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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Familien mit Schulkindern

Ivo MarxJulia Krohne

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Einführung in die Familienpsychologie

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Einführung in die Familienpsychologie

Veränderungen für das Kind mit dem Eintritt in die Schule

Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie wollen ständig dazulernen, sich erproben, neue Fähigkeiten erwerben und diese laufend verbessern. Die meisten freuen sich deshalb auf die Schule. Die Kleinen wissen, dass große Kinder in die Schule gehen, und viele können es gar nicht erwarten dazuzugehören. Manche Kindergartenkinder blicken geradezu neidisch zu älteren Geschwistern oder Freunden auf: Sie können schon lesen, rechnen und schreiben und brauchen nicht bei jedem gedruckten Wort, dessen Bedeutung sie verstehen wollen, zu den Eltern zu laufen. Sie selbst sind aus dieser Welt noch ausgeschlossen und wollen, dass das so bald wie möglich anders ist.

Kaum sind die Kinder wirklich in der Schule, sehen sie, dass der Alltag der Großen ziemlich anstrengend sein kann. In der Schule werden viel höhere Ansprüche an ihre Bereitschaft gestellt, eigene Wünsche zurückzustecken. Da locken hinten im Klassenzimmer die Spiel- und Bastelsachen - aber der Lehrer oder die Lehrerin bestehen darauf, dass jetzt gelesen wird. Sie sagt: „Wir zeichnen jetzt ein Haus.“ Das ist zwar lustiger als das Lesen, aber kaum hat man damit angefangen, kommt sie schon und kritisiert: „So geht das nicht.“ Wenn sie Haus sagt, meint sie Haus - und keinen Wolkenkratzer. Bei den ersten Rückwärts-Zählübungen meinen die Kinder, es sei wie auf dem Spielplatz: nach „drei, zwei, eins“ wird lautstark der Start einer Rakete simuliert. An Krach haben Lehrer aber erst recht keine Freude.

In die Schule zu gehen, bedeutet ein Wechsel in den Lernorten und –formen. Leben und Lernen fallen in stärkerem Maße auseinander. Im Gegensatz zur Familie verlangt die Schule von den Schülern und Schülerinnen, dass sie von ihren wirklichen Gefühlen und spontanen Regungen absehen.

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Einführung in die Familienpsychologie

Schultugenden wie Ruhe, Ordnung und Disziplin treten in den Vordergrund. Die Kinder werden zum ersten Mal in ihrem Leben gemessen und beurteilt. Lehrer loben und tadeln, sind gerecht oder ungerecht; es sind wichtige Personen, mit denen man klarkommen und Konflikte austragen muss, ohne gleich in Mutters Arme flüchten zu können. Das Gewöhnen an den Lehrer, das Zurechtkommen mit den Klassenkameraden, das Stillsitzen, das Aufpassen, das Gewöhnen an Pünktlichkeit und Ordnung sind Herausforderungen, die das eigentliche Lernen überdecken können.

Vieles von dem, was bisher die Eltern erledigt haben, müssen die Kinder nun allein machen; selbständiger als je zuvor müssen sie ihren Alltag gestalten und organisieren lernen. Am Morgen müssen die Kleinen selbst wissen, welche Hefte und Bücher sie heute brauchen. In der Schule hilft irgendwann niemand mehr beim Anziehen. Und am Nachmittag müssen sie daran denken, welche Aufgaben sie für den nächsten Tag erledigen müssen. Das Übungsblatt darf nicht in der Schule liegen bleiben, Lesebuch und Mitteilungsheft müssen vom Hort mit nach Hause genommen werden.

Die Beanspruchung durch die Schule hört nicht mit der letzten Unterrichtsstunde auf. Hausaufgaben stehen an, Erlebnisse müssen verarbeitet werden. Zu Hause wird ein Arbeitsplatz notwendig. Der Nachmittag ist nicht mehr frei verfügbar.

_Heim, 1977; Ernst et al., 1993

Diese Erweiterung von partikularistischen, die Individualität des Kindes betonenden Beziehungsmustern hin zu universalistischen Beziehungsmustern ist in der folgenden Tabelle zusammenfassend dargestellt.

Veränderungen für das Kind mit dem Eintritt in die Schule

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Einführung in die Familienpsychologie

Eigenschaften von intergenerationalen Beziehungen in der Familie und in der Schule (in Anlehnung an R. T. Kramer et al., 2001)

Familie Schule

Nähe, Dauerhaftigkeit, Vertrauen

Zeigen von Emotionen

Förderung von Individualität

Bewertung des Verhaltens auf der Basis persönlicher Beziehungen, Einstellungen und Intentionen des Kindes

Interaktionsmuster

Beziehungsschemata

Distanz, Kurzfristigkeit

Kontrolle von Emotionen (z. B. stillsitzen, nicht schwatzen, aufmerksam sein)

Individualität ist Störgröße

Bewertung des Verhaltens auf der Basis geltender Regeln und erzielter Leistungen

zeitlich wenig reglementiert

implizite Interaktionsregeln auf der Basis von Liebe und Verständnis

zeitlich hoch reglementiert

explizite Interaktionsregeln auf der Basis formaler Rollenverteilungen (z. B. erst nach Aufforderung sprechen)

