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Seminararbeit | Markus Kutz | 992834 Die großen Berliner Wettbewerbe Professur Entwerfen & Siedlungsbau | Prof. Hilde Barz-Malfatti | Dipl. Ing. Steffen de Rudder Candilis – Josic – Woods Erweiterung der Freien Universität Berlin 1967

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Seminararbeit | Markus Kutz | 992834

Die großen Berliner Wettbewerbe Professur Entwerfen & Siedlungsbau | Prof. Hilde Barz-Malfatti | Dipl. Ing. Steffen de Rudder

Candilis – Josic – Woods Erweiterung der Freien Universität Berlin 1967

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| Inhaltsverzeichnis

01| Einleitung

02| CIAM: "Die funktionelle Stadt" und "Die Charta von Athen"

03| Team X

04| Candilis – Josic – Woods

05| Der Wettbewerb: Erweiterung der Freien Universität Berlin

05|1| Situation der Hochschule

05|2| Wettbewerbsforderung & -programm

05|3| Der 1. Preis: Candilis-Josic-Woods, Paris

05|3|1 Der Entwurf

05|3|2 Die Konstruktion

05|3|3 Die Realisierung

05|4| Der 2. Preis: Henning Larsen, Kopenhagen

06| Kritische Betrachtung & Beobachtung zum Wettbewerb

06|1| Standort

06|2| Erweiterbarkeit & Orientierung

06|3| städtischer Zusammenhang & Projekt am Römerberg

07| Schlussbetrachtung

08| Quellenverzeichnis

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01| Einleitung

Betrachtet man die Geschichte des 1963 durchgeführten Wettbewerbs der Erweiterung der Freien

Universität Berlin und dem daraus siegreichen Büro Candilis-Josic-Woods aus Paris, dann verdeutlicht

sich der Wandel im städtebaulichen Denken in Europa. Es ist die Entwicklung von der ‚funktionalen

Stadt’ Le Corbusiers hin zu einem neuen ‚Verstehen’ von Stadt, Raum und Mensch. Ausgehend von

den Theorien und Gedanken des CIAM, an denen Candilis und Woods beteiligt waren, und der Kritik

an Le Corbusiers Thesen, entwickelten Candilis-Josic-Woods ein neues Raummodell, welches sie in

verschiedenen Entwürfen formulierten, und in der Erweiterung der Freien Universität Berlin

realisierten.

Candilis und Woods arbeiteten beide im Büro von Le Corbusier in Paris. Hieraus ergibt sich eine

wechselhafte Beziehung zu ihm. Natürlich sind Elemente der neuen, modernen Stadt die Corbusier

sieht auch bei Candilis und Woods vorhanden. Nicht zuletzt entnehmen ihre Entwürfe immer wieder

Ansätze Le Corbusiers, erweitern sie aber stets im Sinne des Team X zu einer ‚menschendominierten

Stadtplanung’. Das enge Verhältnis zu Corbusier sieht man anhand der strengen Organisation der

Freien Universität Berlin Erweiterung in Verbindung mit Le Corbusiers Modulor. Wiederum zeigt

dessen Entwurf von 1964 für das Hospital in Venedig eine gewisse Ähnlichkeit mit dem

Wettbewerbsentwurf der Freien Universität Berlin. Die Theorien und Grundsätze der CIAM, Le

Corbusiers und des Team X waren für den modernen Städtebau wichtige Grundsätze und

charakterisieren die Basis des Büros Candilis-Josic-Woods.

Abb. 01| Woods (links), Bodiansky (Mitte) und Woods (rechts) während des Baus der Unité d´Habitation in Marseilles 1951

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02| CIAM: "Die funktionelle Stadt" und "Die Charta von Athen"

Ausgehend von den ersten Theorien zum Umgang mit der Stadt im 19. Jahrhundert entwickelte sich

ein neues Verständnis für die Beziehung von Stadt und Mensch. Der Kollaps der Stadt, als Erscheinung

der rasanten Industrialisierung, erforderte planerische Eingriffe in die historischen Strukturen der

Stadt. Lösungsansätze für das Problem Stadt wurden durch die ständige technische

Weiterentwicklung bestimmt. Hierbei setzten sich die funktionalistisch orientierten Theorien durch

(Industriestadt, Gartenstadt). Diese Ideen standen im engen Zusammenhang mit der sich parallel

entwickelnden Kunstauffassung. Funktionalität, Abstraktion, Reduktion waren bestimmende

Schlagworte der avantgardistischen Kunst- und Architekturströmungen am Anfang des 20.

Jahrhunderts (Futurismus, Kubismus, Konstruktivismus). Die Diskussion über Funktionalität

beschränkte sich nicht nur auf materielle, sondern auch auf sozioökonomische und spirituelle Werte

(Bauhaus, de Stijl); also eine funktional orientierte Architektur- und Stadtentwicklung als Chance für

eine Verbesserung der menschlichen Umwelt. Die Vertreter dieser Auffassung erarbeiteten in den 20er

Jahren verschiedene Ansätze zur Umsetzung ihrer Ideen.

