Sektorenübergreifende Qualitätssicherung und die Rolle des G-BA
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Public Health Forum 22 Heft 83 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef
Sektoren€ubergreifende Qualit€atssicherung und dieRolle des G-BA
Regina Klakow-Franck
Seit Verabschiedung der ersten Richt-
linien uber die arztliche Qualifikation
durch den Deutschen Arztetag 1924
wurde die Qualitatssicherung der me-
dizinischen Versorgung als originare
Aufgabe der arztlichen Profession be-
trachtet. Beginnend in den 70er Jahren
wurde die Qualitatssicherung sekto-
renspezifisch aufgefachert: Seit Ein-
fuhrung der Munchner Perinatalstudie
1975 sowie von chirurgischen Tracer-
Diagnosen (Wolfgang Schega 1976)
dominiert im stationaren Bereich die
externe einrichtungsubergreifende
Qualitatssicherung. Fur die ambulante
Versorgung wurden 1989 durch das
Gesundheitsreformgesetz (GRG) die
rechtlichen Grundlagen fur die Quali-
tatssicherung durch die Kassenarztli-
chen Vereinigungen geschaffen. Seit-
her stellen in der Qualitatssicherung
der vertragsarztlichen Versorgung
Strukturqualitatsvereinbarungen und
Stichprobenprufungen die bevorzug-
ten Methoden/Instrumente dar
(Kolkmann et al., 2004).
Die seit den 90er Jahren politisch ge-
wollte starkere wettbewerbliche Aus-
richtung des Gesundheitswesens hat
die Qualitatssicherung inzwischen zu
einem Instrument des Qualitatswett-
bewerbs und der Versorgungssteue-
rung durch die gemeinsame Selbstver-
waltung gewandelt. Vor dem Hinter-
grund der €Okonomisierung der
Medizin besteht eine der Hauptaufga-
ben des 2004 gegrundeten Gemeinsa-
men Bundesausschusses (G-BA) ins-
besondere darin, als ,,zentraler Quali-
tatswachter‘‘ dieMindeststandards fur
die Qualitat der Patientenversorgung
festzulegen sowie Transparenz uber
die Versorgungsqualitat zu schaffen,
wobei die an patientenrelevanten End-
punkten gemessene Ergebnisqualitat
im Mittelpunkt stehen soll.
Bereits seit den 80er Jahren wurde von
der Arzteschaft eine sektorenubergrei-
fende Messung der Langzeitergebnis-
se der Patientenversorgung gefordert.
Die durch die Einfuhrung des DRG-
Systems im Jahr 2003 induzierte sta-
tionare Verweildauerverkurzung so-
wie der zunehmendeWettbewerb zwi-
schen Krankenhausern und spezial-
facharztlichen Vertragsarzten trieben
die Forderungen nach einer sektoren-
ubergreifenden Weiterentwicklung
der Qualitatssicherung voran. Im
Jahr 2007 legte der Gesetzgeber durch
Anderung des § 137 Abs. 1 und
2 SGB V mit dem GKV-Wettbe-
werbsstarkungsgesetz (GKV-WSG)
fest, dass die Qualitatssicherung zu-
kunftig sektorenubergreifend erfolgen
und der G-BA entsprechende Richt-
linien erlassen soll. Der G-BA hat dies
durch die Rahmenrichtlinie zur ein-
richtungs- und sektorenubergreifen-
den Qualitatssicherung (Qesu-RL)
umgesetzt, die Ende 2010 in Kraft
trat. Als sektorenubergreifende Ent-
wicklungsleistungen wurden seither
z.B. Qualitatsindikatorensets fur elf
unterschiedliche sektorenubergreifen-
de QS-Verfahren (sQS) (AQUA-
Institut, 2014) sowie 2012 und 2013
insgesamt drei Probebetriebe zur Tes-
tung durchgefuhrt, und zwar fur die
QS-Verfahren Konisation, Katarakt-
operation und Perkutane Koronarin-
tervention (PCI) (Gemeinsamer
Bundesausschuss, 2013).