Symmetrie, Selbststeuerung Asymmetrie, Fremdsteuerung

Veränderungen für das Kind mit dem Eintritt in die Schule

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Einführung in die Familienpsychologie

Veränderungen in der Einstellung zur Schule im Schulverlauf

Während der Grundschulzeit ist die Lernfreude noch hoch ausgeprägt und relativ stabil _Helmke, 1993

2

2,2

2,4

2,6

2,8

3

3,2

3,4

3,6

Jungen Mädchen

2

2,2

2,4

2,6

2,8

3

3,2

3,4

3,6

Jungen Mädchen

Mathematik Deutsch

N = 114

Erfassung der Lernfreude ab dem Kindergarten: Beurteilung leistungsbezogener Aktivitäten wie Zählen, Memory

spielen, Gedichte lernen; ab der 2. Klasse: affektive Einstellung zu den Schulfächern und einzelnen Inhalten

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Intrinsische Motivation Kompetenzmotivation

Leistungsmotivation Soziale Motivation

43

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45

46

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48

49

50

Schulische Anstrengung

Intrinsische Motivation, Kompetenzmotivation, soziale Motivation sowie schulische Anstrengung nehmen zwischen der 5. und 10. Klasse ab, während die Leistungsmotivation konstant bleibt._Pekrun, 1993

N = 177-397

Kompetenzmotivation: Gewinnung von Informationen über die eigene Kompetenz zu deren Verbesserung

Leistungsmotivation: Motivation, Erfolge zu erzielen und Misserfolge zu vermeiden

Soziale Motivation: Anstrengung, um positive Reaktionen von Bezugspersonen zu erhalten

Veränderungen in der Einstellung zur Schule im Schulverlauf

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Einführung in die Familienpsychologie

N = 10.860

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

positiv (%) negativ (%)

Schüler beurteilen die Lehrkraft und deren Unterricht zunehmend negativ, auch Zensuren und Zeugnisse werden im Sinne eines höheren Leistungsdrucks zunehmend negativ erlebt_Bönsch, 1994

2

12

22

32

42

52

62

Noten und Zeugnisse negativ erlebt (%)

Zufriedenheit mit der Schule und Wohlbefinden in der Schule nehmen im Schulverlauf ab _Fend, 1997

Veränderungen in der Einstellung zur Schule im Schulverlauf

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Einführung in die Familienpsychologie

Mögliche Faktoren, die die Lernmotivation, Lernfreude und schulische Entwicklung des Kindes beeinflussen:

Schule

Kind

Familie

intrapsychische Faktoren

familiale Faktorenschulische Faktoren

Kompetenzüberzeugungen

Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

Kontrollüberzeugungen

subjektive Aufgabenwertigkeiten

Interesse, intrinsische Motivation

Test- und Prüfungsangst

zunehmender Abstraktionsgrad der Aufgaben

zunehmend strengere Leistungsbeurteilung

zunehmende Distanz zwischen den Bedürfnissen jugendlicher Schüler und dem Angebot des schulischen Umfeldes (Gestaltung des Unterrichts, Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung)

familienstrukturelle Merkmale

Einstellungen und Überzeugungen der Eltern

elterlicher Erziehungsstil

familiale Lern- und Entwicklungsumgebung

schulbezogene Eltern-Kind-Interaktionen

Veränderungen in der Einstellung zur Schule im Schulverlauf

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Einführung in die Familienpsychologie

Erklärungsbeitrag von Elternhaus, Schule und individuellen Lernvoraussetzungen für interindividuelle schulische Leistungsdifferenzen

Veränderungen in der Einstellung zur Schule im Schulverlauf

9,1 %

5,7 %

12,9 %

Elternverhalten

Schulumwelt

individuelle Lernvoraussetzungen

Helmke et al., 1991

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Entwicklung von Kompetenzüberzeugungen

inhaltliche Differenzierung: bereits Kindergarten- und Grundschulkinder sind in der Lage, ihre Kompetenzen bezüglich verschiedener Bereiche zu beurteilen, allerdings nutzen sie häufig Extremwerte und ihre Einschätzungen stimmen nur begrenzt mit denen ihrer Eltern und Lehrer überein _Eccles, Wigfield et al., 1993; _Wigfield et al., 1996

Kindergarten- und Grundschulkinder in einer Studie von Wigfield et al. (1996) waren in der Lage, ihre Kompetenzen bezüglich Mathematik, Lesen, Musik, Sport, generelle Schulleistung, Beziehung zu den Eltern und Beziehungen zu Gleichaltrigen einzuschätzen.

