Selbsthilfe_03_2010

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SELBSTHILFE SOMMERPRAKTIKUM FÜR JUGENDLICHE NEUE GRUPPE FÜR ELTERN JUNGER ERWACHSENER MIT PSYCHISCHEN PROBLEMEN Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker Poste Italiane Spa - Spedizione in abbo- namento postale - D.L. 353/2003 (Conv: in L. 27/02/2004, n. 46) art. 1, comma 2, DCB Bolzano Reg. 3.7.1995, n. 17/95, Nr. 3/2010

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Zeitung des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker, Bozen (Italien)

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SELBSTHILFE

SOMMERPRAKTIKUM FÜRJUGENDLICHE

NEUEGRUPPEFÜRELTERN JUNGERERWACHSENERMIT PSYCHISCHENPROBLEMEN

Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

Poste Italiane Spa - Spedizione in abbo-namento postale - D.L. 353/2003 (Conv: in L. 27/02/2004, n. 46) art. 1, comma 2, DCB Bolzano Reg. 3.7.1995, n. 17/95, Nr. 3/2010

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SELBSTHILFE

IMPRESSUM

Dritteljährliche Informationsschrift des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

Eintragung beim Tribunal Bozen: Nr. 17/95 R. St. vom 3.7.1995

Herausgeber:Verband Angehöriger und Freunde psychisch KrankerG.-Galilei-Str. 4/a39100 BozenTel. 0471 260 303 Fax 0471 408 [email protected]

Verantwortlich für den Inhalt:Prof. Carla Leverato

Redaktion:Martin Achmüller, Margot Go-jer, Lorena Gavillucci, Laura Kob, Carla Leverato, Evelina Leandro

Übersetzung:Martin Achmüller, Margot Gojer, Carla Leverato

Bilder:Archiv, Martin Achmüller, Margot Gojer, Reinhilde Mair, Carmen Premstaller

Layout:Carmen Premstaller

Druck:Karo Druck, Frangart

Die Redaktion dankt allen, die durch verschiedene Beiträge zur Veröffentlichung dieser Ausgabe beigetragen haben. Sie behält sich das Recht vor, Kürzungen an den Texten vorzunehmen.

Inhaltsverzeichnis

Editorial HymneandasLeben

ChristkindlmarktderSolidarität

Weihnachten-dieKraftderSymbole

KleineBlüteleben

FamiliäreWerte

UndwenndasLebendemEndezugeht?

EineRückschau... Interview

Nachdenk-undZuhörecke EsistWeihnachten

Redemituns... Lebenssinn

BedürfnisorientierteUnterkunftsmöglichkeiten

EinBlickindieWeltderpsychischenErkrankungen SommerpraktikumimVerband

WelttagderpsychischenGesundheit

Neu!GruppefürElternjungerErwachsener mitpsychischenProblemen

NeuwahlenderVerbandsorgane2011 Mitgliedsbeitrag2011

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gefördert von der Stadtgemeinde Bozen

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser!Carla Leverato

HymneandasLeben

D ie erste Idee für diese Ausgabe war, von denen zu reden, denen

das Leben dermaßen verleidet ist, dass sie es auszulöschen versuchen, – und denen es leider manchmal auch gelingt. Gerade zu Weihnachten?Gerade in der Zeit, in der man aus dem tiefsten Dunkel zum Licht hingeht, das Leben ist und Leben schenkt?Gerade in der Zeit, in der man an eine Geburt denkt und sie feierlich be-geht?

Aus diesem Grund haben wir be-schlossen, die vorliegende Zeitschrift dem Leben zu widmen, eine Hymne an das Leben zu verfassen: nicht ro-mantisch, sondern realistisch - aus der Überzeugung, dass es immer wert ist, das Leben bis zum letzten Moment zu leben; aber auch im Bewusstsein, dass es manchmal sehr schwer fallen kann – und einigen noch schwerer als anderen.Sicherlich bestimmen nicht wir die Ereignisse des Lebens – aber wir kön-nen ihnen einen Sinn geben, der uns erlaubt, über das rein Materielle hin-auszukommen zu einer Spiritualität, einer Lebenshaltung voller Sinn- haftigkeit.Es steht auch fest, dass das Leben – der Menschen und aller Kreaturen, auch der Tiere und der Pflanzen – Pflege bedarf. Wir alle brauchen immer auch die anderen: wir leben davon, dass sie uns Liebe, Anerkennung, Wertschät-zung geben.Weihnachten mit seinen Symbolen erinnert uns an das Leben in dauerndem Wandel, gerade dann, wenn alles verloren scheint. Es ruft uns ins Gedächtnis, welche Bedeu-tung die Freundlichkeit hat, der Respekt vor den anderen, die Liebe zum Leben in all seinen Formen, den

Wert der Familie, der Zuwendung, der Beziehungen zwischen den Men-schen.Es liegt an uns, nicht dem Konsum zu verfallen oder der Mühe der Geschäf-tigkeit, einer gespielten Freundlichkeit in allem und zu allen, den altherge-brachten aber leer gewordenen Bil-dern – und stattdessen echte Freude und Genugtuung erleben, wenn wir jemand froh machen können, wenn wir eine verlorene Hoffnung wieder finden, wenn wir uns bei einem lie-benden Menschen wohlfühlen kön-nen, wenn wir eine Hymne an das Le-ben singen können, das sich dauernd ändert und erneuert…

FROHE WEIHNACHTEN, liebe Freunde! Denkt daran (wie ich es tun werde), dass unter uns viele Engel ohne Flügel leben, Engel, die sich nicht zur Schau stellen, sondern für uns da sind, wenn wir sie brauchen.Es sind jene Personen (eine allein wäre genug!), denen wir auf unserem Lebensweg begegnen und die für im-mer in uns Spuren ihres Seins hinter-lassen.Und vielleicht versuchen auch wir, für jemand ein solcher Engel ohne Flügel zu sein, der seine unauslöschbaren Spuren hinterlässt...

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Nestwärme

Vom Alltag losgelöst,in einem warmen Nestvon Glück, von Freude,von Geborgenheit...endlose Weite...ein Augenblickvon Seligkeit...