Es entwickelte sich ein internationales (vorwiegend europäisches) Bestreben, einen gemeinsamen Weg

in Kunst, Architektur und Städtebau zu suchen und zu verfolgen. "Die Zeit schien reif dafür, dass die

Protagonisten der verschiedenen Bestrebungen in Frankreich, Belgien, Holland, Deutschland,

Österreich, der Schweiz, Italien und Spanien an einem zentral gelegenen Ort zusammenkamen."1

Seit der Erklärung von La Sarraz, dem ersten Treffen des "Congrès Internationaux d'Architecture

Moderne" (CIAM) 1928, galt dem Städtebau besondere Aufmerksamkeit:

"1. Stadtbau ist die Organisation sämtlicher Funktionen des kollektiven Lebens in der Stadt und auf

dem Lande. Stadtbau kann niemals durch ästhetische Überlegungen bestimmt werden, sondern

ausschließlich durch funktionelle Folgerungen.

2. An erster Stelle steht im Stadtbau das Ordnen der Funktionen: das Wohnen, das Arbeiten, die

Erholung (Sport, Vergnügen). Mittel zur Erfüllung dieser Funktionen sind: Bodenaufteilung,

Verkehrsregelung, Gesetzgebung."2

Diese Funktionsteilung der Stadt wurde zum Hauptthema der nachfolgenden Diskussionen. Die

Ergebnisse der ersten 4 Kongresse bildeten die Grundlage für die 95 Thesen der "Charta von Athen".

Die wichtigsten Schlussfolgerungen der Charta wurden wie folgt zusammengefasst:

„ 75 - Die Stadt muss auf geistiger und materieller Ebene die individuelle Freiheit und den Nutzen

gesellschaftlichen Zusammenwirkens sicherstellen [...]

77 - Die Schlüssel zum Städtebau liegen in folgenden vier Funktionen: Wohnen, Arbeiten, Sich

erholen (in den freien Stunden), Sich fortbewegen.

87 - Für den Architekten [...] wird der menschliche Maßstab das Messinstrument sein.

1 Siegfried Giedion; CIAM - Dokumente 1928-1939, Martin Steinmann, Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart, 1979, S. 9 2 Erklärung von La Sarraz: CIAM - Dokumente 1928-1939, Martin Steinmann, Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart, 1979, S. 28-29

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88 - Der ursprüngliche Ausgangspunkt des Städtebaus ist eine Wohnzelle (eine Wohnung) und ihre

Einfügung in eine Gruppe, die eine Wohneinheit effizienter Größe bildet.

95 - Das Privatinteresse wird in Zukunft dem Interesse der Gesellschaft unterstellt sein.“3

Es wird klar, die Stadt soll sich vom Mensch und dessen Wohnung aus entwickeln. Das Individuum

und die Gemeinschaft treten in eine neue komplexere Beziehung zueinander, und um das Chaos der

bestehenden Städte zu bekämpfen oder zu vermeiden, werden diese in homogene Nutzungszonen

aufgeteilt.

03| Team X

Es waren Stimmen aus den eigenen Reihen, die den CIAM ins Wanken brachten. Das spätere Team X

war es, die ein Unbehagen gegenüber den dogmatischen und schematischen Ansätzen der Charta von

Athen teilten. Mit dem VIII. Kongress 1951 im englischen Hoddesdon fand eine Gruppe junger

Architekten zusammen, unter ihnen Alison und Peter Smithson, Aldo van Eyck, Jakob Bakema, George

Candilis, Shadrach Woods, John Voelcker, William und Jill Howell, die ein Unbehagen gegenüber den

dogmatischen und schematischen Ansätzen der Charta von Athen teilten. Ihr Widerspruch äußerte

sich mit dem IX. Kongress in Aix-en-Provence 1953 in einer offenen Provokation, als die Smithsons

mit ihrem Beitrag der einfachen Funktionstrennung der Stadt in Wohnen, Arbeit, Freizeit und

Verkehr die Begriffe "House, Street, District und City" gegenüberstellten und damit den Mangel einer

sozialen Komponente in der Betrachtungsweise der Charta formulierten. Das von ihnen vorgestellte

3 Le Corbusiers ‚Charta von Athen' Texte und Dokumente, Thilo Hilpert, Fr. Vieweg & Sohn, Braunschweig, 1984, S. 155-166

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Plakat basierte auf Photographien von Nigel Henderson´s "East End Life", einer photographischen

Sozialstudie des Straßenlebens in einem Viertel Londons, das nach den Maßstäben der Charta keine

Berechtigung auf Fortbestand gehabt und einer wohlgeordneten Rasterplanung hätte weichen

müssen.

