SCHWINDEL DER WIRKLICHKEIT II Sächsische … Aurafallen_50.pdf · Pascal Dusapin, zahlreiche...
Transcript of SCHWINDEL DER WIRKLICHKEIT II Sächsische … Aurafallen_50.pdf · Pascal Dusapin, zahlreiche...
Programm
Freitag, 2.10.2015
19 Uhr
Begrüßung: Wilfried Krätzschmar
Metabolic Office Battle (MOB): Marcel Beyer und Manos Tsangaris
20 Uhr
Ausstellungseröffnung: Jacqueline Merz AURAFALLEN
Einführung: Barblina Meierhans
20.30 Uhr
Konzert: Pi-hsien Chen
Domenico Scarlatti: Fünf Sonaten
Sonate a-moll K 149, Sonate C-Dur K 513, Sonate g-moll K 426, Sonate
G-Dur K427, Sonate E-Dur K 162
Arnold Schönberg: Suite op. 25
Präludium, Gavotte - Musette, Intermezzo, Menuett - Trio, Gigue
Salvatore Sciarrino: Notturno IV
Franz Schubert: Sonate A-Dur op. posth. DV 959
Allegro Andantino Scherzo Allegro vivace - Trio. Un poco più lento
Rondo. Allegretto-Presto
Programm
Sonnabend, 3.10.2015
19 Uhr
Tobias Eduard Schick: Inkonsequenza III (2013)
für virtuelle Bassflöte solo, 3‘
Tobias Eduard Schick, Performer
Kaj Duncan David: No News Good News (2014)
für vier Personen, 10’
Kaj Duncan David, Nicolas Kuhn, Alberto Arroyo, Barblina Meierhans,
Performer
Barblina Meierhans: Zwei (2014)
für Viola und Kontrabass, 7‘
Katharina Vogt, Viola, Tobias Eduard Schick, Kontrabass
Katharina Vogt: Diagnose und Therapie von Schwindel und
Wirklichkeit Teil 1 (2014) – Leitlinie –
für Assistenzarzt mit fakultativem Konsil, 2‘
Katharina Vogt, Alberto Arroyo, Dr. Olaf Nestler, Performer
Tobias Eduard Schick: Inkonsequenza II (2010)
für virtuelle Oboe solo, 4‘
Barblina Meierhans, Performer
Alberto Arroyo / Nastasja Keller: Zeitpyramide (2014)
für realen Performer und virtuellen Performer, 10‘
Kaj Duncan David, Performer
Tobias Eduard Schick: Inkonsequenza IV (2010-2014) für virtuelles Lupophon solo, 5‘
Nicolas Kuhn, Performer
Katharina Vogt: Diagnose und Therapie von Schwindel und
Wirklichkeit Teil 2 (2014) – Reflexe –
für Assistenzarzt mit fakultativem Konsil, 2‘
Katharina Vogt, Alberto Arroyo, Dr. Olaf Nestler, Tobias E. Schick,
Barblina Meierhans, Performer
Nicolas Kuhn: Stellenwert (2014)
für Plattenglocke solo, 6’
Manos Tsangaris, Percussion
Nastasja Keller: Film Aurafalle 5‘ (2015)
Schauspiel: VeMac, Stimme: Johanna Motter, Bass: Stefanie Bühler 5‘
Tobias Eduard Schick: Inkonsequenza V ¾ (2014)
für virtuellen Oljudsapparat solo, 6‘
Katharina Vogt, Barblina Meierhans, Nicolas Kuhn, Tobias Schick,
Performer
Katharina Vogt: Diagnose und Therapie von Schwindel und
Wirklichkeit, Teil 3 (2014) – Perkussion–
für Assistenzarzt mit fakultativem Konsil, 2‘
Katharina Vogt, Alberto Arroyo, Dr. Olaf Nestler, Performer
20.30 Uhr
Podiumsgespräch Musik und Anästhetik
Jacqueline Merz, Manos Tsangaris, Wolfgang Welsch
Moderation: Jörn-Peter Hiekel
Musik im "Schwindel der Wirklichkeit"
Irgendwann haben die Verhältnisse sich umgedreht, hat sich die Welt
der Musik völlig verdreht. Musik muss – scheinbar – nicht mehr gemacht
werden, sie wird bloß noch abgerufen, zubereitet. Wo sie in Wirklichkeit
herkommt, spielt für die Wirklichkeit des Musikhörens so gut wie keine
Rolle mehr. Jenes sanfte Schwindelgefühl, das unsere Lieblingsmusik
uns schenkt, scheint allerorten und zu allen Zeiten verfügbar zu sein.
PLAY!