Genauigkeit: insbesondere während der ersten 3 - 4 Schuljahre werden die Kompetenzbeur-teilungen zunehmend variabler und stimmen stärker mit den Fremdbeurteilungen überein _Wigfield et al., 1996

negativer Entwicklungsverlauf: die Kompetenzüberzeugungen werden in der Grund- und Mittelstufe schwächer und sinken auch während der Oberstufe weiter ab; mit den Kompetenzüberzeugungen sinken auch die Erfolgserwartungen _Eccles & Midgley, 1989; _Wigfield et al., 1991; _Stipek, 1984

In einer Studie von Nicholls et al. (1979a) schätzten sich die meisten Erstklässler bezüglich ihrer Lesefähigkeiten in Relation zur Gesamtklasse im oberen Fähigkeitsbereich ein, ihre Kompetenzbeurteilungen korrelierten nicht mit der tatsächlichen Leseleistung. Die Kompetenzbeurteilungen der 12-jährigen hingegen streuten stärker und korrelierten bis zu r = .70 mit der Deutschnote.

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

mögliche Erklärungen:

realistischere Selbsteinschätzung durch zunehmenden sozialen Vergleich

realistischere Selbsteinschätzung durch zunehmend bessere Fähigkeit zur Interpretation und Integration leistungsbezogener Rückmeldungen

subjektiv höherer Aufwand für weniger Ergebnis: Fähigkeiten, die einen hohen subjektiven Entwicklungsfortschritt bedeuten (Lesen, Grundrechnen), wurden bereits erworben und werden jetzt nur noch verfeinert; dies erfolgt auf höherem Abstraktionsniveau, das viel Anstrengung verlangt und zu einem subjektiv weniger bedeutsamen Entwicklungsfortschritt führt

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Entwicklung des inhaltlichen Verständnisses von Kompetenz

4-Phasen-Modell von Nicholls et al., 1986

5-6 Jahre: Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Anstrengung, Fähigkeit und Handlungsergebnis werden noch nicht erkannt

7-8 Jahre: Anstrengung wird als Voraussetzung für positive Handlungsergebnisse angesehen

9-12 Jahre: zunehmende Differenzierung zwischen Anstrengung und Fähigkeit als Voraussetzungen für positive Handlungsergebnisse

ab 13 Jahre: klare Differenzierung zwischen Anstrengung und Fähigkeit mit dem Wissen, dass sich Anstrengung und Fähigkeit in einem gewissen Ausmaß kompensieren können

Jüngere Kinder scheinen stärker als ältere Kinder der Auffassung zu sein, dass Fähigkeiten durch Anstrengung weiterentwickelt werden können, während ältere Kinder eher glauben, dass Fähigkeiten stabil sind. Diese Auffassungen wirken sich auf die Anstrengungsbereitschaft aus._Dweck et al., 1988

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Entwicklung von Kontrollüberzeugungen

locus of control:generalisierte Überzeugungen dahingehend, ob eher internale, im Individuum selbst liegende Ursachen oder externale, auf andere Menschen bzw. die Umwelt zurückgehende Ursachen im Leben eines Menschen bestimmend zu sein scheinen

7-8 Jahre:keine Unterscheidung zwischen Anstrengung, Glück, Fähigkeit und Einfluss anderer Personen für das Zustandekommen eines Handlungsergebnisses

9-10 Jahre:Unterscheidung interner (Anstrengung, Fähigkeit) und externer (Glück, Einfluss anderer Personen) Faktoren für das Zustandekommen eines Handlungsergebnisses

11-12 Jahre:Unterscheidung zwischen Anstrengung, Fähigkeit und externen Faktoren für das Zustandekommen eines Handlungsergebnisses_Skinner, 1995

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Mit zunehmendem Alter sind Kinder besser in der Lage zu beurteilen, welche Ereignisse sie beeinflussen können und welche nicht, und sind deshalb zunehmend weniger der Auffassung, dass Glück ein effektives Mittel zur Zielerreichung ist._Weisz, 1984 ; Skinner, 1995

  Damit wird der Aspekt der Anstrengung zunehmend bedeutsam, besonders auch deshalb, weil mit zunehmendem Alter die eigenen Kompetenzen als relativ stabil eingestuft werden (s. o.)

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Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Entwicklung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

Selbstwirksamkeit: Selbstvertrauen einer Person bei der Lösung spezifischer Aufgaben aufgrund früherer Erfahrungen

anzunehmen ist, dass Selbstwirksamkeitsüberzeugungen durch Kompetenz- und Kontroll-überzeugungen beeinflusst werden:

Verfüge ich über die Fähigkeiten, um ein erwünschtes Ergebnis herbeizuführen?

Liegt es in meiner Macht, das erwünschte Ergebnis herbeizuführen?