Unser Verband beim Christkindlmarkt der Solidarität am 07. Dezember 2010

Martin Achmüller

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SELBSTHILFE

Weihnachten - die Kraft der SymboleLuce

W arum ist Weihnachten in unserer Kultur für Glaubende

und Nicht-Glaubende ein so bedeu-tender Zeitraum?Vielleicht weil wir es – instinktiv oder als Eingebung – in einen Bereich zwi-schen Heiligkeit und Magie stellen?Anna Maria Finotti schreibt in ihrem Buch „Il mito del Natale“ (“Mythos Weihnachten”): „Dieses Fest zieht uns neben der historischen Bedeutung im Christentum möglicherweise deswe-gen in seinen Bann, weil es tiefe Wur-zeln hat, die vergessene Dimensionen hervorrufen und eine Sprache spre-chen, deren Alphabet wir verloren ha-ben – doch wir bewahren in uns noch eine leise Erinnerung.“Tatsächlich vereinen sich an Weih-nachten viele Archetypen und die bedeutendsten Symbole der Mensch-heit. Vor allem fällt es mit der Winter-sonnenwende zusammen, also dem Zeitpunkt, wo die Dunkelheit zurück-geht und die Sonne ihre Kraft wieder-

gewinnt. Für die Erde tritt statt der Angst vor der Finsternis die Hoffnung des Lichts in einem erkennbaren Kreislauf.Denken wir an die Urzeiten, als man das Feuer noch nicht kannte: die Tage wurden immer kürzer, die Nächte länger, oft ohne das kalte Licht eines wechselnden Mondes oder weit ent-fernter Sterne. Die Erde gab keine Nahrung mehr her, das Wasser gefror, das Leben schien zu erlöschen – und dann plötzlich ein zaghafter Sonnen-strahl etwas länger am Himmel, eine Nacht, die langsam weicht und Raum freigibt – der Tod hat seinen Kampf gegen das Leben verloren.

Diese so naturgegebene und ergrei-fende Erfahrung fasst den kosmischen Rhythmus zusammen, ist in unserem Unterbewusstsein und in unserem Menschsein verankert: das „Geburts-fest“ der Sonne wird in den ältesten Kulturen gefeiert. Doch wo und wann wird die Son-

ne „wiedergeboren“? In der tiefsten Nacht, im dun-

kelsten Augenblick, in der finster-

sten Grotte. F i n o t t i

schreibt: „Im Dunkel reift das Licht, im Dunkel wächst das Werden, im Dun-kel keimt das Leben.“ Die Grotte als weiteres Weihnachts-symbol bedeutet Schutz und Zu-flucht, Bauch der Mutter Erde, aus dem wir herauskommen müssen, um „ans Licht zu kommen“.Vom Beginn der Menschheit ist die Grotte der klassische Ort der Riten und Bräuche; Höhlenzeichnungen vergan-gener Jahrtausende finden sich tief drinnen, weit vom Eingang entfernt, im dunklen, geheimnisvollen Bereich der Begegnung zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Leben und Spiritualität.

„Ans Licht kommen“ ist ein Weg, eine Reise – wie die Reise der Heili-gen Drei Könige, die Weisen aus dem Morgenland, die an der Offenbarung des Göttlichen teilhaben wollen, von einem Stern geführt. Sterne sieht man im Dunkeln, wenn man zum Himmel schaut – also wenn man sich bewusst ist, im Dunkel zu sein, zu suchen, wenn man „darüber hinaus“ schaut auf etwas Neues und sich auf den Weg macht, auch wenn es unbe-kannt und unsicher ist.Auch die Reise ist ein wichtiges Symbol des Menschseins, ein Bild für das Sein und den endlosen Wandel.Um das göttliche Symbol Sonne erfüllen sich die unendlichen Ver- änderungen von der Nacht zum Tag, vom Dunkel zum Licht, vom Wech-sel der Jahreszeiten… der Frühling kommt wieder und wird nicht gleich sein wie der letzte oder wie der fol-gende, sondern immer eine neue, andere Erfahrung, reich an neuen Möglichkeiten. Das Eis wird zum Bächlein, nährt die neue Blüte der Erde. Vielleicht gelingt es uns, die-sen natürlichen, einfachen Kreislauf des Lebens in uns selbst als unent-geltliches Geschenk zu erfassen: Weihnachten ist auch die Freude, die Empfindung des Geschenkes, die Ur-Erinnerung unseres Anteils am Geheimnis Leben.

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SELBSTHILFE

H eute früh habe ich die Pflanzen auf meinem Balkon bewundert.

Eine ganz besondere ist darunter: sie braucht nur sehr wenig Pflege, um zu gedeihen und sich auszubreiten: sie braucht nur die Luftfeuchtigkeit und kann im Schatten gleich wie in der Sonne wachsen. Lavendel hinge-gen muss jeden Tag gegossen wer-den, sonst trocknet er aus und stirbt. Zyklamen brauchen Schatten und Feuchtigkeit.

Es gibt Pflanzen, die selbst in Extrem-bedingungen überleben und deshalb jede Schwierigkeit meistern; solche, die die Erde fruchtbar machen wie die Brennnessel. Andere hingegen sind überzüchtet , überdüngt und über-kultiviert und sind deshalb kurzlebig und äußerst empfindlich... Es gibt Pflanzen im Wald, auf der Wiese... in der freien Natur... und jene, die sich an unsere Wohnungen oder Gewächs-häuser angepasst haben.Niemand verlangt, dass alle Blumen auf den Wiesen gleich sind, von glei-cher Farbe oder perfekt. Wir schätzen sie so, wie sie sind. In der Natur gibt es starke und empfindliche, gerade und schräg gewachsene, seltene und häufige Pflanzen.

Mit einer Art Heimweh erinnere ich mich an die wunderbaren Alm-wiesen mit Unmegen damals seltener Blu-men, die es jetzt nicht mehr gibt - zerstört aus Pro-fitgründen. Man wollte die Almen alle gleich ma-chen, mit Chemi-kalien düngen, damit sie mehr Er-trag einbringen.