Und andersherum: Welche Wirklichkeiten kann sie uns vorgaukeln, ruft
sie in uns auf und hervor, die inzwischen allgegenwärtige Musik, die fürs
Unendliche, Unwirkliche, über alles Wirkliche Hinausgehende zuständig
zu sein scheint. Sie hat sich von den Wirklichkeiten da draußen gelöst,
um auf engste Weise mit ihnen zu korrespondieren. Es sind
„korrespondierende Erfahrungen“ (Isabel Mundry) hier wie dort, die
einander in Schwingung versetzen. Daher auch diese überbordende
Wirkmächtigkeit, die von allen Seiten so gern benutzt wird – zur
Erbauung, zur Schärfung der Wahrnehmung, zur Einlullung, zur
Einschläferung, zum Verkauf, zur Ermächtigung und so weiter fort. Dies
alles geht nur deshalb, weil eine Art Gegenwelt erschaffen wird in tönend
bewegter Form, die sich gelöst hat von all dem, was sonst unsere
Wirklichkeit am Boden hält, die Realität unserer Alltagswelt. Die Musik
spielt sie an, sie ruft diese Erfahrungen ab, sie spielt mit ihnen, sie
scheint sie lösen oder zumindest herauslösen zu können, und lässt sie
auch hinter sich zurück. Ist es bloß Schwindel, den sie in uns auslöst
oder eher eine Erfahrung, die wir gemeinsam hochhalten, indem wir sie
wahrnehmen?
Am wirkmächtigsten könnte die Fiktion sein, auf die wir uns einlassen,
um damit der Täuschung Einhalt zu gebieten?
Schwindel der Wirklichkeit
Die Wirklichkeitsfragen stellen sich immer im Zusammenhang des
politischen Raums, in dem wir uns bewegen. Wir alle leben mit dem
Gefühl, dass die Wirklichkeit uns entweicht, dass nur noch Spezialisten
für bestimmte Gebiete zuständig sein können (Finanzwirtschaft, Medizin,
Physik, aber auch Philosophie und Gesellschaft...), die innerhalb
einzelner Nischen unterschiedlichen Wirklichkeiten erklärbar zu machen
versuchen.
Schwindel und Macht
Und wieso wird uns im Einzelfall die Wirklichkeit so oder so herum
erklärt?
Es sind Machtfragen und Machtansprüche, die den Wirklichkeitsbegriff
unterschiedlich aufstellen und einsetzen. Dies mündet in eine
Erkenntnis: program or be programmed!
Macht und Ästhetik
Und gerade innerhalb der Künste müssen wir fragen, was sich aktuell
und in letzter Zeit verändert hat: die Bilder und der Umgang mit ihnen?
Die Narrative? Die reproduzierbaren und von ihrer Entstehung
abgelösten Klänge? Alles was von der Kunst aus sich verändert, für die
Kunst und in Lebenssituationen.
Manos Tsangaris, 2015
AURAFALLEN
Mit Blick auf den "Schwindel der Wirklichkeit" lag für mich als Malerin die
Herausforderung darin, den musikalischen, szenischen und sprachlichen
Installationen der anderen Teilnehmer unseres Mini-Festivals in ihrer
schwindelerregenden Offenheit etwas entgegenzusetzen und in
derselben Bewegung hinzuzufügen. So entschied ich mich für eine
Arbeit, die in sich etwas Verschlossenes, Geheimnisvolles birgt, die
AURAFALLEN.
Entstanden sind die Objekte zwischen 1999 und 2001. Eine Phase, in
der ich mich unter maltechnischen Gesichtspunkten intensiv mit Yves
Klein und seinem Blau auseinandersetzte: Wie könnte es gelingen,
reines Pigment so auf dem Bildträger zu fixieren, dass die samtene
Oberfläche, die Intensität und die Strahlkraft der Farbe erhalten bleiben?
Eine Grundierung auf Reismehlbasis führte schließlich zum Erfolg. Das
Pigment sitzt fest, reagiert jedoch empfindlich auf Berührung. Und so
begann ich Schutzhüllen aus Leinwand zu bauen. Durch die Öffnungen
an den Körpern und dank der leichten Transparenz der geölten
Leinwand entsteht eine Art optischer Sog ins Objekt hinein, auf die
Farbkraft hin, die nach und nach aus den stummen "Lautsprechern" in
den Raum sickert.
Die 1997 nach Texten von William S. Burroughs entstandenen
Zeichnungen (Kohle, Ölkreide auf Papier) bilden den schwarzweißen,
linearen, erzählerischen Gegenpol zu den in den Raum greifenden, mit
der abstrakten Kraft der reinen, sich ausdehnenden Farbe spielenden
AURAFALLEN.