Kompetenz-überzeugungen

Kontroll-überzeugungen

Selbstwirksamkeits-überzeugungen

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Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Jüngere Kinder leiten ihre Selbstwirksamkeit eher aus dem Erfolg der aktuell bearbeiteten Aufgabe ab, während ältere Kinder durch die Fähigkeit, kumulatives Leistungsfeedback zu analysieren, ein zunehmend stabiles Wirksamkeitsselbstbild herausbilden._Parsons & Ruble, 1977

Personen, die ihre Selbstwirksamkeit bezüglich bestimmter Aufgaben hoch einschätzen, setzen sich höhere Ziele und zeigen Anstrengung und Ausdauer, um diese Ziele zu erreichen. Ferner verfügen sie über effektivere Lösungsstrategien als Personen mit einer niedrigen Selbst-wirksamkeit._Bandura, 1986; _Wood & Bandura, 1989

Die Aufgabe der Versuchspersonen von Latham, Winters und Locke (1994) bestand darin, in einem festgelegten Zeitraum eine bestimmte Anzahl von Stundenplänen zu erstellen. Die Partizipation bei der Zielsetzung (Anzahl der zu erstellenden Stundenpläne) und die Partizipation bei der Strategieentwicklung (Diskussion über die erfolgversprechendste Strategie) wurden experimentell manipuliert.

Personen, die vor der Aufgabenbearbeitung Gelegenheit hatten, in einer Gruppe über die Effektivität von selbst generierten Strategien zu beraten, erzielten bessere Ergebnisse als Personen, die die Aufgabe von vornherein allein bearbeiteten. Sie zeigten auch ein höheres aufgabenspezifisches Selbstvertrauen, da sie aus der Diskussion die ihrer Meinung nach effektivste Strategie auswählen konnten und sich daher sicherer waren, die Aufgabe gut zu lösen ( Kompetenzüberzeugung).

Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit war bei denjenigen Personen am höchsten ausgeprägt, die neben der Diskussion auch an der Zielsetzung partizipieren durften ( Kontrollüberzeugung). Selbstwirksamkeit und Strategiequalität wirkten sich unabhängig voneinander auf die Leistung aus. Zusammen vermittelten sie vollständig den Zusammenhang zwischen Partizipation und Leistung.

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Entwicklung subjektiver Aufgabenwertigkeiten

Bereits in den ersten Grundschuljahren können Kinder beurteilen, in welchen Unterrichtsfächern sie gut sind und welche Unterrichtsfächer sie für wichtig halten, also eine Differenzierung zwischen eigener Kompetenz und Wichtigkeit des Unterrichtsfaches vornehmen. Die Wichtigkeit können sie zunehmend in verschiedene Facetten differenzieren:

ab 1. Klasse: Interesse, Bedeutsamkeit / Nutzen ab 5. Klasse: Interesse, persönliche Bedeutsamkeit, genereller Nutzen_Eccles-Parsons et al., 1983 ; _Wigfield et al., 1993; 1996

Im Schulverlauf beurteilen die Schüler den Nutzen einiger Schulfächer zunehmend schlechter (z. B. Mathematik, Lesen, Musik, Sport), wobei damit eine Verschlechterung des Interesses an diesem Schulfach einhergehen kann, aber nicht muss._Eccles et al., 1984; _Wigfield et al., 1996

mögliche Erklärung:

Interesse und Nutzen werden anhand unterschiedlicher Kriterien beurteilt. Das Interesse variiert in Abhängigkeit von der Selbstwirksamkeitsüberzeugung, d. h. der Schüler entwickelt ein Interesse für Fächer, in denen er sich für kompetent hält. Der Nutzen wird eher anhand externer Kriterien, wie z. B. der Alltagsrelevanz des vermittelten Wissens, beurteilt.

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Im Schulverlauf bewerten die Schüler zunehmend jene Fächer positiv, in denen sie sich kompetent einschätzen; die differentielle Wirkung der Kompetenz auf das Interesse und die Nutzenbeurteilung ist hier noch zu überprüfen_Wigfield et al., 1996

Sind sowohl Interesse als auch subjektiver Nutzen gering, resultieren negative Auswirkungen auf die Leistungsmotivation. 

Kompetenz-überzeugungen

Kontroll-überzeugungen Selbstwirksamkeits-

überzeugungenInteresse

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Einführung in die Familienpsychologie

Intrapsychische Determinanten der Lernmotivation

Entwicklung volitionaler Prozesse

volitionale Prozesse:Mechanismen der Willenskontrolle des Lernenden, die dazu dienen sollen, seine Lernabsicht gegen konkurrierende Einflüsse innerhalb und außerhalb seiner Person abzuschirmen. Kuhl (1987) postuliert sechs solcher Mechanismen:

selektive Aufmerksamkeit: Lenkung der Aufmerksamkeit auf handlungsrelevante Inhalte

sparsame Informationsverarbeitung: Abbrechen des Abwägens von Vor- und Nachteilen alternativer Handlungen, sobald die aktuelle Absicht gefährdet wird

Enkodierungskontrolle: tiefe Verarbeitung von Informationen, die mit der aktuellen Absicht zusammenhängen

Emotionskontrolle: Anregung absichtsfördernder und Unterdrückung negativer Emotionen

Motivationskontrolle: Stärkung der Motivation zur Ausführung der aktuellen Handlung

Umweltkontrolle: Gestaltung und Veränderung der Umwelt, um die Ausführung der aktuellen Absicht zu erleichtern

Mit Ausnahme der Emotionskontrolle scheinen Grundschulkinder zunehmend von diesen Strategien zu profitieren._Kuhl & Kraska, 1989

