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Seite 942 · Nummer 41 · Holz-Zentralblatt Freitag, 13. Oktober 2017 Messen und Tagungen Mehr Aussteller zur »Drema« rh. Rund 200 Gäste aus Holzhan- del und -industrie diskutierten am 28. September beim „Holzring-Sym- posium“ im voll besetzten Vortrags- saal im Kempinski-Hotel in Frankfurt am Main über die Digitalisierung in der Holzbranche. Deutlich wurde, dass die Branche die Chancen der digitalen Welt noch viel zu wenig nutzt. Um das Thema voranzubringen, müssten alle Beteiligten einer Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen. Eine Heraus- forderung, aber auch ein Vorbild stel- len große Handelsplattformen, wie Amazon, Ebay und Alibaba mittelfris- tig wohl auch für den Holzhandel dar. »Holzring-Symposium«: 200 Teilnehmer diskutieren über »die digitale Transformation in der Holzbranche« Bei der Digitalisierung an einem Strang ziehen Eine neue Welt betrat Holzring-Ge- schäftsführer Olaf Rützel mit seinem Besuch der IT-Messe „Dmexco“ in Köln (13. und 14. September), wie er in sei- ner Eröffnungsrede begeistert berichte- te. Auffällig sei der niedrige Alters- durchschnitt und legere Auftritt der Teilnehmer gewesen, sowie die völlig andere Art der Präsentation, wie er am Auftritt der Firma Google festmachte. „Der Hype, der da zurzeit stattfindet, ist zu 98 % am Endverbraucher orien- tiert“, analysierte Rützel. Die digitale Transformation präge demnach beson- ders die Interaktion der Unternehmen mit den Kunden, wirke also im „B2C“- Bereich (Business to Customer). Der heutige „Super-Empowered-Customer“ sei als Tatsache eine wachsende He- rausforderung für Unternehmen. Ge- meint ist der digital vernetzte Kunde, der in der Lage ist, sich selbständig viel- fältige Informationen über Produkte, Preise und Unternehmen zu beschaffen und über das Internet selbst Informatio- nen weiterzugeben, wie beispielsweise Kundenbewertungen . Für den „B2B“-Bereich bedeute Digi- talisierung bisher vor allem Prozessopti- mierung. Allerdings machte Rützel da- rauf aufmerksam, dass bereits 21 % der Handwerker online kauften. Im Auge zu behalten sei diesbezüglich die neue Plattform „Amazon Business“. Hiermit zielt das Internetunternehmen auf den „B2B“-Bereich ab, indem es Lieferan- ten und gewerblichen Kunden einen Onlinemarktplatz anbietet. Zu dessen Bedeutung und den Auswirkungen auf den Holzhandel will der Holzring eine Studie in die Wege leiten. Die nächste Dimension des E-Com- merce werde sich wohl durch den neu- en „Facebook Marketplace“ öffnen. Dies sollten die Akteure im Handel wis- sen und aufmerksam verfolgen. „Physische Avatare werden die Arbeit grundlegend ändern“ Zum Thema Robotik und künstliche Intelligenz referierte Prof. Dr. Frank Kirchner. Der Informatiker und Neuro- wissenschaftler ist Standortleiter des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz in Bremen. Kirchner zeigte in seiner Präsentation den aktuellen Entwicklungsstand in sei- nem Fachgebiet auf. Exemplarisch zeig- te er ein Video eines amerikanischen Roboters, der Schuhe verpacken, laufen und Türen öffnen kann. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten von hoher Kom- plexität hinsichtlich Motorik und Sen- sorik. Neue Wege beschreitet Kirchner zufolge sein Institut im Bereich der Sen- sorik: Stand die optische Sensorik bis- her im Vordergrund wird nun die Drucksensorik in den Fokus gerückt. Das Institut entwickelt einen mit Drucksensoren ausgestatteten Roboter- fuß, der die Schwerpunktlage fühlen kann und somit besser befähigt ist, die Balance zu halten. Perspektivisch werden Roboter im- mer mehr Teil des Arbeitsalltags: „Phy- sische Avatare werden die Arbeit grund- legend ändern“, ist sich Kirchner sicher. Dabei handelt es sich um einen Robo- ter, der beispielsweise in einer gefährli- chen Umgebung ferngesteuert über ein Exoskelett des Bedieners an dessen Stelle agieren kann. Als weiteres Bei- spiel nannte er „Co-Bots“, also Kolabo- rative Roboter. An deren Entwicklung arbeitet das Forschungszentrum ge- meinsam mit dem Autohersteller VW. Diese Maschinen sollen gemeinsam mit Menschen in der Fabrik arbeiten und ihnen beispielsweise schwere Lasten abnehmen. Um Unfälle und Zusam- menstöße mit den Maschinen zu ver- meiden, sei es nötig, dass die „Co-Bots“ Bewegungen der Menschen intuitiv vor- hersagen können, um entsprechend zu agieren. Erstaunen bei den Zuhörern löste Kirchner aus, als er von dem bereits erreichten Entwicklungsstand berichtete: über die Messung und Ana- lyse von Hirnströmen könnten am PC bereits Bewegungen des Menschen vorhergesagt werden, noch bevor dem Menschen dieses selbst bewusst sei. Abschließend bemerkte er, „wir soll- ten keine Angst haben, dass Maschinen intelligenter werden als wir“, aber „wir sollten uns darauf konzentrieren, nicht weniger intelligent zu werden“. „Der Nutzen zählt!