Semantic Wiki

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{ AKTUELLES SCHLAGWORT* / SEMANTIC WIKI Semantic Wiki Sebastian Schaffert · François Bry Joachim Baumeister · Malte Kiesel Das Thema ,,Semantic Wikis“ als Verknüpfung von Wiki-Konzepten mit semantischen Technologien gewann in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung, weil es ,,soziale Intelligenz“ und ,,künstliche Intelligenz“ miteinander verknüpft. Ziel des Artikels ist es, einen Überblick über das Thema Semantic Wikis zu schaffen. Wir gehen dabei insbesondere auch auf Anwendungsfelder ein und geben einen kurzen Vergleich ausgewählter Systeme. Wiki und Semantic Wiki Ein Wiki [1] ist ein webbasiertes System, das das kollaborative Verfassen und Aktua- lisieren von Webseiten ermöglicht. Die wich- tigsten Eigenschaften eines Wikis sind die Of- fenheit, welche es jedem Benutzer erlaubt, an der Erstellung von Inhalten teilzunehmen, und die Flexibilität bezüglich der unterschiedli- chen Arbeitsweisen verschiedener Be- nutzer, ohne einen technologischen Zwang auszuüben. Weitere Eigenschaften eines typischen Wikis sind ein aus einem Webbrowser abrufbarer Texteditor mit einer einfachen Wiki-Syntax zur Erstellung von Webseiten, eine Versionsverwaltung der verwalteten Seiten zwecks Verfolgung von Än- derungen sowie die Suche der im Wiki enthaltenen Texte. Mit der Nutzung eines Wikis ergibt sich meist das Bedürfnis, zusätzlich zur Volltextsu- che inhaltliche Informationen zu suchen bzw. zu Übersichtsseiten zusammenfassen zu können. In Wikipedia z.B. fallen strukturierte Daten in großen Mengen zu Orten und Personen an (bei Orten Geokoordinaten oder Relationen wie liegt-in; bei Personen Lebensdaten oder erstellte Werke). Um den Umgang mit diesen Informationen für den Benutzer komfortabler zu gestalten, werden meist zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt: Zum einen werden von Hand Übersichtsseiten erstellt, die Wiki- Seiten nach dem jeweiligen Kriterium ordnen, was allerdings einen hohen Wartungsaufwand darstellt. Zum anderen bieten die meisten Wikis Hilfsmittel wie Kategoriensysteme oder Erweiterungen für be- stimmte Arten von Metadaten. Kategoriensysteme sind leider verhältnismäßig unflexibel. Bei Erwei- terungen für spezielle Metadaten muss abgewogen werden, ob der Aufwand für die Einarbeitung der Benutzer den Gesamtnutzen rechtfertigt. Ein Semantic Wiki versucht, die Flexibilität eines normalen Wikis bei der Bearbeitung von Texten auch auf strukturierte Daten auszuweiten. Dazu unterstützt es Metadaten in Form von se- mantischen Annotationen zu Wiki-Seiten und zu DOI 10.1007/s00287-007-0195-z © Springer-Verlag 2007 Sebastian Schaffert Salzburg Research Forschungsgesellschaft Jakob Haringer Str. 5/II 5020 Salzburg E-Mail: [email protected] François Bry Institut für Informatik, Ludwig-Maximilians-Universität München Joachim Baumeister Institut für Informatik, Universität Würzburg Malte Kiesel DFKI GmbH, Kaiserslautern *Vorschläge an Prof. Dr. Frank Puppe <[email protected]> oder Prof. Dr. Dieter Steinbauer <[email protected]> Alle „Aktuellen Schlagwörter“ seit 1988 finden Sie unter: www.ai-wuerzburg.de/as 434 Informatik_Spektrum_30_6_2007

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{ AKTUELLES SCHLAGWORT* / SEMANTIC WIKI

Semantic WikiSebastian Schaffert · François Bry

Joachim Baumeister · Malte Kiesel

Das Thema ,,SemanticWikis“ als Verknüpfung

von Wiki-Konzeptenmit semantischen

Technologien gewannin den vergangenen

Jahren zunehmend anBedeutung, weil es

,,soziale Intelligenz“ und,,künstliche Intelligenz“miteinander verknüpft.