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Familiale Determinanten der Lernmotivation

Demographische Einflussfaktoren

Nicht die demographischen Faktoren an sich, sondern die mit ihnen assoziierten elterlichen Überzeugungen, Erziehungspraktiken, finanziellen und intellektuellen Ressourcen etc. beeinflussen die schulische Entwicklung des Kindes

Bildungsniveau und Einkommen

Eltern mit höherer Bildung sind stärker der Auffassung,

dass ihre Beteiligung an der intellektuellen Entwicklung des Kindes wichtig ist,

dass es wichtig ist, dem Kind eine anregungsreiche Lernumgebung zur Verfügung zu stellen

schätzen die Bildungschancen und Zukunftsperspektiven ihrer Kinder höher ein_Alexander & Entwisle, 1988; _Barber & Eccles, 1992; _Collins et al., 2000; _DeBaryshe et al., 1993

wählen für ihre Kinder im Zweifelsfall den anspruchsvolleren Bildungsgang

Obwohl die generelle Tendenz zu verzeichnen ist, dass Eltern höhere Schulabschlüsse für ihre Kinder wünschen als früher (50 % Abitur, 36 % Realschule, 12 % Hauptschule; Rolff , 1992), besteht immer noch ein klarer Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem schulischen Qualifikationsniveau. 1989 ging in der Bundesrepublik jedes zweite Beamtenkind, aber nur jedes zehnte Arbeiterkind zum Gymnasium. In der Hauptschule verhielt es sich umgekehrt _Böttcher, 1991

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Familiale Determinanten der Lernmotivation

Zeit

Faktoren, die Zeit und Energie reduzieren, mit der sich Eltern dem Kind aktiv zuwenden können: z. B. Ein-Eltern-Familien, starke Arbeitsbelastung, Familiengröße_Schneider & Coleman, 1993

 kulturelle Unterschiede bezüglich elterlicher Leistungsüberzeugungen

Europäisch-amerikanische Eltern überschätzen die schulischen Fähigkeiten ihrer Kinder, sind sich der schulischen Probleme ihrer Kinder nicht so stark bewusst und sind mit einer Schulleistung ihrer Kinder, die unter ihren Erwartungen ausfällt, stärker zufrieden als asiatisch-amerikanische Eltern._Crystal & Stevenson, 1991

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Einführung in die Familienpsychologie

Familiale Determinanten der Lernmotivation

Generelle Überzeugungen der Eltern

geschlechtsstereotypische Überzeugungen („Jungen singen nicht im Chor.“)

Kontrollüberzeugungen, z. B. Auffassung über die Konsistenz oder Beeinflussbarkeit von Fähigkeiten („Entweder wurde man klug geboren oder nicht.“)

Wirksamkeitsüberzeugungen („Das kann man doch von einem Kind nicht verlangen, das ist doch viel zu schwierig.“)

persönliche Werte, z. B. die Wertschätzung von Bildung („Es ist für das spätere Leben wichtig, dass man in der Schule gut aufpasst.“) und die Bedeutsamkeit von Misserfolgen („Davon geht die Welt nicht unter.“)

kulturelle Überzeugungen („Um gute Leistungen muss man begabt sein.“ vs. „Um gute Leistungen zu erzielen, muss man hart arbeiten.“)

subjektiver Wert bestimmter Aufgaben und Aktivitäten, in Abhängigkeit davon unterschiedliche Leistungsstandards („In Mathe muss man nicht so gut sein wie in Deutsch.“) und Überzeugungsstreben („Du musst unbedingt Geige spielen lernen.“)

_Dweck & Leggett, 1988 ; _Hokoda & Fincham, 1995; _Stevenson et al., 1990

Generelle Überzeugungen beeinflussen sowohl die direkten Reaktionen auf das kindliche Verhalten als auch die Einstellungen, Werte und Erwartungen des Kindes und wirken sich über diese u. a. auf die Leistungsmotivation aus.

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Einführung in die Familienpsychologie

Familiale Determinanten der Lernmotivation

Kindbezogene Überzeugungen der Eltern

Überzeugungen über die Fähigkeiten und Talente des Kindes in verschiedenen Bereichen

Überzeugungen über Temperamentseigenschaften des Kindes

Wirksamkeitsüberzeugungen und Erfolgserwartungen für Aktivitäten des Kindes

Kausalattributionen für die Leistungen des Kindes

... entwickeln sich z. B. aufgrund des Geschlechts, wahrgenommener Talente, früherer Leistungen und Temperamentseigenschaften des Kindes.