“ „Ich werde Ihnen nicht erzählen, dass ,Gafa’ (Google, Amazon, Facebook, Apple) Ihre schärfsten Konkurrenten sein werden, weil ich davon ausgehe, dass Sie das schon wissen“, eröffnete Dr. Mario Hölscher seinen Vortrag. Als geschäftsführender Gesellschafter der Fries-Unternehmensgruppe aus Kiel, einem Gründungsmitglied des Holz- ring, vertrat er den Holz-Großhandel. Am eigenen Beispiel erklärte er, Digi- talisierung sei „für Fries nie richtig oder falsch gewesen, sondern einfach nur zweckmäßig oder unzweckmäßig“, und zeichnete die digitale Historie des Großhändlers nach. Ein wesentlicher Schritt war demnach die Einführung eines digitalen Archivs im Jahr 2000. Dafür wurde jede Rechnung und jeder Beleg eingescannt und für alle Ver- kaufsmitarbeiter abrufbar gemacht. Am Beispiel des momentanen Status quo der Logistik-Prozesse des Unterneh- mens verdeutlichte er, dass bereits jetzt von elf Arbeitsschritten nur noch drei von Menschen gestaltet werden. Diese sind die Erfassung des Auftragsein- gangs, Wareneingang und -einlagerung sowie am Ende die Eingabe des Liefer- datums und die Auftragsfreigabe. Zwi- schengelagerte Bestell- und Buchungs- vorgänge im ERP-System würden auto- matisiert ausgeführt. Im Bereich der Kundeninteraktion misst Hölscher der Gestaltung des eigenen Webshops, aber auch den Social-Media-Auftritten sehr große Bedeutung bei. Ausblickend stellte er fest, dass kein Unternehmen der eigenen Branche die Digitalisierung allein voranbringen kann. Im Sinne einer vernetzten Denk- weise appellierte er an die Industrie, diesbezüglich an einem Strang zu ziehen. Diese müsste hochwertigere Daten und zuverlässigere Logistikin- formationen bereitstellen sowie tiefer- gehende Schnittstellenvernetzungen er- möglichen. Das Zeitalter des Kunden Bernd Kressmann, der Geschäftsfüh- rer des Türenherstellers Jeld-Wen Deutschland GmbH & Co. KG aus Oet- tingen sagte, dass angesichts neu entste- hender digitaler Geschäftsmodelle 54 % der CEOs mehr Wettbewerb durch Un- ternehmen außerhalb ihrer angestamm- ten Industrie erwarteten. So würden digitale Geschäftsmodelle nahezu jede Industrie und Berufsgruppe verändern, die konkreten Auswirkungen ließen sich aber noch nicht beschreiben. Um den Herausforderungen zu be- gegnen, stehe aber stets die Frage an erster Stelle, wie man den Kundennut- zen verbessern kann. Schließlich trifft der Kunde die Kaufentscheidung. Weil für die Kunden Kressmann zufolge zu- nehmend das Internet der erste Berüh- rungspunkt zum Produkt ist, muss das Unternehmen hier mit eindeutigen und zielführenden Informationen ansetzen, um von Beginn an den Kunden zu bin- den. Einen Produktkatalog als PDF auf der Homepage anzubieten, reiche bei Weitem nicht aus und habe mit Digitali- sierung nichts zu tun. In der zunehmenden Bedeutung der „Digital Natives“ der „Generation Y“ als Kunden sieht Kressmann das „Zeit- alter der Kunden“ anbrechen. Dieses sei durch eine neue Rollenverteilung zwi- schen Kunden und Händler geprägt, unter anderem weil Kunden heutzutage jederzeit und überall auf alle Produkt- und Preisinformationen zugreifen kön- nen. Zum Schluss appellierte Kress- mann an alle Akteure, „nur im gemein- samen Zusammenspiel kann die ge- samte Wertschöpfungskette digitalisiert werden“. Chancen nutzen In einer „digitalen Dunkelphase“ wähnt Martin Reinhardt die Holzbran- che. Er ist Geschäftsführer des Pla- nungsbüros Reinhardt & Ahrens, be- ratende Ingenieure für Logistik und Materialflusssysteme, Berlin. Fahrerlo- se Transportsysteme im Lager bis hin zur durch Algorithmen und künstliche Intelligenz in Verbindung mit Automa- tisierungstechnik optimierten Ladepla- nung für LKWs sind Anwendunsgberei- che, mit deren Implementierung er sich beschäftigt. Hier bietet die Digitalisie- rung große Chancen für Unternehmen. Prof. Dr. Utho Creusen aus Ingol- stadt, der sich als Honorarprofessor an verschiedenen Universitäten und als Vorsitzender sowie Mitglied mehrerer Aufsichtsräte mit dem Thema „Digital Leadership“ befasst, referierte zur Füh- rung in Zeiten der digitalen Transfor- mation. Er riet dazu, vermehrt „Digital Natives“ in Aufsichtsräte zu bringen, um den digitalen Anschluss nicht zu verpassen. » Informationen wer- den zum zentralen Roh- stoff und zur Ware. « Bernd Kressmann » Wer seinen Kunden elektronisch anbindet, ist der Hauptlieferant der Zukunft. « Olaf Rützel » Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern sie hat dienenden Charakter. « Dr. Mario Hölscher 200 Gäste aus Holzhandel und -industrie waren beim „Holzring-Symposium“