Menschen mit einem „grünen Daumen“ wis-sen immer, was

die Pflanzen brauchen. Sie erkennen, wenn sie Wasser brauchen, mehr oder weniger Licht, Nährstoffe... man sagt, sie könnten sogar mit den Pflanzen sprechen, wüssten, dass ein zu viel immer schlecht ist. Pflanzen, die sie pflegen, sind wunderbar und lang-lebig.Dies gilt für jedes Lebewesen, für jede Form von Leben, für alle Menschen.Wir alle brauchen Pflege, um auf die Welt zu kommen, zu wachsen, zu le-ben und zu sterben; sie ist lebensnot-wendig; wir leiden darunter, wenn sie fehlt, wir leiden auch, wenn sie zu viel wird oder unnütz ist.

Dr. Abraham Maslow, ein amerika-nischer Psychologe, hat eine Klas-sifizierung der Grundbedürfnisse des Menschen ausgearbeitet, die als Antriebskraft für die Persönlichkeit und die Entwicklung des Individu-ums bezeich-net werden. Man geht von jenen aus, die

Kleine Blüte lebenEvelina Leandro

unabdingbar sind für das Überleben, wie atmen, trinken, essen, schlafen, ausruhen. Dann gibt es den Bedarf an Sicherheit, die Suche nach Schutz - wie ein Kind in den Armen der Mut-ter oder des Vaters, wie Liebe geben und Liebe erhalten, sich „daheim“ fühlen, beachtet und geschätzt zu werden und schließlich die (Selbst-) Verwirklichung, also das zu werden, wozu man sich berufen fühlt. Ich habe mir die Frage gestellt, bei welchen dieser Bedürfnisse unsere Angehörigen und Freunde, die an einer psychischen Erkrankung leiden, Hilfe erhalten. Sie haben zu essen, ja! Und der Rest? Erhalten sie Hilfe, sich geliebt, beachtet, geschätzt zu füh-len? Haben sie ein „Daheim“? Wie ver-wirklichen sie ihre Fähigkeiten?

Behalten wir vor allem im Auge, dass sie die empfindsamsten Pflanzen

sind, die sehr viel Pflege brau-chen, die aber auch

nicht in einem „Ge-wächshaus“ leben wollen, sondern

in Freiheit!

E i n frohes W e i h -nachts-f e s t , l i e b e Freunde!

Ich wün-s c h e

euch sehr viele Men-

schen mit dem „grünen

Daumen“, die euch alle jene

Aufmerksamkeit schenken, all jene

Zuwendung, all jene Pflege, die ihr braucht, und dass

all dies weit länger andauert als nur über

Weihnachten.

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SELBSTHILFE

Der Wert der FamilieLorena Gavillucci

V ielleicht ruft Weihnachten in unserer Erinnerung Bilder und

Gefühle von Wärme (wie bei einem Kaminfeuer) hervor, weil es bei uns in den Winter fällt: die Intimität oder Vertrautheit unseres Hauses, ob klein oder groß, schön oder weniger ein-ladend; der allgemeine Traum einer gemütlichen Couch und einer Decke nach einer Reihe von Tagen mit wenig Zeit für uns selbst und unsere Lieben. Das Bild, das uns spontan in den Sinn kommt, ist wirklich reich an Wärme, Feuer und Zuwendung – im Gegensatz zur Kälte und Dunkelheit draußen. Es sollte für alle Menschen gelten, bis hin zu den Lichtern der Weihnachtsdekoration - auch wenn vielleicht vieles daran zu reinem Kon-sum entartet ist.Die Kerzenflamme hat eine Ur- Bedeutung: sie stellt etwas Liebe-volles und Sicheres dar, ein Klima der Freude, und sie ist etwas Innerliches,

ein Gebet. Sie bleibt als solche be-stehen auch mit allem „importierten“ Kitsch. Letztlich haben wir auch die Adventkränze aufgenommen und weitergegeben; mit ihrem Harzduft sind sie Boten der wahren Überliefe-rung von Krippe und Tanne. Dieser Rahmen eines häuslichen Frie-dens kann auch eine Umhüllung sein, die plötzlich einbricht und zerstört. Es kann der Alltag sein, der uns kei-ne Fragen mehr stellt, der den Lauf der Zeit nur passiv hinnimmt, die Gefühle abflacht und die mensch-lichen Regungen unterdrückt. Schließ-lich tritt er über die selbst errichteten Ufer wie ein unaufhaltsamer Fluss, wie eine Quelle, die nie versiegt – sei es, weil sie Konflikte unter den Men-schen verstärkt, sei es, weil sie uns in unserer Einsamkeit härter macht.Es ist leicht, sich vorzustellen, dass in einer Krise daheim die Möglichkeit fehlt, die eigenen Emotionen abzu-

koppeln, wegzulassen, so wie Strei-tigkeiten zwischen Nachbarn aus unverständlichen, banalen Gründen entstehen. Es fehlt die simple, aber wichtige Möglichkeit, die wir bei jedem Problem außerhalb unserer Familie haben: heimkommen und die Tür hinter uns schließen. Wir sollten uns daran erinnern, dass wir bei Bedarf immer die Möglich-keit haben, uns mit einem Missbe-finden auseinanderzusetzen, so wie wir mit anderen glückliche Momente teilen können. Gelassen sein ist eine Kunst. Ein Teil hängt immer auch von uns selbst ab, wird von unserer Wahl und unseren Handlungen bestimmt oder vorbereitet – auch für ein ange-nehmes Weihnachtsfest, wie es sich jeder wünscht, mit der zusätzlichen Erfahrung eines weiteren Jahres.Anderen und sich selbst frohe Weih-nachten zu wünschen ist keine Banalität.

