sciencelab: Digitale Mundpropaganda

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49 PRAXIS presse sprecher 08/ 13 de eine empirische Studie in einem sozialen Online-Netzwerk durch- geführt. Studie am Beispiel der e-fellows.net-community Die e-fellows.net-community ist eine reichweitenstarke Karriere- plattform für ausgewählte Studie- rende, Absolventen und Alum- ni aller Fachrichtungen. Ziel der anonymen, standardisierten On- line-Befragung war es, Rahmen- bedingungen sowie Motive von Mundpropaganda über Arbeitge- ber in sozialen Online-Netzwerken zu analysieren. Die Ergebnisse las- sen sich auch aufgrund der relativ geringen Stichprobengröße (n=102) zwar nicht verallgemeinern, können aber einige interessante Tendenzen offenlegen. Zunächst einmal zeigt sich, dass positiv wertende Meinungsäuße- rungen über Organisationen in ihrer Rolle als Arbeitgeber häufiger auf- treten als negative. Wird bei Mund- propaganda in Bezug auf Produkte oder Dienstleistungen im Regelfall ein Überhang negativer Kommen- tare konstatiert, so lässt sich dies im Arbeitgeberkontext für diese Studie nicht bestätigen. Untersucht wurde auch, welche Funktion des sozialen Online-Netz- werks für eine wertende Meinungs- äußerung über Arbeitgeber genutzt wird, wobei dies stets von den Ge- gebenheiten des Netzwerks abhängt. Im Fall der e-fellows.net-communi- ty hat die plattforminterne Nach- richtenfunktion besondere Geltung, ebenso wie die Möglichkeit, ver- schlagwortete Fragen an alle Nut- zer zu stellen. Daran zeigt sich, dass Mundpropag- anda über Ar- beitgeber so- wohl öffentlich als auch privat stattfindet. Er- wartungsgemäß entstand die deut- liche Mehrheit von Mundpropag- anda über Arbeitgeber reaktiv, das heißt als Reaktion auf Fragen ande- rer. Sofern eine negative Meinungs- äußerung stattfand, ging dieser so- gar immer eine Frage voran. Ein konkreter Informationsbedarf ei- Digitale Mund- propaganda Die Reputation von Arbeitgebern wird maß- geblich durch Mundpropaganda beeinflusst. Dabei überrascht, dass positive Meinungsäu- ßerungen zu Arbeitgebern häufiger auſtreten als negative. TEXT JULIA KLAPCZYNSKI Wie wichtig die Reputation eines Unternehmens für seine Rol- le als Arbeitgeber ist, erkennen un- längst immer mehr Organisati- onen. Recruiting-Events, durchge- stylte Karriereseiten auf Facebook und die kritische Auseinanderset- zung mit verschiedenen Arbeitge- ber-Rankings verdeutlichen, wel- chen Platz Employer Branding einnimmt. Flankiert wird diese Ent- wicklung von einem medial oſt be- schriebenen Mangel an Fach- und Führungskräſten, der seine Ursa- che unter anderem im demogra- fischen Wandel hat. Gleicherma- ßen steigt die Bedeutung qualifi- zierter und motivierter Mitarbeiter in einer hochgradig automatisier- ten Wissens- und Dienstleistungs- gesellschaſt. Demgegenüber prüfen Be- werber immer sorgsamer, ob ein potenzieller Arbeitgeber ihren Vorstellungen entspricht. Das Wertegerüst der vielzitierten „Ge- neration Y“ folgt einer stärkeren Sinn- und Freizeitorientierung. Diejenigen, die in den 1980er und 90er Jahren geboren wurden, sind mit digitalen Technologien aufge- wachsen. Das Web 2.0 und insbe- sondere soziale Online-Netzwerke prägen das alltägliche Kommuni- kationsverhalten und damit auch die Meinungsbildung der soge- nannten Ypsiloner maßgeblich. Die vorherrschenden Interak- tions-Angebote ermöglichen es, sich mit großer Reichweite und ohne Zeit- oder Ortsbarrieren über Organisationen sowie Er- fahrungen mit deren Leistungen auszutauschen. Das Phänomen Mundpropaganda, auch „Word of mouth“ oder „WOM“ genannt, wird immer wichtiger, schließlich gilt jene als besonders glaubwür- dig und authentisch empfunden. Im Rahmen meiner Magisterarbeit unter Betreuung von Ansgar Zer- faß an der Universität Leipzig wur- Die deutliche Mehrheit von Mundpropaganda über Arbeit- geber entsteht als Reaktion auf Fragen anderer Foto: www.dreamstime.com;

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Die Reputation von Arbeitgebern wird maßgeblich durch Mundpropaganda beeinflusst. Julia Klapczynski war mit Ihrer Abschlussarbeit zu "Word of Mouth" 2013 für den BdP-Nachwuchsförderpreis nominiert.