Ziel des Artikels ist es,einen Überblick über das

Thema Semantic Wikiszu schaffen. Wir gehen

dabei insbesondere auchauf Anwendungsfelder

ein und geben einenkurzen Vergleich

ausgewählter Systeme.

Wiki undSemantic Wiki

Ein Wiki [1] ist einwebbasiertes System,das das kollaborativeVerfassen und Aktua-lisieren von Webseitenermöglicht. Die wich-tigsten Eigenschafteneines Wikis sind die Of-fenheit, welche es jedemBenutzer erlaubt, an derErstellung von Inhaltenteilzunehmen, und dieFlexibilität bezüglichder unterschiedli-chen Arbeitsweisenverschiedener Be-nutzer, ohne einentechnologischen Zwang

auszuüben. Weitere Eigenschaften eines typischenWikis sind ein aus einem Webbrowser abrufbarerTexteditor mit einer einfachen Wiki-Syntax zurErstellung von Webseiten, eine Versionsverwaltungder verwalteten Seiten zwecks Verfolgung von Än-derungen sowie die Suche der im Wiki enthaltenenTexte.

Mit der Nutzung eines Wikis ergibt sichmeist das Bedürfnis, zusätzlich zur Volltextsu-che inhaltliche Informationen zu suchen bzw. zuÜbersichtsseiten zusammenfassen zu können. InWikipedia z.B. fallen strukturierte Daten in großenMengen zu Orten und Personen an (bei OrtenGeokoordinaten oder Relationen wie liegt-in; beiPersonen Lebensdaten oder erstellte Werke). Um

den Umgang mit diesen Informationen für denBenutzer komfortabler zu gestalten, werden meistzwei unterschiedliche Ansätze verfolgt: Zum einenwerden von Hand Übersichtsseiten erstellt, die Wiki-Seiten nach dem jeweiligen Kriterium ordnen, wasallerdings einen hohen Wartungsaufwand darstellt.Zum anderen bieten die meisten Wikis Hilfsmittelwie Kategoriensysteme oder Erweiterungen für be-stimmte Arten von Metadaten. Kategoriensystemesind leider verhältnismäßig unflexibel. Bei Erwei-terungen für spezielle Metadaten muss abgewogenwerden, ob der Aufwand für die Einarbeitung derBenutzer den Gesamtnutzen rechtfertigt.

Ein Semantic Wiki versucht, die Flexibilitäteines normalen Wikis bei der Bearbeitung vonTexten auch auf strukturierte Daten auszuweiten.Dazu unterstützt es Metadaten in Form von se-mantischen Annotationen zu Wiki-Seiten und zu

DOI 10.1007/s00287-007-0195-z© Springer-Verlag 2007

Sebastian SchaffertSalzburg Research ForschungsgesellschaftJakob Haringer Str. 5/II5020 SalzburgE-Mail: [email protected]

François BryInstitut für Informatik,Ludwig-Maximilians-Universität München

Joachim BaumeisterInstitut für Informatik, Universität Würzburg

Malte KieselDFKI GmbH,Kaiserslautern

*Vorschläge an Prof. Dr. Frank Puppe<[email protected]> oderProf. Dr. Dieter Steinbauer <[email protected]>

Alle „Aktuellen Schlagwörter“ seit 1988 finden Sie unter:www.ai-wuerzburg.de/as

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Verknüpfungen zwischen Seiten1. SemantischeAnnotationen können beispielsweise für erweiterteAnfragen oder sogar Adaption der Darstellungan verschiedene Benutzer und Domänen genutztwerden.