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Vom 12. bis zum 15. September zeig-ten bei der „Drema“ im polnischenPoznan (Posen) 380 Aussteller (2016:355) rund 15 800 Besuchern ihre neu-esten Maschinen und Verfahren zurHolzbe- und -verarbeitung sowie Mö-belherstellung. Parallel dazu präsen-tierten weitere rund 120 AusstellerZulieferprodukte bei den Messen„Furnica“ und „Sofab“.

Leistungsstarke Holz- und Möbelindustrie lockt ausländische Firmen nach Posen

Mehr Aussteller zur »Drema«

Die „Drema“ zieht seit Jahren führendeAussteller und Besucher aus dem In-und Ausland an. Das liegt nicht zuletztan der in den letzten Jahren stark ex-pandierenden und exportorientiertenMöbelindustrie. Aber auch die Bedeu-tung des polnischen Binnenmarktswächst zusehends. Die „Drema“ wirdvom Europäischen Dachverband derHersteller von Holzbearbeitungsma-schinen Eumabois und vom polnischenEntwicklungsministerium unterstützt.

„Die Branche braucht moderne Tech-nologien und moderne Maschinen. Alspolnische Hersteller bemühen wir uns,diesen Herausforderungen gerecht zuwerden, Herausforderungen, die auchvon Welttrends bestimmt werden. Wirmüssen uns entwickeln, wir müssen indie Zukunft blicken, in unseren Firmendie neuesten Konstruktions- und tech-nologische Lösungen implementieren“,so Andrzej Polrolniczak, Vorstandsprä-sident von Droma, dem Fachverbandder Hersteller von Holzbearbeitungs-maschinen, Geräten und Werkzeugen.„Holzfirmen, die ihren Sitz in Polen ha-ben, können fast beliebige Mengen vonHolz verarbeiten. Und dieses ist unseregrößte Herausforderung – die Kontinui-tät der Lieferungen, systematische Ar-beit und selbstverständlich der Preis“,sagte Rafal Szefler, Marketingdirektorder Polnischen Wirtschaftskammer derHolzbearbeitungsindustrie.

