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Rheinisch-Westf¨ alische Technische Hochschule Aachen Lehrstuhl f ¨ ur Informatik IV Prof. Dr. rer. nat. Otto Spaniol Mobility management techniques for the next generation wireless networks Seminar: Datenkommunikation und Verteilte Systeme WS 2002/03 Matthias Hensler Matrikelnummer: 219426 Betreuung: Stefan Diepolder Lehrstuhl f¨ ur Informatik IV, RWTH Aachen

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Rheinisch-Westfalische Technische Hochschule AachenLehrstuhl fur Informatik IVProf. Dr. rer. nat. Otto Spaniol

Mobility management techniques for the nextgeneration wireless networks

Seminar: Datenkommunikation und VerteilteSysteme

WS 2002/03

Matthias HenslerMatrikelnummer: 219426

Betreuung: Stefan DiepolderLehrstuhl fur Informatik IV, RWTH Aachen

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

1.1 Mobilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.2 Makro- versus Mikromobilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Makromobilitat 7

2.1 Mobile IP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.1.1 Funktionsweise von Mobile IP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.1.2 Verbesserungen von Mobile IP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.2 Das IP-Protokoll IPv6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3 Mikromobilitat 13

3.1 Handoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3.2 Paging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.3 Sicherheit und Quality of Service . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.4 Mikromobilitat-Modell-Ansatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.4.1 Hierarchical Tunneling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.4.2 Mobile-Specific Routing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.5 Implementierungen von Mikromobilitatslosungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.5.1 Cellular IP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.5.2 Hawaii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.5.3 Hierarchical Mobile IP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.6 Vergleich der verschiedenen Mikromobilitatslosungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.7 Bewertung der verschiedenen Mikromobilitatslosungen . . . . . . . . . . . . . . . . 24

4 Zusammenfassung 26

Literatur 28

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1 Einleitung

Der Schwerpunkt dieser Ausarbeitung ist es, zunachst die Problemstellung genau zu konkretisierenund Grundlagen zu erlautern, die dann vertieft werden. Fur die einzelnen genannten Probleme wer-den verschiedene Modelle vorgestellt und miteinander verglichen. Zentrales Protokoll, anhand dessendie verschiedenen Methoden diskutiert werden, wird ausschließlich das Internet Protokoll (IP) sein.Durch dieses Protokoll wird eine direkte Anbindung an das Internet, in der heutigen Form wohl dasgroßte vorhandene Netzwerk, ermoglicht. Bestehende Anwendungen konnen schnell und einfach aufdie mobilen Gerate ubertragen werden. Auch wenn IP heutzutage nahezu uberall eingesetzt wird,sind Anpassungen vorzunehmen, um es auch in dieser veranderten Situation gebrauchen zu konnen.Zunachst wird IP um Mobilitatseigenschaften erweitert ([Per96]), die es ermoglichen, eine Verbin-dung trotz wechselnder Position des Endgerates beibehalten zu konnen. Die Optimierungen, die IPv6([DH98]) mit sich bringt, sollen ebenfalls erwahnt werden.

Ziel soll es sein, ein Konzept zu finden, welches das Mobilitatsproblem effizient und zukunftssicherlost. Es soll daruber hinaus auch flexibel sein, so dass man es an neue Gegebenheiten anpassen unduniversell einsetzen kann. Gewunscht ist eine Integration in das bereits existierende Internet Protokoll,auf dem bereits eine unuberschaubare Anzahl von Anwendungen aufbauen.

Bereits heute findet man Mobilitat in vielen Bereichen des alltaglichen Lebens wieder. Allgegenwartigsind in mancher Hinsicht viele Gerate, bei denen die in ihnen steckende Mobilitat schon gar nichtmehr bewußt wahrgenommen wird. Die Kommunikation per Handy, egal an welchen Ort man sichaufhalt, ist inzwischen so selbstverstandlich, dass man vermuten konnte, bereits alle Dinge auf demGebiet der Mobilitat erforscht zu haben. Doch um eine uneingeschrankte Mobilitat in den Funknetz-werken der nachsten Generation ermoglichen zu konnen, sind eine Vielzahl von Techniken notwen-dig, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

Bereits seit mehreren Jahren wachst der Massenmarkt von mobilen Geraten standig an. Eine Vielzahlkleiner Gerate, die mit dem Internet verbunden sind, werden entwickelt und verkauft. Diese Gerate,die immer kompakter und leistungsfahiger werden, ermoglichen Kommunikation, Datenaustauschund Datenverwaltung. Neue PDAs, Laptops, Handys und sogar Digitalkameras stehen zur Verfugung,die es den Besitzern nicht nur erlauben sollen mobil ihre Daten verwalten zu konnen, sondern standigonline zu sein und direkten Datenaustausch mit ahnlichen Geraten und dem Internet zu betreiben.Die drahtlose Kommunikation steht im Vordergrund und verzichtet dabei auf jegliche Notwendigkeitvon Kabeln. Die immer hoheren Datenraten und der rasante Anstieg von Teilnehmern stellen großeAnspruche an die zugrunde liegende Infrastruktur und Protokolle. Um eine nahtlose Kommunikationan jedem Ort ermoglichen zu konnen, mussen eine Reihe von Problemen gelost werden. Im Vor-dergrund werden dabei hauptsachlich Probleme stehen, die bei der Bewegung der Gerate entstehen,da jeder Sender nur eine begrenzte Reichweite hat. Solche Ubergange sollen moglichst nahtlos sein,und laufende Ubertragungen nicht behindern oder verzogern. Im Bereich der Echtzeitanwendungen,wie Videostreaming, werden diese nahtlosen Ubergange eine besonders große Rolle spielen. Auchdie Vergabe von Adressen fur die Gerate stellt ein Problem dar und erfordert eine genaue Betrach-tung. Daneben soll aber auch kurz auf Moglichkeiten der Minimierung des Energieverbrauchs undder Sicherheit eingegangen werden.

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Basierend auf der Arbeit [SHS01] soll zunachst der Grundbegriff”Mobilitat“ erlautert und dann eine

Aufteilung in zwei große Klassen, die Makro- und die Mikromobilitat, vorgenommen werden.

Die Arbeit beruht – neben den im Text genannten Quellen – zu großen Teilen auf den Arbeiten[SHS01] und [CGC00]. Desweiteren gab die Arbeit [SS02] Ideen fur die Bewertung der Mikromobi-litatsprotokolle.

1.1 Mobilitat

Wenn man die Geschichte der Mobilfunknetze betrachtet, so wird diese traditionell in Klassen bzw.Generationen eingeteilt, die oft als

”G“s bezeichnet werden. Ausloser fur die Entwicklung und Wei-

terentwicklung war traditionell die mobile Kommunikation, die man heute in der Form der allge-genwartigen Mobiltelefone sieht. Das

”Global System for Mobile Communications“ (GSM-Netz),

welches heute weltweit zum Telefonieren genutzt wird, bezeichnet man dabei bereits als”2G“, also

als Netz der zweiten Generation. Im Unterschied zu den analogen Nordic Mobile Telephone Netz(NMT-Netz), welches man mit

”1G“ bezeichnet, stellt das heutige GSM eine digitale Losung dar.

Noch nicht alltaglich, aber bereits verfugbar, ist der”General Packet Radio Service“ (GPRS). Da dies

zu GSM keine echte Revolution darstellt, wird GPRS, und andere Erweiterungen von GSM lediglichals

”2,5G“ bezeichnet. Die Entwicklung der dritten Generation

”3G“, stellt schließlich das aktuelle

”Universal Mobile Telecommunication System“ (UMTS) dar. UMTS ist Bestandteil des International

Mobile Telecommunication System 2000 (IMT-2000), welches als globaler Standard fur weltwei-te Kommunikationssysteme der dritten Generation von der International Telecommunication Unionentwickelt wurde. UMTS steht dabei erst am Anfang seiner Entwicklung und verlaßt nun langsamden Testbetrieb. Als erstes Land in Europa ist es in Osterreich seit Ende September 2002 moglichuber UMTS zu telefonieren. In Deutschland wurde der Start, der fur Ende 2002 geplant war, geradeerst verschoben und wird jetzt fur Anfang bis Mitte 2003 erwartet. Mit UMTS fangt die Verbreitungvon

”3G“ gerade erst an, aber die Entwicklung geht bereits in Richtung der nachsten Generation,

den”4G“-Netzwerken. Sie zeichnet sich durch noch hohere Datenraten (bis zu 100 Mbit) und der

ausschließlichen Verwendung von Digitaltechnik aus.

Die grundsatzlichen Methoden, die in den verschiedenen Generationen zum Einsatz kommen, un-terscheiden sich dabei nicht sehr stark. Hauptsachlich werden von Generation zu Generation immerneue Optimierungen und Verbesserungen notig, um hohere Datenraten zu ermoglichen und mit einergroßeren Anzahl von Geraten zurecht zu kommen. Aus diesem Grund werden in dieser Ausarbeitungallgemeine Verfahren vorgestellt, die sich auf jede Generation ubertragen lassen.

Bevor auf das Mobility Management eingegangen wird, soll zunachst einmal geklart werden, wasMobilitat uberhaupt bedeutet und was die eigentliche Probleme sind. Der Anwender soll dabei Mobi-litat transparent erleben. So wie man mit einem Mobiltelefon unterwegs telefonieren kann, so soll sichein Anwender mit seinem mobilen Endgerat, wie Laptop oder PDA, bewegen konnen. Ohne dass einmanuelles Eingreifen notig ist, soll eine drahtlose Funkverbindung zum Netzwerk nicht unterbrochenwerden – auch wenn die Reichweite einer Station verlassen wird, und man in das Gebiet einer neuenStation eindringt. Hierbei sollen sowohl lokale Bewegungen – zum Beispiel innerhalb einer bestimm-ten Domane wie einem Firmennetzwerk – als auch globale – beispielsweise zwischen verschiedenen

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Stadten oder unterschiedlichen Firmennetzwerken – berucksichtigt werden. Dabei tauchen verschie-dene Probleme auf.

