Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

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Page 1: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

hilosophische Bibliothe Band 89.

Des

S XTU EM ICU

Pyrrhoneiscbe Grund gel Aus dem Griechischen übersetzt und mit einer Einleit.ung

und Erläuterungen versehen

von

Eugen Pappenhein'l.

LEIPZIG. VERLAG DER DlJRR'SCHEN BUCHHANDLUNG.

1877.

Page 2: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

Vorwort.

Die 'Vorliegende Uebersetzung beansprucht nicht1 mit

der Buhle's, Lemgo 1801, lind dem Njethamm€r~scllen

Fragmente in Füllebornts Beiti'ägenzur Geschichte {leI'

_ Philosophie, 1792, 11., den beiden mit' bekannt geworden eIl

Vorarbeiten, in Glätte und Abrundung der Sprache und

indem Scheine durchgehender Leichtfasslichheit des rn~

haltes zu wetteifern. Vlf as sie vor Allem anstrebte, wirr

Treue und Sorgfalt in der Wiedergabe des griechischen

Textes, so dass der Leser nicht nur durchweg den Ge­

danken unv€l'stümmelt und uilverkUrzt empfangen, son­

dern auch das eigenthümliche geistige Gepräge des

Sextus und die Schwierigkeiten im Vel'ständniss des

Mannes erkennen und vollends, dass er nicht ver­

leHetwel'den sollte 1 was wir bei den gl'iechischen

PhBosöphellSO gern thun, inehr hinein ~ als heraus­

:wiesen. Daber bemüht sich die Uebersetzung, den

charakteristischen, mitunter formelhaftcnRau deI' Argu­

mentationen und einzelner Sätze dHS Verfassers,

Page 3: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

6 Vorwort.

festen Sprachgebrauch, und, so weit es angeht, sogar seine

scharf markirte 'Vortstellung wiederzuaeben' auch b' t • ,0 • i rmg SIe, um sachlichen Missverständnissen vorzubeugen fUl' d" ' - Je Kunstausdrücke der griechischen Philosophie nicht

die vieldeutige heutige Term-inologie, sündem deut.sche

'Vortübertragungen, bereits anderweitig eingeführte oder

auch selbständig versuchte, zur An'wendung. Dem Vor­

wurf der Pedanterie und der Ungelenkigkeit wird sie

unter diesen Umständen freilich schwerlich entgehen;

auch den wird sie hinnehmen müssen ~ dass sie die

fiiessende, dem Gegenstande so angemessene ~ mituntel'

sogar anmuthige Darstellung des Oriaüla!s . OJ ~ nur wemg

wiederspiegele.

Die Schrift, obwohl die wichtigste .des Verfassers • 1

Ist nach seiner eigenen Aussage nur ein gedrängter Abl'iss

seines ganzen Gedankenkreises. Sie bedarf daher, zumal

da sie ab und zu eine gewisse Unfertigkeit oder auch

Flüchtigkeit der Abfassung nicht verkennen lässt. der'

Beleuchtung aus seinen umfangreicheren und eing~hen­deren Schriften, und zwar nicht blas da, wo er selbst

es ausdrücklich sagt. So ergab sich die Nothwendig­

keit, nErläutcl'ungen" hinzuzufügen, in erster Reihe

solche aus jenen Schl'iften. Allein die vielen ausdrück­

lichen und mehr noch die unzähligen stillschweigenden

Bezugnahmen des Verfassers auf Gedanken oder Aus­

drucksweisen anderer Schriftsteller, und seine Neigung

und Gewandtheit, sich eben diesel' für seine Zwecke so

Vorwort. 7

zu bedienen, als wären sie seine eigenen, machten es

ausserdem n öthig, literargesehichtliche, geschichtsphilo­

soptische und terminologische Notizen in einem Maasse

beizubringen 1 dass, ohne Absicht und oft sogar wider

"Villen, der Commentar zu einem fortlaufenden sich ge­

staltete. Kenner dieses Gebietes werden nun mit Recht

bemängeln, dass diese Notizen ihren Stoff nur selten

erschöpfen und die Quellschl'iften einseitiger und über­

haupt spärlicber heranziehen als J. A. Fabricius~ mein ausgezeichneter Vorgänger für diesen TheH der

Arbeit. lndess, es überwog die Rücksicht auf solche Lese!'~ welche an das Buch aus dem Verlangen hel'angehell

sollten, eine das neuere Denken oft so nahe streifende,

öfter genannte als gekannte Richtung des antiken Philo­

sophirens kennen zu lernen, oder auch auf solche, denen

es . um eine erste Einführung in den Sextus und dle

anderen philosophischen Richtungen seiner Zeit zu thun

ist. Für die Leser besondel's der letztgenannten Katt'gorie

sind die Verweisungen auf bekannte Erläuterungsschriften

der griechischen Philosophie bestimmt; die anderen

werden vielleicht in den eingestreuten sachkritischen

Bemerkungen, in den Hinweisungen auf verwandte neuere

wissenschaftliche Anschauungen, endlich auch in dem

Versuche, manche Stelle des Schriftstellel's anders als

bisher zu lesen oder zu erklären ~ das Bestl'eben des

Buches el'kennent

auch deI' 'Vissensehaft zu dienen und

die griechische Skepsis in helleres, zum Theil auch

Page 4: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

8 Vorwort.

günstigeres Licht zu steHen. als es bis jetzt mitunler geschehen ist.

Die Uebersetzung folgt meist dem Texte odertref­

fenden Conjecturen der Ausgabe von imm. Becker, 1842.

An einigen Stellen sah ich mich zu eigenen Conjecturen

ycranlasst} worüber ich, so 'weit ich sie noch nicht in

den Abhandlungen: "De S. E. Iibrorum numero et ordine,

-Berol., 'Weber 1874" und "Lebensverhältnisse des S. R.

Berlin, '''eber 1875" berührt habe, an Rn derer Stell~ Reellenschaft zu gehen gedenke. *) Die Eintheilullg in

liapitel:mit Deberschriften, welche Fabricius in seiner

Ausgabe (1718) aus Handschriften giebt, ist, obwohl

Recker sie fallengelassen hat, der UebersichtHchkeit wegen

herübel'genommen worden; die ParagTaphen-Zahlen sind

die von Fabl'icius und Becker. Die eckigen KlammernJ

gleichfaHs meist nach Recker, umschliessen yerdächti:ze

oder vermuthlich fehlende \Vol'te des 01'iginals; die rund;n

enthalten 'Worte, 'irekhe der Deutlichkeit we~en 1'on mir hinzugefügt sind.

Bel' li n, Juli 1876.

*) Vgt jetzt auch: 1lZum Text des S. Ey im PhiIologus X.XXv'I~ Bd. 3. 1877.

Einleitung.

1~ Sextus Empiricus ist von den Geschichtsschreibern der griechischen Philosophie von jeher hoch geschlitzt worden. Selne Schriften sind nämlich eine wichtige Quelle für unsere Kenntniss einet'seits der vorsokratischel1, andererseits der nac.haristotelischen Philosophie bis in {jas zweite Jahl'l1Undcl't u. Z., und aus der letzteren wiederum stellen sie die skeptische Philosophie deI' Grie­chen in einer Vollständigkeit, Ordnung und Klarheit dar, wie sie uns durch keinen anderen Schriftsteller des Alter­thums geboten wird. Durch diese Seite aber hat Sextus in neuerer Zeit auch für die Philosophie selbst an Interesse gewonnen. Denn es ist bekanntlich das Cha~ raktel'istische der sog. neueren Philosophie, den erkennen­denllienschen selbst zum Ausgangspunkte der Untersuchung gemacht zu baben: die Natur seines Erkenntnissvel'mögens und somit die Grenzen seiner EI'keul1tnissfähigkeit und den Grad der Gewissheit seiner Erkenntnisse zu er­mitteln j hat sie als die Aufgabe hingestellt, welche aBer Beschäftigung mit anderen Problemen des Denkens, wie WeH, Gott, Natur, Tugend, yorangehen muss, weH von der Lösung jener die Beantwortung, ja selbst die :Möglichkeit der Beanhvortung dieser abhängt; sie verhält sich dal1f~l' thcils zweifelnu, tbeils verneinend gegen ältere philosophische Hichtullgen oder auel1 gegen die­jenigen unserer Zeit, welche anders vorgehen und dennoch zu festen Resultaten zu gelangen vermeinen; der

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10 Einleitung.

selbstgewisse Dogmatismus der Wissenschaft w~~ ~es Lebens ist der Geone!', den sie eben so nachdruckhch zu bekämpfen sucht: wie er sie angreift.- .aU,es die~ nu.~ aber ist in gewissem Grade auch der gnecluscnell Ske.psls eigen. Daher kann man den Sextus nicht lesen~ oh.ne .an vielen Stellen, selbst durch ihren Wortlaut, an vlchtJge logische, metaphysiscb e, ethische Sätze ne~:l'et' Denker erinnert zu werden; und Bel'keley, Locke, Hume, Kant, Schopenhauer erscheinen. de~), de~r den ~~xtus.kennt: oft unter dem neuen GesIchtspunkte, als waren SIe nm ,lie tiefsinnioeren consequenteren, klareren FÜl'tsetzm' U t, . . jenCl' antiken Richtung. Aber freilich .. sche~nen ?Je e~ nur; die Philosophie der Neuzeit hat geschIchtlIch kemeriel Impulse von dorther bekommen; bai? waren . es vergeb­licbe Bestrebungen 1 frühere dogm~tlsche P~ll?sopherne wieder zu beleben, bald durch poetlsche Bmffil.schungen oder religiöse Grundvorstel!u~gen g.etrübte. Rlchtu~gen des Philosophirens, welche sICh zWischen Jene b~lden dräuO'ten und die neuel'e Philosophie hat also Ihren Anfa~g u;ld Ausgangspunkt erst spät und ohne Anknüpfung an die griechische Skepsis gefunden. , .

" Dass dies o-eschehen musste, wal' aber zum 1h011 "'e Ll • • i' bIt auch Schuld der Skepsis selbst. Denn emers~lts . .le _ ~e

es ihr, wie jenem ganzen Zeitalter des grleChlSC~en Geistes, an innerer Kraft. Die Liebe zur EI'kenntn.lss, dies einzige und echte Kennzeichen aller ~rnsten Phll?~ sophie, war nicht Ausgangspunkt und tl'elbendes l\I?t!v ihrel.' Thlitigkeit. Sie strebte nicht nach Au~findung emer \Veltanschauung, welche - ob auch mit Schn~erzen erkauft - den Trieb nach philosophischer Wahrheit be­feiediaen sollte, weH es ihr an diesem Triebe selbst fel:lte. Der WiderspI'uch der Ansichten früherer uud glelc~­zeiticrel' Systeme war iht, nicht ein Sporn zu neuer ArbeIt, sondtlern itur eine Bestätigung mehl' für den gerin~eu Werlh aBer menschlichen Bestrebungen nach Erkennt.mss. Das letzte Ziel der Skepsis lag eben nicht auf dem Ge­biete der Erkenntniss. Was sie suchte, \var Bef!'ei~ng von Gemüthsaifecten, Ungestörtheit, Ruhe. So war lhr

Einleitung. 11

Kamp~ g~gen d~e anderen Schulen ihrer Zeit irl1 Grunde n~r eI~l a~ssel'~lcher, eine. Seibsttäuschung; auch jene, m~d dle ,"on dU' am meIsten befehdete Stoa obenan h~tten. dasselbe praktische Ziel, und also nicbt gege~ dIeS Ziel, so.ndern nur gegen die ~Httel diesel', dahin zu gelai~gen, rIchtete die Skepsis ihre Angri1fe. vVeil ihr so {h.~ Erk,:-nntniss selbst nicht das Höchste war, YCI'­

schmahte SIe eben so wenig wie jene im Kampfe ab und zu zu Sophistereien zu greifen; schlimmel' aber ~>?ch war - . un~ d}es ist dei: zweite Vorwurf, der sie t~ 11ft -, dass SIe dIe Kraft und dIe Lust des lJenkens, welche s!e n~ch besass, glei~~sam geu!ssentlich dazu ver~'endete, SICh ~el~s~ zu V81'mchten. Und das that sie in zwie­~a?~er Welse: einmal indem sie sich gegen die Möglich­keIt alles Denk~ns seibst wandte und dann, indem sie ebe~ dadurch Ihre untrüglichen Resultate auf anderern Gebl~te yerdäc~tig machte und deren Ansehen untcl'gmb.

, .3~ D.enn I? den so~~namlten T r 0 pe n der Skepsis~ sowel~. . SIe nut de1' S 1 11 ne 8 w a h r ne h m U 11 g sich bescha~tlgen, lag ailerdings ein bedeutender Gedanke. Jede Smn~swahi'llehmung jedes einzelnen Mensoben. so l~utet .er, Ist gewiss und giebt den Sinneseindruck wahl', a~~r SIe entsteht unter den ZUfäHigen Bedingungen

1 unte;'

"e.chen der walwuehmendc Mensch und der wabi'­genom~lene Gegenstand während des WahrnehnmuO's_ a~tes, SICh befinden; ferner ist die gesammte menschli;'he '" ahmehn:ung ~och. um' menschliche Wahrnehmung; ~femnach ltefeI~t dIe Smneswahl'uehmung eine nur für acu L~Tenschen: !lIcht aber auch für andere wahrnehmende Wesen gültJge EI'kenntniss, und sie leht't uns nul' w~e der. Gegenstand uns erscheint} nicht aber auch: W le el' ISt. ,

. 4:.. 1Val' nun auch diese El'kenntniss selbst fü!' da<: g:'l~cbls.che Denken keineswegs neu, so scheint doch die em: Pll'1s.~h-mductive Arbeit, mittelst welcher die Skepsis sie zu begrunden suchte, ihr volles Verdienst zu sein. Aber d;p,~ w~Lr a~ch ihre einzige ernste wissenschaftliche LeistllI~;~ l\ht emer selbständigen Untersuchung anderer Seitc~l

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12 Einleitung.

unseres Erkenntnissvermögens, "01' Allem nüt der ihr 50 naheliegenden Frage nach denjenigen Bedingungen unserer Sinneswahrnehmung, welche die menschliche Na.tur selbst nüibringe, hat sie sich nicbt beschäftigt. Vielleicht dass sie auf diese in der Folgezeit so bedeutungs­voHe Bahn gelangt wäre, wenn sie YOß der Untertiuchung der Sinneswah1'1lehmung ausgegangen w'äre. Aber dem war nicht so. Die Unerkennbarkeit der Dinge stand ihr schon fest, die Gleichgültigkeit gegen alles El'kenllen war ihr schon Lebensmaxime geworden, als sie an jene Arbeit ging; nicht d,uauf kam es iln im letzten Grunde an, die Erkenntniss il'gendeines Objects zu besitzen, nicht einmal auf die erschöpfende Kenntniss der engel} Schranken des, menschlichen Erkenntnissvermögens, soudem darauf, zu wissen oder doch glauben zu dürfen~ dass man wenigstens vor lä u fi g - müglic11st weniges zu erkennen vermöge. So lieferte sie in jenci' werthvollen Arbeit nur den nachträglichen, auf erweiterte Beobachtung und Vel'gleichung von Naturerscheinungen gestützten Beweis zu der vorausgeeilten Hypothese, sie verschaffte sich darin nur eine ihr selbst woblthuende Rechtfertigung ihres erkenntnisstheoretisthen und praktischen Vel'llaltens; darum aber war auch nur dies negative Resultat deI' Arbeit für die Schule fortan yon Interesse. Denn, so emsig und vielseitig diese auch später noch arbeitete, so enveisen sich doch alle üm:: Ausführungen als ein mit jener Theorie der Sinnes­wahrnehmung jn keinem innern Zusammenhang 5tellcndes~ als ein durchaus yerschiedenes Element, zu welchem sie zumeist den Stoff, mehr odel' minder für sie bearbeitet und vOi'bereitet, ohne innel'eEinheit, ausaHen früheren oder gleichzeitigen Richtungen des Denkens und Lebens mit erstaunlicher Geschicklichkeit zusammenzusuchen und -zu finden verstand, \'\"ofem er sich nur an lenes negatlyeRp­sullat und zuletzt' zu dem GesammtI'es~ltate z;sammel~­fügen liess, dass vorläufig eine Erkcnntniss der Dinge unmöglich wäl'c.

a .. end doch war es noch die geringere Verirrung,

Einleitung. 13

wenn die Skepsis diesen glücklichen Fund in der \Veise ver­\verthete, dass sie, ganz im Geish~ des Stifters deI' Schule, verschiedene Thatsachen des Denkens und Lebens ohne selbst darüber zu urtheilen. einander gegenüberstellte, wn sie sich gegenseitig als gleidhberechtigt erweisen, odel' ri~ch­tiael' um sie sich aufheben zu lassen, ein Verfahren} welches

'" , . 10 7 d sie sogar zu der Würde eines jht'er Tropen erllOD~ el' freiHeIt alles inneren Bandes mit den neun anderen ent­behrte; ja man könnte diesem Vel'fahren das Lob einer g:ewissen ObjectiYität in der Auffassung der Probleme ~md in der Beurtheilung det' versuchten Lösungen zu­erkennen, stammte es nicht eben aus de.' geistigen Apathie und Interesselosigkeit: die weit grössere Verirrung der Skepsis zeigt sich, sobald sie selbständig die Wj~er­leaung unternimmt. Dann bietet sie uns den traul'Jgen A~bHck, wie sie die reichen Mittel ihres \Vissens~ ihrer logischen Schulung und dialektischen Gewand~heit. eb~Il nur zum Negil'en zu verwenden weiss; WIe SIe l~l vollem Ernste mit allem Aufwande des Denkens und nut voller Ereiferung für die Wahrheit dafüt' kämpft, dass es nichts wirklich Wahres und kein Kriterium des \Vahren; wie sie durch die bündigsten Beweise zu zeigen sich· abmüht, dass es keinen Beweis; wie sie~ trotz ihi'el' lJnennüdliehkeit im Belehren - und UeherzeugenwoHen1

nachzuweisen sucht, dass es wedel' ein Lernen noch ein Lehren" wie sie besil'eitel, dass es Raum Hnd Zeit, Ent­stehen 1und Vergchen~ Bewf:gung u ud H t1 h e, ja beinahe selbst dass es einen Menschen gebe! Es ist für uns heute schwel' zu erklären, wo hel' diese die Skepsis (und eine ihr nahe verwandte Richtung) so völlig hehel'i'schende Sehnsucht nach dei' Uebfwzeugung des Nicht - Erkennen­könnens stammte: rnag nun aber wirklieh~ \Yie man der Widerstt'eit de!' Lehl'- und Lebensansic1ltell dazu getrieben haben. obschoB dieser doch zu jene!' Zeit nieht grössel' 'H:'Wj'';;;P' 'n zu sein scheint a 18 zu manchen anderen; oder mag

Ermüdung des Denkens und dei' an Befloiedigung wirklich 50 übergross gc\\'esen

n,H:hüern rnan unf ,~inp klar

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16 Einleitung .

sondern nur die \Vahrscheinlichkeit zur Richtschnur nehme; massvolles Verhalten aber sei das höchste praktische Ziel. Dieser Standpunkt wich nun zwar inner­balb der akademischen Schule bald einem wieder­eI'Wachenden Zuge zum Dogmatismus, welche!' zunächst in philosophischem Eklekticismus sich zu beft'iedigen suchte: desto unvel'kennbai'er aber trat sein Einfluss in der neuen skeptischen Schule hervor, welche, von Plolemaeos aus Kyrene gegründet, um ChI'. Gehurt in Ainesidemos aus Knossos einen hervon3aenden Vertl'eter fand. Mit einer geschichtlich nicht leicht ~rklärlichen Hin­neigung zur Lehre des Herakleitos vel'band Ainesidemos seltsamerweise eine Strenge dei' Skepsis, welche sich nicht nur gegen die dogmatischen Behauptungen dei' Stoiker und dTef il~m gleichzeitigen Akademiker, sondern auch gegen die "organger der letztern, und besondet's o'enen ihre Vlahl'­sche~nlichkeitsleI1l'e, richtete. A lieh gebührt ihm, wie es schemt, das Verdienst, ZUCist die sogen. "zehn Tropen'" aufgestellt zuhabtn, 'welche in der skeptischen Schule später als Grundpfeiler ihreI' Anschauung in hohen Ehren waren. Zu den späteren Hänptem der Schule, welche der Mehr­zahl nach Aerzte und zwar meist der sogen. empirischen Schule waren, gehört auch der Verfasser '-der vorliegende;. Schrift.

';"' *) Von den Lebensverhältnissen des ciextus wissen wir nur wenig. Er lebte gegen das Ende des 2. :Jahl'­bunderts nach Cbr. Sein Geburtsort ist unbekannt. Zeitweise scheint er in Athen 1 Alexandria und Rom sich aufgehalten zu baben. EI' war Arzt; nach den Berichien Anderer gehörte auch er zur empirischen Schule und w~r sog~l' ein hervorragender 17ührel' dieser, woher auch sem Bemame Empiricus stammen solle; er selbst er­kläl't sich nicht dal'übel' nud verräth viehnehr in seinen philosophischen Schl'iften mehr Hinneigung zur Schute

1 ~~J, J:1äheres s~ in deil ßl'\-vUlluten At,ha,nd.lUllQ',m: vernalmrsse des Sextus Emuiricus" und: libr{)I~U/fn 1l1{'l1le-ro et ordi-'l~e~ ~~ Ueber lner mediciuiscben Schulen s. ErHiuter. zn 1. 23G rr.

Einleitung.

oer "Metbodiker. Seine medicinischen Schriften sjnd YCI'­

loren gegangen. Er nennt sich das Haupt einer Schule~ meint aber biermit wohl nur eine philosophische. Seine philosophischen Schriften sind uns bis auf eine odel' 'Zwei und olme grössere Lücken oder TextentsteIlungen erhalten. Er hat sie selbst in drei Gruppen zusammen­gestellt, deren richtige Anordnung und Verbindung je­doch erst in neuerer Zeit (von Im. Becker) wiederher­gestellt worden ist. Es sind 'folgende: 1) "PYl'1'honelsdw Grundzüge in drei Bächern ". Die Uebersetzung dieser liegt hier vor. Obwohl TIur halb so umfangreich wie die nachfolgende Gmppe, ist sie seine wichtigste Schrift, weil er darin das \Vesen der skeptischen Philosophie vollständig und meist in gedrängter Form dariegt; für unsere Kenntniss dieses Zweiges der alten Philosophie ist sie die beste Quelle. An diese Schrift schliesst sid] 2) ,~Gegen die Lehrphilosophen ". Diese Gruppe ent­hält nach einer kurzen Einleitun!! drei verschiedene Schriften: "gegen die Logiker'~, in z~{ei Büchern; "gegen die Physiker ", gleichfalls in z'ivei Büchern; "gegen die Ethiker", ein Buch. S. bekämpft hierin, der' im Altel'thum vorherrschenden Dreitheilungder Philosophie folgend~ die gesammte dogmatische Philosopbie vom skeptischen Standpunkte aus. Da er hierbei auf die ganze bisberige Entwickeiuug der Philosophie Rücksicht nimmt, so ist diese Gruppe Schriften für unsere Kenntniss vieler äHel'er I~hilosophen, deren Schriften oder mündliche Lehren uns anderwärts nicht erhalten sind, Uberaus wichtig; auch spätere Systeme, besonders das der Stoiker, lernen wir hier in vielen Einzelheiten näher kennen. Auch finden sich him' viele in den" PYI'rbonelschen Grundzügen" berührte Punkte, zum Theil in weiterer Ausführung t besprochen. 3)" Gegen die frIathemntiker"~ yon demselben Ihnfange wie die L Schrift. Die Gmppe enthält nach einer Einleitung sechs kleinere Schriften; "gegen die Grammatiker", ,~gegell die Hedner';, ,~gegen

die Geometer'" "gegen die Arithmetiker "1 "gegen die Astrologen ", "gegen die Musjkel"~. Diese, \"ie ieb yer-

Sextus Empirienso 2

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18 Einleitung.

muthe, theilweise oder auch ganz aus dCl' Jugend des­Verfassers herrührenden Schriften sind von geringerem philosophischem Interesse, da sie, zwar voll scharfer und spitzfindiger Dialektik, doch ohne tieferen Zusammen­hang mit der Skepsis, nur eine Bekämpfung der damals im Jugendllnterrichte herrschenden positiven Disciplinen zum Gegenstande haben.

8" Das späte Alterthum erwähnt den S. nur selten~ am meisten noch der bekannte Biograph der Philosophen~ Diogenes Laertius. In der llrueren Zeit hat Kant ibn und den griechischen SkeDticismus Zll wenig gewürdigt; Regel hat '-'ihn in der Ges~h. d. PhiL Bd. H. eingel1end~ doch nicht objectiY genug behandelt, Herbart ihn jm Lehrb. z. Eint in d. Philos. 1837 öfters berück­sichtigt. Auch Schopenhauer cHirt ihn öfters. Vielleicht ist S. derjenige Philosoph des Alterthums, welcher der studirenden Jugend nach der Beschäftigung mit Platon und Aristoteles als Vorbereitung auf die neUel'e Philosophie vor­zugsweise emvfohlen zu werden verdient. Ist er allch kein schöpferischer, gedankent.iefer Kopf, giebt er aucb~ selbst wo er es nicht sagt, meist nur die Gedanken der Schule wieder ~ so verbindet er doch mit bedeutendem,. allerdings nicht überall aus den ersten Quellen geschöpftem \'lissen Scbarfsin n, geistige Beweglichkeit, dialektische Schlagfertigkeit und Wärme der Ueberzeugung in so hohem Maasse, dass man ihn einen anregenden und interessanten Denker nennen muss. Seine Darstellung iässt ab und zu die Ruhe und öfter noch die nöthige Beschränkung in Beibringung des Stoffes vermissen; doch ist sie überall übersichtlich, klar und bestimmt, frei von unabsichtlicher und absichtlicher Dunkelheit, in schmuck­loser Einfachheit nur det' Sache zugewandt~ mitunter je­doch auch durch Witz und durch treffende Vergleichungen aIlZiehend. Die Sprache, in Flexion, Satzbau lind \Yortschatz natürlich nicht frei von Eigenthümlichkeiten des Zeit­alters, verräth einen an guter Lectüre, vielleicht vor­zugsweise an Thukydides, Platon und Demosthenes. (vgI. g. d. Gramm. 58. 98.) gebildeten Schriftsteller; man

Einleitü.ng~ 19

versteht sie leicht, wenn man mit der philosophischen Terminologie bekannt ist. - Von den Textausgaben ist ausser der neuesten VOll Im, Recker 1842 besonders die überaus verdienstvolle des J. A. Fabricius 1718. wieder abgedruckt Leipzig 1840. 41, zu erwähnen. Si~ giebt den gesammten Text in gutem Zustande, eine la­teinische Uebel'setzungJ eine fortlaufende, mit Verständ­niss und Gelehrsarnkeitgeschriebene Erklärung, die Er­wähmmgen des S. im Alterthum, einzelne Arbeiten früherer Gelehrten über S" eine aus Handschriften stam­mende Eintheilung in Kapitel mit Uebersehriften und reichliche Register.

2*

Page 9: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

Erstes Buch.

o a p. 1.

von dem allgemeinsten Unterschied dar Philosophen.

Die ~ welche nach irgend einer Sache suchen ~ ge- 1 langen wahrscheinlich entweder zu einer Allffindung, oder zu einer Läugllung der Auffindung und einem Eingeständ­niss der Ullerfassbarkeit, oder zu einem Verharren im Suchen. Daher vielleicht sagten auch in Betreff der in der 2 Philosophie gesuchten Dinge die Einen J sie hätten das vVahre g'efuudel1; Andere sprachen sich aus, es wäre nicht möglich, dies· zu erfassen; Andere suchen noeh. Und zwar meinen es gefunden zu haben diejenigen, 3 welche mit besonderem Namen Dogmatiker (Lehrphilosophen) . heissen, wie z. B. Al'istoteles und Epikuros und die Stoiker uud einige Andel'e; wie über Unerfasabares sprachen sich ans Kleitomachos und Karneades und andere Ai\.kade­maiker; es suchen aber die Skeptiker (die Umherspähenden). Daher scheinen. gegründetermaassen die allgemeinsten 4 Arten der Philosophie drei zn sein: eine dogmatische, eine akac1emaische, eine skeptische. lieber die anderen mm zu reden wird für Andere angemessen sein; über die skeptische Führungsweise (Verhalten) aber ".vollen in den Grundzügen gegenwärtig wir reden; wol}ei wir da.'3 yor­.ausbemerken , dass wir über nichts von dem, was be­sprochen werden wird, fest versichern, als ob es sich dnrchaus so verhalte, wie wir sagen, sondern dass wir (mu) nach dem, was für jetzt UDS erscheint, bericht­weise nns aussprechen über Jedes.

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24 Erstes Buch. Cap. 2. 3. 4.

Cap.2.

Von dan Besprechungen über die Skepsis.

5 In der skeptischen Philosophie nun heisst die eine die allgemeine Besprechung 1 die andere die besondere' und zwar allgemein die, in welcher wir die Beschaffen~ lwit der Skepsis auseinandersetzen , indem wir Baß'en ,:e~ch~s ihr Begriff i~t und 'Yelches ihre Anfänge (pörin~ ClpWn) und welches Ihre Beziehungen (Verhältnisse) llIld welches ihr Urtheilsmittel und welches ihr Ziel/und welc~es die Weisen der Zurückhaltung, und wie wir die skeptischen .Aussagen verstehen und den Unterschied der

6 Skepsis von den ihr nahesteh~nden Philosophieen: die ?esondere (Besprechung ist die), in welcher wir geO'en Jeden Theil. der, soge~annten Philosophie Widerspr~ch erheben. DIe allgememe Besprechung nun wollen wir zuerst behandeln, indem wir die Unterweisung- mit den Namen der skeptischen Führungsweise beginne'n.

Cap.3.

Von den Benennungen der Skeptik (skeptischen Führungsweise).

7 Die skeptische Führungsweise also heisst auch die "suchende''', von der Thätigkeit im Suchen und Umhel'­spähen; auch die ~~zurückhaltendeH, von dem Leiden (Zu­st.and), welches nach dem Suchen bei dem Umherspähendell ein~ritt; a~ch die "unentschiedene", entweder vom Unent­schIedensem und Suchen (Zweifeln) über .Alles, wie Einige ~en! oder vom pnschlüssigsein zu Beistirnillung oder­Vernemung; auch die ,~Pyrrhonelsche", weil es uns scheint ~ass der Pyrrhon leibhaftiger und sichtbarer als die vo; Ihm der Skepsis sich genähert habe.

Cap.4.

Was ist Skepsis!

Es ist aber das skeptische Vermögen dies, dass es

Erstes Bucb. Cap. 4. 5. 25

gegenüberstellt Erschein~ndes ~nd ~.ed~htes, auf jed­wede Weise; und von diesem (V e:rmogem aus gelangen wir in Folge der Gleichkräftigkeit in den gegen~ber­;:restenten Dingen und Reden, zuel'st zur Zuriiekhaltung, ~achhei aber zur Unbeirrtheit. ,~Vermögen" nun nennen 9 wir es nicht in einem feineren Sinne, sondern ~chlech~~ weg . inwiefern es (etwas) vermag; als ~Erscheme~des" aber' nehmen wir jetzt das (sinnlich) Wahrnehmbare, weshalb wir ihm das Denkbare entgegenstellen. I?as ,~auf jedwede Weise" aber k~nn ve~bun~en, werae~ ebensowohl mit dem ~,VerIDögen~', damIt WIr aa~ Wo~t "Vermögen", wie gesagt, schlechtweg ve1'~tehen, Wie auch mit dem ~,das8 es gegenüberstellt Erschemendes ~md Ge· dachtes'" denn da wir diese Dinge auf ill3ll111?hfaehe \V eise g~genüberstenen, indem wir entweder Ersc~ei::en~ des Erscheinendem oc1e1' Gedachtes Gedachtem oder \belCles) wechselweise gegenüberstellen (s. § 31),. S? sagen lvir, damit alle diese Gegenüberstellungen ~:ntemgeschlosse~ werden, "auf jedwede Weise". Oder \IDall kann a~icn verbinden): "auf jedwede Weise Ersche!nendes ~n~ ~e­dachtes" so dass wir nicht fragen: WIe erschelllL nas Er8chein~nde? oder: wie wird das Gedachte gedacht? son­dern so dass wir dies schlechtweg nehmen. "Gegeniiber- 10 gestellte Re C!.en". ~ber nehmen ~ir durchaus nicht in de~ Sinne von Vernemung und BeJahung, sondern schlecht­weg für ~streitende". "Gleichkräf~igk~it.. aber ~ nenn~n wir die Gleichheit in Glaubwürdigkeit und unglauo­wttrdigkeit, so dass k~ine von den .. str~itenden R~.den keiner ümdern') voransteht als glaubwurdIger. ~,Znruek­haltung:' aber' ist ein St.illstehen der E!nsicbt, in F?lge dessen wir weder etwas aufheben (vernemeu) noch setzen (bejahen). ~,Unbeirrtheit:' aber is~ Ungestö:theit ,und Windstille der Seele. WIe aber mtt der Zuruckhaltung zugleich die Unbeirrtheit eintritt, werden wir in den (Er­örterungen) über das Ziel erwähnen.

Cap.5.

Von dem Skeptiker.

Auch der "PynhonelschePhilosoph" aber ist dem Sinne 11

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26 Erstes Buch. Cap. 5. 6. 7.

~ach (stillschweigend) zugleich mit dem Begriff der skep­tischen Führllngsweise bestimmt worden; es ist nämlich der, welcher dieses Vermögens theilhaftig ist.

Cap.6.

Von den Anfängen dar Skepsis.

12 . IJ!Säch~cher (bewe~ender) Anfang der Skeptik ist, WIe WIr memen, dIe Hoffnung unbeirrt zu bleiben. Hoch­begabte Menschen nämlich kamen. beirrt durch die Un­gleichmässigkeit in den Dingen Ulld unentschieden wel­chen von ihnen sie sich mehr· fügen sollten dahin, zu ~uch~n 1 was wahr sei bei den Dingen und' was falsch. u~ m Folge der Entscheidung hierüber unbeirrt zu sell. . Des skept~~~h~n V erharre~'3 Anfang (Grundprincip) ~b~r 1st ha.:lptsacnhch, dass Jede; Rede eine g'leiche ..i.~eae gegenubersteht: denn von hier aus gelangen wi~

1 .. f' h ' .!.

zu el;z., WIe es sc eint, dahin, keine Lehransichten zu haben.

Ca p. 7.

Ob der Skeptiker Lahransichten hat.

13. "Yir ~agel!- aber, der 8kepti~er habe keine Lehran­sIChten, mcht III der Bedeutung (des Wortes \ Lehransicht. wonach Einige auch im weiteren Sinne es tür eine Lehr~ ~~sicht ha~ten, mit irgend einer Thatsache zufrieden zu sein ~~le anzuerkennen) - denn den in Folge eines Erscheinungs­tnldes abgenöthigten Zuständen fügt sich der Skeptiker wie er.. z', B.,. wen~ ihm war~l o.d~r kalt wird, nicht s~gen mochte: ICh meme, dass nur mcht warm oder kalt wird _. ~?nderll 2 "keine LehTansiehten haben" meinen wir in den::: ö.mne, .m. welchem Einige sagen, eine Lehransicht sei eme BeIstImmung zu irgend einem der in den Wissen­schaft~n gesuchten nichtoffenbaren Dinge' denn keinem der mchtoffenb~ren (Dinge) stimmt der PYTrhoneer beL

14 Aber auc~ dabeI, wenn er über die nichtofi'enbaren Dinge die skeptischen Redensarten ausspricht, wie z. B. die:

Erstes Brtch. Cap.", 8. 27

TTm nichts mehr" oder die: ,,Ich bestimme nichts", ode:­.,Li , b' ··t 10 "181 irgend eine von den andern, WOl'ii er WH spa ,er \ ap.:-, reden werden, hat er keine Lel:ransicht. Den~ ~~er eIn~ Lehransicht hat, der stellt Jene Sach~, :vol"u?e~ e1, wie es heisst, eine Lehransicht hat~ als wl.~khch hm l der Skeptiker aber stellt diese Redensarten mcht ~lls d.nr~~­aus ~ "\virklich hin; denn er nimmt an, dass, - gleIChwIe me Redensart: ;,Alle~ ist falsch'" sagt, mit d:m (~ll:m), ;.4. .. ~d~r~~ sei auch SIe selnst falsch und ebenöo die. ,~Nl~nh) u:"

'a' U ' h" hr" !'l.ag-wahr" - (dass) so auch Ie:,~ 'ill lllC ~s me ". i',

zuglei~h mif dem Anderen gelte auc~ SIe selbst. ~lCht mehr fals Anderes) und da.ss sie daher mIt dem Ande~eL zu­gleich \ sich selbst 'auf1>lebt. Dasselbe aber sagen Wir auch '~ von den übrigen skeptischen Redensa!ien. _ KU~ZU~1 v.:e;m .. l b der welcher eine Lehransicht hat, das als wnknch ::1111-stellt worüber er eine Lehransicht hat, der Skept!ker aber 'seine Redensarten so vorbringt, d;u:js sie dem Smne nach von sich selbst aufcrehoben werden: so m~chte rr:an wohl nicht sagen er h~~be beim Vorbringen ~leBel". eme Lehransicht. Di~ Hauptsache aber ist, bei~ -: orbrlllf?e~ dieser Redensarten sagi; er das, was ihm selbs... ersch~;ntJ und meldet seinen eiO"enen Zustand ansich~tsl?s, oh~e uoer die aIu,serhalb unterliebgenden Dinge etwas :l:estzllverslChern.