Der Begriff ,,Semantic Wiki“ wird für eine Viel-zahl verschiedener Systeme verwendet. Allgemeinvereinen Semantic Wikis Methoden des ,,SemanticWebs“ mit den Funktionalitäten eines gewöhnlichenWiki. Durch die interne Repräsentation der Annota-tion in RDF/OWL wird der Austausch von Daten mitanderen Applikationen erleichtert: So kann z.B. eineexterne Suche benutzt werden. Außerdem könnenDeduktionsverfahren genutzt werden, um weitereSchlussfolgerungen abzuleiten. Semantic Wikisbieten darüber hinaus folgende Funktionalitäten:

– einen einfachen Formalismus zur semantischenAnnotation von Links und von Wiki-Artikeln oderanderen Inhalten (hochgeladene Dateien etc.),

– eine semantische Suche, welche nicht nur nachSchlüsselwörtern, sondern auch nach semantischzusammenhängenden Inhalten (z.B. Oberbegriffedes Suchwortes oder Suchbegriffe, welche einebestimmte Eigenschaft erfüllen) suchen kann und

– zusätzlich eine möglicherweise automatischeoder halbautomatische Extraktion von Metadatenaus den Wiki-Artikeln, um die Annotation zuerleichtern.

1 Semantische Annotationen korrespondieren in der Regel mit einer Ontologie,in der definiert wird, welche Eigenschaften welchen Objekttypen zugeordnetwerden können. Die Ontologie wird ebenfalls durch die einzelnen Wiki-Artikelerstellt und gewartet. Die erstellten Wissensmodelle werden meist in denOntologiesprachen RDF/S bzw. OWL repräsentiert.

Abb. 1 Semantische Annotation am Beispiel des Systems ,,Semantic MediaWiki“

Die verschiedenen Semantic Wiki-Systemehaben unterschiedliche Ziele: Die Einen versuchen,mit semantischen Annotationen die Navigation unddie kollaborative Arbeit zu erleichtern, die anderenmöchten Wikis als Werkzeug für die kollabora-tive Entwicklung von Ontologien etablieren. DasSpannungsfeld der Forschung und Entwicklung umSemantic Wikis liegt also zwischen dem Einsatzvon Semantic Web-Methoden für Wikis und derKonzeption von Wikis für das Semantic Web. Se-mantic Wikis werden folglich auch ,,Semantic Webim Kleinen“ genannt.

Semantic Wiki am BeispielDie Ontologie innerhalb eines Semantic Wiki wirderstellt und aktualisiert, indem jeder Instanz undjedem Konzept der Ontologie eine Seite im Wikizugeordnet wird. Über Links bzw. Annotatio-nen werden die jeweiligen Konzepte bzw. Artikelmiteinander verknüpft. Semantic Wiki-Systemeverfolgen bei der eigentlichen Annotation zweiunterschiedliche Ansätze: Während die meisteneine erweiterte Wiki-Syntax im Editor verwenden,bieten einige eine Annotation der Artikel durchFormulare.In Abb. 1 ist eine direkte Annotation im Wiki-Artikelam Beispiel des Systems ,,Semantic MediaWiki“ [3]gezeigt. Hier kennzeichnet beispielsweise die An-notation ��coded in��Java��, dass zwischenden Konzepten ,,IkeWiki“ und ,,Java“ eine Relationmit dem Namen coded in existiert. Diese formalrepräsentierte Relation kann beispielsweise genutztwerden, um nach allen Semantic Wikis zu suchen,die in Java geschrieben wurden.

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Abb. 2 Semantische Annotationen am Beispiel des Systems ,,IkeWiki“

Annotation mittels Formularen zeigt Abb. 2 amBeispiel von IkeWiki [2]. Im dargestellten Artikelwird im Rahmen einer Bioinformatik-Anwendungder Begriff ,,Bilberry“ näher beschrieben. Im Systemkönnen Benutzer durch entsprechende Links aufder linken Menüseite sowohl Wiki-Seiten als auchKlassen und Eigenschaften erzeugen und ändern.

