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Seite 942 · Nummer 41 · Holz-Zentralblatt Freitag, 13. Oktober 2017Messen und Tagungen

Vom 12. bis zum 15. September zeig-ten bei der „Drema“ im polnischenPoznan (Posen) 380 Aussteller (2016:355) rund 15 800 Besuchern ihre neu-esten Maschinen und Verfahren zurHolzbe- und -verarbeitung sowie Mö-belherstellung. Parallel dazu präsen-tierten weitere rund 120 AusstellerZulieferprodukte bei den Messen„Furnica“ und „Sofab“.

Leistungsstarke Holz- und Möbelindustrie lockt ausländische Firmen nach Posen

Mehr Aussteller zur »Drema«

Die „Drema“ zieht seit Jahren führendeAussteller und Besucher aus dem In-und Ausland an. Das liegt nicht zuletztan der in den letzten Jahren stark ex-pandierenden und exportorientiertenMöbelindustrie. Aber auch die Bedeu-tung des polnischen Binnenmarktswächst zusehends. Die „Drema“ wirdvom Europäischen Dachverband derHersteller von Holzbearbeitungsma-schinen Eumabois und vom polnischenEntwicklungsministerium unterstützt.

„Die Branche braucht moderne Tech-nologien und moderne Maschinen. Alspolnische Hersteller bemühen wir uns,diesen Herausforderungen gerecht zuwerden, Herausforderungen, die auchvon Welttrends bestimmt werden. Wirmüssen uns entwickeln, wir müssen indie Zukunft blicken, in unseren Firmendie neuesten Konstruktions- und tech-nologische Lösungen implementieren“,so Andrzej Polrolniczak, Vorstandsprä-sident von Droma, dem Fachverbandder Hersteller von Holzbearbeitungs-maschinen, Geräten und Werkzeugen.„Holzfirmen, die ihren Sitz in Polen ha-ben, können fast beliebige Mengen vonHolz verarbeiten. Und dieses ist unseregrößte Herausforderung – die Kontinui-tät der Lieferungen, systematische Ar-beit und selbstverständlich der Preis“,sagte Rafal Szefler, Marketingdirektorder Polnischen Wirtschaftskammer derHolzbearbeitungsindustrie.

Zur Messe gehörten elf Sonderaus-stellungsflächen, darunter eine Parkett-zone, eine Design-Zone, Vorführberei-che für Lackiertechnologie und Gabel-stapler und die Ausstellung „Aus Holzgezaubert“. Der zum zweiten Mal aufge-stellte „Pavillon der Holzförderung“ fieldiesmal deutlich größer aus. Dort konn-te der Kontakt gesucht und gefundenwerden zu Fachverbänden aus z. B. denUSA, Kanada, Malaysia und Schweden(AHEC, MTC, STTF, QWEB). Interes-sant waren Präsentationen von Metho-den der Emissionsbekämpfung und-vermeidung und die Förderung dersauberen Verbrennung von Biomasseaus der Forstwirtschaft, die vom Anti-Smog-Komitee vorgestellt wurden.

Premiere feierte „Design im Holz“,wo Designer und andere Kreative auf300 m² Sonderfläche Möbel und Ge-genstände des täglichen Gebrauchs prä-sentierten – sie stieß auf großes Interes-

se. Dort wurden rund 50 außergewöhn-liche Exponate gezeigt, alle aus Holz ge-fertigt. Unterstützt wurde die Aktionu. a. von den Firmen Infotec, Inkubator,Kronospan Szczecinek, der Design-Fa-kultät der TU Koszalin, Handicraft, Ja-gram, Wiazary Burkietowicz und derPolnischen Wirtschaftskammer der

Holzbearbeitungsindustrie. Wie in je-dem Jahr gab es auch diesmal eineWohltätigkeitsaktion: Im Rahmen derMesse wurden live 15 Möbelgarniturenfür Kinder und Senioren hergestellt – siewurden der Caritas der Posener Erzdi-özese übergeben, die sie an bedürftigeEinrichtungen verteilte.

Auf der „Drema“ präsentierten sich 380 Aussteller auf 23 600 m² (2016: 22 000m²) in sieben Hallen. Foto: Pawel Kierasinski

rh. Rund 200 Gäste aus Holzhan-del und -industrie diskutierten am28. September beim „Holzring-Sym-posium“ im voll besetzten Vortrags-saal im Kempinski-Hotel in Frankfurtam Main über die Digitalisierung inder Holzbranche. Deutlich wurde, dassdie Branche die Chancen der digitalenWelt noch viel zu wenig nutzt. Um dasThema voranzubringen, müssten alleBeteiligten einer Wertschöpfungskettean einem Strang ziehen. Eine Heraus-forderung, aber auch ein Vorbild stel-len große Handelsplattformen, wieAmazon, Ebay und Alibaba mittelfris-tig wohl auch für den Holzhandel dar.