Jacqueline Merz, 2015
Ausstellung 5. Oktober bis 11. Dezember 2015
Sächsische Akademie der Künste, Palaisplatz 3, 01097 Dresden
Foto und Text: Alberto Arroyo. Aura, wie Aria (als Wind oder blasen)
ist unsichtbar, und das Unsichtbare hat uns immer fasziniert. Was man
nicht unbedingt verstehen kann, was man nicht sieht…
Foto und Text: Marcel Beyer. Aurafallendispatcher im Einsatz, Wien,
fünfter Gemeindebezirk, Ecke Margaretenstraße / Freundgasse
Foto und Text: Nicolas Kuhn. Die Aurafalle tut zunächst einmal sehr
unschuldig und lockt uns dann doch ins Auratische, Ästhetische,
Poetische… Man kann der Aurafalle nicht wirklich entkommen, aber
vielleicht kann man sie entlarven, ihr Tun aufdecken. Oder sie
kommentieren. Oder sie einfach zeigen, so wie sie ist
Foto: Frank Höhler, Text: Jacqueline Merz. Kurz, manchmal länger
weilende, lebensnotwendige Gefangenschaften
Foto und Text: Tobias Schick. Aura - geheimnisvolle Eleganz, starke,
aber unergründliche Wirkung, die sich dem Verständnis entzieht. Die
Aurafalle (Was soll das sein? Worin die Aura in der Falle sitzt? Woran
sie Gefallen findet?) potenziert diese Assoziationen. Was im Innern
einer Aurafalle vorgeht, bleibt erst recht verborgen
Mitwirkende
Alberto Arroyo
Komponist, geb. 1989 in Barcelona, Studium der Komposition und der
Alten Musik u.a. in Madrid, Boston, Dresden, Meisterkurse u.a. bei
Pascal Dusapin, zahlreiche Preise, lebt in Dresden
Marcel Beyer
Schriftsteller, geb. 1965 in Tailfingen/Baden-Württemberg, zuletzt Oskar-
Pastior-Preis und Kleist-Preis, lebt seit 1996 in Dresden
Pi-hsien Chen
Pianistin, geb. 1950 in Taiwan, 1961 Musikhochschule Köln, Studium bei
Hans-Otto Schmidt-Neuhaus, 1972 erster Preis im ARD-Wettbewerb
München, seit 1983 Professorin für Klavier (Hochschule für Musik Köln
und Freiburg), lebt in Freiburg
Kaj Duncan David
Komponist, Performer, geb. 1988 in Randers/Dänemark, Studium der
Komposition, der Elektronischen Musik in London, Aarhus und Dresden,
2014 Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen, lebt in Berlin
Nastasja Keller
Videokünstlerin, geb. 1977 in Ostberlin, Studium an der Hochschule für
Bildende Künste in Dresden und der Hochschule für Film und Fernsehen
in Potsdam, lebt in Berlin
Nicolas Kuhn
Komponist, geb. 1989 in Stuttgart, Studium der Komposition in Stuttgart
und Dresden, zuletzt Förderpreis für junge Komponisten und
Musikwissenschaftler 2015, lebt in Dresden
Barblina Meierhans
Komponistin, Performerin, geb. 1981 in Burgau/Schweiz, Violinstudium
in Zürich und Bern, zahlreiche Preise und Stipendien, lebt in Zürich und
Dresden
Jacqueline Merz
Malerin und Fotografin, geb. 1962 in Niederbipp/Schweiz, 2006
Arbeitsaufenthalt Baumwollspinnerei Leipzig, 2009 Field Institut
Hombroich, 2010 Abschlussausstellung Villa Massimo Rom, lebt seit
1991 in Dresden
Tobias Schick
Komponist, geb. 1985 in Ochsenhausen/Baden-Württemberg, Studium
der Komposition und Kontrabass in Dresden und Rom, Teilnahme u.a.
an den Darmstädter Ferienkursen, lebt in Dresden
Manos Tsangaris
Komponist, geb. 1956 in Düsseldorf, seit 2009 Professor für Komposition
an der Hochschule für Musik Dresden, 2011 Gründung des
"Internationalen Instituts für Kunstermittlung", designierter künstlerischer
Leiter der Münchener Biennale für Neues Musiktheater ab 2016
(zusammen mit Daniel Ott), lebt in Dresden
Katharina Vogt
Komponistin, Ärztin, geb. 1983 in Halle/Saale, Studium der
Humanmedizin in Berlin und Dresden, Musikpädagogik (Hauptfach
Bratsche) und Komposition in Dresden, zahlreiche Musiktheaterprojekte,
lebt in Dresden
Wolfgang Welsch
Philosoph, geb. 1946 in Steinenhausen, Lehre an zahlreichen
Universitäten, 1992 Max-Planck-Forschungspreis, 1998-2012 Professor
für Theoretische Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena,
emeritiert seit 2012, lebt in Berlin
In Kooperation mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber
Dresden