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Praxispresse sprecher 08/ 13

de eine empirische Studie in einem sozialen Online-Netzwerk durch-geführt.

Studie am Beispiel der e-fellows.net-communityDie e-fellows.net-community ist eine reichweitenstarke Karriere-plattform für ausgewählte Studie-rende, Absolventen und Alum-ni aller Fachrichtungen. Ziel der anonymen, standardisierten On-line-Befragung war es, Rahmen-bedingungen sowie Motive von Mundpropaganda über Arbeitge-ber in sozialen Online-Netzwerken zu analysieren. Die Ergebnisse las-sen sich auch aufgrund der relativ geringen Stichprobengröße (n=102) zwar nicht verallgemeinern, können aber einige inter essante Tendenzen offenlegen.

Zunächst einmal zeigt sich, dass positiv wertende Meinungsäuße-rungen über Organisationen in ihrer Rolle als Arbeitgeber häufiger auf-treten als negative. Wird bei Mund-propaganda in Bezug auf Produkte oder Dienstleistungen im Regelfall ein Überhang negativer Kommen-tare konstatiert, so lässt sich dies im Arbeitgeberkontext für diese Studie nicht bestätigen.

Untersucht wurde auch, welche Funktion des sozialen Online-Netz-werks für eine wertende Meinungs-äußerung über Arbeitgeber genutzt wird, wobei dies stets von den Ge-gebenheiten des Netzwerks abhängt. Im Fall der e-fellows.net-communi-ty hat die plattforminterne Nach-richtenfunktion besondere Geltung, ebenso wie die Möglichkeit, ver-schlagwortete Fragen an alle Nut-zer zu stellen.

D a r a n zeigt sich, dass Mundpropag-anda über Ar-beitgeber so-wohl öffentlich als auch privat stattfindet. Er-

wartungsgemäß entstand die deut-liche Mehrheit von Mundpropag-anda über Arbeitgeber reaktiv, das heißt als Reaktion auf Fragen ande-rer. Sofern eine negative Meinungs-äußerung stattfand, ging dieser so-gar immer eine Frage voran. Ein konkreter Informationsbedarf ei-

DigitaleMund- propaganda

Die Reputation von Arbeitgebern wird maß-geblich durch Mundpropaganda beeinflusst. Dabei überrascht, dass positive Meinungsäu-ßerungen zu Arbeitgebern häufiger auftreten als negative.

TEXT JuliA KlApczynSKi

Wie wichtig die Reputation eines Unternehmens für seine Rol-le als Arbeitgeber ist, erkennen un-längst immer mehr Organisati-onen. Recruiting-Events, durchge-stylte Karriereseiten auf Facebook und die kritische Auseinanderset-zung mit verschiedenen Arbeitge-ber-Rankings verdeutlichen, wel-chen Platz Employer Branding einnimmt. Flankiert wird diese Ent-wicklung von einem medial oft be-schriebenen Mangel an Fach- und Führungskräften, der seine Ursa-che unter anderem im demogra-fischen Wandel hat. Gleicherma-ßen steigt die Bedeutung qualifi-zierter und motivierter Mitarbeiter in einer hochgradig automatisier-ten Wissens- und Dienstleistungs-gesellschaft.

Demgegenüber prüfen Be-werber immer sorgsamer, ob ein potenzieller Arbeitgeber ihren Vorstellungen entspricht. Das Wertegerüst der vielzitierten „Ge-neration Y“ folgt einer stärkeren

Sinn- und Freizeitorientierung. Diejenigen, die in den 1980er und 90er Jahren geboren wurden, sind mit digitalen Technologien aufge-wachsen. Das Web 2.0 und insbe-sondere soziale Online-Netzwerke prägen das alltägliche Kommuni-kationsverhalten und damit auch die Meinungsbildung der soge-nannten Ypsiloner maßgeblich. Die vorherrschenden Interak-tions-Angebote ermöglichen es, sich mit großer Reichweite und ohne Zeit- oder Ortsbarrieren über Organisationen sowie Er-fahrungen mit deren Leistungen auszutauschen. Das Phänomen