Cap.8.

Ob der Skeptiker aine Denkungsart hat.

Ebenso .aber ,steht es mit U1l: auch,,,,','enn manJraßt1 16 ob der Skeptiker eme Denkungsart habe. "e~n n:an na~hcn sagt, eine Denkungsart bes~ehe in der Him;eIgl~ng ~ d~m Anschluss) zu vielen Lehranswhten, wel~he ~me Uepe.rem­stimmung' haben mit einander wie auen IDI.t El'sc~em~n­dem und (wenn man) sagt, eine Lehransrcht !3el elle Beishmmung zu etwas Unbekanntem, so werden WIr sa~e~J wir haben keine Dellkung'sal't. ,\'\7 en~ man aber ;nemr, eine Denkungsal't sei die Führungswelse , welche ;r~encl17 einer Rede gemäss dem Erscheinenden, Folge leIS~etJ indem jene 'Rede anweist, wie es angeht, dem Ans.cheme nach richtig zu leben .--: das "richtig" .nicht bl~s m Be­zug auf die Tugend verstanden, sondern unemgeschrankter -,

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28 Erstes Buch. Cap. 8. 9. 10.

und indem sie (die Rede) hinzielt auf das Sichzllrüek­haltenkönnen : so meinen ~wir (allerdings) eine Denkungs­art zu haben; wir folgen nämlich einer gewissen Rede, welche, gemäss dem Erscheinenden, uns anweist, zu leben nach den vatedändischen Sitten und den Gesetzen und den Führungsweisen (der Menschen) lmd den eigenen Zuständen.

Cap.9.

Ob der Skeptiker sich mit Naturerkenntniss beschäftigt.

18 Aehnliches aber sagen wir auch bei der Frage, ob der Skeptiker sich mit Naturerkenntniss beschäftigen solle; nämlich einerseits, um mit fester Ueberzeugung uns ver­nehmen zu lassen über irgend eine der in der N atur­erkenntniss ausgesprochenen Lehransichten , beschäftigen wir uns nicht mit N atmer kenntniss ; andererseits umj eder Rede eine gleiche Rede gegenüberstellen zu können und (also) um der Unbeirrtheit willen befassen wir uns mit der Naturerkenntniss. In dieser Weise tret-en wir auch an den logischen und den ethischen Theil der sogenannten Philosophie heran.

Ca p. 10.

Ob die Skeptiker das Erscheinende aufheben (verneinan).

19 Wer aber sagt, dass die Skeptiker das Erscheinende aufneben, scheint mir unachtsam auf das zu sein, was bei uns gesagt wird. Denn das in Folge eines Erscheinungs~ bildes Erleidbare , was uns willenlos zur Beistimmung führt, läugnel1 wir nicht, wie wir auch oben (13) sagten: dies aber ist das Erscheinende. Wenn wir aber bezweifeln; ob das Unterliegende so ist, wie es erscheint, so geben wir einerseits zu, dass es erscheint, bezweifeln aber (andererseits) nicht das Erscheinende, vielmehr das, was tiber das Erscheinende ausgesagt wird; dies aber ist et­was .Anderes als das Erscheinende selbst bezweifeln. So z. B. erscheint es uns 1 als berühre der Honig 8ÜSB.

Erstes Buch. Cap. 10. 11. 29

Dies geben ,vir zu; denn wir wer~en (von i~! SÜ~S be~ührt 2fJ durch Wahrnehmung. Ob er aDer auch suss 1st semem W"'sen nach bezweifeln wir: das aber ist nicht das Er­scheinende. 'somlern das fiber das Erscheinende Gesagte. Sollten wir' aber auch geradezu gegen das Erscheinende Reden erheben, so tragen wir diese nicht. vor, als. woUte~ wir das Erscheinende aufheben, sondern mdem WIr damIt am die Vorschnellheit der Lehrphilosophen hinweisen; denn wenn die Rede eine solche Verfülll'erin ist, dass sie auch das Erscheinende beinahe unseren Augen entreisst, wie sollte Inan ihr nicht misstrauen in den nichtoffellbaren Dingen, 80 dass man nicht, indem man ihr nachg'iebt, vorschnell wird?

Ca p. 11.

Von dem Urthailsmittel der Skepsis.

Dass wir aber an die erscheinenden Dinge uns 21 halten, erhellt aus dem, was von uns, über da~ Urtheils~ mittel (Kriterium') der skeptischen FünrungsweIse gesagt wird. ' .. lJrtheilSmittel" aber sagt man in zweifachem Sinne: einmal (nennt man so) das, was zur Beglaubigung del' 'Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit genommen wird, wovon wir in der widerspree.henden Rede reden werden; dann (das "G rt.heilsmittel) des Halldelns, woran im Leben festhaltend wir das Eine thun 1 das Andere nicht, und hier11ber reden wir jetzt. Ul·theilsmittel der skeptischen 22 Fiihrungsweise also, sagen wir, sei d~s Ersc}leinende, wo­hei wir dem Sinne nach sein ErschemungsbIld so nennen; denn da es in einem Edeiden und einem willenlosen Leiden (Zustand) besteht, so ist es unbeJnveifelbar. Des­halb ist darüber, ob das Unterliegende so oder so er­scheint vielleicht' Niemand im Zweifel; darüber aber 7 ob es so i~t wie es erscheint, zweifelt man. Inclem wir also 23 an das Erscheinende uns halten. leben wir gemäßE der Be­obachtung des (gewöhnlichen) Lebens ansichtslos,. da 'Vif nicht gänzlich unthätig .sein ~önnel!-'. Es ~chem! !lb~T diese Beobachtung des Lenens YIßrthelbg Zl~ sen:, unn t?-e~ls sich zu befassen mit deI' Anleitung durch dIe Natur; theils mit der Nöthigllng durch die Zustände (Em}Jfindl1ngen)i theils

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Page 13: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

LrSI€S .buc-h. Uap. 11. 12,

24 mit. de~ Ueber~iefenmg der Gesetze wie auch der Sitten the}l~ mIt de~ Lellre der Künste; (nämlich) mit der natürliche~ Anl61tung '. dergemäEs wir von Natur 'wahrnehmend und denken~ Bmd; mit der Nö.;tI:igl1ng durch die Zustände, dergemass Hunger uns zur Nahrung den Weg zeigt Durst ~ber zum Tran~.; mit. der Ueberliefe~nng der Sitt~n und üesetze, .. derß'emass WIr das Fromrnsem im (gewölmlichen) I:ebep fur elp Gut annehmen, das Unfrommsein aber fü~ ~m p.e!>elj .unt ~er ~ehre der Künste, dergernäss wir nicht untllatw Emd 111 den Künsten, welche wir übernehmen. Das ~4..J.lesaber sprechen ,viI' ansichtslos.

Cap. 12.

Was ist das Ziel der Skeptik1

25 . Hierau_ dürfte sich wohl schliessen . auch von dem ZIel .aer., skeptischen Führungsweise zu" handeln. Ziel nun 1st a~s, Wesvlegen Alles gethan oder betrachtet wird was selbst aber keiner Sache weG'en (O'ethan oder he: t h"" . d' b ,0 '" ",rac .tet Wl~. j, oder auch das Letzte dessen, was erstreb-h~h l~t. . WfH ~ag~n mw, für jetzt sei Ziel des Skeptikers ~Ie Unb~lrr"helt In den Dingen, welche in den Bel'eieh <1erAnSlcht fallen, und maassvolles Leiden in den ab-

26 genöthigten (Zuständen). Denn 80bald er zu pllilosophiren begann, u~m über die Erscheinungsbilder zu entscheiden, l!n~ zu ertas~en" ,~elche ,~?ahr wären, welche falsch, so ~~s er ~ unbeIut ohebe: stle~S er au~. ~en gleichkräftigen "l~erBpruch, den zu entscheIden nnfalllg er an sich hielt: so~~e er aber an sich hielt, ergab sich ihm von un:

• ,.., Refa~r die Unbe.irrtheit in den Dingen, welche in den 2 t nere!,ch der AnsIeht fallen. Denn wer die Ansicht hat

es, SeI ehvas schön seiner Natur nach oder schlecht de: wlIdj'?,eS~ändi~ beirrt~ Ull(~ z:var, wann das nicht beiih~ ist, was "Ihm) schon zu sem scnemt, so glaubt er, er werde von d~n von Natur schlechten Dingen gequält und p'eht den WIe e~ .~~int,. guten nac~; hat er a~er diese ;rworben; ~~ Ve1fa~L ~r In meh~ Be~~'rungen, weIl er sich wider die r ernu~fL und ~aa8s108 ubel'hebt; und aus Fmcht vor

, 0 dem. Dmsclüag .thut er Alles, damit er nicht die ihm gut 2\5 schemenden Dmge verliere. 'Ver aber über die der

Erstes Buch. Cap. 12. 13. 31

Natur nach schönen oder schlechten Dinge sich bestim~nngs-los hält flieht wedel' noch sucht er etwas mIt An­strengung; deshalb bleibt er ~nbeirrt. Was man alSO von dem Maler Apelles erzahlt, das wurde dem ~keptikel' zu TheiL Man sagt nämlich J als jener ein Pferd malte und den Schaum des Pferdes im Malen nacJ:­ahmen wollte habe er es so verfehlt, dass er es aUI­gab und den' Schwamm j in welchen Cl er d!B, F~rbe~ von dem Pinsel abzuwischen pflegte, gegen aas Blla schlenderte; der aber habe wie er das Pferd berührte, die Nachahmung des Schaumes 'hergestellt. Auch die Skeptiker mm hofften 29 zwar die Unbeirrthelt zu gewinnen durch das Entscheiden über die Ungleichmässig keit sowohl desErscheinenden als a~H~h des Gedachten' da sie dieses aber nicht ausführen konnteu? so hielten sie a'n sich' \vie sie aber an sich hielten~ gesellte sich ihnen wie von ll~gefahr die Unbeirrtheit zu, gleichwie der Schatten dem Körper. Jedoch nicht ganz beschwerde­los ist meinen wir der Skeptiker, sondern er wh'd, sagen

, 'b ·'th' t (r:- t·· :1 ' EI wir beschwert von den a geno 19 en ,husanaen); '_cellil. ma~chmal zu frieren p'estehen wir ein, und zn dursten, und manches derartige °zu erleiden. Aber auch in diesen 30 Dingen werden die Ungebildeten von zwiefachen, (schlimmen) Umständen erfasst (nämlich) von den LeIden selbst, wie auch nicht .... ;eniger davon j dass diese Umstände ,'ihnen) von Natur schlecht zu sein scheinen; der Skeptiker ~ber kämmt. weil er den Ansichtszusatz, dass jedes von (l"jesen Dingen seiner Natur nach schlecht sei, abthnt, auch in diesen Dingen mässiger davon. Deswegen also meinen wir in den Dingen, weiche in den Bereich de1' Ansicht fal1~n, sei Unbeirrtheit ?iel de~-1 Skept~k~rs 7 in den abgenöthig:ten aber ~aassvolle~ LelUen~ _~l~lge,. a~­gesehene SkeptIker aber fugten zu dies~n ,au~h (he ZurucK­haltung in den Untersuchungen (als ZIel) hmzu.

Cap. 13.

Von den allgemeinen Weisen der Skepsis,

Weil aber die tJnbeirrtheit, wie wir sagten, der Zu- 31 rückhaltung über alle Dinge sich anschliesst, so d1110fte sich wQbl anschIiessen, zu sagen, auf welche 'V eise UIlS

Page 14: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

32 Erstes Buch. Cap. 13, 14.

die Zuriickhaltu,ng zn Theil wird. Es entsteht also diese wie man allgemeiner sagen könnte, durch die Gegenüber: stellung der Thatsachen. Wir stellen aber gee-enüber ent­,\yeder Erscheinendes Erscheinendem, oder Gedachtes Ge-

32 chchtem, oder wechselweise. So z. B. Erscheinendes Erscheinendem, sobald wir sagen: ~,derselbe Thurm er­scheint von fern rund, ans der Nähe aber viereckig'" Gedachtes Gedachtem, sobald wir dem, welcller aus de; Qrdnung der himmlischen Dinge begründet, dass es eine Y orsehung giebt, gegenüberstellen, dass es den Gnten oft schlecht gehe 1 den Schlechten aber wohl gehe, und hier-

33 aus den Schluss ziehen, es gebe keine V ol"sehnng; Ge­dachtes aber (stellen wir gegenüber) Erscheinendem, wie der Anaxagoras dem (Umstande), dass der Schnee weiss ist. gegenüberstellte, dass der Schnee festgewordenes "VVasser ist, das Wasser aber schwarz ist, auch der Schnee also schwarz ist. In anderer Absicht aber stellen wir gegenüber bald Gegenwärtiges Gegenwärtigem, wie die vorerwähnten Dinge; bald Gegenwärtiges Vergallgenem oder Zukünftio'em' so z. B., wenn Jemand uns eine Folgerung vorlegen w~llte~ welche zu lösen (umzustossen) wir nicht vermögen, sagen wi:J~

.34 zu ihm: gleichwie vor der Geburt dessen, der die Denkungsart, welcher du folgst, eingeführt hat, die ihr entsprechende Folgerung noch nicht als gesund (richtig) erschien, je­doch der Natur nach (in Wirklichkeit) da war: so ist ~ es möglich, dass auch die Folgerung, welche der von dir jetzt vorgelegten gegenübersteht, zwar der Natur nach YOf­

handen ist, lms aber noch nicht erscheint, so dass wir noch nicht der (deiner) Folgerung beistimmen dürfen, welche jetzt

.35 sieher zu sein scheint. Damit aber diese Gegenüber~ stellungen deutlicher uns in die Augen fallen so will ich auch die 'Veigen unterbreiten 7 vermittelst d~rer die Zu­rückhaltung herbeigeführt wird, ohne wedel' über ihre l\~enge, noch über ihre . Bedeutl~ng eine feste Behauptung hmzustellen; aeun es 1st möglIch, sowohl dass sie hin­fällig sind, als auch dass es mehr gieht, als ich be­sprechen werde.

Cap. 14. Von den zehn Weisen,

36 U eberliefert also ,verden gewöhnlich von den älteren

r:rstes Bw:.h. Cap. 14.

Skeptikern <,gewisse) .~ 'Yeisen" (Tr.ope~); dur~h we~che, wie e~ scheint, die Zurückhaltung herbelgefuhrt wIrd, tund z\var) zehn ~m der Zahl, welche sie gleich.Eed~ute~d auch Reden ~d Oert.er (Gesichtspunkte) nennen. ~s smd aber folgen~e: lJ1e erste (gründet s~ch) auf die y ~rsch}~den?eit der letJell(l~ll 'Vesen; die zweite auf den Lnterschwd der .Menschen; dIe dritte auf die verschiedenen Einrichtungen der Sinneswerk -zeuge; die vierte auf d~e Ums~ände (Um~ebu:r:g); ~~ie füpfte auf die Stellung'en und dIe ~4.bstande und (he Orte; <ne seenste auf die Beimischungen~ die siebente auf die Grössenvernält- 37 nisse und Zurichtnngsvieisen der unterliegenden Dinge; die achte ist die aus dem In-Bezug-allf-Etwas; die neunte (gründet sich) auf die fortwährewlen oder seltenen Begegnungen; cUe zehnte auf die Führungs,veisen und die Sitten und die Gesetze lmd die mythischen Glaubenssätze und die 1e111'­philosophischen Annahmen. \'iil' bedien~en uns .aber~i~sel' :38 Anordmmg nach eigener Festsetzung. [eber diese Y\, eIsen ahm' steUeu sich (sind allgemeiner) drei: Die eine {rührt her\ von dem Lrtheilent1en, die andere von dem 'Be­nrtheilten, die dritte Yon Beid~m zusammen; näID.H?h der: 'welche von dem urtheilenden therrührt\ ordnen Blcn unter (ue ersten vier - denn das lIrtheilende ist entweder ein lebendes Wesen, oder ein IrIensch, oder eine ~T ahrnehrmmg} und (es befindet sich') in einer gewissen umgebung' -; auf die 'Veise yon dem Benrtheilten her [lassen sich zn­l'ückführell?l die siebente und die zehnte; auf die aus Beidem zusammen,g'esetzte die fünfte und die sechste und di~ achte und die U neunte. 'Viederum aber lassen lliese 39 drei sich zurückführen auf die ('V eise) In-Bezug-auf-Etwas, 80 dass die allgemeinste ist die In-Bezug-auf-Etwas; be­sondere die drei; untergeordnete aber die zehn, Dies' nun sagen wir yon ihrer Zahl, so 'weit es mit \,[ ahrscheinlieh­keif. gesehehen kann; von ihrer Kraft aber Folgendes.

Von der ersten Weise.

Die er s t e Rede J sagten wir, sei die, derge~ägs 40 'wegen der Verschiedenheit der lebenden Wesen von (ten­selben Dingen aus nicht dieselben Erscheinungsbilder unter die Sinne fallen I.sich darstellen,. Dies aber scllHessen wir ebenso allS dem t7ntersehied hi ihren lebenden

3

Page 15: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

34 Erstes Buch. Cap~ 14.

Wesen) Entstehungsweisen wie aus der Verschiedenheit 41 in de~ Beschaffenheiten der Körper. ~ In den Ent-;

stehungsweisen also, weil die einen lehenden 1"\T esen ohne Mischung' (von Geschlechtern) entstehen, die andern aus einer Verbindung. Und von denen, welche ohne Mischung entst.ehen, entstehen manche aus dem Feuer, wie die Thierchen, die auf den Feuer - Heerden sic.htbar werden; andere aus verderbendem 1Vasser wie die Stech­mücken; andere aus umschlagendem 'V ein wie die Nage­Ameisen; andere aus Erde [wie die .Mäuse]; andere aus Schlamm wie die Frösche; andere aus Koth wie die Spul­würmer; andere aus Eseln wie die Scarabäen; andere aus Kohl wie die Raupen: andere aus Früchten. wie die Gallwespen aus den 'wilden Feigen; andere aus faulenden Thieren. wie die Bienen aus Ochsen und die

42 \\T espen aus Pferden. Von den aus einer VeTbindung (entstehenden t\"'" esen) entstehen die einen aus Gleich­artigem \vie die meisten, die anderen aus Ungleichartigem wie die 1\Iaulthiere. 'Viederllffi werden unter den Thieren überhaupt die einen lebendig gehoren wie die Menschen; andere 1verden als Eier geboren wie die Vögel; andere

43 werden als Fleiscnstücke geboren wie die Bären. Es ist mm wahrscheinlich, dass die in den Entstehmlgsweisen (herrschenden) Ungleichheiten und Untel'schiede grosse Gegensätze der Empfindungen bewirken, welche das Unvermischhare und Unvereinbare llna_ vVidel'stl'ebende

44 von dorther davontragen. Aber auch der Gnterschied der wichtigsten Theile des Körpers, und besonders der zum Entscheiden (Urtheilenj und zum Wahrnehmen von Natur geeigneten, v'ermag na'eh der Verschiedenheit der leben­den Wesen einen 'Widerstreit in den Erscheinungsbildern zu bewirken, der sehr gross ist. lVIeinen doch die Gelb­süchtigen, es sei gelb, was uns weiss erscheint, und die, welche an blutunterlaufenen Augen leiden, es sei blnt­l'oth. Da nun auch von den lebenden Wesen einige die All gen gelb haben, andere blutuntel'laufen, andere weiss­lic_h J andere andersgefärbt , so ist es, mein' ich, wahr­scheinlich, dass ihnen eine verschiedene Auffassung der

45 Farben zu Theil wird. Aber auch wenn "rir lange Zeit fest in die Sonne geblickt haben, dann aut'3 Buch uns niede:rducken, 80 meinen wir, die Buchstaben wären goldartig und he\vegten sich inl Kreise herum. Da mm

Erstes Buch. Cap. 14. 35

<>lieh von den lebenden Wesen einige von Natur einen Lichtglanz in den Augen haben und ein feines und leicht­bewegliches Licht von ihnen ausströmen lassen, so dass sie auch Nachts sehen t so möchte man wohl nothwendig glauben dass die AU8sendinge uns und jenen nicht als gleiche ~ieh dars;ellen. Auch be,:irken die Gaukler durc~ 46 Bestreichen der Lampendochte mIt Rost von Erz und mIt Saft von Sepia, dass die Anwesenden bald erzfarbig bald schwarz erscheinen in Folge der geringen Beifüg'ung des Zugemischten, Um Vieles also begründeter ist es, dass, bei der Mischung verschiedener Säfte in dem Sehwerkzeug der lebenden VVT esen, die Erscheinungsbilder der unter­liegenden Dinge ihnen veJ:,schiedel1 zu Tbeil "werden. Wann wir ferner das Äuge 'seitwärts drücken, so e1'- 47 scheinen die Gestalten und die Figuren und die Gl'össen der sichtbaren Dinge länglich lmd schmaL Es ist also wahl'scheinlich, dass, soviele lebende Wesen die Pupille schräg und länglich haben, wie die Ziegen, Katzen und ähnliche j von den unterliegenden Dingen verschiedene Erscheinungsbilder haben und nicht (so), wie die '1'h1e1'e mit runden Pupillen sie annehmen. ~~l1ch zeigen die 48 Spiegel nach der verschiedenen Einrichtung die ansser­halb unterliegenden Dinge bald sehr klein, wie die Hohl­spiegel, bald länglich und schmal, wie die gewölbten; einige aber zeigen den Kopf des sich Spiegelnden uuten, die Fässe aber oben. Da mm auch von den Gefässen 49 um den Gesichtssinn manche aus dem Aug€ gal' sehr heraus­treten in Fol.e:e der Ge,,,'ölbtheit. andere iieferlie!!end sind, noch andere in ebener Fiäche f daliegen, so ist es wahr­scheinlich, dass auch deshalb die Erscheinungsbilder sich ändern1 und dass Hunde, Fische, Löwen, }trenschen, Heu­schrecken dieselben Dil1g'e weder in den Gröss6n gleich noch in den Gestalten ähnlich sehen, sondern je nachdem der das Erscheinende aufnehmende Gesichtssimldell Ab­druck jedes Dinges bewirkt. Ebendieseibe Rede gilt auch 50 von den andern Wahrnehmungen; denn wie sollte man sagen, dass auf gleiche Weise in Bezug auf die Berührung bewegt werden (einen Eindruck empfangen) die Schaal­thiere und die mit biossem (sichtbarem) Fieische und die he stachelten und die befiederten und die beschuppten? Wie ferner, dass in Bezug' auf das Gehör auf gleiche ~l eise auffassen die, welche den Gehörgang sehr eng

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Page 16: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

36 Erstes Buch, Cap, 14.

haben, und die, welche sich eines sehr weiten bedienen. oder (1ie, \velehe die Ohren behaart, und die, welche diese glatt haben '? da doch auch wir anders bewegt werden in Be­zug auf das Gehör, wenn wir die Ohren (ein wenig?) ver­stopfen, anders aber, wenn wir sie schlechtweg gebrauchen.

51 Aber auch der Ger TI eh dürfte sich woM je nach der Ver­schiedenheit der lebenden Wesen unterscheiden; (lenn \Venll (doch) auch wir anders bewegt werden, sobald wir abgekühlt sind und der Schleim in uns in lTeberfülle ist, anders aber, wenn die Theile um unseren Kopf eine Uebel'fll11evon Blut empfangen haben, da wir dann das, was den Andel'eu wohlriechend zu sein scheint j meiden und davon gleich­sam verletzt zu werden g-lauben: so ist es, da auch unter den Thieren einige llass sind von Natur 1i]1(1 sehleimreich, andere sehr blutreich, lloch andere vorherrschend und in Ueberfülle die gelbe Galle oder die schwarze haben, wohl­gegründet, dass auch deshalb jedem von ihnen das Riech-

52 bare verschieden erscheine. Auch mit dem Sc h m eck -bar e n hat es eine gleiche BewandtlIiss, da die einen die Zunge rauh und troeken haben, die anderen sehr feucht; wenn doch auch ,,,ir, sobald wir in Fieberhitzen die Zunge trocken haben, für erdig und schlechtsäftig oder für bitter halten, was wir zn uns nehmen, dies aber auch nach dem verschiedenen U ebergmvicht der soge­nannten Säfte in uns erleiden (erfahren). Da nun auch die lebenden Wesen das Geschmackswerkzeug verschieden und von verschiedenen Säften übervoll haben, so dürften sie wohl. aueh im Geschmack die Erscheinungsbilder {1er

53 unterliegenden Dinge verschieden empfangen. Denn gleichwie dieselbe Speise, wenn sie sich vertheilt, balel zu Blutader, bald zu Pulsader, bald zu Knochen, bala zu Sehne und zu jedem der anderen Theile wil'd (sich ge­staltet) ~ indem sie nach dem L nterschiede der sie auf­nehmenden Theile eine verschiedene Kraft beweist ~ und gleichwie das eine und ein artige vvvasser, welln es ln die Bäume sich vertheilt, bald zu Rinde wU'cl, bald zu Z,veig, bald zn Frucht und ferner zu Feige und Granatapfel und

54 zu jedem der andern (Theile); und wie der Hauch des Musikers J als einer und derselbe, in die Flöt.e geblasen, bald hell wird, bald tief, und derselbe Druck der Hand auf die Leier bald einen tiefen Ton bewirkt, bald· einen hellen: so werden Wal1l'Scheinlich auch die ~nsserh;{Jb

Erstes Buch. Cap. 14, 37

unterliegenden Dinge verschieden angeschaut nueh dem verschiedenen Bau der die Erscheinungsbilder erleidenden lebenden \\T esen. Deutlicher aber kann man das Der- 55 artige (Verhältniss) lernen aus dem, was für die lebenden 'Vesen erstrebens- und fiiehenswerth ist. Myrrhe wenigstens erscheint den Menschen sehr angenehm, den Scarabäen und Bienen unerträglich; und das Oel nutzt den :Men­schen, 1Vespen aber und Bienen tödt.et es, wenn es 2~uf sie gesprengt wird; und das Meerwasser ist für Thlensehen unangenehm J ,,'enn es getrunken ''lira, und giftähnliclt, für Fische aber sehr angenehm und trinkbar. Schweine 56 waschen sich lieber in übelriechenclstern Schmutz als in durchsichtigem und reinem 'Vasser. Auch sind von den lebenden 'Vesen einige grasessend J andere gesträuoh­essend 1 andere im ~r ald lebend, andere samene,'3sendJ andere fieischessend} andere milch es send ; und die einen el'getzen sich an verfaulter Nahrung, andere an frischer; und die einen an roher, andere an kochkunstm!ü;sig zu­bereiteteT. Und überhaupt, das manchen Angenehme ist anderen unangenehm und :tl.iehenswerth l1nc1 tödtlich. Der 57 Schierling '\venigstens macht die lV ach tein fett und die Sehweinsbohne die Schweine J welche ja gern auch Salamander essen, ebenso ,vie Hirsche die giftigen Thiere und die Schwalben die Kanthariden. l"erner, die Ameisen lInd Holzmaden (?) bewirken, himmtergetrunken, bei den Menschen U eh elkeiten und Leibschneiden; «leI' Bär aber, wenn er in irgend eine Krankheit verfallen ist, stärkt sich i indem er diese hinunterleckt. Die Viner erSüuTt, 58 wenn ein Buchenzweig sie nur berührt hat, ;vie auch eHe Fledermaus, 1venn ein Platanenblatt. Es flieht vor dem \Yiclder der Elephant, der Löwe YOl' dem Hahn, und vor dem Rasseln von Bohnen, welche zerrnahlen werden, die grossen lVIeerthiel'e, und der TigeT vor dem PaukenschalL Auch anderes mehr als das kann man sagen; aber da­mit wir nicht mehr als nöthig dabei zu verweilen scheinen: welin dieselben Dinge den einen unangenehm sind, den andern angenehm, das Angenehme aber und Unangenehme auf einem Erscheinungsbilde beruht, so werden den lebenden ,Vesen von den unterliegenden Dingen aus die Erscheinullgsbilder verschieden zu TheiL Wenn aber 59 dieselben Dinge nngleichmässig erscheinen nach der Ver­schiedenheit der lebenden 'Yesen; so werden wir Z-W3.!

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38 Erstes Buch. Cap. 14.

sagen können, v.rie von uns das Unterliegende angeschaut 'wird, wie es aber der Natur nach (in 'Wirklichkeit) ist, darüber werden" wir an uns halten. Denn nicht einmal über die Erscheinungsbilder zu entscheiden. werden wir selbst im Stande sein] über unsel'e eigenen' und die der andern lehenden Wesen, da wir auch selbst ein TheU des Widerspruchs sind' (eine Seite des 'Viderspruchs bilden) und deswegen vielmehr jemandes bedürfen werden, der entscheiden soll, als dass wir selbst entscheiden

60 könnten. Und ferner können "viI' weder beweislos unseren eigenen Erscheinungsbildern den Vorzug geben vor denen, welche bei den unvernünftigen Thieren ent­stehen, noch mit Beweis. Denn, abgesehen davon, dass es vielleicht einen Beweis nicht giebt, wie wir zeigen werden, so wird der sogenannte Beweis selbst entweder ein ,uns erscheinender (offenbarer) sein, oder ein nicht erSCheinender. Und wenn nun nicht erscheinend, so werden wir ihn auch nicht mit Ueberzeugung annehmen: wenn aber uns erscheinend, so wh."d, da ja eben mfi daS den lebenden Wesen Erscheinende die Untersuchung sich bewegt und der Beweis uns, die wir lebende \Vesen sind, erscheint J er auch selbst zU!' Untersuchung kommen, ob

61 er wahr ist, inwiefern er eI'scheinend ist. Thöricht aber ist, das zur Untersuchung Stehende durch das zur Unter­suchlmg Stehende begründen zu wollen, da es zugleich geglaubt und nicht geglaubt sein wird, was doch, un­möglich ist: geglaubt, inwiefern es beweisen will, nicht geglaubt, inwiefern es bewiesen wird. Mit nichten also werden wir einen Beweis besitzen, durch welchen wir l1ie eigenen Erscheinungsbilder vOl'ziehen werden denen, welche bei den sogenannten unvernünftigen Thieren ent­stehen. Wenn also die Erscheinungsbilder sich ver­schieden gestalten, nach dem UntB1'schied der lebemlen Wesen, und über sie zu entscheiden unmöglich ist, so ist es nothwendig an sich zu halten über die ausserhalb unterliegenden Dinge.

Ob die sogenannten unvernünftigen Thiere Vernunft baben.

62 Zum Ueberfluss aber vergleichen wir auch die so-genaunten unvernünftigen Thiere mit den 1tIenschen in

Erstes Buch. ('ap, 14. 39

Bezug auf das Erscheinungsbild; denn aueh zu spotten über die verblendeten und sich selbstverherrlichenden LehrllhHo­sophen v~rsagen wir uns nicht nach den (obiO'en) wirksamen Reden. Die Unsrigen zwar nun pflegen edle' :Nleno'e der unvernün~tigen Thiere schlechtweg mit dem ~fe~schen zu vergleichen; da aber die Lehrphilosophen in ihrer 63 Diftelei meinen, die Vergleichung sei unstatth~tft. 80

wollen wir, zum grossell Ueberfluss den Seherz etwas weiter tl'eibend, die Rede auf ein einziges Thier be­schränken, z. B. auf den Hund. weun es beliebt, der d~l$ gewöhnlichste Thier zu sein' scheint. Denn wir werden auch so fi~ldenJ .aass die le l)enden Wesen, um die es sich handelt7 nIcht hmter uns zurückstehen in Bezug auf die Glaubwürdigkeit des (ihnen) Erscheinenden. Dass also 64 di~s_ Thier durch Sinneswahrnehmung vor uns sieh aus­zeIChnet, gestehen die Lehrphilosophen zu; denn er er­fasst ebenso durch den Geruch besser als wir da er da-s von ihm nicht gesehene \Vild durch diesen adfsl1ürtt wie el' auch durch die Augen dies schneller als wir . sieht und durch das Gehör scharf wahrnimmt. Also wollen 65 wir zu der Rede (Vernunft) übergehen. Diese ist theils innerlich (Gedanke), theils äussernd (Sprache , Wort). Lasst uns nun ZlleJ'st die innerliche betrachten. Diese also scheint t nach den gegenwärtig uns am meisten ent­gege~8teher:den Lehrphilo~ophen} (nämlich) dene.n aus der Stoa, III folgenden Dmgel1 umherzllwanken: m der 'v. ahl d~:r gemässen u~d Vermeidung der fremdartigen Dmge; III der Erkenntmss der hierhin zielenden Künste: ~ der Er~angllng der d~r eigenen Natur gemässe~ .lugenden m Bezug auf dIe Empfindungen (Zu.'3tänd(;. Der Hund also, auf den die Rede Beisniels halber zu he- 66 schrän.ken Eelieb.te, trifft eine Wahl der (ihm) gemässen u!ld eme vermeIdung der schädlichen Dinge, da er die Nahrung zwar aufsucht, wenn aber die Peitsche erhoben \virdr sich zurückzieht. Aber er besitzt auch eine Knnst, welche die (ihm). ~emäs8en Dinge (ihm) verschafft, die Jagdkunst. Er steht aber auch nicht ausserhalh (leI' 67 ~ug~nd; da ja nämlich die Gerechtigkeit der Art ist, dass SIe Jedem nach Gebühr zutheilt, so möchte der Hund wenn er die Hausgenossen und W ohlthäter anwedelt und bewacht, die Fremden aber und die (ihm) Debles tlmn,

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40 Erstes Buch. Cap, 14.

abwehrt, wolll nicht ausscrhalh der Gerechtigkeit sem. 68 Wenn er aber diese besitzt, so besitzt er, da die Tugenden

einander gegenseitig folgen, auch die übrigen Tugenden, welche~ wie die Weisen sag'en, die meisten ~lenschen nicht besitzen. Auch tapfer aber sehen wir ihn in der Ab,vehr i auch verständig, wie auch Homeros bezeugte, als er dar­stellte, wie Odysseus allen Leu~en seines Hauses un­bekannt war, von dem Argos allem aber erkannt wurde, indem deT Hund ,yeder von der körperlichen Veränderung des Mannes O'etäuscht ,yard, noch sich entfernt hatte von der auffassenden ErscheimmgsvorstellllugJ welche er sicht-

69 lieh mehr als die lVlenschen festhielt. Nach dem Chrysippos aber, welcher (doch) am meisten Kl'ieg führt mit. den l~n­vernünftigen Thieren, nimmt er (der Hund) auch. an aeT vielgepriesenen Dialektik Theil. Es sagt nämlIch der vorenvähnte Mann, dass er (der Rund:, an die fünfte nicht­bmveisbedürftige (Schlussform) mit mehrer~n (Stücken~ sich mache, sobald er an einen Dreiweg gekommen l~lld nach Durchspürung der zwei "\Vege, durch welche etas V'\Tilcl TI'i c h t gegangen ist, ohne den dritten durchzuspürell} ihn sofort durcheilt. Dem Sinne nach nämlich j sagt der Alte 1 mache er diesen Schluss: ,:Entweder ging das 'Yild hier oder hier oder hier durch ~ weder aber hier

70 noch hier; folglich, hier"'. Ahel' auch seine eigenen Zu­stände erfasst' er (der Hund) und lindert sie; denn so­bald iJml ein Dorn festhaftet . trachtet er nach dessen Entfernnnß' durch Reibung de~ F llsses an die Erde und vermittelst der Zähne. Lnd wenn er wo eine VVunde hat, so wischt ·er, weil die schmutzigen 'Vunden schwerheil­bar sind, die reinen aber leicht geheilt \\-'erden, den ent-

71 stehenden Eitel' sanft ab. Aber auch das Hippokrateische (Wort) beobachtet er sehr schön ~ da nämlich die Ruhe Heilung fi:ir elen Fuss ist, so hebt er, wenn er einmal eine Verletzllng am Pnsse hat, diesen in die Höhe und hütet ihn möglichst unbeschädigt. Lnd wird el' VOll fremd­artigen Säften beschwel't, so isst er Gras und, ind~n: er

72 mit diesem das Fremdartige ausspeit J genest er. Wenn sich also gezeigt hat, wie das 1'hier, auf welches wir die Recte Beispiels halber einschränkten, das (ihm) Ge­mässe wähli lind das Beschwerliche meidet, und wie es eine lümst besitzt, das (ihm) Gemässe sich zu Y':;fschaffeu, lU1d wie es seine' eigenen Zustände erfasst und mildert;

Erstes Buch. Cap. 14. 41

und wie es nicht ausserhalb der Tugend ist - Dinge; in welchen die Y ollkolILrnenheit der inneren Rede (Vermmft) liegt, - so möchte demzufolge der Hund wohl' yollkom~ men. sein; weshalb, wie mir scheint, Einige in der Philo­sophie sich selbst mit dem Beinamen dieses Thieres be­ehrt haben. 'Vas aber die ällssernde Rede anlangt, so 73 ist es vorläufig nicht nöthig, danach zu fragen; denn diese haben auch von den Lehrphilosophen Einige, als der Erwerbung' der Tllg'end 1viderstreitend, abgewiesen, weshalb sie auch um die Zeit des Lernens Schlveigen übten; und ausserdern, gesetzt es wäre ein Mensch stumm, so wird keiner ihn unvernünftig nennen. Um jedoch auch hiervon abzusehen, so sehen wir zuvördel'st elie Thiere J von welchen die Rede ist, sogar menschliche Laute äussern, wie die Holzheher und einige andere. LID 74 abel' auch dies bei Seite zu lassen, wenn wir die Laute der unvernünftig heissenden Thiere auch n ic h t verstehen, so ist es doch ganz uud gar nicht mT\vahrscheinlich, dass diese sich unterhalten, WiI' es aber nicht verstehen: denn auch wenn wir die Sprache der Fremdländischen 'hören, verstehen wir sie lücht, sondern halten diese für einartig (eintönig). Aber 11'11' hören auch die Hunde einen andern 75 Laut ausst088en, wann sie jemanden abwehren, einen amlern aber, \vann sie heulen, lmc1 einen andern, wann sie Schläge bekommen, unü einen verschiedenen 1 . sobald sie wedeln, lind mit einem '\Vort, wenn jemand hierauf achten würde, So möchte er den Unterschied !les Lauteß hei diesem und den übrigen Thieren in elen verschiedenen Umständen gross finden, so dass man des\vegen billig sagen könnte, auch an der äussernden Rede haben die sogenannten unvernünftigen Thiere Theil. Wenn diese 76 aber weder an Genauigkeit der VV' ahrnehmungen hinter den Menschen zmückbleiben, noch an der innerlichen lIede, zum Ueberfinss zu sagen aber auch nicht an der äussernden, so möchten sie nicht unglaubwürdig'er als wir sein in Be­treff der Erscheinungsbilder. Aber auch auf jedes (einzelne) 77 der unvernünftigen Thiere vielleicht. die Hede anwendend; ist es möglich dies zu beweisen. So z. B., wer möchte nicht sagen, dass die Vögel sich durch Scharfsinn aus­zeichnen und von der äussernden Rede Gebl'auch machen ':, tla sie doch nicht 11ur das Gegenwärtige, sondern auch das Zukünftige wissen, und dies denen, welche es zn verstehen

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42 ' Erstes Buch. Cap. 14.

ve:nnägen, vorhe1"Offenbaren, indem sie es sowohl anderweitig anzeigen, als auch dUl'ch die Stimme voraussagen.

