diskutiert wur-de, dass die Schließung von Grenzen und Standortverla-

Bernhard Riederer

Page 11: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 9

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

gerungen weder die Solidarität in der EU stärken, noch das Ende der „Flüchtlingskrise“ herbeiführen werden, konzentriert sich dieser Policy-Brief auf Fragen auf ge-sellschaftlicher Ebene.

FLÜCHTLINGE UND SOZIALE VULNERABILITÄTIn einer kürzlich veröffentlichten Umfrage wurden

176 ExpertInnen (WissenschaftlerInnen, PraktikerInnen und EntscheidungsträgerInnen) zu den erwarteten Fol-gen von Flüchtlingsströmen für die Vulnerabilität von Familien in Europa befragt. Die Studie definiert Vulne-rabilität als Risiko, Schaden zu erleiden, und unterschei-det zwischen drei Dimensionen der Vulnerabilität: a) wirtschaftliche Vulnerabilität umfasst Aspekte wie Ar-mut und finanzielle Not; b) psychische Vulnerabilität be-zieht sich auf starke Gefühle von Stress, Angstzustände oder Depressionen; c) soziale Vulnerabilität inkludiert etwa Stigmatisierung, Diskriminierung oder mangeln-de soziale Unterstützung. Viele Flüchtlinge sind von wirtschaftlicher und psychischer Vulnerabilität betrof-fen. Ihre finanzielle Lage ist oft sehr schlecht, da etwaige Ersparnisse auf ihrer Reise meist aufgebraucht werden. Darüber hinaus ist unter Flüchtlingen die Gefahr beson-ders groß, im Aufnahmeland arbeitslos und von Sozial-hilfe abhängig zu sein.7 Für das hohe Risiko psychischer Erkrankungen sind hauptsächlich traumatische Erfah-rungen sowohl im Herkunftsland als auch am Weg nach Europa verantwortlich.8 Im Einklang damit erwartet die Mehrheit der ExpertInnen zwischen 2015 und 2020 in Europa eine kurzfristige Zunahme wirtschaftlicher und psychischer Vulnerabilität durch Flüchtlinge. Allerdings nimmt die Mehrheit der Befragten nicht an, dass die von Flüchtlingsströmen ausgelöste wirtschaftliche und psychische Vulnerabilität in Europa zwischen 2020 und 2050 weiter ansteigen wird.

EXPERTEN ZUFOLGE WIRD SOZIALE VULNERABILITÄT IN ZUKUNFT DIE GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG FÜR EUROPAS GESELLSCHAFTEN.

Den befragten ExpertInnen zufolge wird die durch Flüchtlingsströme ausgelöste soziale Vulnerabilität in Zukunft die größte Herausforderung für Europas Gesell-schaften darstellen. Sechs von zehn Befragten erwarten zwischen 2015 und 2020 eine Zunahme der sozialen Vul-nerabilität. Darüber hinaus erwarten mehr als die Hälfte der Befragten, dass die soziale Vulnerabilität auch bis 2050 noch weiter zunehmen wird. Betrachtet man die Er-gebnisse nach europäischen Regionen, so findet sich die Mehrheit derer, die keinen Anstieg sozialer Vulnerabili-tät erwarten, in osteuropäischen Ländern, die 2015/2016 kaum von Asylanträgen betroffen waren, aber besonders strenge Immigrationsgesetze aufweisen.9 Da soziale Vulnerabilität auf Stigmatisierung, Diskriminierung und mangelnde soziale Unterstützung hinweist, ist das Umfrageergebnis auch ein Hinweis darauf, dass sich die Befragten hauptsächlich um den sozialen Zusammen-halt in den europäischen Gesellschaften sorgen.

Wieso sollte soziale Vulnerabilität in Europa durch Flüchtlinge langfristig zunehmen? Während des Wartens

auf die Asylentscheidung gelten in der Regel strenge Ver-haltensregeln, die intensiven Kontakt zur Bevölkerung der Aufnahmegesellschaft erschweren. Auch der feh-lende Zugang zum Arbeitsmarkt stärkt die Integration nicht. Beides kann zur Segregation und Isolierung füh-ren. Hinweise auf vermutlich entscheidendere Faktoren findet man aber in den öffentlichen Debatten der letzten Jahre. Erstens waren die EuropäerInnen selbst gespalten: Die eine Gruppe hieß Flüchtlinge willkommen, während die andere Angst vor einer „Invasion“ durch Fremde hat-te.10 Daraus resultierte eine gewisse gesellschaftliche Po-larisierung. Zweitens wurden AsylwerberInnen in zwei Kategorien eingeteilt: in legitimer Weise hilfsbedürfti-ge Personen auf der einen und solche mit überwiegend wirtschaftlichen Motiven auf der anderen Seite.11 Die Darstellung der Zuwanderung als „Problem“ in den Me-dien12 beförderte Sorgen etwa hinsichtlich eines „Sozial-hilfe-Shopping“ oder der Bereitschaft von Flüchtlingen, sich an die Kultur der Aufnahmegesellschaften anzupas-sen.13 Drittens, und das scheint am wichtigsten zu sein, haben viele EuropäerInnen Angst vor Terrorismus. Asyl-suchende werden in diesem Kontext mitunter als Ziele einer Beeinflussung durch terroristische Organisationen und daher als potentielle Bedrohung betrachtet.14 Es ist anzunehmen, dass durch diese Vermengung von Flucht und Terrorismus der soziale Zusammenhalt doppelt

6 Die TeilnehmerInnen gaben ihre Einschätzung jeweils für jene europäischen Länder und jene Dimensionen von Vulnerabilität ab, mit denen sie gut vertraut sind. Für Details siehe: Riederer, Bernhard; Mynarska, Monika; Winkler-Dworak, Maria; Fent, Thomas; Rengs, Bernhard; & Philipov, Dimiter (2017): Futures of families in times of multifaceted societal changes: a foresight approach (FamiliesAndSocieties Working Paper No. 66). Verfügbar unter: http://www.familiesandsocieties.eu/wp-content/uploads/2017/01/WP66-Riedereretal2017.pdf [21.6.2018].

7 OECD (2016): Making integration work: Refugees and others in need of protection. Paris: OECD Publishing.

8 Wenzel, Thomas; & Kinigadner, Sonja (2016): Auf der Flucht. In: Psychologie in Österreich, 36 (3), 135–143.

9 Riederer et al. (2017).

10 Holmes, Seth M.; & Castañeda, Heide (2016): Representing the “European refugee crisis” in Germany and beyond: Deservingness and difference, life and death. In: American Ethnologist, 43 (1), 12–24.

11 Esses, Victoria M.; Hamilton, Leath K.; & Gaucher, Danielle (2017): The global refugee crisis: Empirical evidence and policy implications for improving public attitudes and facilitating refugee resettlement. In: Social Issues and Policy Review, 11 (1), 78–123.

12 Berry, Mike; Garcia-Blanco, Inaki; & Moore, Kerry (2015): Press coverage of the refugee and migrant crisis in the EU. A content analysis of five European countries, 5. Verfügbar unter: http://www.unhcr.org/56bb369c9.html [21.6.2018].

13 Dalla Zuanna, Gianpiero; Hein, Christopher; & Pastore, Ferrucio (2015): The pitfalls of a European migration policy: Migration and political challenges in times of crisis in the EU (Population & Policy Compact, Policy Brief No. 09). Verfügbar unter: http://www.population-europe.eu/policy-brief/pitfalls-european-migration-policy-0 [21.6.2018].

14 Siehe: Esses et al. (2017) sowie Holmes & Castañeda (2016).

Page 12: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

10 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

geschwächt wird: Die Darstellung von Flüchtlingen als potentiell gewalttätige Kriminelle dürfte zum einen die Unterstützung für diese in der Bevölkerung verringern und zum anderen das Gefühl der Entfremdung unter diesen noch verstärken.

POLITIKEMPFEHLUNGEN ZUR LANGFRISTIGEN VERMEIDUNG SOZIALER VULNERABILITÄT.

Die möglichen politischen Auswirkungen dieser Entwicklungen sind vielfältig. Sie beziehen sich auf wirtschaftliche, psychische und soziale Aspekte. Da Vul-nerabilität in einem Bereich oft Vulnerabilität in einem anderen auslöst, sind mehrdimensionale Ansätze erfor-derlich. • Wirtschaftliche Integration ist ein Punkt. Die Flücht-

linge, die im Jahr 2015 angekommen sind, sind in der Regel bereit, zu arbeiten.15 Es ist erforderlich, ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Sprach-unterricht und Ausbildung am Arbeitsplatz würden die Integration in die Belegschaft erleichtern. Kom-petenzen der Flüchtlinge könnten so besser einge-setzt und daher wirtschaftliche Zugewinne für das Einwanderungsland erhöht werden. Noch wichtiger ist die Investition in Flüchtlingskinder.16 Schulen, die diese aufnehmen, müssen auf diese Aufgabe vorbe-reitet werden.17 Die wirtschaftliche Integration würde auch bei der sozialen Integration helfen. Wo Märkte und lokale Behörden keine ausreichenden Möglich-keiten zur wirtschaftlichen und sozialen Integration schaffen, sind MigrantInnen zumeist auf Menschen gleicher Herkunft oder ethnischer Zugehörigkeit an-gewiesen. Diese Netzwerke bieten organisatorische, emotionale und soziale Unterstützung, bergen je-doch die Gefahr von Segregation und Isolierung.18

• Die Behandlung psychischer Probleme ist ein weiterer Punkt. Psychische Probleme enden nicht mit einem erfolgreichen Asylverfahren oder wirtschaftlicher In-tegration. Es muss Bewusstsein dafür geschaffen wer-den, dass traumatische Erlebnisse auch nach Jahren noch Auswirkungen zeigen. Durch den kulturellen Anpassungsprozess bedingter Stress verstärkt häufig bereits vorhandene psychische Probleme. Kinder sind oft zweifach betroffen: direkt und indirekt durch be-lastete Eltern. Um die Qualität ihrer Behandlung und damit ihre Chancen zu verbessern, sind ausreichen-de Ressourcen für eine langfristige psychologische Betreuung und eine entsprechende Ausbildung des Betreuungspersonals vonnöten. Aufgrund des beson-deren Ausmaßes an erfahrenen Grausamkeiten, oft sehr spezifischen individuellen Hintergründen und unterschiedlichen kulturellen Begebenheiten, sind selbst Fachleute bei der Betreuung von Flüchtlingen besonders gefordert. Kulturelle Kompetenzen sind von entscheidender Bedeutung.19

• Der Schwerpunkt dieses Beitrages liegt jedoch bei der sozialen Vulnerabilität. Die Politik sollte das Vertrau-en in die Einwanderer und deren Integration stärken, um das gesellschaftliche Klima zu verbessern.20 Ers-tens scheint es notwendig, im öffentlichen Diskurs

die Themen Terrorismus und Asyl strikt voneinan-der zu trennen.21 Flüchtlinge sind in der Regel keine Bedrohung, sondern vertriebene Menschen auf der Suche nach Sicherheit und einer besseren Zukunft. Zweitens sollte die Diskussion, ob sich Asylsuchende ihren Aufenthalt „verdient“ haben, beendet werden. Die Ursache für die Flucht liegt zumeist in politi-schen Ereignissen begründet, für die die Flüchtlinge nicht selbst verantwortlich sind.22 Drittens muss der Mensch wieder in den Vordergrund der Debatte ge-rückt werden. Solidarität wird eher gestärkt, wenn wir erkennen, dass wir über Menschen in Not sprechen.23

Inkludiert die lokale Politik die ZuwandererInnen indem sie ihnen die Teilhabe an öffentlichen Initia-tiven ermöglicht, so werden ihre Fähigkeiten für das Wohlergehen der Gemeinde genutzt24 und dadurch auch der gesellschaftliche Mehrwert von Migration aufgezeigt.

Die öffentlichen und politischen Debatten, die im Rah-men der „Flüchtlingskrise“ aufgekommen sind, fokus-sieren zu sehr auf den Grenzschutz, Asylverfahren, Sicherheitsaspekte und wirtschaftliche Konsequenzen. Das sind zweifelsohne wichtige Themen, doch dürfen damit verbundene Herausforderungen für den sozialen Zusammenhalt innerhalb der europäischen Gesellschaf-ten nicht ignoriert werden. Öffentliche Diskurse sollten dementsprechend modifiziert und die Investitionen in (die Integration der) Flüchtlinge erhöht werden.25 //

15 Siehe: Buber-Ennser, Isabella; Kohlenberger, Judith; Rengs, Bernhard; Al Zalak, Zakarya; Goujon, Anne; Striessnig, Erich; et al. (2016): Human capital, values, and attitudes of persons seeking refuge in Austria in 2015. In: PLoS ONE, 11 (9), e0163481. doi:10.1371/journal.pone.0163481.

16 Dalla Zuanna et al. (2015).

17 Siehe: Eurofound (2016).

18 IOM (2015): World Migration Report 2015. Migrants and cities: New partnerships to manage mobility. Geneva: International Organization for Migration. Verfügbar unter: http://publications.iom.int/system/files/wmr2015_en.pdf

19 Siehe: Wenzel & Kinigadner (2016).

20 Siehe: Dalla Zuanna et al. (2015).

21 Carrera, Sergio; Blockmans, Steven; Gros, Daniel; & Guild, Elspeth (2015): The EU’s response to the refugee crisis: Taking stock and setting policy priorities (CEPS essay No. 20). Brussels: Centre for European Policy Studies, 15.

22 Holmes & Castañeda (2016).

23 Esses et al. (2017), 87.

24 IOM (2015).

25 Die Forschung, die zu diesem Policy-Brief führte, wurde im Rahmen des Forschungsprojekts FamiliesAndSocieties durchgeführt, das durch das 7. EU Rahmenprogramm finanziert wurde (FP7/2007–2013; grant agreement no. 320116).

Page 13: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 11

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Polarisierung ist das Gegenteil von sozialer Inklusion1

„Polarisierung in ihrer einfachsten Ausprägung bedeutet: wir haben Recht, sie haben Unrecht“.

Manchmal führen große Bemühungen, einen Dialog zwischen zwei Kontrahenten zu beginnen, dazu, dass eine bereits angeheizte Situation noch angefacht wird. In diesem Fall ist es von Vorteil, Kenntnisse über die Dynamik der Polarisierung zu besitzen.

Schwerpunkt

Interview von Anne Tastula mit Bart Brandsma, Polarisierungsberater

Sie sagten, dass Polarisierung normal sei, nichts, wovor man sich fürchten muss, und ziemlich wichtig für unsere Überlegungen. Wann wird Polarisierung etwas Schlechtes?

Damit sich die Zivilisation entwickeln kann, ist es er-forderlich, sich einer gegnerischen Position gegenüber zu sehen. Wenn Polarisierung Entwicklung und soziale Inklusion in eine Gesellschaft bringt, ist es gut. Solan-ge diskutiert wird, findet Entwicklung statt.

Polarisierung wird dann eine schlechte Sache, wenn sich eine Kluft zwischen Personen bildet und wir an-fangen, einander gegenseitig zu beschuldigen und Eigenschaften des Feindes zu beschreiben, wie zum Beispiel in „diese ganzen Flüchtlinge, die kommen, um von unserem Wohlstand zu profitieren“. Dies sagt etwas über den anderen aus und setzt gleichzeitig den Rahmen für die Identität der eigenen Gruppe.

Es ist natürlich den Versuch wert, herauszufinden, wo die Sache kippt. Wann ist der Moment gekommen,

wo man die Diskussion beendet und aufhört, Ideen zu suchen, und beginnt, sich gegenseitig zu beschuldigen.

Wo findet man aktuelle Beispiele von Polarisierung auf eu-ropäischer Ebene?

Polarisierung in ihrer einfachsten Ausprägung bedeu-tet: Wir haben Recht, und sie haben Unrecht. Derzeit ist es ein Gedankenkonstrukt, noch kein Konflikt. Po-larisierung benötigt Nahrung, um zu gedeihen. Worte, Aussagen und Beschuldigungen dienen als Verstär-kung.

In Rotterdam, in den Niederlanden, wo ich arbeite, ist die Polarisierung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen von Bedeutung. Dies kann auch auf euro-päischer Ebene beobachtet werden. Außerdem gibt es in ganz Europa zwei weitere, stark trennende Gruppie-rungen: heimattreue Nativisten gegen Globalisten und die Elite gegen das Volk. Die Populisten ziehen starken Nutzen aus der Polarisierung des Letzteren.

Bei allen Gruppierungen liegt der Druck auf den gleichen Berufsgruppen: Neutralen, Polizei, Lehrern, Bürgermeistern, Justizbeamten, Anklägern.

Da die Polarisierung die Dynamik des guten Gefühls för-dert und daher nicht durch Beweise einfach zu beeinflus-sen ist, worin liegt der Schlüssel, um festgefahrene Mei-nungen zu verändern und die Dinge in einem anderen Licht zu sehen?

Dort wo sich Polarisierung zeigt, wollen wir die Mei-nung anderer verändern. Wir wollen sie mit neuen Fakten und neuen Weltanschauungen überzeugen. Aber sobald wir damit beginnen, ist es wahrscheinlich, dass wir zur Polarisierung beitragen.

Was wir eher tun sollten, ist, die richtigen Fragen zu finden und Menschen in diese Fragen einzubeziehen. Dies ist der Beginn der sozialen Inklusion.

Pusher, die lauten Stimmen an den entgegengesetz-ten Enden des Polarisierungsspektrums, bringen häu-fig Einzelthemen zur Sprache. Wir können aber jene Fragen finden, die wir alle beantwortet haben wollen, die Fragen, welche wirklich für die Gruppe in der Mit-te, die schweigende Gruppe, wichtig sind.

Die Lösung ist die Stärkung der richtigen, der mitt-leren Gruppe, indem man deren Themen anspricht und deren Fragen formuliert. Solange die mittlere Gruppe stark bleibt und sich keine der beiden anderen Grup-pen anschließt, kann man Polarisierung beherrschen. Wenn sich alle Menschen der mittleren Gruppe eine der Parteien anschließen, bedeutet dies im Grunde ge-nommen Bürgerkrieg.

„In gewisser Hinsicht stellt Polarisierung jenes Sta-dium dar, in dem Radikalisierung (noch) keine Chance hat.“

Führung erfordert Präsenz und Zuhören, den richtigen Ton zu finden, nicht nur zu versuchen, zwischen rich-tig und falsch zu entscheiden, sondern unsere gemein-

Bart BrandsmaFoto: Anne Tastula

1 Aus: ELM Magazine December 2017. https://www.elmmagazine.eu/articles/polarisation-is-the-opposite-of-social-inclusion/ Übersetzung: Sandra Eberl

Page 14: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

12 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

same Zukunft und unsere gemeinsamen Fragenstellun-gen zu betrachten.

Das ist leicht gesagt, aber es benötigt lebenslanges Lernen, Authentizität und Persönlichkeit, um die Fä-higkeiten zu entwickeln, um Urteile hinauszuschieben und weiter Fragen zu stellen; das heißt, zuhören und Fragen an Personen stellen, die sich gänzlich von uns unterscheiden.

Sie arbeiten als Trainer und Berater zum Thema Polari-sierung. Kann die Gesellschaft lernen, sich gegen die ne-gativen Auswirkungen der Polarisierung Widerstand zu leisten?

Vor zehn Jahren hat dies kaum jemand für wichtig er-achtet. Wir benötigten all diese Vorfälle und Angriffe, um uns wachzurütteln. Jetzt haben Menschen das Ge-fühl, sie können nicht länger warten, bis wir noch pola-risierter und radikalisierter sind. In gewisser Hinsicht stellt Polarisierung jenes Stadium dar, in dem Radikali-sierung (noch) keine Chance hat.

Wir benötigen einen neuen Diskurs über Integrati-on und soziale Inklusion, wobei wir das Thema Iden-tität beiseitelassen. Anstatt zu fragen, ob man eher ein wahrer Muslim oder ein wahrer Finne sei, stellt sich die Frage, was sie dazu beitragen. Es wird immer Außen-seiter geben, aber diese sollten nicht immer nach ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit beurteilt wer-den.

Welche Rolle spielen die Medien beim Thema Polarisie-rung?

Medien werden häufig der Polarisierung beschuldigt, aber das möchte ich nicht tun. Medien sind die Echo-kammer der Polarisierung.

Journalisten sollten sich fragen, ob sie einfach den Polen eine Stimme geben, oder ob sie in der Lage sind, Fragen an die Mitte zu stellen, welche die Polarisie-rung weniger anheizen würden. Ich glaube, das Publi-kum wartet darauf und die Medien selbst sind bereits müde, die Brücke zu bauen.

Sie haben Erfahrung durch die Arbeit in Ländern wie Nordirland, Libanon, dem Kongo, den Niederlanden und Belgien, wo Sie Ihren Polarisierungsrahmen getestet haben. Wer sind die Zielgruppen, die aus Kenntnissen über die Polarisierungsdynamik einen Vorteil ziehen würden?

Ich versuche, Menschen zu erreichen, die sich berufs-bedingt in der Mitte befinden. Bürgermeister, Lehrer und die Polizei sollten daher für alle Bürger da sein, und sich neutral verhalten. Sie dürfen nicht einen der Pole bilden.

Training funktioniert auch sehr gut, wenn die Perso-nen die Dringlichkeit der Angelegenheit begreifen. Fachleute erkennen bereits, dass wir Polarisierungsma-nagement benötigen, und nicht nur Konfliktmanage-ment.

Es wäre hilfreich, wenn wir alle ein wenig Kenntnis über die Dynamik der Polarisierung hätten. Man hätte dann keine Angst, sondern würde es als normal anse-hen und überlegen, wie man sich in diesem Falle ver-halten soll.

Frieden ist das Resultat einer langen Kette an Kon-flikten. Polarisierung ist nichts, worüber man sich Sor-gen machen sollte, solange wir wissen, wie wir damit zivilisiert umgehen.

Schlussendlich kann jeder profitieren, denn es han-delt sich um Lebenskompetenzen wie Präsenz, Zuhö-ren, Fragen stellen, und Themen finden, die alle betref-fen. Dies ist ein Weg zur sozialen Inklusion. //

Bart Brandsmaist ein niederländischer Philosoph, Berater und Trainer; er berät Fachleute, neue Wege zu erfor-schen, um mit Polarisierung umzugehen. Brands-ma hat ein Model für Polarisierungsstrategien, Innensichten, Rollen und Methoden zur Interven-tion entworfen. Das „Radicalisation Awareness Network“ (RAN) bringt PraktikerInnen aus ganz Europa zusammen, die an der Prävention von Radikalisierung arbeiten.