Zur Messe gehörten elf Sonderaus-stellungsflächen, darunter eine Parkett-zone, eine Design-Zone, Vorführberei-che für Lackiertechnologie und Gabel-stapler und die Ausstellung „Aus Holzgezaubert“. Der zum zweiten Mal aufge-stellte „Pavillon der Holzförderung“ fieldiesmal deutlich größer aus. Dort konn-te der Kontakt gesucht und gefundenwerden zu Fachverbänden aus z. B. denUSA, Kanada, Malaysia und Schweden(AHEC, MTC, STTF, QWEB). Interes-sant waren Präsentationen von Metho-den der Emissionsbekämpfung und-vermeidung und die Förderung dersauberen Verbrennung von Biomasseaus der Forstwirtschaft, die vom Anti-Smog-Komitee vorgestellt wurden.

Premiere feierte „Design im Holz“,wo Designer und andere Kreative auf300 m² Sonderfläche Möbel und Ge-genstände des täglichen Gebrauchs prä-sentierten – sie stieß auf großes Interes-

se. Dort wurden rund 50 außergewöhn-liche Exponate gezeigt, alle aus Holz ge-fertigt. Unterstützt wurde die Aktionu. a. von den Firmen Infotec, Inkubator,Kronospan Szczecinek, der Design-Fa-kultät der TU Koszalin, Handicraft, Ja-gram, Wiazary Burkietowicz und derPolnischen Wirtschaftskammer der

Holzbearbeitungsindustrie. Wie in je-dem Jahr gab es auch diesmal eineWohltätigkeitsaktion: Im Rahmen derMesse wurden live 15 Möbelgarniturenfür Kinder und Senioren hergestellt – siewurden der Caritas der Posener Erzdi-özese übergeben, die sie an bedürftigeEinrichtungen verteilte.

Auf der „Drema“ präsentierten sich 380 Aussteller auf 23 600 m² (2016: 22 000m²) in sieben Hallen. Foto: Pawel Kierasinski

rh. Rund 200 Gäste aus Holzhan-del und -industrie diskutierten am28. September beim „Holzring-Sym-posium“ im voll besetzten Vortrags-saal im Kempinski-Hotel in Frankfurtam Main über die Digitalisierung inder Holzbranche. Deutlich wurde, dassdie Branche die Chancen der digitalenWelt noch viel zu wenig nutzt. Um dasThema voranzubringen, müssten alleBeteiligten einer Wertschöpfungskettean einem Strang ziehen. Eine Heraus-forderung, aber auch ein Vorbild stel-len große Handelsplattformen, wieAmazon, Ebay und Alibaba mittelfris-tig wohl auch für den Holzhandel dar.

»Holzring-Symposium«: 200 Teilnehmer diskutieren über »die digitale Transformation in der Holzbranche«

Bei der Digitalisierung an einem Strang ziehen

Eine neue Welt betrat Holzring-Ge-schäftsführer Olaf Rützel mit seinemBesuch der IT-Messe „Dmexco“ in Köln(13. und 14. September), wie er in sei-ner Eröffnungsrede begeistert berichte-te. Auffällig sei der niedrige Alters-durchschnitt und legere Auftritt derTeilnehmer gewesen, sowie die völligandere Art der Präsentation, wie er amAuftritt der Firma Google festmachte.

„Der Hype, der da zurzeit stattfindet,ist zu 98 % am Endverbraucher orien-tiert“, analysierte Rützel. Die digitaleTransformation präge demnach beson-

ders die Interaktion der Unternehmenmit den Kunden, wirke also im „B2C“-Bereich (Business to Customer). Derheutige „Super-Empowered-Customer“sei als Tatsache eine wachsende He-rausforderung für Unternehmen. Ge-meint ist der digital vernetzte Kunde,der in der Lage ist, sich selbständig viel-fältige Informationen über Produkte,Preise und Unternehmen zu beschaffenund über das Internet selbst Informatio-nen weiterzugeben, wie beispielsweiseKundenbewertungen .

Für den „B2B“-Bereich bedeute Digi-talisierung bisher vor allem Prozessopti-mierung. Allerdings machte Rützel da-rauf aufmerksam, dass bereits 21 % derHandwerker online kauften. Im Augezu behalten sei diesbezüglich die neuePlattform „Amazon Business“. Hiermitzielt das Internetunternehmen auf den„B2B“-Bereich ab, indem es Lieferan-ten und gewerblichen Kunden einenOnlinemarktplatz anbietet. Zu dessenBedeutung und den Auswirkungen aufden Holzhandel will der Holzring eineStudie in die Wege leiten.