Sie stellten die Betrachtungsweise der „funktionalen Stadt“ und der damit verbundenen Trennung der

Funktionen in Frage und suchten den Weg, der von der kleinsten sozialen Einheit ausging. Nicht die

technoide, mechanische Herangehensweise der Charta lag ihrem Streben zu Grunde, sondern die

Aspekte von Identität und Gemeinschaft und die sozialpsychologischen Bedürfnisse in eine physische

Form zu bringen. Die junge Generation, aufgefordert, den X. Kongress vorzubereiten, wird in der Folge

als "Team X" bekannt. Die deutlichste Kritik des Team X am CIAM und der Charta lässt sich sicherlich

in der Form der gesuchten Auseinandersetzung sehen.

Die Gruppe schreibt resümierend zum XI. Kongress: "Der Mensch mag sich leicht mit seinem eigenen

Heim identifizieren, aber nicht ohne weiteres mit der Stadt in der er sich befindet. Irgendwo

‚hinzugehören’ ist ein grundlegendes emotionales Bedürfnis.

Die Assoziationen die sich damit verbinden, sind von der einfachsten Art. Vom ‚Hingehören’, von

Identität kommt das bereichernde Gefühl der Nachbarschaft. Die kurze, schmale Strasse des Slums hat

Erfolg, wo großzügige Sanierungen häufig scheitern."4

Ihre Theorien stellten sich im Vergleich zum CIAM als ein Forschen mit offenem Ausgang dar. Sie

formulieren zwar Richtungen, aber dogmatisieren und schematisieren nicht. Team X und seine

Konsequenzen sind jedoch keinesfalls als Palastrevolte zu verstehen. Die Entwicklung ist als eine

kontinuierliche anzusehen, denn für die Mitglieder von Team X waren die Arbeit und Erkenntnisse des

CIAM und der Charta wichtig und in ihren Ansätzen richtig, um die vorherrschende Situation erfassen

und bearbeiten zu können. Lediglich die Art des Umgangs mit dem Thema, also die Festsetzung

dogmatischer Strukturen war nach dem II.Weltkrieg nicht mehr haltbar. In einem Brief Le Corbusiers

an den Kongress in Dubrovnik heißt es: „Jene, die nun vierzig Jahre alt sind, um 1916 inmitten von

Kriegen und Revolutionen geboren, und jene damals noch nicht Geborene, heute fünfundzwanzig

Jahre alt, die um 1930 während der Vorbereitung für einen neuen Krieg und in einer schweren

wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise zur Welt kamen, sind in der jetzigen Zeit die einzigen,

die aktuelle Probleme persönlich und intensiv erfassen. Sie fühlen, welche Ziele verfolgt werden

müssen, mit welchen Mitteln man sie erreicht und wie dringlich die heutige Situation ist. Sie wissen

Bescheid. Anders ihre Vorgänger, sie sind nicht mehr im Bilde, sie sind den direkten Auswirkungen der

Situation nicht mehr unterworfen.“.5

4 Internet: www.uni-weimar.de/architektur/e+gel1/projekte/leonding%20entwurf01/leondingseminar/charta.PDF 5 Kenneth Frampton: Die Architektur der Moderne: eine kritische Baugeschichte, Thames and Hudson Ltd., London, 1980, S. 231

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04| Candilis – Josic – Woods

Georges Candilis wurde als Kind griechischer Eltern 1913 in Baku geboren. Er studierte Architektur in

Athen, wo er auf dem vierten CIAM-Kongreß 1933 Le Corbusier begegnete. Nach dem Krieg ging er

nach Frankreich und arbeitete dort zunächst bei André Lurçat; ab 1946 bei Le Corbusier, 1948 kam

Shadrach Woods hinzu. Candilis arbeitete in Partnerschaft mit Woods und Alexis Josic von 1955 bis

1963, mit Woods bis 1967 und in privater Praxis in Paris von 1963 bis zu seinem Tod 1985.

Alexis Josic wurde 1921 in Stari Becej, Jugoslawien, geboren. Er studierte Malerei und Architektur in

Belgrad. 1953 bis 1955 arbeitete er bei ATBAT (Atelier des Batisseurs) Afrique in Paris, wo er Candilis

und Woods traf. 1963 bis 1973 lehrte er an der Ecole des Beaux Arts in Paris. 1965 gründete er das

Atelier Josic Architectes in Sèvres, das er bis heute mit seinen beiden Söhnen betreibt. Der Berliner

Senat hat ihn als Berater bei der Planung von Foster and Partners eingeschaltet.