7R DieYergleichung habe ich, wie ich auch oben andeutete, ~um - ueberfiuss gemacht, nachdem ich.' wie ich glaube] oben

hinlänglich gezeigt hatte, dass WIr unsere El'sc.1wlllungs­bilder nicht. vorziehen können denen, welche bel den un­vernünftigen Thiel'en entstehen. Kur~um,. wenn di~ nn­vel'niinftigen Thiere nicht unglaubwüTdlge~.tnnd als ;vn: zur Bemtheilung der Erscheinungsbilder, und (ile Ers~hemullgs­bildel' nach dem Gntersehied der lebenden Wesen ver­schieden ausfallen, so werde ic? zwar, 1vie .. jedes d~r unterliegenden Dinge mir ers~hemt, sagen k.onnen} 'V1e es aber der :Natur nach ist. t1arüber werde ICh aus den vorerwähnten (Gründen) mich zurückzuhalten genöthigt sein.

Von der zweiten Weise.

79 Die erste Weise der Zurückhaltung nun ist so be-schaffen ~ als z w ei te aber nannten ,vir die von dem Unterschied der Menschen her(rührende); denn gesetzt auch, es gestände Einer zu, glaubwürdige!" als die u~­vernünftigen Thiere ,:ären die Mens~~en J so. ~erden wr: finden. dass auch so wed unsere VerscmedenhmtmBetracht kömmt. die Zll~ückhaltlmg' sich einsteHt. Da man also 8ao-t zwei Dinge seien es, aus denen der Mensch Zll-

8a~~enge8etzt ist, Seele unq Körper, ~o untel'schei~en wir uns in Bezug auf diese heiden (Dmge) von emander; z. B. in Bezug auf den Körper durch die Gestalten und

80 die eigenthümlichen Zusammensetzungen. Es unterscheidet sich ja in der Gestalt ~er Kö:p~r eines ~kythe~ VOll

eines Inders Körper, den lJnterschled aber hewlIkt, Wie man sagt, das verschiedene Vorherrschen der Säfte. Nach dem verschiedenen Vorherrschen der Säfte (aber?) wer­den auch die Erscheinungsbilder verschieden, wie wir auch in der ersten Rede (52) darstellten. Deshalb sicher­lich ist auch in der Wahl und V €rmeidung der äusseren Dinge ein grosser Unterschied unter ihnen (den Menschen); denn an Anderem er~etzen sich die Inder und an Anderem unsere Landsleute; ~n Verschiedenem aber sich zu, er­getzen ist ein Anzeichen davonJ dass man von den um::er-

Erstes Buch. Cap. 14. 43

liegenden Dingen her unterschiedene Erscheinungsbilder empfängt. Nach den eigenthümlichen Zusammensetzungen 81 aber unterscheiden wir uns so J dass Einige Rind­fleisch leichter verdauen als Fischlein aus Felsengegenden und von schwachem Lesbischem Wein zum Brechdmch­fall getrieben werden. Es gab aber, sagt man, eine aUe Frau in Attika;. welche dreissig Drachmen Schierling gefahrlos zu sich nahm, Lysis aber nahm sogar vom Mohnsaft vier Drachmen ohne Beschwerde. Demopnoli,82 der Tafelordner Alexanders, fror, wenn er in die Sonne kam oder im Bade, im Schatten abeT erwärmte er sich; Athenagoras aus Argos wurde von Skorpionen und Gift­spinnen ohn~ Beschwerde ge~tochen; di~ sogena~ntep Psyllaer erleIden auch von ~chlangen (, t) oder ~'i.SPlS gebissen keinen Schaclen; die Tent'y~iten hei den Aegyp­tiern erleiden von den Krokodilen [ringsum:-] keinen Schaden. Aber auch von den Aethiopen essen die, welche; Meroe 83 gegenüber, am Astapusfluss wohnen, SkorpioneundSchlangen und Aehnliches gefahrlos. Ru.finos in Chalkis brach nicht, wenn er Nieswurz trank, und führte (ihn) auch sonst nicht ab, sondern wie etwas Gewohntes genoss und vexdaute er ihn. Chrysermos1 aus der Schule des Herophllos, litt, wenn 84 er einmal Pfeffer zu sich nahm, an lIagendrücken. Der Vi und­arzt Sotetichos ward, wenn er einmal den Fettdampf von Welsen zu riechen bekam, von Brechdurchfall ergriffen. ~~ndron aus Argos war so dUl'stlos, dass er sogar durch das wasserlose Libyen reiste, ohne nach einem Trunk zn. verlangen. Der Kaiser Tiberius sah im Finstern. Aristoteles erwähnt einen Menschen aus Thasos i der glaubte, eine Menschengestalt gehe ihm immerfort voran. Weil nun - um von den zahlreich bei den Lehrphilo- 85 sophen vorliegenden (Beispielen) mit der Besprechung nur weniger uns zn begnügen - eine so grosse Verschieden­heit unter den kfenschen in Bezug auf die Körper herrscht, so ist es wahrscheinlich, dass auch in Bezug auf die Seele selbst die Menschen sich VOll einander unterscheiden; denn der Körper ist eine Art Abdruck der Seele, wie auch die physiognomische Weisbeit zeigt. Das grÖBste Zeichen aber von dem vielfachen und unbegrenzten Unterschied in der Einsicht der :Menschen ist der Widersurueh der Ausspruche bei den Lehrphilosophen über die andern Dinge sowohl als auch darüber, was zn wählen sich

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44 Erstes Buch. Capa 14.

86 schickt, und was zu meiden. Angemessen haben auch die Dichter hierüber sich ausgesprochen; denn der PID­daros sagt:

Manchen erfreut's, Wenn der 8iegeskranz sein windgeschwindes Gefahrte

beglückt: Im goldnen P'runksaal weilet ein anderer gern, Während jener über die Wogen der See schweben dahin 'Will mit ungebrQchnem Kiel

(Fragment, übers. von Hartung).

Der Dichter (Homeros) ab,er sagt: Denn den einen ergetzt ja dies, den anderen jenes.

(Odyss. 14.228, über-B. v. U sc:huer~"

Aber ~uch " die Tragödie ist voll von Derartigem;' sie sagtnäm1ich:

Dünkt' aUe Menschen einerJei sn 'schön als gut, Dann gäb' es keine Zweifel und kein Hadern mehr.

(Euripidest Phömz, 453, übers. v.. BQthe).

und wiederum:

Wie seltsam, dass dBn Einen eben das gefaUt, Was Andre hassen,

('Walrrse-h. Ftagm. aus Eurip.) , ,

87 Pa , nun die Wahl und die Vermeidung auf Lu~t und Unlust beruht, die Lust IlIld die Unlust aber auf Waht~ ~ehrnung sich gründet und &1).f ein Ersch.einungShild, ,SQ ist es, waIlIt die Einen dasselbe wählen, was die Aniern meiden, folgerecht fii1' Uns zu Bchliessen, dass sie auch ' nicht auf gleiche Weise von d~llBelben Ding~n bewegt werden, da sie auf gleiche Weise süllSt dasselbe wahlen oder (ihm) ausweichen würden. 'V'enn aber dieselben Dinge auf verschiedene Weise bewegen, je nach der Ver.:. schiedenheit der Menschen, so möchte billig auch hier;. nach die Zurückhaltung sich ergeben; insofern wir, Me .. ,' jedes der unterliegenden Dinge irt Bezug auf jegliche Verschiedenheit erscheint, viel~eicht zu sagen ver~ögen, ' ~.; was es aber gemäss seiner Kraft, der Natur nach ,. isi1

88 nicht im Stand~ Bind zu offenbaren. Denn entweder " werden wir allen Menschen Glauben schenken oder , einigen. Aber wenn allen', so werden wir sowohl Un- :~'i ,mögliches versuchen, als auch das Entgegengesetz,te , an-- r

Erstes Bach. Capa 14. 45

-nehmen; wenn aber (nur) einigen, so soll man nns sagen1

,;:Welchen man beistimmen muss; denn der Platoniker wird ,sagen, dem Platon, der Epikureer, dem Epikuros, und die :,ü;brigen in entsprecheuder Weise; und indem sie so un­

." entscheidbar uneins sind, werden sie uns wiederum in }::Alle Zurückhaltung drängen. Wer aber sagt, den Meisten 89 ~~", 'solle man beistimmen, begeht etwas Kindisches da ;c;, iJiemand zu allen .Menschen gehen und ausrechnen kann, i/; )Va:s den Meisten gefaUt, da möglich ist, dass bei einigen 0\\ 'Völkern, welche wi r nicht kennen, das bej un8 Seltene ;" der Mehrzahl anhaftet, das aber , was von uns den

M:eisren zukommt, (dort nur) selten vorhanden ist; so dass :(z/B. dort) die Meisten, von Giftspinnen gebissen ,(vgL 82),

':' kein-en Schmerz empfinden, Einige aber selten Schmerz <~. empfinden; lmd in Bezug auf di~ andern oben be­

's~fgehenen eigenthümlichen Zusammellßetzlmgen (gilt) das , A-ehnliche. Nothwendig also jst es, dass auch wegen der

, niensehlichen Verschiedenheit die Zuruckhaltung eintritt.

Von der dritten Weise. ."j. ... ~\;-~ .. ~ ~ •

Weil aber aus Selbstliebe die Lehrphilosophen 90 \,<\ineineu, man müsse si~h selbst vor qen andern ~renschen '. ~en Vorzug geben bel der Beurthßlhmg der Dmge, so ':. -wissen wir zwar, dass ihr Verlangen thöricht ist - denn

:.: .--sie bilden auch selbst eine Seite des Widerspl'uchs; und ',' wenn sie, sieb selbst den V Ol'ZUg g'ebend, in dieser Weise

1;iber das EI'scheinende urtheilen, so nehmen sie, noch ' bev6r sie dle Beurtheilnng beginnen, das Erscheinende ,gleich (als beurtheilt) an, dadurch: dass , sie sich sel?st'd!e , 'ßeurtheilung übertragen -; gleIchwohl nun, damIt WIr 91

), auch dur~h Einschränkung der Rede (Betrachtnng) auf ,~ ,~ 'Einen Menschen, wie Z:. B. auf den bei ihnen erträumten :< Weisen, . znr -Zurückhaltung gelangen: so machen wir uns :~<J,~n die" der Ordnung nach d r i t t e Weise. Als diese pe­,~~' ;,'- zeiehnen wir (36) die von dem Unters.chiede der Wahr~ it ':nebmungen aus. < Dass aber die Wahrnehmungen sich ;~,;j; gegen einander unterscheiden, ist ganz offenbar. So z. B.92 :1 <scheinen dre 'Gemälde für den Gesichtssinn Vertieftmgen und ~~\';Erhöhun-gen zu haben, nicht aber auch für die Berührung :,:~~ (Tastsinn). Undder.Honig erscheint für die Zunge bei Einigen

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46 Erstes Buch. Cap. 14.

angenehm, für die Augen aber unangenehm; es ist also unmöglich zu sagen, ob er wahrhaft angenehm ist oder unangenehm. Auch bei der :Myrrhe (ist es) auf gleiche Weise; den Geruchssinn nämlich erfreut sie 1 dem

93 Geschmack aber ist sie unangenehm. Auch von dem Euphorbionharz werden wir 7 da es für die Augen be­schwerlich, für den ganzen übrigen Körper aber nicht beschwerlich ist, nicht sagen können, ob es in Wahrheit für die Körper lücht beschwerlich ist, seiner eigenen Natur nach, oder beschwerlich. Das Regenwasser ist den Augen nützlich, Luftröhre und Lunge aber macht es rauh1

ebenso wie das Oe1, das doch der Oberhaut wohlthut. Auch bewirkt der Zitterroche, an die Glieder (Extremi­täten des Körpers) gelegt, Erstarrung, dem übrigen Körper aber bringt man ibn ohne Beschwerde nahe. Deshalb werden wir, wie seiner Natur nach jedes dieser Dinge heschaffen ist, nicht sagen können; wie es aber jedesmal erscheint,

94 ist zu sagen möglich. -L4.uch anderes, mehr als dieses,; lässt sich anführen; aher, damit wir im Hinblick auf elen Abfassungsplall der Schrift nicht zu lange verweilen, ist Folgendes zn sagen. Jedes der uns erscheinenden wahr­nehmbaren Dinge scheint sich mannichfach darzustellen; wie z. B. der Apfel glatt, wohlriechendJ sliss, gelb. Un­bekannt ist UUll, ob er wohl in Wirklichkeit blos diese Beschaffenheiten· hat; oder ob er mu Eine Beschaffenheit hat, nach der versc1iiedenen Einrichtung der Sinneswerk­zeuge aber verschieden erscheint; oder ob er noch mehl' Beschaffenheiten als die erscheinenden hat ~ 1ms jedoch

95 einige davon sich nicht darstellen. Denn dass er nur Eine Beschaffenheit hat, dies lässt sich folgern aus unseren früheren Erörterungen (53 54) über die in die Körper sich vertheilende Nahrung lmd das in die Bäume sich vertheilend~ Wasser und den Hauch in Flöten und Hirtenpfeifen und den ähnlichen Werkzellgen: es kann ja auch der Äpfel einartig sein (Eine Beschaffenheit haben), verschieden aber angeschaut werden nach der Verschiedenheit der Sinnes-

96 werkzeuge, bei welchen seine Auffassung geschieht. Dass der Apfel aber mehr Beschaffenheiten haben kann als die uns erscheinenden, folgern wir so. Stellen wir uns Je­manden vor, der von Geburt zwar Gefühl (Tastsinn) hat und Geruch und Geschmack, aber weder hört noch sieht. Dieser wird doch annehmen 1 es gebe überhaupt nichts

Erstes Buch. Cap. 14. 47

SichtbareS noch Hörbares, sondern MOB jene drei Arten yon Beschaffenheiten seien vorhanden, welche er auffassen kann. Auch wir also fassen möglicherweise J da wir blos die 97 fünf Sinneswahrnehmungen haben 7 nur (diejenigen) 'Von den Beschaffenheiten am Apfel auf, welche aufzufassen ,,1r fähig sind; möglich aber ist, dass (noch) andere Be­schaffenheiten vorhanden sind, welche anderen 8inne8-werkzeugen sich darstellen, (l'eren wir nicht theilhaftig sind, weshalb wir auch das ihnen gemäss Wahrnehmbare nicht auffassen. A .. ber die N atuI' brachte, wird man sagen, 98 die Wahrnehmungen zu dem Wahrnehmbaren in Ein­stimmlmg. Was für eine Natur? (so muss man dagegen fragen ,) da bei den Lehrphilosophen ein so grosser unentschiedener Widerspruch herrscht über die ihr zu­kommende Wirklichkeit. Denn wer eben darüber ent­scheidet, ob es eine Natur giebt, (ler whd, wenn er ein Ungebildeter sein '\vltrde, nach ihrer Ansicht unglaub'lviirdig sein; ist er aber ein Philosoph, so wird er eine Seite des Widerspruchs sein und einer, über den 6elost gellrtheilt wird, aber nicht ein Beurtheiler. Kurzum, wenn es (doch) an- 99 ginge (denkbar wäre), ehenso dass nur diese Beschaffen­heiten am Apfel vorhanden sind J ... velche 1\ir aufzufassen glauben ~ wie auch, dass mehr als diese J oder wiederl1ill, dass nicht einmal die J welche sich lIDS darstellen: so wird uns nichtoffenbar sein, wie der Apfel beschaffen ist. Dieselbe Rede aber gilt auch bei den übrigen wahrnehm­baren Dingen, Wenn jedoch die Wahrnehmungen nicht die Dinge ausserhalb erfassen, so kann auch das Denken diese (Dinge) nicht erfassen, so dass auch auf Grund dieser Rede die Zurückhaltung über die aussen unter­liegenden Dinge, wie es scheint, sich ergeben wird.

Von der vierten Weise.

Damit wir aber auch die Rede auf iede einzelne 100 t\! ahrnehmul1g einschränkend, oder sogar von den W 3ohr­nehmungen absehend, im Stande sind bei der ZurücK­haltung anzulangen t nehmen wir auch ihTe (der Zurück­haltung) vierte Weise hinzu. Es ist dies die nach den Un~sHi.nden genannte, wobei wir Umstände die Verhaltungs­WeIsen nennen. Znr Anschauung aber kommt sie,

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48 Erstes Buch. Cap. 14.

meinen wir, in dem Naturgemässen ~der N:>.t!1r-wi{h'jgen; in dem Wachen oder Schlafen; Je nach (l~n LebeiisaHcrn; je nach dem Sich bewegen oder Ruhen; Je nach dem Hungrig - oder G~sätti~sein; je nach~ dem Trunkensein oder Nüchternsem ; Je nach den Vorz~l­ständp l1 (nfn· ie naüh dem irluthlgsein oder Fürchten; Je

101 naeh de~ Si~hbetrübell oder Sichfreuen. So z. B. stellen bei' dem (unserem) Daturgem~Esen o.del' naturwid::igel! Be­finden die Dinge sich ullglelChmässlg dar, da dlB Wahn­sinnieren und die Gottbeg,'eisterten Götter zu hören glauben, l:> u. f" d . . . ,\ wir aber nielli. Ebenso sag'en Sie O1t, ass SIe eme L'iUS-

strömung V011 Styrax - oder Lihanos - Harz oder etwas Aehnliel{em und ·~c\.nderes mehr auffassen (empfangen), während wir sie nieht ,;rahrnehmen, Lnd dasselbe '\Vasser scheint, auf entzündete Stelle? gegos?en j 8iede~(1 zu sein, uns aber lau. Ln cl dasselbe KleId erschemt dene,?1 welche ein blutunterlaufenes Auge haben, hellgelb, mIr ;:l,ber :nicht. Lnd derseIhe Honig erscheint mh' süss, den

102 Gelbsüchtigen aber bitter. "" enn aber Jemancl sagt, dass die Beimisclnm 0' o'e\visser Säfte unangemessene Erscheinungs­bilder aus denl:> ~nterliegendcn Dinger: bei denen bewirkt, welche sich in naturwidrigem Zustande befinden: ~so muss man sagen ~ dass 7 da aucl~ die /2.esl~~den }l~terel~~nder­gemischte ;"jäfte haben, (hese i,J:,afte) beWIrken ko~nen, dass die amsen unterliegenden Ding~ , obwoJ:l SIe ~o von Natur sind, \vie sie denen erschemen, welche, WIe

IUal} "acl in natunYidrio'em Znstande sich befinden - den " ~ b , b • s"ft .

103 Gesunden anderartig erseheinen. D~nn Jenen ,.;a ,en. eme die unterliegenden Dinge ä!ldernne Kraft zu ge~.en,_ .dIe~,en aber niebt, ist etwas Erdl(>}üe~es. ,r:enn , SO\He dl~ ~e­sunden eineTseits gemäs8 der Na!,nr s}ch v~rh~lt~n \n~m­lieh der') der Gesunden, andererseits 'wIder ehe, ~ atur \,uan;­lieh die) der Kranken: ebenso -verhalten Slell auch dIe Kranken einerseits wieler die Natur der Gesunden, andererseits gemäss der ,Na~nr (leI'. Kranken,; so. d~ss man auch jenen, da S16 m geWIsser ~ezlehung ge­mäss der Natur sich verhalten, Glauben schenken

104 muss. Je nach dem Schlafen oder Wachen aber g~-. stalten sich die Erscheinungsbilder verschiede~l J d~, ~lr

wachend nicht Erscheinungsbilder haben, WIe :vn' 1111

Schlafeu Erscheinungsbilder haben, und ebens~wem~ aU,?h im Schlafe Erscheimmgsbilder haben, WJC 'l/rr lUl

~rBte8 Buch. Cap. 14. 49

Wachen Erscheinungsbilder haben; so dass ihnen Sein oder Nichtsein zu Theil wird nicht schlechthin sondern in Bezug auf Etwas; nämlich in Bezug auf das Schiafen oder auf W:tchen. Vermuthlich also sehen wir im Schlafe das. was im Wachen nicht wirklich ist, während es nicht ein für alle~ mal nichtwirklich ist; es existirt nämlich im Schlafe ebenso wie ~as im Woachen (Daseiende) existirt, auch wenn 'es nicht da,~em .sonte Im Schlafe. ~erner, je nach den Lebensaltern: 105 Weil dIeselbe Luft den Greisen kalt zu sein scheint. den Vollkräftigen aber gemässigt, und dieselbe Farbe den Aelteren mat! erscheint, den Vollkräftigen aber gesättigt, und ebenso um'selbe Ton den Einen matt zu sein scheint. den Anderen wohlvernehmbar. Aber auch in dem 106 }Vählen lIDd Vermeiden werden die in den Lebensaltern V ~rsc?iedenen ungle~ch bewegt; denn für Kinder, wollen WIr emmal sagen, smd Bälle und SpieIräder eine erl1ste Sache 1 di~ Voll~räftige'p- aber wählen sich Anderes, und Anderes dIe GreIse. Woraus sich ergiebt, dass von den­selben. unterliegenden Dingen [aus] die Erscheimlngsbilder verschIeden sich gestalten auch je nach den verschiedenen Lebensaltern. Ferner: je nach dem Sichbewegell oder 107 Ruhen .ersch~inen die Dinge ungieichmässig, da wir das; ~as WIr beIm Stehen ruhen sehen} beim Vorbeischiffen In Bewegun~ glauben. Ferne!'} je nach dem Lieben oder 108 Hassen: weil vom Schweinefleisch Manche sich über die l\~aa~s~~ abwenden, Manche es sehr gern zu sich nehmen. 1\'esnalO auch der !'Ienandros sagte:

'Wie aber sieht sein Antlitz ietzt so hässlich aus, Seitdem er so geartet ist! Ö welch ein Thier 1 . Nichts Ungerechtes thun macht uns fünvahr auch schön,

(Fragment).

. Viele auch, welche hässliche Liebchen haben, halten gle für sehr blühend. Ferner, je nach dem HUll»'ern 109 oder Gesättigtsein : weil dieselbe Speise den Hunger~den sehr angenehm zu s~in scheint, den Gesättigten aber un­"2.~genehm. Ferner, Je nach dem Trunken- oder Nüchtel'n­sem: weil, was wir niichtel';n für hässlich halten dies uns trunken .. nicht häs~1ich erscheint. Ferner, je' nach 110 den V ürzustanden: weil derselbe Wein denen, welche vorher Datteln oder Feigen gegessen haben, säuerlich

Sextus EmpirlcllS. 4

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50 Erstes Bueh. Cap. 14.

seheint denen aber ,velche WaUnüsse oder Kichererbsen , , "l • h . J. d-' zu sich genommen; angenenm zu sem sc em", un dH~

rlamval'me'j MittelbaUe des Badehauses die von aussen 111 Eintretenden erwärmt, die Hinausgehenden aber abkühltr

wenn sie darin verweilen. Ferner, je nach dem Fürchten oder ~Iuthip"sein: weil dasselbe Ding dem Feigen furcht­bar und s~ln'ecklich zu sein scheint, dem Mnthigeren aber keineswegs. Ferner, je nach dem Sichbetl'~i~en oder Sichfreuen : weil dieselben Dinge für die Betrübten lästig sind, fiü die Freudigen aber angenehm.

112 Da nun so gross die Ungleichmässigkeit auch je nach den Verhaltuugsweisen ist, und die :Menschen in den Ver­haltuugsweisen zu anderer Zeit andere werden, so lässt sich wie jedes der unterliegenden Dinge Jedem be­schaffen erscheint vieHeicht leicht sagen, wie es &ber be­schaffen ist nicht ebenso. ,yeil auch die Ungleichmässig­keit nicht ~u entscheiden' ist. Denn wer über diese ent­scheidet. ist entweder in einigen der vorhin besprochenen VerhaltUngsweisen , oder er ist gan~ und gar in kein~r Verhaltung·sweise. Zu sagen nun, a~ss er durch~us m keiner Verhaltllngsweise sei1 z. ~. weder geg,!ll~ se: lloe~ krank, weder sich bewege noch ruhe, noen m ngena einem Lebensalter stehe, frei sei aber auch von den an­deren Verhaltungsweisen, ist völlig ungereimt. Wenn er aber. während el" in irgend einer Vel'haltungsweise 1St,

113 die Erscheinungsbilder bmutheilen wird, so wird er ein Theil des Widerspruchs sein, und ausserdem ist er kein lauterer Belll'theilel' der aussen unterliegenden Dinge, \'leil er getrübt ist durch die Verhaltungs weisen , in wel­chen eI' sich befindet. )Veder also vermag der Wachende die Erscheinungsbilde}' der Schlafenden mit denen der \\"'" achenden zu vergleichen, iloen der Gesu.!ide die der Kranken und die der Gesunden; denn den gegenwärtigen

114 und uns in der Gegenwart bewegenden Dingen glaube? wir mehr J als den nichtgegenwärtigen. Doch aUch in anderer \Veise ist die lJngleichmässigkeit der der­artigen Erscheimmgsl)ilder nichtentscheidbar. Denn wer das eine E:rscheinungsbil4 einem anderen vorzieht und die einen Umstände and_eren. tImt dies entweder ur­theilslos und olme Beweis. oder indem er urt.heilt und beweist. Aber wedel' ohne diese Dinge (darf er (leIm f:r wird unglaubwürdig sein 7 noch mit diesen.

Erstes Buch. Cap. 14. 51 Denn. wenn ~r die Erscheinungsbilder beurtheilen wird so WIrd er SIe durchaus mit einem TJrtheilsmitteI beul': tbeBen. Dies Urtheilsmitt.el mm wird er eutw('de~ f .. ir 115 w:,,111' erklären oder für falsch. Aber wenn für falsch ~o .wnd er un~Ianbwürdig sein. VI enn er aber divon behaupten . wird, es sei ~ahT, so wird er es entweder o~ne Bew~ls s~g~ni dass das TJrtheilsmittel wahr odel' mIt BeweIS. uml wenn ohne Be,\-eis, so wird er (der Beh~u1Ztende) ung'laubwürdig sein; wenn aber mit Be\~ei8 so. Wll'Q durchaus nöthig sein, dass auch der Beweis w~th; se}7 da e!. ( der Behauptende) [sonst?] ullglaubwitrdi:r sein w:rd. V\ ud er nUll den zu!' Beglaubigung des Urtl1eils­~11ttels h~rzugenommenen Beweis für wahr erklären. nach-{tem 81' Ihn beul'theilt hat oder nicht bem'theilt hat? De1ID ,yenn J ohne ihn benrtheilt zn haben. so Wlrn 116 er .(der Beha~lptende) u1l9'lal1bwiirdig sein; \~renn aber, nachdem er Ihn beurthellt hat, so wird er offenbar sagen J er, habe ~hll mit einem lJrtheilsmittel beurtheilt; und zu dIesem Ll'theilsmittel werden wir einen Beweis verlangen, und zu jenem (Beweis) ein Urtheilsmittel. D~nn es bedarf immer ebenso der Beweis eines IJrtheils­TI?tte1s, damit er befestigt werde, wie das UrtheHsmittel emes Beweises, damit es als wahr gezt:>Yo'+ we"1p· 'In"l rt ~ • ""1:>" ." _\lv, ...

~!eher, ka~~ em ~eweis gesund sein, olme dass ein ,,;ahres u~,theIIsmlttel vorher vorhanden ist, noch ein Fl'theils­mltte,lwah!', ohne dass der Bevv'eis vorher beglaubigt WOf-(Jen IS!, Und so gerathen so,voM das Lrtheilsmittel als 117 ~tuch (leI' Be1veis in die Weise des Durcheinander tCirkel­lJ~weis), in ,:,'elchel' beicles als l1:nglaulnvürdig bet1mden .vud i denn ~nde~ jedes die Beglaubigung durch das ;ndere \erwartet j l~~ e~ in gleicher "Veise wie das übrige \ande!e/ ungl~~l~,yurdig. Wenn man also . wecler ohne Bew~ls une! Lrtheilsmittel noch mit diesen einem Er­schemu:ngsbIlde vor dem anderen den VorzuG' D'eben lr!CIllH

1 1"' b b n.~ ._0, so . wen en OIe Je nach den verschie(lenel1 Verhaltunvs.: wels~n . v~rschied~n sich gestaltenden Erseheinungsbillfer u~~ntscheIdbar sem, so dass die ZUl"ückhaltun,e: über die Natur de~ a~ls8erha~b. Imterliegenden Dinge eintritt, anch auf Grumt dreser Welse.

4*

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52 Erstes Buch. Cap. 14.

Von der fiinftsn Waise,

118 Fünfte Rede ist die wegen der Stellungen und der Abstände und der Orte (Standorte) i denn au?h wegen jedes dieser (Dinge) erscheinen dieselben Dmge ver­schieden; wie z.ll. dieselbe Säulenhalle, ':O~l beiden AnfäTIp-en aus gesehen, spitzzngehend, von der MItte aus aber g:leIch­mässio- auf allen Seiten erscheint; und dasselbe SchIff er­scheh~t von fern klein und stillstebend, aus der Nähe aber gross und in Bewegung; und derselbe Thnrm ~l'­scheint von fern rund, aus der Nähe aber viereckIg.

119 Diese Dinfl'e nun (erscheinen verschieden) wegen der Ab­stände; w~gen der' Orte aber (sage i,ch): .we,il das Lampen­licht in der SOliDe matt erscheint, lID Fmsterl1 aber hell; und dasselbe Ruder im :Meer gebrochen, ausseT dem Meere aber o-erade: und das Ei im Vogel weich, in der Luft aber hart; uild das Lyng'urion im. Luchse fenc?~) ~n ~er Luft aber hart· und die Koralle 1m Meere welch, m aer Luft aber halt': und ein Ton andel's erscheint, wenn er in der Hirtenpfeife entsteht, anders, wenn ~r in der Flöte;

120 anders wenn in der Luft schlechtweg. Wegen der Stel­lungen' aber: weil dasselbe Gemälde zur~tck~elehnt glatt erscheint, ein Stück überhängend aber "ert18flU~gen un.d Erhöhuno-en zu haben ,scheint. Auch erschemen (he Hälse d~r Tauben je nach den vers

1chiedenen B~e~l1ng~n

121 verschieden in der Farbe. Da nun alles das Erscnemenue an irgend einem [Orte?) geschaut wir.d, und von irgend einem Abstande aus, oder in irgend emer Stellung, deren jedes eine grosse Yerschiedenheit an den El'sche!nullg~­bildern beVi-irkt, wie wir gezeigt haben, so wenten WIr auch durch diese Vil eise gez"lungen werden, zur Zu­rückhaltung zu gelangen. Denn wer VOll diesen Er­scheinungsbildern einigen den Vorzug geben will, wi:r~

122 Unmögliches versuchen. Denn wenD er schlechtweg unO. ohne Beweis den Ausspruch thun wird 1 so wird er nu­glaubwitrdig sein; wenn er aber einen Beweis. wi::d brauchen wollen, so wird er, wenn er den BeweiS für falsch erklären wird, sich selbst umkehren (verneinen); erklärt er aber den Beweis fitr wahr, so wird er ersucht werden um einen Beweis dafür, dass er wahr sei, und zu jenem (Beweis wieder) um einen andern ~ weil auch er

Erstes Buch. Cap. 14. 53

wahl' ~ein muss, und (so) bis ins Unbegrenzte. Unmöglich aber 1st e~, u~begrenzte. Be'!"eise ,beizubringen; also wird 123 er auch mIt .e;nem B~ewelS me~t em Erscheinungsbild dem andern vorZIenen konnen. Wenn aber weder ohne Be-weis noch mit Beweis Jemand im Stande sein wird über die vorerwähnten Erscheinungsbilder zu entseheid~n so er,giebt sic~ die Zurückhaltung, da, wie beschaffen jJdes Dmg gemass der und der Stellung, oder gemäss dem und. dem Absta.nde, oder an dem und dem rOrte?l er­schemt~ wir zu sagen vielleicht im Stande sind. wie es -aber ~eine; Natur, na~h bes_chaffen ist, wir zu offenbaren nicht llil Stande smd In Folge des Ebengesagten.

Von der sechsten Weise.

S €.? h s t,e \Ve!se ist die wegen der Beimischungen; 124 ~ergemass ,?"ll' sChhessen, dass - da keines von den unter~ hegenden Dmgen selbst gemäss ihm selbst (an und für sl ch ') lU~~ s}ch ~arsteIlt, sondern mit irgend Ehva~ - es vielleIcht moghc~ 1St zu sagen, wie die Mischung beschaffen ist aus dem Dmge ausserhalb und aus dem, womit zusammen es gesc~ant wird, wie abel' das ausserhalb U nt erliegende u.n~ v~!falscht beschaffen Jst, ",ir wohl nicht zu sagen vel'­~ochter;. D~S8 aber keines der Dinge ausserhalb gemäss Hlm Bel ost SIch darstellt, sondern durchaus mit irgend E~was, .und dass es wegen dessen als ein anderartiges geschaut wu~, 1st ganzoffenbar , mein' ich. Unsere eigene Farbe 125 wem~stens wird anders in heisser Luft gesehen, anders a~er In der kalten'} und wir vermöchten nicht zu sagen w:e unsre Farbe der Natur nach beschaffen ist, sondern: WIe bescha~e~ sie~ zusammen mit jeder (Luft) von {1ie8e~ geschaut WU'(t. Und derselbe Ton erscheint anders zu­sa~me!l mit dünn~.r Luf~, an.ders aber m!t dicktheiliger ; und {he Wohlgeruche smd IID Bade uno. in deI' Sonne betänb~nder~ als in sehr k~lt~r Luft; und der Körper ist, von. V\ a~se.l umgeben, lelCut, von Luft aber, schwer. Damit WIr abe! auch von der äusseren Beimischung ab- 126 sehen: unsre Augen haben in sich selbst sowohl Häute a~s auch Flü.ssiges. Das Sichtbare nun 'wird, da es mcht ohne dIese geschaut wird, nicht mit Genauigkeit aufgefasst werden; denn die ldischung erfassen wir, und

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54 Erstes Buch. Cap, 14.

deswegen sehen die Gelbsüchtigen Alles gelb, die mit blu.tunterlaufenen Augen, lJlutiS·' TI ud da derselbe T~n anders erscheint in weitgeöffneten Orten, anders aber III

engen uml gewundenen, und anders in reiner Luft, antle~s aber in verunreinigter, so ist wahrscheinlich, dass WIr den Ton nicht unverfalscht erfassen ~ denn die Ohren sind krummwegig und engwegig und durch dunstartige Aus­sonderungen, welche ja, wie man sagt, von den Or!en am

127 Kopf ausgehen J verunreinigt. Aber da auch m, den Nasenlöchern und an den Orten des Geschmackssmnes Stoffe vorhanden sind ~ so el 'fassen ,,,,ir das .schmeckhare und das Riechbare zusammen mit jenen, aber nicht rein. Also erfassen in Folge der Beimischungen die ~im~eswahr­nehmunp'en nicht wie die ansserhalb unterlIegenden

128 Dinge g~nan beschaffen sina. Aber auch das Denken nicht, vorzüglich, da seine Führe~, die Sinneswahrn~hmungen, sich täuschen' vielleicht aber thut auch dIeses ~das Denken) eine gewisse eigenthümliche Beimis~llUng zu. dem von den Sinnes\vabrnehmnngen Gemeldeten hmzn; denn an jedem ,der ~ Ol:te, wo, wie ~ie Le~rphilosophen mei~:ten, das Lmtenae 1st. schauen WIr geWIsse vorhandene Safte; mag nun Jemal1d dieses (das Leitende) in die ?-egend des Gehirns oder des Herzens oder welches Thells des lehen den V\r esens nUT immer setzen wollen. Auch gemäss dieser Weise also sehen wir, dass, weil wir über die Natur der ansserhalb unterliegenden Dinge nichts _ zu sagen vermögen, wir an uns zu halten gezwungen werden.