Bart Brandsma erkennt fünf Rollen in jeder exis-tierenden Polarisierung:

Die Pusher sind an beiden Enden des Spektrums zu finden und durch ihre Schwarz-weiß-Aussagen spielen sie eine führende Rolle, die Wir-gegen-Sie-Denkweise zu schüren.

Die Mitläufer wählen eines der Lager, obwohl sie nicht so radikal sind, wie die Pusher.

Die Schweigenden bleiben in der Mitte, entweder aufgrund starker Beteiligung, Gleichgültigkeit oder beruflicher Neutralität.

Der Brückenbauer interveniert und versucht, den beiden Polen zu helfen, einen Austausch der Meinungen oder Visionen zu erzielen.

Früher oder später wird der Sündenbock in der Mitte gefunden, der als Ventil für Schuldzu-weisung und Wut dient. Diese Rolle kann zum Beispiel den Medien oder dem Brückenbauer zugeteilt werden.

Page 15: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 13

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Zusammenleben aktiv gestaltenThemenschwerpunkt des Erwachsenenbildungsforum OberösterreichTausende Menschen sind im Jahr 2016 nach Oberösterreich geflüchtet und waren auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Die überwältigende Willkommenskultur der Zivilgesellschaft zeigte sich in der großartigen Hilfe der Flüchtlinge bei der Ankunft und Erstversorgung, aber auch in weiterer Folge beim Deutschlernen und der Unterstützung im Alltag. Aber natürlich entstanden durch den hohen Zuzug auch Ängste und Unsicherheiten in der Bevölkerung, und damit neue Herausforderungen für das Zusammenleben in Oberösterreich.

Iris Ratzenböck-Höllerl

Schwerpunkt

Im Mai 2016 veröffentlichte der Österreichische Inte-grationsfond die Ergebnisse des Integrationsbarome-ters, einer Befragung 1.000 österreichischer Staatsbür-gerInnen zu ihrer Einschätzung des Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sowie von MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen. 51 Prozent der Befragten beurteilten das Zusammenle-ben von Menschen mit und ohne Migrationshinter-grund als sehr oder eher gut. Als größter Problembe-reich wurde von den Befragten der Zusammenhang

mit der Integration von Flüchtlingen gesehen, die Ge-ringschätzung bzw. Gewaltbereitschaft einiger mus-limischer Flüchtlinge gegenüber Frauen (51 Prozent), die schwierige Arbeitsplatzsuche für Flüchtlinge (50 Prozent), die Belastung des österreichischen Sozialsys-tems durch Flüchtlinge (49 Prozent) sowie die Gefahr durch religiösen Fanatismus und Terror (48 Prozent). (Vgl. https://www.integrationsfonds.at/publikationen/integrationsbarometer/ [1.6.2018]).

Die Ergebnisse des Integrationsbarometers spie-gelten die Ängste und Unsicherheiten unserer Bevöl-kerung wider. Diese gesellschaftspolitische Situation war Anlass für das Erwachsenenbildungsforum Ober-österreich, sich dem Thema Integration zu widmen und startete daher im September 2016 den zweijähri-gen Themenschwerpunkt „Zusammenleben aktiv ge-stalten“. Die zentrale Fragestellung war „Wie können wir das gelingende Zusammenleben vor Ort aktiv ge-stalten?“ Zusätzlich zu den sprachlichen und berufli-chen Erwachsenenbildungsangeboten für Flüchtlinge brauchte es Angebote, die ein friedliches Miteinander und ein vorurteilsfreies Zusammenleben fördern und Ängste sowie Unsicherheiten hinsichtlich der gemein-samen Zukunft abbauen helfen. Alle EB-Forums Mit-gliedseinrichtungen sowie Bibliotheken folgten der Einladung sich am Themenschwerpunkt zu beteiligen, und es wurden rund 300 Veranstaltungen mit etwa 15.000 TeilnehmerInnen in ganz Oberösterreich regi-onal vor Ort durchgeführt: Informations- und Diskus-sionsveranstaltungen, die die Möglichkeit boten, sich über die Hintergründe der Zugewanderten, über die aktuellen gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Asylpolitik, etc. zu informieren und die Gestaltung des Zusammenlebens zu diskutieren. Zusätzlich gab es eine Vielzahl von Begegnungs- und Kommunika-tionsangeboten, die den interkulturellen Dialog, das gegenseitige Kennenlernen und das Voneinander ler-nen als Ziel hatten.

Führung durch die Synagoge Haus der Frau Foto: Michaela Greil-MIG-Pictures

Page 16: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

14 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Deutschlernen mit Ehrenamtlichen in der Bibliothek Kleinraming. Foto: Bibliothek Kleinraming

Internationales Brauchtumsfest Schloss Puchberg im Bildungshaus Schloss Puchberg, 10.9.2016Foto: Bildungshaus Puchberg

Die Volkshochschule Oberösterreich beteiligte sich am Themenschwerpunkt des EB-Forum OÖ mit einer Reihe von Vorträgen, mit interkulturellen Minikursen sowie Workshops für KursleiterInnen.

Die Vortragsthemen sollten Hintergründe aufzeigen, warum Menschen flüchten müssen, wie Flüchtlinge un-terstützt werden können, um möglichst rasch ein selb-ständiges Leben führen zu können.

Die VHS Steyr organisierte zwei besondere Vorträge: einen Vortrag mit dem Extremismusforscher Moussa al-Hassan Diaw zum Thema „Politischer Extremismus in unserer Gesellschaft – Was tun“. Diaw erläuterte die aktuelle Lage in Österreich und stellte die Präventions- und Interventionsarbeit in diesem Bereich vor und lei-tete einen zweiten Vortrag mit der Nahostexpertin Petra

Ramsauer ein. Im Vortrag erzählte Frau Mag.a Ramsauer berührend ihre Erlebnisse aus dem Kriegsalltag und be-richtete einfühlsam von all jenen, die in diesem schreck-lichen Konflikt ums Überleben kämpfen.

Facebook-Kommentar einer Teilnehmerin: Ein ausgezeichneter Vortrag von Mag.a Petra Ram-sauer zur Situation in Syrien und überhaupt den Kon-flikten im Nahen Osten im MAW Steyr. Es ist eine verworrene Situation mit vielen unterschiedlichen Ak-teuren und Interessensgruppen.

Der spannende und trotz des ernsten Themas durch-aus aufgelockerte Vortrag hat für mich so manches verständlicher gemacht. So stelle ich mir Geschichts- und Politikunterricht vor. Erzählt von einer Journa-listin, die inmitten der Ereignisse des Krieges recher-chiert und trotz tiefer Einblicke vieles immer noch zu verstehen versucht. Danke an die Vortragende und natürlich an die Veranstalter der VHS OÖ Monika Sträußlberger

https://www.facebook.com/petra.drewsmilalkovits/vi-deos/vb.626297085/10155057201612086/?type=2&theater

In der VHS Gmunden fand ein Vortrag mit dem Mi-grationsbeauftragten des AMS, Herrn Sefa Yetkin, zum Thema Herausforderung und Chancen für den Arbeitsmarkt unter besonderer Berücksichtigung von Asylwerberinnen und Asylwerber statt. Dürfen Asyl-werber arbeiten oder nicht? Das war die zentrale Fra-gestellung des Vortrages.

Herr Yetkin versuchte, durch das Erläutern der rechtlichen Rahmenbedingungen, der Zuständigkei-ten des AMS und mit konkreten Beispielen für Ar-beitsmöglichkeiten ein wenig Klarheit in diese zwei-felsfrei verworrene Situation für Ehrenamtliche und FlüchtlingsbetreuerInnen zu bringen. Der Vortrag wurde in Kooperation mit dem Verein Frauen in Be-wegung organisiert.

Page 17: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 15

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Sefa Yetkin (AMS), Doris Hafellner (FIB), Eva Bruderhofer (VHS Gmunden). Fotoquelle: VHS Gmunden

Die interkulturellen Minikurse stellten den interkul-turellen Dialog, das gegenseitige Kennenlernen und das Voneinanderl ernen im Mittelpunkt. Das Angebot reichte von syrischer Küche, arabisch grillen und ori-entalisch vegan kochen bis zu orientalischen Tänzen. Rund 100 Personen nahmen an diesen Angeboten teil. Die interkulturellen Minikurse tragen dazu bei, dass Fremdes zu Vertrautem wird und Vorurteile abgebaut werden.

Vom Teilnehmer zum Kursleiter: Herr Mohammed D. hat an einem Deutschkurs in der VHS Vöcklabruck teilgenommen. Da er kein Auto hatte, bot ihm die Kurs-leiterin an, ihn nach dem Kurs nach Hause zu fahren. In diesen Autogesprächen erzählte Herr D., dass er in Syrien als gelernter Koch gearbeitet hat, und so ist die Idee entstanden, dass er syrische Kochkurse in der VHS OÖ anbieten könnte. Herr D. leitete sehr engagiert und erfolgreich drei Kochkurse mit 26 TeilnehmerInnen, die im Projekt „Zusammenleben aktiv gestalten“ des EB-Forum OÖ angeboten wurden. Mittlerweile hat Herr D. bereits so gut Deutsch gelernt, dass er auch die Führer-scheinprüfung ablegen und eine Kochausbildung über das AMS beginnen konnte. (Bericht: Anne Kapeller, VHS Vöcklabruck)

Für DeutschkursteilnehmerInnen der VHS Bad Leon-felden wurde als Minikurs eine interkulturelle Exkursi-on in die Landeshauptstadt Linz angeboten. Ziel war es, Land, Leute und die Kultur kennenzulernen.

Interkulturelle Exkursion am 25.4.2017Mein Name ist Karin Schürz, ich bin Sprachtrainerin an der VHS Oberösterreich. Ich habe in Bad Leonfelden im Caritashaus im Deutschkurs – Deutsch für Asylwerber – TeilnehmerInnen aus Syrien, Afghanistan, Iran und dem Irak unterrichtet. Viele der TeilnehmerInnen wa-ren schon über ein Jahr in Österreich und kannten die Landeshauptstadt von Oberösterreich noch nicht. Es

entstand daher die Idee, eine Exkursion nach Linz zu organisieren. An diesem Tag durften alle nur Deutsch sprechen.

Vom Stadtführer und Nachtwächter Herrn Wolfgang Liegl angeleitet, erkundeten die TeilnehmerInnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt Linz. Auf der Tour konn-ten Antworten auf die im Deutschkurs vorbereitete Fra-gen gefunden werden. Abschließend nahmen die Teil-nehmerInnen an einer Teeverkostung teil und es waren sich alle einig: Tee ist ein spezielles Bindeglied zwischen all den unterschiedlichen Kulturen. (Autorin: Karin Schürz, Sprachtrainerin der VHS OÖ)

„Multi-Kulti – Hoch Im Kurs“ war ein interkulturelles Workshop-Angebot für KursleiterInnen und VHS-LeiterInnen der Volkshochschule Oberösterreich. Im Workshop wurden der damals aktuelle Integrations-bericht (Daten über Anzahl, Herkunft, religiöse Zuge-hörigkeit, etc. der Zugewanderten) und der „Nationa-le Aktionsplan für Integration“ sowie ein Update zur Rechtslage (Asylrecht, Menschenrechte, Religionsfrei-heit, etc.) präsentiert. Anhand von Praxisfällen aus den Kursen wurde diskutiert und es wurden Handlungs-empfehlungen abgeleitet. Insgesamt wurde der Work-shop viermal durchgeführt, es nahmen insgesamt 36 TeilnehmerInnen teil.

Islam!? – Alle Fragen sind erlaubt: Die TeilnehmerIn-nen schätzen vor allem den Austausch mit Fr. Monika Mariam Troschl sehr. Frau Troschl ist gebürtige Öster-reicherin, katholisch aufgewachsen und mit 40 Jahren zum Islam konvertiert. Seither trägt sie als gebildete Frau ein Kopftuch und engagiert sich aktiv in der islami-schen Gemeinde. Wichtig ist es ihr, als Brückenbauerin zu agieren, und sie forderte alle auf, sich über „Unbe-kanntes“ gut zu informieren und Handlungen von Kurs-teilnehmerInnen kritisch zu hinterfragen. Geschätzt wurde von den TeilnehmerInnen, die Offenheit von Frau Troschl, die mit viel Verständnis und Geduld alle Fragen zum Thema Islam beantwortete und gleichzeitig klarstellte, dass der Islam viele Facetten hat und hinter den „Problemen“ oft ganz andere Themen oder Konflik-te stecken. (Bericht von Fr. Nicole Kroiss, Moderatorin des Workshops und VHS OÖ Kursleiterin)

Der Themenschwerpunkt des EB-Forum OÖ „Zusam-menleben aktiv gestalten“ war eine einmalige Mög-lichkeit, die vielfältigen und zahlreichen Integrations-angebote der Erwachsenenbildung in OÖ sichtbar zu machen und zusätzlich aufzuzeigen, wie viele Men-schen sich weiterhin freiwillig und ehrenamtlich betä-tigen, um Flüchtlinge zu unterstützen, damit diese ein menschenwürdiges Leben in Österreich führen können. Auch wenn der Themenschwerpunkt mit Juni 2018 en-dete – das Engagement der Zivilgesellschaft sowie die Integrationsangebote der Erwachsenenbildungsein-richtungen werden weiterhin bestehen, mit dem Ziel, ein friedliches Zusammenleben aller Kulturen und ein gesellschaftliches Miteinander zu fördern. //

Page 18: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

16 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Integrationsaktivitäten der Volkshochschule Oberösterreich Seit rund 20 Jahren werden in der Volkshochschule Oberösterreich regional vor Ort Deutschintegrationskurse angeboten, fast 70.000 Teilnahmen von Menschen mit mangelnden Deutschkenntnissen sowie rund 9.000 Teilnahmen von AsylwerberInnen konnten wir in unserer Statistik dokumentieren. Vor allem in den letzten Jahren entwickelte sich die VHS Oberösterreich zu einem der wichtigsten Anbieter von an Deutsch- und sonstigen Integrationskursen im Bundesland.

Julia Panholzer, Iris Ratzenböck-Höllerl

Schwerpunkt

Seit zehn Jahren gibt es auch das Institut für Interkultu-relle Pädagogik in der VHS OÖ. Alle Aktivitäten dieser Abteilung stehen unter dem Motto „Gelebte Vielfalt“ und werden vom Land Oberösterreich und von Gemein-den finanziert. Zielgruppe sind Personen, die aufgrund sozioökonomischer Faktoren und/oder ihres kulturellen Hintergrunds benachteiligt sind. Die Projekte zielen vor allem auf Frühförderung, Sprachförderung, Lernförde-rung und Elternarbeit ab. Es werden pro Jahr mehr als 150 Maßnahmen mit etwa 5.000 TeilnehmerInnen in Ge-meinden regional vor Ort durchgeführt.

Bedingt durch die große Fluchtbewegung ab dem Jahr 2015 veränderten sich die Anforderungen in dem Be-reich rasant. Vor allem zur Beginn, als seitens des Bun-des und der Länder noch kein Integrationspaket zur Finanzierung des Spracherwerbs von Geflüchteten ge-schnürt war, führte die VHS OÖ im Auftrag des Landes OÖ Workshops für ehrenamtliche Sprachgruppenlei-terinnen zum Thema „Die Rolle des Sprachgruppen-leiterInnen“ durch. Dabei sollte die Frage „Wofür bin ich alles verantwortlich und wie inwieweit ist das ein Deutschkurs?“ behandelt werden, um so den Betroffe-nen ein Werkzeug an die Hand zu geben und gleichzei-tig etwas den Druck zu nehmen.

Wir haben eine Workshopleiterin, Mag.a Nicole Kroiß, zu einem kurzen Interview gebeten:

VHS: Frau Kroiß, mit welchen Erwartungen kommen die Ehrenamtlichen in den Workshop?

N.K.: Viele TeilnehmerInnen kommen mit ganz vielen methodischen und didaktischen Fragen zum Workshop und sind am Anfang etwas verwirrt und auch enttäuscht, wenn ich mit Gruppenprozessen und dem Rollenver-ständnis beginne. Mit der Zeit wird dann aber klar, dass die Reflexion zu diesem Thema genauso wichtig ist, wie die Frage nach Materialen und Methodik.

VHS: Was sind denn die größten Herausforderungen für die ehrenamtlichen SprachgruppenleiterInnen, abgesehen von Methodik und Didaktik?

N.K.: Ein großes Thema ist sicher der Punkt „Abgren-zung“. Ich erlebe immer wieder, dass die Workshopteil-nehmerInnen am Ende der Veranstaltung regelrecht er-leichtert sind. Sie verspüren oft viel Verantwortung und Druck, und das möchte ich ihnen im Gespräch und in der Reflexion zu einem großen Teil nehmen. Ehrenamtliche Arbeit sollte doch Spaß machen und genau das wäre ja auch für die Lernenden so wichtig. Ungezwungenes Ler-nen und gemeinsames Sprechen, und nicht nur die Vor-bereitung auf eine Deutschprüfung, das würde ich mir wünschen.

VHS: Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie für die Ehrenamtlichen im Bereich Deutschlernen?

N.K.: Durch die gestrichenen Deutschkurse für Asylwer-berInnen bekommt das ehrenamtliche Lernen wieder eine größere Bedeutung. Leider wird dann auch wieder die Verantwortung für das Sprachenlernen der Flücht-linge in die Hände der Ehrenamtlichen gelegt. Das eh-renamtliche Lernen darf den Deutschkurs nicht ersetzen und sollte immer ein Zusatzangebot sein!

VHS: Danke für das Interview!

Ab März 2016 standen dann „endlich“ die entsprechen-den Fördermittel für die Durchführung von Sprachkur-sen in Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Die Volks-hochschule Oberösterreich übernahm umgehend die Verantwortung und Herausforderung, möglichst rasch ein oberösterreichweites Deutschkursangebot für die Zielgruppe bereitzustellen.

Insgesamt wurden bis Ende 2017 flächendeckend 798 Kurse (Alphabetisierung bis Sprachniveau B1) mit 9.230 Teilnahmen im Rahmen des Sprachförderpakets für Asylwerber in ganz Oberösterreich organisiert. Dies konnte nur aufgrund der langjährigen Erfahrung, der bereits gut ausgebauten regionalen Angebots-struktur, der guten Kontakte zu beteiligten Organi-sationen sowie dem außerordentlichen Engagement unserer VHS Regional- und NebenstellenleiterInnen gelingen.

Page 19: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 17

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Vielfältig und neuartig waren dabei die Herausforderun-gen. Die Regionalleiterin der VHS Kirchdorf, Christa Kaineder, berichtet:

„Das, was mir sicherlich immer an dieser Arbeit in Erin-nerung bleiben wird, ist der äußerst zuvorkommende, respektvolle Umgang der Asylwerber gegenüber allen Deutschlehrkräften im Allgemeinen und mir im Beson-deren. Dazu kam auch immer wieder große Dankbarkeit seitens der Asylwerber für unsere Arbeit, unsere Unter-stützung betreffend ihre Anliegen und besonders für die Gespräche, die ich/wir mit ihnen geführt haben. (...) Vie-le Asylwerber konnten ihre Deutschkenntnisse, die sie in den verschiedenen Kursen erworben haben, durch eine A1, A2, B1 und manche sogar durch eine B2 Prüfung bele-gen und somit eine Grundlage für ein zufriedenes Leben in Österreich schaffen. Dazu kam, dass durch die inten-sive Arbeit zu vielen Familien, Frauen, Männern ein be-sonderer Kontakt entstanden ist, mit ihnen gemeinsam gefeiert (leider auch oft geweint) wurde und man ihnen bei der Wohnungs-, Lehrplatz- oder Arbeitssuche selbst-verständlich auch geholfen hat. So konnten wir mit un-serer VHS Arbeit auch ein wenig mithelfen, diesen Men-schen den Start in ein neues Leben zu erleichtern, sodass sie eine neue Zukunft hoffen können.

Der zeitliche und schriftliche Mehraufwand, der naturge-mäß bei solchen Unternehmungen anfällt, wäre an und für sich nicht das Problem gewesen. Probleme tauchten nur durch die vielen bürokratischen Hürden auf, die uns gestellt wurden. Und dazu passt leider auch die Tatsache, dass die Unterstützung des Landes OÖ und des Bundes so abrupt geendet hat, dass vielen Asylwerbern es nicht mehr möglich war, ihre bereits begonnenen Module zu beenden, geschweige denn, dass sie mit einer Prüfung zu einem Abschluss kommen konnten. Dies war dann nur mehr in Einzelfällen durch Kraftakte von Sponsoren und Unterstützern möglich. Eigentlich schade, dass die humane Form, wie Österreich diesen Menschen vorerst entgegen getreten ist, nicht mehr weiter geführt und so-mit die sprachliche Grundlage, verbunden mit dem ver-pflichtenden Werteteil, entzogen wurde.“

Christa Kaineder, hinten Mitte, im Kreise einer der ersten Asyl-werberkursgruppen in Kirchdorf

Ganz besonders wichtig war von Anfang an das Zusam-menspiel der unterschiedlichen Akteure: Betreuungs-einrichtungen, ehrenamtlich Engagierte, Gemeinden und Fördergeber.

Veronika Zweimüller, Regionalleiterin der Caritas In-nviertel, schildert die Kooperation mit der Volkshoch-schule aus ihrer Sicht:

„Im Herbst 2016 wurden die ersten geförderten Deutsch-kurse für AsylwerberInnen im Bezirk Ried von der Volkshochschule Ried durchgeführt. Anfangs fanden viele Kurse in den Gemeinden statt, es zeigte sich jedoch schnell, dass die zentrale Durchführung an der VHS Ried zu befürworten war.