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SELBSTHILFE

Und wenn das Leben dem Ende zu geht?Gedanken einer Freiwilligen im Hospizdienst

N ur eines ist sicher: Unser Leben auf der Erde beginnt mit der

Geburt und endet mit dem Tod. Das gilt für alle.Doch wie viele Tabus, wie viele Ängste begleiten den Gedanken an das Sterben! Mir gefällt der Gedanke, dass der Tod der Höhepunkt, der wichtigste Zeitpunkt des gesamten Lebens ist und die beste Vorbereitung darauf das Leben.Ich bin eine der vielen Freiwilligen, die schwer kranke, sterbende Men-schen im letzten Lebensabschnitt begleiten. Wenn ich mit anderen dar-über ins Gespräch komme, sagen die meisten: „Aber wie kannst du nur mit Sterbenden umgehen?“Doch der Tod ist ein Augenblick, der Moment des Hinübergehens, wenn der Strom „Leben“ am Ende seines Laufes sich mit dem Wasser des Ozeans mischt. Vorher sind wir alle noch am Leben. Die Lebenden beglei-

ten, nicht die Toten. Es sind Menschen, mit denen man in eine sehr offene, authentische Beziehung treten kann. Sie erkennen sofort, ob man zuhö-ren kann oder nicht, ob man voll und ganz da ist, ob man wirklich bereit ist, all das aufzunehmen, was sie mit Wor-ten, mit dem Blick, mit ihrem Körper mitteilen – ihre Gefühle und alles, was abläuft. Wenn sie die Offenheit bei dir finden, werden auch sie offen.Reden Menschen am Ende des Lebens vom Tod? Wie alle anderen.Einzelne denken, man könne den Tod „austreiben“, wenn man nicht davon spricht, als ob es einen nichts angin-ge, jedenfalls nicht im Moment.Andere reden darüber, wenn sie si-cher sind, dass man ihnen zuhört und es nicht abtut mit vorgefertigten Phrasen, die die eigene Angst verber-gen sollen (im Sinne von „Ach was, du hast keinen Grund, daran zu denken! Dir geht es doch so gut!“)

In Wirklichkeit hat jemand, der am Ende des Lebens steht, nicht unbe-dingt Angst vor dem Sterben. Im Gegenteil, einige wünschen sich zu sterben, einige sind gelassen und freuen sich ganz intensiv über die klei-nen Freuden des Lebens (und Glück ist doch nichts anderes als eine Auf-einanderfolge von kleinen Freuden); einige sind zu sehr an die Besitztümer dieses Lebens gebunden und möchte sie nicht loslassen…Vielleicht haben wir alle eher Angst vor dem Leiden, das uns die Krankheit bringen kann, oder vor dem Schmerz, den andere haben werden, wenn wir nicht mehr da sind.Doch die Erfüllung dieses Lebens wird eintreten, egal ob es schön oder unangenehm war… und darum hof-fen wir… so wie die Nacht immer vor der Morgenröte steht, dass auch mit dem Tod unsere Umwandlung, unse-re Morgenröte beginnt.

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SELBSTHILFE

Eine Rückschau...Interview von Martin Achmüller

Welche Erinnerungen hast du an deine psychische Erkrankung?Sehr schlechte: ein Leben ohne Sinn, ohne Freude...

Für wie lange?Für viele Jahre!

Und bist du jetzt heraußen?Zum Großteil ja. Es bleibt eine gewisse Trauer, eine Sehnsucht und die Erinne-rung an schlechte Erfahrungen.

Wie bist du herausgekommen?Mit einer sehr langen Kombination von Psychotherapie, Psychopharmaka, ei-ner großen Aufmerksamkeit für meine Lebenssituation, meine Bedürfnisse, meine Grenzen, dann auch für die Ge-fahren oder die Belastungen... und mit riesiger Geduld.

Wie kann man eine so breit gefächerte Kombination erreichen?Ich habe Jahre gebraucht, um diese Faktoren zu verstehen, um mein Ver-halten zu ändern, immer wieder neu zu versuchen, mit meiner Verletzlich-keit zurechtzukommen, mit meinen Schwächen, den Enttäuschungen, den Schatten zu leben, letztlich mich selbst anzunehmen.

Welche Ressourcen hattest du? Wo hast du Halt, Unterstützung, Hilfe gefun-den?Die größte Hilfe war wohl, meinen „Le-bensrucksack“ aufzumachen, den In-halt anzuschauen, viele unnütze und

belastende Sachen, viel „Abfall“ wegzu-werfen, aber auch die „Reste“ zu akzep-tieren.

Welche „Reste“?Da gibt es vielleicht zwei Gruppen: die schlechten Reste wie z.B. die trau-rige Erinnerung an verlorene Jahre, an Kraftlosigkeit, von Unfähigkeit – das sind tiefe Wunden, die aber geheilt sind; dann die guten Reste: die Erfahrung, wie man mit „gefährlichen“ Situationen umgehen kann – wie man sie erkennen, vermeiden oder mindestens reduzieren kann, um das Risiko eines möglichen Rückfalls zu reduzieren...

Das heißt, dass es Rückfälle geben kann?Oft sind es nicht richtige Rückfälle, son-dern Zeiten mit dem Risiko einer Ver-schlechterung. Natürlich gibt es auch

echte Rückfälle. Doch dann ist es leich-ter, rechtzeitig und richtig zu reagieren und Hilfe zu suchen. Ich halte es für ex-trem wichtig, solche Zeiten nicht als per-sönliches Versagen, persönliche Schuld, als Schaden der Person zu sehen, son-dern als Phasen, die jeden Menschen treffen können – mit der Sicherheit, ähnliche Episoden schon überstanden zu haben...

Welche Hilfe suchst du in solchen Situa-tionen und bei wem?Ich versuche möglichst, die auslösen-den Faktoren zu erkennen, ihre Bedeu-tung zu „bewerten“ (sie sind oft weniger wichtig, als man annimmt). Manchmal muss ich mehr Ruhe geben, zu mir sel-ber finden. Gelegentlich kann ich mit einem Menschen sprechen, der mir zu-hört, dem ich vertraue. Viele finden in solche Momente in eine Selbsthilfegrup-pen. Ich selbst brauche in kritischeren Situationen einen „persönlicheren“, in-dividuelleren Kontakt, als man es übli-cherweise in einer Gruppe hat – aber da sind alle Menschen verschieden, haben verschiedene Bedürfnisse. Es gab auch Zeiten für mich, in denen ich wieder Psychotherapie beanspruchte oder die Psychopharmaka erhöhen musste – die ich, nebenbei gesagt, nun schon seit mehr als 10 Jahren einnehme.