Eine Verbindung zum aktuellen Netzwerk erfolgt immer uber eine bestimmte Basisstation. Bei Be-wegungen muss die Basisstation gewechselt werden, wenn das Einflußgebiet einer Station verlassenwird. Dieser Wechsel stellt folgende Anforderungen:

� Das sogenannte”Handover“ muss dafur sorgen, dass die Umschaltzeiten zwischen den ver-

schiedenen Basisstationen gering gehalten werden, um so Verbindungsunterbrechungen undPaketverlustzeiten zu minimieren.

� Das”Routing“ muss den Netzwerkverkehr so umleiten, dass die bestehende Verbindung nahtlos

fortgefuhrt und nicht unterbrochen wird.

� Mit Hilfe des”Location Management“ muss das Gerat verfolgt werden. Seine Position soll

bestimmbar sein, ohne dass die Batterien des Gerates durch dauernde Lokalisierungsbroadcastsunnotig belastet werden.

Im weiteren Verlauf werden diese Probleme voneinander getrennt und separat betrachtet. Verschie-dene Protokolle werden sich dann den Problemen des Mobility Managements annehmen und die-se durch unterschiedliche Verfahren losen. Ein allgemeingultiges Verfahren wird dabei jedoch nichtprasentiert, sondern die Schwachen und Starken fur jedes Protokoll herausgearbeitet und passendeEinsatzgebiete vorgestellt.

Zunachst werden die notwendigen Bedingungen abgesteckt und zwei verschiedene Szenarien be-trachtet. Grob gesehen besteht das Mobilitatsmodell aus folgenden wichtigen Komponenten: im Mit-telpunkt steht sicherlich das mobile Gerat – auch als Endgerat oder Terminal bezeichnet. Es ist in derLage sich zu bewegen und an unterschiedlichen Stellen an verschiedene Netzwerke angeschlossenzu werden. Die Schnittstelle zwischen diesem Gerat und dem aktuellen Netzwerk wird hierbei durcheinen Knoten hergestellt, der an das Netzwerk angeschlossen ist – die Basisstation. Im Fall von draht-losen Funknetzwerken ist dies der sogenannte

”Access Point“. Das Modell sieht hierbei sogar vor,

dass eine Basisstation nicht stationar befestigt sein muss, sondern sich auch ebenfalls bewegen darf.Auf diesen Umstand wird im Folgenden jedoch nicht naher eingegangen.

Die nachste Komponente in diesem Modell ist ein so genanntes Heimatnetzwerk. In diesem Netz-werk ist das mobile Gerat zuhause und erhalt hier auch eine feste und einheitliche Adresse uber diees identifiziert wird. Diese Heimatadresse (H@) ist – zum Beispiel – eine IP-Adresse aus der Heimat-domane. Da das Gerat mobil sein soll, wird es sich nicht immer im Heimatnetzwerk aufhalten. DasGegenstuck zum Heimatnetzwerk ist somit das Fremdnetzwerk.

Eine letzte zwingende Komponente, die fur das Modell benotigt wird, sind zwei Router, die diese bei-den Netze miteinander verbinden: Der Router im Heimatnetzwerk und der Router im Fremdnetzwerk.Im folgenden wird davon ausgegangen, dass diese Verbindung mit Hilfe des Internets hergestellt wird.

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In der Literatur wird das mobile Endgerat mit”Mobile Node“ (MN) und die Basisstation als

”Corre-

sponding Node“ (CN) bezeichnet. Der Router des Heimatnetzwerkes wird”Home Agent“ (HA) und

der Router des Fremdnetzwerkes”Foreign Agent“ (FA) genannt.

Ein graphischer Eindruck des Modells wird in Abbildung 1 gegeben.

Home Network

Home Agent

AP

Macro Mobility

Micro Mobility

Foreign Network 1

Mobile Node

Mobility Server 1

AP

AP

AP

AP

Foreign Network 2

Mobility Server 2

AP

AP

AP

(Internet)Public Network

AP:Access Point

Abbildung 1: Das hierarchische Mobilitatsmodell

Nachdem der Rahmen der notwendigen Komponenten des Mobilitatsmodells abgesteckt ist, werdenals nachstes zwei verschiedene Szenarien unterschieden: Der Makrobereich befasst sich mit demgenerellen Wechsel einer Basisstation und der Adressierung des Gerates. Im Mikrobereich wird diesdann vertieft und nach optimalen Handoff-Modellen gesucht, um die Performance zu verbessern.

1.2 Makro- versus Mikromobilitat

Wie im letzten Abschnitt angedeutet, sollen bei den Mobilitatsbetrachtungen sowohl lokale als auchglobale Bewegungen berucksichtigt werden. Diese zwei Szenarien erfordern eine unterschiedlicheBetrachtungsweise. Wahrend lokale Bewegungen vor allem einen raschen Wechsel zwischen ver-schiedenen Basisstationen erfordern, benotigen globale Bewegungen einen Mechanismus, der es demmobilen Gerat ermoglicht, sich im neuen Netzwerk anzumelden und eine Weiterleitung der fur ihnbestimmten Daten und Pakete aufzubauen. Das letztgenannte Szenario wird als das Problem der

”Ma-

kromobilitat“ bezeichnet, wahrend die Probleme, die bei den lokalen Bewegungen im Kleinen auf-tauchen, unter dem Begriff der

”Mikromobilitat“ untersucht werden.

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Aus dem oben Genannten ergibt sich, dass bei Bewegungen im Makrobereich große, domanenuber-greifende Anderungen entstehen. In vielen Modellen wird bei einer solchen Bewegung das Heimat-netzwerk benachrichtigt um die neue Position mitzuteilen, wahrend bei einer Bewegung im Mikro-bereich normalerweise nur das aktuelle Netzwerk betroffen ist und keine Ruckmeldung zum HomeAgent erfolgt. Bei der Bewegung im Makrobereich wird haufig eine neue Adresse fur die Mobile No-de zugewiesen, die so genannte

”Care-of-Address“ (CoA). Die Mobile Node benutzt diese Adresse

zur Identifikation im Netz, und ist nur innerhalb des aktuellen Netzwerkes gultig. Um die Kommuni-kation zum Heimatnetzwerk aufrecht zu erhalten, wird diese Adresse an den Home Agent ubermittelt.

Im Kapitel uber die Makromobilitat soll zunachst geklart werden, wie ein Wechsel in eine neueDomane gehandhabt wird und wie der weitere Netzwerkverkehr mit einer neuen Care-of-Addressaufrecht erhalten werden kann. Es soll ein allgemeiner Uberblick uber die Probleme im Makrobe-reich gegeben und ein Losungsansatz vorgestellt werden. Da Wechsel im Makrobereich eher seltenerfolgen und Performance bezuglich des Wiederaufbaus aller Netzwerkverbindungen eine eher un-tergeordnete Rolle spielt, soll im Weiteren auf den Schwerpunkt dieser Ausarbeitung eingegangenwerden, namlich die Probleme und Methoden im Mikrobereich.

2 Makromobilitat

Wie im vorherigen Abschnitt bereits angeschnitten wurde besteht die Hauptaufgabe der Makromobi-litat darin, die Verbindung zwischen dem mobilen Gerat und dem Heimatnetz – dem

”Home Agent“

– zu halten. Als Standardlosung fur dieses Problem verwendet man heutzutage”Mobile IP“. Wie der

Name bereits andeutet, wird IP als Netzwerkprotokoll verwendet und um Mobilitatsfahigkeiten er-weitert. Damit wird die großte Eigenschaft, die vorher gefordert wurde, bereits erfullt: IP kann alsuniverselles Protokoll verwendet werden. Mobile IP ist bereits vor einigen Jahren entwickelt wordenund weist einige Schwachen auf. Diese im Design steckenden Probleme sollen im Folgenden vor-gestellt werden. Als Losung fur einige der Probleme sollen dann noch Erweiterungen zu Mobile IPvorgestellt werden, und anschließend das modernere und vor allem aktuellere IPv6, welches durchsein Design bereits etliche Schwachen von Mobile IP eliminiert, diskutiert werden.

2.1 Mobile IP

Mobile IP wurde 1995 von IBM als Erweiterung zum gebrauchlichen IP-Protokoll entwickelt. Eswurde 1996 zum Quasi-Standard fur Makromobilitat und im RFC 2002 [Per96] festgehalten. DasZiel von Mobile IP ist es, das IPv4 Protokoll um sinnvolle Mobilitatseigenschaften zu erweitern.

IP benutzt zur eindeutigen Identifikation eines Endgerates die IP-Adresse von 32 Bit Lange. Einmobiles Gerat, welches seine Position wechselt, hat demnach zwei Moglichkeiten:

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1. Anderung der IP-Adresse beim Wechsel der Position

2. Anderung der Route, die zu der IP-Adresse fuhrt, so dass sie auf die aktuelle Position verweist.

Offensichtlich sind beide Moglichkeiten fur die Bedurfnisse der Makromobilitat nicht geeignet. Dieerste ist ungeeignet, da ein Wechsel der IP-Adresse einen Abbruch auf der Transportschicht und allerhoheren Schichten von IP mit sich bringt: Samtliche Verbindungen, die das mobile Gerat geoffnethat, mussten geschlossen und wieder neu aufgebaut werden. Dies stellt somit einen Gegensatz zumMobilitatsgedanken dar. Die zweite Moglichkeit kommt aus offensichtlichen Grund ebenfalls nicht inBetracht: Aufgrund des Aufbaus des Internets und seiner unzahligen Knoten ist es unmoglich, in an-gemessener Zeit das Routing zu einer beliebigen neuen Position umzustellen. Mehr noch, die Losungware wegen der Vielzahl von mobilen Geraten nicht durchsetzbar und konnte nicht skalieren. Daszugrunde liegende Netzwerk wurde mit Routing-Informationen und Anderungsmeldungen verstopftwerden.

Da Mobile IP lediglich eine Erweiterung von IPv4 ist und nicht erwartet werden kann, dass jederKnoten diese neue Art von Erweiterung mitbringt, mussen Einschrankungen getroffen werden, die esermoglichen auch uber Knoten hinweg zu arbeiten, die nicht diese Erweiterung bereitstellen. MobileIP muss in der Lage sein uber das normale IP Protokoll zu arbeiten, ohne neue Anforderungen an dasProtokoll zu stellen. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich: Auf der einen Seite ist es mit MobileIP moglich das bereits vorhandene Netzwerk – sprich das Internet – zu nutzen, wahrend man sichauf der anderen Seite Performanceverluste durch

”Tunneling“ und das so genannte

”Triangle-Routing

Problem“ einhandelt, siehe 2.1.2.