Shadrach Woods wurde 1923 in Yonkers, New York, geboren. Er studierte Ingenieurwesen an der New

York University, sowie Literatur und Philosophie am Trinity College in Dublin. Er arbeitete im Büro von

Le Corbusier in Paris und bei ATBAT. Die Partnerschaft mit Candilis und Josic dauerte von 1955 bis

1963. Die Zusammenarbeit mit Candilis setzte er bis 1967 fort; danach kehrte er in die USA zurück. Er

starb 1973 in New York.

Candilis und Woods waren entscheidend an der Entwicklung des Team X und dem Ende der CIAM

beteiligt. Zusammen arbeiteten sie bei Le Corbusier im Büro in Paris, und es wird bei einer tieferen

Betrachtung ihres Gesamtwerks schnell deutlich, dass sie in ihrer Herangehensweise und Arbeitsweise

die Techniken und Ideen Le Corbusiers verinnerlicht haben. Besonders deutlich wird dies auch im

Entwurf für die Erweiterung der Freien Universität in Berlin, bei dem Candilis – Josic – Woods Le

Corbusier nicht verleugnen, sondern auf seinem System des Modulors aufbauen, um so ein dem

menschlichen Maßstab angepasstes Raumnetz zu entwickeln, welches das Grundsystem des gesamten

Entwurfes darstellt.

Jedoch anders als in den revolutionären Städtebaustudien Le Corbusiers, versuchen Candilis – Josic –

Woods in ihrem Entwurf für die Erweiterung der FU Berlin in der Tradition Aldo van Eycks die

Schwelle des Modernen Städtebaus zu überschreiten. Die Auflösung des Innen und des Außen, der

klar ablesbaren funktionsorientierten Zonen zwischen Gebäude und Stadt. Vielmehr kommt es

erstmals zu einer Durchmischung von verschiedenen Ebenen: Haus und Stadt, Naturraum und

Verkehrsraum, Funktionalität und Identifikation, Individualismus und Gemeinschaft, Konstruktion und

Komplexität...

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05| Der Wettbewerb: Erweiterung der Freien Universität Berlin

05|1| Situation der Hochschule

Die Situation der deutschen Hochschulen nach dem Krieg war gekennzeichnet durch einen fast

zwanzigjährigen Nachholbedarf. Dabei stiegen die Studentenzahlen ständig, ohne dass die

Verbesserung der räumlichen Verhältnisse Schritt halten konnte. Die Freie Universität Berlin wurde

nach der Spaltung Berlins im Jahre 1948 von Professoren und Studenten der Humboldt Universität

gegründet, und war anfangs in einigen Privatvillen in Dahlem untergebracht. Nach und nach

entstanden eine Reihe von Neubauten, dennoch mussten viele Privathäuser angemietet werden. Gab

es zu Beginn ca. 2140 Studenten, stieg die Zahl der Studierenden sprunghaft an, und 1963 zur Zeit

des Wettbewerbes gab es schon fast 11000 Studierende an der FU Berlin. Die Wahl Dahlems als

Standort einer Universitätserweiterung ging zurück auf die Planungen des preußischen Staates durch

Althoff und Jansen, Anfangs des 20. Jahrhunderts, der in Dahlem eine Stadt der Wissenschaft anlegen

wollte. 1963 wurde ein internationaler Architektenwettbewerb zur Bebauung des gesamten

ehemaligen Obstbaugeländes ausgeschrieben. Ihm lag ein Programm zugrunde, das umfängliche

Bauflächen für nahezu das gesamte Spektrum der Geistes- und Naturwissenschaften der FU

beanspruchte.

Abb. 02| Ausschnitt aus dem Berliner Stadtplan 1:200000

1. Universitätsgelände in Dahlem und Kliniken | 2. Sportstätten zwischen den U-Bahnhöfen Dahlem-Dorf und Podbielskiallee | 3. Gelände der TU, Hochschule für bildende Künste und Musikhochschule, Meisterschule für das Kunsthandwerk | 4. Humboldtuniversität, Kliniken, Institute und Museen | 5. Gelände am Lehrter Bahnhof | 6. Gelände am Anhalter Bahnhof

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Abb. 03| Gelände der Obstwiese in Dahlem und späteres Wettbewerbsgebiet der FUB Erweiterung

Abb. 04| Luftbild des Geländes der Obstwiese

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05|2| Wettbewerbsforderung & -programm

Das Wettbewerbsprogramm gab den Teilnehmern eine detaillierte Raumordnung und Beschreibung

der technischen Abläufe einer Hochschule vor. Wichtig für die gesamte Planung des Komplexes waren

eine generelle Erweiterbarkeit, so z.B. der naturwissenschaftlichen Einrichtungen um 60% oder der

Hörsaalgebäude um 20%. Zudem sollten die Teilnehmer nicht nur von dem Einzelkomplex des

konkreten Wettbewerbs ausgehen, sondern sich darüber hinaus um die Einbindung der universitären