Die nächste Dimension des E-Com-merce werde sich wohl durch den neu-en „Facebook Marketplace“ öffnen.Dies sollten die Akteure im Handel wis-sen und aufmerksam verfolgen.

„Physische Avatarewerden die Arbeitgrundlegend ändern“

Zum Thema Robotik und künstlicheIntelligenz referierte Prof. Dr. FrankKirchner. Der Informatiker und Neuro-wissenschaftler ist Standortleiter desDeutschen Forschungszentrums fürkünstliche Intelligenz in Bremen.Kirchner zeigte in seiner Präsentationden aktuellen Entwicklungsstand in sei-nem Fachgebiet auf. Exemplarisch zeig-te er ein Video eines amerikanischenRoboters, der Schuhe verpacken, laufenund Türen öffnen kann. Dabei handeltes sich um Tätigkeiten von hoher Kom-plexität hinsichtlich Motorik und Sen-sorik. Neue Wege beschreitet Kirchnerzufolge sein Institut im Bereich der Sen-sorik: Stand die optische Sensorik bis-

her im Vordergrund wird nun dieDrucksensorik in den Fokus gerückt.Das Institut entwickelt einen mitDrucksensoren ausgestatteten Roboter-fuß, der die Schwerpunktlage fühlenkann und somit besser befähigt ist, dieBalance zu halten.

Perspektivisch werden Roboter im-mer mehr Teil des Arbeitsalltags: „Phy-sische Avatare werden die Arbeit grund-legend ändern“, ist sich Kirchner sicher.Dabei handelt es sich um einen Robo-ter, der beispielsweise in einer gefährli-chen Umgebung ferngesteuert über einExoskelett des Bedieners an dessenStelle agieren kann. Als weiteres Bei-spiel nannte er „Co-Bots“, also Kolabo-rative Roboter. An deren Entwicklungarbeitet das Forschungszentrum ge-meinsam mit dem Autohersteller VW.Diese Maschinen sollen gemeinsam mitMenschen in der Fabrik arbeiten undihnen beispielsweise schwere Lastenabnehmen. Um Unfälle und Zusam-menstöße mit den Maschinen zu ver-meiden, sei es nötig, dass die „Co-Bots“Bewegungen der Menschen intuitiv vor-hersagen können, um entsprechend zuagieren. Erstaunen bei den Zuhörernlöste Kirchner aus, als er von dembereits erreichten Entwicklungsstandberichtete: über die Messung und Ana-lyse von Hirnströmen könnten am PCbereits Bewegungen des Menschenvorhergesagt werden, noch bevor demMenschen dieses selbst bewusst sei.

Abschließend bemerkte er, „wir soll-ten keine Angst haben, dass Maschinenintelligenter werden als wir“, aber „wirsollten uns darauf konzentrieren, nichtweniger intelligent zu werden“.

„Der Nutzen zählt!“

„Ich werde Ihnen nicht erzählen, dass,Gafa’ (Google, Amazon, Facebook,Apple) Ihre schärfsten Konkurrentensein werden, weil ich davon ausgehe,dass Sie das schon wissen“, eröffneteDr. Mario Hölscher seinen Vortrag. Alsgeschäftsführender Gesellschafter derFries-Unternehmensgruppe aus Kiel,einem Gründungsmitglied des Holz-ring, vertrat er den Holz-Großhandel.Am eigenen Beispiel erklärte er, Digi-talisierung sei „für Fries nie richtig oderfalsch gewesen, sondern einfach nurzweckmäßig oder unzweckmäßig“, undzeichnete die digitale Historie desGroßhändlers nach. Ein wesentlicherSchritt war demnach die Einführungeines digitalen Archivs im Jahr 2000.Dafür wurde jede Rechnung und jederBeleg eingescannt und für alle Ver-kaufsmitarbeiter abrufbar gemacht. AmBeispiel des momentanen Status quoder Logistik-Prozesse des Unterneh-mens verdeutlichte er, dass bereits jetztvon elf Arbeitsschritten nur noch dreivon Menschen gestaltet werden. Diesesind die Erfassung des Auftragsein-gangs, Wareneingang und -einlagerung

sowie am Ende die Eingabe des Liefer-datums und die Auftragsfreigabe. Zwi-schengelagerte Bestell- und Buchungs-vorgänge im ERP-System würden auto-matisiert ausgeführt. Im Bereich derKundeninteraktion misst Hölscher derGestaltung des eigenen Webshops, aberauch den Social-Media-Auftritten sehrgroße Bedeutung bei.