Im Bezirk Ried werden die meisten AsylwerberInnen durch die Caritas betreut – entweder in eigenen Flücht-lingshäusern oder durch die mobile Betreuung in priva-ten Quartieren – aber auch die Volkshilfe und das Rote Kreuz betreiben eine Flüchtlingsunterkunft. Trotz der unterschiedlichen Betreuungskonzepte sollten alle Asyl-werberInnen Zugang zu den Deutschkursen bekommen. Diese organisatorische Herausforderung war nur durch gemeinsames Handeln mit der VHS und gleichzeitigen intensiven Austausch möglich. Bei der Planung eines einzelnen Kurses mussten viele Faktoren berücksichtigt werden: öffentliche Verkehrsmittel (die im Innviertel ja eher spärlich sind), Kursräume, geeignete TrainerIn-nen, bürokratische Anforderungen des Fördergebers usw. Die Volkshochschule unterstützte uns, wo sie nur konnte, und so es wurde möglich, dass wir eine große Anzahl an Kursen starteten. Mit der Zeit lernten sich alle Beteiligten der VHS, der Caritas, des Roten Kreu-zes und der Volkshilfe besser kennen, die Aufgaben und Möglichkeiten der handelnden Personen wurden klarer und somit konnten bis Anfang 2018 mehr als 60 Kurse in den Niveaus Alpha bis B1 durchgeführt werden. In re-

Page 20: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

18 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

gelmäßigen Gesprächen wurde der Bedarf erhoben und die Strukturen reflektiert. Natürlich gab es immer wieder Gesprächsbedarf – die Erwartungen der AsylwerberIn-nen, BetreuerInnen, TrainerInnen und freiwilligen Hel-ferInnen waren manchmal unterschiedlich und mussten häufig neu erklärt werden. Die administrativen Aufga-ben rund um einen Deutschkurs sind vielseitig, vor al-lem die Abwicklung der Fahrtkosten erforderte viel Zeit. Die sprachlichen Fortschritte der AsylwerberInnen und die Freude über bestandene Prüfungen zeigten jedoch, dass sich der Aufwand lohnt. Es ist schade, dass die Kurse seit dem Frühjahr 2018 nicht mehr weitergeführt werden können. Die AsylwerberInnen fragen oft um neue Kurs-möglichkeiten – sie möchten das erlernte Wissen gerne vertiefen und sich weiterentwickeln.“

Die über die Sprachkursteilnahmen entstandenen Kon-takte mit den geflüchteten Menschen wurden mancher-orts auch im allgemeinbildenden bzw. Freizeitbereich weiter gepflegt. So freut sich zum Beispiel Mag.a Jasmin Walter, Regionalleiterin der Volkshochschule Urfahr-Umgebung, über die Teilnahme von Herrn Ali aus Sy-rien am laufenden Imkerkurs an der VHS Ottensheim:

„Was wäre einer der letzten VHS-Kurse, die einem beim Schlagwort »Interkulturelles Zusammenleben« in den Sinn kommen? Für mich war das bis Jänner dieses Jahres sicher unser Imkerkurs. Obwohl die Kunst, Bie-nenvölker zu pflegen und eigenen Honig zu schleudern in den letzten zwei Jahren schon viele Kursteilneh-merInnen begeistert hat, war ich nicht ganz sicher, ob sich das Anliegen der Initiative »Willkommen Ottens-heim« umsetzen ließe. Mohammad Ali, ein syrischer Asylwerber, der seit gerade einmal drei Monaten in Österreich lebe, hätte die Bitte geäußert, bei Manfred Pointner die Grundzüge der Imkerei zu erlernen. Die anfänglichen Bedenken, ob Herr Ali sprachlich beim Kurs mithalten könne, zerstreuten sich sehr schnell, als klar wurde, dass er besser als so mancher Bienen-anfänger verstand, was gemeint war, wenn von Beute, Rähmchen und Oxalbehandlung die Rede war. Direkt am ersten Kursabend, nachdem er sich überschwänglich

für die Chance bedankt hatte, am Ottensheimer VHS-Imkerkurs teilnehmen zu dürfen, erklärte Herr Ali, dass in Syrien sowohl sein Großvater als auch sein Urgroßva-ter Bienen gezüchtet hätten, er schon als Kind bei ihnen »in die Lehre« gegangen sei, und dass es ihm ein Gefühl der Verbundenheit mit ihnen gebe, diese Familientra-dition nun hier fortzuführen. Die VHS Ottensheim be-dankt sich bei Manfred Pointner, Mohammad Ali und »Willkommen Ottensheim« für deren Einsatz im Sinne gelebter Integration und wünscht gutes Gelingen und eine süße Honigernte.“

In der VHS Perg werden derzeit zwei Schwimmkurse speziell für Asylwerber durchgeführt.

VHS Regionalleiter Robert Nirnberger dazu im Ge-spräch:

VHS: Wie ist es dazu gekommen, dass die VHS Perg Schwimmkurse für Asylwerber durchführt?

R.N.: Der Anstoß dazu kam von einer Betreuungs-einrichtung, der Volkshilfe OÖ. Die finanziellen Mittel stellt das Land OÖ zur Verfügung.

VHS: Wie setzen sich die Gruppen zusammen?

R.N.: Beide Gruppen, 13 und 15 Teilnehmer, sind rei-ne Männergruppen, die meisten davon Afghanen. Die Trainerin hat selbst Migrationshintergrund und spricht Farsi, was im Unterricht von Vorteil ist.

VHS: Ist es kein Problem für sie, sich bei den ausschließ-lich männlichen Teilnehmern durchzusetzen?

R.N.: Nein, sie ist eine sehr selbstbewusste Frau und selbst Sportlerin, sie spielt Fußball. Einzige Herausfor-derung bisher war, die Teilnehmer auch während des Ramadan zum Kursbesuch zu bewegen. Aber auch diese konnte mit Unterstützung der Betreuungseinrichtung gelöst werden.

VHS: Danke für das Gespräch.

Kurs-TeilnehmerInnen des VHS-Imkerkurses in Ottensheim, Früh-jahr 2018, Mohammad Ali, 1.v.li

Page 21: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 19

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Selbstverständlich lief auch das Regelkursgeschehen im Deutsch-Sprachunterricht weiter. In den beiden Jahren 2016 und 2017 wurden abseits des Sprachförderpakets des Landes OÖ 902 Veranstaltungen (Kurse von Sprach-niveau A1 bis C1 sowie ÖIF-Prüfungen) mit knapp 10.000 Teilnahmen verzeichnet.

Dabei besteht Deutschlernen an der Volkshochschule Oberösterreich nicht nur aus theoretischem Pauken: Die ReferentInnen versuchen, stets auch die „Alltagstaug-lichkeit“ zu gewährleisten:

Praxisnaher Deutschkurs im Modegeschäft in Gries-kirchen: Einer der beliebtesten Deutschlehrer der VHS Oberösterreich, Günther Punz, ist allseits bekannt für seinen ideenreichen Unterricht. Immer wieder lässt er sich neue Settings für seine Deutschstunden einfallen. So auch im April 2016: Mit viel Begeisterung ging im re-nommierten Grieskirchner Damenmodengeschäft Ho-hensinner ein praxisnaher Deutschunterricht über die Bühne. Die KursteilnehmerInnen des VHS-Deutschkur-ses B1 durften die in Kursabenden erlernten Verkaufsdi-aloge praktisch im Geschäft umsetzen. Zwei Verkäufe-rinnen nahmen sich nach ihrer Dienstzeit wertschätzend und mit viel Geduld für die Integrationswerber Zeit, damit diese die erlernten Deutschkenntnisse auf sehr le-bendige und ansprechende Art erproben konnten. Den gut gelaunten Abschluss fand die „Deutschstunde“ in ei-ner gemeinsamen Modenschau.

Kursleiter Günther Punz: 1. von links

Eine besondere Freude für alle Beteiligten ist es, wenn eine Gruppe von TeilnehmerInnen so motiviert ist, dass höhere Sprachniveaus erreicht werden können, wie die engagierte Kursleiterin Eva Maria Hruby-Lehner stolz berichtet:

„C1- an der VHS Braunau: mehr als nur bloßes Deutsch-lernen: Im diesjährigen Sommersemester findet erstma-lig auf vielfachen Wunsch der TeilnehmerInnen früherer Kurse ein Deutschkurs auf dem Niveau C1 (nach dem eu-ropäischen GERS-Rahmen) an der VHS Braunau statt. Höchst motiviert starteten die Sprachinteressierten aus den verschiedensten Herkunftsländern wie Kroatien, Mexiko, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, Slowa-kei, Syrien und Tschechien und studieren fleißig an zwei

Abenden pro Woche die deutsche Sprache. Auch wenn die Augen nach einem langen Arbeitstag oft müde sind, wird mit viel Spaß und Engagement Deutsch „gepaukt“. Keine der Kompetenzen kommt zu kurz: Hören, Lesen, Sprache im Kontext (Grammatik und Wortschatz) so-wie Schreiben und Sprechen werden trainiert. So man-cher lustige Spruch, Vergleiche von Begriffen aus den Muttersprachen der Studierenden, kleine Exkurse in die vielfältige Dialektlandschaft Österreichs dienen als Merkhilfe für Sprachregulierungen. Ausflüge in Epo-chen früherer Jahrhunderte, ins Englische und in andere Interessensgebiete lockern den Kursabend auf. Viele Im-pulse gehen dabei von den KursteilnehmerInnen selbst aus. Für manche TeilnehmerInnen ist der Kursabend ein gesellschaftliches Ereignis, ein Treffen mit den früheren Kursleiterinnen und Basis für weiterführende Kontakte: eine gewisse Vertrautheit stellt sich in diesem Stadium ein. Die gemeinsame Grundlage ist die Kommunikation in deutscher Sprache. Dabei findet ein reger Kulturaus-tausch ohne Vorurteile statt in einem Klima der Tole-ranz und des Verständnisses füreinander. Am Ende der Kurse sollen Sprach-Prüfungen und -zertifikate auf dem Niveau C stehen und den SprachlernerInnen dazu ver-helfen, ihre akademischen und schulischen Qualifikati-onen, ihre Berufsabschlüsse aus ihren Herkunftsländern in Österreich und Deutschland anerkennen zu lassen und/oder sich einfach nur besser im Berufs-und Privat-leben zu integrieren. Vielleicht findet der C1-Kurs seinen Nachfolgekurs in einem C2-Kurs!“

Die VHS OÖ ist für alle Menschen da, benachteiligte Personen liegen uns aber besonders am Herzen. Mit der langjährigen Erfahrung, dem großen Know-how im Be-reich Integration und der organisatorischen Flexibilität und Professionalität ist es der VHS OÖ gelungen, viele Menschen an Deutsch- und Integrationsangeboten teil-haben zu lassen.

Die VHS OÖ wird auch in Zukunft ein beständiges Angebot an Deutsch- und Integrationskursen zur Ver-fügung stellen. Doch den tatsächlichen Bedarf an die-sen Angeboten zu decken und die damit verbundenen Chancen für Personen mit Migrationshintergrund zu erhöhen, hängt von den finanziellen Mitteln ab, die von der Bundes- und Landesregierung zur Verfügung gestellt werden. //

Page 22: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

20 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Die Kärntner Volkshochschulen – Lobbying für den sozialen Zusammenhalt „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ (Schui & Blankenburg: 2002, 110) – der wohl meist zitierte Satz neoliberalistischer Systematiken birgt schon den Abschiebungsgedanken solidarischer Zugänge und Einstellungen aus einem gesellschaftlich-politischen Miteinander in sich. Die Schuldfrage, die die Kehrseite neoliberaler Sichtweisen prägt, verlagert Diskussionen über soziale Ungerechtigkeiten, Bildungsstandards und Individualisierungsprozesse in den Bereich des Privaten, in den Bereich der Selbstverschuldung, ohne dass gesellschaftliche Veränderungen vonnöten sein könnten. Die Einzelnen sind somit angehalten, sich eigenständig und individuell aus- und weiterzubilden, um in der Gesellschaft als aktive Mitglieder wahrgenommen zu werden.

Schwerpunkt

Benjamin Hell und Tonia Waldner

Die Volkshochschulen, und für diesen Artikel exemp-larisch die Kärntner Volkshochschulen, sind in diesem neoliberalen Entsolidarisierungsprozess das wichtigste Gegenstück, beinahe schon der Antagonist. Auf ver-schiedenen Ebenen gilt es sich zu positionieren, zu be-stehen sowie eine alternative Leseart zu Bildung und Bildungspolitik anzubieten und im Idealfall sogar zu etablieren. Allerdings muss diese Entwicklung, um dem Anspruch der Nachhaltigkeit zu entsprechen, auf allen gesellschaftlichen Ebenen gleichermaßen erfolgen.

LEISTUNGSGEBOT VON OBENAuf der ideellen Makro-Ebene besteht die Herausfor-

derung darin, Bildung im Sinne der Aufklärung als In-strument der Befreiung neu zu fassen. Bildung ist weit mehr als die ökonomische Adaption des Individuums an das System zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung. Neoliberale Strömungen vermitteln den Menschen stets das Gefühl, unzulänglich zu sein, wie folgende gängige

Aussagen, die sich nahtlos in den Kreislauf der Manifes-tierung des Mängel- respektive Degradierungswesens einfügen: „Ohne Studium kann man diese Tätigkeit nicht ausführen“, nach dem Studium hört man „Naja frisch von der Uni kann man das nicht wissen, da braucht man Erfahrung“. Nach zahlreichen Weiterbildungen und jahrelanger Erfahrung drückt sich die Abwertung des Arbeitskräftepotenzials schlagartig anders aus: „Klar die alte Generation ist so festgefahren in ihren Struktu-ren, denen fehlt der Innovationsgedanke“.

Die arbeitende Bevölkerung befindet sich also nie im Zustand ökonomisch einwandfreier Adaption, ent-spricht niemals dem vom Neoliberalismus geforderten Standard und erfährt eine permanente, individualisier-te Abwertung. Bildung gilt in dieser Rahmensetzung als zwingend zu erbringende Leistung – alles andere entspräche mangelnder Bereitschaft, ein wertvolles Mit-glied der ökonomischen Leistungsgesellschaft zu sein.

DOCH BILDUNG DARF FREUDE MACHEN Dass die Volkshochschulen hier einen essentiellen

Gegenpol zur sich ständig neuerfindenden beruflichen Weiterbildung darstellen, lässt sich anhand der Fach-bereiche erkennen, die in allen Volkshochschulen seit Anbeginn ident sind. Bei ständiger Erweiterung, Ausdif-ferenzierung, Anpassung und Professionalisierung des Angebotes, vertreten die Volkshochschulen im Gegen-satz zu anderen Einrichtungen, Institutionen und Schu-len einen Bildungsbegriff, der humanistisch geprägt, über die rein ökonomische Verwertbarkeit und Verwer-tungslogik hinausgeht.

Selbstverständlich müssen die Kärntner Volkshoch-schulen sich dabei auch noch auf dem freien Markt be-haupten und wirtschaftlich agieren. Dennoch unterste-hen sämtliche Unternehmungen stets dem Grundsatz, Bildungsangebote zur Förderung sozialer Gerechtig-keit allen Menschen mittels sozialverträglicher Preis-gestaltung zugänglich zu machen. Diesbezüglich findet sich im Leitbild der Kärntner Volkshochschulen fol-gendes Bekenntnis wieder: „Wir stehen für Offenheit, Vielfalt, Toleranz, Freiwilligkeit, soziale Verantwor-tung und einen emanzipatorischen Bildungsansatz.“ (https://www.vhsktn.at/volkshochschulen/detail/C13/leit-bild, Stand: Mai 2018)

Der emanzipatorische Bildungsansatz lässt sich dabei bis zu Immanuel Kant zurückverfolgen, der bereits 1784 in seiner „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ festhielt:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus einer selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Lei-tung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursachen derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Ent-schließung des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ (Zitiert nach Oelschlä-gel: 2013, 240)

Page 23: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 21

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Kants Emanzipationsbegriff lässt sich in den frühen ArbeiterInnenbildungsprogrammen und in den Leitbil-dern verschiedener Volkshochschulen widerfinden:

„Grundgedanke gewerkschaftlicher Bildungsarbeit ist, dass sie Menschen, die in abhängigen Beschäfti-gungsverhältnissen stehen, dazu befähigen will, die Interessen ihrer Klasse (kollektive Emanzipation) und ihre eigenen Interessen (individuelle Emanzi-pation) vor allem im Betrieb, aber auch in der Gesell-schaft zum Nutzen der abhängigen Beschäftigten zu vertreten.“ (Derichs-Kunstmann: 2011, 510)

Dass die Volkshochschulen nicht immer davor gefeit sind, selbst der Cashcow hinterherzujagen, liegt vermut-lich in der Natur der Sache, da neoliberale Überlegun-gen sich bereits im Alltag latent manifestieren konnten. Das Ausmaß dieses Einflusses auf die Gesellschaft lässt sich anhand der zahlreichen ökonomischen Termini in diesem Artikel ausmachen, die unreflektiert verwendet und verstanden werden. An dieser Stelle muss festgehal-ten werden, dass die Kärntner Volkshochschulen, ebenso wie die anderen Volkshochschulen, nicht den Luxus ge-nießen, sich zur Gänze von jeglicher Wirtschaftlichkeit verabschieden zu können. Jedoch ist es essentiell, diesen neoliberalistischen Einfluss mittels Reflexion sichtbar zu machen und den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Aufgaben zu stellen, nicht das System – ganz nach dem Motto: „Geht’s den Menschen gut, geht’s der Wirt-schaft gut.“

EIN VERBINDUNGSMANAGER AUF EU-, BUNDES- UND LANDESEBENE

Auf der Meso-Ebene fungieren die Kärntner Volks-hochschulen als Verbindungsstück zwischen EU-, Bundes- und Landespolitik. Die Bildungsvorgaben der unterschiedlichen Politikinstanzen werden im Erwach-senenbildungsbereich für die lokalen Bedingungen vor Ort adaptiert zur Umsetzung gebracht. Bedürfnisse so-wie Bedarfe der lokalen Zielgruppe sind dabei besonders zu berücksichtigen, um Bildung situations- und teilneh-merInnenadäquat zu gestalten. Dadurch können mehr Menschen Bildungsangebote wie Basisbildung oder auch Lehrgänge zum Nachholen des Pflichtschulab-schlusses in Anspruch nehmen. Politische Bildung, nicht parteipolitische Bildung, ist dabei ein fixer Bestandteil jeder pädagogischen Arbeit. Schließlich wurde der Be-griff „kritisches Denken“ in den vergangenen Jahren viel zu oft als Legitimation für Verschwörungstheorien und Schwarz-Weiß-Malerei von Seiten der Politik und der Gesellschaft missbraucht. So heften sich beispielsweise sämtliche Pegida-Bewegungen die Kunst des kritischen Denkens auf die Fahnen und rechtfertigen damit ihre de-mokratiefeindlichen Überzeugungen.

SOLIDARITÄT IN EUROPA BEGINNT IN DEN KURSRÄUMEN DER BASISBILDUNG

Gerade Bildungsangebote, die durch öffentliche Mit-tel gefördert und so oftmals kostenlos angeboten werden können, ermöglichen die Erschließung bildungsbenach-

teiligter Personen, denen die Erwachsenenbildung zu elitär oder zu teuer geworden ist. Trotz anfänglicher Vor-urteile und Ressentiments gegenüber anderen Teilneh-merInnen aus marginalisierten Zielgruppen steht für die TeilnehmerInnen mit unterschiedlichen Biografien und Sozialisationen ein gemeinsames Bildungsmotiv im Vor-dergrund. Solche Angebote wirken zum einen Ressenti-ments, Verschwörungstheorien, Grenzen, Hierarchisie-rungen oder Individualisierungsprozessen entgegen, da diese im Rahmen des andragogischen Angebotes thema-tisiert und hinterfragt werden können, und steigern zum anderen den sozialen Zusammenhalt marginalisierter Personengruppen, da sie einer Entsolidarisierung entge-genwirken.

Als Vermittler obliegt es hier auch den Kärntner Volks-hochschulen, diesen vermehrten Bedarf öffentlichen Stellen zu kommunizieren: selbstständig auf Landes-, mit dem VÖV auf Bundes- und mit EAEA und anderen Erwachsenenbildnern in Europa auf EU-Ebene.

DAS EINENDE ÜBER DAS TRENNENDERuft man sich die vergangenen Wahlschlachten in

Erinnerung, so entstand beinahe der Eindruck, dass sich zwischen den dichotomen Wahrnehmungen nicht mehr viel Platz findet. Ultimative Wahrheitsansprüche auf der einen wie auf der anderen Seite ließen kaum Raum für Graustufen – und für Farben sowieso nicht.

Wie weit derartige Polarisierungen gehen können, lässt sich anhand der Abtreibungsdebatte 1989 in Boston nachvollziehen. Die Front zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen galt schlussendlich als so verhärtet, dass es zu Übergriffen und auch vereinzelt zu Anschlä-gen auf Abtreibungskliniken kam. Daraufhin gründete Familientherapeutin Laura Chasin das „Public Conver-sations Project“, dessen Ziel es war, die verloren geglaub-te Gesprächsbasis zwischen den gegensätzlichen Partei-en wiederaufzubauen. Kurz zusammengefasst war die Methode darauf ausgerichtet, die gegnerischen Parteien mit der Auflage, über alles zu reden was außerhalb des Themas Abtreibung liegt, zu einem gemeinsamen Event zu laden. Diese Vorgabe garantierte die Sicherstellung, dass die TeilnehmerInnen, die dadurch nicht wussten, wer welche Einstellung vertritt, sich über andere The-men unterhielten und so Gemeinsamkeiten feststellen konnten. Nach und nach erfolgte die Lockerung der Auf-lagen; doch trotz gegensätzlicher Positionen vermochte die ursprüngliche Aggressivität nicht mehr aufzukei-men, denn die TeilnehmerInnen hatten nun einen per-sönlichen Bezug zueinander, kannten die unterschiedli-chen Hintergründe, Geschichten und Lebensläufe. Ziel des Projektes, das in zahlreichen Neuauflagen zu unter-schiedlichen Themen wiederholt wurde, war es nicht, die TeilnehmerInnen zu überzeugen, sondern eine solida-rische Basis untereinander zu schaffen, die Gespräche wieder zuließ. Wer sich mehr mit dem Public Conversa-tions Project auseinandersetzen möchte, kann hier wei-terlesen: https://participedia.net/en/organizations/public-conversations-project

Page 24: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

22 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Flogoskeri utschi isch-kola le burgendlanditike romdenar Die Volkshochschule der burgenländischen RomaDas Ziel der 1999 als Teilorganisation der Burgenländischen Volkshochschulen gegründeten Volkshochschule der Burgenländischen Roma (VHS-Roma) ist es, ein Bildungsangebot für Roma und Nicht-Roma, die an der Sprache und Kultur der Volksgruppe interessiert sind, zu schaffen, und Begegnungen und Austausch zwi- schen Roma und Gadsche (Nicht-Roma) zu fördern.

Betrachtet man den„UNESCO Atlas der gefährdeten Sprachen“, findet man Roman als definitiv gefährdete Sprache in Stufe 2 gereiht. Bei dieser Aufreihung muss man jedoch beachten, dass alle in Europa gesprochenen Romandialekte als eine Sprache ver- standen werden. Als besonders gefährdet kann das Burgenland-Roman definiert werden, da die Anzahl der Menschen, die Burgenland-Roman als Muttersprache sprechen, schon heute sehr gering und tendenziell weiter rückläufig ist.