2.1.1 Funktionsweise von Mobile IP

Bei Mobile IP geht man davon aus, dass das mobile Gerat in seinem Heimatnetz eine ihm fest zuge-wiesene Adresse hat (die Home Address, H@), uber die es im Heimatnetz erreichbar ist. Damit dasGerat mobil sein kann, wird vorausgesetzt, dass es in jedem Netz, in dem sich das Gerat aufhaltensoll, einen Router gibt, der Mobile IP beherrscht und alle Voraussetzungen mitbringt um das Geratzu unterstutzen. Im Heimatnetz ist der Home Agent dafur zustandig. Den entsprechenden Router inallen Fremdnetzen bezeichnet man als

”Foreign Agent“. Verlaßt das mobile Gerat sein Heimatnetz

und betritt ein Fremdnetz, so benotigt es eine neue Adresse, die”Care-of-Address“. In der Regel ist

dies eine temporare Adresse aus dem Fremdnetz, die per Dynamic Host Control Protocol (DHCP)zugewiesen wird. Da der Adressraum von IPv4 beschrankt ist, ist es auch moglich, dass sich mehreremobile Gerate in einem Netz die gleiche Adresse teilen.

Im RFC 2002 wird der Ablauf von Mobile IP wie folgt beschrieben:

1. Alle Router, die Mobile IP implementieren, also der Home- und die Foreign-Agents, senden inregelmassigen Abstanden Broadcasts aus, um ihre Existenz bekannt zu geben.

2. Das mobile Gerat empfangt diese Broadcasts und kann anhand des Absenders entscheiden, woes sich befindet.

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3. Wenn sich das mobile Gerat in seinen Heimatnetz befindet, arbeitet es wie gewohnt mit IPv4 –ohne Mobilitatsmodus. Kehrt es aus einem Fremdnetz zuruck, so benachrichtigt es den HomeAgent uber seine Ruckkehr, verlaßt dann den Mobilitatsmodus und arbeitet normal mit IPv4weiter.

4. Bei einem Wechsel des Netzwerkes (entweder zwischen zwei Fremdnetzen oder vom Heimat-netz in ein Fremdnetz) schaltet das Gerat in den Mobilitatsmodus. Dazu wird zunachst eineCare-of-Address fur das aktuelle Netzwerk bezogen. Die hierfur moglichen Mechanismen wer-den dabei im Folgenden nochmals im Detail vorgestellt.

5. Das mobile Gerat teilt nun seinen Home Agent die neue Adresse mit.

6. Datenpakete, die an die Heimatadresse des mobilen Gerates gerichtet sind, werden vom HomeAgent empfangen und per

”Tunneling“ an die aktuelle Care-of-Address weitergeleitet.

7. Datenpakete, die das mobile Gerat verschickt, konnen ohne spezielle Routingmechanismenan den Empfanger weitergeleitet werden, ohne den Umweg uber den Home Agent gehen zumussen.

Fur die Zuweisung der Care-of-Address werden zwei verschiedene Mechanismen vorgeschlagen:

� Die bevorzugte Methode ist es, dass das mobile Gerat die IP-Adresse des Foreign Agents erhalt,welcher dann alle getunnelten Pakete des Home Agents empfangt und diese selbststandig andas mobile Gerat weiterleitet. Der Vorteil dieser Methode ist es, dass sich mehrere Gerate diegleiche Adresse teilen konnen, wodurch man das Problem der Adressenknappheit von IPv4umgeht. Die Arbeitsweise dieser Methode ist in Abbildung 2 dargestellt.

� Die zweite Moglichkeit wurde bereits angesprochen: per DHCP erhalt das mobile Gerat ei-ne eigene eindeutige Adresse fur das aktuelle Fremdnetz. Diese IP-Adresse wird dynamischvergeben und ist nur solange gultig, wie sich das Gerat im Netz aufhalt. Eine solche Adressewird auch als

”Co-located Care-of-Address“ (CCoA) bezeichnet. Der Vorteil dieser Methode

liegt darin, dass das mobile Gerat direkt erreichbar ist, und der Foreign Agent, sofern er imFremdnetz uberhaupt vorhanden ist, keine Fahigkeiten fur das Auspacken und Weiterleiten dergetunnelten Pakete mitbringen muß.

Egal wie die Care-of-Address zugeteilt wird, sie steht immer fur den Endpunkt des Tunnels an dender Home Agent samtliche Pakete fur das mobile Gerat weiterleitet.

Mobile IP erweitert das Internet Control Message Protocol (ICMP) um einen weiteren Satz von RouterDiscovery Messages. Diese sorgen fur die Broadcasts der Home- und Foreign Agents und erleichterndie Erkennung von Bewegungen fur das mobile Gerat. In einen solchen Broadcast konnen spezielleGegebenheiten fur das aktuelle Netzwerk mitgeschickt werden, sowie noch verfugbare und freie CoAsangegeben werden. Das mobile Gerat verhalt sich dabei normalerweise passiv, um seine Batterien zuschonen. Es wartet standig auf den Empfang von Broadcasts, um seine Position einzuordnen und

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Mobile Node

Host / Internet

1. Datenpacket anMN erreicht HA übernormales Routing

Home Agent

3. ausgepacktes Daten−

an CoA weiterleiten2. Datenpacket per Tunnel

Foreign Agent

4. Rückweg über normales

packet an MN schicken

Routing zurück, ohneUmweg über HA

�� ����

Abbildung 2: Routing bei Verwendung eines Foreign Agents als Tunnelendpunkt

bestatigen zu konnen. Empfangt es uber langere Zeit keine Pakete, so nimmt das Gerat zunachst an,dass sich seine Position geandert hat und wartet weiter auf den Empfang neuer Informationen. Wirddie Zeitspanne in der keine Nachrichten mehr empfangen werden jedoch zu groß, sieht das Protokollauch vor, dass das mobile Gerat aktiv nach einen neuen Agent suchen kann und selbstandig einenBroadcast aussendet.

Die Ubermittlung einer neuen Care-of-Address an das Heimatnetz (den Home-Agent) erfolgt dannnach der Zuteilung per UDP-Protokoll. Das RFC sieht fur diese Verbindung zwischen mobilen Geratund dem Home-Agent den Port 434 vor. Im RFC werden mehrere verschiedene Arten von Nach-richtentypen definiert, die neben der eigentlichen Ubermittlung und Bestatigung einer neuen CoAauch Authentifizierungsmoglichkeiten mit einbeziehen und daruber hinaus auch explizit Platz furzukunftige Erweiterungen lassen. Der Sicherheitsaspekt wurde bei der Entwicklung des Protokollsvon Anfang an mit einbezogen. So wird die Authentifizierung uber 128 Bit lange MD5-Hash-Wertegeschutzt.

Fur den Austausch der fur das mobile Gerat bestimmten Pakete, die vom Heimatnetz empfangenwerden, wird ein IP-Tunnel benutzt, bei dem das Paket mit einem zusatzlichen Header versehen undan die Care-of-Address geschickt wird. Dort angekommen wird der Header wieder entfernt und dasPaket in Abhangigkeit vom Typ der CoA direkt verarbeitet oder vom Foreign Agent an das Geratweitergeleitet.

Da es beim Wechsel zwischen zwei Netzen zu großen Verzogerungen und Paketverlusten kommteignet sich Mobile IP nur als Macro-Mobility Losung. Fur den Micro-Mobility Bereich wird eineLosung benotigt die feinfuhliger auf solche Wechsel reagiert. Solche Verfahren werden im nachstenKapitel vorgestellt.

2.1.2 Verbesserungen von Mobile IP

Aufgrund der bereits angesprochenen Probleme wird klar, dass Mobile IP nicht als generelle Mobi-litatslosung geeignet ist. Es ist offensichtlich, dass Mobile IP nur als Macro-Mobility Losung her-

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halten kann, keinesfalls fur den Micro-Mobility Bereich. Neben diesem Defizit kommt als weiteresProblem hinzu, dass Mobile IP nur eine Erweiterung von IPv4 ist, und deshalb in seinen Moglichkei-ten stark begrenzt ist um die Kompatibilitat zum bestehenden Standard zu erhalten. Abhilfe schaffthier erst IPv6, welches explizite Unterstutzung fur mobile Gerate bereits integriert.

Zwei generelle Probleme sollen hier aber nochmals angesprochen und Losungsvorschlage bzw. Op-timierungen vorgestellt werden. In einen neueren Draft [PJ00] stellt der Autor von Mobile IP seineIdeen dar:

1. Das Protokoll von Mobile IP sieht vor, dass Pakete fur das mobile Gerat immer den Umweguber das Heimatnetz und den Home Agent nehmen mussen. Daraus ergibt sich das so genannte

”Triangle Routing Problem“ (Abbildung 3): Der Host, der Pakete an das mobile Gerat sen-

den mochte, konnte sich in enger Nachbarschaft zu diesem Gerat befinden, musste aber trotz-dem einen Umweg wahlen, was offensichtlich zu erheblichen Verzogerungen fuhren kann. AlsLosung fur dieses Problem empfiehlt der Autor die Einfuhrung eines so genannten

”Binding

Caches“. Dabei soll jedem Host die Moglichkeit gegeben werden, genau wie der Home Agentdie Care-of-Address des mobilen Gerates zu erhalten und seine Pakete selbststandig dorthin zutunneln. Das mobile Gerat muss dazu seine neue Care-of-Address nicht nur dem Home Agent,sondern auch allen Rechnern, zu denen es Verbindungen offen hat oder noch offnen wird, uber-mitteln.

ZH:ZielhostHA:Home AgentFA:Foreign AgentMN:Mobile Node

HA

FAMN

ZH

Abbildung 3: Triangle Routing Problem

Dieses Verfahren lost das Triangle Routing Problem, fuhrt aber zu zwei neuen Problemen:Zum einen funktioniert es nur bei Rechnern, die uber diese Art der Erweiterung verfugen, zum

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anderen muss das mobile Gerat ein Positionsanderung an viele Rechner ubermitteln, was dieHandhabung erschwert.

