Semiologie nicht-epileptischer Anfälle bei Kindern und ... · Semiologie nicht-epileptischer...

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Semiologie nicht-epileptischer Anfälle bei Kindern und Jugendlichen Elisabeth Korn-Merker [email protected] Fortbildungsakademie der GNP München 17. September 2014 2 ©2013 Klinik Hochried Differentialdiagnosen I Synkopen (vaskulär, cardiogen) Hypoglykämie cardiale Arrhythmie paroxysmaler Schwindel (hemiplegische) Migräne transitorische ischämische Attacken (TIA) Narkolepsie

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Semiologie nicht-epileptischer Anfälle

bei Kindern und Jugendlichen

Elisabeth Korn-Merker

[email protected]

Fortbildungsakademie der GNP München 17. September 2014

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Differentialdiagnosen I

• Synkopen (vaskulär, cardiogen)

• Hypoglykämie

• cardiale Arrhythmie

• paroxysmaler Schwindel

• (hemiplegische) Migräne

• transitorische ischämische Attacken (TIA)

• Narkolepsie

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Differentialdiagnosen II

• Respiratorische Affektkrämpfe - „Wegschreien“

• Parasomnien

• alternierende Hemiplegien des Kindesalters

• intermittierende intrakranielle Drucksteigerung

• paroxysmale motorische Phänomene:

benigner Myoklonus des Säuglingsalters, benigne paroxysmale Dystonie des Kindesalters, paroxysmale Choreoathetosen, Hyperekplexie, Tics

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Dissoziative Anfälle

Anfälle der Seele

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Definition

Das allgemeine Kennzeichen der dissoziativen oder Konversionsstörung besteht in teilweisem oder völligem Verlust der normalen Integration, die sich auf Erinnerungen an die Vergangenheit, Identitätsbewusstein und unmittelbare Wahrnehmungen sowie die Kontrolle der Körperbewegungen bezieht.“

( ICD-10)

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Dissoziative Anfälle

Andere Bezeichnungen:

� hysterischer Anfall („Hysteroepilepsie“)

� Pseudoanfall

� Pseudoepileptischer Anfall

� psychogener Anfall

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Nicht zu verwechseln!

simulierte/gespielte Anfälle

Lernen durch Modelle?

Vorstufe zu dissoziativen Anfällen?

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Cave!

Anfälle die epileptisch beginnen und ausgestaltet werden können

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Wo sitzt die Seele ?

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Auslöser für dissoziative Anfälle

Ist die Bewusstseinsstörung im Anfall auch Effekt der exzessiven Unterdrückung/Abspaltung von Gefühlsprozessen?

Diskrepanz zwischen subjektiver Bewusstseinsstö-rung und objektivem Fehlen neurobiologischer Veränderungen, die das erklären könnten.

Roberts, Reuber: Epilepsy Behav. 2014 Jan; 30:43-49

Sagt die Anfallssemiologie auch etwas zur Ursache der dissoziativen Anfälle aus?

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Dissoziative Anfälle

Modell: Wie kommt es zu Anfällen?

Ursachen:

Konflikte

Überforde-rung

Defizite

Trauma

Organ. Faktoren

Auslöser:

Situation

Gedanken

Angst

Spannung

Verstärker:

Entlastung

Zuwendung

Aufsehen

Vermeidung

Anfall

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Differentialdiagnosen

Diagnostische Hinweise I

�neurophysiologisch „unsinnige“ Anfälle

• Variabilität im Anfallsablauf

• identischer Anfallskern fehlt

• Anfallintensität fluktuiert im Anfallsverlauf

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Differentialdiagnosen

Diagnostische Hinweise II

�Auftreten unter Zeugen in deutlichem situativen Kontext (Bezugspersonen)