129

Von der siebenten Weise.

Als siebente Weise bezeichneten wir die wegen der Gl'össenverhältnisse und Zurichtungsweisen der unt.er­liegenden Dinge, wobei wir unter Znrichtungsweisen d~e Zusammensetzungen überhaupt verstehen. Dass Wir

aber auch nach dieser Weise gezwungen werden, über die Natur der Thatsachen an uns zu halten, ist offenbar. So erscheint z. B. das Abschabsel vom Horn der Ziege, schlechthin und ohne Zusmumensetzung angeschaut, weiss, zusammenqesetzt aber, in dem Best~nd ~Ganz,~n) des Hornes, wrrd es schwarz angeschaut. Lind vom Süber er­scheinen die Feilspäne, wenn sie für sich sind, schwarz,.

Erstes Buch. Cap. 14. 55

mit dem Ganzen zusammen aber stellen sie sich wie weiss ~a:. ~uch von dem Tänarischell Stein sehen die TheHe 130 SICh WeISS an~ Wall? er g~glätt.~t w~:rden ist; mit dem ganzen zusammen e ... schemen SIe e:rrllD'A10 Auch ersch . - a' • ~ '-' • I:) v.... • , eIllen le von J' emanaer gestreuten Sandkörner rallh; wie ·ein H~ulen aber. zusammengesetzt, berühren sie die Walll"­nenm!lng WeIch. Auch bringt der NiesewnTz fein nur' flaumIg f?enossen, ":ürge~; grobgeschroten ab~rj keine8~ wegs. Und der WeIn, mit Maass getrunken, stärkt unq· 131 ~ehr7 aber genom!llen, entkräftet er den KÖrper. A'l'·l~ ~> ~le N;;hnmg bewelst ähnlich, nach dem GrössenveY'hähn\;~ 1hie Kraft -'er Cl • d ft - ~~UJJ>i:l. • • _., v s me .. e11; o~· wenigstens zerstört sie we;l Sie. relchllcn genos~en ist, ~en Körper durch Unverd~ulich: k1eIten ~nd .. brechcmrchfal1artige Zustände. Wir werc1ell 132 3 .. 8,0 auch me! sagen können? wie von dem H01"ne d9 ~ Feme beschaften ist und wie das aus vielen fejne~ Tl:wli'= ehe. TI Z~ls~mmengesetzte beschaffen ist: und wie da» klemgetueilte Silber beschaffen ist. ' wie aber il"~ allS vie1"'n k1e" Th '1 Z ' u~1:i R" :~ 1 m~n eI en usammengesetzte oe-bchaffen 1st; .l1f1d wl.e der winzig kleine Tämarische Stein ~~chaffen 1811, Wle . aber der aus vielen kleirren

SLdcken zusammengesetzte besehaifen ist; und bei ilen <

STan~e und dem Ni.e~ewurz und dem 1Yein und -d;; Nah!ung (werden WIr;' das In-Be"'-lg-a'lf-Et ( k'. j. d' T ., nL L .was \saf>'en k o~nen" 1 le Natur der pmge Jedoch, ihr selbst gemäss

eiDeswegs, we~e~ ,der Je nach den Zusarnmensetzun 'f\~ i:~1hen_d~n) lIn~!eI.chmässi~·keit der Erscheinllngsbil8e-r.

femel1:en ,llam~ch ~chemt es, dass ebenso das Heil- 133 sam~, u~schv. erlich *wud m Folge seines der Menge nach ullillassIgen Ge.?rl~uches, :vie das, was im U ebermaass ~enommen scha~lllCh schemt, in geringer Menge nicht l:ichadet: Zeugr:lSs fUr diese Rede ist besonders das. wa" rr:an bel den h~Ilkräftigeli Arzneien beobachtet. bei dene; die genaue .j. MIschung der einfachen Heilmitt'el das Zu­sammeng.ese.,zt~ heilsam macht, sobald aber bisweilen ein ~ehr klemes Uebergewicht übersehen ist (die llisclm~p'

as Zusammengesetzte) nicht mu nicht heilsam (m;cht~ ~ondern ~ogar ~ehr schädlich und oft verderbenbringend: uo " ver,,:r~t .. dI~ Rede (Be.trachtung) in Bezug auf die 13&. Grosseuvernaltmsse und Zurwhtungsweisen die \Yirk1i,,1 k 't ~ der a1' h Ib t li d 1. \On eI, . lEser a. J un ~r. egen en Dinge. Deshalb möchte biUiO' wohl auch dIese" else uns zur Zurttckhalhmo- hinbrino-Ano . e • e v

"

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56 Erstes Buch. Cap. 14.

da wir nämlich nicht rein uns aussprechen können über die Natur der ausserhalb unterliegenden Dinge.

Von der a.chten Weise.

135 Eine achte Weise ist die von dem In-Bezug-aur-Etwas (herrührende); del'gemäss wir schliessen, dass, da Alles in Bezug a~f Etwas is~ 1, wir d~rübe; an uns halten werden, was es abgelöst 1st u~d s~mer ~atur n~ch. Das aber mus~ man wissen. dass Wir hIer. "''le auch in andern Dingen, das "Ist'" missbrauche~ für' das "Erscheint", !n­dem wir der Bedeutung nach dles sage~: ,,:.\.11e8 e~schemt in Bezug auf Etwas". Dies aber WIrd m ZWeI~achem Sinne gesagt~ einmal in Bezug auf _ das Urtheil~!lde, denn das ausseihalb Unterliegende und zur Be?-rtheüill!g Kommende erscheint in Bezug auf das Urtheüende; ID anderer Weise aber in Bezug auf das (mit ihm) Zu­sammenbetrachtete wie das Rechts in Bezug auf das Links~

-136 Dass aber Alles in Bezug auf Etwas ist, erwogen wir einer­.1.. seits auch oben (38 ff.); so z. B. in Betreff des Urtheile1!deur

dass jedes Ding in Bezug auf das ~nd das ~ebe~de Wesen und den und den Menschen und dIe und die Smneswahr­nehmung erscheint,· und in Bezug auf einen so und so beRchaffenen Umstand: in Betreff des Zusammenbetrachteten ab~r, dass jedes. Ding in. Bezug al1.~ die un~ die BeJ­mischung und die und die Art [Ort?l, und die und ~e Zusammensetzung und Grö~se und Stellung. erschemt.

137 Abel' auch auf besondere Weise kann man schhessell, dass Alles in Bezug auf Etwas ist, (nämlich) folgenderm~assen. Unterscheidet sich von dem in Bezug auf Etwas (SeIenden) das In-Verschiedenheit (für sich Seiende), oder nicht? Vvenn es sich nicht unterscheidet, so ist es auch 8e~~st in Be~ug auf Etwas' wenn es sich aber unterschemet, so 1st, weil a11 das 'sich Unterscheidende in Bezug auf Etwas ist,­denn es wird in Bezug auf Jenes gesagt, wovon es sich unterscheidet - das In - Ve:rschiedenheit in Bezug auf

1 aß Etwas. Auch bildet llach den Lehrphllosophen der eine -- Theil des Seienden oberste Gattungen, ein anderer unterste

Arten, ein anderer Gattung~n l;nd ~~ten; aJ~es dies aber ist in Bezug auf Etwas; folglIch 1st Alles m Bezug auf Etwas. Ferner, ein Theil des Seienden ist ganz oifenbar,

Erstes Buch. Cap. 14. 57

der an~el'e nichtoffenbar , wie sie selbst sagen; und das Erschemende (Ganzoffenbal'e) nun ist anzeigend, das Nieht­~ffenba.re aber yon dem ~r~cheinenden ang~z.eigt; denn das E!'s?heme~de 1st nach ihnen (den Lehrpmlosophen) ein G~sleht (Aussenseite) des Niehtoffenbal'en. Das / An~ zeIgende aber und das, was angezeigt wird, ist in Be-zug auf Etwas; Alles also ist in Bezug-auf Etwas. ~usse~dem, ein Theil des Seienden ist (unter sich) ähn- 139 h~~, em .ander,:r aber unähnlich; und der eine (unter sich) gleICh, em anfierer aber ungleich; diese Dinge aber sind in Bezug auf Etwas; Alles also 1st in Bezug auf Etwas. Aber auch wel"da. sagt, nicht Alles sei in Bezug auf Etwas~ der bestätigt, dass Alles in Bezug auf Etwas ist· denn au~h eben .das, dass [nicht?] Alles in Bezug auf Etwas ~el, beWeist er als gegen uns geltend und nicht allge~em, durch das, was er uns entgegenstellt. Kurzum 140 da wu' so erweisen, Alles sei in Bezug auf Etwas so ist sc?liesslich oft'enb~r, d~s, ~ie jede~ der unterli~genden D~nge. hescha~en 1st semer eIgenen Natur nach und rein. Wir licht. we!uen sagen können, sondern, wie beschaften es erschemt m dem In-Bezug-auf-Etwas. Es folgi daraus <lass wir über die Natur der Dinge an uns halten mügsen~

Von der neunten Weise.

U eber die '\Veise aber gemäss den fortwährenden 141 oder sel~enen Begegnungen, . welche (Weise) wir als neunte In der Anordnung bezeichnen, geben ,viI' einiges folgender Art zur Erläuterung. Die Sonne ist um Vieles do~h w?hl ~rstaunlicher als ein Haarstern (Komet); aber weil WIr die Sonne fortwährend sehen den Haarstern aber selten, so erstaunen wir über den Stern so da.ss er sogar ein Götterzeichen .zu sein scheint. übe~ die Sonne aber d.'uchaus nicht. Wenn wir jedoch'bemerken BoHten, dass ~e ~onne selten erscheint und selten untergeht. und dass 816 Alles zugleich erhellt und Alles nlötzlich' sieh bTeschatten lässt, so werden wir in der Sache eine grosse U.e~~rr~schrn::g sehen: A~el' auch das El'dbeben ver'flirrt 142 nIcht auf gleIChe Welse dIe, welche es zum ersten lVfale el'~ahren , und die, welche sich daran gewöhnt haben. Wie grosses Erstaunen aber bringt einem l\ienschen das

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58 Erstes Buch. Cap. 14.

1Yleer. zum el'sten :Mal g'esehen! Aber auch die Schönheit eines; menschlichen Körpers, zum ersten }Ial und plötzlich geschaut, be'wegt uns mehr, als weml sie, zu se~en znr

143 Gewohnheit p'eworden sein möchte. Auen schemt das Seltene werthvoll zu sein, das häufig mit ~lllS, V e!'~ehren~e und leicht Erreichbare aber durchaus lllcht. V\ enn Wir z. B. (einmal\ bemerkt haben sollten, dass das 1Yassel' spärlich wär.{ um wie viel werthvoller würde es uns er-

, L~ 11 • l' t' scheinen als alles Das J was wennvo zu sem SCilern, 1

Oder wenn wir uns vorstellen wollten 1 das Gold \väre schlechtweg auf der Erde in reichem. Maass~ hingeworf~n{ ähnlich wie die Steine, für wen, memen. WlI .wohl, w~ru dies so (unter diesen Umständen) werthvoH oder em-

144 sch1iessen~werth sein ?Da also dieselben Dinge wegen der fortwährenden oder seltenen Fälle ihres Y orkommena bald erstaunlich oder werthvoll, bald aber nic~t der~rt~ge zu sein sch.einen. so überlegen wir 1 dass WIr, _wie OB­

schaffen von diesen Dingen jedes erscheint, in Y erbind~ng mit seinem fortwährendem oder seltenem V orkommen j Y161-

leicht werden sagen können, wie aber jedes von den ausser­halb unterliegenden Dingen rein. (für sich) beschaffe~ ist, nicht zu behaupten im Stande smd. Auch wegen dieser Weise also halten wir darüber an uns.

Von der zehnten Weise.

145 Zeh n t e \Veise ist die, welche ganz besonders zu-sammenhängt mit den sittlichen Dingen, (nämlich) die je nach den Fithrungsweisen und den Sitten und den Ge­setzen und den mythischen Glaubenssätzen und den 1ehr­philosophischen Ännahmen. Eine. Führulli?sweise. nun i.st eine \\" a111 der Lebensart oder ugend emes Dmges, die bei Einem oder Vielen sich findet, z. B. bei Diogenes

146 oder den Lakonern. Ein Gesetz ist eine aufgeschriebene U ebereinkunft bei den Angehörigen des Staates ~ deren Uebertreter p'estraft wird. Ei.ne Sitte aber oder Ge\vohn­heit - denn'" es ist k.ein Unterschied - ist eine vielen Menschen p'ememsame Billigung eines Dinges, deren U eber­treter dur~haus nicht gestraft wird; wie es z. B. Gesetz ist, nicht Ehebruch zu treiben, Sitte aber bei uns ist, nicht auf offener Strasse mit. einer Frau Geschlechts-

Erstes Buch, Cap. 14. 59

umgang zu. pflegen. Ein mytbischer Glaubenssatz ist eine 147 Billigung ungeschehener und erdichteter Dinge 1 wie so­wohl Anderes ist als das über den Kronos Erzählte; denn dies verfUhrt Viele zum Glauben. Eine lehrphilosophlsche Annahme aber ist eine Billigung eines Dinges, welches durch eine Ueberlegullg oder irgend einen Beweis befestigt zu werden scheint. wie z. B. dass die Grundtheile des Seienden l1ntheilbar' oder gleichtheilig oder sehr klein oder irgend wie anders sind. "Wir stellen aber jedes hiClTon 148 bald sich selbst bald jedem der anderen g'egenüber. 'Vie 2. B. eine Sitte einer anderen so: einige Aethlopen zeichnen (täto1,yiren) die kleinen Kinder, wir aber nicht: die Perser halten; ein buntgefärbtes und bis auf die Füsse reichendes Kleid zu brauchen, fUr schicklich, aber für unschicklich; die Inder pflegen mit den Frauen auf offener Strasse Geschlechtsl1mgang, die meisten Anderen aber halten dafür y dass dies schimpfl.ich sei. Ein Gesetz 149 .aber stellen wir einem anderen so gegenüber: bei den Römern bezahlt, wer dem väterlichen Vermögen ents3g-t. nicht die Schulden des Vaters. bei den Rhodiern al)er bezahlt er sie gar wohl; bei den Taurern in Skythien wal" es Gesetz, die Fremden der Al'temis zu opfern I bei uns aber ist es verboten, einen Menschen an heiliger Stätte zu tödten. Eine Führungsweise aber (stellen wir 150 gegenüber) einer anderen, sobald ,,{ir dieFührungsweise des Diogenes gegenüberstellen der des Aristippos oder die . der Lakoner der der Italer. Einen mythischen Glaubens~atz aber einern andern, sobald wir (gegenüber­stellen), d.ass bald der Zeus als Vater der Menschen und Götter vorgestellt wird, bald der Okeanos, indem wir sagen:

1l0keanos, d.er Götter Erzeuger, und Tethys, die Mutter';. (Ilias 14,201).

Lehrphilosophische Annahmen aber stellen wir ein- 151 ander gegenüber, sobald wir sagen, die Einen sprechen ans, es gebe nur Einen Grundtheil (Element), die Anderen1 ( es gebe) unbegrenzte; die Einen, die Seele sei sterblich, die Anderen; unsterblich; und die Einell, durch V orsehuilg der Götter werden die Dinge bei uns geordnet, die An­deren aber, vorsehungslos. Die Sitte aber stellen wir den 152 anderen Dingen gegenüber; z. B. einem Gesetze] sobald

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60 Erstes Buch. Cap. 14.

wir sagen bei den Persern sei es Sitte, mit Männel'll ileischliche~ Umgang zu pflegen, bei den Römern a~e~ werde dies zu thun durch ein Gesetz verboten; und ?el uns sei das Ehebrechen verboten, bei den Massageten aber sei durch Sitte Unterschiedslosigkeit (in dieser Be­ziehung) überliefert, wi~ Eudoxos. aus K"nidos .. in dem erste~ (Abschnitt) seiner ,~ReIsebeschreIbung' erzahU; und beL 1lllB sei es verboten mit den Müttern Geschlechtsumgang ~u haben bei den Pel"Sern aber sei es Sitte vorzüglich so zu h eirath eIL Aber auch bei den Aegyptiern heirathen sie die Schwestern was bei uns durch ein Gesetz verboten

153 ist. Einer Fithrungsweise aber wird. ein~ Sitte gegen­übergestellt, sobald (wir sagen, dass) dIe meisten Menschen verborgen mit ihren Frauen Geschlechtsumgang pflegen, (ler Kl'ates aber mit der Hipparchla auf offener ?tra~se; und der Diogenes gin~ umher (i,m ~antel) l!lltl. e~ner offenen Schulter wir aDer. so WIe WIr gewohnl! smd.

154 Einem mythische~ Glaubenssatz aber (wird eine Sitte gegen­übergestellt), '~lie, sobald die Mythen sa~e~, der ~ro~os ass seine eigenen Kinder auf, während bel uns SItte l~t, für die Kinder zu sorgen; und bei uns i_st es Ge,!ohnhelt, die Götter als gut und unzugänglich für lJeb,el, zu ehren' als verwundet aber und gegen einander neidIsch,

155 werde~ sie von den Dichtern eingeführt. Einer lehr­philosophischen Annahme aber (wird eine Sitte ~egenüber­gestellt) , wenn bei uns Sitte ist, von den Gotte:ll . das Gute zu erbitten, der Epikuros aber sagt,_ ~as Gotthc~e kehre sich an uns nicht; und wenn der AnstIppoS ~s fur etwas Gleichgültiges hielt, ein Fraue~kleid .. anzuzl~h~n,

156 wir aber dies für hässlich halten. Eme Fnhrun~~weIse aber stellen wir einem Gesetze gegenüber, wenn, 'Yahren~ ein Gesetz besteht es sei nicht erlaubt, einen freren unQ edelgeborenenManrizusehlagen,di~~~ng-un.~F.aust-KämpfeI einander sehlagen in Folge der bel Iilnen ubhchen Lebe!1s­führung ~ und wenn, obwohl das Morden ve1'bo~en Ist, die Zweikämpfer einander tödten ans derselben ~rsa?he.

157 Einen mythischen Glaubenssatz ~ber stellen 'YIf elper Führun~8weise o-egenüber sobald WIr sagen, dass dIe :\Iytnen zwar s;gen, H~ra,kles (pflegte) bei der Omphale

\Volle zu krempeln und auch geschickt zu verrichten den Magddienst

(Odyss. 22,423 üb. Y. Uschner).

Erstes Buch. Cap. 14. 61

und that das, was, wer auch nur bescheiden ge­wählt hat (mässige Ansprüche macht), nicht gethan hätte, die Lebensführung des Herakles aber edel war. Einer lehl'philosophischen Annahme aber (stellen wir eine 158 Führungs\yeise gegenüber), wenn die Athleten, nach dem Ruhm wie nach einem Gut ringend, seinetwegen eine mühevolle Lebensführilllg auf sich nehmen, viele Philo­sophen aber lehren, der Ruhm sei ein U ebel. Das Ge- 159 setz aber stellen wir einem mythischen Giaubenss8Jz gegenüber 1 wenn die Dichter die Götter einführen J wie sie sowohl Ehebruch als auch mit l"lännern fleischlichen Umgang pflegen, das Gesetz aber bei uns dies zu tlum verhindert; einer lehrphilosophlschen Anna,hme aber (stellen 160 wir da.s Gesetz gegenüber), wenn ChrysipI)OS sagt, es sei ein L'nterschiedsioses. mit Th'Iüttern oder Scllwestern Ge­Echlechtsumgal1g zu pflegen, das Gesetz aber dies Ye1'­

bietet. Einen m:rthisehen Glaubenssatz aber stellen wir 161 einer lehrphilosopllischen Annahme gegenüber 1 wenn die Dichter sagen, der Zeus verbinde sich, herniedersteig'end r mit sterblichen Frauen, bei den Lehl'philosophen dies aber für unmöglich gilt; und wenn der Dichter (Rom. Ilias 16,459) 162 sagt, dass Zeusans Trauer über Sarpedon blntige Tropfen zur Erde fallen liess, ein Lehrsatz der Philo~ sophen jedoch (sagt), das Göttliche sei leidlos ; uud wenn sie (die Philosophen) den :M:ythos von den Hippokentauren läugnen, indem sie als Beispiel für Nichtwirklichkeii den Hippokentauren llllS a.nfithreno Vieles Andere nun zvrar 163 ,var mögliüh als Beispiel für jede der vorherhesprochenen Gegenüberstellungen zu wählen; für eine kurze Besprechung aber wird dies hinreichen. Kurzum 7 da eine so grosse UngleiclJlliässigkeit der Dinge auch mitte1st dieser Weise sich zeigt, so werden wir, wie das Unterliegende der 'Natur nach beschaffen ist, nicht zu sagen vermögen, (wohl) aber, wie es beschaffen erscheint in Bezug auf die und die Führnngs",reise oder in Bezug auf das und das Gesetz oder in Bezug auf die und die Sitte und in Bezug auf jedes der anderen (Dinge). Auch wegen dieser (W eise) also ist nöthig, dass wir übel' die Natur der ausserhalh unter­liegenden Dinge an uns halten. - 80 also gelangen wIr mitte1st der zehn Weisen zuletzt zur ZUl'itckhaltung.

Page 29: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

ß2 Erstes Buch. Cup. 15.

Cap. 15.

Von den fünf Weisen.

164 Die jüngel'en Skept~ker aber lehr~n als \V eise1~. d~r Znrückhaltmw diese fünf. Als erste: dIe aus dem ~ ldel­spruche; als ~weite: die, we.khe ins Unbeg:re!lzte hmau~~ treibt. als dritte: die aus dem Iil-Bezut?-~mf-Etwas; ~l:; vierte': die voraussetzende; als fünfte: ~l~ d.e~ ~urchem-

165 ander. Die aus dem "V"iderspruche mm l~tdleJel11ge,~ (lel'­gemäsE wir über die vorgelegte Sache \9~genstanü. ~er t ntersuclnmg) einen iuwu.tscheidbaren ZWIst ~o~vol~: 1m Leben als auch bei den ~1111osophell v~!finde>n~ T~uf ,~.lu.!ltl dessen wir, l1lwennögena etwas ~u wahlen (,~Lltlgell) Ot.i~r

166 zn missbilligen, bei der Zurü~khaltullg an:ange:l. I?I~ ans dem Hinallsgerathen ins LJnbegTenzte 1st dIe, DeI welcher wir sagen, das zur Beg!aub.igung' der VOf­

f!elep'ten Sache Beigebrachte }?ed~irfe emer al1den~ Be­glaubigung} und jenes (wieder) em~:r a?deren, un(1 _ his ins rnbe~:renzte; so dass, da WIr, mchts haben, v~.n 'YO ans wir mit der Begründung antangen w~rden 7 me

167 Zurückhaltung nachfolgt.. Die aus dem, 111 - .Bez~lg­auf-Etwas {.ist ~ie), ~rie. WIr Ob:ll q,esa~t ?~~e~, 1;t we~~ cl18l" das Lnterllegende 111 Bezug am daij Irtn~Alen(te lUL

das (mit jenem') Zllsammemmgeschal1te so ouer M

SO ~r­schei~t wie es aher der N~.ttur nach ,beschatten .ISt,

168 \yir (z~ 83.0'en') uns zurückhalten. Die a~ls emer V oraussetzu;e; {st yorhanden, sohalc1 die Leh:rphüosophen~ ins 1jnbegreI~zte hinausgetrieben:; yo~ Et,vas au~gehen, was sie nicht beg'IÜllden, sonc1er~ ,scblecht,:'eg 1111(1[>o.l1)1be­

\viesenermaassell durch Zugestänetmss zu erlangen rur g:lt lGH halten. Die ,f eise des Durcheinander entst~ht, sobald

das ''las für die gesuchte (in Frage stehende) Sache 1:e-festigend sein sollte, c1~e B~glaub~gung aus d~~ ~{es:lCht~il nöthig hat: und da WH hIer kemes VOll Beld,-,ID ~tlr B~­e:rUllcll111P' (le8 Änderen annehmen können j so halten Wl~. uns übe~ Beides zurück. Dass abe~ al! ~as Gesllcht~ a?-t diese Weisen zurückzuführen ll1öglie~ 1st, WOl~e!l :YlT, n~

170 Kürze so zeieen. Das Vorgelegte (die gesl1?hte bacne) ist entweder ~vahruehmba.r oder d.enkb~~,r ; WIe ,es aber auch sein mag, so herrscht darüber VV Hlerspruen; (tenn

Erstes Buch. Cap. 15.

~le Einen· halten blos das Vvahrnehmbare für wahr J An­der_e b~o~ das Denkbare 1 Andere einiges Wahrnehmbare l1~~i mmges D~nkbare, . Werden wir nun sagen, der \\ Iderspmch Sel entsehmdbal' oder unentscheidbar ? Wenn .:lU;:mtscheidbar, so haben wir es (schon), dass man sich zurüek­nauen muss; denn über das in llnentscheidbarem Wider­spruch Befindliche ist es nicht möglich. einen Ausspruch zu thun. 'Velln aber entscheidbar , sO' fragen wii' ~ von wo aus er (der v\Tidersp:ruchJ entschieden werden· wird. So z. B. das Wahrnehmbare ~ denn auf dieS woUen "vir 171 zuerst die Rede heschränken -, wird es von einem Wahr­nehmbaren oder von einem Denkbaren (entschieden werden)? Denn weml VOll einem vVahrnehmbaren. so ,vird. da \vi1' in Betreff der wahrnehmbaren Dinge 'in Zweifel a1~ch jenes eines anderen zur Beghmbigung betlürfen. ",ven!l ~ber auch Jenes ~\Yahrnehmba,r sein wird; so wird es \Vleaerum auen selbst eines Anderen bedürfen, das da~ fit! beglaubigend sein wird, und dies his ins Unbegrenzte. Wenn. es aber nöthig sein -wird, (lass das ,V Rhmehmhare 172 von" emern Denkbar~n entschieden ,yerde, so wird, da auel1 über die denkbaren Dinge \Vidersprl1ch herrscht, auch dies ~ d~ es. ein Denkbares 1st, einer Beurtheihmg und BeglaubIgung bedürfen. 'Voller nun wird es be­glaubigt werclell? ,," enn '1011 einem Denkbaren, so \vi:rd es auf gleiche "\Yeise ins Unbegrenzte hillausgerathen' wenn aber von einem ,Vahrnehmbaren, so tritt, da zur Beglaubigung des vYahrnehmbaTen ein Denkbares he:rZll­g~nom:nell ."yurde, zur Beglaubig11ng des Denkbaren aber em "ahrnehmbal'es, die 'Yeise des Durcheinander ein. Wenn aber, um dem zn entgehen, der mit uns sich Lntel'- 173 redende durch Zug;eständniss und unbmviesenermaassen etwa~ erl.angen wollte zum Be,yeise des Nachfolgenden, so trItt. dIe voraussetzende 'Yeise ein. v;elche bedenklich ist. Denn \v.em; einer, der voraussetzt, glaubwürdig ist, so werd~n 'NIl' Jedesmal , ,yenn wir das Entgegengesetzte ,,:oraussetzell, nIcht unglaub"'~ll'diger sein. Und wenn der V oraussetzende etwas 'Vahres voraussetzt. so macht er es v~rdächti~ dadurch, dass er es durch V oranssetzung an­mmmt J aber nicht mit BegründUllg'; wenn aber ehyas F~l~ches i so wir,d die:. ~nterlage dessen, ,vas begründet WH'tl} morsch sem .. Und. \\"enn das Voraussetzen etwas 17/1 zur Beglauhigung hilft, so soll er das Gesuchte selbst

Page 30: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

64 ~Erstes Buch. Cap. 15. 16.

voraussetzen und nicht etwas Anderes, wodurch er eben das Ding begründen will, wovon die Rede ist; wenn. e~ aber 'tYidersinnig ist, das Gesuchte v~rauszusetzen, sc: WITü es auch widersinnig sein, das DarübersEehende (Allgememer~)

175 vorauszusetzen. Dass aber a11 das Wahrnehmbare auch m Bezug auf Etwas ist, ist 0rr:en!>ar; es gi~t,nämlich in Bez~g auf die 'Vahrnehmenden. OflenDar also 1st es, dass, was Immer fi11' ein wahrnehmbares Diuf>" uns vorgelegt werden sollte, di~s auf die fünf 1;Veisen ~urückzuführen leicht ist. In gleicher 'Yeise aber folgern wir auch .. in Betreff des Denkbaren. Dmm wenn man sagen mochte, es stehe unter llnentscheidbarem 'Widerspruche, so ,,,hd man uns (dadurch) die Nothwendigkeit zugeben, darü~er zl1rückzu-

176 halten. Wenn aber der 'Viderspruch entschIeden werden wird: so werden wir, 'wenn (es) durch ein Denkbares (geschieht), ins Unbegrenzte ~ina~~gera:~en, wenn aber von einem \Yahrnehmbaren, meile 1V else des Durch­einander' denn das Wahrnehmbare wird 'wieder J weil es unter 'Ylderspruch steht und durch sic~ selbst nicht e~t­schieden werden kann wegen des Hmausg~rat~ens InS

Unbegrenzte, des Denkbaren bedtirfe~, gleIchWIe al!ch 177 das Denkbare des \Vahrnehmbaren. Wer deswegen aber

aus einer Voraussetzung etwas annimmt, wird wieder­um thöricht sein. Aber auch in Bezug auf Etwas ist das Denkbare; denn in BezI;.g auf den Denk~nden wird es gesagt; und wenn es deT ~atur ~ach ~o ?escn~ffen wäl'e ,vie man saj)'t so herrschte daruber Kelll Wlder-

, 0 , d D kb f d' f' r spruch. Also wurde auch .as en. are a~ .:e un .. 'V eisen zurückgeführt, ,veshalb es nothwendlg 1St, dass wir über die vorgelegte Sache uns dm'chaus zurÜckhalten.­So beschaffen nun sind auch die bei den Jüngeren ge­lehrten fünf 'V eisen; und sie stellen diese auf, nicht als ob sie die zehn 'V eisen verwerfen, sondern um desto mannichfaltiger auch vermittelst dieser neben jenen die V orschnellheit der Lehrphilosophen zu widerlegen.

Cap. 16.

Welches sind die zwei Weisen 1

178 Sie lehren aber auch zwei andere 1Yeisen der Zu-rückhaltung. Denn da alles, was aufgefasst wird, entweder

Erstes Buch. Cap. 16. 17. 65

1!US sich selbst aufgefasst zu werden scheint oder aus €i~em an~ern~ Dinge. aufgefasst wird, so glauben sie {lneraus) dIe Unentschledenheit über Alles herbeizuführen. P!ld dass ~nn Nichts aus sich selbst aufgefasst wird, 1st, sagen 818, offenbar aus dem bei den Naturforschern üb~r . d,as Wahrnehm~are und das Denkbare insgesammt.. mem', Ich, herrschenden \Viderspruch, der ja llnentscheid~ bar 1st, insofern wir uns weder eines wahrnehmbaren noch eines denkbaren Urtheilsmittels bedienen können :veil ~lle~s, ::as wir~, nur anwend.en wollten, unglaubwürdig 1st, Oa aaruber WIderspruch herrscht. Desweg-en aber 179 gestehen sie auch nicht zu. dass etwas aus einem

v

Anderen aufgefasst werde. Denn einerseits, wenn das, woraus et-was aufgefasst wird i immer aus einem Andern wird auf­gefasst. werden müssen, so geräth man in die Weise des D~lrchemande! oder in die des Unbegrenzten. Anderer­selts. wenn Jemand etwas, woraus etwas Anderes auf­gefasst wird, als aus sich selbst aufgefasst anwenden wollte, so ist dem zuwider t dass nichts ans sich selbst aufgefasst wird, aus den obenenvähnten Gründen. Wie aber das sich 'Viderstreitende von sich selbst oder von ei~em. andern Dinge aus aufgefasst werden könnte, wis~en WIr mcht, so lange das Urtheilsmittel für die 'Yahrheit oder für die ~uffassung sich nicht zeigt, die Zeichen aher; a~ch. abg~sehen V?ill Beweise, widerlegt ,verden 'I wie WIr m: Folgenden (2, Buch) einsehen werden. - So viel ~1Un WIrd auch über die 'Veisen der Zuriickhaltung- für jetzt genug gesagt sein. v

Cap. 17.

Welches sind dia Weisen zur Widerlegung derer, welche begründend verfahren 1

\Yie wir aber die vVeisen der Zurückhaltung lehren. 180 so stellen Einige auch vVeisen auf, denen gemäss wir durch Zweifel die Lehrphilosonhen in den Beeri:induTIß'en des Einzelnen zum Stehen bringen, weil sie be~onders r-~1it diesen grossthun. Und zwar lehrt Ainesidemos ach t Weisen, denen gemäss er jede lehrphilosophische Be­gründung durch Widerlegung als fehlerhaft darzustellen

Sextus Empiricus. 5

Page 31: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

66 Erstes Bucb. Cap. 11.

181 ~la!lbt. Hiervon gilt, wie er sagt, die erste bei der­Jemgen Weise (der Begründung), wann die Gattung in der Begründung, weil sie unter unsichtbaren Dingen sieh bewegt (zu ihnen gehört), ein zugestandenes Zeug-­niss aus dem Erscheinenden nicht besitzt; die zweite, wann oft, während eine reichliche Fülle vorhanden ist, um das in Frage Stehende vielfältig zu begrUnden,

182 Manche dies nur auf Eine Weise begründen; die dritte, wann sie von dem, was in geordneter Weise gescHieht, Gründe angeben, welche keine Ordnung zeigen; die vierte, wann sie, nachdem sie das Erscheinende erfasstlmben, wie es geschieht, auch das Nichterscheinende aufgefasst zu haben glauben, wie es geschieht J w~i.hrend das Unsichtbare vielleicht auf gleiche Weise wie das Erscheinende sich vollendet, vielleicht aber nicht auf gleiche, sondern auf eigenthümliche

183 Weise; die fünfte ~ wann Alle, so zu sagen, nach ihren eigenen Voraussetzlmgen von den Grundstoffen~ nicht aber nach gevdssen gemeinsamen und zugestandenen Beweisführungen begründen; die sechste, wann sie oft zwar das durch die eigenen Voraussetzungen Er­klärbare annehmen, das aber, was (diesen) zuwidel' ist und die gleiche Glaubwürdigkeit hat~ unberücksichtigt

184 lassen; die siebente, wann sie oft Gründe angeben, welche nicht llur mit dem Erscheinenden, sondern auch mit ihren eigenen V ol'auss etznn gen streiten; die achte, wann sie oft. wähl'end das, was zu erscheinen scheinty

und das, was gesucht wird, gleich zweifelhaft ist, aus dem gleich Zweifelhaften sich die Belehrungen über das

185 gleich Zweifelhafte bilden. Nicht unmöglich aber, sagt er (Ainesidernos), sei es, dass Etliche auch in Folge ge­wisser gemischter \\"7" eisen, welche von den v01'besprochenen abhängen, bei den Begründungen durchfallen (fehlgehen). Vielleicht aber reichen auch die fünf "7 eisen der Zurück­haltung (164) g'egen die Begründungen aus. Denn ent­weder wird Jemand übereinstimmend mit allen Denkungs­arten in der Philosophie und mit der Skepsis und mit dem Erscheinenden einen Grund aussprechen oder nicht. Einen übereinstimmenden (Grund) nun (auszuspl'echen) ist vielleicht nicht möglich; denn sowohl über das Er­scheinende als auch über das Nichtoffenbare ins2'esammt

186 herrscht Widerspruch. Wenn er (der Beg-ründende) aber un "\Videl'spmch ist, so wird er auch für (liesen (Grund)

Erstes Buch. Cap, 17. 18. 19. 61

um den Grund ersucht werden; und sohald er einen er­scheinenden zu einem erscheinenden, oder einen nicht­offenbaren zu einem nichtoffenbaren annimmt, so wird er ins Unbegrenzte hinal1sgerathen; sobald er aber wechsel­weise begründet, in die 'V eise des Durcheinander. So­bald er aber wo stehen bleibt, so wird er entweder sagen, sov;:eit es auf das (bisher) Gesagte ankomme, habe der Grund Geltung, llncl (dann) führt (er) das In - Bezng- auf­Etwas ein, wodurch er das, was der Natur nach ist. auf­hebt; oder wenn er etwas aus einer V oraussetznng an­nimmt, so wird er (von uns) angehalten werden. Es lässt also auch durch diese (Weisen) vielleicht die bei den Lehl'phllosophen in den Begründungen \fl{;r:r:SCf1lenae) V ürschneHheit sich widerlegen.

Cap. 18.

Von den SKeptischen Redensarten,

Weil wir 3.be1', sobald wir von jeder dieser (Weisen) 187 WIe auch der Weisen (le1' Zurückhaltung Gebrauch machen, gewisse Redensarten dabei aussprechen, welche (las skeptische Verhalten und unseren Zustand anzei~en. z. B. indem wir sagen: ,~Nicht mehr H, ~. Man darf ni~hts bestimmen" und einige andere: so mÖchte sich wohl an-s ehli essen , auch diese der Reihe nach zu behandeln. Beginnen aber wollen wir mit der (Redensart) mehr'"' ~

Cap. 19.

Von dar Redensart "Nicht mehr".