Die zugeordneten Typen des Wiki-Artikelssind unter dem Seitentitel aufgelistet (im Beispielbio:Species, skos:Concept, rdfs:Resource); bereitsannotierte Textphrasen werden durch Icons ent-sprechend im Text gekennzeichnet. Beziehungenzu anderen Wiki-Artikeln bzw. Konzepten derOntologie sind auf der rechten Seite unter Refe-rences aufgeführt und visualisieren die vorhandenenAnnotationen. Diese ,,Referenzbox“ dient eben-falls zu einer erleichterten Navigation durch daserstellte semantische Netz. Durch Anklicken der,,+“-Symbole können neue Annotationen einer Seiteoder einem Link hinzugefügt werden. Abbildung 2zeigt die Erstellung einer neuen Instanz der Rela-tion bio:isSpeciesFor mit dem Subjekt ,,Bilberry“und dem Objekt ,,Vaccinium“. Der Benutzer kann imFormular dialogunterstützt für das gewählte Attributeinen passenden Typ aus der Ontologie wählen.

Systeme im VergleichIm Folgenden versuchen wir, wesentliche Ge-sichtspunkte einiger ausgewählter Semantic Wikisherauszustellen. Zu beachten ist jedoch, dass sichdie meisten Semantic Wiki-Systeme derzeit noch imPrototyp-Stadium befinden, sich deren Merkmalealso schnell ändern können.

Semantic MediaWiki. Semantic MediaWiki [6]konzentriert sich auf den Wikipedia/Enzyklopädie-

Anwendungsfall und legt dementsprechend Wertauf Skalierbarkeit und Abwärtskompatibilität. Au-ßerdem wird kein festes Schema für Annotationenverlangt – Benutzer können Annotationen hinzu-fügen, für die noch kein Schema definiert wurde.Da in näherer Zukunft nicht mit frei verfügbarenInferenzmaschinen zu rechnen ist, die bis zur Größeder Wikipedia skalieren, wird Inferenz in SemanticMediaWiki nicht abgedeckt.

IkeWiki. IkeWiki [7] wurde als Werkzeug zur kolla-borativen Entwicklung von Ontologien und für dasWissensmanagement entwickelt und ist in Java im-plementiert. Im Gegensatz zu Semantic MediaWikiliegt der Fokus auf einer möglichst umfangreichensemantischen Unterstützung des Benutzers. Dafürwird eine geringere Skalierbarkeit in Kauf genom-men. IkeWiki unterstützt sowohl das Verwenden alsauch das Bearbeiten von Web Ontology Language(OWL)-Ontologien. Als Inferenzmechanismen kön-nen derzeit OWL-RDFS und OWL-DL verwendetwerden. Eine regelbasierte Inferenz befindet sichderzeit in Entwicklung.

Kaukolu. Kaukolu [8] ist ein Forschungsprototyp,der auf JSPWiki aufbaut. Es erlaubt sowohl Anno-tationen mittels erweitertem Wiki-Markup als auchmittels Web-Formularen, die dynamisch aus dendem Wiki zur Verfügung stehenden Ontologiengeneriert werden. Annotationen können sich dabeiauf die ganze Seite, aber auch auf beliebige Textteilebeziehen, und können auch automatisch von ex-ternen Systemen generiert werden – zur Zeit wirdu.a. mit einem Eyetracker experimentiert. Anwen-dungsfall ist dabei die Annotation von bestehendenDokumenten wie z.B. juristischen Texten.

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SWEET Wiki. SWEET Wiki [9] ist ein Forschungs-prototyp von INRIA Sophia-Antipolis und wurdein Java implementiert. SWEET Wiki zeichnet sicheinerseits aus durch die Kombination von ,,SocialTagging“-Ansätzen und formalen Ontologien: Be-nutzer können auf einfache Weise Seiten mit Tagsversehen, die wiederum an Ontologien angebundenwerden können. Andererseits verwendet SWEETWiki die CORESE-Inferenzmaschine, die für Con-ceptual Graphs entwickelt wurde und weitreichendeFunktionalitäten bietet.