Das heißt, sie gehören jetzt zu deinem Leben dazu?Ja, eindeutig. Ich habe keine Vorurteile oder Sorgen deswegen, ich versuche, meine Situation etwa von Jahr zu Jahr einzuschätzen, nicht in kürzerer Zeit. Es kann derzeit sogar mehr eine Prophyla-xe meiner „Verletzlichkeit“ darstellen als eine reine Therapie einer psychischen Erkrankung. Wichtig für mich ist nur, dass meine Lebensqualität nie mehr zu vergleichen ist mit früher. Und diese Botschaft, diese Hoffnung versuche ich all jenen weiterzugeben, die sich mit dem Thema psychische Erkrankung be-schäftigen müssen, sei es als Betroffene oder als Angehörige oder Freunde.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Leben kann manchmal sehr schwierig sein. Besonders für je-manden, der an einer psychischen Erkrankung leidet. Das folgende Interview zeigt uns, dass wir uns von bestimmten Situationen nicht unterkriegen lassen dürfen. Auch wenn wir sie nicht ändern können, können wir trotzdem daran wachsen und das, was das Leben für uns bereithält, schätzen.

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SELBSTHILFE

W elchen Sinn hat Weihnachten für uns? Suchen wir ihn im

Materiellen oder im Spirituellen?Um Weihnachten sind wir alle „bes-ser“. Alle haben sich gern, alle sind glücklich, die Familien kommen zu-sammen, niemand ist allein. Mit die-sen gewohnten, „allweihnachtlichen“ Sätzen bestreuen wir unseren Weih-nachtsbaum wie mit Puderzucker. Aber trifft es wirklich zu?

Nachdenk- und ZuhöreckeEs ist Weihnachten

Für viele Menschen kann Weihnach-ten die traurigste Zeit des Jahres sein, gerade wegen dieser Illusionen, die-ser Fassaden, die wir weiter verbrei-ten, die wir immer weiter vorgeben zu glauben.Und wenn wir selbst es versuchten, unserer Weihnacht einen Sinn zu ge-ben? Egal, ob wir allein sind oder in Gesellschaft, krank oder gesund, mit oder ohne Familie, reich oder arm…Für einige feiert man zu Weihnach-ten den Geburtstag eines Kindes, das später, als Erwachsener versuchte, den Menschen mit Worten, aber vor allem mit seinem Tun zu vermitteln, dass sie sich lieben sollen. Für andere ist es die Möglichkeit, an befreunde-te Menschen zu denken, denen man während des Jahres nicht begegnete, und mit denen man Freundschaften

neu knüpft oder Missverständnisse ausräumt… Oder wir können so den-ken oder so tun, dass es letztlich ein Tag wie jeder andere ist…Es kann auch vorkommen, dass wir uns einfach freuen, weil die Tage wieder länger werden, die Helligkeit zunimmt: eine heidnische oder eine christliche Botschaft… oder vielleicht eine menschliche Botschaft?Weihnachten kann auch die Gelegen-heit sein, einen dreizehnten Monats-gehalt auszugeben, wenn man es zur Verfügung hat, oder für Geschäftsleu-te, die Preise zu erhöhen...Die Auswahl zwischen diesen ver-schiedenen Angeboten können wir treffen. Nur wir können unserem Leben einen Sinn geben – und das nicht nur zu Weihnachten, sondern auch zu jeder anderen Zeit.

Carla Leverato

Rede mit uns... Lebenssinn

Martin Achmüller

Kann man den Sinn des Lebens wieder-finden?Es wird nicht einfach sein, wenn man ihn verloren hat, aber es ist möglich. Eine Bedingung gibt es.

Und die wäre?Man muss sich selber auf die Suche machen, von alleine kommt er nicht wieder. Es wird äußerst mühsam und ermüdend sein, anstrengend und auf-reibend – eine vielfache Belastung. Es braucht viel Geduld und vor allem für den Anfang praktisch immer eine Hilfe.

Alleine schafft man es nicht?Wer den Lebenssinn verloren hat, dem fehlt die Energie und die Kraft, also die Grundvoraussetzungen für ein so schwieriges Unterfangen.

Woher bekommt man diese Energie?Wenn die Erschöpfung zu groß ist, braucht es zuerst eine Erholung: eine Ruhepause oder mindestens eine „Ent-schleunigung“; zusätzlich muss man die Auslöser anschauen und angehen: das bedeutet im Fall einer psychischen Erkrankung die entsprechende Behand-lung; also Medikamente, Psychothera-pie und eine gezielte weitere Begleitung (vielleicht eine Art Lebens-Coaching durch kompetente Personen, durch Selbsthilfegruppen, durch einen Aus-gleich zum Alltag…).

Wie lange dauert das?Das Um und Auf ist die Ausdauer und Geduld im Suchen, und dabei kann das

Umfeld, also vorwiegend die Familie, hilfreich sein oder leider auch oft entge-genwirken. Erschöpfte, ausgepumpte Menschen brauchen mehr Begleitung.

Es ist also immer eine Erschöpfung?Nein, nicht in diesem Sinn. Den Lebenssinn verlieren bedeutet weit mehr als nur eine Überforderung. Wer den Eindruck hat, in seinem Leben nur mehr zu „funktionieren“, braucht eine viel stärkere Unterstützung.

Noch einmal – es geht nicht allein?Wenn man schon einmal die Erfahrung „Lebenssinn“ gemacht hat oder noch mehr, wenn man die Suche danach schon einmal erfolgreich abgeschlos-sen hat, dann wird es erheblich leichter sein, weil man das Rüstzeug schon hat. Dann wird man mehr Vertrauen in sich selbst haben und sich leichter auf den Weg machen. Aber es bleibt äußerst beschwerlich.