Diese also bringen wir bald (so) vor, wie ich sagte, 188 bald aber 80: ,~Um Nichts mehr". Denn wir wenden nicht, wie Einige meinen, die (Redensart) ,~Nicht mehr'" an in den Untersuchungen des Besondel'n, die ~Um Nichts mehr" aber in denen des Allgemeinen, sondern unterschiedslos bringen wir sowohl die ~,Nicht meh1'4' als auch die "Um Nichts mehr'" vor 1 und auch jetzt werden wir darüber wie über Eine handeln. Es ist mm

5*

Page 32: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

189

68 Erstes Buch.Cap. 19,

zwar diese Redensart unvollständig. Wie wir nämlich, wann wir S3.p'en: "ein doppeltes", dem Inhalte (Gedanken) nach meinen~,~ein'doppeltes Kle~d", und wann wir sa~en: ,~einenbreiten •• , dem I!lhalte nac.h sagen: ~,eI!len breiten Wep"': so meinen WIr. wann WH sprechen: ,~rncbt mehr", demölnhalte nach: ,~ni~ht mehr dies als dies,. drüb"er drunter''', Einio-e Skeptiker Jedoeh wenden statt ldes Ur-

b h ,);'" B theils .,nicht mehr'"} die Frage an: ,~:V3.S me r ~ • w~e z. .

was mehr dies als dies?", indem SIe das ~;W as" Jetzt an Stelle einer BegTündung nehmen: so dass das Gesagte be~ deutet: "Warum mehr (lies als 'dies?" Es ist a~~r ge­wöhnlich, ebenso Fragen an Stelle von Urtheuen zu brauchen, wie z. B.

Wer kennt den Mann nicht, dessen Braut auch Zeus er kor? (Euripides, rasender Rerakles, Vers 1)

wie Urtheile an St.elle von Fragen, wie z. B. "Ich suche, wo Dion wohnt'i. und "Ich frage, weswegen wohl mus:<; man einen Poeten bewundern" (aus Aristoph. Frösche~ 1008~. Aber es wird auch das ~~"Was" an Stelle des "V\arnm" angewendet bei Menandros:

1.,Yas blieb denn ich allein zurück? (Fragm.)

190 Es bezeichnet aber das "Nicht mehr dies als dies" a~l?h einen Zustancl von uns, in dem wir wegen der GI€lcn­kräftigkeit der gegenüberstehende~ Di~ge zuletzt bei .d~:r Neigungslosigkeit anlang~n; w.obm .WI.! [unter "GleIcb.­kräftigkeit"l verstehen dIe GleIChheIt m dem uns glaub­lich Erscheinenden unter,. Geg'enüberstehendem" schlecht-

, • '1\.T· I' k 't" d' B' weg das Streitende, unter ,!.l'\eIgllngs OSIg; eI, . Ie .e~-stimmmlP' zu keinem von Bmdem (nach kemer SeIte hm).

191 Die Redensart Um nichts mehr" also brRuchen wir, " . B . t' -. auch wenn sie (sonst) das Gepräge emer eIS IIDIDung OGer

Verneinung verTath~n sollte, nicht so, sondern wir wenden sie unterschiedslos und missbräuchlich an, entweder statt einer Frage oder statt zu sagen =. 'lIch weiss nicht, wel­chem von diesen Dingen man belStlmmen muss 7 welchem aber nicht beistimmen", Unser Augenmerk ist (eben nur) darauf ;:rerichtet kundzuthlln das 7 was uns er­scheint ~ in Be~ug auf ~1ie Redensart aber, wodurch wir es kmidthun, machen wir ~einen Unterschied (ver~altell wir uns gleichgültig). Auch das aber muss man WIssen,

Erstes Buch. Cap. 19. 20. 21. 69

dass wir die Redensart Um Nichts mehr~' vorbringen ohne darüber (etwas) zu" versichern, dass sie durchau~ :vah~ und sicher sei, sondern indem wir auch über sie (nur) nach dem reden, was uns erscheint.

Cap. 20.

VOll der Aussagelosigkeit.

Von der Aussagelosigkeit aber meinen wir Folgendes. 192 "Aussage" braucht man in zweierlei BedeutunG" in eiup,r 11' ~ b' --a ge~elllen un~ einer beson~ern 1. in der, a~gemeinen ist e~ dIe R~deweIs~, \vel?he e,me Setzung (~eJahung) oder e~ne A~f~ebu!lg \Vern~m~ng) kll:.ndthut, WIe .z. B. "es ist Tag, et\ Ist, mcht Tag ; In der besonde:m aber die, wel-che b~os em~ Setzung kundthut, in welcher Bedeutung man die ve:neI~enden (~ätze) .nicht "Aussagen" nennt. Die Aussagelo?lgkeIt nun ISt em Abstandnehmen von iter ~ussa~'e Im allgemeinen Sinne i welcher, wie wir sagen. die BeJ~ul1g sowohl wie die Verneinung sich unterordnet: 8~ dass dIe Aussagelosigkeit ein Zust.and von uns ist.' in Folge dessen wir, wie 1vir sagen, weder etwas setzen noch aufheben. Hieraus ist offenbar dass ,vir auch die 193 Au,'3s~?elosigkeit nicht (so) verstehen, Jal~ wären die Ding; der .N~tur. nach so beschaffen, dass SIe durchaus AU8-

sagel?SlgkeIt. erregen, sondern indem wir (dadurch) kundthun, dass wir für jet z t? wann wir sie vorbrinp'en' ü?er di~ und die zur Frage _stehenden Dinge 1msl:> i~ dIesem hustand befinden. Auch dessen muss man ein­g~d~nk ~ein, dass J:v~r (nur) davon, was lehrphilosophisch hlrunchthch des Nwutoffenbaren gesagt wird nichts zu setzen noch aufzuheben erklären' denn dem 'was uns in 1 'd d TI:' "L ,.€I • e~ er n' eise erregt und in nöthigender Weise zur B61stlmmung führt (13), geben wir nach.

Cap. 21.

Von dem "Vielleicht" und dem "Es ist möglich" und dem "Es kann sein".

J?as: .~;V:i~l~~icht" aber und "Nicht vielleicht" und: 194 "Es 1st moghcn" und "Es ist nicht möglich", unü': "Es

Page 33: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

70 Erstes Buch. Cap. 21. 22.

kann sein" und ,Es kann nicht sein U wenden wir an statt ,. • 11 • ht b • t . h4-J,4 des: .. Vielleicht zwar ist es, Vle eIC . a' er 18 es mc u ;

und: " Es ist zwar möglich, dass es ist. es ist aber mög­lich d~ss es nicht ist·,; und: .,Es kann zwar sein J dass es ist es kann aber sein, dass es nicht ist"; so dass wir der Kttrze wegen anwenden: das Nicht - Möglichsein statt des Möglichseins dass es nicht ist; und das Nicht­Seinkönnen statt des ~einkönnens, dass es nicht ist; und das Nicht _ Vielleicht statt des Vielleicht - Nicht - Seins.

195 Wiederum aber streiten wir hier nicht u~.Wo:rte, noch fra.O'en wir darnach ob die Redensarten dIes der Natur

196

o '. d . .L h' dl nach kundthun, sondern WIf wen e~ Siß UllLersc Ie S ~s an, wie ich sagte. Dass nun aber diese, Redellsa~e,?- .d!e Aussap"elosigkeit offenbaren, ist ganzoffenbar , mern' !CD.

Wer ~. B. sagt: ,~Vielleicht ist es" setzt d~m Gedan~en nach auch das, was ihm (damit) zu streIten schernt, (nämlich] das Vieileicht - Nicht - Sein, dadurch dass er darüber / ob es ist nichts festversichert. Auf gleiche 'V eise 'aber verhält es sich auch mit den übrigen (Redensarten).

Cap. 22.

Von dem "Ich halte an mich" (ich halte mich zurück).

Das .Ich halte an mich" aber wenden wir an statt des' Ich' vermag nicht zu sagen, welchem d_er vorgelegten Ding~' man glauben muss, oder welc~em ~icht glaube~", indem wir dadurch kundthun ~ dass dIe Dmge uns gleIch erscheinen in Rücksicht auf Glaubwürdigk.eit und Un­glaubwürdigkeit. !lud ,ob sie glei~h gind~ beha~pten wir nicht. was uns aDer m Betreff Ihrer erschemt, wann sie dns unter die Sinne fallen , (das) sagen wir. Die

Zurückhaltung" aber heisst so, weil die Einsicht (das " 'd d . d .. Denken) zurückgehalten WIr ,so ass Sie we er elJwas setzt noch aufhebt wegen der Gleichkräftigkeit der zur Frage stehenden Dinge.

Erstes Buch. Cap, 23. 24, 71

Cap. 23.

Von dem "Ich bestimme nichts".

~ on de~ "Ich. bestimme nichts" aber sagen wir dies. 197 ."Bestmnuen J memen wir, ist nicht das schlechtweO' et~as ~agen, ~oncl~r~ das .Aussprechen einer nichtoffen~ ~a~en :lSach~ mIt ~elstlmmllng. Denn dass in dieser Weise aer SkeptIker mchts bestimmt, wird man vielleicht finden, auch selbst nicht das Ich bestimme ni"'htQ " Denn /,. '.' t l' 1'" v..,. es .\,u!es) 18 n::eme enrphilosophische Annahme, d. h. eiUl'" Bmstlmffiung zu etwas Nichtoffenbarem, sondern ein~ Redensart, welche unseren Zustand kundthut. Sobald als? der .Skeptiker sagt: "Ich bestimme nichts". so memt er dies: "Ich bin fÜl' jet z t in einem solchen Zu­s~and J .,.dass lC? nichts von den Dingen, welche unter ~;s.e Untersuchung J.:iier ~allen.' auf lehrphilosophische '" else setze o~er aufhebe". DIeS aber meint er. indem er 8~gt, was Ihm selbst über die vorliegenden Dinge c,,!,,_

sche t b . . h . ..n-m", W?, e1 er m~ t m verkündender V'i eise mit U eber-zeugung SIch aussprICht. somlern (nur) nerl'ch"'\;et ""a'" e'" erleidet. ,\ .'- ~, n .", ,~

Cap. 24.

Von dem "Alles ist unbestimmt",

d F~r~er ist auch die "Unbestimmtheit" ein Zustand 198

er ~mslCht ~ .demgemäss wir davon, was in lehrphilo­SOphischer 1\ elSe untersucht wird, d. h. von dem Nicht­offenbaren, w~der etwas aufheben noch setzen. Sobald also der SkeptIker sagt: "Alles ist unbestimmt" so numnt er das "Ist" statt des: es erscheine ihm' mit (dem Wo ... te' ,,~l1es" aber meint er nicht (alle) die seiende~ Dl~ge, sondern J T was er eben von den bei den Lehr­p~osophen zur Untersuchung kommenden nichtoffenbaren ?mgen v~rfolgt (kennen gelernt) hat; mit "unbestimmt" ~be: (memt er), was vor dem Gegenüberstehenden oder schlec~;we.g Str~it~n~e~ in, Bezug auf Glaubwiirdigkeit oder lJnglaubwurdlgkeIt mchts voraus hat. Und so- 199

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200

72 Erstes Buch. Cap. 24. 25. 26.

wie der. welcher sagt: "gehe spazieren" dem Gedanken nach meint: "Ich gehe spazieren", so drückt der, welcher sagt: "Alles ist unbestimmt", unserer Meinung nach~ ZU~ gleich mit aus das: Soweit es auf mich ankömmt, oder; Wie es mir erscheint~ so dass das Gesagte der Art ist:

Soviel ich von dem; was lehrphilosophlsch untersucht ~ird verfolgt habe, erscheint es mir der Art, dass nichts davdn vor (lern (mit ihm) Streitenden mir etwas vorauS zu haben scheint in Bezug auf Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit".

Cap. 25.

Von dem ,~Alles ist unauffassbar",

So aber verhalten wir uns auch, wann wir sagen: .,Alles ist l1nauffassbar"; denn das "Alles( erklären wir äuf gleiche Weise, und das "l\Iir" verstehen wir zugleich mit; so dass das Gesagte der Art ist: "Alles, was ich von dem in lehrphilosophischer Weise gesuchten Nicht­offenbaren du:rchmustert habe, erscheint mir unauffassbar". Dies aber ist nicht (der Ausdruck) eines (Solchen), der festversichert, dass die bei den Lehrphilosophen gesuchten Dinge von solcher Natur sind, dass sie unauffassbar wären, sondern eines (Solchen), der seinen. eige~en Z~stan.d meldet, welchem gemäsE er sagt: "Ich meme, nass ICh biS letzt nichts von jenen Dingen aufgefasst habe wegen der Gleichkräftigkeit der sich gegenüberstehenden; deshalb scheint mir auch a11 das zur WideTlegung Vorgebrachte aas von uns Ausgesprochene nicht zu berühren",

Cap. 26.

Von dem ,rEs ist mir nnauffassbar" und "Ich fasse (es) nicht auf".

201 Auch die (Redensart): "Es ist mir ~auf!assbal'."und die: ,1Ich fasse (es) nicht auf" offenbart emen eigenen (p~rsöiilichen) Zustand, welchem gemäss der Skeptiker für die Gegenwart wenigstens davon absteht, von dem

Erstes Buch. Cap. 26. 27. 73

untersuchten Nichtoffenbaren etwas zu setzen oder auf­z?heben; wie offenbar ist aus dem, was wir vorher über die anderen Redensarten gesagt haben.

Cap. 27.

Von dem "Jeder Rede stehe eine gleiche gegenüber",

Wann wir aber sagen: ,.Jeder Rede steht eine gleiche 202 ~ede gegenüb~r", so sagen }wir "Jeder" (in dem Sinne): LeI' von unsaurchmusterten: . Rede" aber versteh'<>" wir

• ht hl h> d' f' > v= ~ m~ ", sc ee t~reg, ,son ern (in dem Sinne): die lehrphiloso-phlsen ~twas hms~e!lende. d. h. die über ein Nichtoffenbares ; und kemeswegs (uur) die, welche aus Annahmen und Zll~ ~~tz , sondern die, welche auf irgend welche Weise umstellt:. pGI~ich~' a~er_ verstehen wir in Bezug auf Glauh~llrdigkelt ouer unglaubwürdigkeit, und das ., Steht ~egenuberü n~hmer; wir _ st~tt des "Kämpft" SChlechtweg, u~d d~s ,,~le mIr schemt" verstehen wir zugleich mIt: W anTI Ich also sage: J" Jeder Rede steht eine !J'leiche 203 Rede gegenüber", so sage ich dem Gedanken nach dies "J eder v?nmiruntersuchten Rede, welche Iehrnhilosophlsch et;vas . hlUste.nt, steht} wie mir scheint, Leine ändere !enrphil.osoP!nsch etwas binstellende Rede gegenüber. Ih!. ~leIc~}n Bezug auf Glaubwünligkeit und Unglaub~ v.~rdlt:keIt .; ~o d~ss das Vorbringen der (dieser) Rede nicht l~nrphüo~~p~lseh ISt, sondern die Meldung eines mensch­lichen ErleIdens , welches für den der (eR\ er1.cide+ . Eh' d . . ' , "") ~v Ilj em 'TBC emen es ist. Es bringen aber Einige die 204 Redensart auch so vor: Jeder Rede {solll e;ne Rede (d \ d' l' h" \ J .I. \~n. zwarl Ie g elC e Tg:egen~bergestellt werden", indem sAe •. in au~tordernder '" eIse dies verlangen: .,J edel" lem­fhllOS~phlsch. etwas hinstellenden Rede lasst uns eine le~rph.IlosophlSch untersuchende Rede, welche, gleich in ~~c~slCht au~ Glaubwürdigkeit und Unglaubwürdigkeit. \~lt Ihr) streItet, gegenüberstellen"; so dass von ihne~ ~e Rede. an den Skeptiker gerichtet ist. sie aber die mchtbestilllmende Art (den Innnitivusl brauchen statt der befehlenden (Imperativus), (nämlich) das ~,Gegenübergestellt­werden" statt des: "Lasst uns gegenüberstellen!" Sie 205 fordern aber den Skeptiker hierzu auf, damit er nicht

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74 Erstes Buch, Cap. 27. 28.

irgendwie, von dem Lehrphilosophen 1?etrogen, de~ Unt"el'­SllChUllP' darüber c?) ents3,O'e, und der Ihnen erschemenaen

0, ,/ O. < • • h . 4-" U nbeirrtheit - welche] Wie Sie memen, SIe ems"eaB durch die Zurückhaltung über .<,~nes, wie wir üben aus­geführt haben - verlustig gehe allS Vorschnellheit

Cap. 28.

Zusätze über die skeptischen Redensarten.

206 So viele Redensarten zu behandeln wird für {leu Grundriss genügen, zumal auch da nach dem jetzt :'"on uns Gesagten auch über die au.sgelas~ene~ zu sprecllen möglich ist. Nämlich. von aUen den skeptiBchen Redens­arten muss man das vorher erfasst haben 1 dass wir da­rüber nichts festversichern , dass sie durchaus wahr seien, da wir ja sagen, dass sie 3;uch VO? sic~ ~elbst aufgehoben werden können, indem SI~ zuglelC~ mIt Je?ell Dingen verneint werden, worüber man SIe ausspncht; gleIch­wie die reinigenden Heilmittel nicht nur die. ~lüssigkeite!l aus dem Körper forträumen, sondern auch ~~cn selbst nut

207 den Flüssigkeiten zugleich herau~führen. . W I! sa~en aber auch dass wir sie nicht setzen, mdern 'V11' die Dmge, auf

, d' d ,. 1 welche sie (von uns) angewan t"ver eu, genau Deze!Cnn~~1 sondern (wir setzen sie) unterschiedslos) und, wen~ man ,:clh1 missbräuchlich; denn einmal ziemt es dem SkeptIker mcht um ""tAT orte zu streiten 1 besonders aber. nüt~t . es nn~1 dass es auch von diesen Redensarten mcht heIsse J SIe

hätten ihre Bedeutung rein .(schlechthin), so?d~~n in._Be­zug auf Etwas und zwal' In Bezug au! dIe 8keptike;,

208 Ausserdem muss man sich auch dessen ermnern, dass WI!'

sie nicht über alle Dinge allgemein aussprechen, sondern über die nichtoffenbaren und die lehrphilosophisch gesuchten; und dass wir (nur', das uns Erscheinende sagen und keineswegs in fest~ersichernder \Veise über die Natur der ausserhalb lmterliegenden Dinge uns äussern; denn hieraus kann jedes gegen eine skeptische Redensart vor­gebrachte Sophis:na, wie ich mein~, widerle~t wer~en. ;!

209 Nachdem WIr aber den Begnff und (he Thede nnu das Ul'theilsmitt.el und das Ziel, ferner aber, die Weisen der Zurückhaltung durchmusternd und über die skeptischen

Erstes Buch. Cap, 28. 29. 75

Redensarten sprechend, das Gepräge der Skepsis ver­deutlicht haben, so erachten wir es als sich wohlan­schliessend , auch den Unterschied der ihr nahestehenden Philosophieen im Vergleich zu ihr kurz zu behandeln! um die zurückhaltende Führungsweise deutlicher zu ver­stehen. Beginnen aber wollen wir mit der Herakieitel­schen Philosophie.

Cap, 29.

Dass die skeptische Führungsweise sich unterscheidet VOll der Philosophie des Harakleitos.

Dass mm diese sich unterscheidet von unserer Führungs- 210 weise, ist sehr offenbar i denn der HerakleitoB lässt sich üher vieles Nichtoffenbare lehrphilosophisch vernehmen, wir aber keineswegs, wie (oben) gesagt ist. Da aber die (Anhäng'er) des Ainesidemos sagten, es sei die skeptische Füh:rungs­weise ein Weg zu der Herakleiterschen Philosophie, weil dem (Satze) J das Entgegengesetzte :finde in Betreff Des­selben statt, der (Satz) vorausgehe, das Entgegengesetzte erscheine in Betreff Desselben, und (weil) die Skeptiker nun sagen, das Entg'egengesetzte erscheine in Betreff Des­selben, die Herakleiteer aber VOll hieraus auch zu seinem Stattfinden übergehen: so sagen wir gegen diese, dass das n das Entgegengesetzte erscheine in Betreff Desselben" nicht ein Lehrsatz der Skeptiker ist 7 sondern eine That­sache J welche nicht blos den Skeptikern, sondern auch den andern Philosophen und aUen Menschen sich dar­stellt; Niemand möchte doch wagen zu sagen, dass 211 der Honig die GeslUldseienden nicht süss berühre J oder dass er die Gelbsüchtig'en nicht bitter beruhre; so dass die Herakleiteer von einer den Menschen gemeinsamen Vorannahme ausgehen, ,vie auch wir, vielleicht aber auch die anderen Philosophieen. Deshalb, wenn sie das "das Entgegengesetzte liege in Betreff Desselben zu Grnnd~ (sei au ihm vorhanden)" gewinnen würden von irgend. etwas in skeDtischer Weise Gesagtem aus(gehend) , wie z. B. davon aus; "Alles ist unauffassbar" oder davon: n Ich bestimme Nichts" oder von etwas Aehnlichem, 80 folgerten sie wohl (richtig) das, was sie sagen; da

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76 Erstes Buch. Cap. 29. 30.

sie aber Anfänge (Ausgangspunkte) haben, welche nicht nur uns. sondern auch den anderen Philosophen und dem Leben sich darstellen: warum möchte jemand mehr unsere Fühnmgsweise, als jede der anderen Philo­sophieen oder auch als das Leben, einen Weg zu der Herakleitelschen Philosophie nennen, da wir doch Alle

2i2 gemeinsamer Stoffe uns bedienen? Wer weiss aber, ob zur Erkenntniss der Herakleite'ischen Philosophie die skeptische Führungsweise nicht nur nicht hilft, son­de:m SOt"rar hinderlich ist! da doch der Skeptiker all das ö von dem Herakleitos lehrphilosophisch V Of­

getragene als vorschnell gesagt tadelt, ind~m er bald entgegentritt der Weltverbrennung (des H.), bald entgegen­tritt dem "das Entgegengesetzte finde in Betreff ~es­selben statt", und bei jedem Lehrsatz des HerakleItos einerseits die 'lehrphilosophische Vorschnellheit yerhöhnt, andererseits das: "Ich· fasse es nicht auf" und das: "Ich bestimme Nichts" ausruft, wie ich oben sagte; was doch den Herakleiteern wid erstl' eitet. Thäricht aber ist es, zu sagen, die widerstreitende Führungsweise sei ein Weg zu jener Denkweise, welcher sie widerstreitet i t~öricht also, zu sagen, die skeptische Führungsweise SeI em Weg zur Herakleitelschen Philosophie.

Cap. 30.

\Vodurch die skeptische Führungsweis6 sich unter­scheidet von der Demokriteischen Philosophie,

213 Aber auch die Demokrite'ische Philosophie soll eine Verwandtschaft zur Skepsis haben, da sie sich desselben Stoffes wie wir zu bedienen scheint; denn daraus, dass den Einen der Honig süss erscheine, den Anderen bitter, schliesse sagen sie, der Demokritos, dass er weder süss sei noch' bitter, und deswegen rufe er dabei die Redensart "Nicht mehr", welche skepti~~h sei. V~:sc~ieden je~och brauchen die Redensart "NICht mehr" dIe Skeptiker einer- und Demokritos andererseits; jener nämlich setzt die Redensart in der Bedeutung, nichts von Beidern sei, wir aber in der, man wisse nicht, ob von dem Erscheinenden

214 Beides oder nichts von Beidern ist. Also auch darin

Erstes Buch. Cap. 30. 31. 32. 77

unterscheiden wir uns; am oiTenoarsten aber WIIU der Unterschied, sobald dei Demokritos sagt: 'Wirklich aber / . d\ d' "h 'lb . / " (SIr;..) • le 'fun~ .. Cl • aren Dmge lAtome) und das Leere", 11 fV uklich' n::mhch sagt er statt des "In Wahrheit't; dass er aber, mdem er sagt, der yVahrheit gemäss be~ s!änden sowohl die untheilharen Dinge als auch das Leere

1

SIch von uns getrennt hat, wenn er auch von der Lll~ gleichmässigkeit der erscheinenden Dinge ausC<'eht ist überflüssig, mein' ich, zu sagen. 0 ,

Oap. 31.

Wodurch von der Kyrenaischen (Philosophie) die Skepsis sich unterscheidet.

.. Es me!nen, aber Einige 7 dass die Kyrenaische 215 ~uhrungs'YelSe dIeselbe jst wie elie Skepsis, da ja auch Jene blOß dIe (menschlichen) Zustände aufzufassen behauptet 8ie_ u~terscheidet sich aber von ihr, da ja jene die Lust und die glatte Bewegung des Fleisches rnr das Ziel er­klärt, wir aber die Unbeirrtheit, welcher das. was Dach Jen~n Ziel ist, widerstreitet; denn sowohl wenn die Lust ?a 1st, als auc~ wenn sie nicht da ist, unterliegt der Be­;rrm;gen, welcher versichert, die Lust sei das Ziel; wie IC~ m der Besprechung über das Ziel (25) bewies. Sodann. WIr zwar halten, was die Rede in Betreff der ausserhalb unterliegenden Dinge anlangt, uns zurüek, die Kyrenaiker aber sprechen aus, sie (die Dinge) hätten eine unauffass-bueN~uL .

Cap. 32.

Wodurch von der Protagorelschen Fiihrungsweisa die Skepsis sich unterscheidet.

Aber auch der Prot.agoras will, für alle Dinge sei 216 der :Mensch das ~bass. für die seienden, dass sie sind für die, nichtseienden " dass sie nicht sind, indem e; "MaaRs (. nennt das L rtheilsmitteL Dino-e" aber die Thatsachen; so dass er dem GedaiJk~n n~ch behauptet,

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78 Erstes Buch. Cap. 32. 33.

für aUe Thatsachen sei der Mensch das Urtheilsmittel, für die seienden i dass sie sind. für die niehtseienden, dass sie nicht sind. Und deswegen giebt er blos das .ledem Erscheinende zu, und so führt er das In~Bezug-

217 auf-Etwas ein. Deshalb scheint er auch eine Verwandt­sehaft zu den Pvrrhoneern zu haben. Er unterscheidet sich aber von ihnen, und wir werden ßen Unterschied erkennen, nachdem wir mit MaasE dargelegt haben, was dem Protagaras recht scheint. Es sagt also der}Iann, der Stoff sei fiiessend; indem ~r aber fiiesse, entstände~ beständig ~llsät.ze an Stelle der, Aussonden~ge~, und die Wahrnehmungen ,,'ürden sowohl umgeOl'dnet alS auch p'eändert nach den Altersstufen wie auch nach den andern

218 Einrichtungen der Körper. Er sagt aber auch J die Ver­hältnisse (Gritnde') all des Erscheinenden seien vorhanden in dem Stoffe so /dass der St.off. soweit es auf ihn (diesen) selbst allko~me , Alles zu sein vermöge, was Allen erscheine. Die' l:rfenschen aber erfassen (sagt er) zu anderer Zeit andere Dinge, je nach ihren verschiedenen Zuständen ~ dmH1, \ver der Natur gemäss sich verhalte, fasse von' den Dingen im Stoff das au!, was den der Natur gemäßE sich Verhaltenden zu erscheinen vermöge, die aber. welche wider die Natur (sich verhalten, das) was den \videl' die Natur (sich Verhaltenden zu erseheinen

2H! vermöge). rnd ferner, je uac? den Alters~tn~en l:·n~d. hin­sichtlich des Schlafens oder Wachens und hlllSlChtuch Jeder Art der Zustände gelte dieselbe Rede. Es. wird demnach nach ihm (dem Protagorasl der Mensch Urtheilsmittel des Seienden: 'denn an das den Menschen Erscheinende ist auch das aber keinem der Menschen Erscheinende ist auch' nicht. ,ViI' sehen also, dass er sowohl darübm', dass der Stoff fIiessend sei, als auch darüber, dass die Vel'hältnisse aU des Erscheinenden darin (im Stoffe) vor­handen sind lehrphilosophisch spricht, Dinge~ welche 111cht­offenbar und für uns Gegenstand der Zurückhaltung sind.

220

Cap. 33.

Wodurch von der Akademaischen Philosophie die Skepsis sich unterscheidet.

Es sagen jedoch Manche, dass die Akademaische PhilQsophie dieselbe ist wie die Skepsis; weshalb .sich

Erstes Buch. Cap. 33. 79

wohl anschliessen möchte, auch hierüber zu handeln. Akademi~en. hat es, wie [die ~IeistenJ sagen, drei ge­geben: dIe eme und zwar die älteste (ist) die der (Anhäno'erl des Platon ~ die zweite und mittlere die des A:rkesila~s wel~e~ ein Hörer des Polemon war; die dritte und ~eue die des Karneades und Kleitomaehos; Etliche aber fü/;;en auch eine vierte hinzu 1 die des Philon und CharmidL~"s: ~Ianc~e zählen aber auch eine fünfte auf, die des Ant.iochos: ~usgehend also von der alten, lasst uns den Unterschied 221 ([er genannten Philosophieen betrachten. Der Platoll sagtel! die Einen, sei ein Lehrphilosoph, Andere, (er ein Unentschiedener (7) 1 Andere , (er sei) in Manchem ein UnentschiedeneI' , in Manchem ein Lehl'philosoph; 1n den übenden Reden nämlich, [sagen sie ,] wo der S~krates eingeführt wird i wie er entweder mit Einigen scherzt oder gegen Sophisten streitet, habe er j sie, ein sowohl übendes als auch unentscMedenes präge, ein lehrphilosophisches aber} wo er sich ernst-haft ausspricht, entweder durch (den Mund des) Sokrates oder Timaios odel' irgend eines derartigen. Deber die- 222 jenigen nun, welche sagen, er sei ein Lehrphilosoph, oder in Manchem ein Lehrphilosoph . in :l\Ianchem ein TIn­entschie~ener, _ dürfte es überfi:iü~sig sein, für jetzt zu reden; Sie selbst gestehen ja den Unterschied in Bezug auf uns zu; darüber aber. oh er ächt skentisch ist den] wir ~n1sführlicher in / den Erläuterungen rede~. für jetzt aber erklären wir, wie es für den Grundriss nasst nach Menodotos [Herodotos?} und Ainesidemos - Ldies~ nämlich standen am meisten diesem (unserem) Standpunkt vor -, dass, wann der Platon über Ideen sich ausspricht. oder darüber, da.:'s ~s eine Vorsehung gebe, oder darüber; dass das tugendh~nte Leben erstrebenswerther sei als das mit Lastern, er, falls er diesen Dingen als wirk­l~chen be!~timmt ,lehrphilosophisch spricht, falls er 8!ch zu. Ihnen als glaubwürdigeren l1ält, dem skep­tls~h~n Gep:ä~~ fe~n ist, da_ er Etwas ,:orzi.eht in Bezug aUIhbld3;ubwurUlt1keItdo~~r ~~nglaubwd itrdIgkmt; denn wie ~~lC \ les un~ ireill lS,,) 1st aus em vo ... rher Gesagten \,202) ganzoffenbar. ", enn er aber lvIanches auch 223-in skeptischer Weise vorbringt, sobald er. wie sie sagen ~T ' t "1--· . d d' , U,etmngen ans e1 '" so Wlf er eswegen nicht ein Skep-tiker sein; denn wer (auch nur) übeT Eine Sache lehr,

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80 Erstes Buch. Clip. 33.

philosophisch spricht, ind~m er centwe~er ein Ers~~ein~ngs­bild einem audern YOrzIeht loder sICh al~sprlcht] .?-b~r­haupt in Bezug auf Glaubwürdig.keit ~der lJngla~lbwurd!g: keit über irp"end eines der mchtoffenbare~ Dmg.e, ae,!. fällt dem leh~phllosophisc~er:. Gepl'ä&e an~elm;" wle, auell der Timon bekundet durch d!S von Ih~ u?er Xe!l0pna?-es

294 Gesagte. Nachdem er nämlich m [wegen!J Ylel~n Dmg~n l!~n ... [den Xenophanesj gelob~ hat~e, so dass er Ihm auch Cil~

Silloi widmete, liess er Ihn (so) wehklagen und sprechen.

'Niir' auch mir doch geglückt, verständigen ~~nn. Z~l e:la~gen, Schauend nach beiden Seiten; doch täuschte n;tlC~ lIstig e.m

1Abweg

N ach, da ich hochbet2.gt, und ga~z l1nkund~g nn ZWBlfei. .. ' Denn' wohin ich nur immer den Smu mocht ,~ende~, da loste Alles sich auf in Einunddasselbe i es 1 s:ellte ~l~h Altes, U eberall hinge zerrt, als die selbige gißlche Natur dar.

Deswegen also nennt ~r ihn auch n!h::lbu~du~st~ta, und nicht, ;, völlig dnnstfrer", da wo er \. TIIDon j so.gt.

Halbumdunstet ersann sich der Tadler homerischen Truges, X einapham~s, den Gott im Kreisrund: ferne den Menschen, Unversebrbar, ein Denken, nur denkbar.

Halbumdunstet" nämlich nannte er den in ~bn~hem dunstfreien . Tadler homerischen Truges", wel.l er

225 den Betrug bei Homeros verhöhnt hat.. Lehr'phIl~so­phisch aber erklärte der Xenophanes, g,egen dl~ \or­annahmen der andern Menschen , da~ Ganze Sei Ems, und der Gott zusammengewachs~n ml~ . den gesamm:en Dingen; er sei aber kugelgestalteL und leidlos . und. ~nyer­änderlich und vernünftig; weshalb es allch lmcht 1St,. den Unterschied des Xenophanes gegen uns aufZUZeIgen. Kurzum aus dem Gesagten ist ganzoffenbar 1 ~ass. ~er PIaton. 'auch wenn er über manche Dinge .unent?chIect~n sein s~llte dennoch d::t es bei manchen SIch Zeigt,. WIe

er entwed~r über di~ Wirklichkeit !lic~t0.l-~enbarer ~mge sich äl1ssert oder Nichtoffenbar~s hms~ch.h.~h der Glaub-würdigkeit vorzieht, kein SkeptIker ~em mochte., ~;

226 Die aber aus der neuen Akademie unterschelden tiL~h, wenn sie aueh sagen, Alles sei unauffassbar,' von (t~n Skeptikern vieH,eicht eiperseits sog..,ar ebe~ darm,. ~~s s:~ sagen

1 Alles seI l~l1auf:~ssbar - aenn SIe beha::pben ~a

rüber etwas; der SkeptIker aber verml1thet, es konne 8ell1,

Erstes Buch, Cap. 33. 81

erlass auch Einiges aufgefasst werde -1 sie unterscheiden sich aber ganz offenbar von uns in tier Beurtheilung der guten und der schlechten Dinge. Dass es nämlich etwas Gutes gebe und Schlechtes, sagen die Akademaiker nicht (in derselben "'Yeise) wie wir, sondern zugleich mit der l!eberzeugung, es sei glaubwÜrdig (wahrscheinlich), dass eher das; ,vas sie (ein Gut) nennen, ein Gut sei, aIs dass das Geg'entheil es sei, und in Bezug auf das Schlechte in g~eicher Weise; während wir von Nichts sagen, es sei etwas Gutes oder Schlechtes, zugleich mit dem Dafürhalten~ was wir sagen, sei glaubwürdig, sondern (dabei nur) ansiehtslos dem Leben folgen, um nicht unthätig zu sein, Auch von den 227 Erscheinungsbildern sagen wh', sie seien gleich an Glaub­\vürdigkeit oder TJnghulbwärdigkeit ihrem Wesen mwh; Jen~ aber meinen, manche seien glaubwürdjg, manche llTI­

glaubwürdig. Aber sie geben sogar von ilen g'lallbwürdigen Unterschiede an ~ denn von den einen meinen sie -seien eben nur gl~mbwürdig, von anderen, (sie seien) würdig und durchgeprüft, VOll anderen aber, (sie glaubwürdig und ringsllm- geprüft und unentziehbar, So z. B. bildet sich, wenn in einem rlunkelen Hause irgenc1-wie ein Seil gewunden daliegt, von diesem aus, für den, der plötzlich herzngeht, ein blos glaubwürdiges Er~ scheinungsbild wie von einer Schlange ~ demjenigen ie­doch, welcher die es (das Seil) betreffenden Umstit1~de 228 genau rings11mspäht und durchgeprüft hat, wie z. B. elass es sich nicht bewegt, dass es in der Farbe so und so ist, und alles Andere, erscheint es als ein Seil. gemäs;:; dem Erscheimmgsbilde j welches glaubwürdig und rings11m­geprüft ist, Das aber auch unentziehbare Erscheinungs-bild ist folgendermaassen beschaffen. NIan sagt'j der Herakles habe die _4.lkestis, als sie gestorhen war, wieder aus dem, Hades heraufgeführt und dem Admetos gezeigt, und er (Admetos) gewann ein glaubwürdiges Erscheinungs-bild der Alkestis und ein ringsum geprüftes ; da er jedoch ~usste, dass sie todt sei, so entzog seine Einsicht sich {i.er Beistimmung und neig'te zum Nichtglauben. Es ziehen 229 also die aus der nenen Akademie dem 1)1013 glaub­würdigen das glaubwürdige und ring'sllmgepriifte Er­scheimmgsbild vor j diesen heiden aber das glauhwi.trdige und Tingsumgeprttfte und l1uentziehbare. y.,r enn aber die von der nellen Akademie ebenso wie die von

Sextus Enlpiricus~

Page 39: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

82 Erstes Buch. Cap. 33,

der Skepsis sagen , auc~ . dass sie man,?h~n, Di~~e~ ~'lauben so ist auch der bienu (he:rrschende) lJnterschwu

230 der Phllosophieen ganz offenbar. Das ~,Glanben';' näm­lich bedeutet Verschiedenes: einmal das Nicht-Widerstrehen" sondern Folgeleisten schlechtweg', ohne heftige Zuneigung und Theilnahme. ,,,ie man vom Kinde sagt, es glaube dem Erzieher; ein andermal aber (bedeutet es) das Zu­stimmen zu einer Sache mit W a111 und gleichwie mit Mit­empfinden. ~remäss dem heftig'en y..T oUen, wie der Liederliche dem p'laubt der ihn schwelgerisch leben beisst. Deshalb, f1a j; Kar~eades und Kleitomachos sagen, mit heftiger Zuneigung glaubten sie und, gäbe es ,. etwas Glaub­wiirdiges, wir ahm' (nur gla-:weI!-) gemass ~em Nac~­!)'eben sehl"'chtweD' ohne Theilnanroe. so mochten wIr

231 ~uch hierin>J uns ;~n ihnen unterscheiden. Aber auch in dem auf das Ziel (Bezüglichen) unterscheiden wir uns von der nenen Akademie; denn die 1länller, ,velche sagen, dass sie nach ihr SIch einrichten, wenden das Glaub~ '.viirdige im Leben an, wir aber leben den Gesetzen und den Sitten und den natürlichen Leiden (Zuständen) folgend ansichtslos. Noch mehr aber hätten wir zur Unter­scheidung gesagt, wenn wil' nicht nach der Kürze trachteten.