OntoWiki. OntoWiki [5, 10] unterscheidet sichvon den obigen drei Systemen insofern, als dassder klassische textuelle Inhalt nicht mehr im Vor-dergrund steht. Stattdessen bietet OntoWiki eineleicht zu verwendende Schnittstelle zur kollabo-rativen Erstellung und Wartung von Ontologien.Hervorzuheben sind weiter die weit reichendenMöglichkeiten der semantischen Suche und Naviga-tion und die Unterstützung der Versionierung vonMetadaten.

Einen Standard wird es für Semantic Wikis ge-nausowenig wie für Wikis geben, weil jedes Systemeinen eigenen Fokus hat, und damit seine eigenenStärken und Schwächen aufweist. Eine ausführ-lichere Übersicht gibt es u.a. auf den Seiten zumThema Semantic Wiki im Ontoworld-Wiki [11].

AnwendungsbereicheDa Semantic Wikis eine Erweiterung von herkömm-lichen Wikis darstellen, überschneiden sich dieAnwendungsbereiche der beiden Ansätze in weitenTeilen. Darüber hinaus können Semantic Wikisdem Benutzer durch die explizite Repräsentationvon Metadaten in vielen Anwendungsgebieteneine stärkere Unterstützung bieten, beispielsweisedurch verbesserte Navigation und Suche, kontext-abhängiger Darstellung oder Personalisierung.Exemplarisch wollen wir uns im Folgenden die zweiAnwendungsbereiche Wissensmanagement undOntology Engineering anschauen, die unterschied-liche Aspekte des Einsatzes von Semantic Wikiserläutern.

Wissensmanagement. In den vergangenen Jahrenwurden zunehmend Wikis als Werkzeug zur Un-terstützung des Wissensmanagements eingesetzt.Beispielsweise wird das Wissen über Softwarepro-jekte (Source Code, Dokumentation, Projektpläne,

Bug Tickets, Screencasts, etc.) inzwischen in vielenFirmen und Projekten über Wikis verwaltet undmiteinander geteilt. Das so in Wikis erfasste Wissenist zwar leicht zu erstellen, aber zunehmend schwerwieder zu finden. Auch ist das Projektwissen oftüber eine Vielzahl von Wikis verteilt. So werdenbeispielsweise für die Entwicklung der IDE Netbeansbei Sun Microsystems inzwischen mehr als einDutzend Wikis eingesetzt, die nicht miteinanderintegriert sind.

Semantic Wikis bieten das Potenzial, diese Problemezu lösen, ohne gleichzeitig die Flexibilität undOffenheit von Wikis aufzugeben. Wo semantischeAnnotationen und damit Strukturen vorhandensind, kann das System gezielt unterstützen, beispiels-weise durch eine Visualisierung eines semantischrepräsentierten Projektplans, durch Austausch vonAnnotationen bzw. Ontologien mit Geschwister-Wikis, oder durch eine semantische Suchfunktion.Wo (noch) keine semantischen Annotationenvorhanden sind oder noch nicht alle Benutzer An-notationen nutzen, kann ein Semantic Wiki wie einherkömmliches Wiki funktionieren. Wie bei einemnormalen Wiki, bei dem häufig KurzzeitnutzerInhalte beitragen und die saubere Einbettung in dasrestliche Wiki von Langzeitnutzern übernommenwird, können bei einem Semantic Wiki Kurzzeitnut-zer – ohne lange Einarbeitungszeit – Informationenbeitragen, die dann von Langzeitnutzern ,,seman-tifiziert“ werden. Ein schöner Nebeneffekt dieser,,evolutionären Formalisierung“ ist, dass Benutzereinen unmittelbaren Nutzen (verschiedene Formender Unterstützung) für den Mehraufwand der An-notation erhalten. Letzteres ist ein entscheidendesKriterium in der Motivation von Benutzern. Wis-sensmanagement mit Hilfe von Semantic Wikis wirdu.a. in den EU-Projekten ,,KIWI“ [12] (Knowledgein a Wiki) und ,,NEPOMUK“ [13] (Social SemanticDesktop), aber auch im Project Halo [14] untersucht.