»Holzring-Symposium«: 200 Teilnehmer diskutieren über »die digitale Transformation in der Holzbranche«

Bei der Digitalisierung an einem Strang ziehen

Eine neue Welt betrat Holzring-Ge-schäftsführer Olaf Rützel mit seinemBesuch der IT-Messe „Dmexco“ in Köln(13. und 14. September), wie er in sei-ner Eröffnungsrede begeistert berichte-te. Auffällig sei der niedrige Alters-durchschnitt und legere Auftritt derTeilnehmer gewesen, sowie die völligandere Art der Präsentation, wie er amAuftritt der Firma Google festmachte.

„Der Hype, der da zurzeit stattfindet,ist zu 98 % am Endverbraucher orien-tiert“, analysierte Rützel. Die digitaleTransformation präge demnach beson-

ders die Interaktion der Unternehmenmit den Kunden, wirke also im „B2C“-Bereich (Business to Customer). Derheutige „Super-Empowered-Customer“sei als Tatsache eine wachsende He-rausforderung für Unternehmen. Ge-meint ist der digital vernetzte Kunde,der in der Lage ist, sich selbständig viel-fältige Informationen über Produkte,Preise und Unternehmen zu beschaffenund über das Internet selbst Informatio-nen weiterzugeben, wie beispielsweiseKundenbewertungen .

Für den „B2B“-Bereich bedeute Digi-talisierung bisher vor allem Prozessopti-mierung. Allerdings machte Rützel da-rauf aufmerksam, dass bereits 21 % derHandwerker online kauften. Im Augezu behalten sei diesbezüglich die neuePlattform „Amazon Business“. Hiermitzielt das Internetunternehmen auf den„B2B“-Bereich ab, indem es Lieferan-ten und gewerblichen Kunden einenOnlinemarktplatz anbietet. Zu dessenBedeutung und den Auswirkungen aufden Holzhandel will der Holzring eineStudie in die Wege leiten.

Die nächste Dimension des E-Com-merce werde sich wohl durch den neu-en „Facebook Marketplace“ öffnen.Dies sollten die Akteure im Handel wis-sen und aufmerksam verfolgen.

„Physische Avatarewerden die Arbeitgrundlegend ändern“

Zum Thema Robotik und künstlicheIntelligenz referierte Prof. Dr. FrankKirchner. Der Informatiker und Neuro-wissenschaftler ist Standortleiter desDeutschen Forschungszentrums fürkünstliche Intelligenz in Bremen.Kirchner zeigte in seiner Präsentationden aktuellen Entwicklungsstand in sei-nem Fachgebiet auf. Exemplarisch zeig-te er ein Video eines amerikanischenRoboters, der Schuhe verpacken, laufenund Türen öffnen kann. Dabei handeltes sich um Tätigkeiten von hoher Kom-plexität hinsichtlich Motorik und Sen-sorik. Neue Wege beschreitet Kirchnerzufolge sein Institut im Bereich der Sen-sorik: Stand die optische Sensorik bis-

her im Vordergrund wird nun dieDrucksensorik in den Fokus gerückt.Das Institut entwickelt einen mitDrucksensoren ausgestatteten Roboter-fuß, der die Schwerpunktlage fühlenkann und somit besser befähigt ist, dieBalance zu halten.

Perspektivisch werden Roboter im-mer mehr Teil des Arbeitsalltags: „Phy-sische Avatare werden die Arbeit grund-legend ändern“, ist sich Kirchner sicher.Dabei handelt es sich um einen Robo-ter, der beispielsweise in einer gefährli-chen Umgebung ferngesteuert über einExoskelett des Bedieners an dessenStelle agieren kann. Als weiteres Bei-spiel nannte er „Co-Bots“, also Kolabo-rative Roboter. An deren Entwicklungarbeitet das Forschungszentrum ge-meinsam mit dem Autohersteller VW.Diese Maschinen sollen gemeinsam mitMenschen in der Fabrik arbeiten undihnen beispielsweise schwere Lastenabnehmen. Um Unfälle und Zusam-menstöße mit den Maschinen zu ver-meiden, sei es nötig, dass die „Co-Bots“Bewegungen der Menschen intuitiv vor-hersagen können, um entsprechend zuagieren. Erstaunen bei den Zuhörernlöste Kirchner aus, als er von dembereits erreichten Entwicklungsstandberichtete: über die Messung und Ana-lyse von Hirnströmen könnten am PCbereits Bewegungen des Menschenvorhergesagt werden, noch bevor demMenschen dieses selbst bewusst sei.

Abschließend bemerkte er, „wir soll-ten keine Angst haben, dass Maschinenintelligenter werden als wir“, aber „wirsollten uns darauf konzentrieren, nichtweniger intelligent zu werden“.