Horst Horvath/Peter Liszt

Schwerpunkt

DIE VHS IM ZEICHEN DER DEMOKRATIEAuch wenn die Angebote der Kärntner Volkshoch-

schulen nicht einen therapeutisch-professionellen Rahmen wie das Public Conversations Project bieten können, so schaffen sie doch eben diesen neutralen Boden, der maßgeblich dazu beiträgt, unterschiedliche Ideologien und Meinungen zusammenzubringen. So findet sich in einem Nähkurs für AnfängerInnen bei-spielsweise die Chefin eines mittelständischen Kärnt-ner Unternehmens und der Raumpfleger der benach-barten Firma. Im Spanisch-Kurs sitzen sich zahlreiche politisch unterschiedlich sozialisierte Personen gegen-über und beginnen, nach der ersten Phase des Ken-nenlernens, zu politisieren – jedoch auf einer respekt- und verständnisvollen Ebene. Gleiches lässt sich auch aus den Pflichtschulabschluss-Lehrgängen berichten, wo das Bildungsmotiv der TeilnehmerInnen vorder-gründig ist, und nicht die ethnische oder religiöse Zu-gehörigkeit.

Mit diesem organisierten Raum zum gegenseitigen Kennenlernen einer jeden Volkshochschule können keine Sprachlern-App, keine E-Learning-Plattform und auch keine rein berufsbildende Einrichtung je-mals mithalten. Gleichzeitig sind diese Räume heut-zutage Mangelware und gehören geschützt und geför-dert, um soziales Miteinander zu stärken.

Dieser neutrale Boden der Kärntner Volkshochschulen mit über 50 Kursorten in ganz Kärnten ist der Nähr-boden von Solidarität und sozialem Zusammenhalt. Die Arbeit der Volkshochschulen lässt sich somit nicht ausschließlich anhand wirtschaftlicher Faktoren oder Businessplänen messen und manche mögen diese He-rangehensweise vielleicht auch als naiv bezeichnen, doch auf jeden Fall ist sie essentiell für eine solidari-sche Gesellschaft, die heute immer mehr droht ausein-anderzudriften. //

QuellenSchui, Herbert & Blankenburg, Stephanie (2002): Neoliberalismus.

Theorie, Gegner, Praxis. Hamburg: VSA Verlag.

Oelschlägel, Dieter (2013): Emanzipation. In: Dieter Kreft, Ingrid Mielenz, Wörterbuch Soziale Arbeit. Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Me-thoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik (S. 239–241, 7. Auflage, Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

Derichs-Kunstmann Karin (2011): Gewerkschaftliche Bildungsarbeit. In: Rudolf Tippelt, Aiga von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbil-dung/Weiterbildung (S. 507–513), 5. Auflage, Wiesbaden: VS Verlag.

1. TSCHIB – SPRACHEDaher bilden die Roman-Sprachkurse und -work-

shops eines der zentralen Angebote der VHS-Roma. Sie werden auf verschiedenen Niveaus angeboten: Es gibt Schnupperkurse, Kurse für AnfängerInnen und Kurse für Fortgeschrittene. Zielgruppe der Sprachkurse sind alle interessierten Personen. Besonders wird versucht, BehördenvertreterInnen, SozialarbeiterInnen oder Pro-jektleiterInnen, die mit Roma arbeiten, sowie Roma, die ihre Sprache erlernen möchten, anzusprechen.

2. ANGLEVAKERIPE TAJ KENVAKERI PRESENTACIJA – VORTRÄGE UND BUCHPRÄSENTATIONEN

Weitere Angebote der VHS-Roma stellen Veran-staltungen zur Belebung und Erhal tung der Kultur der Burgenland-Roma dar. Da die Anzahl der im Bur-genland lebenden Roma seit dem Porajmos (Eigenbe-zeichnung der Volksgruppe für den Völkermord an den europäischen Roma und Sinti in der NS-Zeit) bis heute sehr gering ist, stellen Erhalt und Wiederbelebung der

Page 25: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 23

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Kultur einen Schwerpunkt in der Arbeit der VHS-Roma dar. Dies geschieht etwa bei öffentlichen und moderier-ten Gesprächen mit Überlebenden des Holocaust, durch Lesungen aus Texten und Büchern von und über Roma, Gedenkveranstaltungen, Filmvorführungen, Artikeln in der „Roma-Cajtung“ (Vereinszeitung) etc.

Weiters trägt die VHS-Roma durch die Entwicklung von Ausstellungen zum historischen und kulturellen Selbstbewusstsein der Roma-Community bei. Mit die-sen Ausstellungen werden aber auch viele Nicht-Roma angesprochen, die über Kultur und geschichtliche Zu-sammenhänge informiert werden. Bisher wurden drei größere Ausstellungen realisiert, die ein breites Publi-kum erreichten und jede auf ihre Art neue Wege bei der Vermittlung von Kultur, Geschichte und sozialer Situati-on der Roma beschritten.

Als erstes Ausstellungsprojekt konnte „ROMA 2000“ re-alisiert werden. Diese Ausstellung wurde als Ergänzung, aber auch als Replik zur Burgenländischen Landesaus-stellung von 2000, „Vom Kult der Gewalt zur Kultur des Friedens“, entwickelt, welche die regionalen Konflikte zur Gänze aussparte. „ROMA 2000“ wurde zur ersten digitalen Kulturdokumentation der Roma ausgeweitet.

Abb. 1: Ausstellungsplakat zu ROMA 2000Foto: Andreas Lehner

Abb. 2: Ausstellung ROMA 2000 im OHO, 2000 Foto: Andreas Lehner

Die in weiterer Folge entwickelten Unterrichtsmateriali-en in Form von CDs und DVDs sind bis heute in vielen Schulen im Einsatz. Zahlreiche andere Vereine und Initi-ativen bauten in der Folge ähnliche Darstellungen der Ge-schichte und Kultur der Roma auf der Basis von ROMA 2000 auf. Darüber hinaus wurde eine für Kinder leicht verständliche Version entwickelt. Kernelemente der Aus-stellung wurden schließlich auch als eigene Website on-line gestellt: www.burgenland-roma.at. Wegen der über-aus positiven Resonanz und der anhaltenden Nachfrage erfolgte im Jahr 2012 ein Relaunch der Website.

Abb. 3: Präsentation der Ausstellung ROMA 2000 im Europäischen Parlament in Brüssel, (von re nach li) Angela Kocze, MEP Christa Prets, Prof. Rudolf Sarközi, Tina Nardai, MEP Hannes Swoboda, Andreas Lehner und Mag. Dr. Christa Achleitner, 2004. Foto: VHS-Roma

Abb. 4: Ausstellung „ein Güterweg und eine fracht“ im OHO, 2005Foto: Andreas Lehner

Das zweite Ausstellungsprojekt mit dem Titel „ein güter-weg und eine fracht“ (2005) stellte zehn Jahre nach dem Attentat in Oberwart und 60 Jahre nach Ende des Natio-nalsozialismus die Geschichte der Volksgruppe in Ober-wart dar. Hierfür wurde auch ein völlig neuartiges nied-rigschwelliges Ausstellungsbegleitkonzept (Begleitung durch die Ausstellung durch jugendliche Roma und Nicht-Roma) mit vielen partizipativen Elementen entwickelt.

Page 26: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

24 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Abb. 5: Präsentation des Buches Katzenstreu, Lesung von Stefan Horvath, 2007 Foto: Andreas Lehner

2010 begann die Realisierung der dritten Ausstellung mit dem Titel „RomaKinderWelten“ (2010 bis heute): eine Ausstellung, die sich speziell der Frage annimmt, wie die Kindheitssozialisationen von Angehörigen der Volksgruppe der Roma verlaufen sind, und ob sich tendenziell in den letzten 70 Jahren Änderungen ab-gezeichnet haben. Dieses Projekt wurde 2010 erstmals gezeigt und wird an weiteren Ausstellungsorten um neue Interviews und Ausstellungsstücke erweitert.

Abb. 6: Symposium „Roma-Kinderwelten“, 2008 Foto: Andreas Lehner

Abb. 7: Schukar kirati use amende – Guten Abend bei uns, Sprachforscher und Weltenbürger Mozes Heinschink im Ge-spräch mit Manuela Horvath (Mitte) und Susanne Horvath, 2009Foto: Horst Horvath

Abb. 8: 10 Jahre Volkshochschule der Burgenländischen Roma, (von li. nach re.): Mag. Eva Schwarzmayer, Manuela Horvath, Hans Samer und Band, Feri Janoska und Band, Giesela Horvath, Horst Horvath, Erich Schneller und Andreas Lehner, 2009Foto: VHS-Roma

Abb. 9: Gedenkveranstaltung zum Roma-Attentat von Oberwart, Ludwig Horvath, 2012 Foto: Horst Horvath

Abb. 10: Studienreise nach Zagreb, Julius Horvath im Gespräch mit einer Romni, 2012Foto: Andreas Lehner

Page 27: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 25

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Abb. 11: Symposium anlässlich des Internationalen Romata-ges, (von li. nach re.): Gilda-Nancy Horvath, Mag. DDr. Gernot Haupt, MAS, Mag. Barbara Tiefenbacher, Univ.-Prof. Dr. Erika Thurner, Joszef Pálfy und Erich Schneller, 2012 Foto: HP

Abb. 12: Konzert anlässlich 20 Jahre Anerkennung, Diknu Schneeberger Trio, 2013 Foto: Julius Horvath

Abb. 13: Eröffnung der Dauerausstellung im Dorfmuseum Mönch-hof, (von li. nach re.): Gabriel Maria Hofstätter, Pepo Hauben-wallner, Gertraud Liesenfeld, Andreas Lehner, Stefan Horvath, Gerhard Resch und Horst Horvath, 2013. Foto: VHS-Roma

Abb. 14: Eröffnung des Roma-Info-Point in Oberwart, (von li. nach re.) Andreas Lehner, Horst Horvath, StaatssekretärDr. Josef Ostermayer, Nationalrat Oswald Klikovits, Landtags-abgeordneter Gerhard Pongratz, Bürgermeister Georg Rosner, Mag. Terezija Stoisits und Prof. Rudolf Sarközi, 2013 Foto: VHS-Roma

Abb. 15: Sprache des Gaumens, Besucher mit Tina Nardai und Peter Liszt (re.), 2013 Foto: Horst Horvath

Abb. 16: Roman-Sprachkurs, Susanne Horvath beim Sprachkurs, 2014 Foto: HP

Page 28: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

26 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Abb. 17: Konzert von Harri Stojka – India Express in Bildein, 2014 Foto: Horst Horvath

In der Arbeit der VHS-Roma werden neue Konzepte der Kommunikation zwischen Roma und Nicht-Roma er-probt. Beispielsweise wird ein moderierter Stammtisch angeboten, der 2009 eingeführt, zunehmend beliebter wurde und bis heute fortgeführt wird. Interessante Per-sönlichkeiten aus der Roma-Community berichten da-bei über ihre Tätigkeiten und Erfahrungen.

Ergänzend und für ein etwas anderes Publikum bie-tet das Café Roma der Mehrheitsbevölkerung oder der Volksgruppe einen Rahmen, ihre literarischen Werke über bzw. von Roma vorzustellen.

In diesem Format werden wissenschaftliche Arbeiten von und über Roma präsentiert und diskutiert.

Wie auch in der Mehrheitsbevölkerung boten Feste stets einen Anlass, um Kultur, Tradition und das Mit-einander zu pflegen. Deshalb entschied sich die VHS-Roma zur Wiederbelebung des Roma-Balles im Süd-burgenland. Da der „Verein Roma Oberwart“ den sehr beliebten Roma-Ball nicht mehr organisieren wollte oder konnte und er einige Jahre lang nicht stattfand, übernahm im Jahr 2011 auf Anregung mehrerer Roma die VHS-Roma diese Aufgabe.

Durch Studienreisen, welche seit mehreren Jahren durchgeführt werden, versucht die VHS-Roma, die Gesamtheit der europäischen Roma, aber auch die je-weilige Situation der Volksgruppe in den verschiedenen Ländern zu betrachten. Die Reisen vermitteln Einblicke in die Lebenssituationen der Roma in anderen Staaten wie Rumänien, Ungarn, der Slowakei, Polen, Kroati-en, Serbien und 2015 in Deutschland. Sie vertiefen das Wissen um die Lebensrealitäten in diesen Ländern und dienen der Vernetzung zu anderen Volksgruppenorga-nisationen.

Abb. 18: Romaball, Romakönigin 2015 Stacy Baranayi, 2015Foto: Andreas Lehner

Abb. 19: Romaball, Tänzerinnen der Gruppe Antal Kopár Band, 2016 Foto: Andreas Lehner

Page 29: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 27

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

3. DIVESESKERO TALALINIPE – TAGUNGENAber nicht nur durch Studienreisen versucht man

dieses Ziel zu erreichen, sondern auch durch das jährlich stattfindende Symposium zum Internationalen Roma-tag. Diese Tagungen gestalten sich als hochkarätig besetz-te Publikumsgespräche, die aktuelle Themen im Zusam-menhang mit der Roma-Minderheit aufgreifen und nach Möglichkeit Verbesserungen zu initiieren versuchen.

4. ROMA CAJTUNGDie „Roma Cajtung“ dokumentiert die Arbeit der

VHS-Roma und macht diese nachvollziehbar. Seit mehr als einem Jahrzehnt sind wir darum bemüht, das Wissen um die Geschichte und Kultur der Roma einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies gelingt uns unter anderem mit aktuellen Berichten aus Österreich und Europa. Die VHS-Roma ist relativ erfolgreich, weil es dem engagierten Team gelingt, Formen und Metho-

den zu entwickeln, die sowohl die Roma als auch die Nicht-Roma ansprechen. Jedoch muss an diesen Strate-gien permanent weitergearbeitet werden, um den ge-sellschaftlichen Veränderungen gerecht zu werden.

ARDIKIPE – AUSBLICKDie bisher sehr erfolgreichen Strategien, die zur An-

erkennung als Volksgruppe und zur politischen Akzep-tanz geführt haben, werden den Ansprüchen und der gesellschaftlichen Realität des 21. Jahrhunderts freilich nicht mehr gerecht. Neue Kommunikationsformen, neue Inhalte und das selbstbewusste Auftreten einer neuen Generation der Roma sind notwendig, um nach der Phase der gesetzlichen Gleichstellung auch nach-haltig die Vorurteilsstrukturen auf Seiten der Mehr-heitsbevölkerung zu verringern und durch Bildung und Selbstbewusstsein die gesellschaftliche Gleichstel-lung der Roma weiter voranzutreiben. //

URBANE HERAUSFORDERUNGDoch was sich in der Dorfgemeinschaft leichter ver-

wirklichen lässt, wird in der Komplexität einer Groß-stadt rasch zur logistischen, rechtlichen und kommuni-kativen Herausforderung. Was am Land oft schon durch einen einzigen Anruf beim Gemeindeamt beantwortet werden kann, weil man sich und die Gegebenheiten ohnehin kennt, ist in der Großstadt meist schon in der Abklärung ein zeitaufwändiges Projekt: Wen muss ich fragen, wenn ich die Bäume in meiner Straße ehrenamt-lich pflegen will? Wie finde ich Gleichgesinnte, wenn ich Volksschulkindern den richtigen Umgang mit Hunden beibringen möchte? Wofür hafte ich dann womöglich?

Brauche ich eine Genehmigung für einen Tai-Chi-Kurs im Park? Von wem? Darf ich meine Spazierwege durch Wien filmen und auf Facebook stellen? Und nachdem mit allen Taten auch eine professionelle Kommunikation einhergehen sollte – wie genau schreibe ich einen Blog? Muss ich eine Pressekonferenz irgendwo anmelden?

DAS GLÜCK DER GUTEN TATJe mehr Unterstützung es für Menschen gibt, die sich

für das gute Zusammenleben einsetzen, desto mehr zi-vilgesellschaftliches Engagement kann wachsen und desto mehr neue Initiativen können erfolgreich verwirk-licht werden. Und je eher nehmen sich Menschen selbst als wirksam wahr – ungeachtet dessen, ob sie reich oder beruflich erfolgreich sind. Und Selbstwirksamkeit – da-rüber sind sich alle PsychologInnen einig – ist einer der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Wer die eigenen Pläne verwirklichen kann, muss sich nicht über die Bar-rieren grämen, die im Weg stehen. Man überwindet sie einfach.

Und am besten überwindet man Hindernisse ge-meinsam. Viele Köpfe bringen viele Perspektiven ein – je unterschiedlicher und vielfältiger eine Gruppe ist, desto mehr und bessere Lösungsmöglichkeiten können gefun-den werden. Und je mehr Pläne verwirklicht werden, die der Allgemeinheit zu Gute kommen, desto mehr Men-schen können sehen, dass es durchaus möglich ist, etwas zum Positiven zu verändern. Schulterzucken ist out – Anpacken ist in!

SELFEMPOWERMENTMit der Akademie der Zivilgesellschaft haben die

Wiener Volkshochschulen mit Unterstützung der Stadt Wien im Jahr 2016 eine Einrichtung etabliert, die genau an diesem Punkt ansetzt. Wer sich freiwillig engagieren möchte, sollte das so einfach und mit so viel Unterstüt-zung wie möglich tun können. In den Lehrgängen der Akademie erarbeiten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer alle Fähigkeiten, die sie für den Projektstart

Die Kunst des guten Zusammenlebens Die Stadt Wien und die Wiener Volkshochschulen haben früh erkannt, wie wichtig ehrenamtliches Engagement für ein gelungenes Zusammenleben ist. Mit der Gründung der Akademie der Zivilgesellschaft wurden Strukturen und Rahmenbedingungen geschaffen und gefördert, um die Zivilgesellschaft bestmöglich zu unterstützten. Das erklärte Ziel: alle Bevölkerungsgruppen sollen sich konstruktiv in den Gestaltungsprozess unserer Gesellschaft einbringen können.

Brigitte Pabst

Schwerpunkt

Page 30: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

28 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

oder die Weiterentwicklung eines bereits bestehenden Projekts benötigen. Im Mittelpunkt steht dabei stets das Selfempowerment der TeilnehmerInnen. Dass dies ge-lingt, zeigt auch eine Evaluation aus dem Jahr 2016, die zu dem Schluss kommt, dass „die TeilnehmerInnen Ge-legenheit fanden, als Personen neue Kompetenzen zu er-werben bzw. weiterzuentwickeln.“ Für den nachhaltigen Erfolg der entstandenen Initiativen sorgt eine kontinu-ierliche Betreuung auch nach dem Ende eines Lehrgangs. Mit dem Netzwerk Zivilgesellschaft bietet die Akademie den AbsolventInnen eine etablierte Plattform, auf der sie sich mit anderen AkteurInnen der Zivilgesellschaft austauschen können. Die Evaluation kommt zu dem Schluss, dass „die Akademie ein Netz zu freiwilliger Ar-beit geknüpft hat und dabei gleichsam als Bühne und Be-gegnungszone funktioniert. Sie lässt bestehende Organi-sationen auftreten, die sonst kaum derart konkurrenzfrei aufeinandertreffen würden.“

DIE SCHAFFENSKRAFT VON GRÜNDUNGSPERSÖNLICHKEITEN

Mit ihrem Lehrgangsangebot richtet sich die Akade-mie in der historischen Tradition der Wiener Volkshoch-schulen an ein breites Bevölkerungsspektrum. Gemein-sam ist ihnen der Wunsch, etwas Neues, Positives auf die Beine zu stellen. Ob pensionierter Manager, Ange-stellte oder Studierende – sie alle können die Lehrgän-ge besuchen, unabhängig von ihrem materiellen Status, ihrer Vorbildung oder ihrer Herkunft. So vielfältig die TeilnehmerInnen, so vielfältig auch die entstandenen Projekte. So hat Walter Brenner im Frühjahrslehrgang 2016 das Projekt „Geben für Leben“1 weiterentwickelt, durch das die Zahl der in Österreich registrierten Stamm-zellenspenderInnen erhöht werden sollte. Über 50.000 zusätzliche SpenderInnen konnten mittlerweile in die weltweit verfügbare Datenbank aufgenommen werden. 58 Menschen, darunter vielen Kindern, konnte dadurch das Leben gerettet werden. „Der Akademielehrgang hat mir klargemacht, dass Projektmanagement seine Be-

rechtigung hat, um eine Idee erfolgreich in die Realität umzusetzen. Alleine hätte ich es nicht geschafft“, zieht Walter Brenner eine positive Bilanz.

WISSENSTRANSFER UND BEST-PRACTICE-BEISPIELE

Die Autorin Petra Piuk hat im Herbstlehrgang 2017 das Projekt „Schreiben am Markt“2 konzipiert. In Schreibworkshops am Viktor-Adler-Markt in Wien-Fa-voriten wird Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, der Erstsprache oder ihren Einkommensver-hältnissen ein einfacher Zugang zum kreativen Schrei-ben ermöglicht. „Ich bin ein Mensch mit vielen Ideen. Im Akademie-Lehrgang habe ich gelernt, mich auf eine Idee zu fokussieren und die dann auch umzusetzen“, erklärt Piuk, die bereits eine Fortsetzung bzw. Ausweitung ihres Projekts andenkt.Für alle Projekte gilt: Hat sich eine Initiative bewährt, wird das Know-how weitergegeben und anderen zur Verfügung gestellt. Der Transfer von Wissen sowie die Kooperation mit bereits etablierten AkteurInnen der Zi-vilgesellschaft zählen zu den zentralen Erfolgsfaktoren. Nur wer seine Erfahrungen mit anderen teilt, profitiert auch vom Know-how anderer und trägt gleichzeitig dazu bei, dass das Rad nicht immer wieder neu erfun-den werden muss. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Akademie der Zivilgesellschaft selbst: Sie kann mit ih-rem Konzept als Best-Practice-Beispiel für andere Groß-städte dienen.

ÖSTERREICHWEITE WIRKSAMKEITZwei in der Akademie entstandene Projekte entfalten

ihre Wirksamkeit bereits für ganz Österreich. „Die Aka-demie hat beim Aufbau unseres Projekts eine sehr wert-volle Starthilfe geleistet und uns durch ihr Netzwerk die Möglichkeit gegeben, andere ehrenamtliche Initiativen kennenzulernen“, sagt Absolventin Michaela McClain. Mit der von ihr mitentwickelten Online-Plattform www.zeig-initiative.at3 werden Freiwillige und Projekte, die

1 https://www.gebenfuerleben.at/

2 http://petrapiuk.at/projekte/

3 https://www.zeig-initiative.at/startseite

Miteinander reden Foto: VHS Wien

Page 31: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 29

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Weitere Informationen zur Akademie und zu den dort entwickelten Projekten: www.zivilgesellschaft.wien

ehrenamtliche MitarbeiterInnen suchen, miteinander vernetzt. Roland Loidl wiederum bietet mit seinem im Frühjahrslehrgang 2016 konzipierten Institut für Perso-nenbetreuung unabhängige Beratung für in Österreich tätige 24-Stunden-Pflegekräfte an.