Elterlichen Überzeugungen über die schulischen Fähigkeiten ihrer Kinder sind signifikante Prädiktoren des Fähigkeitsselbst-bildes der Kinder in den Fächern Mathematik, Englisch und Sport._Eccles, 1993

Elterliche Überzeugungen über die schulischen Fähigkeiten ihrer Kinder in bestimmten Unterrichtsfächern beeinflussen das Fähigkeitsselbstbild der Kinder in anderen Fächern. So wurden beispielsweise negative Korrelationen zwischen der Beurteilung der Englischleistung durch die Mütter und der Beurteilung der Mathematikleistung durch die Kinder gefunden._ Eccles et al., 1991; _Eccles, 1993

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Einführung in die Familienpsychologie

Familiale Determinanten der Lernmotivation

Familienklima und Erziehungsverhalten

Anregungsgehalt der Familie (Reichhaltigkeit und Qualität des Lernmaterials, Gespräche über tägliche Ereignisse, Vorlesen, Ausmaß und Qualität kultureller Aktivitäten der Familie) _Wigfield & Asher, 1984

Eltern als positive Verhaltensmodelle (Werte, z. B. Leistungsorientierung; Ziele) _Eccles, 1993

elterliche Wertschätzung und Unterstützung _Csikszentmiahalyi et al., 1993

angemessenes Verhältnis von Unterstützung und Herausforderung _Eccles, 1993; Miller et al., 1991

Interesse für die Aktivitäten des Kindes _Grolnick et al., 1991

autonomieunterstützendes Elternverhalten _Bradley et al., 2000; _Csikszentmiahalyi et al., 1993

Verhaltensregulation, Kontrolle, Strukturierung (Vorgabe von Spiel- und Hausaufgabenzeiten) _Grolnick et al., 1991

Harmonie _Csikszentmiahalyi et al., 1993

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Familiale Determinanten der Lernmotivation

relevante Dimensionen nach Steinberg et al., 1994

Ausmaß an Liebe, Verantwortungsbewusstsein, Fürsorge (acceptance / involvement) Ausmaß an Beaufsichtigung und Kontrolle (strictness/ supervision)

Elterlicher Erziehungsstil

+

+

-

-

Fürsorge

Kontrolle

autoritär

autoritativnachgiebig

vernach-lässigend

Nur etwa jedes zehnte Kind wird autoritativ erzogen. _Baumrind, 1991

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Einführung in die Familienpsychologie

Familiale Determinanten der Lernmotivation

Im zeitlichen Verlauf bleiben Unterschiede zwischen Erziehungsstilen erhalten oder verstärken sich sogar. Insbesondere die Kluft zwischen autoritativ vs. nachlässig erzogenen Jugendlichen vergrößert sich. Beispielhafte Dimensionen:_Steinberg et al., 1994

psychosoziale Entwicklung soziale Kompetenz (Beliebtheit, leichtes Schließen von Freundschaften, viele Freunde) Selbstsicherheit (interne Kontrolle, unabhängiges Treffen von Entscheidungen) Zielorientierung (Stolz über erledigte Aufgaben)

schulische Kompetenz schulische Kompetenz (Intelligenz im Vergleich zu den anderen Mitschülern) Einstellung zur Schule (zufrieden, da man etwas lernt)

Beschwerden körperliche Symptome (Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Erkältungen) psychische Symptome (Angst, Anspannung, Depression)

Problemverhalten Drogen und Alkohol, Straftaten (Waffenbesitz, Diebstahl) schlechtes schulisches Benehmen (abschreiben, schwatzen, verspäten)

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Einführung in die Familienpsychologie

Familiale Determinanten der Lernmotivation

N = 2.353, 1 year follow-up, _Steinberg et al., 1994

Autoritativ erzogene Jugendliche zeigen eine bessere psychosoziale Entwicklung, beurteilen ihre schulische Kompetenz höher, haben weniger körperliche Beschwerden und zeigen weniger Problemverhalten als andere Jugendliche. Im zeitlichen Verlauf beurteilen sie sich zunehmend kompetenter und zeigen weniger schlechtes schulisches Benehmen.

Autoritär erzogene Jugendliche zeigen in leicht abgeschwächter Form die Merkmale autoritativ erzogener Jugendlicher, sind jedoch weniger selbstsicher. Im zeitlichen Verlauf nehmen bei diesen Jugendlichen körperliche Beschwerden zu.

Nachgiebig erzogene Jugendliche verfügen über ein relativ schwaches kompetenzbezogenes Selbstbild und zeigen zeitweise Problemverhalten, sind jedoch sozial kompetent und selbstsicher. Im zeitlichen Verlauf verbessert sich ihr kompetenzbezogenes Selbstbild und sie zeigen weniger körperliche Beschwerden, gleichwohl verschlechtert sich ihre Einstellung zur Schule und sie zeigen zunehmend schlechtes schulisches Benehmen.

Nachlässig erzogene Jugendliche sind am schlechtesten angepasst. Sie zeigen eine schlechtere psychosoziale Entwicklung, beurteilen ihre schulische Kompetenz niedriger und zeigen mehr Problemverhalten als andere Jugendliche. Im zeitlichen Verlauf nimmt die Zielorientierung ab, die Einstellung zur Schule verschlechtert sich und sie zeigen ein deutlich zunehmendes Problemverhalten.