232 Der Arkesilaos jedoch, -von dem wir sa~en, er ?e~ V orstehel' und Führer der mittleren AkadeIDle, schemt mir "'ar sehr verwandt zu sein mit den Pyrrhone'ischen Rede~. so dass die nach ihm (sich richtende) Fühnmgs­weise lmd die unsrilYe nahezu Eine ist; denn weder findet man. dass er über uVorhandensein oder Nichtvorhanden­sein I eines Dinges sich änssert, noch zieht er in Hinsicht auf Glauhwürdigkeit oder "LnglallbwürrJgkeit Eines dem Anderen vor, sonder.l über Alles hält er an sich. Au~h sei (sagt er) das 'Ziel die Zurückhaltung, zu welcher d18 Dnheirrtheit sich hinzugesellt, wie wir sagten; er sagt aber auch, die ZUl'ückhaltungel1 in einzelnen Dingen seien

233 Güter, die Beistimmllugen in ehlZelnen aber U eheL In­fieSE!, wenn nur nicht jemand (hiergegen) sagen möchte, dass \~d1" dies sagen gemäss deB! uns ~rscheinel1~en und ni~ht festvel'sicherlld, Jener aber ais der Natur gemass (in Wirklichkeit)! so dass er (Arkesilaos) auch sagt 1 die Zurückhaltung selbst sei sogar ein Gut t (lie Beistimmullg aber ein U eb~eL vVenn man aber aueh dem, was über

ETstes Blieh. Cap. 33. 34.

ihn gesagt \Y~!~, t~auen ~uss: BO meinen sie, dass er so auf den ersten Buck als Pvrrnoneer erschien in uTa-hr<n'''e~f "he~ . _. h~ .. ,! -, Tl :t;;- t: 1l" ~~ .i

e~n Lehrp Ilosoph war; und zwar, weil er bei seinen Genossen ~m~ Prübe .z~1 m~ch~n pflegte vermittelst der unentschiedenen \)~h~os.ophIe)'"r on SIe wohlgeartet wären zur Aufnahme der :~,a~omsch~n Lehr~ätze; ~abe ~r, ein l!nent~ehiede:ner ge­;;c~Ienen, J~dO;f den :wonlgearteten unter semen Genossen hane ~l' dIe (..Liehren) PlatonJs überliefert. Daher habe auch <ter Ariston von ihm gesagt: ..

~latoll von vom, von hinten Pyrrh6n, Diodoros in Mitten,

weIl er der Dialektik nach dem (des) Diodoros sich JJc"uöne. aber geradeaus (offenbar) ein Platoniker sei.

Der Philon aber sabO"t, was das stoische r .... i·n' "'~!" '~1J5 "'J. 1 1 . ' ~ v"" ~'-,.Uij- Ye.J>~

~lt .. Le an al!ge} ~as 1st das auffassende Erscheirmngs-b:la 'T so seIen dIe Thatsachen unallffassbar; was aber dIe Natur der Thatsachen selbst, so {seien eiej a1'f'f''1{,);:'_ bar. Aber auch der Antiochos fijhrt~ die '~t~ai~~"~l~Q Ai "d . "1· - "~'-" ...

~it em~e ~UJ:r, so da~8 mal! yon. i)1m auch gesagt da.l5.€! er m dei AkademIe stOlSCll pJ1Ilosouhire' "'1' on!>!><:;:. .. _. h . ~ .. . , v <> .... vu.Lv

nam!Ic . zu ZeIgen, es seien bei dem Platon eHe Lehrsätze d~r St01~e! vorh~ndell, So dass ganz offenbar ist der U.nterschleu ~er ~keptischen Führungsweise sowohl g'ep'ell

die sogenanme VIerte als auch die mufte Akademie: 0

Ca p. 34.

Ob die Empirie in der Heilkunde dasselbe ist rrrit der Skepsis.

Da aber IVIanc~e sagen] auch mit der Empirie (nämlich') der J?enkungsal't m deI' Heilkunde, sei die skepti;che Philo~ sophle dasselbe, so mIlSS man einsehen da"" ~nrc.Iln .lo"'h ~ V: " -I- , • ' ~ JJf,; ., l' \..; .LS. UV v Je?e ~mFlrIe. die Lnanffassbarkeit der nichtoffenbaren Dmge feStVe~SIChert, sie weder dasselbe ist mit der Skensis noch es sich schicken würde für den Skeptiker jen~ Den~l1ng~~1Tt anzunehmen. Eher könnte er.- ,vie ~fr es sehemt, der sogenannten Methode nachO'ehen'· iltenn (lI' "=<1>

h . t 1-' 0 ' .. - "1:j,,

s? em '. ,a 1em unter den Denkungsarten in der Heilkunde emerseIts übel' die niehtoffenbal'en Dino'e nicht VOI"chnAII f h 1 b ~>O _.~-

zu 'yer aren J alS maasste sie sich an zu Sai!ell, ob sie a~ufJassbar seien oder lmauffassbar, andererseIts ' .

6*

236

Page 40: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

84 Erstes Buch. Cap. 34.

sie muem sie dem Erscheinenden folgt, von diesem allS

da~, was zu helfen scheint, in der Foig'erungsweise der Skeptiker. Sagten wir tloch auch in dem Früheren (23), dass das gemeinsame Leben, das auch der Skeptiker geniesst, viertheilig ist, theils sich haltend an die Anleitung durch die Nat.ur. theils an die Nöthlgung durch die Zustände (Em­pfilldunge'n), theils an die Uebe!lieferl1ng der Gesetze w~e

238 auch der Sitten, theils an die Lehre der Künste. GleichwIe nun Kraft der Nöthignng durch die Zustände der Skeptiker von Durst zu Trank gefülnt wird, von Hung~r aber zu. Nahrung', und zu irgend etwas Anderem m gleicher Weise: so \vird auch der methodische Arzt VOll den (Krankheits-) Z llständemm denal1gemessel1enDingeu geleitetr (nämlich) einerseits von emel' Zllsammel1ziehlillg' zur Auf­lockerung, wie man von der Verdichtung' in F'olge starker Kälte in Sonnenwärme sich flüchtet; andererseits von Erschlaffung zu deren Zurückhaltung (Hemmung), wie auch die im Bade von vielem Schweiss Uebergossenen llncl Erschöpften zu dessen Zurückhaltung eilen lmü _deswegen Zllr kalten Luft sich flüchten. Dass aber auch die von Natur fremdartigen Dinge zu ihrer N ahn' [Fortschaffung ?) zu g'ehen z\vingen 1 ist ganz offenbar, wenn doch auch der Hund, sobald ihm ein Dorn festhaftet, zn dessen Fort-

239 schaffung eilt. Und damit ich nicht c1ureh Besprechung im Einzelnen die grnndzugsartige Weise (skizzenhaften Oharakter) der Schrift überschreite: aU das seitens der Methodiker in dieser Weise Gesagte kann, wie ich glaube, untergeordnet werden der aus den Zuständen (rührenden) Nöthigung, so\voh1 (aus) delll1aturgemässen als auch den natl1r-wid.l'igen; neben dem Umstande, dass auch die An­sichtslosigkeit sowohl wie eHe TInterselliedslosigkeit im Gehrauche der 1Vorte den (diesen) Führullgsweisen

240 gemeinsam ist. Denn, wie der Skeptiker die Redensart .. Ich bestimme Nichts'" und die .• Ich fasse Nichts auf" braucht, wie wir gesagt haben (nän~lich ohne Unterschied) : so sagt allch der Methodiker "Gemeinsamkeit" uud "Hindurchgehen" und das Aehn1iche ohne gen aue Ulltel'­sch~i~l1l~g. f' So pimmt ~r aber, auch ~1as ,y ort "Auz~ige{t anslCll.tslOS Iür dIe A1l1eltlll1g, (welche) vou den erschemen­den Zuständen, den natul'gemässen sowohl als auch natur-

~ge~~hen ;v1:-d) zu ~em, \va;.:; allg'eme~s~n zu . WIe !CIl auen m Betren des Dmstes nun 111 Bc-

Erstes Buch. Cap. 34.

treff des Hung'ers und der andem Dhwe env«h11+: hal~e Dann al . "' H 'lk b <1.~ ~" -u. 1;';~' -so, III ae~ eI Ylillst die Führungsweise der :11e- 241

t,lOdlker eI~Ie gmvlsse Verwal1dtschaft habe zu der Skensis. m.,e,l!: ~ls d,~e,ander;~n penkungsarten in (~er ~~ilkunst lund v~rblelChs\\else m .. t Jenen, (wenn auch) mCllt schlecht­,,:egj m~ss :nan s~~en, \venn man sich auf diese und die etieSep ahnhchen lLJ mstände'\ beruft.

~achdem wir soviel auch'über die~ welche naheznstehell ~cheI~en ~er Fühl'ung~weise in: .8.i~ne ~~r Skeptiker, lSproc~en !laben, schhessen WH' hiernut sowohl die ~emelll~ Rede übe~ die Skepsis als auch den ersten ..a.bschmtt der Grumlzitge 3~b.

Page 41: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

Z"\veites Buch.

C apo 1.

Ob der Skeptiker über das bei den Lehrphilosophell Gesagte irgend eine Untersuchung anstellen kanu,

Da wir aber die Untersuchung gegen die Lehrphilo- 1 sophen unternommen haben, so lasst lIDS jeden Theil der 'sogenannten Philosophie kurz uml grundzugsweise durch­wandern, nachdem wir vorher denen. geantwortet haben j

welche immer schwatzen, dass der Skeptiker wecler zn untersuchen, noch zu denken, überhaupt im Stande sei, HnBr das, was bei ihnen lehrphilosophisch gesagt wird. Sie meinen nämlich, dass der Skeptiker ellhveder das von 2 den Lehrphilosophen Gesagte erfasst oder nicht erfasst; und wenn er es nun erfasst. wie möchte er unentsclüeden sein über das, was er erfasst zu haben behauptet ? Wenn er es aber nicht erfasst, .so weiss er folglich über das, was er nicht erfasst hat, auch nicht zu reden. Denn so- 3 wie der, welcher nicht weiss, sagen wir einmal, was die Schlussforrn des "Inwiefern VeTkürzten" oder die "Durch zwei W endlmgen" ist, auch nichts darüber sagen kann: so kann auch, wer nicht je(les (das Einzelne) von dem bei den Lehrphilosophen Gesagten versteht, nicht gegen sie über das untersuchen, was er nicht kennt. Mit nichten folglich kann der Skeptiker über das bei den Lehrphilosophen Gesagte untersuchen. Die mm dies 4-sagen, sollen uns antworten, wie sie jetzt das "Erfassenu verstehen? ob von dem Denken schlechtweg, ohne (dabei) auch über das Vorhandensein jener Dinge, wOl'Über man redet 1 (etwas) festzuversichern, oder ob J neben dem

Page 42: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

90 Zweites Buch. Cap. 1.

,I' m Setzen des V orhanden8~in~ jener Denken, :H.C,l \ion de . ht') Denn wenn SIe m der

d man spnc, -Dino'e .. VOll euen ' . E " . . r,' daR Zustimmen zu b Ir fi' t' \ . 'nassen seI u • Rede ;,pe 111 ,IOn; sagen... 7 teiluno' wofern dIe er-einer erfassende~ Erschem~t:fi:l:ors herrlfi~re von einem, fassende Erscbemung8vor~, b g dem V orhandenenge­V orhandenen., nachdem s~ ' .. ~tenund ein- und abgeprägi mäss. sich elll- und ~bge :.uc ~. a nicht entstehen würde

, (' 1 her .... XTeIRe) Vile öh.,. • I hat m so c H ,- so werden Sie auc 1 '. N" ht· rhande'l en aus -, .

'-on "lnem 'lC :v 0 ' .u - '" als 1ro"nn+en 816 '-' . . ht Heu ("uO'eoen) . n "

selbst viellel~ht lliC . wo ';'elche sie :nicht auf diese jene Dinge mcht untersuchenB sobald der Stoiker unter-

n V>,T eise erfasst haben ... So z~ . E ikureer, welcher sagt: suchen wollte gegenubeI

d uema PGott so.,!rt; nicht., für die

. . t -'-h 'lt"· 0 "'I er .L 1") das Sem IS ge. ~ el v." L t . r," el'll Gut .. : hat er ~, • 'loT It" der dIe us 1;:; v ' DillG'e In der '" e" 0 ". ht f: ",t') Und wenn er

b • , l' t .. der nIe er a:::,s". (diese Dm~e) erlass, 'J - p bt er dadurch, dass er sa~tJ sie nu?- erfa~st ~lat, s? ~~ oa 'änzlich auf; wenn er SIe sie Seien wukhch, dle::;t g • ht~ dncregen sap'en.

~ t h..L 0 kann er nIe lS "ö 1")

aber nicht eI1assJ ac,. S f'f' er< die von den anderen 6 Aehnliches muss man aoer auch ~~~n ~ sobald sie irgend

Denkungsarten Auss~gelnd~n" s ~ u, den :,l,nders wie sie , h 'ollen 'lbe?' < dal", Vi as , h' "b r untersuc en"\"- .L 't ... Daher vermögen sie nIe t lLe

Denk~nden gut 8chel~ '. er zu untersuchen. Ja sogar, irgend Etwas gegeneII~~t herzen darf (ohne zu scher­es wird, wenn man lliC ,sc. - hie um es kurz zu zen) , einersei,ts ihr~ LVehrp~~os~ ga~athen mit Kraft . rot In e~wn:runö '-' "d sagen, . msgesa:r:r. l'~" hie anrücken 1 sobm ~an aber dIe skeptl~che Pt.11110~~cht untersuchen 1 was mcht zu.o'iebt. man konne e was d TI se'l Denn wer über

o • / W' ArfasNt wor e . , ~ h 7 ~n dIese~ '~lse .... .::; Sache sich ausspricht und. 1e r-

lIgend eI~e lllchtoffen~are wird entweder doch sagen'1 er philosophlSC~ Ied~t, ~er achdem er sie erfasst, oder, spreche daruber ~IC~ al}S, ~ h b Aber wenn nachdem nachdem er sie m~ht er ass ~~d' er unglaubwttrdig sei~; er sie nicht erfasst hat, ~o w~ L hat so wird er ent-

b hd m er 8, e erlass!. ., l' •

wenn a er, nac e, ; erfasst naühuem SIe von weder sagen, er hane (hese. a leibha{t:O" ibm sich dar­selbst und aus sich h~rau~ ~n ~nd ~eine;öFor8Chung und gestellt habe} oder IDltteht lrg -gasaO"t würde, das Nicht-

" 1 T t hung Abc'- wenn nun '-' 'Ö " .. ' 1b""e1' ~ un ,ersue . - . h Ib t heIaus in unffil"te, a .. offenbare habe au~ Sl~ sde s t~U" und sei (SO') erfasst 'Yeise leibhaftig ~Ilch lllID arges v It , ,

Zweites Buch. Cap. L 91

,vorden, so würde es unter diesen Umständen ~mch nicht nichtoffenbar sein, sondern für Alle in gleicher Weise er­scheinend und zugestanden und ausser Widerspruch. Leber jedes Nichtoffenbare aber herrscht bei ihnen der "Tiderspruch unbeendet i mit nichten also möch~e ein Lehrphilosoph, der über dessen (des Nichtoffen b aren) Vorhandensein (etwas) behauptet und ausspricht, das Nicht­offenbare als ein aus sich selbst und leibhaftig sich Dar­stellendes erfasst haben. Wenn aber mitte1st irgend einer 9 Forschung: wie war er nach der vorliegenden Voraus­setzung im Stande es zu untersuchen, bevor er es deut­lich erfasst hatte? Denn wenll einerseits die Unter­suchung' verlangt, dass vorher genau erfasst worden sei} was untersucht werden soll, und so erst untersucht werde, andererseits die Erfassung der zur Untersuchung stehen­den Sache wiedenlill selbst verlangt, dass sie vorher gänzlich untersucht sei: so wird ihnen, gemäss der Zweifelsweise des Durcheinanderj unmöglich sowohl das Untersuchen der nichtoffenbaren Dinge als auch das lehr­philosophische Reden (darüber); indem vdr, falls ,,,elche von der Erfassung ausgehen wollen, sie dahin führen, dass ~an es (das Ding) vor dem El'fassthaben vorher untersu~ht haben müsse, lind falls von der Untersuchung, dahm, dass man vor dem TI ntersuchen erfasst haben müsse das, was untersucht werden soll. So dass sie deswegen 'weder etwas von den nicht-offenbaren Dingen erfassen, noch zn ihren Gunsten mit fester Yel'sichel'lmg' sich aus­sprechen können. Hieraus aber wird, mein' ich, sich von selbst ergeben, dass einerseits die lehrphilosophische Dir­telei aufgehoben wird j andererseits die zurückhaltende Philosophie eintritt. Wenn sie aber sagen werden, sie 10 meinten nielli, es thue N otll, dass eine derartige Erfassung der Untersuchung vorangehe, wohl aber ein Den~en schlechtweg: so ist es [auch?] für die Zurückhaltenden nicht unmöglich, über das Vorhandensein der nichtoffen­baren Dinge zu untersuchen. Denn vom Denken schliesst sich der Skeptiker nicht aus, mein' icb, insofern es einerseits [für die Rede? Vernunft?] entsteht aus dem, was empfin­dungsartig sich darstellt, indem es leibhaftig ihm erscheint, andererseits durchaus nicht das Vorhandensein des Ge­dachten mit sich bringt; denn nicht nur das Vorhandt:.ne denken wir, wie sie sagen, sondern wahrlich auch das

Page 43: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

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92 Zweites Buch. Cap. 1. 2.

Nichtvorhandene. Daher verbleibt, a~H~h wen~ er n~~e:­sucht und denkt

J der Zurüc~haltende l~ sk.eptlschen ~ el­

halten' denn dass er den Dmgen, welche 11! F?lge 6ln~s erleidb'aren Erscheinungsbildes sich ihm aal'~tellen, Je nachdem sie ihm erscheinen, beistimmt, ist l?ezmgt. w$rden (-1 19' Vo,·o'esehP.11 aber dass nicht auch Jetzt dIe Dehr-l , I. - ~b V_, - h hl' i philo~o1Jhen von der Untersuchung Bl?J. aus?c leSBen. Denn Jiicht für die. welche nicht zu ''lISSen elllges~ehen, wie die Dinge sich der Natur nach yerh~lt~n, 1st .i'~~ widersprechend, sie noch zu untersuch~n J VI' oh1 ab~r 1':~,1. die, welche diese genau zu ke~nen meme.n; ~enn f?_i ~!: Einen ist die Untersuchung schon aus ZIel gelan~t, "I~ sie angenommen haben für die Anderen aber 1st .das, auf Grund dessen jede U~tersl1ehung sich ,bildet,. n~ch Je~zt vorhanden (nämlich) die lIeiul1ng, dass SIe es mcIn. gefun-, , den haben. ...1-

Also müssen ,yir über jeden Theü der sopen~nn~en Philosophie gegenwärtig in Ki~r~e untersuc!~en .. ~~d da a.~r Widerspl'uc.h bei den Lehrphüosophel! ubel dIe Theh~ de'" Philosophie !ITOSS ist. indem J\'Iancne sagen, es ge,bt:_

.. b;. /. "..,.r'd h \ einen, Andere, zwei J Andere, dreI - \:lll f~ 1, er8pn~.~ )} über den jetzt mehr zu verhandeln. SlC~ lllC~t. gehoren möchte - so werden wir nachdem WIr dIe AnSIcht deTer, welche sich vonständig~r darin umget~all zu .. hab~~ scheinen, mit Billigkeit dargelegt haben, Ihr gemass dIe

Besprechung herbeiführen.

Cap. 2.

Von wo aus man die Untersuchung gegen dis Lehrphilosophen beginnen muss,

13 Die Stoiker also und einig'e Andere sagen! es gehbe drei Theile der Philosophie, einen logischen j el~en ~p y­sischen, einen ethi.'3~hen; und sie be~·innen~. dl: TI ~te::­weisung mit dem loglsc~~n, -?b'.v~hl ~uvh .d:-ra~e-", ivomlt m~m beginnen müsse,. (~Ie Unellllgk~.lt gIOi:1~ lISt. ->.?dem wir diesen nun uns amncht.slos anschhess~n, wollen; Wl'!,­da das in den drei Theilen Gesagte emer BeurtheIlu~g bedal'f und eines Urtheilsmittels, die Rede ~tber d~s Er­theilsmittel Rber yon dem logischen Theil emgeschLossen

Zweites Buch. Cap. 2. 3. 93

zu werden scheint, - beginnen mit der Rede über das Urtheilsmittel und mit dem logischen Theil;

Cap. 3.

Vom U rtheilsmittel.

Nachdem wIr das vorausgeschickt haben, dass Fr­theilsmittel genannt ,\rird, sowohl das, wodurch-, wie man sagt, Vorhandensein und Nichtvorhandensein . bemtheilt wird} als auch das, woran wir uns im Leben halten; dass uns aber jetzt vorliegt, über das sogenannte TI Itheils~ mittel der vYahrheit zu handeln; denn über das in der anderen (zweiten) Bedeutung habe11 wir in der Rede üher die Skepsis gesprochen (1J 21 f.).

_ Das Urtheilsrnittel also, von clcm die Rede ist, wird in dreierlei Sinne gesagt, im allgemeinen, besonderen besondersten; im allgemeinen, von jedem lVlaasse der Er­fassung', in welcher Bedeutung auch die natürlichen Dinge so ?) benannt werden, (nämlich)Urtheilsmittel, wie das Sehen; ~m besonderen, von jedem kunstgemässen 1\Iaasse der Er­fassung, v.ie von Richtholz und Lothwage ; im besondel'stell, von jedem kUl1st.gemässen Maasse der' Erfassung eines ~ichtoffenbaren Dinges, wonach die Dinge des gewöhn­lichen Lebens nicht Urtheilsmittel heissen, sondern bl08 die logischen und was nur immer die Lehrphilosophen heran­bringen zur Beurtheilung der \Vanrheit. Wir sag'el1111lll, dass wir vorzugsweise von dem logischen Urtheilsmittel handeln, Auch das logisehe Urtheilsmittel aber möchte wohl in drei­fachem Sinne gesagt werden: das (U rtheilsmittel) W ov 0 n und das Wodurch und das Wonach (Vvelchemg'emäss): wie z. B. Wovon: der Mensch: V;,T odurch: entweder

V

Sinne~wahr­nehrnung oder Denken ; Wonach: die HeranbTing'lmg des Erscheinungsbildes, '.velchemgemäss der :M:ensch daran­geht zu urtheiien cl ur c 11 eines der vorgenannten Dinge.

Dies also war vielleicht passend vorauszllschicken~ um gegenwärtig zu haben, wovon für uns die Rede ist: weiter aber wollen wir zum V'.'idersprl1che yorschreite~ gegen die, -welche vorschnell behaupten das Urtheilsmittel der \Vahrheit erfasst zu haben, indem wir mit der -"'Yahrheit heginnen. '

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Page 44: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

Zweites Buch. Cap. 4,

Oap. 4.

""l'n 'Urth"'ilsmittel der Wahrheit VOl'-Ob irgend Q v

banden ist.

V d ~l~o welche über das Urtheilsmittel ge-18 on enen~, ~ , • . d" . ( , '''n\ . h b kl'·:"ten die Einen ~ les SeI ,vorhanG" h

handelt a, en, er 3h.1. A:; : d'e Anderen es sei . ,. St 'ke- nU'i Plllwe Ci.n<1ere ~ 1 , w.1e me : ,01 1, h' \. A d~Te ~ als auch der Xeniades aus TIlcht WIe so",o 1 TI K' h 1 r >l~o+e' Kori~th~s und Xenophanes aus olop on, (e >J~'b" •

'Wähnen herrschet bei Allen;

.. k 1- es ist oder nicht ist. Von 19 wir aber halten Z~lIUC , 0 cl d . tweder >::ugen. er

diesem 'Yi~e;spyuch nun we~ eu id~~r ~n ~nd w~~n u~ent­sei entscheldoal', oder, .un~nLcbhe -TO~ eben daher rühre sc~neHb3r, so werden SIe zuge en, \' . h <>her ent-'- kh ,. .. e' wenn e" SIe (C~!J es dass man zurüc alten muss j ~ ~'t e"" be'll't'neilt , II =e sagen "",Oilli L ,-

scheiden !.ässt, so, ~o e e~i~ weder ~in zugestandenes 1!~­\ve~den, \\llId, ,so 1a g h "berhannt. ob es vorhanden 1st, theüsIDlttel beSItzen, noe n~ ~ ci: ferner iiamit der über

20 wissen, so~der? unterSl1Chell~ Ln f id ers r{lch entschieden das Ll'thel1S11uttel entstand"ne yv -, Pu 1.h '1 . 'ttel als

, , '<1.h'o' das;;! wn' eln l'lo ehsmh -werde, ~st es .nu~ 10 'T f1 0 ~h il' ihn werden beu:rtheilen zugestanden be~ltz~~l, ~~!OhUr'-' z:g~standenes Urtheilsmittel ~öl!nen; ~~nd "ua~t~' ,\ l~a~~nvorher der Widerspruch itb~r bes1tzen, l~t e~ no 19, l< d I dem so a1.er dIe das- Urtheilsmittel elltsehiedellhw~r ed :eräth wird die R de in die 'Yeise des Dn~c ema~ ~r b. 'T' D.' _

e - h '1 '1' I ehwle:rH " mdAID Wir ,-,mer Auffindung, des Lrt eI,,~ml~: s ~ ! e ei~'Urtheilsmittel an-seits sie mcht voraus~etzUil!'tSV; e~s falls sie dur eh ein

h . 1 ~~ell anderersei S SIe, . ne m~n . al.,::; '~ <. r ... th 'I ·ttel beurtheilen \vollten, m UrtheIlsmlttel da" .. eI SIDl . Ab da der Beweis die rnbegTenztheit }üna:;str~lbel,n. < da~~' da~ Urtheils-

. ee. bew~esenen Irthellsmltte s oe ,- ~ . e~ 15, i. ~ beurtheilten Beweise~, so we.l'~en SIe

mIt~~l. ab~:~ ~~~~~.. des Durcheinander h~mmsg~trleo~n. -auen m L . U~. h'\ d;es SfI" al1srmchend, um

21 Obwohl wh' mm memell, sc UD .1._ ~; .; _ I"h' \ Rede die VO;schl~ellheit der Lehrph~losophell !lllt Qeid~n~er~ u~

1~ th" '+te1 zn zeIgen so 18, es U'-' i, über das .!. eliSillh ,1.. l' 'k"n'nen - )11cht un-h ' .. hfach wlder egen zu 0 _. --sie aue rnba~n:1 ... O;t~ (GeO'enstand der BesprecJmng) passend, ,eI I..,em \ b

Zweites Buch. Capo 4. 5. 95

auszuhalten. Nicht jedoch mit jeder einzelnen von den Ansichten über das Urtheilsmittel im Besonderen zn kämpfen nehmen wir uns vor - denn unsagbar ist der Widerspruch, und so \verden nothwendig auch wir in eine planlose Rede hineingel"athen -; sondern, da das Urtheilsmittel, worüber wir untersuchen, dreifach zu sein scheint, das Wovon und das Wodurch und das Wonach, so werden wir, indem wir an jedes hiervon im Einzelnen herangehen, seine Unerfasslichkeit e:nveisen; denn so wird uns die Rede planvoll zugleich und vollständig werden_, Beginne.TI aber wollen w~r ~~t dem W OV?ll; den~ es schemen ge\V1ssermaassen mIt meBern zugleICh aucn elie übrigen zweifelhaft zu werden.

Cap. 5.

Von dem Wovon.

Der Mensch also scheint mir, ,vas das von den 22 Lehrphilosophen Gesa.gte anlangt, nicht nur unerfassbar, sondern aueh undenkbar zu sein. Viiir hören ,venigstens, wie der Sok:rates bei Platon ausdrücklich eingesteht, nieht zu .. vissen , ob er ein .Mensch sei oder etwas Anderes. Und wenn sie seinen Begriff darleg'en wollen i so wider­sprechen sie sich erstens, dann sagen sie auch Unver­ständliches. Denn der Demokritos spricht: ,~Ein :Mensch 23 1st, was ,vir Alle kennen"', Hiernaeh aber werden wir den Menschen nicht erkennen, da wir auch einen Hund kennen, und demgemäss wird auen der Hund ein :Mensch sein. ['nd manche ·Menschen kennen wir nicht; weswegen sie nicht l\Iensehen sein werden. Ja sogar, nach diesem Begriffe zu mtheilen, wird es keinen Menschen geben; denn wenn Jener sagt, es müsse von Allen der Mensch er­kannt werden, keinen ~fenschen jedoch alle Menschen kennen: so wird nach ihm (DemokritosJ kein ~fensch vor­handen sein. Und dass wir dies niclit in sophistischer 24 Vveise sagen, zeigt sich aus der gegen ihn (gezogenen) Schlussfolgerung'. Denn blos die Atome seien in ·Wahr­heit vorhanden, sagt aer :Mann, Imd das Leere, welche Dinge nUll, wie er sagt, nicht blos den lebenden sondern anch anen ZusammenmiscJnmgen angehören; 80

Page 45: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

96 Zweites Buch. Cap, 5.

dasg~ soweit es auf diese (die Atome und das Leere) an­kömmt, wir die Eigenthii'mlichkeit des l\1en~chen n~c~t hegreifen werden, weil sie ja p,..lien gememsam sm~t" Aber es liegt auch nichts ~4..nderes Ul1sser diesen zu Grunde (ist vorhanden); wir ,;verden also .!lichts h~hen, woo:;urch wir den Menschen von den anderen lebenden '" esen unterscheiden und unverfälscht werden denken können.

25 Der Epikm~os aber sagt, ein Mensch sei die 8,0 u~d so bescbaffene Gestalt mit Beseelung. Auch nach DIesem aber ist, da der Mensch durch Hinzeigen sichtbar gemacht wird -vier nicht O'ezei2't ,vird. kein :BIens eh. Lnd wenn

, 0 v " ' ';J ~ 1\" • mm Jemand eine Frau zeIgt, so Wlftt oer. l~a~~ nien! Mensch sehl, wenn aber einen. Mann 7 so Wl~a dIe ~rall nicht j\fensch sein. Dasselbe aber werden WH beweIsen auch von dem Unterschied der Umstämle aus, ~,yelche \vir

28 aus der vierten 1\7 eise der Zurückhaltung kennen. Andere sa.g'ten, ein Mensch sei ein vern ünfti~esJ .s~erhliches Thi.er

z für Denken und 'Yissenschaft empfänglich. Da nun beI der ersten Weise der Zm'ückhaltung (I, 62 - 78) gezeigt wird, dass es kein llllvernünftiges Thier gieht 1 abe~r auch fitr Denken und V:issenschaft alle empfänglich sinu7

soweit das VOll ihnen (den Lehrphilosophen) Gesagte in Betracht kömmt~ so werden wir nicht erkennen, was in

27 aller Welt sie S;1JY en. Ferner. die in der Erklärung (Definition) JYesetzt~n zl1kommemlen Dinge (Eig;enschaften) ~rerstehen sie entweder der \Virklichkelt oder der Mög­lichkeit nach. 'l'-l eun nun der Wirklichkeit nach, so ist der kein l\Iensch, welcher nicht die Wissenschaft schOll vollkommen erlül;O't hat und in der Vermmft vollkommen 1st und im Sterbe~ selbst begriffen ist; denn dies ist das in Wirklichkeit Sterbliche. \Venn aber der JYlöglichkeit nach, so ,;vird weder deljenige ein :Mensch sein, wel~her die Vernunft vollkommen besitzt, noch welcher Denken und Vlissenschatt erlangt hat; dies aber !st thö,richter als das V urige. Auch auf diese ",. eise also stellt Sien

28 dm' Begriff des Menschen als nichtbestehend dar. [Denn?] der Platon. wenn er will. der Mensch sei ein ungeflügeltes, zweifüösiges breithufie:es, für staatliche Vvissenschaft em-Pfäno-liches +hie1' will dies auch selbst nicht in festversichern -

'"" 1 .- -. -der \Yeise aussnrechel1: denn, wenn auch ( er Mensch Irgend eins von den ;'ach ihm (dem Platon) zwar werdenden, i11 1(iirklicbkeit aber niemals seienden Dingen ist ~ über daß

Zweites Buch, Cap. 5, 97

ah~r, was nie"r:als. ist 1 mit fes,ter yersicherung sieh aU8-'Zu~rrecb.en llal:h Ihm unmoghch 1St: 80 wird auch der Pla~on m,eht wol1e~J als scheine er die Erklärung aufzu-stellen mIt fester VersicherunD" sondern indem ~1' .•

,er .. es pflegte, dem Glauhwürdi'gen (1Vah;scheinliel,~~ ::~ mass redete. ,ll / o~

vV " ~ h , " enn WU" Jeaoc auch dUTch Einräumung zugeben 29 ~vur~en, \ dass der Mensch gedacht werden kann. so wird vI' (~och) llnerfas~bar befunden werden. Denn er besteht a!IS i')eele und LeIb, weder aber lässt vielleicht der Leib :!ch erfasse~ noch. die Seele; also auch der :Mensch nicht, ~ ud da~s emerse~ts der Leib sich nicht erfassen lässt. 30 Ist offe!10ar au~ Folgendem. Die irgend Etwas zukom~p.n~ de1,,;lllge. (Elgen~chaften) ~ind _ verschieden von jen;~, we IJ em s~e zukomm~n. I::iobald also Farbe oder et~ :;as . A~hnliches lm~ SICh darstellen sollte, so ist wahr­öchem!lCh J dass dIe dem Leibe zukommenden DinO'e uns SICh darstellen, aber nicht der Leib selb"o/- Rq <> sagen 't" d h ') 1%. Ql" . wemgs ~ns 'oe ( .) vom Leibe, er sei dreifach ausgedehnt; WIr müssen also die Läng' e und d' i> B' ;t und die Ti:t: f Iv lth ,e

. e e er~assen, um den Leib zu erfassen [Denn ?1 w,enn d:ese. (die T~efe) sich uTI.s darstellte, so w'ürden ';i~ ~uch d.le mnen sIlbernen Gotdsachen erkennen. Auch üe~ .Lel~" also (erfas~e1! wir) nicht. Um aber auch den 31 ~\' 8I~el ube1' den LeIb bei Seite zu lassen: wiederum wird

er ,:Men~~h nnerfassbar befunden, weil die Seele nner­fa-3~oar Ist. Dass ~bel' diese unerfassbar ist, ist offenbar ~~s ~olgendem. Von denen, . welche übel' die Seele ffre­hTandelt h~be~, - um den VIelfachen und unbeendeten K~mpf bel SeIte zu lassen - sagten die Einen die;;;! 1 Bel nicht . ... A h ' , ,-,ee e M ", Wie Ule n länger des Dikaearchos ''-ns _.es~ene; Andere J s.ie sei; ,Andere hielten sich ;u­

~lle~. 1Y enn nun _ d~esen WHBrSpl'uch die Lehrphilo- 32 ~?pnen fur y"nentsc~el(lpar erklären werden, so werden :18 ohne We:,teres dIe ,Unerfassbarkeit der Seele zng-ebmr ,~en\ aber fur ep.tsch61dbar, so sollen sie sagen wodurch SIe In. en~~cheIder: werde~. Denn durch Si~neswahr­~hhmung ~onnen SIe es. mcht, weil sie (die Seele) von - nen denkbar genannt WITd; wenn sie aher sagen werden, dl;rch das Denken, (erfas.sten sie die Seele) , so werden ~:1' ~agen) d:;ss, sIe, we~ a~ ~e~ Seele. das Denken tias NlChtOffenbars~e Ist, - WIe dieJemgen zeIgen, welche über

Sextus Empiricus. 7

Page 46: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

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98 Zweites Bucb. Cap. 5.

das VOl'handensein der Seele zwar iihereinstimmen, üb er­das Denken aber uneins sind - wenn sie durch das Denken die Seele erfassen· und den Widerspruch über sie entscheiden wollen: (dass sie also) das minder Gesuchte (Frai;Hche) durch das mehr Gesuchte werden entscheiden lmd ~feststellen wollen: was doch thöricht ist. Auch durch das Denken mithin wird der Widerspruch üher die Seele nicht entschieden werden. Dmch Nichts also. Wenn dies aher (der FaU ist), 80 ist sie auch 11llerfasshar. Da­her möchte auch der Mensch nicht erfasst werden.