Weit über die Wiener Landesgrenzen hinaus strahlen auch zwei weitere in der Akademie entwickelten Pro-jekte aus: Austrian Edupreneurs von Daniela Wolf und Wolfgang Markytan bietet unter www.austrianedupre-neurs.com ein unabhängiges Netzwerk, in dem sich Ak-teurInnen der Onlinebildung darstellen und vernetzen können. Das Projekt „ich wie du“ von Bernadette Vargas-Simon und Theresa Stadlmann verschafft Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung von der Mehrheitsge-sellschaft nur selten wahrgenommen werden, auf der Website http://ich-wie-du.com ein Sprachrohr in Text und (Bewegt-)Bild. Der Projektinitiatorin Bernadette Vargas-Simon hat „die Akademie verdeutlicht, dass ich mit dem

Wunsch, die Welt ein bisschen besser zu machen, nicht alleine bin. Das hat mir neuen Antrieb gegeben.“

Und so wurden seit dem Start der Akademie der Zivilgesellschaft im Jahr 2016 bereits mehr als fünfzig Projekte für Wien entwickelt, deren Wirkung weit über die Landesgrenzen der Bundeshauptstadt hinausreicht. Und die als Best-Practice-Beispiele zum Nachahmen einladen – egal ob in der Großstadt oder in der Dorfge-meinschaft. //

Geben für Leben Foto: Geben für Leben

ich wie duFoto: ich wie du

Page 32: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

30 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Interreligiöser Stammtisch: Dialog auf AugenhöheInterreligiöse Aktivitäten haben im Bildungszentrum Saalfelden Tradition. Vor zwölf Jahren gab es erste Versuche, den VertreterInnen der christlichen Religionen Platz für Austausch zu geben. Allerdings stand damals die Diskussion untereinander im Fokus. Gleichzeitig waren einzelne Weltreligionen (Christentum, Buddhismus, Islam) im Rahmen der Lehrgänge „Freude an Bildung“ an der Volkshochschule Saalfelden Thema. Der Anklang war groß, Fortsetzungen wurden gewünscht.

Schwerpunkt

2012 holte das Bildungszentrum gemeinsam mit dem Salzburger Bildungswerk die Ausstellung „Kommt zu-sammen! Kirche, Moschee, Synagoge“ des Tübinger Grafikers und Autors Jochen Gewecke nach Saalfelden. Die Ausstellung von Fotozyklen zu Innenräumen, Au-ßenaufnahmen und Menschen aus Moscheen, Kirchen und Synagogen folgte der Idee, dass die BesucherIn-nen den Bildern der Gotteshäuser in den jeweils ande-ren Räumen begegnen, also den Bildern der Kirche in der Moschee und umgekehrt. Dieser Idee folgte auch die Ausstellungseröffnung in Saalfelden: Nicht nur die Chöre wanderten in andere Häuser, auch die Religionen

präsentierten sich an den jeweils anderen Orten. 200 be-geisterte Saalfeldnerinnen und Saalfeldner nahmen zur Eröffnung an einem Rundgang / einer Rundfahrt zu den Gotteshäusern (Evangelische Kirche, Serbisch-Orthodo-xe Kirche, ATIB-Moschee, Katholische Kirche) teil.

Immer wieder wurde der Wunsch an uns herange-tragen, diese Tradition der Begegnung der Religionen fortzusetzen. Im herrschenden Klima des Missbrauchs von Religionen durch MeinungsmacherInnen und Poli-tikerInnen beschlossen wir schließlich im vergangenen Herbst, den interreligiösen Stammtisch ins Leben zu ru-fen. Das Format wurde gemeinsam mit den christlichen Pfarrern und je einem/einer VertreterIn des Buddhismus und der Bahai entwickelt. Das Anliegen ist zum einen, den Religionen und den Gläubigen Raum und Ort zu geben, sich kennenzulernen und auszutauschen, ande-rerseits Religion und Alltagsleben näher zusammenzu-bringen. Der Stammtisch findet drei Mal jährlich rotie-rend in den Räumen der Glaubensgemeinschaften statt und wird als großer Sesselkreis und Tischen in der Mitte mit Essen und Getränken stilisiert. Der Stammtisch ist für jede und jeden Interessierte/n offen.

Jeder Stammtischtermin steht unter einem bestimm-ten Thema, das gemeinsam festgelegt wird. Die Themen sollen sich an Alltagsfragen orientieren. Auch die Teil-nehmerInnen an den Stammtischen können ihre Wün-sche deponieren. Der erste Stammtisch im Jänner 2018 widmete sich dem Thema „Zusammenleben“. Dieser entstand aus dem Wunsch, dem suggerierten Gegenei-nander der Religionen in der aktuellen Situation etwas entgegenzustellen. Ein Prinzip des Stammtisches ist es, dass die VertreterInnen der Religionen Standpunkt zum jeweiligen Thema beziehen und im Anschluss daran zunächst miteinander in Diskussion kommen. Im An-schluss daran wird bei Essen und Trinken in kleineren Gruppen diskutiert. In einer ausführlichen Abschluss-runde kann noch einmal nachgefragt, die eigenen Ge-danken dargelegt, die Diskussionsergebnisse mit den anderen geteilt werden. Weil ihm die Idee so gut gefiel, kam sogar der serbisch-orthodoxe Bischof in Österreich, Bischof Andrej, extra aus Wien zu Besuch, um dabei zu sein und sich für die Initiative zu bedanken.

Leider ist es nicht gelungen, einen Vertreter der Mo-schee miteinzubinden. Es wurde uns mitgeteilt, dass sie durch die Behörden stark unter Druck stehen, sehr viele Termine wahrzunehmen haben und einfach keine Ener-gie und Zeit verbleibe, um mitzumachen. Wir konnten jenen Vertreter, mit dem wir bereits im Rahmen der Aus-stellung „Kommt zusammen!“ zusammengearbeitet hat-ten, für ein Vorbereitungstreffen gewinnen. Allerdings kam er mit einer Absage. Für uns wurde deutlich, dass der Druck auf die muslimischen Glaubensgemeinschaf-ten dazu führt, dass sich die Institutionen und auch die dort aktiven Menschen zurückziehen. Der Rückzug ist nachvollziehbar, allerdings wäre gerade in so einer Situa-tion das Betonen des Gemeinsamen von Bedeutung. Die Stimmungsmache gegen MuslimInnen und die damit einhergehende Polarisierung wirkt also auch auf der loka-len Ebene unmittelbar auf das Zusammenleben und den Spielraum dafür, das Gemeinsame im Auge zu behalten.

Sabine Aschauer-Smolik

Schwerpunkt

Page 33: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 31

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

Lehrgang „Persönliche Zukunftsplanung in der VHS Hietzing“ Im Mai 2018 ging der Lehrgang „Persönliche Zukunftsplanung und Sozialraumorientierung“ zu Ende. Es war der dritte Lehrgang dieser Art, den ich als Lehrgangsbegleitung leiten durfte, in dem Frauen und Männer mit und ohne Behinderung zu ExptertInnen für persönliche Zukunftsplanung und Sozialraumorientierung geschult wurden. Das Lehrgangs-Konzept wurde in einem EU-Projekt („new path to inclusion“ ) mit PartnerInnen aus Österreich, Deutschland, Luxemburg, Tschechien Slovakei und Großbritannien entwickelt.

Schwerpunkt

Allerdings nehmen durchaus Musliminnen und Musli-me am Stammtisch teil! Vor allem bringen sich viele neu zugezogene ehemalige Flüchtlinge aus Syrien mit ihren Standpunkten zum jeweiligen Thema ein. Die meisten TeilnehmerInnen lauschten fasziniert den Erzählungen aus dem früheren Syrien, in dem die unterschiedlich Gläu-bigen durchaus auch miteinander die jeweiligen Fest- und Feiertage der jeweils anderen Religion mitfeierten!

Im April 2018 traf sich der Stammtisch – mittlerwei-le auf 42 TeilnehmerInnen angewachsen – zum Thema „Dankbarkeit“. Hier holten wir uns zunächst Input über den Dokumentarfilm „Erfülltes Leben – Wenn die Scha-le überfließt“ des Saalfeldners Hans Fuchs und erst im Anschluss kamen die ReligionsvertreterInnen zu Wort.

Die bisherigen Rückmeldungen der TeilnehmerIn-nen motivieren uns, den Stammtisch weiterzufüh-ren. Am 17. Oktober steht das Thema „Die Frauen in den Religionen“ am Programm. Hierfür haben wir die ReligionsvertreterInnen gebeten, nicht nur vor dem Hintergrund der Praxis der religiösen Institutionen zu berichten, sondern auch den Standpunkt der jewei-ligen Schriften mit einzubeziehen. Wie werden sich die jeweiligen VertreterInnen positionieren? Welche Anmerkungen und Forderungen werden von den an-wesenden Frauen formuliert werden? Es ist auch bei diesem Thema davon auszugehen, dass durchaus die Gemeinsamkeiten überwiegen werden. Es erwartet uns ein spannender Abend! //

Zugegeben, der Titel ist sperrig und es ist herausfor-dernd, mit kurzen, klaren Worten zu erklären, worum es im Lehrgang und bei Zukunftsplanung an sich geht. Robert Streibel, Direktor der VHS Hietzing – unserem Bildungsträger für den eben abgeschlossenen und für den kommenden Lehrgang – hat es als Beobachter so ausgedrückt: „Ich war von Anfang an interessiert, es

war toll in den Kurs zu kommen, spannend, was es da immer zu sehen gab. Aber wirklich erfassen, worum es geht, konnte ich erst durch die Abschluss-Präsentatio-nen der Absolventinnen und Absolventen.“ Darin ste-cken gleich mehrere „Geheimnisse“ von Persönlicher Zukunftsplanung: sich Zeit nehmen, anwesend sein, in Kontakt sein, auf-merksam zuhören mit der Absicht zu verstehen, was der Person, um die es geht, wirklich wichtig ist, mehr Fragen – weniger Sagen.

Das sind eigentlich kleine, selbstverständliche Dinge; eine Haltung des sich Zuwendens, neugierig sein, offen sein, sich berühren lassen. Und doch scheint in „unse-rer Zeit“ der Globalisierung, der immer engeren Tak-tung und Messung von Ergebnissen darin ein Geschenk an uns selbst und an die Menschen, die uns wichtig sind, zu liegen.

Und genau so verhält es sich mit Persönlicher Zu-kunftsplanung: die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen im Lehrgang vielfältige Methoden und Ansätze kennen, sie erproben diese und reflektieren darüber. Und parallel dazu geht es immer um den Bezug zum Eigenen: Was hat das mit mir zu tun? Wie ist das bei mir? Was macht das mit mir? Wie passt das mit meinen bisherigen Erfahrungen, meinen Überzeugungen und meinen Vorstellungen von mir und dem Rest der Welt zusammen?

Es geht also auch um Achtsamkeit und Selbstwahrneh-mung, sozusagen „mir selbst zuhören“ – mit der glei-chen Neugierde und Offenheit, mit der ich anderen begegne. Neben dieser Grundeinstellung wird Persön-liche Zukunftsplanung und somit auch der Lehrgang getragen von der Überzeugung, dass Vielfalt eine Be-reicherung ist und dass uns – in der Vielfalt und Ver-schiedenheit – im Kern mehr Dinge verbinden als uns unterscheiden.

Stefanie Miksanek

Page 34: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Schwerpunkt Zusammenhalt/Zusammenleben

32 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Eine herausragende Besonderheit im 3. Lehrgang, den ich begleiten durfte und der im Mai dieses Jahres zu Ende ging, war die Intensität von Veränderung, die sich im Leben einiger TeilnehmerInnen ergeben hat. „Der Lehrgang war eine unglaubliche Bereicherung für mich, der nicht nur meine Sichtweise in Bezug auf mei-ne Arbeit, sondern auch auf unser aller Leben verändert hat.“(Birgit)

„Für mich war die Lehrgangszeit eine phantastische, augenöffnende und lehrreiche Zeit. Mein Blick auf mich und die Welt hat sich geändert“. (Petra)

„Ich hätte nie gedacht, dass ich auf meine alten Tage so viel Neues lernen werde in einem Gebiet, wo ich der Meinung war, ich weiß schon fast alles. Ich habe mich jedesmal mehr auf die Module gefreut und hoffe, dass noch ganz viele Menschen in diesen Genuss kommen werden.“ (Klaus)

„Danke, dass Du mir durch den Lehrgang näher gebracht hast, worauf es im Leben ankommt; darauf zu achten, was mir und für mich wichtig ist und mit allen Personen, vor allem aber mit mir selbst achtsam umzugehen! Mein Leben hat sich in diesem Jahr grundlegend verändert, und das verdanke ich diesem Kurs!“ (Barbara)

„Vielen Dank für diesen sehr intensiven, lehrreichen und gefährlichen Lehrgang. Für den nächsten Kurs zur Sicherheit eine Warnung aussprechen: Wir überneh-men keine Verantwortung für jede nicht geplante Ver-änderung in eurem Leben.“ (Gabi)

„Danke für die Weiterentwicklung meines Raumes: meine Denkanstöße, meine Gefühle und mein Wille, die Dinge mit anderen Augen und Ohren zu sehen und zu hören wurden von durch den Lehrgang geschärft, dafür danke ich von Herzen!“ (Daniela)

Die methodischen Schritte der einzelnen Vorgehens-weisen haben viele Parallelen mit klassischen Coa-ching-Fragen oder Ziel-Arbeit. Wo bin ich? Wo will ich hin? Wie komme ich dahin? Was hindert mich daran?.

Dazu kommen:1. Träumen: Einmal so tun, als ob es keine Grenzen

gäbe, was wäre dann? Diese Träume geben uns eine Richtung, darin finden wir Qualitäten, die der Hauptperson wichtig sind. Für manche Menschen ist es gar nicht so einfach, sich auf dieses Träumen einzulassen. Wir brauchen aber die Träume und unsere Phantasie, wenn wir wirklich einmal etwas Neues oder etwas anders machen wollen.

2. Unterstützungskreise: Die planende Hauptperson lädt Menschen aus ihrem Umfeld ein, mit ihr über ihre Anliegen nachzudenken. In der Regel sind das die Menschen, die uns besonders wichtig sind, de-nen wir vertrauen und die besonders gute Ideen ha-ben. Im Kurs ist es mitunter ein „Übungskreis“ mit den Menschen, die gerade da sind.

Dazu braucht es schon eine große Portion Mut. Denn auch hier sind wir eher darauf eingestellt, die Dinge in unserem Leben (und auf jeden Fall die Probleme) selbst zu regeln. Wir haben wenig Übung darin, mit anderen, über eine gute Zukunft nachzudenken.

Das Schöne dabei ist, dass durch das gemeinsame Träumen, Nachdenken, Mitfühlen in einem Kreis aus achtsamen, zugewandten Menschen Ideen und Ver-bindungen entstehen, Vorhaben ermutigt werden und mitunter Dinge in die Welt kommen, die vorher nicht denkbar waren.

Auch hier sehe ich ein Phänomen unserer Zeit, dem auch Nachbarschaftsinitiativen wunderbar begegnen: in Verbindung mit dem Umfeld sein, gemeinsam, nicht alleine agieren – eine Sehnsucht, die viele teilen.

DER WERMUTSTROPFENPersönliche Zukunftsplanung wurzelt im anglo-ameri-kanischen Raum, in den Bemühungen um Deinstituti-onalisierung von Betreuungsangeboten für behinderte Menschen. Ausgehend von der notwendig geworde-nen Schließung von Großheimen hin zur Normalisie-rung und zu einem Leben mitten in der Gesellschaft, in allgemein üblichen Wohnformen. Auch bei uns wird der Ansatz überwiegend verwendet, um Veränderung im Leben von Menschen mit Unterstützungsbedarf zu ermöglichen. Persönliche Zukunftsplanung ist ein Schlüsselelement, wenn wir Inklusion verwirklichen wollen. Sie bietet einfach gute Ansätze zur Beteiligung und Ermächtigung aber auch zur Verbindung von Un-terstützungspersonen oder -systemen.

Alle bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten einen bestehenden Bezug zum Thema Behinde-rung. Der überwiegende Teil arbeitet in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Einige sind KundInnen in sol-chen Einrichtungen. Andere haben Familienmitglie-der mit Behinderung. Diese inklusive Gestaltung und Durchmischung der Lehrgänge in heterogenen Lern-gruppen ist gewünscht und eine gute Sache. Sie bringt viele neue Lernerfahrungen und Verbindungen für alle Beteiligte. Sie geht aber nicht weit genug: Es ist uns bislang nicht gelungen, diese „kritische Grenze“ zwischen Leben mit und ohne Behinderung zu überschreiten. Ich würde mir wünschen, in zukünftigen Kursen eine noch viel buntere Gruppe aus Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen zu haben. Ich bin überzeugt, dass Persönli-che Zukunftsplanung auch für andere Menschen viele Möglichkeiten zur Veränderung und zur Gestaltung einer guten, erfreulichen Zukunft bietet, dass im Lehr-gang ganz neue, ungeahnte Dinge und Verbindungen entstehen können und dass die Wahrscheinlichkeit für ungewöhnliche, ungeahnte Neuerungen in dem Maße steigt, in dem Menschen mit unterschiedlichen persönlichen und beruflichen Kontexten einander im Kurs begegnen. //

Page 35: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Bildungsthemen

Diese Worte von Regina Egetenmeyer, Professorin für Erwachsenenbildung/Weiterbildung, können als eine Conclusio der Konferenz „Lifelong Learning Policies and Adult Education Professionals. Contextual and Cross-Contextual Comparisons between Europe and Asia“ gesehen werden. In Würzburg/Deutschland kamen hier im Februar 2018 rund 100 VertreterInnen der asia-tischen und der europäischen Erwachsenenbildungsfor-schung zusammen. Dem wissenschaftlichen Komitee des ASEM-Netzwerkes gehören unter anderem Regina Egetenmeyer, Ekkehard Nuissl und Sabine Schmidt-Lauff aus Deutschland, Mike Osborne aus Schottland sowie Kamisah Osman aus Malaysia und Choi Unshil aus Korea an.

Thema dieser drei Tage waren die Positionierung der Erwachsenenbildung und Weiterbildung als Teil der politischen Agenda eines „lebenslangen Lernens (LLL)“ und die Rolle der „Adult Education Professionals“. In-nerhalb dieses Rahmens beschäftigten sich die Wissen-schafterInnen mit Globalisierung und Transnationalität, „workplace learning“, Zeit und Raum für Professionali-sierung, Professionalisierung und Marktkontexte, Inclu-sion and Equality.

KONTEXTUALISIERUNG UND NICHT-AUSSPAREN DES LIFELONG LEARNINGS, DOCH KRITISCH DISKUTIEREN

Die Kontextualisierung der Arbeit von „Adult Educa-tion Professionals“ und der Erwachsenenbildung/Wei-terbildung insgesamt war ein großes Anliegen der Ta-gung. Es geht im Zentrum darum, die Zusammenhänge zwischen nationalen und internationalen Politiken und der Praxis von Lehrenden, BeraterInnen, ManagerInnen zu sehen und gestaltbar zu machen.

ERWACHSENENBILDNERINNEN ALS „ADULT EDUCATION PROFESSIONALS“ IM ZENTRUM

Die Tätigkeit von Erwachsenenbildnern und Wei-terbildnerinnen vor Ort ist längst auch Teil internatio-naler Agenden (man denke nur an viele EU-finanzierte Projekte). Erwachsenenbildner und Weiterbildnerinnen sind laut Prof. Lesley Doyle aus Glasgow/UK auch ei-nem gewissen Druck ausgesetzt: „To lubricate the life-long learning agenda there is con-comitant pressure to impose globally-recognised professionalisation on adult education professionals, as distinct from their own pro-fessionalism“ meinte Doyle in ihrer Keynote. Diese kri-tische Perspektive auf LLL blieb aber auch nicht unwider und so entspann sich eine interessante Diskussion.

Lifelong Learning and Adult Education Professionals Eine globale Begegnung bei der ASEM-Conference 20181

„Bildungspolitische Entwicklungen für die Professionalisierung des Personals in der Erwachsenenbildung müssen dringend geweitet werden: von Kompetenzanforderungen an die einzelnen Praktiker/innen hin zur Gestaltung der notwendigen Rahmenbedingungen, die die Einzelnen benötigen, um gute professionelle Arbeit leisten zu können.“

1 The ASEM Education and Research Hub for Lifelong Learning (ASEM LLL Hub) is an official network for university cooperation in Lifelong Learning Research between Asia and Europe.

The ASEM LLL Hub's operation is a part of the ASEM education process and it is a strong partner of the Asia Europe Foundation. Siehe: http://asemlllhub.org/

Petra Steiner

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 33

Page 36: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Bildungsthemen

Bemerkenswert an der Konferenz waren das hohe Ni-veau der wissenschaftlichen Zusammenarbeit und die Breite der Perspektiven, welche sich allein dadurch auf-

taten, dass versierte Forschende aus der ganzen Welt zu-sammentrafen. Auf die weitere Diskussion der offenen Fragen darf man gespannt sein. //

INTERVIEW MIT REGINA EGETENMEYER

Was wollten Sie mit der Konferenz erreichen oder anstoßen?

Egetenmeyer: Hintergrund waren Überlegungen zu Zusammenhängen zwi-schen Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/Weiter-bildung und der Politik lebenslangen Lernens. Hierzu bietet der asiatisch-europäische Vergleich spannende Perspektiven, da es vor allem in ostasiatischen Ländern verschiedene bildungspo-litische Entwicklungen gibt, die die Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung unterstützen. Damit sollte der Blick bei Fragen der Professionalisierung in der Erwachsenen-bildung/Weiterbildung geweitet werden auf die bildungspoliti-sche Dimension.

Welches Resümee ziehen Sie aus der Veranstaltung und wie sehen geplante Aktionen der Zukunft für die diskutierten Themen Lifelong Learning, Erwachsenenbildung und Professionalisierung aus?

Egetenmeyer: Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung kann von PraktikerInnen des Feldes nicht alleine geleistet werden. Notwendig sind entsprechende unterstützende organisationale und gesellschaft-liche Rahmenbedingungen. Bildungspolitische Entwicklungen im Bereich des lebenslangen Lernens müssen dringend geweitet werden: von Kompetenzanforderungen an die einzelnen PraktikerInnen hin zu der Frage, welche Rahmenbedingungen die Einzelnen benötigen, um gute professionelle Arbeit leisten zu können. Per-sonengebundene Kompetenzen sind wichtig, aber sie sind nur ein Teil der Gesamtanforderungen an Professi-onalität in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung.