„Der Nutzen zählt!“

„Ich werde Ihnen nicht erzählen, dass,Gafa’ (Google, Amazon, Facebook,Apple) Ihre schärfsten Konkurrentensein werden, weil ich davon ausgehe,dass Sie das schon wissen“, eröffneteDr. Mario Hölscher seinen Vortrag. Alsgeschäftsführender Gesellschafter derFries-Unternehmensgruppe aus Kiel,einem Gründungsmitglied des Holz-ring, vertrat er den Holz-Großhandel.Am eigenen Beispiel erklärte er, Digi-talisierung sei „für Fries nie richtig oderfalsch gewesen, sondern einfach nurzweckmäßig oder unzweckmäßig“, undzeichnete die digitale Historie desGroßhändlers nach. Ein wesentlicherSchritt war demnach die Einführungeines digitalen Archivs im Jahr 2000.Dafür wurde jede Rechnung und jederBeleg eingescannt und für alle Ver-kaufsmitarbeiter abrufbar gemacht. AmBeispiel des momentanen Status quoder Logistik-Prozesse des Unterneh-mens verdeutlichte er, dass bereits jetztvon elf Arbeitsschritten nur noch dreivon Menschen gestaltet werden. Diesesind die Erfassung des Auftragsein-gangs, Wareneingang und -einlagerung

sowie am Ende die Eingabe des Liefer-datums und die Auftragsfreigabe. Zwi-schengelagerte Bestell- und Buchungs-vorgänge im ERP-System würden auto-matisiert ausgeführt. Im Bereich derKundeninteraktion misst Hölscher derGestaltung des eigenen Webshops, aberauch den Social-Media-Auftritten sehrgroße Bedeutung bei.

Ausblickend stellte er fest, dass keinUnternehmen der eigenen Branchedie Digitalisierung allein voranbringenkann. Im Sinne einer vernetzten Denk-weise appellierte er an die Industrie,diesbezüglich an einem Strang zuziehen. Diese müsste hochwertigereDaten und zuverlässigere Logistikin-formationen bereitstellen sowie tiefer-gehende Schnittstellenvernetzungen er-möglichen.

Das Zeitalter des Kunden

Bernd Kressmann, der Geschäftsfüh-rer des Türenherstellers Jeld-WenDeutschland GmbH & Co. KG aus Oet-tingen sagte, dass angesichts neu entste-hender digitaler Geschäftsmodelle 54 %der CEOs mehr Wettbewerb durch Un-ternehmen außerhalb ihrer angestamm-ten Industrie erwarteten. So würdendigitale Geschäftsmodelle nahezu jedeIndustrie und Berufsgruppe verändern,die konkreten Auswirkungen ließensich aber noch nicht beschreiben.

Um den Herausforderungen zu be-gegnen, stehe aber stets die Frage anerster Stelle, wie man den Kundennut-zen verbessern kann. Schließlich trifftder Kunde die Kaufentscheidung. Weilfür die Kunden Kressmann zufolge zu-nehmend das Internet der erste Berüh-rungspunkt zum Produkt ist, muss dasUnternehmen hier mit eindeutigen undzielführenden Informationen ansetzen,um von Beginn an den Kunden zu bin-

den. Einen Produktkatalog als PDF aufder Homepage anzubieten, reiche beiWeitem nicht aus und habe mit Digitali-sierung nichts zu tun.

In der zunehmenden Bedeutung der„Digital Natives“ der „Generation Y“als Kunden sieht Kressmann das „Zeit-alter der Kunden“ anbrechen. Dieses seidurch eine neue Rollenverteilung zwi-schen Kunden und Händler geprägt,unter anderem weil Kunden heutzutagejederzeit und überall auf alle Produkt-und Preisinformationen zugreifen kön-nen. Zum Schluss appellierte Kress-mann an alle Akteure, „nur im gemein-samen Zusammenspiel kann die ge-samte Wertschöpfungskette digitalisiertwerden“.

Chancen nutzen

In einer „digitalen Dunkelphase“wähnt Martin Reinhardt die Holzbran-che. Er ist Geschäftsführer des Pla-nungsbüros Reinhardt & Ahrens, be-ratende Ingenieure für Logistik undMaterialflusssysteme, Berlin. Fahrerlo-se Transportsysteme im Lager bis hinzur durch Algorithmen und künstlicheIntelligenz in Verbindung mit Automa-tisierungstechnik optimierten Ladepla-nung für LKWs sind Anwendunsgberei-che, mit deren Implementierung er sichbeschäftigt. Hier bietet die Digitalisie-rung große Chancen für Unternehmen.

Prof. Dr. Utho Creusen aus Ingol-stadt, der sich als Honorarprofessor anverschiedenen Universitäten und alsVorsitzender sowie Mitglied mehrererAufsichtsräte mit dem Thema „DigitalLeadership“ befasst, referierte zur Füh-rung in Zeiten der digitalen Transfor-mation. Er riet dazu, vermehrt „DigitalNatives“ in Aufsichtsräte zu bringen,um den digitalen Anschluss nicht zuverpassen.

»Informationen wer-den zum zentralen Roh-stoff und zur Ware.«Bernd Kressmann

»Wer seinen Kundenelektronisch anbindet,ist der Hauptlieferantder Zukunft.«Olaf Rützel

»Digitalisierungist kein Selbstzweck,sondern sie hatdienenden Charakter.«Dr. Mario Hölscher

200 Gäste aus Holzhandel und -industrie waren beim „Holzring-Symposium“