2. Als zweite Optimierung wird die Einfuhrung eines”Smooth Handoffs“ vorgeschlagen. Ohne

diese Erweiterung kommt es bei Mobile IP zu erheblichen Paketverlusten wahrend eines Posi-tionswechsel. Nach der Erkennung eines Wechsel muss das mobile Gerat zunachst eine neueCoA erhalten und diese an sein Heimatnetz – und beim Einsatz der zuerst genannten Optimie-rung auch an alle anderen Hosts – schicken, ehe es weitere Pakete erhalten kann. Alle Pakete,die in dieser Zeitspanne beim vorherigen Foreign Agent eintreffen, gehen verloren. Um diesesProblem zu umgehen, kann das mobile Gerat nach einen Positionswechsel die neue CoA an denalten Foreign Agent schicken und so noch die Pakete erhalten, die dort noch eintreffen. Daruberhinaus kann ein Foreign Agent bei Implementierung dieser Optimierung alle erhaltenen Paketespeichern und diese an die neue CoA des mobilen Gerates weiterleiten, wenn dessen Regis-trierungsphase beendet ist. So kann ein Paketverlust und die Notwendigkeit, bereits gesendetePakete erneut zu senden, vermieden werden. Die offensichtliche Paketverzogerung, die dabeientsteht, gilt es dann zu minimieren um Echtzeitanwendungen zu ermoglichen. Dies fallt in denBereich der Micro-Mobility.

Die genannten Optimierungen losen die großten Probleme von Mobile IP und sind der Grund fur dieVerbreitung von Mobile IP als Macro-Mobility Losung.

2.2 Das IP-Protokoll IPv6

Eine verbesserte Methode fur Macro-Mobility steht mit der nachsten Generation des Internet Proto-kolls an. Zukunftig soll die nachste Version von IP, sprich IPv6 [DH98], mit allen Problemen undDesignschwachen von IPv4 und Mobile IP aufraumen. IPv6 ist dabei so aufgebaut, dass sich eineMacro-Mobility Losung mit Mobile IPv6 leicht und problemlos integrieren laßt. Gegenuber IPv4lassen sich dabei vier wichtige Punkte als Hauptvorteile von IPv6 hervorheben:

1. Der Adressraum in IPv6 wurde so großzugig bemessen, dass nun 128 Bit lange Adressen stattvormals 32 Bit Adressen verwendet werden konnen. Damit entfallt die Knappheit an freienAdressen und die Notwendigkeit Foreign Agents zu benutzen.

2. IPv6 bringt Unterstutzung fur Mobilitat bereits mit. Fest eingebaut sind zum Einen Mechanis-men zur Generierung von neuen CoAs, zum Anderen ist auch direktes Pakettunneling enthalten,so dass Pakete aus dem Heimatnetz nicht mehr umstandlich mit neuen Headern versehen wer-den mussen, ehe sie an das mobile Gerat weitergeleitet werden konnen.

3. Ein oben nicht angesprochenes Problem von Mobile IPv4 ist in IPv6 nicht mehr vorhanden:Beim Einsatz von Filtermechanismen, wie man sie in vielen Firewall verwendet, kann es beiIPv4 passieren, dass ein mobiles Gerat nicht in der Lage ist, Pakete direkt an einen Host zuschicken. Dieses Problem tritt dann auf, wenn das Fremdnetz nicht anhand der Zieladresse rou-tet, sondern die Absenderadresse fur Plausibilitatsprufungen heranzieht. Ein Paket vom Home

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Agent an die Care-of-Address konnte problemlos empfangen werden. Bei der Antwort auf einsolches Paket wurde das mobile Gerat jedoch seine Heimatadresse statt der CoA als Absen-deradresse benutzen, was vom Router im Fremdnetz unter Umstanden nicht zugelassen werdenwurde.

Als Losung dieses Problems wird der Einsatz von Tunneln zuruck zum Heimatnetz vorgeschla-gen [Mon01]: Das mobile Gerat versieht ein Datenpaket also mit dem richtigen Empfanger,verpackt es dann wie der Home Agent auch und schickt es getunnelt zum Home Agent, deres dann seinerseits wieder entpackt und korrekt weiterleitet. Das so verschickte Paket tragt dieCoA als Absenderadresse und bekommt so kein Problem mit den Filtermechanismen. Ledig-lich der Umweg uber den Home Agent muss in Kauf genommen werden. Da Mobile IPv6 aberauch Support fur

”Binding Caches“ mitbringt, kann ein Paket auch wie oben bereits geschrie-

ben zwischen mobilen Gerat und Host direkt ausgetauscht werden, wodurch auch das TriangleRouting Problem gar nicht erst entsteht.

4. Ein letzter großer Vorteil von IPv6 sind die bereits vorhandenen Sicherheitsmechanismen. Un-terstutzung fur Authentifizierung und Verschlusselung sind bereits implementiert, so dass Mo-bile IPv6 diese Dinge nicht mehr selber mitbringen muß.

3 Mikromobilitat

Das im letzten Kapitel vorgestellte Mobile IP-Protokoll kann seine Starken beim Wechsel zwischenmehreren Domanen ausspielen. Als Mobilitatsprotokoll fur Bewegungen innerhalb einer Domaneist es jedoch wenig geeignet. Der dauerhafte Wechsel zwischen verschiedenen Basisstationen bringtgroße Probleme und Performanceeinbruche mit sich. Die bereits im Groben angesprochenen Proble-me sollen zunachst noch einmal konkretisiert werden:

� Mobile IP ist sehr langsam beim Handoff, also beim Ubergang von einer Basisstation zur nachs-ten. Die Zuweisung und vor allem die Ubermittlung einer neuen Care-of-Address dauert sehrlange und sorgt dafur, dass das mobile Gerat fur eine große Zeitspanne nicht erreichbar ist.

� Der Wechsel erfolgt abrupt, so dass es aufgrund des vorherigen Punktes zu großen Verlustratenkommt, ehe die Registrierung an der neuen Basisstation abgeschlossen ist.

� Bei haufigen Wechseln der Basisstation sorgt die Ubermittlung der neuen CoA zu sehr vielOverhead. Gerade in der vorgestellten optimierten Version von Mobile IP steigt der Trafficbesonders stark an, da die CoA auch an alle anderen Hosts, zu denen eine Verbindung besteht,ubertragen werden muß.

� Fur den Fall, dass auch Quality of Service Mechanismen genutzt werden, muss bei jedem Wech-sel eine erneute Reservierung vorgenommen werden, da sich die CoA andert. Bei einem Wech-sel innerhalb einer Domane wurde jedoch nur ein kleiner Teil der Routingpfads geandert, sodass eine neue Reservierung unnotig ware.

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Fur haufige Wechsel einer Basisstation ist Mobile IP aus den genannten Grunden in der vorgestell-ten Form ungeeignet. Die hohen Paketverlustraten, die Verzogerungen und der Trafficoverhead ma-chen Echtzeit-Anwendungen unmoglich. Der Aufbau von neuen Tunneln fur die Paketubertragungerhoht die Verzogerung noch weiter. Es werden Protokolle fur die Mikromobilitat benotigt, die sichfur Bewegungen im Kleinen eignen und die notwendigen Anderungen beim Wechsel lokal – inner-halb der Domane – verwalten. Um Performance-Probleme zu vermeiden ist es, gerade im Hinblickauf die ansteigende Zahl von mobilen Geraten, notig, den Overhead im Hinblick auf Traffic geringzu halten. Methoden wie das

”Paging“ sorgen weiterhin dafur, dass mobile Gerate passiv am Netz

angeschlossen sein konnen, also auch bei nicht bestehenden Verbindungen erreichbar sind, so dassder Stromverbrauch minimiert wird und uberflussige Broadcasts unnotig sind.

Wie im Fall der Makromobilitat ist es auch hier zunachst notig einige Grundbegriffe zu erklaren, ehedie verschiedenen Protokolle und Losungsansatze vorgestellt werden.

3.1 Handoff

Der zentrale Punkt von Mikromobilitat ist sicherlich der Handoff, also die Ubergabe einer Verbindungvon einer Basisstation zur nachsten. Entscheidend fur die Qualitat eines Mikromobilitats-Protokollsist daher der

”Fast Handoff“, also ein schneller und reibungsloser Ubergang beim Wechsel der Basis-

station. Ausschlaggebend fur die Performance sind wichtige Designpunkte, die bei der Implementie-rung beachtet werden mussen:

� Die Kontrolle des Handoffs. Wer hat die Kontrolle und initiiert den Handoff? Moglich ist hier,dass dies von der Basisstation oder dem mobilen Gerat ubernommen wird. Denkbar ist aberauch eine Kombination aus beiden, bei dem die eigentliche Kontrolle der Basisstation ubertra-gen wird, aber das mobile Gerat in bestimmten Situationen explizit einen Handoff anfordert.

� Bestimmte Techniken fur die Zwischenspeicherung und Weiterleitung von Paketen, um fureinen schnellen und reibungslosen Ubergang zu sorgen und Paketverluste sowie Verzogerun-gen zu minimieren.

� Methoden, um den optimalen Zeitpunkt fur einen Handoff zu finden. Dazu gehoren die Er-kennung und Vorhersage durch statistische Techniken von Bewegungen. Es soll dafur gesorgtwerden, dass ein Handoff schon durchgefuhrt ist, ehe die alte Basisstation nicht mehr empfan-gen werden kann.

� Suche von Kompromisslosungen fur die Kopplung zwischen Sicherungs- (OSI-Layer 2) undVermittlungsschicht (OSI-Layer 3). Wunschenswert ist eine enge Kopplung zwischen beidenSchichten, um eine niedrige Latenzzeit beim Wechsel zu erreichen. Dabei muss aber dafur ge-sorgt werden, dass die Losung anwendbar bleibt und sich nahtlos in das bestehende IP-Protokolleinfugt.

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Bei der Vorstellung der verbreitesten Mikromobilitats-Protokolle wird sich zeigen, dass die Meistendafur ausgelegt sind, eine Paketverlustrate von nahe Null zu erreichen. Dabei kommen Methodenzur Zwischenspeicherung und Weiterleitung empfangener Pakete zum Einsatz. Die Minimierung derPaketverlustrate allein reicht allerdings nicht aus. Um Echtzeitanwendungen zu ermoglichen ist eswichtig, dass solche Pakete auch rechtzeitig und ohne große Verzogerungen beim Endempfanger,dem mobilen Gerat, eintreffen.