Mundpropaganda, auch „Word of mouth“ oder „WOM“ genannt, wird immer wichtiger, schließlich gilt jene als besonders glaubwür-dig und authentisch empfunden. Im Rahmen meiner Magisterarbeit unter Betreuung von Ansgar Zer-faß an der Universität Leipzig wur-

Die deutliche Mehrheit von Mundpropaganda über Arbeit-geber entsteht als Reaktion auf Fragen anderer

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Julia Klapczynski arbei-tet bei der Wirtschaftskanz-lei Hengeler Mueller und betreut dort unter ande-rem das Employer Branding der Sozietät. Sie hat Kom-

munikationswissenschaft, Psychologie und BWL in Leipzig und Hongkong studiert.

Science lAB

Der Beitrag basiert auf den ergebnissen der Masterarbeit der Autorin, mit der sie es beim nach-wuchsförderpreis des Bundesver-bands deutscher pressesprecher (Bdp) unter die besten drei schaffte. um den oftmals span-nenden Forschungsergebnissen der eingesendeten Abschluss-arbeiten Raum zu geben und sie anderen praktikern zugänglich zu machen, veröffentlichen wir im pressesprecher in unserer neuen Rubrik „Science lab“ ausgewähl-te Beiträge.

beitgeber hilft und ihnen anhand ei-gener Erfahrungen zu- oder abrät. Bemerkenswerterweise wirkt die Zielstellung, andere vor schlechten Erfahrungen zu warnen, stärker ak-tivierend als im Fall einer positiven Empfehlung. Auch der Wunsch nach Teilhabe, Austausch und sozi-aler Integration ist ein wesentlicher

Baustein bei der Entstehung von Mundpropagan-da in sozialen On-line-Netzwerken. Zugleich schwingt die Hoffnung mit, selbst einmal ein

hilfreiches Urteil aus der Gemein-schaft zu erhalten, wenn man es braucht.

Positive Mundpropaganda wird weiterhin durch die Hoffnung auf einen bestimmten Eigennutzen aus-gelöst: Indem man einer Organisa-tion eine positive Rückmeldung gibt, möchte man alle Chancen er-halten oder vergrößern, dort viel-leicht einmal tätig zu werden.

Im Fall negativer Mundpropa-ganda ist weiterhin das Rachemo-tiv ausschlaggebend. Weniger wich-

tig bei der Entstehung von positiven wie negativen Äußerungen ist das Ziel, vom digitalen Umfeld bestä-tigt oder anerkannt zu werden und damit zum eigenen Selbstwert bei-zutragen. Auch Motive, die sich aus der Mediennutzung an sich ergeben und vor allem Ablenkung und Un-terhaltung bedeuten, sind nur nach-rangig relevant.

Insgesamt lässt sich feststellen: Die Motivlage für Mundpropa ganda über Arbeitgeber ist in vielen Teilen identisch ist mit derjenigen über Produkte oder Dienstleistungen. Bei der Bewertung der Ergebnisse ist jedoch zu berücksichtigen, dass alle Motive auf Selbstauskunft basie-ren und daher möglicherweise ver-zerrt sein können.

ner dritten Person ist demnach ein wesentlicher Auslöser von Mund-propaganda. Augenfällig war zu-dem, dass die am häufigsten posi-tiv durch Mundpropaganda the-matisierten Arbeitgebermerkmale subjektive, weiche und von außen nicht sichtbare Faktoren sind, wie zum Beispiel Arbeitsklima, Aufga-

beninhalte oder Karrierechancen. Jene Aspekte sind übrigens auch die wichtigsten Entscheidungskri-terien bei der Wahl eines Arbeit-gebers. Stärker objektivierbare und durch die Organisation unmittelbar steuerbare Fakten bilden tendenzi-ell weniger den Inhalt von Mund-propaganda über Arbeitgeber, sei es die Marktstellung oder Vergütung.

Interessanterweise tritt negative Mundpropaganda vor allem dort auf, wo ein Arbeitgeber die An-sprüche der Vereinbarkeit von Be-rufs- und Pri-vatleben nicht erfüllt. Schafft ein Arbeitge-ber hingegen gute Vorausset-zungen für ein ausgeglichenes Berufs- und Privatleben, ist dies kein Differen-zierungskriterium: Diese Beobach-tung wird dann nur selten positiv erwähnt, sondern eben als Selbst-verständlichkeit vorausgesetzt. An dieser Stelle zeigt sich wohl der oben beschriebene Wertewandel im Sinne der „Generation Y“.