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SELBSTHILFE

V or einigen Monaten ist ein Mitglied an den Verband

herangetreten und hat auf folgen-de Problematik aufmerksam ge- macht: in Südtirol leben Menschen mit psychischen Erkrankungen, die zwar laut Vorgaben den Rehabili-tationsprozess abgeschlossen ha-ben, denen es aber dennoch nicht möglich ist, selbständig zu leben. Für diese Menschen gibt es nur Über-gangslösungen aber keine bedürfnis- orientierten Unterbringungsmögli-chkeiten. Derzeit ist es so, dass die Alten- und Pflegeheime sie aufneh-men müssen. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es nicht nur um die Frage geht, ob sich psychisch Erkrankte in eine solche Struktur inte-grieren können, sondern auch darum,

dass Seniorenheime für psychisch Erkrankte sehr oft nicht der ideale Ort sind, auch weil das Durchschnittsal-ter dort naturgemäß sehr viel höher liegt.Damit eine Aussage über den effektiven Bedarf an Betreuungsplät-zen gemacht werden kann, hat der Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker eine südtirolweite Umfrage gestartet. Aus den einge-langten Rückmeldungen geht ein Be-darf von 200 Plätzen hervor. “Was es braucht, sind individuell an-gepasste Lösungen, die den unter-schiedlichen Bedürfnissen der ein-zelnen Personen gerecht werden.“, äußert der Vorstand des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker.

Deshalb werden wir konkret nachfra-gen, welche Bedürfnisse, Wünsche und Vorschläge die Betroffenen und ihre Angehörigen vorbringen – sie können es sicher weit besser ausdrü-cken als jede Organisation. Auf jeden Fall sollte das Seniorenwohnheim für psychisch Erkrankte nicht die erste Adresse sein, da sowohl personelle als auch strukturelle Voraussetzungen fehlen.Es gibt inzwischen eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Alten- und Pflege-heime, der Sozialsprengel, dem Amt für Menschen mit Behinderung, dem Amt für Gesundheitssprengel, den Gesundheitsbezirken und unserem Verband, die sich mit dieser Thematik beschäftigt. Wir werden als Verband an der Sache dranbleiben.

Bedürfnisorientierte Unterkunftsmöglichkeiten

Herzliche Gratulation!

Am19.September2010wurdeFrauEdithCrocchiolaBertol

dasVerdienstkreuzdesLandesTirolverliehen.DieseAuszeichnunghatsiedemVerbandAngehörigerund

FreundepsychischKrankergewidmet.

WirdankenihrfürihrenEinsatzzurVerbesserungderLebensbedingungenfürpsychischErkrankteund

ihrerAngehörigen,welchensiealsPräsidentindesVerbandesindenschwierigenAnfangsjahrenanden

Taglegte.

WirfreuenunsmitihrüberdieverdienteAuszeichnung!

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SELBSTHILFE

Ein Blick in die Welt der psychischen ErkrankungenZwei Jugendliche erzählen von ihren Erfahrungen

V on Mai bis August dieses Jahres war ich als Praktikantin beim

Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker. Ich habe mich aus mehreren Gründen dazu entschlos-sen. Einer davon war, einen Bereich der Medizin kennen zu lernen, dem großteils wenig Wert entgegen- gebracht wird: die Psychiatrie.Ich habe viel über den Begriff „psy-chisch krank“ nachgedacht; je mehr ich daran denke, desto mehr wird mir klar, dass ich, wenn ich selbst betroffen wäre, ganz sicher nicht als psychisch krank „etikettiert“ werden möchte. In erster Linie sind es Men-schen, ganz normale Menschen, die etwas Unangenehmes durchmachen!Dennoch gibt es sehr viele Leute, die den psychisch Erkrankten von vorn-herein als immer aggressiv und ge-fährlich abstempeln. Dies trifft aber nicht zu.In diesem Praktikum habe ich vieles gelernt; zum Beispiel habe ich ver-

standen, dass eine der besten Hilfen auf menschlicher Ebene für einen Be-troffenen die ist, ihm zuzuhören, ihm zu verstehen zu geben, dass man be-reit ist, zu helfen.Die Besuche in den psychiatrischen Zentren waren sehr interessant; die „Arche Noah“ im Zentrum für psy-chische Gesundheit Bozen hat mir be-sonders gefallen. Eine „Klientin“ hat uns die kurz durch die Einrichtung ge-führt und uns gezeigt, was dort drin geschieht. Ich habe dies Angebote als gut empfunden.Der zweite Besuch – im Haus „Basag-lia“ – war auch spannend.Der Ort hat mich besonders beein-druckt, da er sehr schön gelegen ist. Von besonderer Bedeutung fand ich die Tatsache, dass diese Struktur nicht nur vom Sanitätsbetrieb geführt wird, sondern auch von Sozialgenossen-schaften. Dies schien mir am meisten im Einklang mit einer sozialen Einglie-derung.

Ich hatte auch Gelegenheit, an eini-gen Aktivitäten des Rehabilitations-zentrums „Gelmini“ in Salurn teil-zunehmen (im „Biberclub“ welcher Freizeitaktivitäten unternimmt). Auch wenn dort viele Klienten und Freiwil-lige teilnehmen, hat es mich nicht so sehr beeindruckt.Dieser Bereich der Rehabilitation hat in mir großes Interesse geweckt; es wird aber doch nicht der Bereich sein, dem ich mich in Zukunft widmen werde.

Ein tiefer Eindruck wird mir immer bleiben: der Mut, mit dem psychisch Erkrankte zugeben, Betreuung und Hilfe zu brauchen, sich gegen die all-gemeine Meinung zu stellen und sich von den Vorurteilen nicht erdrücken oder entmutigen zu lassen. Sie setzen sich selbst für die Würde und Freiheit ihres Seins ein.