Eine große Rolle im Mikromobilitatsbereich spielt daher die Vorhersage von Bewegungen und derrechtzeitige Wechsel einer Basisstation. Der Handoff kann dabei auf zwei unterschiedliche Artenausgelost werden. Die einfachste Moglichkeit ist es, einen Event auf Schicht 3 (Vermittlungsschicht)des OSI-Schichten-Modells abzuwarten. Das mobile Endgerat empfangt hierbei den Broadcast derneuen Basisstation, in dessen Bereich es sich nach einer Bewegung befindet, und initiiert daraufhinden Handoff. In der Regel bedeutet dies jedoch eine gewisse Latenz, da erst die Registrierung an derneuen Basisstation vorgenommen werden muß, und die alte Verbindung nicht mehr besteht.

Um diesem Problem zu begegnen, initiiert man den Handoff bereits auf Schicht 2 (Sicherungsschicht).Hier kann man auf die Signalstarken des Radio-Links zuruckgreifen und gewissen Vorhersagen an-hand dieser Informationen treffen. Eine Beobachtung von Schicht 2 ist hierbei allerdings nichts ganzunkompliziert. Eine Vielzahl von verschiedenen mobilen Geraten mit unterschiedlicher Funktechnik(z.B. Wireless LAN/IEEE 802.11 oder Bluetooth/IEEE 802.15) sind im Umlauf. Um Vorhersagenauf Schicht 2 uberhaupt treffen zu konnen, mussen daher zunachst standardisierte Schnittstellen ge-schaffen werden. Ein Application Programming Interface (API), welches den gleichen Zugriff aufden Radio-Link fur alle benutzten Techniken ermoglicht, wurde dies vereinfachen. Viele Protokol-le bringen daher Unterstutzung fur verschiedene Handoff-Techniken mit. Die Moglichkeit, dass dasmobile Gerat eine Handoff-Entscheidung treffen kann, birgt weitere Optimierungsmoglichkeiten indieser Frage.

3.2 Paging

Fur das mobile Gerat selbst ist daruber hinaus das Vorhandensein eines Paging-Mechanismus vonzentraler Bedeutung. Wie Desktop PCs innerhalb eines LANs soll auch das mobile Gerat standigerreichbar sein. Im Gegensatz zu fest stationierten, verfugen die mobilen Geraten im Normalfall uberkeine externe Stromversorgung. Da Batterien und Akkus nur uber eine begrenzte Zeitspanne ihreEnergie abgeben konnen und das Senden von Daten oft erhebliche Energiemengen verschlingt, wirdbesonders hier nach Optimierungen gesucht. Das mobile Gerat soll in die Lage versetzt werden

”Idle“

– also fur das Netz erreichbar – zu sein, ohne dabei aktiv seine Anwesenheit bekannt geben zu mussen.

Dem Netzwerk muss dafur jedoch die Position des Gerates bekannt sein. Dies setzt auf der einen Seitevoraus, dass das Netzwerk jegliche Positionsanderung protokolliert und speichert. Auf der anderenSeite muss es einen Mechanismus geben, ein gesuchtes mobiles Gerat aufzufinden. Bewegt sich dasmobile Gerat, ohne dass es zu diesem Zeitpunkt Verbindungen zu anderen Rechner geoffnet hat,so soll es trotz dieser Bewegung weiterhin

”Idle“ bleiben, ohne sich an einer neuen Basisstation

registrieren zu mussen. Dies schont die Batterien, verursacht jedoch zugleich das Problem, dass dasNetz nichts von dieser Bewegung mitbekommt und nicht mehr weiß, wo sich das Gerat aufhalt.

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Fur den Fall, dass nun Datenpakete zugestellt werden mussen, dient das”Paging“. Uber einen Broad-

cast kann das Gerat gerufen werden, um dessen neue Position zu ermitteln. Geschickterweise wer-den zunachst nur alle Basisstationen in unmittelbarer Nahe der zuletzt bekannten Positionen dieseSuchbroadcasts verschicken, bevor die Suche auf großere Gebiete ausgedehnt wird. Alternativ tei-len andere Protokolle das Netzwerk in verschiedene Paging-Bereiche ein. Anhand von empfangenenBroadcasts kann das mobile Gerat erfahren, in welchen Bereich es sich aufhalt. Beim Wechsel zwi-schen zwei Basisstationen innerhalb des selben Paging-Bereichs kann es sich dann passiv verhaltenund registriert sich erst wieder aktiv, wenn es sich in einen neuen Paging-Bereich bewegt.

3.3 Sicherheit und Quality of Service

Sicherheit spielt bei Mobilitatsbetrachtungen, gerade im Hinblick auf ungeschutzte und abhorbareFunkubertragung, eine große Rolle. Viele der hier benutzten Mechanismen sind dabei bei Handoffsmit zu beachten. Je nachdem welche Verfahren benotigt und eingesetzt werden, kann der Handoff er-heblich verzogert und erschwert werden. Insgesamt unterscheidet man drei Klassen: Authentifizierun-gen, Zugangsberichtigungen und die Abrechnung (AAA: Authentification, Authorization, Account).

� Der wohl wichtigste Punkt ist sicher die Authentifizierung. Auf sie kann in Funknetzwerkenso gut wie nicht verzichtet werden. Bei der An- und Ummeldung eines mobilen Gerates in ei-nem Netzwerk muß sichergestellt werden, dass es sich wirklich um eine berechtigte Anfragehandelt und keinem unberechtigten Geraten Zugriff und Zugang zu moglicherweise vertrauli-chen Daten gegeben wird. Da die Authentifizierung zum Zeitpunkt des Handoffs erfolgt underst nach abgeschlossenem Vorgang wieder normale Datenpakete fließen konnen, ist dies einbesonders kritischer Punkt der eine rasche Abwicklung erfordert. Besonders erschwerend istdabei, dass ein Netz oft global durch einen einzigen Authentifizierungsserver verwaltet wird,Pakete dorthin unter Umstanden eine langere Zeit benotigen und es zu Verzogerungen kommt,ehe notwendige Schlussel bei der neuen Basisstation hinterlegt sind.

� Zugangsberichtigungen werden nicht immer benotigt. Die Notwendigkeit hierfur ist vom zu-grunde liegendenen Netzwerk abhangig. Wahrend in manchen Netzwerken der anonyme Zu-griff explizit erwunscht ist, sollen in anderen Umgebungen (zum Beispiel in Firmennetzwer-ken) nur ausgewahlte privilegierte Personen Zugang haben. Bei optimaler Implementierungspielt die

”Authorisation“ beim Handoff eine eher untergeordnete Rolle. Eine einmal vergebe-

ne Zugangsberichtigung kann dann beim Basisstationswechsel einfach weitergegeben werden,nachdem sich das Gerat mit obiger Methode authentifiziert hat.

� Auch Abrechnungsverfahren sind nur in manchen Netzen vorhanden und sind fur das Hand-off, abgesehen vielleicht vom Echtzeit-Billing bei Mobiltelefonen, eher unkritisch. Wie auchbei Zugangsberechtigungen kann bei optimaler Implementierung die Authentifizierung ausrei-chend sein. Generell gehoren Abrechnungsverfahren auch eher in den Bereich der Makromobi-litat.

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Je nachdem wie wichtig die Unterstutzung fur AAA ist, kann die Implementierung in den Mikromo-bilitats-Protokollen von großerer Bedeutung sein als der Handoff. Fur Echtzeitanwendungen ist dieSkalierbarkeit von AAA besonders kritisch. Aus diesem Grund sind die meisten Protokolle auf einglobales AAA-System ausgelegt, um den Handoff nicht unnotig zu verzogern.

Quality of Service (QoS), also die Reservierung von Netzwerkressourcen, spielt gerade in Hinsichtauf Echtzeitanwendungen eine große Rolle. Dennoch handelt es sich hierbei um ein Gebiet, wel-ches in Mikromobilitatsprotokollen, aber auch in drahtlosen Netzwerken generell, eine momentansehr untergeordnete Rolle spielt und bisher kaum untersucht worden ist. Ein großes Problem hierbeiist, dass es nahezu unmoglich scheint, eine sinnvolle Losung fur drahtlose Netze zu finden. JederWechsel einer Basisstation bringt die Notwendigkeit mit sich, eine neue Reservierung auszuhandeln.Obwohl der großte Teil einer Route unverandert bleibt, da man ja nur in die nachste Zelle gewechseltist, muß der QoS-Link neu aufgebaut werden. Die Verwaltung der Ressourcen fur das QoS ist aberaufwandig, weshalb eine solche Losung fur den Mikromobilitatsbereich nicht durchfuhrbar ist, daeine neue Reservierung einen Handoff zu stark verzogert. Die Entwicklung in diesem Bereich bringtzur Zeit kaum Resultate hervor. Im QoS-Bereich konzentriert sich derzeit auf die Implementierung indrahtgebundenen Netzwerken.

3.4 Mikromobilitat-Modell-Ansatze

Das Mikromobilitatsmodell soll die Performance fur das mobile Gerat bei Bewegungen innerhalb ei-ner Domane verbessern. Dazu ist ab sofort das lokale Netz fur das Mobilitatsmanagement zustandig.Der Home Agent erfahrt nichts mehr uber die Bewegungen des mobilen Gerates. Die Adresse desmobilen Gerates reprasentiert nicht mehr die genaue Position, sondern in den meisten Fallen die Po-sition des Gateways fur das lokale Netz. Das Mikromobilitatsprotokoll sorgt fur die Weiterleitung derempfangenen Pakete, ohne dass eine Benachrichtigung des Heimatnetzes beim Basisstationswechselnotwendig ist. Ziel ist es, das lokale Netzwerk hierarchisch aufzubauen. Innerhalb des Netzwerkeswird eine Datenbank gepflegt, die jedem mobilen Gerat die aktuelle Position zuordnet. Auch allevorhandenen Knoten im Netzwerk verwalten idealerweise eine Liste aller bekannten Hosts. Die Ein-trage in der Liste werden mit Zeitstempeln versehen, so dass veraltete Eintrage problemlos gefundenund geloscht werden konnen. Bei empfangenen Paketen wird die eigentliche Zieladresse gepruft unddas Paket dann zum nachsten zustandigen Knoten weitergeleitet. Zu unterscheiden sind hierbei zweiunterschiedliche Ansatze.