Zur Person: Regina Egetenmeyer ist Professorin für Erwachsenenbildung/Weiterbildung an der Universität Würzburg

Teilnehmende an der ASEM-Konferenz 2018: „Lifelong Learning Policies and Adult Education Professio-nals. Contextual and Cross-Contextual Comparisons between Europe and AsiaBericht und Interview: Petra Steiner

Regina EgetenmeyerFoto: Universität Würzburg

34 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Page 37: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Bildungsthemen

Lernen vor OrtUnterstützende Lernnetzwerke für Menschen in peripheren Regionen

Die Volkshochschule Steiermark ist mit ihren Zweigstel-len eine wichtige Bildungsgrundversorgerin in ländli-chen Regionen. Mit ihrem vielfältigen Angebot1 sichert sie interessierten Erwachsenen den Zugang zur allge-meinen Erwachsenenbildung und ist in diesem Sinne ein Garant für die Sicherstellung eines leicht zugänglichen Bildungsangebots. Die jüngsten Statistiken der Volks-hochschulen verweisen allgemein auf die Aktualität und die Erfolge der Volkshochschule in der Erwachse-nenbildung (vgl. Vater & Zwielehner: 2017; Huntemann & Reichert: 2016). Ob dies in der Steiermark allerdings auch in Zukunft tatsächlich regional, sozial und ange-botsadäquat durchgeführt werden kann, ist aufgrund der demographischen und finanziellen Entwicklungen in manchen Regionen fraglich. Gleichzeitig sind die derzeit noch geringe Zielgruppenorientierung (die Kursstruktur ergibt sich beinahe ausschließlich über direkte Rück-meldungen aus dem Markt), die eher noch bescheidene systematische Professionalisierung der Lehrenden und die derzeit unterentwickelten Fortsetzungsstrukturen (z. B. hin zum NQR, zu den Schlüsselkompetenzen der EU, zum Berufsbildungssystem oder in den tertiären Sektor) Handicaps auf einem professionellen Weg in die Zukunft. Diese Schwachstellen werden im Zuge einer neuen Qualitätsoffensive sukzessiv bearbeitet. Um hier allerdings auch in den einzelnen Standorten tatsächlich etwas bewirken zu können, ist eine redliche Bestands-aufnahme anhand konkreter Daten über die Zugäng-

lichkeit und die Qualität von Lerngelegenheiten in den Regionen als zentrales Element der Sicherstellung einer kommunalen Daseinsvorsorge notwendig. Im folgen-den Beitrag werden diesbezüglich erste Teilergebnisse des Projekts „Lernen vor Ort. Aufbau eines unterstüt-zenden Lernnetzwerkes für Menschen in peripheren Regionen“ (eine Zusammenarbeit der Volkshochschule Steiermark und der Karl-Franzens-Universität Graz) in Bezug auf die regionalen Entwicklungen am Beispiel der Volkshochschule in der Region Liezen bzw. ihren sieben Zweigstellen kurz vorgestellt.

PROJEKTZIELEIn diesem Projekt sollen deshalb ausgewählte Re-

gionen der Steiermark einer sorgfältigen Analyse der Bedarfe und Angebote unterzogen werden, um daraus Ableitungen für die konkrete Entwicklung der VHS-An-gebotsstruktur zu ermöglichen. Die VHS wird hierbei als wesentlicher Motor in einer bildungsspezifischen Regi-onalisierungsentwicklung gesehen und ist deshalb nicht nur ein Akteur unter vielen, sondern sie ist vielmehr wie ein Kapillarsystem zu sehen, das bis in die kleinsten Kommunen „Bildungsnährstoffe“ führt. Dieses Kapillar-system gilt es stärker zu erkennen und mit den es umge-benden Bereichen von Politik, Sozialraum, Kultur und Freizeit abzugleichen. Hier sind konkret die Rahmenbe-dingungen (Ressourcen, Rollen und Aufgaben) für ein Lernen vor Ort jeweils zu bestimmen und mit den Zielen der VHS vor Ort zu verbinden. Konkret geht es um fol-gende Kernelemente des programmatischen Anspruchs der VHS als Initiatorin von „Lernen vor Ort“:

• Erhebung der Grundbedingungen in den Regionen: Um Schritte in eine mögliche Entwicklungsstruktur festlegen zu können, ist es essentiell, die Angebote und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens, die in den Kommunen existieren, in einem kommunalen Bildungsmonitoring abzubilden und mit den demo-graphischen Variablen in Bezug zu bringen. Gerade im Bereich der non-formalen Bildung ist dies vor dem Hintergrund der Datenlage schwierig. Veranstal-tungsorte erheben und sehen, wie hier die Dynamik ist.

• Entwicklung von Modellen für ein zukünftiges Ler-nen vor Ort durch die VHS: Periphere Regionen sind in der Regel davon betroffen, dass eine Spirale des Verlusts ihnen immer stärker Handlungsmöglichkei-ten raubt (der Mangel an spezifizierten Arbeitsplät-zen und demographische Entwicklungen führten zu

Sarah Aldrian, Karin Fließer, Rudolf Egger, Martin Bauer

1 Themenbereiche: Politik, Gesellschaft und Selbstkompetenz; Lernkompetenz inklusive Basis- und Grundbildung; Natur, Wissenschaft, Nachhaltigkeit und Technik; Digitale Kompetenz (Computer, Internet, Wirtschaft und Verwaltung); Sprachen, Deutsch und Integration; Kulturelle, künstlerische und kreative Kompetenz; Gesundheitskompetenz, Ernährung und Bewegung; Elternakademie (Eltern und Kind)

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 35

Page 38: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Bildungsthemen

36 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

multiplen weiteren Verlusten). Hier wird es nun da-rum gehen, Bedingungen des Lernens vor Ort im Le-benslauf zu analysieren und erfolgskritische Faktoren zu erarbeiten, um neue Möglichkeiten der VHS in der Unterstützung der Prozesse eines Lernens vor Ort zu entwickeln. Die Frage wird dabei sein, wie die Stärken der VHS (Begegnungen organisieren und moderieren oder das Gefühl einer persönlichen Note in Lernpro-zessen ermöglichen, mit neuen Formen des Lernens (kooperativ oder digital und online unterstützt) in neuen Formaten ermöglicht werden können. Dazu sind vier Phasen vorgesehen:

• Phase 1: In einer ersten Projektphase werden Da-ten aus den Standorten zu den Bereichen Demogra-phie, Bildungsverhalten und Sozialraum analysiert. Zusätzlich werden Gespräche mit ExpertInnen der einzelnen Standorte zum regionalen Umfeld und Gespräche mit nationalen und internationalen Ex-pertInnen zur Erkundung von Best-Practice-Beispie-len geführt.

• Phase 2: Basierend auf den Ergebnissen dieser Ana-lysen werden einzelne Regionen in der Steiermark ausgewählt, die in einer zweiten Projektphase genau-er untersucht werden. Um die Bildungsbedürfnisse von Menschen, Verwaltungs- und Vereinseinheiten in den Regionen zu ermitteln, werden standardisierte (Online-)Befragungen durchgeführt.

• Phase 3: In der dritten Projektphase sollen auf der Grundlage der bisher erhobenen Daten bzw. Analy-sen Fallstudien mit unterschiedlichen Schlüsselak-teuren durchgeführt werden.

• Phase 4: Die entwickelten Modelle und Lernformate für die einzelnen Regionen werden schließlich in ei-ner vierten Projektphase in den Regionen umgesetzt und im Rahmen einer formativen und summativen Evaluation wissenschaftlich begleitet.

LEBENSNAHES LERNEN AN DER VOLKSHOCHSCHULE

Gesellschaftliche Teilhabe in ländlichen Räumen zu realisieren, ist nicht erst in den letzten Jahren zu einer Herausforderung für zivilgesellschaftliche und politi-sche AkteurInnen geworden. Soziodemographische Ent-wicklungen in den Regionen erschweren es zudem, wirt-schaftlich und sozial erfolgreiche Strukturen aufrecht zu erhalten. Bildung ist ein einflussreicher Faktor, wenn es darum geht, Perspektiven für die Bevölkerung und wirtschaftliche Akteure in einer ländlichen Region wie Liezen zu schaffen und einer immer älter werdenden Be-völkerung auch zukünftig lebenslanges Lernen und Par-tizipation zu ermöglichen. Der Volkshochschule gelingt es besonders, Personen der Bevölkerungsgruppe 50+ zur Weiterbildung zu motivieren. Im Gegensatz zum öster-reichweiten Trend hat in den Volkshochschulen in Lie-zen keine „`Verjüngung´ des Volkshochschulpublikums“ (Vater & Zwielehner: 2017) eingesetzt.

Abbildung: TeilnehmerInnen am VHS-Kursprogramm in Liezen nach Alter

KURSTEILNAHMEN NACH FACHBEREICHENHinsichtlich der Fachbereiche können altersstruktu-

relle Unterschiede ausgemacht werden. Die Fachberei-che „Sprachen, Deutsch und Integration“ und „Digitale Kompetenz“ sind bei den Unter-20-Jährigen am häufigs-ten nachgefragt. Auch die Nachfrage nach Deutschkur-sen ist gestiegen. Im Kursjahr 2017/2018 wurden zwölf Deutschkurse in den Volkshochschulen der Region Lie-zen angeboten. Nach wie vor ist der Bereich „Gesund-heitskompetenz, Ernährung und Bewegung“ insgesamt der stärkste Fachbereich. Im Kursjahr 2017/2018 haben 44,7 Prozent aller KursteilnehmerInnen einen Kurs in diesem Bereich belegt. Dieser Fachbereich erfreut sich vor allem innerhalb der Altersgruppen 40 bis 49 sowie 50 bis 59 besonderer Beliebtheit. Die Über-60-Jährigen sind hingegen in den Bereichen „Politik, Gesellschaft und Selbstkompetenz“ und „Kulturelle, künstlerische und kreative Kompetenz“ überdurchschnittlich vertreten.

Abbildung: TeilnehmerInnenstruktur in Liezen nach VHS-Fachbereichen und Alter

Page 39: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Bildungsthemen

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 37

Das Bildungsprogramm der Volkshochschulen im Be-zirk Liezen ist vor allem für die weibliche Bevölkerung von Interesse.

Während laut einer Studie zum „Einfluss der kom-munalen Steuerung auf die Weiterbildungsbeteiligung“ (Martin u.a. 2016) Programme, deren Fokus auf berufli-cher Weiterbildung liegen, in Zusammenhang mit dem regionalen Kontext in erster Linie positiv auf die Wei-terbildungsbeteiligung von Männern wirken, nehmen am vielfältigen Kursangebot der Volkshochschulen im Bezirk Liezen vorrangig Frauen teil.

Der Anteil der weiblichen KursteilnehmerInnen in den Kursen der VHS ist seit dem Kursjahr 2000/2001 in Liezen um 46 Prozent, der Anteil der männlichen Kurs-teilnehmerInnen ist hingegen um nur acht Prozent ge-stiegen.

Abbildung: TeilnehmerInnen im Kursjahr 2000/2001 nach Geschlecht und VHS-Standorten

Abbildung: TeilnehmerInnen im Kursjahr 2017/2018nach Geschlecht und VHS-Standorten

Die Volkshochschule als Grundversorgerin für Bildung und Lernen vor Ort wird u. a. deutlich, wenn man einen Blick auf das Einzugsgebiet einzelner Zweigstellen in der Region wirft.

Während die VHS in der Stadt Liezen auch Kursteil-nehmerInnen aus anderen Gemeinden anlockt, versor-gen die anderen sechs Zweigstellen vor allem Bewohne-rInnen aus der direkten Umgebung mit Kursangeboten aus allen Fachbereichen.

Bei all diesen hier nur skizzenhaft vorgestellten Punkten gilt es aus Sicht der Volkshochschule zu fragen, wie durch gezielte Maßnahmen kreative Lernmilieus in den Regionen entwickelt werden können, um auf ge-sellschaftliche und ökonomische Herausforderungen reagieren zu können. Die bisher vorliegenden Daten zeigen auch, welche weiten Wege zur Stärkung der Zu-kunftsfelder der Volkshochschule in der Steiermark diesbezüglich noch zurückzulegen sind. Dennoch zeigt sich jetzt schon, dass der Anspruch der Volkshochschu-le, Begegnungen inhaltlich und sozial kompetent zu organisieren und zu moderieren, kaum an Bedeutung verloren hat. Die Schwankungen in den Anmeldezahlen haben dabei viele unterschiedliche gesellschaftliche und mediale Gründe, auf die nicht hektisch zu reagieren sein wird, denn eines steht ebenso fest. Die TeilnehmerInnen werden sicherlich weiterhin dort ihre Präsenz zeigen, der Mix aus qualitätsvollen Angeboten, persönlicher An-sprache und guter Infrastruktur für sie passend ist. Die Aufgabe der Volkshochschule ist es, sie dabei vor Ort (in verstärktem Maße auch online) zu unterstützen. //

LiteraturHuntemann, Hella & Reichart, Elisabeth (2016): Volkshochschul-

Statistik: 54. Folge. Arbeitsjahr 2015, Bonn 2016. Verfügbar unter: http://www.die-bonn.de/id/34421 [11.6.2018].

Martin, Andreas, Schömann, Klaus & Schrader, Josef (2016): Der Einfluss der kommunalen Steuerung auf die Weiterbildungsbeteiligung. Ein Mehrebenen Modell mit Daten des Mikrozensus in Deutschland. In: Zeitschrift Erziehungswissenschaften (2016). Online publiziert. Springer Fachmedien: Wiesbaden.

Vater, Stefan & Zwielehner, Peter (2017): VHS-Rekordstatistik 2017. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Verfügbar unter: http://magazin.vhs.or.at/magazin/2017-2/262-november-2017/aus-den-volkshochschulen/vhs-rekordstatistik-2017/ [11.6.2018]

Page 40: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

38 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Aus den Volkshochschulen

Großes Kino: LeiterInnentagung 2018 an der VHS KremsZiel dieses Erasmus+ Projektes ist es, ein innovatives, fachbereichsübergreifendes Methodentool für den Einsatz in verschiedenen Bildungsbereichen zu entwickeln. Es soll so den Teilnehmenden ermöglichen, die aktuellen und künftigen pädagogischen Herausforderungen im Rahmen der aktuellen Migrationsbewegung anzunehmen, methodisch-didaktische Ansätze zu reflektieren und interkulturelle Kompetenzen in diesem Kontext zu erweitern.

Die heurige LeiterInnentagung des Verbandes Österrei-chischer Volkshochschulen fand von 6. bis 8. Juni 2018 in den Räumlichkeiten der VHS Krems statt und stand unter dem Motto „Digitalisierung in der Erwachsenen-bildung“. 28 TeilnehmerInnen aus (fast) allen Bundes-ländern sprachen in zahlreichen „General Sessions“ und diversen Gruppenarbeiten über MOOCs (Massive open online Course), Webinare und Co. als Zukunftsformate für Volkshochschulen. Geleitet wurde die Veranstaltung von Dr.in Nicole Slupetzky (VHS Salzburg) und Mag. Stefan Fischnaller (VHS Götzis). Als Expertin konnte Dr.in Birgit Aschemann von der Firma CONEDU (Graz, www.conedu.com) gewonnen werden, die in diversen Referaten u. a. zu folgenden Themen sprach:• Welche erfolgreichen digitalen Formate gibt es in der

Erwachsenenbildung?• Erfahrungen, Chancen und Risiken digitaler Unter-

richtsformate• Wie kann und will die VHS digitale Formate auf-

greifen?

In zahlreichen Diskussionen und Gruppenarbeiten wur-de erörtert,

• wie es den TeilnehmerInnen selbst bei der Teilnahme an einem MOOC ging (die Teilnahme am „EBmooc“ – siehe http://ebmooc.at/ – war Voraussetzung für die Teilnahme an der LeiterInnen-Tagung) und

• welche Möglichkeiten der Umsetzung in der der VHS-Arbeit bestehen.

In Ergänzung zu der Fülle an Tools, auf die bereits der EBmooc verwies, wurden auch auf der LeiterInnentagung wieder zahlreiche Werkzeuge für den Einsatz in der Er-wachsenenbildung erwähnt bzw. vorgestellt. Quintessenz der Ausführungen von Birgit Aschemann jedoch war:

„Werten Sie Ihre Veranstaltungen auf, in dem Sie z. B. MOOCs im Internet finden – stellen Sie bei dem (Rech-te-) Eigentümer sicher, dass der MOOC auch noch eine für Sie relevante Zeit im Web weiterhin verfügbar ist – und fügen Sie eigene Präsenzelemente rund um den MOOC hinzu!“ Auf diese Weise werden Onlinekurse zu Blended learning, und Online-Inhalte können gemein-sam reflektiert werden.Ein weiterer Programmpunkt war eine „Exkursion“ zum Campus Krems. Nach einer interessanten Führung mit umfangreichen Informationen zur „Donau-Universität Krems“, „IMC Fachhochschule Krems“ und „Karl Lahn-steiner Universität für medizinische Berufe“ (und dies sind nur drei der fünf universitären Einrichtungen in Krems an der Donau) fand der Nachmittag einen Hö-hepunkt in dem Impulsvortrag von Univ.-Prof.in Dr.in Monika Kil, Leiterin des Departments für Weiterbil-dungsforschung und Bildungsmanagement, zum The-ma „Insights der wissenschaftlichen Weiterbildungsfor-schung in Theorie und Praxis“.

Während Aschemanns Ausführungen, was den Ein-satz digitaler Instrumente in der Erwachsenenbildung betrifft, wohl einen durchaus positiven – wenn auch nicht unkritischen – Tenor vermittelt haben, war (neben anderen Aspekten) die Quintessenz des Vortrags von Monika Kil, sich erhobenen Hauptes der klassischen Vermittlungstechniken der Erwachsenenbildung zu er-innern und zu bedienen: „Lassen Sie sich Ihre Angebote nicht kaputt reden!“, „Wir verlernen das Lernen durch die Virtualisierung“ und überspitzt (und verkürzt): „Wir lernen – insbesondere wenn wir in der Menschheitsge-schichte zurück schauen – in GRUPPEN!“.

Abschließend appellierte Frau Kil, ihre Forschungs-arbeit in der Bell-Studie (Benefits of Lifelong Learning) zu unterstützen (siehe: www.bell-project.eu). Ein ent-sprechender Fragebogen steht zur Verfügung und möge KursteilnehmerInnen nach Kursende mit Bitte um Aus-füllen ausgefolgt werden (geschätzter Zeitaufwand: 20 Minuten). Prof. Kil sendet diesen Fragebogen gerne zu – bei Bedarf kann der Fragebogen jederzeit auch unter http://www.bell-project.eu/cms/wp-content/uploads/pdf/BeLL-Q_DE.pdf downgeloadet werden.

Der Abschlusstag stand im Zeichen der Informatio-nen aus dem gastgebenden Bundesland (Niederöster-reich). VHS Krems Leiter Leo Faltus kritisierte die gerin-ge öffentliche Förderung der VHS Krems. Mag. Norbert Koch, Geschäftsführer des Verbandes Niederösterreichi-scher Volkshochschulen, berichtete von der Arbeit des Verbandes und dem Projekt Bildungsberatung.

Abschließend berichtete Generalsekretär Dr. Gerhard Bisovsky „Neuigkeiten aus dem VÖV“. Positiv zu erwäh-nen ist der prinzipiell positive Trend bei den Hörerzah-len und der große Marktanteil der Volkshochschulen im Vergleich zum Wifi oder zum bfi. Als weniger positiv be-zeichnete Bisovsky den Anteil der Erwachsenenbildung am gesamten Bildungsbudget von 0,5 Prozent (2019). Abschließend verwies er auf die umfangreichen Ange-bote der Knowledgebase Erwachsenenbildung (www.adulteducation.at), die nicht nur die VÖV-Statistiken und die Statistik der Konferenz der Erwachsenenbildung

Leo Faltus

Page 41: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 39

Aus den Volkshochschulen

Österreichs (KEBÖ) enthält, sondern darüber hinaus auch die historische und gegenwärtige Entwicklung der Erwachsenenbildung in Österreich anschaulich darstellt. Schließlich stellte er einen Prototyp des österreichweiten Angebotskataloges der Volkshochschulen vor, aus dem lernergebnisorientiert beschriebene Textbausteine für Angebote in VHS-Kursprogramme übernommen wer-den können.

Fazit: Eine definitiv lohnenswerte Veranstaltung, die (neben dem Networking) einen relevanten Erkenntnis-

gewinn gewährleisten konnte. Der Autor freut sich be-reits auf die nächste Gelegenheit, an Tagungen dieser Art teilzunehmen. //

V.l.n.r.: Norbert Koch (Landesverband Niederösterreich), Gerhard Bisovsky (Verband Österreichischer Volkshochschulen), Nicole Slupetzky (VHS Salzburg), Leo Faltus (VHS Krems), Stefan Fischnaller (VHS Götzis). Foto: Martin Kalchhauser, Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H.

Socken? Krawatte? Oder doch eine Flasche Wein? Wäh-rend sich die Mehrheit aus Mangel an Ideen für Schoko-lade entscheidet, locken die Wiener Volkshochschulen mit einem Angebot, das nicht nur kreativ und persönlich ist, sondern auch ganz neue Impulse für Väter und Män-ner setzt.

„Die Mehrheit aller KursteilnehmerInnen ist weiblich. Um auch Männern die Tür zur Erwachsenenbildung auf-zustoßen, haben wir auf Grundlage einer Umfrage Kurse entwickelt, die speziell auf ihre Interessen zugeschnitten sind“, sagt Geschäftsführer Herbert Schweiger.

SCHICKEN SIE DEN PAPA IN DIE WILDNIS! ODER ZUM PIZZA-KOCHKURS…

Beim Survival Training verbringen die Teilnehmer 12 gemeinsame Stunden in der Wildnis, navigieren ohne Navi, lernen ein Lagerfeuer zu entfachen, bauen einen Unterstand und versorgen sich selbst mit den Schätzen der Natur.

Wer sich für Digitalfotografie interessiert, dem wer-den beim Spaziergang durch die grünen Oasen von Hernals Kamerafunktionen und die besten Blickwinkel erklärt. Anschließend werden die schönsten Fotos am Laptop bearbeitet.

Bei der Fotopirsch fahren die Männer mit einem Boot

VHS-MännerKarte: Bildungspass für MännerAnlässlich des Vatertages präsentierten die Wiener Volkshochschulen eine „VHS MännerKarte“ für 21 Angebote zum Preis von 39,- Euro.