Ontology Engineering. Das Entwickeln von Ontolo-gien für das Semantic Web ist ein sehr aufwändigerProzess, ähnlich der Softwareentwicklung. Einwesentliches Problem ist, dass Domänenexper-ten (z.B. Biologen) zwar ihre jeweilige Domänesehr gut kennen, aber mit den Formalismen zurWissensrepräsentation nicht vertraut sind, undumgekehrt Informatiker zwar mit den Formalismenvertraut sind, aber meist keinen tiefen Einblick in

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die jeweilige Domäne haben. Als Konsequenz gibtes außerhalb der Informatik derzeit nur für einigeSpezialbereiche gute Ontologien.

Semantic Wikis können den Prozess der On-tologieentwicklung entscheidend vereinfachen.Ausgehend von einer durch den Domänenexpertenerstellten textuellen Beschreibung der Domäne, dieals Sammlung von Wiki-Seiten repräsentiert ist,kann das Wissen schrittweise und in enger Interak-tion zwischen Domänenexperten und Informatikernformalisiert werden. Die so entstandene Ontologiekann dann beispielsweise in anderen Werkzeugenoder Anwendungen weiterverwendet werden. Se-mantic Wikis sind auch für die Aktualisierung undPflege einer Ontologie interessant: Während Werk-zeuge wie Protégé auch für solche Aufgaben vielVerständnis für die Formalismen erfordern, könnendie meisten Änderungen in einem Semantic Wikiauch von Domänenexperten vorgenommen werden.Erste Erfahrungen im Projekt Dynamont [15] sindvielversprechend.

Aktuelle ForschungDie derzeit vorhandenen Semantik Wiki-Systemebieten nur sehr einfache Annotationen und wennüberhaupt nur sehr elementare Deduktionsmöglich-keiten, die für die oben erwähnten Anwendungenkaum ausreichen. Im Allgemeinen überschneidensich viele Forschungsgegenstände mit denen desÜbergebietes Semantic Web, wobei für das ThemaSemantic Wiki oft ein starker Fokus auf die Benutz-barkeit der Methoden gelegt wird. Die Einfachheitder Schnittstelle für den Benutzer ist für den Erfolgentscheidend, da bei Semantic Wikis auch ungeübtePersonen zu Benutzern der Technologie gemachtwerden sollen. Folgende Punkte sind Gegenstandder aktuellen Forschung:

Flexibilität. Normale Wikis stellen kaum Anfor-derungen an die Struktur der verwalteten Daten.Semantic Wikis dagegen haben als Ziel, den Benut-zer strukturierte Daten hoher Qualität erzeugen zulassen. Dabei treten die gleichen Probleme auf, wiesie von Ontologieeditoren bzw. Datenbanksystemenbekannt sind und die in erster Linie den Bereich Usa-bility betreffen – letztendlich befinden sich SemanticWikis im Spannungsfeld der unstrukturierten Daten(Daten ohne Schema – leicht einzugeben, abervon geringer Qualität und mit hohem Rauschen)und dem Erzwingen des Einhaltens von Schemata

(schwer einzugeben, hoher Aufwand bei der Pflegeder Ontologien).

Anfragesprachen. Mit SPARQL ist ein Standardfür Ontologie-Anfragesprachen entstanden, wel-cher sich in seiner Notation an SQL orientiert. Fürnormale Wiki-Benutzer dürfte diese Syntax aberweniger geeignet sein, weil die Formulierung vonkonkreten Anfragen für ungeübte Anwender oft zuschwierig ist. Eine deutlich vereinfachte Sprache,welche sich eventuell an der Wiki-Syntax orientiert,erscheint für die Zukunft wünschenswert. VisuelleWeb- und Semantic Web-Anfragesprachen, wievisXcerpt [4], stellen einen erfolgversprechendenAnsatz dar.