Giulia Monauni

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SELBSTHILFE

W ährend meines Praktikums habe ich im Rehabilitations-

zentrum „Gelmini“ in Salurn die Welt der Psychiatrie ein wenig besser kennen gelernt. Es waren Treffen im „Biberclub“, in dem einige Leute aus dem Rehazentrum “Gelmini” Freizei-taktivitäten für psychisch erkrankte Menschen organisieren. Am ersten Nachmittag sahen wir uns einen Film an mit dem Titel „Der Zug nach Peking“. Ich rate denen, die ihn noch nicht kennen, ihn sich anzuschauen. Es gibt mehrere Gründe dafür: man kann verstehen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen ganz ein-fach Menschen sind und als solche das Bedürfnis zu leben haben und zugleich als Menschen behandelt zu werden. Sicher, sie haben ihre Schwie-rigkeiten, ihre Besonderheiten; viellei-cht sagen sie dir niemals „danke“; sie werden kaum die Initiative ergreifen; vielleicht beschimpfen sie dich sogar trotz der ganzen Geduld, die du ihnen

entgegengebracht hast. Doch die gleichen Menschen streicheln dich vielleicht nach einer halben Stunde, umarmen dich, sagen dir, dass sie dich gern haben, auch wenn du sie erst seit kurzer Zeit kennst. Mit die-sem Film versteht man vor allem, dass man in ihrer Gesellschaft viele schöne Gefühle erleben kann wie eben bei dieser Reise nach Peking.

Am letzten Tag meines Praktikums war ich bei einem Spaziergang von Salurn nach Buchholz mit Betreuten, Angehörigen, Betreuern und meh-reren Freiwilligen dabei. Es war ein wirklich schöner Nachmittag; an-fangs brauchte ich eine Weile zum „Auftauen“, da meine Bezugsperson im Praktikum an diesem Tag arbeiten musste. Auf dem Weg bot sich mir die Gelegenheit, mit einigen Betreuten zu reden. Ich hatte Sorge, weil ich mir nicht vorstellen konnte, worüber man mit einem Menschen mit einer psychischen Erkrankung reden sollte; nach kurzer Zeit erkannte ich, dass ich mir zu viel Gedanken gemacht hatte; wir sprachen über alles – von der Schule, die ich besuchte, bis zu meiner Lieblingsmusik. Es war ange-nehm, besonders dann bei einer gast-freundlichen Familie in Buchholz, die für alle Essen zubereitet hat. Während meines Praktikums be-suchten wir auch die Einrichtung „Ar-che Noah“ im Zentrum für psychische Gesundheit Bozen. Dies ist eine Struk-tur, in der verschiedenes für eine sinn-volle Freizeitgestaltung angeboten wird. Die Menschen können hinge-hen, wann sie wollen. Wir sprachen mit den Betreuern, dem Krankenpfle-ger und der Psychiaterin. Bei diesem Besuch habe ich verstanden, dass eine Arbeit mit psychisch Erkrankten eine anstrengende Arbeit ist, für die nicht alle geeignet sind. Der Rat der Ärztin war entsprechend: „Denkt gut darüber nach!“ Der letzte Besuch war im Haus „Basaglia“ in Sinich. Dort läuft es ziemlich ähnlich ab wie im „Gelmi-ni“ in Salurn. Die Betreuten werden in viele Arbeiten mit einbezogen: im

Garten, in der Tischlerei, beim Nähen usw.In der Zeit beim Verband Angehöri-ger und Freunde psychisch Kranker versuchten Giulia und ich, möglichst gut zu verstehen, was im Kopf eines Menschen mit einer psychischen Erkrankung vorgeht, was er denkt, was er braucht, was man ihm sagen kann, wie man mit ihm umgehen soll, wie man seine Krankheit einschätzen soll, und noch weit mehr. Vor allem eins habe ich verstanden: mit allem theoretischen Wissen wird man nicht so leicht lernen, was man einem Menschen mit einer Depression sagen soll oder gar jemanden, der an Selbst-mord denkt; was man ganz sicher lernen kann, ist vor allem, was man zu solchen Menschen nicht sagen soll.

Annabel Oliveri

„Auf der Suche nach neuen Er-fahrungen“ lautete das Projekt in den Sommermonaten zur Mitein-beziehung von Jugendlichen im freiwilligen Engagement bei dem sich unser Verband bei der Dienst-stelle für das Soziale Ehrenamt beim Dachverband für Soziales und Ge-sundheit beteiligt hat. Zwei junge Mädchen konnten konkrete Erfahrungen im psychia-trischen Bereich machen und die Freiwilligentätigkeit näher kennen lernen.

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SELBSTHILFE

Welttag der psychischen Gesundheit

Wieder Gesund werden - Kampagne vom 01. bis 10. Oktober 2010

D er Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

nutzt den Internationalen Tag um den 10. Oktober für Aktionen, die über die psychische Gesundheit informie-ren und auf die Belange psychisch erkrankter Menschen aufmerksam machen, sodass seelische Erkrankun-gen in der Bevölkerung eine höhere Akzeptanz erhalten.

Dieser Tag stellt 450 Millionen Be-troffene und deren Angehörige welt-weit in den Mittelpunkt: Jeder vierte Mensch ist zumindest ein Mal in sei-nem Leben ernsthaft psychisch krank. Depressionen, Alkoholerkrankungen, Angstzustände, bipolare Störungen und Schizophrenien zählen weltweit zu den häufigsten Erkrankungen. Ex-perten nennen sie seit langem Volks-krankheiten; erst in den letzten Jahren wurde dieses Problem ansatzweise enttabuisiert und auch zunehmend in der Gesellschaft diskutiert.

Die diesjährige Kampagne des Ver-bandes in Südtirol verfolgte das Ziel, die Botschaft des „Recovery“, des WIE-DER-GESUND-WERDENS von einer psychischen Erkrankung zu vermit-teln und das „Recovery“-Konzept in Umlauf zu bringen mit dem Wunsch, es ins Gesundheitssystem Südtirols zu integrieren. „Recovery“ ist ein Be-handlungskonzept, das Lebenssinn vermittelt. Es ist ein Prozess der per-sönlichen Auseinandersetzung des Betroffenen mit seiner Erkrankung, der dazu führt, dass er trotz seiner psychischen Probleme in der Lage ist, ein produktives, hoffnungsvolles und aktives Leben zu führen.