Page 42: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

40 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Aus den Volkshochschulen

über die Alte Donau und lernen von einem renommier-ten Wiener Wildlife-Fotografen, wie man Motive aus der Natur am besten einfängt.

Wie die Fotos perfektioniert und bearbeitet werden können, wird bei Adobe Lightroom gelehrt.

Ein italienischer Koch zeigt den Papas bei Pizza und Wein, wie sie eine echte Pizza wie in Neapel backen und welcher Wein am besten dazu passt.

Dass man auch bei Whatsapp, Facebook und Co. mit Charme und gutem Benehmen punkten kann, erfahren die Teilnehmer bei „Etikette und gutes Benehmen im di-gitalen Zeitalter“.

Wer nachts gerne in den Sternenhimmel blickt, be-kommt bei „Hands-on Astronomy“ das theoretische, bei einer Exkursion auch das praktische Rüstzeug dazu.

Tipps, Tricks und vor allem der Spaß am Fußballspie-len mit der Rapidlegende Reinhard Kienast stehen bei Kicken mit Kienast im Mittelpunkt.

Bei KORT.X, dem Bewegungstraining mit Hirn, wer-den Körper und Geist gleichermaßen beansprucht.

Sportlich wird es ebenfalls beim Power Workout In-tervalltraining, Vater-Baby-Yoga, Vater-Kind-Konditi-onstraining und bei Tai Chi Chuan, oder Beckenboden-gymnastik nur für Männer.

Auch Entspannungstechniken werden angeboten.Wer im Alltag mit Schlagworten wie Gleich- und

Wechselstrom, Widerstand, Kapazität, Spulen und In-duktion ganz selbstverständlich umgehen möchte, be-sucht am besten die Einführung in die Elektronik.

Wie man einen Chip im Katzenhalsband so program-miert, dass nur mehr die eigene Katze ins Haus kommt, erfahren Männer bei „Smart Men – Smart Cats“.

Für Schach-Anfänger wird ein Grundkurs angeboten, ein Männerchor wird formiert und wer gerne Tarockie-ren möchte, kann dies ebenfalls lernen.

Eine Anleitung zur „männlichen Emanzipation“ und wie es gelingen kann, das eigene Mannsein zu definie-ren, gibt es bei einem Seminar zum Thema Geschlech-terrollen.

SO FUNKTIONIERT’S!Alle Kurse können mit der Männerkarte (39,- Euro)

kostenlos und großteils ohne Voranmeldung besucht werden. Sie ist auf www.vhs.at sowie an den Kursstand-orten erhältlich. Wer keine Karte geschenkt bekommen hat, kann die Kurse auch einzeln buchen.

Die Männerkarte sowie die enthaltenen Kurse kön-nen selbstverständlich auch von kinderlosen Männern gebucht werden. //

Quelle Rathauskorrespondenz vom 7. Juni 2018.

Weitere Informationen und alle Kurse unter www.vhs.at/maennerkarte

Jodelkurs – seit zehn Jahren ein Erfolg

Wer beim Jodeln nur an oberflächliche Schlagermusik denkt, der irrt. Jodeln ist die Urform des Singens. Gejo-delt wird überall auf der Welt. Im konkreten Fall wollen 40 Frauen und Männer die akrobatische Kehlkopfübung beim VHS-Kurs auf dem Bezauer Sonderdach lernen.

Jodeln verbindet auch – das wird sofort klar. Egal, ob Alt oder Jung, Manager, Lehrer oder Handwerker – in den vergangenen zehn Jahren haben über 500 Men-schen aus dem Bodenseeraum beim Seminar das Jodeln für sich entdeckt. „Der Kurs gehört zu den Top Fünf der VHS Bregenz. Wir haben jedes Mal eine Warteliste“, er-zählt Kursleiterin Evelyn Fink-Mennel.

STÄNDCHEN ZUR BEGRÜSSUNGVon der Terrasse des Ferienhauses Sonnalp bietet sich

den TeilnehmerInnen ein Ausblick auf die Bregenzer-wälder Bergwelt. „Das ist ja fast schon kitschig“, meint eine der Jodelneulinge, die für den Kurs aus dem Allgäu angereist ist. Unterdessen gibt Vollblutmusikerin und Volksmusikforscherin Evelyn Fink-Mennel gemeinsam mit den Brüdern Hermann und Matthias Härtel gleich ordentlich Gas. Mit Geigen und Kontrabass betreten die drei die Terrasse und begrüßen ihre Schützlinge mit ei-nem Jodler. Es dauert nicht lange, und schon stimmen die Ersten mit ein. Ganz so entspannt scheinen aber nicht alle Jodel-Neulinge zu sein.

So mancher sitzt verkrampft auf der Holzbank oder versucht sich hinter der Gruppe zu verstecken. Die beste Medizin dagegen haben Jodelkurs-Initiator Adolf Jackel und sein Kollege Luggi Mätzler. Die beiden pensionier-ten Lehrer sorgen für das Catering und verteilen ein Gläschen Prosecco, um den Kehlkopf zu ölen, sowie be-legte Brötchen. „Vergiss die Narben aus der Schulzeit, als es hieß, du kannst nicht singen. Es gibt hier keine schö-nen und schlechten Stimmen. Zeige dich!“, motiviert Evelyn Mennel-Fink die Jodel-Neulinge.

„Die Hemmschwelle ist am Anfang schon groß. Aber irgendwann wird das Mitschleichen unbefriedigend“, erklärt die Bregenzerwälderin Theresia Troy. Sie nimmt bereits zum achten Mal am Kurs teil und weiß, wovon

Melanie Fetz1

1 Aus: Vorarlberger Nachrichten vom 18. Juni 2018

Page 43: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 41

Aus den Volkshochschulen

Hermann Härtel (o.) und sein Bruder Matthias (l.) klatschten den Jubiläumskurs rhythmisch ein. Kursleiterin Evelyn Fink-Mennel (r.) gab ebenso gleich zur Begrüßung Vollgas. Foto: VN/Hartinger

sie spricht. Einfach „Raus damit!“, laute die Devise. Im Grunde sei das Jodeln zwar so gar nicht ihre musikali-sche Richtung, erzählt sie weiter. Doch das Schöne seien die vielen Gestaltungsmöglichkeiten, sich gesanglich zu bilden und der gesellschaftliche Part. Für Kursleiterin Evelyn Fink-Mennel ist klar: „Das Schöne am Jodeln ist auch, dass es keine Textkritik gibt. Es sind einfach Sil-ben und es liegt in der Natur der Stimme.“ Sie hat sich mit Ethno-Musik beschäftigt und ist seit 2008 im Boot, als das Projekt Jodelkurs unter dem Motto „Jo du? I ou!“ gestartet wurde. Mit dabei war anfangs Musiker Nor-bert Hauer. Ihre Schwester Isabella Fink und der Steirer Hermann Härtel stießen als Gastreferenten zum Team. In den vergangenen Jahren gestaltete Fink-Mennel die Schulungen mit Wahl-Vorarlberger Matthias Härtel.

OHNE NOTENBeim Jubiläum sind noch einmal alle Referenten da-

bei. Hermann Härtel – der Mann mit den blonden Rasta-locken – ist extra aus Wien angereist. Barfuß schlendert er in Richtung Wiese und startet die Unterrichtseinheit. Gesungen wird ohne Noten. Alle beginnen auf dem-selben Niveau. Während die Kursteilnehmer im Kreis dastehen und den Anleitungen folgen, breitet sich lang-sam ein wohlklingender Klangteppich aus. Anlässlich des Jubiläums geht der Kurs mit Übernachtung über die Bühne. Abends steht ein „Jodelstammtisch“ auf dem Programm. Am nächsten Tag geht es auf zu einer Jodel-wanderung. Dabei heißt es nicht mehr nur, das Panora-ma zu bewundern, sondern selbst den einen oder ande-ren Jodler anzustimmen. //

Page 44: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Michael Ludwig zum Bürgermeister von Wien gewählt

42 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Personalia

Am 24. Mai 2018 wurde der VÖV-Vorstandsvorsitzende Dr. Michael Ludwig vom Wiener Gemeinderat zum Bür-germeister gewählt.

Mitte der 1980er-Jahre trat Michael Ludwig als Kurs- und Projektleiter in die Erwachsenenbildung ein; 1986 war er bereits in leitender pädagogischer Position in der Wiener Volkshochschule Floridsdorf. Anschließend wechselte er in die politische Erwachsenenbildung und leitete die Wiener Landesstelle des Dr.-Karl-Renner-Ins-tituts der Sozialdemokratischen Partei und die Bildungs-abteilung der Wiener SPÖ. Der Volkshochschule blieb er als Funktionär jedoch bis heute treu: Er ist Aufsichts-ratsvorsitzender der Wiener VHS und Vorsitzender im Verband Österreichischer Volkshochschulen.

Dem promovierten Politikwissenschaftler war und ist demokratiepolitische und historische Bildung ein wich-tiges Anliegen, ebenso die Umweltbildung, zu deren Umsetzung in den Volkshochschulen er mit vielen Ver-anstaltungen und Konferenzen und mit der Umsetzung

der Umweltberatung wesentlich beigetragen hat. Die Digitalisierung ist ihm als Wiener Bürgermeister und als Erwachsenenbildner ein wichtiges Thema. Sie eröffnet neue Chancen und sie ist im Sinne der Menschen und eines gelingenden Lebens bewusst zu gestalten. Beim deutschen Volkshochschul-Tag 2016 in Berlin hat er sich unter anderem für eine gemeinsame deutschsprachige Bildungscloud ausgesprochen, um ein grenzüberschrei-tendes und qualitativ hochwertiges lebensbegleitendes Lernen mit digitaler Unterstützung zu fördern.

Seine politische Karriere führte Ludwig von seinem Heimatbezirk Wien-Floridsdorf in den Bundesrat und in den Wiener Gemeinderat und Landtag. Von März 2009 an war er acht Jahre lang Stadtrat für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung, und dazwischen auch eineinhalb Jahre lang Vizebürgermeister der Stadt Wien.

Wir wünschen Michael Ludwig alles Gute und viel Erfolg für seine Tätigkeit als Bürgermeister der Bundes-hauptstadt Wien. //

Foto: Stefan Seelig

Page 45: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Ulrike Königsberger-Ludwig zur Landesrätin ernannt

Karl Bader, Mitglied des Bundesrates

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 43

Personalia

Die langjährige Abgeordnete zum Nationalrat, VÖV-Vorstandsmitglied und Landesvorsitzende des Verban-des Niederösterreichischer Volkshochschulen, Ulrike Königsberger-Ludwig, ist seit 22. März 2018 Landesrätin für Gesundheit und soziale Verwaltung. Ihr Ressort ist auch für die Kinder- und Jugendwohlfahrt, für Gleich-stellung und Gleichbehandlung sowie für das Rettungs-wesen zuständig.

Königsberger-Ludwig war nach der Matura mehrere Jahre in der Privatwirtschaft tätig und wechselte sodann in den Gemeindedienst. Ihre politische Laufbahn be-gann in der Stadtgemeinde Amstetten, wo sie als Stadt-rätin für Kultur und Jugend und als Vizebürgermeis-terin tätig war. Von Dezember 2002 bis März 2018 war Königsberger-Ludwig Abgeordnete im Nationalrat und dort unter anderem auch Bereichssprecherin der SPÖ für Menschen mit Behinderungen und für Familien.

Seit 2011 ist Ulrike Königsberger-Ludwig im VÖV-Vorstand tätig. Wir wünschen ihr alles Gute und viel Er-folg für die neuen Aufgaben. //

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des VÖV, Karl Bader, langjähriger Landtagsabgeordneter in Nie-derösterreich und Landesvorsitzender des Verbandes Niederösterreichischer Volkshochschulen, ist seit März 2018 Mitglied des Bundesrates, wo er bereits von 2003 bis 2008 tätig war.

Der gelernte Hauptschullehrer für Englisch, Ge-schichte und Geographie unterrichtete mehr als 20 Jahre lang und war zwei Jahre Direktor der Hauptschule St. Veit an der Gölsen.

Seine politische Karriere führte ihn über die Gemein-depolitik zum Bürgermeister und schließlich in den nie-derösterreichischen Landtag. Dass der Lehrer und Schul-direktor schließlich auch in der Erwachsenenbildung an der Spitze des Landesverbandes tätig wurde, ist sehr naheliegend.

Karl Bader ist seit 2011 im VÖV-Vorstand aktiv. Für seine neuen Aufgaben wünschen wir ihm alles Gute und viel Erfolg. //

Foto: Franz Weingartner

Foto: Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS

Page 46: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Rezensionen

Robert Streibel (Hrsg.): Das Vermächtnis der Eugenie. Gesammelte Feuilletons von Eugenie Schwarzwald 1908–1938. Wien: Löcker Verlag, 288 Seiten.

Werner Lenz

„Ich gebe mir gar nicht die Mühe jemanden nicht zu mögen.“ (S. 26). Dieser Ausspruch charakterisiert Eugenie Schwarzwald, der Zeitgenossen Fröhlichkeit, Optimismus und Tatendrang bescheinigten. 1872 in Ga-lizien geboren, studierte und promovierte sie um die Jahrhundertwende in Zürich, verbrachte ihr Arbeitsleben in Österreich, ging 1938 in die Schweiz ins Exil, wo sie 1940 verstarb.

Eugenie Schwarzwald war eine päd-agogische Praktikerin: Sie gründete und leitete Schulen, organisierte Ferienheime und Volksküchen. Sie hatte das Anliegen, wirksam soziale Hilfe zu leisten. Ihre An-sichten, Einsichten, Überzeugungen und Wahrnehmungen fasste sie nicht in theo-riegeleiteten Büchern zusammen, sondern in etwa dreihundert Zeitungsfeuilletons, wovon dieses Buch etwa achtzig wiedergibt. Darin ist sehr wohl ihr „Schauen“ (griech.: theorein) auf die Welt, ihre theoretische Konzeption, erkennbar – der Herausge-ber spricht von einer bildungsbürgerlichen Einstellung und einem hohen Grad an Ver-netzung mit Personen, die, wie sie, Gutes bewirken und die Welt zu einer besseren formen wollten.

In ihren Feuilletons beweist Eugenie Schwarzwald ein differenziertes „Schauen“ auf alltägliche soziale Ereignisse, Verhal-tensweisen, Entwicklungen und Hindernis-se sowie immer wieder ihr prononciertes persönliches Urteil und ihre individuelle Erfahrung. Letztere liegt vor allem auf pä-dagogischem Gebiet. So schildert sie z. B. ihre Anfänge als Vortragende im Volksheim Ottakring und ihre Begegnung mit Ludo

Hartmann. Dies betrifft auch ihre didakti-sche Lehrzeit in der Volkshochschule. Sie schreibt über „fröhliche Schule“, bezeichnet „Misstrauen, Missverständnis, Missgunst“ als Dreiklang der alten Schule und meint, man müsse der Jugend „anderes“ bieten. Sie berichtet über den „unsichtbaren Lehrer“ – das ist, zu ihrer Zeit eine pädagogische Innovation, Englischunterricht im Radio. Kurz und bündig beschreibt sie die Eigen-schaften für „wahres Lehrertum“: Verstand, Kenntnisse, Humor, Geduld. Im Rückblick auf ihr Studium in Zürich überlegt sie, was davon geblieben ist. Sie stellt nicht das Wis-sen in den Vordergrund, sondern geblieben sind: Hingabe an Aufgaben, die Methoden für ihre Durchführung sowie Besonnenheit und Entschiedenheit, Vorhaben durchzu-führen. Sie erinnert sich aber auch an die durchgängige Ablehnung, die sie erfahren hat, weil sie als Frau studierte. So wurde ihr gesagt (S. 170): „Sie sind zum Studieren zu schade. Sie sollten heiraten.“ Und mittels Grillparzer-Zitat: „Das Weib ist glücklich nur an Gattenhand.“

Deutlich und nachdrücklich thematisiert sie Mädchen- und Frauenbildung. Immer wieder lässt sie den Zeitgeist durch Aussa-gen junger Menschen zu Wort kommen. Das betrifft die lange Wartezeit der Ju-gendlichen, bis sie erwachsen werden, ihre Vorstellungen vom künftigen Ehemann, von Familie und Kindererziehung oder vom „Zukunftskurs der österreichischen Jugend“. Sie bewundert die Kraft und die neue Lebensform der ihr bekannten zwan-zigjährigen Frauen: Sie verdienen sich den eigenen Lebensunterhalt, wollen von Män-

nern gerecht behandelt werden, haben sich Kenntnisse angeeignet und ein vitales Inte-resse an Frieden, sind nicht mehr Sklavin, sondern Herrin des Haushalts. Im Interesse der Frauen plädiert Eugenie Schwarzwald für die Befreiung von beengenden Frauen-kleidern, schweren Haarknoten und von tyrannischen Hüten.

Eugenie Schwarzwald preist als österrei-chische Eigenschaft: jeder Lebensform neue Reize abgewinnen zu können und emp-fiehlt als nachahmenswerte Lebenskunst, „… in voller Erkenntnis der Tragik unserer Zeit jedes dunkle Ding so lange drehen und wenden (…), bis ein Rosenschimmer davon ausgeht“. (S. 245).

In diesem Sinne werden ernste Themen oder die Begegnung mit damaligen Persön-lichkeiten (z. B. Montessori, Kokoschka, Klabund, Schönberg, etc.) leichtfüßig hei-ter vermittelt. Texte, die sich, wenn man an die gegenwärtige Erwachsenenbildung denkt, in Deutschkursen, in der politischen Bildung oder in gesellschaftsbezogenen An-geboten einsetzen lassen. Dem Herausge-ber, Robert Streibel, Historiker, Publizist, Schriftsteller, Lyriker und langjähriger Di-rektor der Volkshochschule Hietzing, ist für die Gelegenheit, diese Lektüre geschaffen zu haben, zu danken.

Die ausgewählten Feuilletons, je zwei bis drei Druckseiten, erfüllen ein Selbst-verständnis der Erwachsenenbildung: sie weisen auf durchwegs noch immer aktuelle gesellschaftliche Probleme hin und ermu-tigen Leserinnen und Leser eigenständig nachzudenken, um Urteile und Lösungen zu finden. //

44 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Page 47: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Rezensionen

Beate Hörr/ Wolfgang Jütte (Hrsg.): Weiterbildung an Hochschulen. Der Beitrag der DGWF zur Förderung wissenschaftlicher Weiterbildung.Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2017, 287 Seiten

Werner Lenz

Wissenschaftliche Weiterbildung hat in Form der „Universitätsausdehnungsbewegung“ oder „University Extension“ seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine ehrwürdige Tradition. In den letzten Jahrzehnten wurde sie, als Kon-sequenz der Ökonomisierung des Bildungs-wesens, in eigenständigen Organisations-formen an Hochschulen ausgebaut. Neben Lehre und Forschung wird Weiterbildung der Status einer „dritten Mission“ zugeschrieben. Zielgruppen sind insbesondere Hochschulab-solventInnen aber auch generell an Weiterbil-dung Interessierte. So wurden die Angebote der Hohen Schulen nicht nur zu einer akade-misch fundierten Ergänzung der universitä-ren Lehre, sondern auch zu einer Konkurrenz etablierter Institutionen am Weiterbildungs-markt. Weiterbildung durch Hochschulen folgt aber auch der gewandelten Tendenz im Tertiären Sektor, den sich rasch ändernden Erwartungen des Arbeitsmarkts an Aus- und Fortbildung zu entsprechen.

Das vorliegende Buch nimmt die über fünfundvierzigjährige Geschichte wissen-schaftlicher Weiterbildung, repräsentiert durch die „Deutsche Gesellschaft für Wei-terbildung und Fortbildung“ (DGWF) zum Anlass, historische und aktuelle Aspekte akademischer Fortbildung darzustellen. Als HerausgeberInnen fungieren Beate Hörr, Leiterin des Zentrums für wissenschaftliche Weiterbildung an der Universität Mainz und Wolfgang Jütte, Professor für Erziehungswis-senschaften/Weiterbildung an der Universi-tät Bielefeld. Letzterer hat mehrere Jahre in Österreich, z. B. als Mitarbeiter an der Donau Universität Krems, mit seiner Expertise zur Entwicklung wissenschaftlicher Weiterbil-dung produktiv beigetragen.

Das Buch gliedert sich in sechs Abschnit-te. Der erste beschreibt die DGWF von ihren Anfängen als „Arbeitskreis universitärer Er-

wachsenenbildung“ (AUE), in ihren Zielen und in ihrem Wirken bis in die Gegenwart. Der Kommunikation und dem fachlichen Austausch dienen Tagungen, Publikationen und eine auch als E-Journal erhältliche „Zeit-schrift für Hochschule und Weiterbildung“. Der zweite Abschnitt referiert die Themen-felder der vier Arbeitsgemeinschaften: Wei-terbildung an Hochschulen, Fernstudium, Weiterbildung für Ältere und Forschung. Berichte über die Arbeit der verschiede-nen Ländergruppen sowie die grenzüber-schreitenden Kooperationen, sie betreffen Österreich, die Schweiz und das „European University Continuing Education Network“ (eucen), finden sich in den nächsten beiden Abschnitten.

Ein eigenes Kapitel widmet sich den Pers-pektiven der Hochschulweiterbildung. Dabei wird diskutiert, welche entsprechenden orga-nisatorischen und rechtlichen Rahmenbedin-gungen geschaffen werden müssten, wenn Hochschulen Institutionen des lebenslangen Lernens werden sollen. Ein anderer Aspekt ist die Chance, neue Studienstrukturen sowie eine Orientierung an berufstätigen Studieren-den nachhaltig zu etablieren. Dies entspräche auch der Absicht, die vom Arbeitsmarkt ge-forderte ständige Weiterbildung qualitativ zu fördern und wissenschaftliche Weiterbildung als berufliche Fortbildung zu einem Bestand-teil der bestehenden Bildungsarchitektur werden zu lassen. Das abschließende Kapitel umfasst drei Empfehlungen der DGWF aus dem letzten Jahrzehnt zu Organisation, For-maten und Perspektiven wissenschaftlicher Weiterbildung.

Das Buch bietet eine übersichtliche Schau über die Organisationsformen und den diffe-renzierten Bereich wissenschaftlicher Weiter-bildung in Deutschland sowie über die dort geführten Diskussionen zu dessen weiterer

Entwicklung. Es lässt die vielfältigen Aktivitä-ten plastisch zur Geltung kommen.