In den Probebetrieben zeigten sich
sowohl grundsatzliche als auch prak-
tische Umsetzungsprobleme in einem
vorher nicht antizipierten Ausmaß. Zu
den Hauptproblemen zahlten insbe-
sondere die mangelhafte Spezifitat
der QS-Fall-Auslosung (Folge: sehr
hoher Dokumentationsaufwand fur
Vertragsarzte) sowie die Rekrutierung
freiwillig teilnehmender Krankenhau-
ser, Arztpraxen, Datenannahmestellen
und Software-Anbieter. Im Hinblick
auf das weitere Vorgehen hat der Un-
terausschuss QS des G-BA deshalb
folgende Losungsansatze entwickelt
(Gemeinsamer Bundesausschuss,
2013): Kurz- bis mittelfristig wird
sich der G-BA auf sektorengleiche
sQS-Verfahren, wie z.B. zur PCI und
zu arthroskopischen Eingriffen am
Kniegelenk, und die Entwicklung
von sektorenspezifischen Follow up-
Verfahren, z.B. zur Knie- und Huftge-
lenksendoprothetik und zur Cholezys-
tektomie, konzentrieren. Langfristig
wunschenswerte neue Unterstut-
zungsinstrumente, wie etwa die Nut-
zung der Telematikinfrastruktur oder
die Einfuhrung eines QS-Markers auf
der elektronischen Gesundheitskarte
zur sektorenubergreifenden QS-Fall-
Identifizierung sind bereits in Diskus-
sion, werden aber nicht ohne gesetz-
liche Anderungen und Goodwill ande-
rer Beteiligter zu erreichen sein.
Eine weitere vom G-BA bereits gezo-
gene Konsequenz aus den bisherigen
Erfahrungen mit der sQS ist der star-
kere Ruckgriff auf die Routinedaten.
In Zukunft wird die sQS auf drei ver-
schiedenen Datengrundlagen auf-
bauen: Neben der eigenstandigen
QS-Dokumentation und flankierenden
Patientenbefragungen insbesondere
auf Routinedaten (bei den gesetzli-
chen Krankenkassen liegende
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Sozialdaten, die zu Abrechnungszwe-
cken erhoben werden). €OffentlicheQualitatsvergleiche, die nach dem
Willen der Regierungskoalition
(Bundesregierung, 2014) in der statio-
naren Versorgung im Rahmen einer
,,Qualitatsoffensive Krankenhaus‘‘
vorangetrieben werden sollen, oder
gar die Einfuhrung von Pay for Per-
formance (P4P) in die Krankenhaus-
vergutung machen eine Risikoadjus-
tierung der Qualitatsergebnisse unver-
zichtbar. Dies kann – nach
derzeitigem Kenntnisstand – aber
nur durch eine Erganzung der Routi-
nedaten-Basis durch medizinische In-
formationen bzw. zusatzliche QS-Do-
kumentation gewahrleistet werden.
Auch konnen nicht wenige Fragestel-
lungen, z.B. zur Indikationsqualitat,
auf Basis von Routinedaten nur be-
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grenzt oder gar nicht beantwortet wer-
den. Qualitatssicherung auf Basis von
Routinedaten und auf Basis einer ei-
genstandigen QS-Dokumentation
sollten deshalb nicht als konkurrieren-
de, sondern als sich erganzende An-
satze verstanden werden.
Die trotz widriger Rahmenbedingun-
gen weiterhin voranzutreibende sekto-
renubergreifende Qualitatssicherung
sollte nicht vergessen lassen, dass
die aus der Sektorierung der Versor-
gung resultierenden Defizite im deut-
schen Gesundheitswesen – was etwa
die patientenorientierte Koordination
der Versorgung anbelangt – nicht al-
lein mit den Moglichkeiten der Quali-
tatssicherung in den Griff zu kriegen
sind. Gefragt ist eine sektorenuber-
greifende Weiterentwicklung der Ver-
sorgungsstrukturen selber, zumal die
integrierte Versorgung nach § 140a ff
SGB V die in sie gesetzten Erwartun-
gen – was die regional populations-
bezogene Etablierung eines sektoren-
ubergreifenden Versorgungsmanage-
ments anbelangt – nicht erfullt hat.