Gesamtanlage bemühen und die geforderten Bauten in die Gesamtgestaltung der Universität

integrieren. Die innere Dynamik und Lebendigkeit einer Universität auf Grund ihrer wechselnden

Aufgaben und Entwicklungen waren in die Planung mit einzubeziehen. In diesem Sinne waren

Raumgruppen und -elemente zu entwickeln, die in der Nutzung Austauschbarkeit und

Erweiterungsmöglichkeiten untereinander gestatteten. Ein wichtiger Punkt der

Wettbewerbsforderungen war die Frage des Verkehrs, mit der aber nicht vorausschauend umgegangen

wurde. Die nötige Kapazität an Verkehrs- und Abstellflächen wurde nach folgendem Schlüssel

errechnet: 3 Professoren, Mitarbeiter, Personal = 1 Auto; 5 Studenten = 1 Auto; macht insgesamt

1800 Stellplätze. Weiterhin kam hinzu, dass die Informationen der Ausschreibung schlichtweg falsch

waren. Kulturelle Standorte waren unvollständig eingearbeitet und die Verkehrssituation, sowohl des

PKW-Verkehrs als auch des U-Bahnnetzes wiesen erhebliche Lücken auf. Auf die wohntechnische

Situation der Studenten wurde überhaupt nicht eingegangen. Die meisten Studenten wohnten

nämlich zu dieser Zeit in Berlins Innenstadt und wollten dort auch wohnen bleiben. Die

Wettbewerbsforderungen sahen vor, dass auf dem Wettbewerbsgelände folgende Einrichtungen

untergebracht werden sollten: Die Philosophische Fakultät mit ihren Hauptfächern, wie Philosophie,

Geschichte, Germanistik, Anglistik, Romanistik usw., und dem Kollegiengebäude (Hörsaalgebäude); die

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät mit Hörsaalgebäude und Instituten für organische

Chemie, physikalische Chemie und Biochemie; eine zweite Mensa als Ausgabemensa. Den

Raumprogrammen der wichtigsten Institute waren Funktionsdiagramme als Schlüssel für die

innerbetrieblichen Zusammenhänge beigefügt, die zugleich als Entscheidungskriterium bei der

Beurteilung der eingereichten Wettbewerbsarbeiten dienten.

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Abb. 05| System der späteren Erweiterbarkeit der Universität

Abb. 06| Wege für Fußgänger, U-Bahn, Kraftfahrzeuge

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05|3| Der 1. Preis: Candilis-Josic-Woods, Paris

05|3|1 Der Entwurf

Gewinner des Wettbewerbs war ein junges Team aus Paris mit den Architekten Georges Candilis,

Alexis Josic und Shadrach Woods. Der prämierte Entwurf sah eine flache 2- bis 3-geschossige

Bebauung vor, ein clusterartiges Raumgefüge mit einem vernetzten System von allgemein

zugänglichen Straßen und Wegen, das die Einrichtungen und unterschiedlichen Institute verbinden

sollte. Candilis-Josic-Woods sahen in der Artikulation der Gemeinschaft, der Gruppe, und des

Individuums die Idee der Universität vertreten. Und dies konnte nur eine flache, sich dem

menschlichen Niveau angepassten und in verschiedene überlappende Bereiche getrennte

Grundstruktur erreichen. Im Gegensatz zum Skyscraper in dem die Kommunikation zwischen einander

nur schwer möglich ist, bestand im System des Groundscrapers die Möglichkeit der Gemeinschaft und

des Austausches. Oberstes Prinzip bei dem Entwurf war seine Veränderbarkeit und

Anpassungsfähigkeit an künftige Entwicklungen der Hochschule. Die Universität als Austauschort für

Ideen und Informationen verlangt nach verschiedenartigen gestalteten Raumarten, wie Zonen hoher

Aktivität, Zonen der Ruhe sowie Zonen der Erholung. Diese Zonen bestimmen im Wesentlichen die

Organisation des Gebäudes. Die Zonen der Aktivität liegen im Bereich der Fußgängerstrassen, die sich

in Haupt- und Nebenstrassen gliedern. Die Zwischenräume nehmen die Zonen der Forschung sowie

des individuellen Austausches auf. Das Gesamte wird von einem System von ebenerdigen Grünräumen

und bepflanzten Dachgärten als Erholungszone überlagert. Diese ‚Strassen’ sind Fußgängerzonen, die

konsequent in vielfältiger Weise für den Austausch von Informationen, Begegnungen oder Waren

genutzt werden können. Das Nebeneinander der Funktionen auf 2 Geschossen fördert den Aspekt der

Kommunikation, man kann andere beobachten oder auch von der gegenüberliegenden Dachterrasse

beobachtet werden. In den Pausen können die teils öffentlichen, teils relativ privaten Höfe von den

Mitarbeitern und Studenten bespielt werden. So nehmen die Nutzer aktiv am Entwicklungsprozess des

Gebäudes teil.