3.4.1 Hierarchical Tunneling

Beim Hierarchical Tunneling werden die Foreign Agents in einer Baumstruktur angeordnet (Abbil-dung 4a). An der Spitze des Baumes befindet sich der Gateway Foreign Agent (GFA), der alle fur dasmobile Gerat bestimmten Pakete vom Home Agent empfangt. Um die Pakete zustellen zu konnen,verwaltet jeder Foreign Agent eine Besucherliste. Ein ankommendes Paket wird entpackt und dieZieladresse mit den Eintragen in der Besucherliste verglichen. Nachdem der passende Eintrag gefun-den wurde, wird das Paket neu verpackt und per Tunnel an den nachsten Knoten weitergegeben oder

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an das mobile Gerat geliefert, sofern der Zielknoten erreicht wurde. Bei jeder Bewegung des mobilenGerates mussen die Besucherlisten von den betroffenen Knoten in moglichst optimaler Weise aktua-lisiert werden. Unter Umstanden ist es dazu notig, dass das mobile Gerat Aktualisierungsmeldungenverschickt.

GFA

4 5

2

1

3

6 7

MN

Public Network(Internet)

Public Network(Internet)

HA HA MN:Mobile Node

HA:Home Agent

GFA:Gateway Foreign Agent

R:Router/Gateway

R

1

4 5 6 7

32

MN

Abbildung 4: a) Hierarchical Tunneling; b) Mobile-Specific Routing

3.4.2 Mobile-Specific Routing

Beim Mobile-Specific Routing soll der Overhead durch das Tunneln der Pakete mit dem notwendigenEntpacken und Packen vermieden werden. Dazu werden normale Routingmechanismen verwendet.Ein vom Home Agent verschicktes Paket trifft beim Router ein und wird von ihm an das mobile Geratweitergeschickt, welches beispielsweise durch seine Heimatadresse identifiziert werden kann (Abbil-dung 4b). Die Aktualisierung der Routingtabellen kann dabei implizit (durch Beobachtung des Netz-werkverkehrs) oder explizit (durch spezielle Pakete des mobilen Gerates) erfolgen. Der Gebrauch vonTunneln oder Adressumschreibungen ist nicht mehr notig, stellen dafur aber einen hoheren Aufwandan die Implementierung.

3.5 Implementierungen von Mikromobilitatslosungen

Inzwischen gibt es mehr als ein Dutzend verschiedene Mikromobilitatslosungen. Eine Vielzahl vonProtokollen geht die Probleme auf verschiedene Weise an und ist fur verschiedene Einsatzgebietemehr oder weniger gut geeignet. Wie ganz zu Anfang bereits angedeutet, wird es keine universelleLosung geben. Dennoch sollen hier die wichtigsten Protokolle vorgestellt und miteinander verglichenwerden. Um die verschiedenen Protokolle parallel einsetzen zu konnen, wurde inzwischen auch einFramework [CB99] entwickelt, welches den Einsatz vereinheitlichen soll.

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3.5.1 Cellular IP

Cellular IP [Val99] ist ein von der Columbia University und Ericsson entwickeltes Protokoll, wel-ches sowohl einen schnellen Handoff als auch Paging unterstutzt, also ein guter Kandidat fur Echt-zeitanwendungen ist. Der Ansatz beruht auf dem Modell des

”Mobile-Specific Routing“. Um den

Stromverbrauch fur das mobile Gerat zu minimieren, werden die Routingtabellen zum großten Teilimplizit aktualisiert. Normale Datenpakete, die von dem mobilen Gerat versendet werden, werdenverfolgt und gespeichert. An das mobile Gerat adressierte Pakete konnen dann hop-by-hop auf die-sem Pfad in entgegengesetzter Richtung verschickt werden. Zu Identifikation des Gerates innerhalbdes Netzwerkes wird seine Heimat-IP-Adresse benutzt. Der Home Agent erhalt als Care-of-Addressdie IP-Adresse des Gateways der Domane (in Abbildung 4b mit

”R“ bezeichnet).

Zwei verschiedene Handoff-Prinzipien werden von Cellular IP unterstutzt:

� Beim”Hard-Handoff“ wird in Kauf genommen, dass beim Wechsel der Basisstation einige Pa-

kete verloren gehen. Dafur wird jedoch der Protokolloverhead durch den Wechsel minimiert.Dies schont zum Einen die Batterien des mobilen Gerates und ermoglicht zum Anderen einensehr schnellen Wechsel. Initiiert wird der Handoff durch Messung der Signalstarke und abge-schlossen durch das Verschicken eines Routing-Aktualisierungspaketes.

� Fur den Fall, dass das mobile Gerat in der Lage ist, sowohl die alte als auch die neue Basis-station gleichzeitig zu empfangen, hilft der Semisoft-Handoff die Performance beim Wechselzu erhohen und die Paketverlustrate zu minimieren. Dazu wird zunachst der Wunsch, einenSemisoft-Handoff durchzufuhren, an die neue Basisstation geschickt, und – nachdem die neueVerbindung aufgebaut ist – ein regularer Handoff durchgefuhrt.

Desweiteren ist in Cellular IP ein Paging-Mechanismus implementiert, der fur weiteres Stromsparensorgt. Ein mobiles Gerat, welches keine Verbindungen offen hat, kann die Basisstation wechseln ohnesich umzumelden. Kommt ein Paket fur das mobile Gerat am Router an, so wird eine Paginganfrageinnerhalb eines bestimmten Radius, in dem sich das Gerat zuletzt aufgehalten hat, gesendet. Dasmobile Gerat kehrt vorubergehend in einen aktiven Zustand zuruck, empfangt und bestatigt das Paketund sorgt so fur eine Aktualisierung der Positionsdatenbank. Danach kann es wieder in den

”Idle“-

Zustand wechseln. Neben der Stromeinsparung fur das mobile Gerat kommt es hierdurch auch zueiner Verringerung des Traffics und einer besseren Ausnutzung der Frequenzen.

Ebenfalls in Cellular IP implementiert sind spezielle Session-Keys, die von jeder Basisstation un-abhangig berechnet werden. Die Unterstutzung fur schnelle Sicherheitsmechanismen ist damit bereitsexplizit enthalten und verursacht keine Verzogerungen beim Handoff.

3.5.2 Hawaii

Von Lucent Technologies wurde das Hawaii-Protokoll [RPT�

99] vorgeschlagen. Ebenso wie Cellu-lar IP beruht auch Hawaii (Handoff-Aware Wireless Access Internet Infrastructure) auf dem Modell

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des”Mobile-Specific Routing“. Im Unterschied zu Cellular IP wird hier jedoch ein separates Rou-

ting Protokoll benotigt. Das mobile Gerat erhalt eine Co-located Care-of-Address (CCoA), die auchdem Home Agent mitgeteilt wird, und im gesamten Netzwerk beibehalten wird. Hawaii ist fur eingroßes Netz ausgelegt und samtliche Knoten, die Hawaii implementieren, konnen als erweiterte IP-Router angesehen werden. Fur jedes mobile Gerat werden spezielle Routingeintrage hinterlegt. DieVerwaltung der Eintrage erfolgt dabei explizit durch Steuernachrichten, die das Gerat verschickt.

Hawaii sieht insgesamt gleich vier verschiedene Methoden fur das Handoff und die Festlegung desRoutingpfads vor. Unterschieden wird dabei zum Einen der Fall, wenn das mobile Gerat das ersteMal in ein Netz wechselt, zum anderen der Wechsel zwischen zwei Basisstationen. Die letzten beidenMethoden sind vom zu Grunde liegenden Netzwerk abhangig und davon, wie der Netzbetreiber denSchwerpunkt zwischen niedriger Paketverlustrate, Handoffverzogerung und Einhaltung der Paketrei-henfolge beim Handoff legt.

Einen Pagingmechanismus implementiert Hawaii auf der Basis von IP Multicast. Wenn ein Datenpa-ket eintrifft, aber keine aktuellen Routinginformationen vorhanden sind, so wird ein Pagingsignal perMulticast an das Endgerat gesendet.

Großter Vorteil von Hawaii ist, dass es sich um eine Erganzung zu Mobile IP handelt. Ein mobi-les Gerat, welches bereits Mobile IP mit einigen Zusatzen wie Routenoptimierung beherrscht, kannHawaii transparent benutzen.

3.5.3 Hierarchical Mobile IP

Einer Arbeit von Ericsson und Nokia entstammt der Vorschlag fur Hierarchical Mobile IP [GJP00].Dieses Protokoll implementiert die Methode des Hierarchical Tunneling. Alle Foreign Agents sindhierarchisch angeordnet. Das mobile Gerat sendet Registrierungsnachrichten, um seine Position be-kannt zu geben. Weiterhin werden bei der Registrierung Tunnel zwischen allen Foreign Agents auf-gebaut, die auf dem Pfad zum Gateway des Netzes liegen. Pakete an das mobile Gerat werden sobeim Empfang von Knoten zu Knoten weitergegeben. Die Benutzung der Tunnel erlaubt es, dass diezu Grunde liegende Infrastruktur auch fur drahtgebundenen Datenaustausch genutzt werden kann. Esist hier nicht notig zwei verschiedene Netze, eins fur die mobilen und eins fur die fest stationiertenGerate, aufzubauen.

Einen Paging-Mechanismus gibt es fur Hierarchical Mobile IP als Erweiterung [HM00]. Das Netz-werk wird dabei in verschiedene Paging-Bereiche aufgeteilt, in denen sich ein mobiles Gerat ohneRuckmeldung bewegen kann. Wie in den anderen Protokollen auch wird beim Empfang eines fur dasmobile Gerat bestimmten Paketes ein Paging-Signal ausgesendet, um die aktuelle Position feststellenzu konnen.