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Schulbezogene Eltern-Kind-Interaktionen

Hausaufgaben

Familiale Determinanten der Lernmotivation

9,2 %

21,4 %

„Wenn ich zu Hause lerne, muss ich das immer allein machen.“

„Ich lerne immer gemeinsam mit meinen Eltern.“

Lehrer, Eltern und Schüler betrachten Hausaufgaben mehrheitlich als nützlich

Bereits im 1. Grundschuljahr üben 80 % der Eltern über die Hausaufgaben hinaus mit ihren Kindern_Paetzold, 1988

Häusliches Lernen scheint sich positiv auf die Leistungen und die Lernmotivation von Schülern auszuwirken.

_Wild & Remy, 2001

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Faktoren, die die Effektivität von Hausaufgaben beeinflussen:

Familiale Determinanten der Lernmotivation

prozessorientierte Hilfe der Eltern

inhaltliche Hilfestellungen (Diskussion, Anwendungsbeispiele)

Anregungen zum selbstregulierten Lernen (selektive Aufmerksamkeit, Umweltkontrolle, Lernstrategien)

weitgehender Verzicht auf formale Kontrolle

trösten und ermutigen bei Misserfolgen

Verständnis von Hausaufgaben als Lernsituation (Streben nach Verständ-nis und Neuerwerb von Wissen)

produktorientierte Hilfe der Eltern

formale Ergebniskontrolle (vollständig, termingerecht, sauber, korrekt)

zu hohe Leistungsansprüche

Schimpfen oder Unverständnis bei Misserfolgen

Verständnis von Hausaufgaben als Leistungssituation

hohe Lernmotivation und positive Leistungsentwicklung_Wild & Remy, 2001

niedrige Lernmotivation und negative Leistungsentwicklung, Furcht vor Misserfolg_Helmke et al., 1991; _Wild & Remy, 2001

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

das Fachwissen von Eltern scheint sich, zumindest in einigen Unterrichtsfächern, nicht auf die Lernleistung und das Interesse ihrer Kinder auszuwirken_Sumfleth & Wild, 2001

Familiale Determinanten der Lernmotivation

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Kooperation zwischen Elternhaus und Schule

Formen der Interaktion

direkte Interaktion: Elternabende, Elternsprechtage und Elternsprechstunde

Die direkte Interaktion ist meist selten und kurz und gestaltet sich einseitig, d. h. Eltern werden durch Lehrer über den Leistungsstand und das Disziplinverhalten ihrer Kinder informiert, eine Information der Lehrer durch die Eltern erfolgt zumeist nicht. Über die Noten hinausgehende lerndiagnostische Informationen (z. B. zum individuellen Lernfortschritt oder zu spezifischen Lerndefiziten) und mögliche Interventionsmaßnahmen werden zumeist nicht vermittelt.

Lehrer und Eltern sprechen fast ausschließlich über die Leistung und Disziplin des Schülers, Entwicklungsbereiche, die den Lehrplan nicht betreffen, werden selten angesprochen.

indirekte Interaktion: Schüler als Informationsträger, schriftliche Mitteilungen

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Rahmenbedingungen der Kooperation

Lehrer sehen sie sich eher als Unterrichtsexperten und weniger als zuständig für Erziehungs- und Entwicklungsfragen. Schulische Probleme des Kindes attribuieren sie eher auf das Elternhaus bzw. das Kind und fühlen sich für diese Erziehungsfragen häufig nicht zuständig.

Auch Eltern attribuieren schulische Probleme ihres Kindes auf sich bzw. das Kind, schätzen aber den Einfluss des Unterrichts für die Herbeiführung von guten oder schlechten Noten und damit die Position des Lehrers wichtiger ein.

Lehrer sind eher universalistisch an Lernfortschritten und der Disziplin der Gesamtklasse interessiert und betrachten Schüler vorwiegend unter leistungsbezogenen Gesichtspunkten im Vergleich zu den Mitschülern.

Eltern sind an den Lernfortschritten ihres eigenen Kindes interessiert, um ihm eine möglichst günstige Leistungsbewertung zu verschaffen.

Kooperation zwischen Elternhaus und Schule

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Kooperation zwischen Elternhaus und Schule

Elternrechte sind in allen Bundesländern und Schularten im wesentlichen auf Informations- und Mitwirkungsrechte beschränkt, ihr Einfluss auf den schulischen Alltag ist daher gering.

Elternrechte

Information über Inhalte und Methoden des Unterrichts sowie über Leistungen und Verhaltensweisen des eigenen Kindes

indirekte Beratungs- und Vorschlagsrechte zu spezifischen Einzelfragen der Schul- und Unterrichtsorganisation durch den Elternbeirat

Staatliche Rechte

Organisation des Schulwesens

Ausbildung, Einstellung und Besoldung von Lehrern sowie deren Zuordnung

zu den einzelnen Klassen und Kursen

Festlegung der Formen und Inhalte von Leistungskontrollen

Festlegung der Lerninhalte und zeitlichen Unterrichtseinheiten

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Kooperation zwischen Elternhaus und Schule

Modelle zur Verbesserung der Kooperation zwischen Elternhaus und Schule

stärkere Mitbestimmung der Eltern

Beteiligung von Eltern amschulischen Unterricht

Veränderung des Schulsystems

Ausbildung von Lehrern und Eltern

stärkere Mitbestimmungsrechte für Elternvertretungen, z. B. bei der Umsetzung von Lehrplänen