Abb. 07| homogene Flachbauprinzip – isolierter Hochbaukörper Abb. 08| Schema der Wege, Zugänge und Querverbindungen

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Abb. 09| Lage- und baumassenplan des Wettbewerbentwurfes

Abb. 10| Modellphoto des Wettbewerbentwurfes

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05|3|2 Die Konstruktion

Um der Konzeption der Erweiterbarkeit zu entsprechen, wurde ein adaptierbares,

vollindustriealisiertes Bausystem entwickelt, welches konsequent vom Rohbausystem bis zum Ausbau

geht. Alle Bauteile können demontiert und an anderer Stelle aufgebaut werden. Das Rohbausystem

besteht aus betonummantelten Stahlstützen, paarweisen Deckenträgern aus Stahlprofilen und

ebenfalls verschraubten, vorgefertigten Betondeckenplatten. Das Grundraster von 30cm ermöglicht

eine flexible Anordnung des Stützensystems, welche einen hohen Grad an Freiheit auch innerhalb des

Gebäudes ermöglicht. Für spätere Umbauten sind große Montageschächte an den Fahrwegen im Keller

vorhanden. Die gesamte Konzeption des Gebäudes ist ausgelegt als ein nützliches Instrument für die

Verwirklichung von verschiedenartigen, sich im Laufe der Zeit ändernden Raumprogrammen und

Anforderungen, wobei die tragende Konstruktion nur eine dienende Funktion einnimmt.

05|3|3 Die Realisierung

Nachdem der Auftrag vom Bausenator erteilt war, eröffnete Shadrach Woods in Berlin mit Manfred

Schiedhelm ein Büro und zeichnete zunächst einen Masterplan für die Gesamtanlage, auf dessen Basis

dann die ersten Bauabschnitte gebildet wurden. Die Realisierung des auch in der Fachwelt viel

beachteten Projekts ging dann allerdings nur schleppend voran; das hatte verschiedene Ursachen:

Der gravierendste Grund war die auch damals prekäre finanzielle Situation der Stadt, die für den

Neubau einer ganzen Universität (denn darauf lief der Gesamtbebauungsplan letztlich hinaus) die

erforderlichen Mittel in einer angemessenen Zeit kaum zur Verfügung stellen konnte. Hinzu kamen

Abb. 11| Veränderbarkeit der Institutsräume 1.Bibliothek – 2. Büroräume & Gruppenarbeitsräume

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technische Probleme, insbesondere bei der Entwicklung und Fertigung des aus dem Wettbewerb

hervorgegangenen elementierten Fassadensystems. Das technische Konzept hierfür stammte von dem

französischen Konstrukteur Jean Prouvé, der angesichts der großen Zahl von Elementen naturgemäß

von einer industriellen Herstellung ausging, für die aber in Berlin kaum geeignete Betriebe zu finden

waren. Überlagert wurde der Vorgang durch die Entscheidung, für die Fassade ein neues, aber nicht

ausreichend erprobtes Material zu verwenden: Die neu entwickelte Stahl-Legierung Corten sollte nach

kurzer Korrosionszeit eine stabile Rostpatina als wartungsfreie Schutzschicht bilden - eine Erwartung,

die sich durch die später zunehmende Marodität der Fassadenplatten nicht erfüllt hat. So kam es,

dass die Baustelle, die 1967 eröffnet worden war, sich Jahre hinschleppte; gerade mal ein erster

Teilabschnitt, die ‚Rostlaube’, wurde schließlich 1973 bezogen. Inzwischen war die Zahl der

Studierenden an der FU sprunghaft angestiegen und die Raumsituation angespannt wie nie zuvor:

Während zu Beginn der Planung noch um die 10.000 Studierende an der FU eingeschrieben waren,

hatte sich die Zahl bis Anfang der 70er Jahre auf 25.000 erhöht. Das Nutzungskonzept der gerade

fertig gestellten ‚Rostlaube’ , deren Räume eigentlich nur für die damaligen Fachbereiche Germanistik

und Geschichte vorgesehen waren, musste überarbeitet werden mit dem Ergebnis einer

notwendigerweise erheblichen Verdichtung: Die Romanistik und das neu errichtete Zentrale

Sprachlabor mussten zusätzlich aufgenommen werden. Auch die 1978/80 fertig gestellte ‚Silberlaube’

(der zweite Teilabschnitt, dessen Außenhaut aus Aluminium besteht) wurde wesentlich dichter belegt

als ursprünglich geplant.