Vom Europäischen Tag der Depressi-on, am 01. Oktober bis zum Welttag der psychischen Gesundheit, am 10. Oktober wurde der Blick auf die 10 Kernelemente des „Recovery“-Pro-zesses, und somit auf den grundle-genden Zusammenhang von Kör-per und Seele gelenkt, die sich aus Selbstbestimmung, Individualität,

Empowerment, Ganzheitlichkeit, aus gegenseitiger Unterstützung, Re-spekt, Verantwortung und Hoffnung zusammensetzen.Im Großraum Bozen feierte man zudem den Welttag gemeinsam mit öffentlichen und privaten Institutio-nen des Gesundheits- und Sozialbe-reichs.

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SELBSTHILFE

ähnliche Lebenssituationen aus eige-ner Erfahrung kennen.

Weitere Gruppen für Angehörige von Menschen mit psychischen Proble-men gibt es in Bozen, Leifers, Kaltern, Bruneck, St. Ulrich und Meran.

Wer interessiert ist, an den Grup-pentreffen teilzunehmen kann sich beim Verband weitere Informati-onen einholen und/oder sich an-melden. (Tel. 0471 260 303)

I m Januar startet in Bozen eine neue Selbsthilfegruppe für Eltern junger

Erwachsener mit psychischen Proble-men.Wir möchten uns über die oftmals schwierige und belastende Situation innerhalb der Familie mit erwachse-nen und psychisch erkrankten Kin-

dern austauschen, uns damit aus-einandersetzen, voneinander und miteinander lernen, einen Umgang mit dieser neuen Realität finden, uns gegenseitig unterstützen, bestärken und ermutigen.In der Gruppe soll es möglich sein, über alles zu sprechen, was uns be-wegt, über Gefühle wie Einsamkeit, Angst und Verzweiflung, Schuld und Überforderung, Hoffnung und Resig-nation...Wir werden Verständnis und Unter-stützung bei Menschen finden, die

Selbsthilfegruppe für Eltern junger Erwachsener mit psychischen Problemen

D ie Tätigkeit des unseres Verban-des Angehöriger und Freunde

psychisch Kranker liegt in der politi-schen Vertretung, Beratung und Un-terstützung der psychisch Erkrankten und deren Angehöriger. Dazu gehört auch die Ver-netzung mit Fachleuten,

politischen Gremien, Institutionen und Organisationen, die im psy-chischen und sozialen Bereich tätig sind. Sensibilisierung und Aufklärung zum Abbau der Vorurteile, Interven-tion zur Verbesserung der psycho-sozialen Dienstleistungen gehören ebenfalls zu seinem Aufgabengebiet.

Weiterbildung für Angehörige wird bei Selbsthilfegrup-

pen und Schu-lungen sowie mittels Publika-

tionen aufgegrif-fen.

Interessieren Sie sich für Fragen rund um’s „Angehörig-sein“? Oder kennen Sie vielleicht jemanden, der sich dafür einsetzen möchte - egal ob jung oder alt? Wir suchen (für die Neuwahlen der Verbandsgremien im Rahmen der Mitgliederversammlung am 08. April 2011) engagierte Frauen und Män-ner für die ehrenamtliche Tätigkeit in unserem Vorstand. Besonders die Aufgabengebiete: politische Vertre-tung, Öffentlichkeitsarbeit, aber auch andere Ressourcen sind gefragt und willkommen.Diese ehrenamtliche Tätigkeit bietet viel Freiraum für eigene Ideen. Der Arbeits- und Zeitaufwand richtet sich nach den persönlichen Interessen und vorhandenen Kapazitäten. Mo-natlich findet eine gemeinsame Sit-zung statt.

MeldenSiesich!

Für weitere Auskünfte stehen Ih-nen gerne die Mitarbeiterinnen

der Geschäftsstelle, Tel. 0471 260303, [email protected] zur Verfügung.

Engagiert euch im Vorstand des Verbandes!Neuwahlen der Verbandsgremien am 08. April 2011

NEU!!

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SELBSTHILFE

Mitgliedsbeitrag 2011

Danke für Ihr Vertrauen!Immer mehr Menschen werden Mitglied des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker, weil ihnen die Zukunft und die Gesundheit der Menschen mit psychischen Problemen am Herzen liegen.

Machen Sie den Verband stark! Unterstüt-zen Sie sein Engagement! Ihre Mitglied-schaft hilft!

Als Mitglied können Sie:• Zukunft gestalten • Ideen einbringen • Verantwor-tung übernehmen • aktiv mitbestimmen • an Veran-staltungen teilnehmen • selbst aktiv werden •

Als Mitglied erhalten Sie:• ermäßigte Beratungen und individuelle Begleitung beim Stützpunkt • vergünstigte Seminare für Ange-hörige und Unterstützung in den Selbsthilfegruppen • kostengünstige Ferienaufenthalte (für Menschen mit psychischer Erkrankung) • die „Selbsthilfe“ - eine In-formationsschrift mit sozialpsychiatrischen Inhalten • Zugriff auf fachliche und aktuelle Informationen über die psychische Gesundheit: durch Teilnahme an Vorträ-gen, durch die Bücherentlehnung aus der hauseigenen Bibliothek • den wöchentlichen Verbandskurier mit ak-tuellen Hinweisen (z. B. auf Veranstaltungen, Tagungen usw.) per e-mail • politische Vertretung • Mitsprache- und Wahlrecht •

Jahresbeitrag 2011: 15,00 EuroK/K bei der Raiffeisenkasse Bozen, Filiale GriesIBAN: IT 21 O 08081 11601 000301075802lautend auf Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

Wir bieten Menschen, die aufgrund einer persönlichen psychischen Erkrankung oder der eines Angehörigen überfordert und belastet sind, individuell, professionell und unbürokratisch Information, Be-gleitung, Vermittlung und Beratung an.In der Fachberatung werden gemeinsam hilfreiche Maßnahmen für den Alltag mit einem psychisch erkrankten Familienmitglied erar-beitet.

Für die Beratung ist eine Vormerkung erforderlich:Mo-Fr von 10:00 - 11:00 Uhr unter Tel. 0471 262 262 Di & Do von 10:00 - 11:00 Uhr unter Tel. 335 6267 260oder e-mail: [email protected]

StützPunktin schwierigen Lebenslagen

Beratung & Information

Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker, Bozen - www.selbsthilfe.it