Extraktion von semantischen Annotationen. DieErstellung von Annotationen in Semantic Wikis isthäufig eine zeitaufwändige und komplexe Aufgabe.Die automatische oder halbautomatische Extraktionvon semantischen Annotationen aus Wiki-Seiten istdaher ein attraktiver Ansatz. Hier werden Ergebnisseaus dem Bereich Ontologie-Lernen und Text-Miningzur Anwendung kommen.

Reasoning. Mit einfachen Annotationen wie RDF-Tripeln lassen sich nur grundlegende semantischeEigenschaften ausdrücken. Neben Ontologie-Spra-chen wie OWL ist für ein Semantic Wiki die Existenzeiner Regelsprache, welche es erlaubt, einfacheSchlussfolgerungen auszudrücken. Die Schwierig-keit in Bezug auf Semantic Wikis liegt hierbei darin,eine Regelsprache zu entwickeln die einfach benutz-bar ist und es auch ,,normalen“ Wiki-Benutzernermöglicht, Schlussfolgerungen zu spezifizieren.

Visualisierung. Eine nicht rein textuelle Visualisie-rung von möglicherweise komplexen semantischenAnnotationen, einschließlich Regeln, wäre fürviele potenzielle Benutzer sehr wichtig. Die Vi-sualisierung von Tabellen, Gantt-Diagrammen,UML-Diagrammen und von Terminbüchern ist fürviele der oben erwähnten Anwendungsbereicheunabdingbar.

Personalisierung. Viele der oben erwähnten An-wendungen verlangen eine Anpassung, oder,,Adaptation“ der Inhalte sowie der semantischenAnnotationen auf die Vorlieben und Eigenschafteneinzelner Benutzer oder Benutzergruppen.

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ZusammenfassungSemantic Wikis bieten im Vergleich zu herkömm-lichen Wikis durch die semantische Annotationeine explizite Repräsentation des beinhaltetenWissens. Diese Erweiterung ermöglicht unteranderem die Verwendung von semantischerSuche, automatischer Deduktion und intelligen-ter Navigation. Als Anwendungen bieten sichdiese Systeme besonders für das verteilte Wis-sensmanagement und Ontologie-Engineeringan.

Literatur1. Ebersbach A, Glaser M (2005) Wiki (Aktuelles Schlagwort). Informatik Spektrum

28(2):131–1352. Schaffert S (2006) IkeWiki: A Semantic Wiki for Collaborative Knowledge Manage-

ment. In: Tolksdorf R, Simperl EPB, Schild K (eds) Proceedings of the 1st Interna-

tional Workshop on Semantic Technologies in Collaborative Applications (STICA),pp 388–394

3. Krötzsch M, Vrandecic D, Völkel M (2005) Wikipedia and the Semantic Web – TheMissing Links. In: Voss J, Lih A, Klein S, Ma C (eds) Proceedings of 1st InternationalWikimedia Conference (WikiMania),http://meta.wikimedia.org/wiki/Wikimania05/Paper-MK2

4. Berger S, Bry F, Bolzer O, Furche T, Schaffert S, Wieser C (2005) Querying the stan-dard and Semantic Web using Xcerpt and visXcerpt. In: Decker S, StuckenschmidtH (eds) Proceedings of the 2nd European Semantic Web Conference (ESWC05 –Demonstrations Track), pp 31–34

5. Auer S, Dietzold S, Riechert T (2006) OntoWiki – A Tool for Social, Semantic Colla-boration. In: The Semantic Web (ISWC 2006), LNCS 4273:736–749

6. http://ontoworld.org/wiki/Semantic_MediaWiki7. http://ikewiki.salzburgresearch.at/8. http://kaukoluwiki.opendfki.de/9. http://wwwsop.inria.fr/acacia/soft/sweetwiki.html10. http://3ba.se11. http://wiki.ontoworld.org/wiki/Category:Semantic_wiki12. KIWI befindet sich derzeit in der Verhandlungsphase, Start voraussichtlich März

200813. http://nepomuk.semanticdesktop.org/14. http://www.projecthalo.org/15. http://dynamont.factlink.net

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