3.6 Vergleich der verschiedenen Mikromobilitatslosungen

Neben den oben vorgestellten Losungen gibt es noch eine Vielzahl weitere Ansatze fur das Mikro-mobilitats-Problem. Der großte Teil davon stellt aber Speziallosungen dar, die fur bestimmte Anwen-

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dungen gedacht sind. Die drei vorgestellten Losungen sollen reprasentativ fur alle anderen Modellestehen und decken den großten Anwendungsbereich ab. Sie sind zugleich die momentan am haufigs-ten diskutierenden Losungen.

Aufgrund der Vielzahl der verschiedenen Probleme wird es keine allgemeingultige Losung fur alleAnwendungsbereiche geben. Je nachdem wo der Schwerpunkt liegt, ob nun Echtzeitanwendungenmit niedrigen Latenzzeiten und schnellen Handoff gewunscht sind, der Batterieverbrauch minimiertwerden soll oder sicherheitskritische Anwendungen im Vordergrund stehen, muss man auf unter-schiedliche Methoden zuruckgreifen.

Einen einfachen Uberblick uber einige Unterscheide zwischen den betrachteten Protokollen und denvorhandenen Merkmalen bietet Tabelle 1.

Cellular IP Hawaii Hierarchical MIP

OSI Layer 3 3”3,5“

beteiligte Knoten alle CIP Knoten alle Router alle FAsMN Adresse Heimatadresse CoA HeimatadresseArt der Knoten L2 Switch L2 Switch L3 RouterPositionsbestimmung Datenpakete spezielle DatenpaketePaging Implizit Explizit ExplizitTunnel nein nein jaHandoff durch L2 optional optional neinMobile IP Nachrichten nein ja ja

Tabelle 1: Vergleich von Cellular IP, Hawaii und Hierarchical Mobile IP

Um die Performance der verschiedenen Protokolle miteinander vergleichen zu konnen, betrachtetman die Paketverluste, die bei einem Handoff entstehen, sowie die Paketverzogerungen, die bei derWeiterleitung von vorherigen Basisstationen auftreten. Mit Hilfe der Software

”CIMS“ (Columbia

IP Micromobility Software), die von der Columbia Universitat entwickelt wurde, konnen beliebigeModellversuche vorgenommen werden. In [CGKW02] untersuchen die Autoren die Performance derdrei ausgewahlten Protokolle anhand eines einfachen, hierarchisch aufgebauten Netzwerkes (Abbil-dung 5).

Das Netzwerk wurde so konstruiert, dass die notwendigen Routinganderungen, die bei der Bewegungdes mobilen Gerates anfallen, immer aufwandiger werden. Bei der ersten Bewegung – von Basissta-tion Eins zur Station Zwei – ist lediglich eine Anderung im Knoten

”c“ notig. Beim Wechsel von

Station Zwei nach Drei ist bereits ein Anderung im weiter oben liegenden Knoten”a“ notig, und im

letzten Schritt – beim Wechsel zur vierten Basisstation – schließlich eine Anderung der Routen, diedie gesamte Hierarchie betreffen.

Das Modell sieht eine Vollduplexverbindung von 10 Mbit/s zwischen den einzelnen Knoten vor, beider jeweils eine Verzogerung von 2 ms auftritt. Das mobile Gerat bewegt sich mit einer Geschwin-digkeit von 20 Metern pro Sekunde. Die Basisstationen uberlappen sich jeweils in einem Gebiet von30 Metern.

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Untersucht werden sowohl UDP-, als auch TCP-Datenpakete. Ursprung aller Pakete ist immer einHost, der sich außerhalb des Netzwerkes befindet (zum Beispiel vom Heimatnetz weitergeleitete Pa-kete), die am Router

”R“ eintreffen. Fur UDP werden 210 Byte große Pakete betrachtet , die in einem

Abstand von 10 ms eintreffen. Fur TCP wird ein großerer Download von mehreren Megabyte simu-liert, und die Sequenznummern der eintreffenden Datenpakete analysiert.

Als Ergebnis werden die Durchschnittswerte von mehreren hundert Handoffs ermittelt.

MN Bewegungs−richtung

R

a b

c d e

4321

Abbildung 5: Simulationsmodell

���������������������������������������������

���������������������������������������������

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��

������������

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������������������������������������������������

���������������������������������

���������������������������������

���������������������������������

���������������������������������

1.0

2.0Hierarchical Mobile IP

Hawaii

Cellular IP (Hard Handoff)

1 2 3

verl

oren

e Pa

kete

Entfernung

Abbildung 6: Paketverluste bei UDP

Wenn man das Ergebnis fur UDP betrachtet, ist direkt erkennbar, dass Hawaii und Cellular IP hierwesentlich besser abschneiden als Hierarchical Mobile IP (Abbildung 6). Bei Cellular IP und Hawaiigenugt es, den jeweils betroffenen Knoten uber die Anderung zu informieren. Im ersten Schritt desModells aus Abbildung 5 wird nur Knoten

”c“ informiert. Im zweiten reicht es Knoten

”a“ zu infor-

mieren und im letzten schließlich wird der Router benachrichtigt. Die Laufzeit dieser Pakete betragtzwischen jedem Knoten jeweils 2 ms.

Da die Entfernung des betroffenen Knotens mit jeden Wechsel weiter ansteigt, erhoht sich die Mengeder verlorenen Pakete entsprechend. Anders ist dies bei Hierarchical Mobile IP: Hier muss bei jederAnderung der oberste Knoten (GFA) informiert werden. Die Laufzeit dorthin ist immer gleich, undandert sich durch die Wechsel nicht. Entsprechend ist der Paketverlust immer gleich hoch; in diesemFall so hoch wie der Maximalwert von Cellular IP und Hawaii.

Das Konzept von Cellular IP und Hawaii mit seiner flexiblen Anpassung der Routen ist dem vonHierarchical Mobile IP, bei dem jedesmal neue Tunnel aufgebaut werden mussen, also ganz klaruberlegen. Das starre Prinzip von Hierarchical Mobile IP ist daher fur Echtzeitanwendungen, die –

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wie zum Beispiel Videostreaming – oft auf UDP basieren, sichtbar weniger gut geeignet, als seinebeiden Konkurrenten.

Als nachstes soll der Einfluß der verschiedenen Handoff-Verfahren anhand eines Downloads per TCPuntersucht werden. Stellvertretend fur die anderen Modelle wird dieser Einfluß fur Cellular IP be-trachtet; sowohl fur den Fall eines Hard-Handoffs als auch fur den Fall eines Semi-Soft-Handoffs. Zuerwarten ist, dass der Hard-Handoff die schlechtere Variante ist. Dies wird durch die Versuchsergeb-nisse bestatigt.

Beim Hard-Handoff (Abbildung 7) empfangt das Endgerat uber den gesamten Zeitraum von 0,5 Se-kunden keine Pakete mehr. Die alte Basisstation ist außer Reichweite, und die dort versendeten Paketegehen ins Leere. Erst nach der Anmeldung an der neuen Basisstation und abgeschlossenen Handoffwird der Link neu synchronisiert. Der Download wird anschließend fortgesetzt. Die Sequenznum-mern der Pakete knupfen direkt an das zuletzt empfangene Paket der alten Basisstation an.

Abbildung 7: Cellular IP Hard-Handoff

Abbildung 8: Semi-Soft, 50msVerzogerung

Abbildung 9: Semi-Soft, 300msVerzogerung

Ganz anders dagegen beim Semi-Soft-Handoff: Hier gehen uberhaupt keine Pakete verloren, sondernsie erreichen das mobile Gerat teilweise mit geringer Verzogerung sogar doppelt. Der Grund hierfurliegt in einer Eigenheit von Cellular IP: Im Unterschied zu Hawaii, welches beim Semi-Soft-Handoffdie Pakete zwischenspeichert und dann weiterleitet, benutzt Cellular IP die sogenannte

”Bi-Casting

Technik“. Beim Bi-Casting werden alle an das mobile Gerat bestimmten Pakete sowohl von der alten,als auch von der neuen Basisstation gleichzeitig ausgesendet. Das erhoht die Chance, dass jedes Paketzum Zeitpunkt des Wechsels direkt ankommt, bringt aber auch gleichzeitig eine Erhohung des Trafficsmit sich, was je nach Art und Auslastung des Netzwerkes nicht unbedingt erwunscht ist.

Im Unterschied zum Zwischenspeichern und Weiterleiten funktioniert Bi-Casting nur, wenn beideBasisstationen gleichzeitig empfangen werden konnen. Die Verdopplung wird beim Bi-Casting immervom betroffenen Knoten vorgenommen. Knoten

”c“ im vorgestellte Modell sorgt hier im ersten Schritt

fur die Verdopplung.

Da Cellular IP den Handoff und das Bi-Casting bereits initiiert bevor sich das Endgerat vollstandigin Reichweite der neuen Basisstation befindet, kann es bei geringer Anderung der Route (z.B. Ab-bildung 5 im ersten Schritt) trotz dieser Technik zu Paketverlusten kommen. Um dies zu verhindern,wird die Verdopplung eines Paketes verzogert, ehe es zur neuen Basisstation weitergeschickt wird.

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In der Simulation zeigt sich, welche Auswirkungen diese Verzogerung hat, je nachdem wie groß derWert gewahlt wird. Beim Handoff vergroßert sich die Ubertragungszeit der einzelnen Pakete und eskommt zu einer Anstauung der Pakete an der alten Basisstation. Wird nun wie in Abbildung 8 einekleine Verzogerung gewahlt, so werden an der neuen Basisstation Pakete mit viel hoherer Sequenz-nummer empfangen. Der Datenstrom der neuen Station ist der der alten teilweise voraus. Wird dieVerzogerung zu groß gewahlt, so andert sich die Situation, so dass an der neuen Basisstation bereitsempfangene Pakete erneut eintreffen (Abbildung 9).

Eine große Verzogerung beim Bi-Casting fuhrt zu einer vollstandigen Vermeidung von Paketverlus-ten, aber auch zu einer erheblichen Verdopplung der Datenpakete. Ein idealer Wert vermeidet sowohlPaketverluste als auch unnotige Verdopplung von Paketen. Er sollte so gewahlt werden, dass er zumEinem genau die Dauer des Handoffs auf der Sicherungsschicht und zum Anderen die Differenz derUbertragungszeit zwischen alter und neuer Basisstation abdeckt. In der Praxis kann hier naturlich nurein Durchschnittswert gebildet werden.