Abb. 12| 1.Bauabschnitt die „Rostlaube“

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05|4| Der 2. Preis: Henning Larsen, Kopenhagen

Im Gegensatz zu Candilis, Josic & Woods setzt Larsen das Wettbewerbs- und das Entwicklungsgebiet

der FU in einen großen Zusammenhang, welche die zukunftsträchtige Entwicklung des gesamten

Campus zeigt. Das System erlaubt eine Erweiterung nur im adaptiven Sinne der Achsen, und lässt der

Universität wenig Spielraum der Gestaltung. Das Resultat ist die kühle Atmosphäre eines

Ordnungsschemas. Auszug aus der Erklärung des Preisgerichts: „Die Gestalt der Gesamtanlage leidet

unter einem gewissen Schematismus der dem Wesen der Universität fremd ist.“6 Ausgehend von

einem ‚Stamm’ wie bei dem Wettbewerbsentwurf von Candilis-Josic-Woods für die Universität in

Bochum ein Jahr zuvor, Larsen nennt es Rückgrat, gliedern sich Baukörper, welche verschiedene

Funktionen in immer gleicher Gestaltung aufnehmen. Zwischen diesen Baukörpern befinden sich

Höfe, die der Entspannung und der Freizeit dienen, und außerdem die Riegel mit den Instituten

belichten. Jedoch lässt sich durch die Systematik der Gliederung im Einzelnen wie im Gesamten doch

eine positive, leicht erkennbare Struktur absehen, welche der Organisation des gesamten Campus

dienlich ist.

6 Aus der Beurteilung des Preisgerichts: Bauwelt, Nr. 6/1964, S.168

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Abb. 13| Gesamtlageplan Universitätserweiterung Henning Larsen 2.Preis

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Abb. 14| Lageplan Universitätserweiterung Henning Larsen 2.Preis

Abb. 15| Modellphoto des Wettbewerbentwurfes Henning Larsen 2.Preis

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06| Kritische Betrachtung & Beobachtung zum Wettbewerb

06|1| Standort

Das Baugebiet in Dahlem bot sich natürlich an, trotzdem wurde dieser Standort für eine Universität

nie richtig akzeptiert, auch wenn die Positionierung Dahlems zwischen Berlin und Potsdam viel

versprechend schien. In Europa steht eine Universität immer in Verbindung zu einer Stadt (anders als

in Amerika, wo die Universität zusammen mit dem Einkaufszentrum vor die Stadt gezogen ist) und ist

traditionell und kulturell mit ihr verankert. Dies kommt auch bei Karl Wilhelm Schmitts kritischer

Anmerkungen zum Wettbewerb zur Sprache, der einen Standort innerhalb des Geländes des Lehrter

Bahnhofs für besser hält da sowohl kulturelle als auch soziale Knoten innerstädtisch schon vorhanden

sind. Er sagt: „Vielleicht ist aber das endlich gewählte Bausystem so flexibel, dass man es im

geeigneten Zeitpunkt zusammenpacken und am rechten Ort (nahe der Innenstadt) wieder aufstellen

kann.“7

Abb. 16| Ausschnitt aus dem Berliner Stadtplan 1:200000

1. Universitätsgelände in Dahlem und Kliniken | 2. Sportstätten zwischen den U-Bahnhöfen Dahlem-Dorf und Podbielskiallee | 3. Gelände der TU, Hochschule für bildende Künste und Musikhochschule, Meisterschule für das Kunsthandwerk | 4. Humboldtuniversität, Kliniken, Institute und Museen | 5. Gelände am Lehrter Bahnhof | 6. Gelände am Anhalter Bahnhof

7 Karl Wilhelm Schmitt: Bauwelt, Nr. 6/1964; S.161

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06|2| Erweiterbarkeit & Orientierung

Das System von Candilis Josic Woods scheint beliebig erweiterbar. Jedoch stellt die Formulierung des

Wettbewerbs für mich eine Art Endpunkt dar. Diese Form scheint, als wäre sie in sich stabil und

ausgewogen, und würde somit in der Artikulation dem Cluster entsprechen. Die Orientierung in

diesem Cluster ist klar und verständlich, kann aber schwer über die Grenzen hinaus gedacht werden.

Reiht man mehrere dieser Cluster hinter- und aneinander so fällt einem die Orientierung und

Strukturierung sehr schwer.

Abb. 17| Unendliche Erweiterbarkeit

06|3| städtischer Zusammenhang & Projekt am Römerberg

Dem Wettbewerb in Berlin ging ein Wettbewerb in Frankfurt voraus, bei dem Woods in

Zusammenarbeit mit Schiedhelm anstelle des im Krieg zerstörten mittelalterlichen Stadtkerns eine Art

labyrinthische Miniaturstadt setzten die durch ihre orthogonale Form eine Disparität zur Struktur der

mittelalterlichen Stadt stellt. Läden, Büros, und Wohnungen sowie öffentliche Bereiche und Parks

wechselten sich ab und bildeten ein städtisches Ereignis. Kenneth Frampton schrieb hierzu: „ Auch

wenn eine Universität vielleicht wie ein Mikrokosmos funktioniert, kann sie nicht die Lebendigkeit der

eigentlichen Stadt erzeugen.“8

8 Kenneth Frampton: Die Architektur der Moderne: eine kritische Baugeschichte, Thames and Hudson Ltd., London, 1980, S. 236