Um aber auch zuzugeben i dass der Mensch erfasst werde: so möchte es doch wohl nicht angehen, zu zei~en, dass VOll ihm die Dinge beul'theilt werden müssen. Denn wer sagt, dass von einem Menschen die Dinge l}e­l1rtheilt werden müssen, wird dies entweder ohne Beweis sagen, oder mit Beweis. Weder aber mit Be\veis; de1?-ll es ist nöthig, dass der Beweis wahr sei und beurtheilt, deswegen aber auch von h'gend Etwas beurtheilt, Da 1'lir nun nicht übereinstimmencl zu sagen vermögen, wo­von der Beweis selbst wird belutheilt werden können -wir suchen ja das {htheHsmittel vVovon -, so werden wir über den Beweis nicht entscheiden, deswegen aber auch das Urtheilsmittel, von dem die Rede ist, nicht be­weisen können. Wenn es aber heweislos gesagt werden wird, dass von dem Menschen die Dinge beurtheilt wer­den müssen, so wird es unglaubwürdig sein, so dass wir nicht werden festzuversichern vermögen, dass das Ur­theilsmitteI Wovon der Mensch sei. Von wem aber \vird es auch bellrtheilt werden, dass das Urtheilsmittel Wovon der }Iensch sei? Denn sie werden doch, wenn sie dies beurtheihmgslos sagen, keinen Glauben finden. Aber, wenn es von einem Menschen (beurtheiltwerden wird), so wird das in Frage S!:ehende mitangenommen werden~ Wenn abel' von einem andern lebenden Wesen, auf welche Vif eise wircl jenes zur Beurtheilung dessen, dass ein J.-Iensch das U rtheiIsmittel sei, herangezogen? Denn wenn (dies) beurtheilungslos (geschieht), so wircl es keinen Glauben finden, wmm aber mit Benrtheilung i so muss wiederum jenes von Etwas beurtheilt werden. Aller wenn mm yon ihm selbst, so bleibt dieselbe Ungereimt­heit - denn das Gesuchte wird dmeb das Gesuchte be­wrtheilt werden -; wenn aber von einem Meu8chen, so

Zweit.es BUch. Cap. 5. 99

~itt di~ 'Yeise des Durcheinander eil" xc '

e".was ~'111aerelll ausser dieSEln Di O' :', ~, ... enn auer von WIederum zn Jenern das Ur ,v p~', L~t~h, T;:;U werden wir und (so) bis i.TIS Unheo'''enz' tte·1Ll1.~ml~t,eLdv!'· ovon verlangen, .,. ,J 01. . . t1.11t"p e~v,'e ' nen WIr nicht zn sao-en - , '.. 4 -'Ll_ t !j . gen alSO wer-

-. 1 'I' L,.., Velmogen da"<;: v ' " ;:;C11en Gle Dhwe beuit i p]t ':-'d ' .... . !j." on emem lV1en-En -n' b<:> . llvl Vi GI 6n fiUSRen

ri : 1S S"l a er, und es mao' vprl ~i-'o:t ~ ! 1. uem Menschen d!e D' U' b <:>. u DUl b · ,'jelll, üa~s VOll 37 1 d ' } 1TIo e. eurthellt wel'dan .. " N' a so} a aer [uter" l' ~ , . -v mllz:;Sen. .i un 't . 11 '-1Scmea unter den Me h • 't, 18) so en die I ... ehrpl1ilosophen vorn l' ";. _~. ~~Clle!l ":leLacb. dass man an den und de' 1\r _ eh~ Ütlll,n lLUeremstlmmen dann erst sollen s;'" ,i.I? '.teuhl:ic, en slCh h~dten 1

Wenn sie aher ~u a L1C 1 uns emsen, ihm uns , SoIan0' W"~-'pr h fr

e cd'ö~ noc lesst und hochauf grünen die

- so sagt man ja im Surüchwn~t i'b ' . sprechen werden ""'-a" L d"" ,'- I -:- cl er Ihn swh wider-

d ' He;:; lLan.oen SIe "n>: h" man em beizustimmen'.) D ~ ~ 0 , • li ",. vorac neli J 13-dem ,,~ le, " ,tllIl, \\ enn SIe auch saa-en 38

• n e_öen musse man Glaubpll Q(>h ~k . 0 ~ . SIe Iragen was fr'l'!' n; . ~~, ~11 en, so wel'eten 1\1:r TI ik ' - eInem n' elsen" de ~ O· -li/p 7uros odel ' l-1en-' O' ::). _ m im omüe lies K ' - < II ln~ Q'nne HPr ~<- 'k .:J yniker? denn' , . .:J ~4 • i ~, ,AÜl er~ ouer {lern

SIe We.1 1 tell mcht ve"mc'cve "1 '.c es ZF Rao'en 1;\re -b J - J. b TI uoel'emSamm<>nd ~ "'0 • t , nn a PI' em I " - '-

der Prap'e l'l~ Bet ff v 1 ~ an~ 1m.."; hmssen wirci, Von ..,,, <:> I re1 ({es 'Vms'" Ab t d J .")'-'

schlechtweg Dem welcher' n; ~. , .. ~n a ',s.an l1ebmend, ßeienden, Glal1bp~- Zl' ~chev~knslChlIgvr 1st als alle (jHzt\

J ' , . ~>l • 1:) n "'TI <;:{) -r~ I' / auc 1 darüber wer er'I-";nh""I'g ~ ) 1. >C> J'l WdtI'( en SIe erstens 'd ' !l:üv l er 1St, a s 1e A' '1 • )VIf el'sprechen' dann a J. ' " - n!Leren, swt

- j. 1, He 1 nenn zllgeo'ehe -es könne mit U " ," . D I.J 11 werden . , eueI emstimmun C1' anCl'Allom -\~eT emslChtiger sei als die g' .b_ ., _~~. ~~n :verden, dIe Ge,vßsenen wirri d' ~8I~naeil sowom WIe auch

<' l' 'u leser auc,l so nie},.!. ~ ril h wurc 19 sein. Deun d~ I'n d . E' . i. _ llL aes • . .:UULens "ir 1. , ~ Q, e1 .ln>::'Cllt 1(le~' "e !'-.LhenSCllen ') ei11e gro>::"e l'nr1-b . ~ h- u, b \ ~ .1 " rSC1lleaenen 40

l .... T I" ul:i ,- elnfi A llll egl'el1ztA ' l1n(t J.:O; aClllassung st"fAfi' (1 {- ~ - • - ~ .ö..nspann'1ll2,' t ' I' «.b ll.~e". ,';0 SfiO'en \\7JI' ("I" • • _ v

~ger ,a s dleser Menscb welch~ 9. :;. ~ .:la:ss emSIeh-als dIe Ge\vesenen ,yi'; '~u.1 ~f _ w.;l • elllSlcnt] ger nennen; r;n 'Z"l_, .t't·\ d v <L C ... Ie Geienden e;n anilnrer' \' LJtllihlll') wer _eIl kann GI'; h .' A _' j .- <tu d 1 h' . ,eiC WIe man 1"1'- ~pn em, we c er Jetzt ftir kl'iO'''17 '1>-: " •• t.u.l:i ,LL< •

auch die Ge\VeSene11 ,,-'",; V~ E~~t ,a:::; L ehe Se18uden wie schen1rpn. , ,~en.er '·mslchL weg'en

n.~1L. so muss man auh d 'h ~ sichtiO'Dl' "nl'11 TI71'rd 1· I' c \. em, _ weWller nach ihm eh1-

<:>v~ ~V ,y -alS r le~f\'" h 1 ~ • schenken. T-;-.:j hd', ~ . lS~L, meHr ::LS aiesem

ullQ nac.ü eill Jener geworden sein muss

1*

Page 47: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

100 Zweites Buch, Cap, 5.

i! er~Ländl.o·eI' +h ein andp.rel' werue v ·t;l '0 man wiederum yermu~ e~l, ,. v nderer als iener. und I d / i"'derum \ eIll a oJ J •

werden a s er, un \w ~ r d' es 1st unbekannt. ob dIese 41 (so) bis ins Unbegrenzte.. 't~ > oder TIT'ldel'sp' rechendes '. / . , d ~., rems Immen H _ _

BIllst mit eman er ü.D~ d d halb auch wenn zugestanden sagen '.verden. Es WIr -Js. '~htiO'el' als die Gewesenen werden sollte, es sei Jemaan ~msl 'ch'bt i'e!oltversichemd zn

". d aWIrnl.1" 'a wie auch I:'ielen ean, N' and sc1'arfsinnio'er sein WIr .. "'en ass leID ,1 1:' th' sagen vermoo , '. t bel-almt ~ immer nö 19 als Dieser _- ~en!;l es 18 tn n~chher einsichtiger sein !olein das l'rtheu (lessen. (e

11' b' .gmmen dem Ueber-

>J , • d 'ema S BlZUSbl wird, abZ1Hvarten nn m I >; h Zugeständniss einzl1-1 Um aber aUC,l uutC , L

42 egelleren. -. '1' ',.hti er als der vorausgesetz\;e räumen dass Ntemanc. €lnSIv g h 'n wi~d' auch

' d' t ch war noe Sei .L. Einsichtigste WB er 18· no h k"ll Da nämlich . ht °h Ghmben zu sc en v •

so ziemt, es ll:C .' l .... m "'" b . der Begründung der Dinge gerade dIe Emslchügen e~ e11 hen Dl'no-pn beistehen. . d . den "'e nvac b v /

lieben, In, em Sie. 15 a lud wah .. zu sein scheinen, zu bewirken, ~ass dIese ~~su~~ S~harfsin~ige etwas sagen so werde~ WI:, wann. les 7 hl "0 redet wie das Ding sollte, nich! Wlss~n" .. ob erd \~o ob :Ser, während es falsch ~ich von Nat~r. ~er~al~~U~ :nd 'uus . zu überreden sucI:t, lst j es 3JS \\ahI l~ns.~ einem wahren, inwiefern er Ja davon zn denken 0 ",~e vonh He ist und desweV'en von einsichtig'er als ~le :Mensc en_ a_ tiuch diesemb mithin uns nicht überfuhrt. werdfe~ kann'ln ~ beurtheilte er die

d . s mcht ugen a ;:; - h wer en WIr m1. . . . ~ (?l er rede Wares, Di~ge wa~u, WeIJ~JlI th~ft ~:;nAb~i~ilt, in Folge des thells me:nen, aat;S Sel'h f:' n die falschen Dinge als UebenrewlChtes an ,c ar sm . "'edet Desweo-en ~ 11 d " saP"t was er.L. 0 wahr hinzuste en, 1 a~ 0 1 her am scharfsinnigsten von also darf ma~ auchh (.~m, 7

e ~iler Bemtheilnng der Dinge Allen zu sem sc emt, .1,.11 ,_

nicht .Glauben schenkend" b h 11pten wird an die Ueber-4" "'x~enn aber J eman e a. . '. h h lt iJ n . hl" se mau Sle a en, so eins~immu~g der Me~r:: di:U!ichti~ ist. Denn erstens

:veraen :vu s::~.en,. a~s 1 ; und deswegen ist es ill?g-1st das Wahre \' leIlelC ht se~ t!: ',]\" h h1 'si Ferner smd

• , "" -n' kl" ger als ale lU.e rrza 1 ". . .' hcn, da~;:; ~dmer r:h 'lnmi tt"'l mehr Menschen 1m WIder­auch mit Je ~m .,-,rt. e~ i:l ~ v "t'mmen' denn Diejenigen,

> "'h "18 darm zn15ammen~ 1 '.,. '1 'tt I _ sprnv (l . • - r ' . anderes urtheLsIDl, ,e zu-welche irg'en.d e:l; hbe~ !ebm~Eini!Yen Cebereinstimml1ng zu la.ssen als das, ,,"\ eiC e;:; el 0

Zweites Buch. Cap. 5. 101

finden scheint, widerstreiten ihm (dem letzteren) und sind viel mehr als die darüber TI ebereinstimmenden. Abgesehen 44 aber hiervon. die Uebereinstimmenden befinden sich ent­weder in verschiedenen Verhaltungs,veisen oder in Einer. In verschiedenen nun keineswegs, wenigstens in Bezug auf dasy was sie sagen; denn wie würden sie sonst da­rüber [über dasselbe?J' dasselbe sagen? \Venn aber in Einer, so findet sich', da ebenso ~ der Eine, der etwas Andel'es sagt, Ein Verhalten hat, wie alle diese Ueber­einstimmenden (nur) Eines (haben), wenigstens was die Ver­haltungsweisen, in denen wiI' uns befinden, anlangt, auch in Rücksicht auf die Menge (der Menschen) kein Unter­schied. Deshalb darf man sich an die nrIeisten nicht mehr 45 halten als an den Einen; abgesehen davon, dass; wie wir in der vierten 1Yeise der Skepsis erörtert haben, au.ch in Bezug auf die Menge der Unterschied der Ul'theile Ull­

erfass bar is~ da die einzelnen Menschen unbegrenzt (unzählig) sind und wir nicht vermögen den Urtheilen ihrer Aller nachzugehen lind auszusprechen, was die .Mehrzahl der gesammten Menschen ausspreche und was die Minderzahl. Auch in dieser Beziehung also ist die Bevorzugung der Urtheilenden nach der Menge thöricht.

1'Venn wir abel' auch an die llfeng'e uns nicht halten 46 werden, so werden wir durchaus Niemanden finden, von dem die Dinge werden bemtheilt werden, obschon wir so Vieles durch Zugeständniss einräumen. Deshalb wird aus diesem Allem das U1"theilsmittel, WOvon die Dinge werden bemtheiIt werden, als unerfassbar befunden.

Indem aber mit diesem auch die andern Urtheils- 47 mittel aufgehoben werden, da jedes von ihnen enhyeder ein Theil oder ein Zustand oder eine Bethätignng des ,Menschen ist, so "\väre es vielleicht angemessen, (schonjetzt) an irgend. eins der demnächst (zu besprechenden Dinge) mit der Rede heranzug'ehen, insofern auch über jene (eben­genannten) hinlänglich im Bisherigen geredet ist; damit wir aher auch den besonderen Widerspruch gegen jedes Einzelne nicbt zu meiden. scheinen, so wollen wir, um etwas zu viel zu thun J 1Veniges auch Mel'über sagen . Zuerst aber wollen wir über das sogenannte l'rtheHsmittel Wodurch handeln.

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102 Zweites Buch. Cap. 6,

Cap. 6.

Von dem Wodurch.

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49

Vielfach zwar nUll und unbegrenzt fast ist der Wider­spruch hierüber bei elen Lehrphilosophen eingetreten; wir aber, "viede:mm auf die gute Ordnung bedacht, meinen, dass, _ da nach ihnen der Ivlensch das ist, 'v 0 von die Dinge bellrtheilt werden, dieser aber wohl Nichts besitzt, wodurch er sie wird beurtheilen können, worin sie auch seIhst übereinstimmen, als Siulle::llvaurnehmung und Denken _ (\yir meinen also, dass) wenn 'wir gezeigt haben ""verden, dass er weder durch Sinneswahrnehmung allein urtheilen kann noch durch das Denken allein lloet durch sie heide, wir in Kürze gegen alle die einzelnen Ansichten gesprochen habel1; denn alle seheinen auf diese drei Standpunkte sich zurückführen zu lassen. Beginnen wollen wir aber

mit den Sinnen. Also~ da Einige meinen, die Sinne haben leere Em-pfindungfm _ (leIm nichts' von dem liege zn Grunde (bestehe wirklich), was sie aufzufassen scheinen -; An­dere aber sagen i Alles liege zn Grunde, wovon sie be­wegt zu werden meineu; Andere aber, l\fanehes liege zu Grunde, Manches aber liege nicht zu Grunde: so werden wir nieht wissen j weID wir beipflichten sollen; denn '\reder werden 'wir durch die Sinnes';rahrnehmung den ,Vidersmuch entscheiden, .veil ,vir in Betreff ihrer ullters{i.cnen, ob sie leere Empfindungen hat oder ",,'\'ahrhaftig auffasst, noeh durch irgend etwas Anderes, da es irgend ein anderes Urtheilsmittel nicht einmal gieht, wodurch man uTtheilen musS, naeh der vorliegenden Voraussetzung. Lllentseheidbar also und lm::mffassbar wird es sein, ob die Sinneswahrnehmung leere Empfin­dtmgen hat, oder ob sie etwas auffasst; 'womit zugleich eintritt (\voraus sich zugleich ergiebtYJ dass }Yir an die

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51

Sinnei5\vahrnehmung allein in der Beurtheihlllg der Dinge U11S nicht halten dürfen, von der wir (doch) nicht zu sagen vermögen, oh sie allch i.tberhaupt etwas erfasst. Abel' zugestanden) die Sinne seien erfassend; auen so werflen sie ja um nichts weniger unglaubwürdig befunden werden zur Beurtheilung der ausserhalb unterliegenden Dinge.

Zweites Buch. Cap, 6,

D'" Q' «" < 103 lv Ulnne namlIch ,,'prd . (> +

von den (Dingen \ all~:er:~' a~! en:gege?gesetzte -VYeise schmack von de~selb::n' H 0. Dehweg;", \V1e z. B. der Ge-

"h ' I G onIg' alü h1.+er b Id l'll rt 'wird. und dAr Ci • 1" • v r ,)~;" _ a ~ süss l)e-l7ln 'b b I ~ ~eSlCmssmn !memtl' cl ' ... <LI e, alc1 sie sei blutJ'oth 1 Id l • -J :\'Oll. erselnen auch der Gerunh st' t . ~a SIe seI WelSS. Aber 52 von der ~,.f"YI'rhLe ,Im,rn mIt slCb selbst nicht iibe1'f'ill'- .

.lU. wenlO's+e-r ; ..+ ~ ., - v • ~~idende, sie sei unange~ehti sa~~. Cl~~ a~ Kopfschmerz (SIe sei, angpnehm D' m, YI e.l., SIe nIcht so verhält 1.Vabnsln .. v .' 1 1e Gortergl'lffenen abp.r 'lPrl 1:; .. ~lgen glauiJen welehe zu 1 ..... '" : ,:..J.,Ü '-'l,t;

Ihnen umerreden. welche ",v'. "1 In~.l.e.u; ~~e SlCn nut ""'as . h .' .,i! 111C It loren, und ,1· ~~n, . ,ser cC eIllt denen ,yplche 1;"' -t .. _.itS;:'t;llJ8 angenehm zu spin w: en~ an .!.:Jll.znndung leiden. im-Anderen aber 1;1'11 ovbg! UTebermaasses an \Värme.' <i,en 1 -' mm eman 1 r er E I ~ilder für wahr erklären s~ll dLrxr3. ~~ ll~ 'rseheimmgs- 53 (lie anderen fl'l'1' f'''ls~] '~ '",Oe. ru6 eIllen für wahr _ cL "1 Oü n .. a- 1 11 f -, schwierig zu sa p.u ~d' " .c~ . neu a e ür ist mittel be~'t'" g: ~ a "> l~ kem zugestandenes

10 ,;;1 nen, \10CLUrch W'" bp 'ih' 'I vorziehen woll b . H vUL 1el en werden 1Y>lS '.-i-·

h : ~ "- en, a er auch nichT, mit f'C B j. '--' . -

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,., - lllh~ e111 thellt w~r " '}' , Je ,Zl gesucht ,vird daR r~t.heilsn ';J.' ~ "r:' eh weh GiS welches auch übel' de;J. _ ' , _lh!.B

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re.cht ist. Daher wird ~t1~~~n~n. ~:::'~I3 zu .entseheit:len ,::111 , dass man in dieNe - ~. el ,l1oncht sem, welcher 54 ': erhaltenden Glauben s~h~"k!!g~~l den_ n~turgemäss ~ich -SICh Beiindenden (l

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ll-. ': hl:)t~ 'd den aoer natunric1ri O'

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Vi emg U 3.11ben llnden ;:!ob 11 . ~'d . ~. ';\ lTü eDenso-er einen Bewei::: h ,,' j " . ~. \ eI, { leB be\VelSlos (\yäre\ !n F 1 - "'leij!tzen 1\lIÜ, (der) 'wahr und i)p'''1'I-hc,;U,

T )7 loge ces Obengesani;en V\T • 1 ."emand zugestände clie lt"'1':' ii~' 1. , '~ml Jeüoch auch 55 gemäss sich Verh lt ~ .Ll~~C vlDllllgsbllder der uatur-der llaturv,idrig' 8i~he~~~n, w~rel1 glaubwürdig i die aber auch so die Beulthe"l nadencen unglaubwürdig, so wird 1 h - . 1 unp' e>< au"serhalb TI + r flue . die Sinne allein °als ~ . ""O'}''" 11 1 f"n ... er legenclen Der Gesiehtssiull Z B l.n;noo~IC, .Je !.mden ,verden. haltende SllP.t balet d 'J Ta:hueh üe~ nawrgemäss sich ve

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eckig' 11'n'~ ö(~eI'. C,' ,er . 'kurm. seI l,'und, bald. er s, .ei vip~._ , u... Tescnmac T t ., j . • -~-bei den G .. e"'a .... tI·n+en _'. s~g von llenselben Speis

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Hungernden abei=' si~ , . ;; 1 n unangenenm, bei den fas~tJ ähnlich . de~selbe~€lTeno alldg:n~~~; ,_un~ das Gehör 0llf d ~ rr, j n et> nacllttS ais sehr st n

1 <;t~ 1 e;:; .tao-s abAr 1 h h . , ,hIK p'l 'bf. b • c a s sc nvac ~ und ri e · G' , h o alL. yon denselben Dil1;:re- b' dD' l'Lf'" '-1 I . ,eUle 56

ö n ,ei vll lT_el;;ten 1 SIe seien

Page 49: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

104 Zweites Buch, Cap. 6.

übelriechend, bei den Gerbern aber keineswegs; und der-­selbe Gefühlssinn wird. wenn wir in das Badehaus ein­treten, von der lIitteU{alle erwärmt, wenn wir aber hin­ausgehen, (von ihr) abgekühlt. Deshalb, da, auch wenn sie naturgemäßE sich verhalten, die Sinne mit sich selbst streiten 1 und eler Widerspruch unentscheidhar ist, so folgen nothwendig i da wir nichts zugestanden besitzen,. wodurch er beurtheilt werden kann, dieselben Schwierig­keiten. .Aber auch ~~nderesmehr lässt sich zu der Be­gründung dessen herüberbringen aus dem, was wir vorher über die Weisen der Zurückhaltung gesagt haben. Deshalb möchte es vielleicht nicht wahr sein, dass die Sinneswahrnehmung allein zu beurtheilen vermag das ausserhalb Unterliegende.

57 Also wollen wir zum Denken (48) mit der Rede über-gehen. Diejenigen nun, welche an das Denken allein sich halten wollen bei der Beurtheilung der Ding'e, werden erstens das nicht zu zeigen vermögen, es sei erfasshar; dass es ein Denken gebe. Denn da der Gorgias, indem er behauptet, es gebe Nichts, auch sagt, das Denken sei nicht, Einige aber aussprechen, dies sei vorhanden: wie also werden sie den ~liderspruch entscheiden? Vi edel" nämlich durch das Denken} weil sie das in Frage Stehende gleichmitannehmen werden, noch durch etwas Andel'es; denn nichts Anderes gebe e8, sagen sie, nach der jetzt vorliegenden Voraussetzung, wodurch die Dinge belwtheilt werden. Unentscheidbar also und unerfasslich wird es sein, ob es ein Denken giebt. oder nicht. giebt i womit zu­gleich eintritt, dass man nicht an das Denken allein sich halten dürfe bei der Beurtheilung der Dinge, da es noch

58 nicht erfasst ist. Aber, es mag das Denken erfasst sein: auch mag zugestanden sein, dass dies vorhanden sei, durch Voraussetzung: so sage ich, dass es die Dinge nicht zu beurtheilen vermag, Denn, wenn es nicht einmal sich selbst genau sieht (erkennt), sondern in Widerspruch ist über sein eigenes Wesen sowohl als auch über die Weise der (seiner) Entstehung und 'den Ort, an dem es ist;> wie vermöchte es wohl von den anderen Dingen irgend

52 eines genau zu erfassen? Zugegeben aber auch i das Denken sei nrtheilsfähig über die Dinge J so werden wir nicht finden, wie wir ihm gemäss urtheilen sollen. Denn, da die Verschiedenheit. im Denken gross ist, weil ja anders

Zweites Buch. Cap,6. 105 ist das Denken des Go'" '" d "" sei; anders das des H~r~t\a~t emgemas~ er sagt, Nichts sei; anders aber das derer ex '0,8'1 ~emgemaS8 er .. sagt, Alles Manches aber ~e' . ht. ,w e c e s~gen, }-lanches sei. wir über (He V~rlsehlced~n~o 'tw~rd~ '\~lr ll.icht wissen, wü~ soHen noch werne . e1, _e1'_. enkweIsen entscheiden " " n WIr sagen kannen d" 1 L • aem Denken des einen 'M a \ l' , '; _ ass es recm; seI,

aber durchaus n!cht l"-- nnes) zu 1019'en, dem des andern Denken zu nrt.he~lp.· Denn, falls WIr durch irgend ein 60 des ~VIdersp-mch"s '-'lIh :Vt~gten, aSo ~verd~n wir, einer Seite . .. . elS ,Immen das In FI'" qt ' -

glelCl1mltannehmen' falls ab .,,' d' - ",,ge ,- e~end.e so werden wir da'rI'n eI 'ne ;T e ... 1 llhr~h etwas Anaeres, i! Linwan~' 'eIt H - d ' .... nIeh das Denken allein d' n' L '. ",agen, ass ffi8,ll 17ebrigens wLl"d~n '. h_

Ie LJlnge oeurt.heilen muss. d . u.l. WII auc all~ dem - . ._, as sogenannte Urtheils 'tt 1 ~W t ",as WIr uner Bi

(39-42), zeigen kön~en' ill}, e ., ovon g~sagt haben weise} welche seharf;inn'i e~ne:~eIts, d~~s \VIr die Dellk­finden können' a-d 1?er 1\ are als ehe anderen, nicht weise, scharfsi~jg~e:re~feIt~! dass,. wenn Tvi~ eine 'Denk­seienden Dp.nkwel·se IfS Ie ge:vesenen WIe auch die

'-', n ge unden hOben s 11' ,-unbekannt ist ob (niphf . d ~ '. OHtell~, - "'/ell es sinniger als di ' < ~ ;). ~Ie erUID eme anaers seharf-. 1 ese SeIn Wl1*(t - man Ri,-.:n an' • , , ta ten dürfe' fern"r 0lleh -d n. '_"';.V SIe lllcm Denken vor~ussp.t~pn""w 11'00 allS "Wenn wU' das geitbteste 62

• - . ~ ~v ~ 0 TI waR es urr geh '. , ' WIr dem, welcher vermittelst' d'- ~; ... en mocnte, fitg'en werden au V . ~ essen llr l,n eIlt 7 uns nicht ~ '-, s. orSlCnt er könne ·"h d eine falsche Rede vorbriIl~t. '" '1 p ~ wa~ r~n, er irgend Denken sich versteht un" Üb'.,l" e;~ ~I.aUI .15enr seharfes auch durch das Denken ~1D.' ~_~e~~n, SIe S~l wahr. Also beUl'theilen. Lvlll an man dIe Dinge nieht

Es erübrigt. zu sagen d ., 1 h' Denk, en 48)' U: d d _1,.. ass, auren neIdes (Sinne und 63

, • n as 1st w'ederum .. li h -die Sinne führen das D 'k . ; - unmog c ; denn sondern sie stellen' sic~nih~~ ~~~ :r:_ur

d nic~_zur Erfassung1

d?ch b~hauptete daraus: a:ss J: ~'~eg. Siche~lich bItter, {len Andern aber süss ~ , O~lg den Emen er" sei ~veder süss noch bitter e~~:eHt; 1 tie~. Demokritos~ seIl Beldes. Und b . d ' _.eraK eltos aber. (er wahrnehmbaren Ding~n /!nlt\ad~derl~ SRmnctell und sinnllch-d CI' \b~ .flIeSe oe e e So w' ,

enömnenaus2'ehend dasDenk . . "IrU, von sowohl als auch Widerspre h endgezVlUngen Verschiedenes b • -I- • e en es :tllszusurechen D'

a er 18" emem erfassenden U ... t.h ils''/'' 1 f!- - 11. . leB ... e.· ruhte _remd. Sodann 64

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106 Zweiteb Buch, Cap. 6.

muss man auch dies sagen. Enbveder wird man nach allen Sinnen und den '-'Denkweisen Aller die Dinge beu~theilen, oder nach einigen. A.ber wenn jemand sagen ,vira} nach allen, so vdrei er Unmögliches wollen, da ein so g'rosser \Yiderspruch in den Sinnen und in den Denk­weisen sich kunclthl1t; besondel's aber wird j weil es eine Aeusserung der Denkweise des Gorgias ist, man dürfe wedel' an Sinneswahrnehmung noch an Denken sich halten, die Rede umgestossen werden. 1Venn aber (Jemand sagen wird, man müsse llTthe:ilen) nach einigen (Sinnen und Denkweisen), [nach einigen aber nicht]: wie werden sie beuttheilen, dass man an die und die Sinne und [dies und dies] Denken sich halten müsse, an die und aje aber nicht, olme ein zugestandenes urtheilsmittel zu besitzen, wodlln:.h sie über die verschiedenen Sinne \vie auch Denkweisen entscheiden ,verden ? ,Veun sie aber sagen sollten, dass \vir die Sinne und die Denkweisen durch das Denken und durch die Sinne beurtheilen \verden. so nehmen sie das in Frage Stehende zllg1eich mit an; denn ob Jemand durch diese lutheilen kann, das llntersuchen wir. 80-dann muss man auch dies sagen : entweder bemtheilt ihr durch die Sinne die Sinne und die Denkweisen i oder durch die Denkweisen die Sinne und die Denkweisen, oder c1uren die Sinne die Sinne und durch die Denkweisen die Denkweisen, oder durch eHe Sinne die Denkweiseui durch das Denken aber die Sinne. \Yenn sie mm durch die Sinne oder durch das Denken Beides weHten be­nrtheilen wollen J 80 "\venlen sie nic.ht mehl' mitte1st Sinneswahrnehmung und Denken beurtheilen, sondern durch Eines von diesen. ie nachdem sie ,,,ählen sollten; und es werden ihnen (He vorher (49 - 62) erwähnten Schwierig'­keiten nachfolgen. ,Yenn 'sie abei· durch die Sinue über die Sülle unQ üurch das Denken über die Denkweisen entscheiden werden, so werden sie, - Üa ja sowohl Sinne mit Sinnen streiten als auch Denkweisen mit Denkweisen -\velehe nur immer yon den streitenden Sinnen sie nehmen ~ollten zur Beurtheilung' der anc1ern Sinne, clas in Fr~ge Dtehende zug'leich mitannehmen ; denn einen Theil des \Viderspruchs werden sie als schon glaubwürdig nehmen zur Entscheidung über das mit ihm auf gleiche 'Weise in Frage Stehende. Dieselbe Rede aber (gilt) auch bei den Denk'weisen. \Venn sie aber dmen die Sinne über die

Zweites Buch. Cap. 6. 7. 107

Cap.7.

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108 Zweites Buch. Cap. 7.

aber nicht erfasst wird, wie wir gezeigt haben (31\: 72 so werden wir auch sein'en Zustand '-'nicht erfassen, 80-

dann, wenn wir auch zugeben möchten, dass das Erschei­mmgsbild erfasst wird, so können (doch) (auch] nach ihm die Dinge nicht beurtheilt werden; denn nicht durch sich selbst stösst das Denken auf die Dinge ausserbalb und hat, wie sie sagen, Erscheinungsbilder, sondern durch die Sinne, die Sinne aber erfassen nicht das ausserhalb Unter­liegende} sondern, wenn überhaupt, nur ihre eigenen Zu­stände. Auch das Erscheinungsbild also wird den Zustand des Sinnes betreuen. welcher (Zustand) sich doch unter­scheic1et von dem al~sserhalb 1Jnterliegenden; denn es ist der Honig nicht dasselbe, wie, dass ich Süsses empfinde (meine Empfindung des Süssen) J und der Vvermuth, wie, dass ich Bitteres empfinde. sondern er unterscheidet sich

73 (davon). Wenn aber ~dieser"Zustand sich unterscheidet von dem ausserhalb Unterliegenden, so wird das Erscheinungs­-bild mit nichten das des aussmohalb Unterliegenden sein, sondern irgend eines anderen Dinges 1 das von ihm ver­schleiten ist. 'Venn also das Denken nach diesem (dem Erscheinungsbild) l1rtheilt, so urtheilt es schlecht und ~icht nach dem Unterliegenden. Deshalb ist es thöricht zu sagen, dass nach dem Erscheinungsbilcle die (Dinge) ausser-

74 halb bemtheilt werden. - Aber auch das lässt sich nicht sagen, dass die Seele mitte1st der Wahrnehmungs­zustände das ausserhalb Unterliegende (deshalb) erfasse, weil die Zustände der Sinne ähnlich wären dem ausserhalb Unterliegenden. Denn \voher wird das Denken wissen, ob die Zustände der Sinne ähnlich sind dem Sinlllich­wabrnehmbaren~ da es weder selbst auf die (Dinge) ausser­halb stÖBSt, noch die Sinne ihm deren Natur offenbaren, s_ondern ihre eigenen Zustände, wie ich aus den vVeisen

75 der Zurückhaltung geschlossen habe? Denn gleichwie, wer den Sokl'ates nicht kennt, ein Bilcl abm' 'Von diesem angeschaut hat, nicht weiss, ob das Bild dem Sokrates ähnlich ist: so WiTd auch das Denken, indem es die Zu­stände der Sinne er'blickt, die Dinge ausserhalb aber nicht betrachtet, nicht 'Nissen, ob die Zustände der Sinne dem ausserhalb Unterliegenden ähnlich sind. Auch nicht zu Folge einer Aehnlichkeit also wird es diese nach

76 dem Erscheinungsbilde bellItheilen können. - Aber geben wir durch Zugeständniss zu, dass das Erscheinungs-

Zweites Buch. Cap, 7. 109

bild, ausserdem dass es ged ht d ferner auch dao,,~ " Eilc wer e, auch erfasst werde' , ,.,;:; {aas Ische' u- b'l~) 1

nehmen könne, nach 'ihm d' n! l~ ngs, I Ci • es auf sich obschon die Rede a11' das er JJinoe}en:r~hellen zu lasseut

nach werden wi . egentheH erWIesen hat. Dem-schenken~ lode: ~~!~~~r J~e:f ~r~cheinunpsbilde Glauben dem des Demokri' 1" n Ne~lll nun Jedem, so auch Erscheinun ,,' 'ld ws~.' welchem gemäss er sagt. aUe die rl h' • g::>IH er SeIen unglaubwürdig' 11Ud die Red .• ~ ua m umgestossen werd '] 'ph ". e wml bilder fO'laubwürdigJ se,en, \.Lass ~lv t alle dIe Erscheinungs-Dinge 'beurtheilt _~n, s~ .. aass auch ~nach ihnen die A~nio- fE h' weL en onnten, Wenn wir abq 77 'VL, ü en I 'TSC emungsbildern Glauben sehe k . v~ WIe werden wir entscheiden da N • n ,eu ~ erden)'; den Erscheinungsbildern Glal;h n"s,:i e:t>hec~t 1st, den und den~n aber nicht zu glauben ')e ~ll ~v ~nken] dene~ und schemungsbild so werden s" enn wenn ohne em Er-

b, - , - le zuO'ebpll dass da T;;- 1 •

nungs Ilct überflüssig ist zum Urth 0'1 ~ , 7 • S .urSCJlel­werden, es könnten ohne es d' eI,e!, -wenn Sie ~och sagen wenn aber mit einem Er"~he' Ie Dlllb9,e beurthmlt werden: . d . /je lllungs pd auf wel h V'" I

w,er en SIe das ErscheinuuO"sbild b 'TL , ' • c e, V el~e hmzunehmen "'ur B h""lo eKommen, welcnes SIe bilder? Odp LA • eurtdd ung. der anderen Erscheinung;;:. ~. . vr, SIe wer en wlederu . ~ d " schemungsbildes bedürfen ~ R .:n ~mel5 an eren Er- 78 Erscheinungsbilder? diese~')~ur .udeud~eBllung,[ d.~r anderen / T' d ' . . l' un ZUL AurtnellllnO" ," le ~r) emes 2"nderen und \'130\ i 1 Unb : 'il - CI }e1;e,s aber 1st es über U b" ,) n s 11, egre.nzte. Dnmoghcrr al~01 Z~l finde~, was fü;~:~~:~:: :~ldcherden; i~n~~gI~~h mittel manchen mus i"! was fü~ fh ~r man a. ... t) Urtnelis­Weil also, auch we;~ wi; z J. we c e a er durchaus nicht. den Erscheinunp"sb;ldern d·:~oben ~'ollten,. dass man nach jeder der beide~ Seited a~>-l J?g~ ~urt.herlen müsse, von sowohl von da aus 'edem -~ 1e . e e un:gestossen wird} als auch von d ,J« l rschemungsgllde) zu glauben. glauben

J manche: :bl:~ n~~~~~7n I ~l~ D,rtheils:n~tteln. ~u

d~ss man nicht darf die Ersch .g au!). e~. so ergle~t sl~h; mIttel zur Beurtheil ung der D' elllunhl?sbilder als ~trthei1s-

D+ • - lllge ~lllzunehman les nun 1st für jetz" f" v +

reichend gesprochen auch 'g~ ur ~ ellllJe;t hG-:uJ1~riss aus- 79 na c h wie es h" ~. ge~ aas rt eIlsmIttel, w ü -

, ~ ~ IeSS a16 DmD"e be th 'lt Wissen aber muss ma~ das ,.0 ur: €I v werden. haben auszu" r h ' ,s 'WIr _ uns mcht. vorgesetz

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das d~r \y ah;Ca.i~c e~ ht dass 1 das 1] r~heil'3mittel, nämlich v (', mc vOl'nanden 1st, denn dies wäre

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110 Zweites Buch. Cap. 7. 8.

lehrphilosophisch ; sondern, weil ~ie Lehrphilo~opheI~ überzeugend begründet zu haben schemen, es geb~ ll:genü ein U rtheilsmittel der Wahrheit, so setzten WIr lhnen Reuen welche überzeugend zu sein scheinen, entgegen; wobei 'wir (jedoch) weder festversichert~n, dass sie. wahr wären noch dass sie überzeugender waren, als .dle ent­gegen;esetzten sondern (nur), auf Grund der glelchgross el'sche1nenden 'u eberzeugungskraft sowohl ~ieser Red~n als auch der bei den Lehrphilosophen vorlIegenden, dIe Zurückhaltung folgerten.