• Beeinflussung des Anfallverlaufes durch Reaktion oder Intervention der Umwelt im Sinne

von Aggravationaber auch Unterbrechung

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Differentialdiagnosen

Diagnostische Fallen I

� Familienanamnese positiv

� pathologische EEG-Veränderungen

� Pathologie im MRT

� gleichzeitiges Bestehen epileptischer Anfälle

� vermeintliches Fehlen von Konflikten persönlich/familiär

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Differentialdiagnosen

Diagnostische Fallen II

�clusterhafter“ Verlauf

• tageszeitliche Bindung

• nächtliche Anfälle „aus dem Schlaf“

• vegetative Symptomatik im Anfall

• Nachschlaf postiktal

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Dissoziative Anfälle

Widersprüche in der Anamnese

• wechselnde Diagnosen/ doctor hopping

• schwer klassifizierbare Anfallsformen

• „fluktuierende“ Anfallsfrequenz

• AED-unabhängiger Krankheitsverlauf

• Pharmakoresistenz

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Dissoziative Anfälle

Widersprüche im Verlauf

Dramatische (häufige, schwere, langdauernde) Anfälle

ohne

• pathologische Befunde (Neurologie, EEG)

• deutlich erkennbare Beeinträchtigung des Kindes

• „adäquate“ Sorgen der Eltern

• oder aber auch Eltern mit „übertriebenen Sorgen“

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Dissoziative Anfälle

Wege zur Diagnose

• Wahrnehmung der eigenen Unsicherheit bei

- Klassifikation des Epilepsiesyndroms

- Klassifikation der Anfälle

• Wahrnehmung des eigenen „Gefühls“ von -Widersprüchen

-Unstimmigkeiten

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Dissoziative Anfälle

„Puzzle“

Anamnese medizinischeBefunde

Widersprüche!

Anfälle Behandlung

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Dissoziative Anfälle

Widersprüche

V.a. dissoziative Anfälle

Überprüfung Festlegung auf

die Diagnose

Behandlung

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Dissoziative Anfälle

Prognose

bei Kindern und Jugendlichen deutlich besser als bei Erwachsenen

Anfallsfreiheit nach 3 Jahren:

ca. 80% bei Kindern und Jugendlichen

ca. 40% bei Erwachsenen

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Dissoziative Anfälle

Was hat geholfen?

Offenes Sprechen über die Diagnose 8

Bewusster Umgang mit Anfällen 3

Beendigung sozialer Belastungen 8

Stationärer Aufenthalt 3

Psychotherapie 3

(Mehrfachnennungen möglich)

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Dissoziative AnfälleZiele der ersten Behandlungsphase

• Sicherung der Diagnose

• Entwicklung eines Verständnisses der Störung und einer Therapiemotivation

• Erlernen eines undramatischen Umgangs mit den Anfällen

• Förderung von Alltagskompetenzen/Stressbewältigung

• Konkrete Planung für entlastende Maßnahmen und weitere Therapie

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Dissoziative Anfälle

Behandlungskonzept

• Bei Verdacht auf dissoziative Anfälle ist eine umfassende medizinische und psychologische Diagnostik notwendig.

• Die Vermittlung der Diagnose und die

Herstellung einer Kooperationsbeziehung muss

ein Schwerpunkt der ersten Behandlungsphase

sein.

• Soziale Entlastung hat einen hohen Stellenwert

für den Behandlungserfolg.

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Dissoziative Anfälle

Behandlungskonzept

... im multiprofessionellen Team:

• Medizinische Diagnostik, die rasch zu einer sicheren Diagnose führt

• Neuropsychologische und psychotherapeutische Kompetenz für Kinder

• pflegerische/pädagogische Kompetenz für den Umgang mit Anfällen

• Beratungskompetenz in Bezug auf schulische und soziale Hilfen

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Dissoziative Anfälle

• ca. 3-15% aller therapierefraktären Epilepsien

• Häufigkeit bei Kindern und Jugendlichen 12-21% selten im Alter <10 Jahre (Holmes 1980, Metrick 1991)

• Erkrankungsgipfel in der Pubertät (Carmant 1995)

• ca. 20% aller erwachsenen Patienten mit Epilepsie, Frauen überwiegen (3,5:1)

• oft fehldiagnostiziert bei Patienten die gleichzeitig auch epileptische Anfälle haben (Häufigkeit ? %)

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