Motive für MundpropagandaSchließlich lag ein Schwerpunkt der Studie darauf, Motive für Mundpro-paganda über Arbeitgeber in der e-fellows.net-community zu iden-tifizieren. Wenig überraschend sind in erster Linie soziale Motive Aus-löser für positive wie negative Mei-nungsäußerungen. Altruistisch möchte handeln, wer anderen bei ihrer Entscheidung für einen Ar-

FazitDas beste Erfolgsrezept aber für das Gewinnen und Halten von Talenten besteht vermutlich immer noch in einer hohen Zufriedenheit der ei-genen Mitarbeiter, die man dazu regelmäßig befragen sollte. Auch Studien unter Absolventen und Be-werbern können wertvolle Impulse für die Personalarbeit liefern. An-regungen, die sich hieraus ergeben, sollte man ernst nehmen, flexibel, strategisch und im engen Dialog mit den betroffenen Anspruchsgruppen darauf reagieren.

Die Reputation einer Organisa-tion in ihrer Rolle als Arbeitgeber wird maßgeblich durch Mundpro-paganda beeinflusst, auch wenn per-sönliche Erfahrung, massenmediale Berichterstattung und unternehme-rische Selbstdarstellung ebenso rele-vant sind. Für die Unternehmens-praxis ist daher zu raten, sich mit dem Phänomen der nicht nur ar-beitgeberbasierten Mundpropa-ganda in sozialen Online-Netzwer-ken auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere für Branchen mit ho-hem Nachwuchsbedarf, negativen öffentlichen Bildern und ohne greif-bare, für den Endverbraucher be-nutzbare Produkte.

Was die Studie für Kom-munikatoren bedeutetFür die Unternehmenskommuni-kation ergeben sich aus den dar-gestellten Befunden einige prak-tische Implikationen: So wird deutlich, dass eine systematische und regelmäßige Beobachtung von (nicht nur) arbeitgeberbezogener Mundpropaganda notwendig ist. Erstens kann diese erheblich dazu beitragen, kritische Themen früh-zeitig zu identifizieren und dro-hende Reputationsschäden ab-zuwenden. Zweitens erhält eine Organisation so Anregungen in Bezug auf die eigenen Leistungen als Arbeitgeber. Und drittens kön-nen Stereotype in der Außenwahr-nehmung sichtbar werden, denen aktiv begegnet werden kann. Idea-lerweise sollte jenen Arbeitgeber-merkmalen, die häufig Inhalt von Mundpropaganda sind, besonde-re Aufmerksamkeit geschenkt wer-den.

Grundsätzlich ist festzuhal-ten, dass sich Mundpropaganda nur bedingt steuern lässt. Nichts-destotrotz gibt es Ansatzpunkte, um sie zumindest potenziell posi-tiv zu beeinflussen: Offenkundig wurde, dass WOM vor allem re-aktiv und durch Freude am Aus-tausch und Interesse an anderen Mitgliedern entsteht.

Eine Organisation kann daher gezielt versuchen, solche Kom-munikationsanlässe und -struk-turen zu schaffen, sofern sie von der eigenen Leistung als Arbeitge-ber überzeugt ist. Das kann zum Beispiel über Netzwerkveranstal-tungen passieren oder indem Per-sonen in Online-Foren gezielt als Ansprechpartner vorgestellt wer-den. Hierzu zählt auch, Mitarbei-ter als lebenslange, authentische Multiplikatoren zu gewinnen und überhaupt ein Bewusstsein für die-se Rolle zu schaffen. Das könnte beispielsweise die Bitte um einen Beitrag auf dem Arbeitgeber-Be-wertungsportal Kununu sein.

In der Praxis werden On-line-Communities ehemaliger Mitarbeiter zur Steigerung der Identifikation mit einem Unter-nehmen genutzt. Auch ein Anreiz für eine erfolgreiche Mitarbeiter-empfehlung kann hilfreich sein.

positive Mundpropaganda wird weiterhin durch die Hoffnung auf einen bestimmten eigennutzen ausgelöst

negative Mundpropaganda tritt auf, wenn ein Arbeitgeber Ansprüche

von Vereinbarkeit von Berufs- und privatleben nicht erfüllt