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Abb. 18| Entwurf Frankfurt Römerberg

07| Schlussbetrachtung

Die freie Universität ist kein einfaches Gebäude. Es ist ein Raum für eine alternative

Gesellschaftsordnung und kann als eine Art merkwürdiger Kreuzungspunkt zwischen einem Flughafen

und einer Kaserne beschrieben werden. Woods erkannte den Einfluss von Fourier's Kasernen und

dessen Betonung gesellschaftlicher Wechselwirkungen und verweist auf die Illustrationen des

französischen Philosophen im 19. Jahrhundert, wo Städtebau und Architektur sich zu einer sozialen

Reformbewegung vereinigen.

In Fourier's Kasernen, werden die Korridore zum grundsätzlichen Raum für gesellschaftliche

Wechselwirkungen und Beziehungen: wo Individuen und Ideen frei zirkulieren, und die Dominierung

als solche abgeschafft wurde. Natürlich, sind diese Vorstellungen der Kern für die Strukturierung in

Berlin. Der Austausch von Ideen, die Assoziation von Disziplinen, und die Benutzung eines minimal

strukturisierten Systems, wo Individuen und Gruppen wünschenswerte Bezüge bestimmen können.

Das Konzept der Freien Universität ist aber auch verbunden mit einer direkten Beobachtung der

unmittelbaren gebauten Umgebung: man erkennt, dass übergroße Infrastrukturen und stetig

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entwickelnde Programme auch eine entsprechende Form der Organisation brauchen. Es ist diese

neugierige Kombination von Utopie und Tatsache (zwei Wörter, die wiederholt in den Schriften von

Shadrach Woods erscheinen), welche erklären könnte, dass sich das Interesse an den Erfahrungen der

Freien Universität Berlin immer wieder erneuert.

08| Quellenverzeichnis

01| Die Architektur der Moderne: eine kritische Baugeschichte; Kenneth Frampton; Thames and

Hudson Ltd.; London; 1980

02| Berlin Free University: Candilis, Josic, Woods, Schiedhelm (Exemplary Projects3); Architectural

Association; Sang Choy International; London; 1990

03| Dokumente der Modernen Architektur; Beiträge zur Interpretation und Dokumentation der

Baukunst Candilis Josic Woods; Jürgen Joedicke; Karl Krämer Verlag; Stuttgart/Bern;

04| CIAM - Dokumente 1928-1939; Martin Steinmann; Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart;

1979

05| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.164-167

06| Architectural Association Journal; Nr. 883/1964; S. 15-17

07| Bauen und Wohnen; Nr. 7/1966; S. 268-276

08| Le Corbusiers: Charta von Athen - Texte und Dokumente; Thilo Hilpert; Fr. Vieweg & Sohn;

Braunschweig, 1984

09| Deutsche Bauzeitung; Nr. 10/1974; 887-893

http://www.kgi.ruhr-uni-bochum.de/projekte/rub_expo/k5/k5_t5.htm

http://www.fu-berlin.de/npb/seite_geschichte.html

http://www.architektursalon-kassel.de/the_brain.htm#Vorgeschichte%201

Abb01| Berlin Free University: Candilis, Josic, Woods, Schiedhelm (Exemplary Projects3); Architectural

Association; Sang Choy International; London; 1990; S.106

Abb02| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.165

Abb03| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.163

Abb04| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.164

Abb05| Dokumente der Modernen Architektur; Beiträge zur Interpretation und Dokumentation der

Baukunst Candilis Josic Woods; Jürgen Joedicke; Karl Krämer Verlag; Stuttgart/Bern;

Abb06| Dokumente der Modernen Architektur; Beiträge zur Interpretation und Dokumentation der

Baukunst Candilis Josic Woods; Jürgen Joedicke; Karl Krämer Verlag; Stuttgart/Bern;

Abb07| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.166

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Abb08| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.166

Abb09| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.166

Abb10| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.164

Abb11| Deutsche Bauzeitung; Nr. 10/1974; 890

Abb12| Berlin Free University: Candilis, Josic, Woods, Schiedhelm (Exemplary Projects3); Architectural

Association; Sang Choy International; London; 1990; S.16

Abb13| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.165

Abb14| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.168

Abb15| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.164

Abb16| Bauwelt; Nr. 6/1964; S.165

Abb17| Collage von Markus Kutz

Abb18| Die Architektur der Moderne: eine kritische Baugeschichte; Kenneth Frampton; Thames and

Hudson Ltd.; London; 1980; S.235