Schule wird für Eltern transparenter (+)

Steigerung der Motivation der Eltern zur Unterstützung der Lehrer (+)

zielsicherere Planbarkeit häuslicher Fördermaßnahmen durch direkte Wahrnehmung des Kindes (+)

Erhöhung der Lernmotivation des Kindes (+)

möglicherweise Erhöhung des Leistungsdrucks seitens des Kindes (-)

berufstätige Eltern sind benachteiligt (-)

Lehrer: stärkere Berücksichtigung von Erziehungs- und Entwicklungsfragen im Studium;

Eltern: Vermittlung instruktionaler Kompetenzen für die Lernbetreuung und erzieherischer Kompetenzen zur Förderung der leistungsbezogenen Persönlichkeitsentwicklung (z. B. Lernmotivation, leistungsbezogenes Selbstvertrauen)

Eltern könnten für ihr Kind nach individuell bedeutsamen Kriterien eine Schule auswählen und mit dieser einen Bildungsvertrag schließen.

Schulen konkurrieren um Schüler und orientieren sich mehr an den Wünschen der Eltern (+)

Aufsichtspflicht des Staates auf Überwachung und Einhaltung von Mindeststandards reduziert (-)

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Kooperation zwischen Elternhaus und Schule

Modelle zur Verbesserung der Kooperation zwischen Elternhaus und Schule

Einfluss von Lehrern auf die elterliche Erziehungsarbeit

Hausbesuche

verbesserte Kommunikation und Information zwischen Elternhaus und Schule (+)

Implementierung pädagogischer Maßnahmen in der Familie wird erleichtert (+)

hoher Zeitaufwand (-)

verstärkte soziale Kontrolle des Kindes (-)

pädagogische Information

Lehrer sollten zusätzlich zur Leistungsrückmeldung über das konkrete Lernverhalten des Kindes sowie mögliche elterliche Interventionsmaßnahmen zur Lern- und Entwicklungsförderung informieren

Home-Based Reinforcement (HBR)

durch Lehrer angeregte und gesteuerte Maßnahmen zur Steigerung der Lernmotivation und zur Korrektur dysfunktionalen schulischen Verhaltens werden durch die Eltern zu Hause durchgeführt.*

Verbesserung des schulischen Lern- und Disziplinverhaltens (+)

Zeitaufwand für Lehrer und Eltern (-)

Home-Based Instruction (HBI)

Lehrer vermitteln den Eltern effiziente Formen der häuslichen Instruktion für die Hausaufgaben-betreuung und den häuslichen Förderunterricht

stärkere Lerneffekte bei häuslichem als bei schulischem Förderunterricht (+)

Zeitaufwand für Lehrer und Eltern (-)

* Lehrer, Eltern und Kind schließen einen Vertrag über das erwünschte Verhalten, der Lehrer füllt täglich eine Berichtskarte zum Unterrichtsverhalten des Kindes aus, die das Kind mit nach Hause nimmt, die Eltern verstärken das Kind für positives Verhalten und wenn sich das erwünschte Verhalten stabilisiert hat, wird die Methode allmählich ausgeblendet, um eine intrinsische Verhaltensmotivation des Kindes aufzubauen.

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Familien mit Schulkindern

   

Einführung in die Familienpsychologie

Bönsch, M. (1994). Die beste Schule für mein Kind (S. 33). Freiburg: Herder.

Ernst, A., Herbst, V., Langbein, K. & Skalnik, Ch. (1993). Kursbuch Kinder (S. 644-646). Köln: Kiepenheuer & Witsch.

Eccles, J., Wigfield, A. & Schiefele, U. (1998). Motivation to succeed. In N. Eisenberg (Ed.), Handbook of child psychology, Vol. 3: Social, emotional, and personality development (pp. 1017-1095). New York: Wiley.

Heim, D. (1977). Lehrer begegnen Eltern. München: Urban und Schwarzenberg.

Helmke, A. (1993). Die Entwicklung der Lernfreude vom Kindergarten bis zur 5. Klassenstufe. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 7, 77-86.

Hoover-Dempsey, K., Battiato, A., Walker, J., Reed, R., DeJong, J. & Jones, K. (2001). Parental involvement in homework. Educational Psychologist, 36, 195-209.

Pekrun, R. (1993). Entwicklung von schulischer Aufgabenmotivation in der Sekundarstufe: Ein erwartungs-wert-theoretischer Ansatz. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 7, 87-97.

Pekrun, R. (1997). Kooperation zwischen Elternhaus und Schule. In L. A. Vaskovics & H. Lipinski (Hrsg.), Familiale Lebenswelten und Bildungsarbeit (S. 51-79). Opladen: Leske + Budrich.

Wild, E. & Hofer, M. (2001). Familien mit Schulkindern. In E. Wild & M. Hofer (Hrsg.), Lehrbuch Familienbeziehungen.

Literaturverzeichnis