In Österreich wird im ersten gesamtösterrei-chischen Universitätsentwicklungsplan 2016–2021 neben universitärer Lehre und Pädago-genausbildung/Pädagoginnenausbildung die „Universitäre wissenschaftliche Weiterbildung“ als dritte Säule der Lehre gefordert. Das vorlie-gende Buch regt Fragen an, die – zumindest in Österreich – noch ausführlich zu erörtern sind:- Welche Erfahrungen lassen sich aus der

internationalen Szene ableiten, z. B. den USA, wo wissenschaftliche Weiterbildung an Universitäten als eigener Geschäftsbe-reich – mit eigenem Budget und eigenstän-digen Verträgen mit Unternehmen – orga-nisiert ist?

- Wie entwickeln sich die Finanzen hinsicht-lich staatlicher Verantwortung und pri-vaten Initiativen im Tertiären Sektor und welchen Stellenwert soll dabei universitäre Weiterbildung einnehmen?

- Welche Rolle nimmt wissenschaftliche Weiterbildung im vor sich gehenden struk-turellen Wandel des Tertiären Sektors ein und wie kann sie die ihr zugeschriebene Aufgabe, mehr „soziale Durchlässigkeit“ zu erreichen, erfüllen?

- Wie kann angesichts des steigenden Be-darfs an wissenschaftlicher Weiterbildung für Arbeitskräfte eine Integration von All-gemeinbildung und Berufsbildung geför-dert werden sowie durch eine Verbreitung wissenschaftlicher Weltsicht zum gesell-schaftlichen Zusammenhalt beigetragen werden?

- Wie können im Sinne des lebenslangen Lernens auf Basis der Kooperation von Hochschulen mit bewährten Institutionen der Erwachsenenbildung Synergien ge-nutzt und produktive Projekte entwickelt werden? //

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 45

Kostenfreier Download verfügbar unter: wbv-open-access.deDOI: 10.3278/6004479w

Page 48: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Rezensionen

Johannes Wahl: Lebenslanges Lernen zwischen Bildungspolitik und pädagogischer Praxis. Die Verankerung in pädagogischen Arbeitsfeldern. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2017, 218 Seiten.

„Lebenslanges Lernen“ ist in aller Munde! Aber beeinflusst das Wissen darüber auch die pädagogische Praxis? Woher speist sich dieses Wissen und wie wirkt es sich in un-terschiedlichen Berufsfeldern aus? Mit die-sen Fragen beschäftigt sich Johannes Wahl detailliert in seinem übersichtlich struktu-rierten Buch, das auf einer umfangreichen Dissertation an der Universität Frankfurt am Main basiert. Auf drei Berufsgruppen richtet der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbil-dung an der Goethe-Universität Frankfurt sein Augenmerk: Elementarbildung, be-rufliche Bildung und Weiterbildung. Mo-tivierender Anlass und Hintergrund seiner Forschung ist die Studie „Pädagogische Erwerbsarbeit im System des lebenslangen Lernens“ (PAELL: 2009). Sie attestiert den „pädagogisch Tätigen“ hohe Bedeutung, weil sie Lernprozesse unterstützen, die sich mit gesellschaftlichen Anforderungen, zu-nehmender Pluralisierung der Lebenslagen, Lebensphasen und Lebensstilen sowie mit Tendenzen zu weiterer Individualisierung beschäftigen.

Ziel der Untersuchung ist es, das Wirken europäischer und nationaler Empfehlungen zum lebenslangen Lernen zu erkunden und den Zusammenhang zwischen pädagogi-scher Praxis und bildungspolitischem Dis-kurs zu ergründen.

Als theoretische Basis dient das wissens-soziologische Konzept von Peter Berger, Thomas Luckmann und Alfred Schütz. Von Letzterem übernimmt der Autor auch die Unterscheidung in Vertrautheits- und Be-kanntheitswissen. Das meint, dass Wissen

zwischen Wissensträgern – im Hinblick auf die gesellschaftliche Bedeutung ihres Wissens – sozial unterschiedlich verteilt ist. Davon zu trennen ist noch, was wir glauben (zu wissen): je nach Wissensart wird in der Studie versucht, die Orientierungskraft des lebenslangen Lernens zu erkunden.

Unser Wissen, urteilte Alfred Schütz, erwerben wir in „geschlossenen Sinnberei-chen“. Das sind „Erfahrungswirklichkeiten“, die wir – nicht nur in einer sozialen Wirk-lichkeit existierend – mit unseren individu-ellen Erfahrungen „aufschichten“. Diese Pro-zesse und Kontexte der Wissensproduktion betreffend das lebenslange Lernen, will die Studie, auf die drei genannten Berufsfelder bezogen, erforschen.

Nach dieser theoretischen Grundlegung erläutert Wahl das Begriffsfeld lebenslanges Lernen. Er nennt es „polyvalent“, erläutert die damit verbundene bildungspolitische Reformstrategie und den seit den 1990er-Jahren parallel zum vermehrten Gebrauch des Begriffs vor sich gehenden Wandel in der Lernkultur. Dieser betont die Orientierung am Subjekt sowie den Bedarf an pädagogisch Tätigen und an LernberaterInnen, die selbst-gesteuertes Lernen unterstützen. Diversi-fiziert und im gesellschaftlichen Wandel befindlich, so der Autor, erweisen sich nicht nur der Begriff des lebenslangen Lernens, sondern auch die drei ausgewählten pädago-gischen Arbeitsfelder, die genau vorgestellt werden.

Für weitere wissenschaftliche Studien wegweisend werden Forschungsdesign und methodische Vorgangsweise geschildert. Eine Triangulation von qualitativen und

quantitativen Methoden empirischer Sozial-forschung kommt zum Einsatz. Im quantita-tiven Sektor wertet der Autor 635 Datensätze (Fragebogen) aus, qualitativ zehn Gruppen-diskussionen mit 137 TeilnehmerInnen. In „verschränktem“ Sinn erfolgen die deskrip-tive statistische Analyse sowie eine „analyti-sche“ Verdichtung.

Aus den differenziert vorgetragenen Ergebnissen der Untersuchung lässt sich lebenslanges Lernen als ein in vielen Kon-texten erwähntes Konstrukt erkennen – als „absolute Metapher“. Es eröffnet einen Möglichkeitsraum für unterschiedliche Per-spektiven und Phänomene. Deutlich wird das Selbstverständnis in den drei gewählten pädagogischen Berufsfeldern: ihre zentrale Leistung besteht in der „Humanontogenese“ (ganzheitliche menschliche Entwicklung). Die Befragten aus der Erwachsenenbildung fühlen sich in ihrem Wirken komplementär und synchron mit den anderen pädagogi-schen Arbeitsfeldern. In der Kooperation der Arbeitsfelder miteinander und im Selbstver-ständnis der Befragten meint der Autor der Studie einen konstruktiven Beitrag zu einem „pädagogisch organisierten System des Le-benslangen Lernens“ zu erkennen.

Die wissenschaftlich präzis durchge-führte Untersuchung kann als Vorbild für künftige Studien angesehen werden, die die Professionalisierung, Kooperation und das Selbstbewusstsein pädagogisch Tätiger be-treffen. Das Buch – ein Beitrag zur pädago-gischen Berufstätigkeit und ein Baustein für das Bildungskonzept lebenslanges Lernen – sollte in keiner wissenschaftlich einschlägi-gen Bibliothek fehlen. //

46 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Werner Lenz

Page 49: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Rezensionen

Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. Berlin: Suhrkamp Verlag 2017, 480 Seiten.

Wir erwarten das Besondere, das Einzigar-tige, das Singuläre. So lautet der Befund von Andreas Reckwitz, Professor für Kulturso-ziologie an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder. „Der sogenannte ethische Konsument entwickelt eine differen-zierende Sensibilität für Brot- und Kaffeesor-ten in einer Weise, wie sie früher allenfalls für Weinkenner typisch war.“ (S. 7).

Auf diese Art erklärt Reckwitz den durch-gängigen Wandel in spätmoderner Kultur und Ökonomie, die zunehmend an singulä-ren Dingen, Diensten und Ereignissen ausge-richtet sind. Der Soziologe folgert: Wir leben nicht mehr in einem industriellen, sondern in einem „kulturellen Kapitalismus“. Für die Ar-beitswelt seien deshalb nicht mehr Menschen mit allgemeinen Qualifikationen, sondern mit einem besonderen „Profil“ gefragt. Im Bildungsbereich ist das inzwischen vertraut: Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Ein-richtungen der Erwachsenenbildung betonen ihre Unterschiede, ihr spezielles Profil und die Lernenden – Kinder, Jugendliche und Erwachsene – wollen und sollen in ihren je-weils besonderen Stärken, Eigenschaften und Kompetenzen gefördert werden. Nach der Epoche der Individualisierung und Selbstver-antwortung sehen sich die Individuen neu: Speziell in der neuen hochqualifizierten Mit-telklasse wird Singularisierung, ein Streben nach Einzigartigkeit und Außergewöhnlich-keit, zu einer gesellschaftlichen Erwartung. Reckwitz meint, wir „kuratieren“ und „perfor-men“ unser Leben in einem ständigen Kampf um Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit.

Reckwitz verarbeitet viele empirische Un-tersuchungen aus den Sozial- und Kulturwis-

senschaften, um seine Gesellschaftstheorie in Zusammenhang mit der sozialen Realität zu präsentieren. Die Chancen und Probleme der Gegenwartsgesellschaft sieht der Au-tor durch eine gleiche strukturelle Ursache hervorgerufen (S. 22): „Sie sind in der Um-stellung vom Primat der sozialen Logik des Allgemeinen der alten Industriegesellschaft zum Primat der sozialen Logik des Besonde-ren in der Spätmoderne begründet.“

Diesen Wandel von der Standardisierung und Rationalisierung der Moderne zu einer Singularisierung und Affektivierung will das Buch in seinen einzelnen Schwerpunkten belegen. Theoretische Klärungen bezüglich sozialer Logik des Allgemeinen und des Be-sonderen, Transformation der Kultur sowie die Abgrenzung von Moderne und Spätmo-derne finden sich im ersten Kapitel. Die post-industrielle Ökonomie, die „creative econo-my“, Singularisierung der Arbeitswelt sowie die Digitalisierung als Singularisierung wer-den in den nächsten Kapiteln besprochen. Fragen der Bildung finden im Kapitel über singularistische Lebensführung, das von Lebensstilen, Klassen und Subjektformen handelt, ihren Ort. Dabei zeigt sich auch, wie Ungleichheit kulturalisiert wird. Mittlere Bil-dungsabschlüsse haben gegenüber höherer Bildung an Wert verloren. Ein Leben „wie alle“ zu führen, klingt nicht mehr attraktiv, mit Konformität und Konventionellem ge-rät man, Reckwitz zeigt dies am Beispiel der alten Mittelklasse, in die „kulturelle Defen-sive“.

Das abschließende Kapitel beschäftigt sich mit dem Wandel des Politischen. Die Inszenierung der Gewalt in Form von Terror

und Amok nennt der Autor „negative Singu-laritäten“. Negative Helden erlangen durch negative Affektivität, durch das erschreckend Besondere, wenn auch nur für kurze Zeit, gesellschaftliche Sichtbarkeit. Reckwitz sieht eine Krise des Politischen z. B. in der Abkehr des Staates von gesamtgesellschaftlichen Zie-len (vom Allgemeinen) zur Ermöglichung privaten Konsums (zum Besonderen) oder von der politischen Öffentlichkeit zu auto-nomen Teilöffentlichkeiten. Mehr und mehr geht das Allgemeine verloren. Der Autor resümiert: Singularitäten nehmen weiterhin zu, Vorstellungen anderer Art – rationale Ordnung, egalitäre Gesellschaft, homogene Kultur, balancierte Persönlichkeitsstruktur – hält er für pure Nostalgie (S. 442).

Wer sich mit Bildung theoretisch beschäf-tigt oder sie praktisch vermittelt, wird bei der Lektüre sicherlich hellhörig: Gibt es das All-gemeine in der Bildung noch und wie wäre es zu benennen? Sind nicht längst, wer an die vielen diversen Angebote der Weiterbildung, die zahlreichen ständig neu entstehenden Studiengänge in Fachhochschule und Uni-versität denkt, die Singularitäten anstelle einer gerne beschworenen allgemeinen, auf-klärenden Bildung getreten?

Das Buch, in elaborierter Wissenschafts-diktion verfasst, ist kein literarischer Spa-ziergang – eher eine etappenreiche Reise. Es lässt den Wandel unserer komplexen Gesellschaft in neuer Perspektive sehen. Für den Bildungsbereich folgt daraus: The-oretische Grundlagen und praktisches Han-deln sind hinsichtlich ihrer allgemeinen Ansprüche und ihrer umfassenden Ziele neu zu bewerten. //

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264 — 47

Werner Lenz

Page 50: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

Autorinnen

AutorInnen

48 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 01-2018 · NR. 264

Sabine Aschauer-Smolik, Mag.a, geb. 1964. Studium der Geschichte, Geschäftsführerin des Bildungszentrums Saalfelden und Bezirksstellenleiterin der Volkshochschule Salzburg im Pingzau. Kontakt: [email protected]

Sarah Aldrian, MA, geb. 1989, Studium der Soziologie. Universitätsassistentin am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz, Arbeitsbereich Empirische Lernweltforschung und Hochschuldidaktik. Kontakt: [email protected]

Martin Bauer, Dr., Geschäftsführer der Volkshochschule Steiermark Kontakt: [email protected]

Gerhard Bisovsky, Dr., geb. 1956. Studium der Politikwissenschaft, ÖVH-Redakteur und Generalsekretär des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen. Kontakt: [email protected]

Rudolf Egger, Mag. Dr. phil., Professor für Lernweltforschung und Hochschuldidaktik an der Universität Graz. Leiter des Zentrums für Lehrkompetenz Kontakt: [email protected]

Leo Faltus, MBA (Wirtschaftsuniversität Wien). geb. 1959, Leiter der Volkshochschule Krems. Kontakt: [email protected]

Melanie Fetz, MA, Dipl.-Päd., geb. 1983. Studium Qualitätsjournalismus. Redakteurin bei den Vorarlberger Nachrichten. Kontakt: [email protected]

Karin Fließer, MA, geb. 1989. Studium der Soziologie. Projektmitarbeiterin am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz, Arbeitsbereich Empirische Lernweltforschung und Hochschuldidaktik. Kontakt: [email protected]

Benjamin Hell, Mag. Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft und Studium der Sozialen Arbeit; 2013-2015 Projektkoordinator für das

multilaterale EU-Projekt „Know your Lifestyle“ – Nachhaltiger Konsum für den 2. Bildungsweg, seit 2017 Bezirkskoordinator der Volkshochschule Klagenfurt und Klagenfurt Land. Kontakt: [email protected]

Horst Horvath, geb. 1963, Werkzeugmacherlehre, Zivildienst und anschließend Erzieher im Kinderdorf Pöttsching, Arbeitsmarktbetreuer des BM für Arbeit und Soziales – Beschäftigungsprojekte für jugendliche und ältere Langzeitarbeitslose im Bereich Soziales, Kultur und Umweltschutz, Gründung und Geschäftsführender Obmann des Offenen Hauses Oberwart (OHO) und des Verlagshauses edition lex liszt 12,Geschäftsleiter der Roma Volkshochschule Burgenland. Kontakt: [email protected]

Werner Lenz, em. Univ-Prof. Dr., geb. 1944. Karl Franzens Universität Graz, Institut für Erziehungswissenschaft. Kontakt: [email protected]

Peter Liszt, geb. 1988, studierte Geschichte und Ausstellungsdesign in Wien und Graz. Er arbeitet als Geschichtswissenschaftler und Kurator an diversen Ausstellungsprojekten, derzeit für die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Seit 2011 ist er im Vorstand der Roma Volkshochschule Burgenland.

Stefanie Miksanek, MSc, selbstständige Zukunftsplanerin, Trainerin, Coach und Lebens- und Sozialberaterin in Wien; begleitet und unterstützt Erwachsene, Kinder und Jugendliche, Familien, Paare, Teams und Organisationen, zum Beispiel bei neuen Aufgaben, an Lebensübergängen und anderen Veränderungen oder bei Konfliktlösungen; seit 2008 Moderation von Zukunftsplanungen und Zukunftsfesten, Vorträge und Weiterbildungen u.a. zur Persönlichen Zukunftsplanung und Teilhabe. Kontakt: [email protected]

Brigitte Pabst, Mag.a (FH), geb. 1963. Direktorin der Akademie der Zivilgesellschaft und der Volkshochschule Rudolfsheim-Fünfhaus. Kontakt: [email protected]

Julia Panholzer, MMag.a, geb. 1975. Studium der Wirtschaftspädagogik und Betriebswirtschaftslehre, Leitung Geschäftsbereich Volkshochschule Oberösterreich. Kontakt: [email protected]

Iris Ratzenböck-Höllerl, Mag.a, geb. 1973, Studium der Betriebswirtschaftslehre, Bereich Produktentwicklung/Projekte der Volkshochschule Oberösterreich. Vorsitzende des EB-Forum Oberösterreich seit Februar 2016, wiedergewählt Anfang März 2018 bis Ende Februar 2020. Kontakt: [email protected]

Bernhard Riederer, Dr., BA studierte Soziologie und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Graz. In der Vergangenheit arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Universität Graz (Sektion Sozialpsychologie) und am Institut für Soziologie der Universität Wien (Soziale Stratifikationsforschung). Seit 2014 arbeitet er am Wittgenstein Zentrum (IIASA, VID/ÖAW, WU), Wiener Institut für Demographie/Österreichische Akademie der Wissenschaften

Petra H. Steiner, Mag.aDr.in, geb. 1973. Studium der Pädagogik, Psychologie, Philosophie & Germanistik für das Lehramt an der Universität Wien. Dissertation über: Subkulturen und Soziale Welten der Erwachsenenbildung. Beraterin in der Weiterbildungsakademie Österreich (wba). Kontakt: [email protected]

Anne Tastula, MA ist die Herausgeberin des Elm Magazine. Kontakt: [email protected]

Tonia Waldner, Mag.a, geb. 1989, Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft und Studium der Germanistik, Assistenz der Geschäftsführung der Kärntner Volkshochschulen. Kontakt: [email protected]

Page 51: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

ImpressumDie Österreichische Volkshochschule (ÖVH)Magazin für ErwachsenenbildungFrühjahr/Sommer 2018, Heft 264/69. Jg. ISSN 0472-5662

Redaktion: Dr. Gerhard BisovskyTelefon +43 1 216 4226, Fax +43 1 216 4226-30,E-Mail: [email protected], Internet: www.vhs.or.atRedaktionssekretariat: Brigitte EggenweberFür den Inhalt verantwortlich: Dr. Gerhard BisovskyVerband Österreichischer Volkshochschulen Pulverturmgasse 14, A-1090 WienZVR: 128988274ATU 66337038

Grafisches Konzept: Qarante Brand DesignLayout: schaefer-design.atBezugsgebühren: Abonnement Printabo jährlich (drei Ausgaben) € 30. Einzelheft: € 15.Bankverbindung: IBAN AT02 1100 0094 7310 0700. BIC BKAUATWWDVR 0475581Für unverlangte Rezensionsstücke und Beiträge übernimmt dieRedaktion keine Haftung. Namentlich gekennzeichnete Artikel gebendie Meinung der AutorInnen wieder und müssen sich nicht mit jenerder Redaktion decken.

Offenlegung nach § 25, Abs. 1-3 Mediengesetz 1981Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung (ÖVH) ist eine überparteiliche Fachzeitschrift für MitarbeiterInnen und InteressentInnen der Volkshochschulen. Die Zeitschrift veröffentlicht Beiträge zu grundsätzlichen und aktuellen Fragen der Volksbildung und der Erwachsenenbildung, bringt Berichte aus der praktischen Arbeit sowie Buchbesprechungen und will zu einem Erfahrungsaustausch anregen.

Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung

Veranstaltungstermine

20. – 23. August 2018 Steinschaler Dörfl NÖ

Sommerakademie des Forum Umweltbildung: Bildungsaspek-te für ein globales Miteinander

Informationen und Anmeldung: https://www.umweltbildung.at/veranstaltun-gen/forum-veranstaltungen/bne-sommeraka-demie.html

4. Oktober 2018 Wien, Verband Österreichischer Volkshochschulen

Was wir fordern! Minderheiten-bewegungen im 20. und 21. Jahrhundert

In Zusammenarbeit mit der Initi-ative Minderheiten

Detailprogramm: https://files.adulteducation.at/uploads/VOEV_Veranstaltungsprogramm_2018_10.pdf Anmeldung: [email protected]

15. November 2018 Linz, Wissensturm

Fachtagung „Gemeinsame Sache – Was eine Gesellschaft zusam-menhält“

Eine Veranstaltung von Initiative Minderheiten, Verband Österrei-chischer Volkshochschulen, lern-raum.wien (Die Wiener Volks-hochschulen), Volkshochschule Linz, Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Uni-versität Graz

Detailprogramm: https://files.adulteducation.at/uploads/VOEV_Veranstaltungsprogramm_2018_10.pdf

Anmeldung: [email protected]

5. – 6. Juli 2018 Wien, Technische Universität

Jahreskonferenz der Lifelong Learning Platform

Lifelong Learning Culture. A Part-nership for Rethinking Education

Informationen und Anmeldung: http://lllplatform.eu/events/annual-conferen-ces/annual-conference-2018/ w

Page 52: Schwerpunkt Zusammenhalt Zusammenlebenmagazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2018/09/OVH... · burgenländischen Roma Seite 22 Die Kunst des guten Zusammenlebens Akademie der Zivilgesellschaft

P.b.b. 02Z032708 M Erscheinungsort Wien – Verlagspostamt: 1090 Wien

Der Schlüssel zum sprachlichen ErfolgPluspunkt Deutsch – Leben in ÖsterreichSpeziell für Integrationskurse in Österreich konzipiert. Macht fi t für den neuen Alltag.

Mit

Werte- und

Orientierungs-

wissenwissenwissenwissenwissen

978-3-06-520973-1978-3-06-520974-8

978-3-06-520975-5

AlltagsrelevantMit Themen wie „Wohnungssuche“, „Arzt-besuche“ und „Arbeitswelt“ hilft Pluspunkt Deutsch – Leben in Österreich Migrantinnen und Migranten, ihren Alltag in Österreich zu meistern.

KleinschrittigDie sanft e Progression macht den Zugang zur deutschen Sprache leicht.

Nah am LebenVideos vermitteln spielerisch Eindrücke aus dem Alltags- und Berufsleben in Österreich.

SensibelWerte- und Orientierungswissen wird behut-sam vermittelt.

Mehr Informationen erhalten Sie hier:cornelsen.de/pluspunkt-oesterreich-neu