Generell machen sowohl Hawaii als auch Cellular IP von der Moglichkeit Gebrauch, Pakete zu spei-chern und nach erfolgtem Handoff weiterzuleiten. Bei beiden Protokollen kann es zur Verdopplungvon Paketen kommen. Die Performance bezuglich des TCP-Traffics ist dabei bei beiden Protokol-len nahezu gleich. Allerdings besteht bei Hawaii das Problem, dass die Pakete in ihrer Reihenfolgevertauscht werden konnen, was zu geringen Performanceeinbruchen fuhrt.

Weiterhin wichtig fur die Performance des Protokolls ist das Routing. In den bisherigen Betrach-tungen wurde von Netzwerken mit Baumstruktur ausgegangen. Wenn man dieses Modell jetzt soerweitert, dass man zum Beispiel auch Querverbindungen zwischen Knoten gleicher Hohe erlaubt,werden Unterschiede zwischen Hawaii und Cellular IP deutlich:

� Bei Hawaii wird beim Wechsel der Basisstation ein Kontrollpaket an die alte Basisstation ge-sendet. Als neuen Pfad wird dann der Schnittpunkt zwischen altem Pfad und dem kurzestenWeg zwischen alter und neuer Basisstation gewahlt. Dies kann dazu fuhren, dass der neue Pfadnicht unbedingt der kurzeste Pfad zum Gateway ist (Abbildung 10).

� Cellular IP geht einen anderen Weg und schickt seine Kontrollpakete zum Gateway der Do-mane. Dadurch wird erreicht, dass immer der kurzeste Pfad gewahlt wird; mit dem Nachteil,dass der Traffic zum Gateway hin zunimmt.

In den meisten Fallen ist der Weg, den Hawaii wahlt, jedoch gunstiger, da hier Overhead durch Trafficvermieden wird und der Pfad nur unter ungunstigen Umstanden zu der in Abbildung 10 gezeigtenWeise entartet.

3.7 Bewertung der verschiedenen Mikromobilitatslosungen

Bei abschließender Betrachtung scheint fur die meisten Probleme Cellular IP die Losung erster Wahlzu sein. Als einziges der drei Protokolle verfugt es uber implizite Positionsbestimmung, verzichtet

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b

1 2 3 4 5 8

R

a c d

6 7MN

Bewegungsrichtung

Abbildung 10: Suboptimale Route nach Hawaii Handoff

also auf die Notwendigkeit, spezielle Kontrollpakete zu benutzen. Weiterhin unterstutzt es den Semi-Soft-Handoff und ist in der Lage eine Paketverlustrate von Null zu erreichen.

Auch die anderen Protokolle haben jedoch durchaus ihre Daseinsberechtigung. Zwar verhalt sichHierarchical Mobile IP nicht annahernd so performant wie Cellular IP, ist dafur aber so ausgelegt,dass ein Netz fur Hierarchical Mobile IP auch von anderen Anwendungen mitbenutzt werden kann.Es bietet somit die Moglichkeit ein Firmennetzwerk mit Mobilitatsdiensten auszustatten.

Wenn man die einzelnen Eigenschaften der vorgestellten Protokolle noch einmal miteinander ver-gleicht (Tabelle 1), so sind die Unterschiede zueinander eher gering. Alle Protokolle benutzen Schicht3, die Vermittlungsschicht, um die Datenpakete an das Endgerat zu ubertragen. Hierarchical Mobi-le IP benotigt jedoch Tunnel um ein Paket von Agent zu Agent weiterzugeben. Dabei werden diePakete jeweils mit neuen Headern versehen und an den nachsten Agent adressiert. Dies sorgt dafur,dass die Weiterleitung auch mit in Schicht 4, die Transportschicht, hineinspielt. Dieses Verhalten vonHierarchical Mobile IP, das Wechselspiel zwischen Vermittlungs- und Transportschicht, wird in derTabelle 1 durch den Zwischenwert von

”3,5“ angedeutet. Hieraus ist auch direkt ersichtlich, dass fur

den Einsatz dieses Protokolls bereits Router notwendig sind, die in der Lage sind Adressumschrei-bungen vorzunehmen.

Hierarchical Mobile IP unterscheidet sich dabei noch am starksten von den beiden anderen Protokol-len. Der Vergleich zwischen Cellular IP und Hawaii bringt nicht so große Unterschiede hervor. ImFall von Cellular IP benutzt das mobile Gerate seine Heimatadresse zur Identifikation im Fremdnetz,wahrend es bei Hawaii eine CoA erhalt. Die ubrigen Unterschiede wie das Bi-Casting wurden bereitsangesprochen und werden in der Tabelle nochmals zusammengefasst.

Festzustellen bleibt, dass bereits ein Großteil der Probleme der Mikromobilitat gelost wurden unddass fur verschiedene Einsatzzwecke hinreichend gute Losungsansatze existieren. Weitere Optimie-rungen konnten helfen, die verschiedenen Protokolle noch performanter zu machen. Weiterhin wurdeeine Erhohung der Kompatibilitat dazu beitragen, die Integration in die bestehenden Netzwerke zuvereinfachen.

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4 Zusammenfassung

In dieser Ausarbeitung wurden die Probleme des Mobilitatsmanagement vorgestellt und moglicheLosungsansatze diskutiert. Ziel sollte es sein, eine Losung zu finden, die es einem Endgerat ermog-licht, sich frei in seiner Umwelt zu bewegen, und dabei immer eine Verbindung zu einem Netzwerkbzw. dem Internet zu halten.

Verschiedene Probleme mussten dazu gelost werden: Als erste große Aufgabe sollte das Internet Pro-tokoll um Mobilitatseigenschaften erweitert werden. IP als meistgenutztes Datenaustauschprotokollerfordert dabei eine Identifikationsadresse, die vom Standort des Gerates abhangig ist. Im Makrobe-reich wurden deshalb die Probleme des Inter-Domain-Wechsels diskutiert. Bei einem solchen Wech-sel benotigte das mobile Gerat eine neue IP. Zwei verschiedene Moglichkeiten, eine IP-Adresse imFremdnetz zu erhalten, wurden vorgestellt. Anhand des Mobile IP Protokolls wurde der Datenaus-tausch mit dieser neuen IP-Adresse erklart, und welche Rolle das Heimatnetz sowie der Home Agentspielen. Fur Schwachen von Mobile IP, wie zum Beispiel dem Triangle-Routing Problem und diegroße Verzogerung beim Handoff, wurden dann einige Losungsideen prasentiert. Anhand von IPv6konnten weitere Verbesserungen gezeigt werden.

Da Mobile IP mit seinen Erweiterungen nicht fur haufige Wechsel ausgelegt war, und beim Handoffauch nicht performant genug arbeitet, wurde der Mikrobereich ausfuhrlich beleuchtet. Mehrere Punk-te standen hier im Mittelpunkt. Auf der einen Seite sollte mit Hilfe verbesserter Handoff-Methodenein besserer und schnellerer Ubergang zwischen zwei Basisstationen erreicht werden. Dazu wurdenverschiedene Anforderungen an den Handoff vorgestellt. Auf der anderen Seite sollten auch Dingewie geringer Stromverbrauch sowie Sicherheitsmodelle berucksichtigt werden. Die Bedeutung vonPaging wurde diskutiert und es wurde nach Moglichkeiten gesucht, dem Endgerat einen passiven Zu-stand zu geben, aber dennoch erreichbar zu sein. Weiterhin wurden drei unterschiedliche Klassen derSicherheit unter dem Stichwort

”AAA“ vorgestellt und es wurde gezeigt, dass die Implementation im

Mikrobereich zu Problemen fuhrt.

Fur den Mikrobereich wurden zwei unterschiedliche Losungsansatze vorgestellt. Zum Einen das

”Hierarchical Tunneling“ und zum Anderen das

”Mobile-Specific Routing“, die anhand der drei Pro-

tokolle”Cellular IP“,

”Hawaii“ und

”Hierarchical Mobile IP“ erklart wurden. Die verschiedenen Im-

plementierungen wurden vorgestellt und die Unterschiede erlautert. Diese Protokolle standen stell-vertretend fur eine Vielzahl weiterer Protokolle, die in der Literatur erwahnt werden.

Zum Abschluß wurden dann die Protokolle genauer verglichen und bewertet. Anhand verschiede-ner Tests konnten Unterschiede in der Performance und Menge der verlorenen Pakete beim Handoffgezeigt werden. Eigenheiten wie das

”Bi-Casting“ und Schwachen wie

”suboptimales Routing“ wur-

den diskutiert. Sowohl die Starken und Schwachen der einzelnen Protokolle, als auch der Einflußverschiedener Faktoren im Modell, fuhrten schließlich zu der Feststellung, dass keines der Protokol-le optimal unter allen Bedingungen arbeiten kann. Je nach Einsatzgebiet mussten die Schwerpunkteunterschiedlich abgesteckt werden und benotigten eine andere Betrachtungsweise.

Als abschließendes Ergebnis bleibt schließlich festzustellen, dass es bereits eine Vielzahl von Losungs-ansatzen fur das Problem des Mobilitatsmanagements in zukunftigen Netzwerken gibt. Dennoch ist

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hier sicher noch kein Ende der Entwicklung erreicht. Viele Faktoren gibt es noch abzuwagen. Auf dereinen Seite muss die Performance und Kompatibilitat der bestehenden Losungen hinterfragt werden,auf der anderen Seite aber auch der Aufwand in der Implementierung. Der Wunsch nach weiteren Op-timierungen bleibt: Eine noch bessere Performance und eine gesteigerte Kompatibilitat wurde weitereVerbesserungen mit sich bringen. Auch einige Fragen bleiben noch offen: welche Art des Handoffs istzu wahlen, wie zuverlassig ist eine Losung in Bezug auf Traffic und einer Vielzahl mobiler Gerate, so-wie die Frage wie eng die Kopplung zwischen Sicherungs- und Vermittlungsschicht sein darf, um einausgewogenes Maß an Performance und Kompatibilitat zu erreichen. Weitere Forschungen auf die-sen Gebiet sind notig, um auch in zukunftigen Netzwerken das Problem des Mobilitatsmanagementsangemessen zu losen.

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