Der im Koalitionsvertrag angedachte
Innovationsfonds fur innovative sek-
torenubergreifende Versorgungskon-
zepte sollte hierzu genutzt werden.
Die korrespondierende Autorin erklart, dasskein Interessenkonflikt vorliegt.
http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2014.03.024
Dr. med. Regina Klakow-Franck, M.A.Unparteiisches Mitglied imGemeinsamen BundesausschussWegelystr. 810623 [email protected]
Literatur
AQUA-Institut: Projektinformationen – Sektoren-
ubergreifende Qualitatssicherung im Gesund-
heitswesen (SQG): Entwicklung neuer Verfah-
ren zur Qualitatssicherung, https://www.sqg.
de/entwicklung/neue-verfahren/index.html
[Zitierdatum: 24.02.2104].
1. Arthroskopie am Kniegelenk 2013
2. Psychische Erkrankungen
3. Vermeidung nosokomialer Infektionen:
Postoperative Wundinfektionen
4. Vermeidung nosokomialer Infektionen:
Gefaßkatheter assoziierte Infektionen
5. Knieendoprothesenversorgung
6. Huftendoprothesenversorgung
7. Arthroskopie am Kniegelenk 2011
8. Kolorektales Karzinom
9. Kataraktoperation
10. Konisation
11. Perkutane Koronarintervention (PCI) und
Koronarangiographie
Bundesregierung: Koalitionsvertrag, (Zitierdatum:
24.02.2014), http://www.bundesregierung.de/
Content/DE/StatischeSeiten/Breg/koalitions-
vertrag-inhaltsverzeichnis.html.
Gemeinsamer Bundesausschuss: Eckpunkte zu ei-
nem gemeinsamen Verstandnis und Hand-
lungsempfehlungen zur sektorenubergreifen-
den Qualitatssicherung, 04.09.2013 (Zitierda-
tum: 24.02.2014) http://www.g-ba.de/
downloads/17-98-3536/Eckpunkte-Hand-
lungsempfehlungen-sQS.pdf.
Kolkmann, Vilmar, Stobrawa. Dtsch Arztebl
2004;101. A 1409-1414 [Heft 20].
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Einleitung
Die Entwicklung der Qualitatssicherung in Deutschland kann auf eine lange Tradition zuruckblicken. Seit nunmehr 10
Jahren obliegt dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe, Mindeststandards fur die Qualitat der Patientenver-
sorgung festzulegen. Der gesetzliche Auftrag wurde sukzessive erweitert und legt seit 2007 explizit den Fokus auf die
sektorenubergreifende Qualitatssicherung. Anhand der ersten Ergebnisse zu den beauftragten sektorenubergreifenden QS-
Verfahren zeigt sich deutlich, wo Umsetzungsprobleme und der Weiterentwicklungsbedarf in der sektorenubergreifenden
Qualitatssicherung liegen.
Summary
The development of quality assurance in Germany has a long heritage. For over ten years the Federal Joint Committee has
been responsible for determining minimum standards for patient care. This legal mandate has been continually expanded,
and since 2007 the focus has been explicitly on cross-sectoral quality assurance. The initial results of the cross-sectoral QA
procedures show clearly where implementation problems and ongoing development needs in cross-sectoral quality
assurance lie.
Schlusselworter:
Qualitatssicherung = quality assurance, sektorenubergreifende Qualitatssicherung = cross-sectoral quality assurance,
Gemeinsamer Bundesausschuss = the Federal Joint Committee, qualitatsorientierte Vergutung/Pay for Performance = pay
for performance, QS-Verfahren = QA procedures
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