Ausblickend stellte er fest, dass keinUnternehmen der eigenen Branchedie Digitalisierung allein voranbringenkann. Im Sinne einer vernetzten Denk-weise appellierte er an die Industrie,diesbezüglich an einem Strang zuziehen. Diese müsste hochwertigereDaten und zuverlässigere Logistikin-formationen bereitstellen sowie tiefer-gehende Schnittstellenvernetzungen er-möglichen.

Das Zeitalter des Kunden

Bernd Kressmann, der Geschäftsfüh-rer des Türenherstellers Jeld-WenDeutschland GmbH & Co. KG aus Oet-tingen sagte, dass angesichts neu entste-hender digitaler Geschäftsmodelle 54 %der CEOs mehr Wettbewerb durch Un-ternehmen außerhalb ihrer angestamm-ten Industrie erwarteten. So würdendigitale Geschäftsmodelle nahezu jedeIndustrie und Berufsgruppe verändern,die konkreten Auswirkungen ließensich aber noch nicht beschreiben.

Um den Herausforderungen zu be-gegnen, stehe aber stets die Frage anerster Stelle, wie man den Kundennut-zen verbessern kann. Schließlich trifftder Kunde die Kaufentscheidung. Weilfür die Kunden Kressmann zufolge zu-nehmend das Internet der erste Berüh-rungspunkt zum Produkt ist, muss dasUnternehmen hier mit eindeutigen undzielführenden Informationen ansetzen,um von Beginn an den Kunden zu bin-

den. Einen Produktkatalog als PDF aufder Homepage anzubieten, reiche beiWeitem nicht aus und habe mit Digitali-sierung nichts zu tun.

In der zunehmenden Bedeutung der„Digital Natives“ der „Generation Y“als Kunden sieht Kressmann das „Zeit-alter der Kunden“ anbrechen. Dieses seidurch eine neue Rollenverteilung zwi-schen Kunden und Händler geprägt,unter anderem weil Kunden heutzutagejederzeit und überall auf alle Produkt-und Preisinformationen zugreifen kön-nen. Zum Schluss appellierte Kress-mann an alle Akteure, „nur im gemein-samen Zusammenspiel kann die ge-samte Wertschöpfungskette digitalisiertwerden“.

Chancen nutzen

In einer „digitalen Dunkelphase“wähnt Martin Reinhardt die Holzbran-che. Er ist Geschäftsführer des Pla-nungsbüros Reinhardt & Ahrens, be-ratende Ingenieure für Logistik undMaterialflusssysteme, Berlin. Fahrerlo-se Transportsysteme im Lager bis hinzur durch Algorithmen und künstlicheIntelligenz in Verbindung mit Automa-tisierungstechnik optimierten Ladepla-nung für LKWs sind Anwendunsgberei-che, mit deren Implementierung er sichbeschäftigt. Hier bietet die Digitalisie-rung große Chancen für Unternehmen.

Prof. Dr. Utho Creusen aus Ingol-stadt, der sich als Honorarprofessor anverschiedenen Universitäten und alsVorsitzender sowie Mitglied mehrererAufsichtsräte mit dem Thema „DigitalLeadership“ befasst, referierte zur Füh-rung in Zeiten der digitalen Transfor-mation. Er riet dazu, vermehrt „DigitalNatives“ in Aufsichtsräte zu bringen,um den digitalen Anschluss nicht zuverpassen.

»Informationen wer-den zum zentralen Roh-stoff und zur Ware.«Bernd Kressmann

»Wer seinen Kundenelektronisch anbindet,ist der Hauptlieferantder Zukunft.«Olaf Rützel

»Digitalisierungist kein Selbstzweck,sondern sie hatdienenden Charakter.«Dr. Mario Hölscher

200 Gäste aus Holzhandel und -industrie waren beim „Holzring-Symposium“