Cap. 8.

Von dem Wahren und der Wahrheit.

80 Wenn wir jedoch auch durc~ V?raus.setz.ung zu-geben würden, e~ gebe irge~.d em Urt~CllsmIttel der Wahrheit so WIrd es unnutz und Cltel befunden, wenn wir' erörtert haben werden, dass, nach dem von (len Lehrphilosophen Gesagten zn urtheilen, die W ahr~e~t nicht vorhanden, das Wahre aber nicht best~hend ~st.

81 Wir erörtern es aber so. Man sagt, es unLerschClde sich von der Wahrheit das Wahre auf dreifache Weise: nach dem Sein (Wesenheit), der Zusamme.nsetzung und der Kraft (Bedeutung). Nach ~em .Sell~: d~ das Wahre unkörperlich ist, - denn es Ist em U r~h~ü u,nd sagbar __ , die IVahrheit abe! ein Körp~r i .denn ~,e 1st eI,ne alles Wahre darlegend~ Wlsse~sch3;ft, dI~ W!Ssensc;1a~t aber (isti ein auf O'eWlS8e Welse SIch velhalten~es .uel­tendes, gleichwie a~lch di~ auf gewi~se Weise .SI~~ .. ve!­haltende Hand eine Faust Ißt; das LeItende aber (1St) em

82 Körper; denn es ist nach ihnen ein Hauc~: Nach ~er Zusammensetzung: da das 'Wahre etwas EI~faches Ist, wie z. B. .,ich unterrede mich", die W ah:hClt aber von der Erkenntniss vieler wahrer Dinge her SIch zusa~nm~n-

83 setzt. Nach der Kraft aber: da die WahrheIt. der Wissenschaft zu!!:ehört das "Vahre aber durchaus mcht. Deshalb sagen Sie, die'Wahrheit sei nur.in e.inem Tngenü­haften (Weisen), das Wahre aber auch m emem S~~lech­ten (Thoren)i denn es is~ möglich,. dass au~J: d~r SCjh~(,~!~

84 etwas Wahres sage. DIes nun dIe Lehrpmlosophen, NU

Zweites Buch. Cap. 8, 9. 111

aber, wi~derum den Plan der Schrift im Auge behaltend werden Jetzt gegen das Wahre allein die Reden l'ichten' w~il zugleich ~it .~ies~m auch die Wahrheit aufgehobe~ WIrd, w~lche Ja fur eme Zusammenstellung (System) der Erkenntmss der wahren Dinge gilt. Wieder~m aber da ur:ter den Reden die einen allgemeiner sind durch welche w,ll' geradezu den Bestand des Wah{'en angreifen, (he anderen besondere, durch welche wir zej"en dass .aas. W ahl'e nicht vorhanden ist in einem W~rt~ oder m emem Sag~aren oder in der Bewegung des Den­kens: 8.0 halten w~r dafür, es genüge gegenwärtig die allgememeren allem vorzulegen. Denn gleichwie mit dem :rr~~uer.~Tunc1 , wenn er umgerissen wird, auch d~s Daruberhegende alles mitnmgerissen wird, so werden mIt deI? Be~tand des ~ ahl'~n, wenn er umgestossen wird, auch (he emzelnen DlftelClen der Lehrphilosophen mit­aufgehoben.

Cap. 9.

Ob es etwas von Natur Wahres gicbt.

Da. also ein Widerspruch über das Wahre bei den 85 LehrphIlosophen vorha~(~en ist, indem. einige sagen, es ~ebe et,~as Wahres, Clmge, es gebe mchts Wahres j so Ist . e,~ mcht möglich, den Widerspruch zu entscheiden. weIl Ja, w~r sagt, es gebe etwas vYahres, einerseits, so~ b~ld ~r dIes ohne Beweis sagt, keinen Glauben finden WIrd III Folge des Widerspruchs' andererseits wird e"

h . ' - L,

wenn er auc ell~en Beweis bringen wollte, wenn er zu-gestehen sollte, dIeser sei falsch, unglaubwürdig sein; 80-b~ld er aber sagt, der Beweis sei wahr, so geräth er in c1Ie, .. Rede des Durcheinander, wie ihm auch ein Beweis dafur a?verlangt werden wird, dass er (der Beweis) w,ah~ SeI, und für jenen (wieder) ein anderer und (so) bIS ws Unbegrenzte. Unmöglich aber ist ~s Unbe­grenztes zu beweisen; unr::töglich also, zu erkenn~n) auch dass es etwas Wahl'es glebt. Ferner auch das Was SC wovon sie sagen, es sei das Allgemeinste vo~ Allem ist ~ntweder doch wahr oder falsch, oder wedel' wahr ~och falsch, oder sowohl wahr als auch falsch. vVenn sie mm

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112 Zweites Buch. Cap. 9.

S:lryen werden es sei falsch, so werden sie eingestehen, da~s Alles falsch ist. Denn~ gleichwie, \yeil das T~ier beseelt ist allch alle die einzelnen Thiere beseelt slI~d, so wird w~nn das Allgemeinste von Allem, (nämli~h) das V",r as. f~lsch ist auch alles das Einzelne falsch sem ~md nichts wahr ~omit zugleich eintrit.t, dass Nichts falsch 1st; denn a11~h eben das "Alles ist fals~h:' und das "Es lJ'iebt etwas Falsches", wird, als zu dem t~mzelnen). Allem gehörig falsch sein. 'Venn aber das '" as ,,:ah1' l?t, . so wird Alles wahr sein; womit wiederum z~lglelC~ emtr~t~ dass Nichts wahr ist., wenn anders auch eben .dles . - :cu. meine das, dass Nichts wahr lst - da ,es em 'V: as 1S;',

8'1 wahr ist. Wenn aber das Was sowohl. falsch IS! alS

auch wahr, so wird jegliches von den einzel~~n Dn:~gen sowohl falsch sein als auch wahr. v: oraus Slen ergIe~tJ dass Nichts der Natur nach wahr 1st;· denn, '!as eme solche N atnr hat, dass es wahr i~t, mö_chte wohl ~"';'-rcha~ nicht falsch sein. Wenn aber das Was weder falsch Ist noch wahr, so wird zugestand~n, dass. auc~ a11,. das Einzelne, weil von ihm ges~gt \~l!d, e~ 861 weder mIsch noch wahr nicht wahr sem WIrd. und (~eswegen also

88 wird uns u~bekannt sein, ob es Wahres glebt. ~t\.nsser­dem entweder ist das Wahre nur erscheinend, oder nur nichtoffenbar, oder einiges Wahre ist ~ichtoff~nbar, ~nder~s erscheinend; Nichts hieTvon aber 1st wa!r, :,,·~.e :Y,l~ zeigen werden; Nichts also ist. wahr: Wenn. (,namhc~; einerseits das WahTe nur erschemend 1st, so "erden SIe entweder sagen, all das Ers~hein~nde sei wah:, :de~ einiges. Und ~enn ~.n~s, sOJ .vl~c1 ~le~ Re~e. ';lmg~~to!tS~r:' denn es erschemt Emlgen ldas), uatsS NIchts "3.;1h ISe.

Wenn aber einiges, so Imnn J ~man~ in entsche:dnn~s­loser Weise nicht sagen, dass dles .hIer~ wa~r ~e~ , dles hier aber falsch; sobald er aber ~em -prt~ellsmIttel au­wendet so wird er von diesem urtheüsmlttel_ entw,ec1er sagen, ~s sei erschei~end, oder~ nlchtoffe~~:.l.i. \~nd mc~~­offenbar nun, (das wud er) kemeswegs ~~agenh d~lln iur jetzt ist vorausgesetzt, nuI' d!-i.s Ersch~mende, 8,e1 w~h~.

89 Wenn aber (das Urtheilsmittel) erschemen~ ~selll w:rd)1 so wird, weil :llntersucht wird, welche ~rschelllenden ~lllge wahr sind

7 welche aber falsch, auch d.as zur I?eurtheIlu~g

der erscheinenden Din ... e angewandte Erschemende Wle­der eines anderen ersc.heinenden Urtheilsmittels bedürfen,

Zweites Buch. Cap. 9. 113

lind (wiederum) jenes eines anderen und (SOl bis ins Un­begrenzte. lJnmöglich aber ist es, ftber Unbegrenztes zu entscheiden; unmöglich also, zu erfassen ob das Wahr'" Dur erscheinend ist..,.. In gleicher Weise 'aber wird 2.,uch~ 90 wer sagt, nur das NIchtoffenbare sei wahr, einerseits nicht von allem sagen, es sei wahr - denn er wird nicht auch das, dass die Sterne (der Zahl nach) gerade seien. fih' wahr e;-kläre,n, ,oder das, dass diese ungerade seie~ wenn leI'. es) aber, von einigem (sagen wird), werden WH benrtheIlen, dass das eine Nichtoffenbare wahr sei, das andere aber falsch? Durch ein Erscheinen-des ja keineswegs; wenn wir aber durch ein Niehtofrell­bares untersuchen, welche von den nichtoffenbaren Dingen wahr sind und welche falsch, so ,vird auch dies Nicht­offenbare eines anderen Nicht.offenbaren bedürfen, das darübel' entscheiden soll, und jenes (wiederum) 'eines anderen, und (so) bis ins Unbegrenzte .. Deshalb' ist das Wahre auch nicht hlos nichtoffenhar. Es bleibt übrig zu. 91 sagen , d~ss unter dem Wahren einiges erscheinend anderes lllchtoffenbar; es ist aber auch dies widersinnig. Denn entweder ist a11 das Erscheinende wie auch das Nichtoff"enbare wahr, oder einiges Erscheinende und einiges Nichtoffenbare. ,,'" enn nun alles J so wird die Rede wiederum umgestossen werden i indem zugegeben wil'rl. wahr sei auch das, das~ Nic~ts wahr sei; auch wird ge~ sagt werden, wahr Sei alleh das, dass die Sterne (der Z~hl nac~) gerade seien, :lI:d das, dass diese ungerade sere]]. "enn aber (nur) ermges von dem Erscheinenden 92 und einiges von dem Nichtoffenbaren wahr ist: \vie wer­den wir entscheiden, dass von dem Erscheinenden dies hier wahr ist, dies dort aber falsch? Wenn dmch ein Erscheinendes) so wird die Rede ins Unbegrenzte hinau~­getrieben; wenn aber durch ein Nichtoffenbares. so wird, ;ve!~. auch d.ie nicht0f!ellba~en D,inge ein~r Beurtheihmg oectll1'fen, WIederum dIes Nwhtoffenhare durch Etwas be­urtheilt werden. Wenn nun durch ein Erscheinendes so stellt sich die 1N eise des Durcheinander dar. ,venn ~ber durch ein Nichtoffenbares, die (\Xl eise) , welche ins U n be­grenzte hinaustreibt. In gleicher Weise aber muss man 93 ~lleh vo~ deJ?: Nichtoffenbaren reden; denn, wer es durch ugend em NlChtoffenbares zn belutheilen versucht. wird ins Unbegrenzte hinausgetrieben, wer aber durch ein Er-

Se1(tus Empirieus. 8

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116 Zweites Buch. Cap. 10. 11.

102 (und) das Endende zu enthüllen fähig ist". I?a als? d~:r AI'tU'nterschied (die Art) der Zeichen zwiefa~h 1st, rrw:e Wir sag-ten widersprechen wir nicht gegen Jedes LJeIchen, sondel'h blos gegen d~~ anzeigend~ , inw~e~ern ~s von den Lehrphilosophen erdIchtet zu sem schemt" Denn ~da8 erinnernde (Zei~hen) ist vo~ ~ebe? begla~bl~t wO~Qen, da, wer Rauch SIeht, Feue: f~r Dezel.ch~et halt ,auf ~e~er schliesst) und wer eine N a1'oe erblickt, sagt, es seI eme Wunde da,ge~esen. Daher wir mit dem Leben. Dich~ .... n::rr nicht im Streit sind, sondern sogar auf seIl!el' öelte kämpfen indem wir einerseits dem vo~ Ihm Be­glauhigt~n ansichtslos uns ~gen Z ander~rselts den, von den Lehrphilosophen eigenthümlich erdichteten Dmgell Widerstand leisten. .

103 Dies lllm gebührte sich vielleicht voral}szuschlCken zu Gunsten (leI' Deutlichkeit dessen, was zur Dntersuch\mg steht· sofort aber wollen wir an die Gegenrede ~eran­trete~, nicht sowohl durchaus ber:lüht das anzel~ende Zeichen als nichtvorhanden zu erWßlsen, so~dern, mdem wir die sich zeigende Gleichk!äft~gkeJt ,der 1m ~ange ,be­findlichen Reden in Bezug ant sem VOfnandensem sowohl wie sein Nichtvorhandensein erörtern.

Cap. 11.

Ob es irgend ein anzeigendes Zeichen giebt.

104 Das Zeichen also ist. nach dem darüber bei den Lehrphilosophen Gesagten' zu urtheilen, unde~.kbar. So­fort nämlich (zeigt es sich): die, welche da:mber genau gehandelt zu haben scheinen, die Stoiker, sagen, wenn sie den Begriff des Zeichens hin~telle? wollen, das Zeichen sei ein Urtheil, welches 111 emem ges:l~den Verknüpften voranleitet (und) das Endend~ zu. e~tilUllen fähig ist. Und das " Urtheil" nun, sagen SIe, SeI em voll­ständiges Sagba::es, anssa?bar fü: si~h 8elh~t; gesund yer­knüpft aber SeI, >was meht mit emeIl! -W a~ren anf2:ng~

105 und in ein Falsches endet. Denn das Verknupfte begmnli entweder mit einem Wahren und endet in ein 'Yah.res1 wie z. B •. ,wenn Tag ist, ist Licht"; oder, es pegmnt mit einem Falschen und endet in ein Falsches, WIe z. B"

Zweites Buch. Cap, 11. 117

~,wenn die Erde :fliegt. ist dIe Erde beflügelt.. . oder es beginnt mit einem Wahren und endet in ein F~lBches' wie z. B. "wenn die Erde ist~ flie!!t die Erde": oder: es beginnt mit einem Falschenuud ~ndet in ein Wahres: wie z. B, i' wenn die Erde fliegt 1 ist die Erde". Hier~ von aber, sagen sie, sei blos das mit einem 'Wamen Be­ginnend: lIDd in ein Falsches endende (Verknüpfte) fehler­haft} dIe andern aber geslmd. Ein 3~Voranleitendes';' 106 aber nennen sie das Leitende in einem (solchen) Ver­knüpften, welches mit einem Wahren beginnt und' in ein Wahres endet. Es (das Zeichen) ist aber fähig das Endende zu enthüllen, weil das:> " diese (Frau) hat, ~1ilch"'J v;rie es scheint, zu offenbaren fähig ist das' (den Satz): ,,(hese ist schwanger gewesen" in folgendem Ver­knüpften: ~,Wenn diese Th-filch hat, ist diese schwanger gewesen", Dies nun (sagen) diese; wir aber sagen erstens, 107 dass es nichtoffenbar ist, ob es etwas Sagbares gient: Denn da unter den Lehrphilosophen die Epikureer sagen, es gebe etwas Sagbares nicht, die Stoiker aber, es gebe (ein solches), so bedienen sich die Stoiker, s'obald sie sagen J es· gebe etwas Sagbares , entweder einer blossen Aussage oder auch eines Bewyeises. Aber wenn einer Aussage, so werden ihnen die Epikureer eine Aussage entgegensetzen, (nämlich) die, welche behauptet i dass eS etwas ßagbares nicht gieht; '.,venn sie aber einen Beweis hinzlmehmen werden: (so will) ~ - da der Beweis aus sagbaren Drtheilen zusammengesetzt ist, er aber, weil ans dem Sagbaren zusammengesetzt, nicht wird hinzugenommen werden können zur Beglaubigung dessen, dass es Sag­bares gebe; denn wer nicht zugiebt J es gebe Sag­bares, wie wird er zugestehen, eine Zusammensetzung von Sagbarem sei vorhanden? - so will der also, welcher 108 ~us dem Vorhandensein der Zusammensetzung des Sag­bareil zu beweisen versucht J dass es etwas Sagbares gebe, vermittelst des in Frage Stehenden das in Frage Stehende sich beglaubigen. 'Venn es nun weder schlecht­weg, noch durch einen Beweis darzustellen möglich ist, dass es etwas Sagbares giebt, so ist nichtoffenbar, dass es etwas Sagbal'es gieht. In gleicher Weise aber auch, ob es ein Urtheil giebt; denn das Urtheil ist sagbar. Dass nur aber nicht, auch wenn durch Y oraU8setzung zugegeben 109 werden möchte, es gebe etwas Sagbares , das U rtheH als

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118 Zweites Buch. Cap. 11.

n1c:htwirklich befunden wird, da es zusammengesetzt ist a~s ~gbaren Dingen. welche nicht mit einand~rJ. z~al1!~eJ::­vorhanden sind! So z', B. ist in dem ,~'Venn TagJ.lst>,.lstJ. ~lcht· , .. ..vann ich das ",Es ist Tag" sage, das ,~Is\' ~lCh,," no~~ nicht; und wann ich das "Ist Licht" sa~.e,. l!'t ,das ;,.Lt: ist Tag" nicht mehr. Wenn es nun un~oghcn 1st 7 a.as.::; das aus einigen Dingen ZusamJ;t1eu&esetzte vorhanden ~~el, da die Theile selbst nicht mit emander _ zns~mlfle?"o:­handen sind die Dinge aber, aus denen nas lJrtneIl ~u­sammengesetzt ist, nicht mit einander znsamI?envo~han~en

110 sind, so '-'wird das UrtheiI nicht vorhanden sem. T D~ ,~Del" auch dies bei Seite zu lassen: das gesunde "\ erkn~:pfte wird als uuerfassbar bef\l~den ,ve!de;t. . De"?u der, rfn~o~ sagt, gesund verknüpft Bel, was mehL mIt e~llem v~. a~!.en anfängt und in ein ,Falsches e~det, WIe,., wa~~ en~ es Tag ist und ich nnch unterrede, z. B: aas ,~1' eU11 Tag ist, unterrede ich mi,ch"; d.er :plOd?ro~ a~e,r da~ wovon es weder möglich wal' noch moghch loSt, da~~ es. 'mit einem Wahren anfangend ' .. in ei~ ~a~.c~eg ende; nach diesem also scheint das erwahnt~ v e~KnUp.lte falsch zu sein, ,',leil es - "venn z,var Tag, 1st) wh aber schweige - mit einem Wa.hren anfangend m em Falsc~e8

111 enden wird' jenes (Verknüpfte) aber wahr: ,~wenn ~s keme - l1ntheilbare~ Urkörper des Seienden giebt, so, gl~bt es

untheilbare Urköruer des Seienden"; denn ~s WlId immer, indem es mit einem Falschen beginnt, (näml:ch) d~m: ~E8 O'iebt keine untheillJaren Urkörper des Sele!lden:', nach ihm (Diodoros) in ein Wahres end~n.' (nä~!lCh). 1~1 ~as:. ~,Es giebt untheilbare Urkörper .. des ö~~en~e~ • DleJe~lgen aber, welche die "Zllsammenfugung' emführen, meI~en} gesund sei ein Verknüpftes, sobald das. E~tgegen~esetzt: des in ihm Endenden widerstreitet dem m l11u1.. LeIt~.n1en1 nach ihnen also werden die erwähnten -,- V erknup-,-~e~ fehlerhaft sein, folgendes aber wahr: ,,-Wenn Ta&, 1st:

112 ist Tag". Diejenigen aber, welche nach de~ ,~K::aft -,-~e:r Bedeutung" ul'theilen, mein ex: ' dass wa~r 1st e111 V t;!­

knüpftes, dessen Endel!d~s In de.m~ Le:~enae~. der T Be­deutung nach enthalten wHa; nach dle~en WIrd da;;,. ,,~enJl Tag ist, ist Tag" undj~des ~llsei~an~er~etrape~e \t~w~lmru­vorgebrachte) vexknüpxte [U rthel1l\'""lellelCht .ta~tSch sem.: d~nn dass etwas selbst in sich selbst enthalten seI, 1st unmogh?h:

113 Dass dieser \ViderspTuch also entschieden werde, wwl

Zweites Buch. Cap. 11. 119

viellei~ht unmöglich zu sein scheinen. Denn weder wer­den WIr glaubwürdig sein, wenn wir irgend einen der VOT­

genar:nten Standpunkte beweislos vorziehen, noch, wenn mit Be\~e~s. Denn auch ~er Bew~is scheint (nur dann) gesund zu ~em, sobald der durch seme Annahmen (entstehenden) Zusummenilechtulllr sein Schlusssatz folot wie ein Endende~ ei!lelll Leitenden, v wie z. B. so : ~.~ 1V e~n Tag ist ~ ist ~~cht; ~un 3?er ist Tag; folglich ist Licht. (Wenn "Tag 1st, so 1st LIcht; sowohl Tag' ist als auch Licht ist.]., Da aber unterslicht wh'd darüber, wie wir die Foke des 114 ~nden~en -,-a:xf . das Leitende beurtheilen soUen J so'-' stellt .?.:ch ~Ie ~ eIse des Durcheinander ein. Denn damit das urthell üoer das Verknüpfte bewiesen ,verde, so folp,t ld. 11" ~uss e,in Folgeverhältniss stattfinden zwischen :~'; der SChlusssa~z den Annahmen des Beweises) wie ,;vir ;b~n ~esag't haben; damit aber wiederum dies Glauben nmte, ~t es nöphig J ~ass das Verknüpfte und die Folge entsc~eden SeIen. Und das ist widersinnig. Unfassbar 115 ~l~o 1st das gesunde Verknüpfte, Aber auch das Voran­leItende . ist schvder.ig. Denn das Voranleitende , Yiie sie sagen, 1st das Leitende in einem solchen Verknünften ·we1ches n:it einern '\Vahren anfängt und in ein W~hre~ e.~~et.. \1' eli~ aber das Zeichen das Endende zu enthüllen 116 f~Iug 1st, so 1st ~as Endende entweder ganzoffenbar oder 1llchtoffe~?ar. We~n nUll ganzoffenbar , so wird es auch des Enthullenden mcht bedürfen, sondern wird mit ihm zusammenerfasst \verden, und es ist nicht sein Bezeichnetes, weshalb auch nicht jenes ein Zeichen dessen ist. '\YeIllt e? 1 ab~r nichtoffe?-bar . ist, so wird es, - da über die mcntonenbaren Dmge In unentschiedener 'lVeise ~lider­spruch herrscht, was für welche unter ihnen wahr sind ~vas für welche ab~r falsch, und Überhaupt, ob unte~ Ihnen eheras ,yahr 1st - (so \vird es) nichtoft'enbar sein ob das YeJ'~~üpfte in ein ."Yahres endet. W'omit zugleich :ll?h das emtrItt, dass mcbtoffenbal' ist, ob das in ihm LeItende voranleitet. Damit wir aber auch dies bei Seite 117 !~~~en: es (das Zeichen) kann nicht das Endende ent­~U!len, :ven .. ll doch das Be~ei~hnete in Bezug auf das üeIchen 1st und deswegen mIt Ihm zusammenerfasst wird. D~nn. die in Bezug auf Etwas (stehenden Dinge) werden mit emander zusammenerfasst ; und gleich\vie nicht das Rechts vor dem Links als das Rechts zum Links erfasst

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120 Zweites Buch. Cap. 11.

weräen kann, noch auch umgekeh!t, und. bei deI! .and~~e~ (Dingen) In-Bezug-auf-Etwa~ (es) 1:!- ~hnhc~er '\'eIse .~SlCll verhält!: so wird es auch mcht moghch sem, das Zewhen

118 vor dem Bezeichneten zn. erfassen. W en~ aber das Zeichen nicht vor dem BeZeIchneten erfasst wl1'd, so v~r­mag es auch nicht das zu enthüllen, :,ras (doch) .zugleIc~ mit ihm und nicht nach ihm erfasst wrrd. Also 1St, auch nach dem zn urtheilen, was mehrent.heils ~on d~n, Anders­denkenden fden Stoikern') gesagt wlId, Gas ZeIcnen un­denkbar. Denn sie sagen auch, dies sei in Bezug auf Etwas und enthüllend für das Bezeichnete, bei welchem

119 es sei} wie sie sagen. Daher, wenn es in Beazug hauf Etwas ist und bei dem Bezeichneten, so muSS es u~c 3l:S mit dem Bezeichneten zusammenerfasst werden, glelchwIe das Links mit dem Rechts und das Oben mit (lern TInten und die anderen In-Bezug-auf-Ebvas. 'Wenn es aber das Bezeichnete zu enthüllen fähig ist, so musS es durchaus vor ihm begrift'en werden, d3,mit es, vorhererkannt , uns zum Denken (Vorstellen) des Dinges führe, ,~-elch.es aus

120 ihm e1'kannt wird. Unmöglich aber 1st es, em Dmg zu denken wenn es nicht vor jenem erkannt werden kann, vor welchem es zu erfassen n?thig ist; um~ög1ic~ also, Etwas zu denken vms sowohl m Bezug auf Etwas 1st als

, 1 1 t . d .l.' "11 auch Jenes, bei welchem es gec ~Cll w~r '. zu emUll !.~n fähig ist. Das Zeichen ~tber, memen SI~, 1st ebe~s.? m BezuiY auf Et,vas wie es auch das BezeIChnete emhullen kann; unmöglich 'also ist es, d~s Zeichen zUNd~n~+en. D.'

121 Ferner musS man auch dIes sagen. EiS oe15ueht vm Widerspruch bei denen vor uns, !ndem (~ie Einen sagen; es gebe irgend ein anzeigendes Zeichen, ~le ~.\nder~u aber behaupten, es gebe kei~ allzeig~ndes ZelC~en. \V ~r _nu~ sagt, es gebe irgend em anzeIge~des ZeIchen, Wl!d ,we';) entweder schlechtweg und llllbew_lesenen~:J.aassen Jjagv~, indem er. einer nackten ~t\.ussage sich bedIent, oder, mIt Beweis. Aber, wenn er einer biossen Aussage sich be­dienen wird. so wird er unglaubwürdig sein; wenn er (es) aber wird beweisen wollen, so wird er das in. Fra~e

122 Stehende gleichmitannehmen. D.enn,l ~a der. Beweis, ~ne man saO't der Gattung nach em ZeIchen 1st 1 so WIrd, wenn O'~z~veifelt wird, ob es irgend ein Zeichen giebt oder nicht giebt, e~ Zw~ifel auc~ da!über sein, o~ e~ eine~ Beweis gieht oaer mcht, gleIChWie wenn? voraussetzung~-

Zweites Bueh. Cap. 11. 121

;reise, in Frage stände 7 ob es ein Thier gieht, auch das III Frag~ st~ht, ob es einen l\'Ienschen giebt- denn der ~en8ch 1st em Thier. Widersinnig aber ist e~, das. was I». Frag~ steht j durch das, was in gleichem .Maas'se in Frag~ steht, o~er dl:rch es selbst zu beweisen; auch durch Bew~ls al~o vnrd, E~ner nicht festversichern können, dass es em ~,eIChen .gl€bt. Wenn es aber weder schlechtweg 123 noc~ !llit BeWeIS möglich ist, über das Zeichen in fest­V~!sl~l1ernder Weise sich auszusprechen so ist es Ull­

moglwh, darüber e~ne erfassende Allss~ge zu machen: w~nn aber das Zeichen nicht mit Genauigkeit erfasst ~~Ir?, so wird von ihm auch nicht gesagt werden, es sei fahlg ,etwas ~nzuzeigen, insofern es ja auch selbst nicht z~~estanden 1st; deswegen. aber wird es ein Zeichen auch mcnt ~eben; . Daher auch nach dieser Folgerungsweise das ZeIChen llIchtvorhanden und undenkbar sein wird. . N?ch ~lUSS man jedoch auch dies sagen. Entweder 124

smd die Zewhen nur erscheinend, oder nur nichtoffenbar. O~el·.L unter den ~~ichen. sind einige. erscheinend, andere mchL~ffenb~r. NIchts hiervon aber Ist gesund; also giebt es kern ZeIChen. Dass nun nicht alle die Zeichen nicht­üffe~bar sind, zeigt sich hieraus. Das Nichtoffenbare er­schemt, wie die Lehrphilosophen sagen nicht aus sich selbst, sond~rn mitteist eines Andern st~llt es sich dar. A~ch ~as Zerchen also, wenn es nichtoffenbar sein möchte wl~d er~es a.nderen, nichtoffenbaren Zeichens bedürfen' WeIl ~em Z~lchen nach der vorliegenden VOl'allssetzun~ e~s~elllep.d 1st; und jenes (wieder) eines anderen und (s6J ~lS. lllS ~n~eg.re~zte. Unmöglich aber ist es, un'begrenzt~ ZeIChen OeIZllDrmgell; unmöglich also, dass das Zeichen ~;.rasst werde, w~nn es nichtoffen?ar ist. Deswegen aber \1\ lrd es auch mchtvorhanden sem, da es nicht vermatr

etwas anzuzeigen und ein Zeichen zu. sein weil es nich'=; .f! 1.. 'd TI'" }. ~ e!laSSL WlI. rvenn aber all die Zeiehen erscheinende 125

s~nd, so wer~en, - da . das Zeic~en auch in Bezug auf Etwas und be~ de?I BezeIChneten ISt, die In - Bezug - auf­E~was abe,1' mit em~nder zusammenerfasst werden, - die Dmge, welche beZeIchnete genannt werden indem sie mit d~n e!scheine~den (Zeichen) erfasst werde~, erscheinend sem; d~nn g1elchwie, da das Rechts und das Links zugleich unter dIe Sinne fallen, man nicht mehr sagt. das Rechts er­scheint 1 als, das Links (erscheint), oder (nicht mehr),

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122 Zweites Bueh. Cap. 11.

das Links, als, das Rechts: ebenso dal'f man, da d~s ~eichen und das Bezeichnete zusammenerfasst werden, mcht mehr sagen, dass das Zeiche~, als, dass das ~ezeic~~ete ersc~eine.

126 Wenn aber das Bezelchnete erschemend lSv, so wlId es auch ein Bezeichnetes nicht sein, da es dessen nicht be­darf, wodurch es angezeigt und enthü~t werden s?IL D~­her kann, gleichwie, sobald Rechts aufg~hoben wIrd, auen Links nicht. ist ebenso. sobald das BezeIchnete aufgehoben ,vird, auch d~s Zeich<-m nicht sein; so dass das Zeichen als liiehtvorhanden befunden ,vird, wenn anders Jemand

127 sagen möchte, die Zeichen seien nur e~scheine?d .. Es bleibt übrig zu sagen, dass lll1~er d~n Zeichen dIe emen erscheinend sind, die anderen mchtoffenbar; auch so aber bleiben die Sclnvierigkeitell. Denn, einmal w~rd bei den erseheinenden Zeichen das sogenannte Bezelchnete er­scheinend sein, wie ,vir vorher gesagt haben, und, da es dessen, 'VOV011 es angezeigt werden, soll, nicht bed~rf~ \Yird auch Bezeichnetes überhaupt lllcht vorhanden sem; daher auch jenes keine Zeichen. sein. werden, da si~ ~icht8

128 anzeigen. Andererseits J d~ dw ~~chtoffe~baren Zmchen desjenigen bedürfen, was Sie ent~ullen wIrd, so "\Y~~'den sie wenn man sao'en sollte, SIe werden von NlCht­off~nbarem angezeigt, da die Rede ins Unbegrenzte hinausgeräth, als unerfasslich befunden und deshalb als nichtvorhanden wie wir vorher gesagt haben; wenn (sie) aber von El's~J::einende~ (angez~igt .w~rden soUten{i so wel'den sie erschemend sem, da SIe mit Ihren erschei­nenden Zeichen erfasst werden, deswegen aber auch nichtvorhanden. Denn es ist unmöglich, dass irgend ein Ding sei, ,,,elches so "':0 hl ~er ~atur nach nichtoffen­bar ist als auch erschemt, die ZeIchen aber, von denen die Rede ist wurden nachdem sie als nichtoft'enbar vor­ausP'esetzt ~aren als' erscheinend befunden in Folge der

129 Umkehrung der Rede. 1rVenn nun weder alle die Zeichen erscheinend sind noch alle nic11toft'enbar, noch unter den Zeichen einige e;scheinend sind, einige aber nicht?ffenbar, und es ausserdem Nichts giebt, wie sie auch selbst sagen: so werden die sogenannten Zeichen nichtvor­handen sein.

130 Dies 'Yenige aus Vielem nun wird für jetzt ,genug gesagt sein zur Nachweisung dessen, dass es em a~­zeigendes Zeichen nicht giebt; im Folgenden werden ,\Vlr

Zweites Buch. Cap. 1 L 123

~ber au~h di~ Nachweisungen dafür vorlegen. dass es l~rgend em .. ZeIchen giebt J damit :wir ~ie Gleichkl'äftigkeit ae:: geg~nuberstehenden Reden hmstellen. Entweder also zel9".en die gegen das Zeiehen sich richtenden rY-Ol'te ehvRs ~n \b~deuten ,etwas)J oder, sie .zeigen Nichts an. Und wenn Sl~ mchtauze!gend sind, wie möchten sie das Vorhanden-sem . des ZeIChens erschüttern? "Venn sie aber etwas a~Ze1gell, so giebt es ein Zeichen. Ferner. entweder sind 131 die, Reden gegen das Zeichen beweisend, 'oder nicht oe­"':eIsend. Aber wenn nicht beweisend,' so beweisen sie mc?t, dass e? .ein Zeichen nicht giebt; wenn aber oe­~elsen~, so ;V~rd. es, weil der Bc\!eis der Gattung nach ~n . Ze.lChe~ 1st,. mdern er den Schlusssatz zu enthüllen tahIg 1st, em ZeIchen gehen. Daher man auch eine solche Red~ fol~e~t: Wenn es irgend ein Zeichen gieht, so gient ~~ ,ein :ew~en, l:nd ,,:enn es ein Zeiche~ nic~t giebt '. so g:e!l" vs. em Zewhen, denn dass es em Zeichen meht gIeb, WIrd durch einen B~,,!eisJ der doch ein Zeichen ist, ge~e19t.. Entweder aber glebts ein Zeichen, oder es giebt kem ZeIchen; folglichgiebt es ein Zeichen~ Dieser Rede 132-a?er s~eht ein~ solc~e Rede gegenüber: 'Veun es irgend em ZeIchen mcht gwbt, so giebt es ein Zeichen nicht; ~n~ wenn (d~s) .ein Z!ei,chen ist, ,:oyon die. Lehr,Philosol?ben sag eil, es seI em Zelcnen, so gleht es em ZeIChen mcht. Denn da das Zeichen, "rovon die Rede ist seinem Be­griffe nach sowohl in Bezug auf Etwas ist, ~ie man sagt als auc~ das Bezeichnete zu enthüllen fahig ist, so wird es als 11lchtvorhar:den beflmden, wie wir dargethan hallen. En.tweder . aber gleb.t es ein Zeichen, oder, es giebt ein ZelCh.en lllcht; folghch giebt es ein Zeichen nicht. Aber 133 ~ueh m B~tre~ der (von ihn~n) zu Gun~ten des Zeichens (g'e­orauchten/ ", ?rte soUen dIe LehrphüoBophen selbst ant-. worten, ob s:e ~pwas anze.igen oder Nichts anzeigen. Denn, wenn Sle Nlchts anzeigen so wh'd das nicht be­glau1;jgt, dass es, ein ~eichen giebt; wenn sie aber (Etwas) anzeigen, .so WIrd ihnen das (von ihnen) Bezeichnete f~lg~n. DIeS aber war (~as, dass es irgend ein Zeichen g;.ebil; . dem aber tolgt, dass es. ein ~eichen [nicht] giebt, 't'iIe WIr n,achge'Vl~8en haben, m FOlge der Umkehrung der Rede (gegen SICh selbst).

Kl:!ZUm, . da so glaubliche Reden sowohl dafür, dass ein Zewhen 1St, als auch dafür, dass es nicht ist, im

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124 Zweites Buch. Cap. 11. 12.

Gauge sind 7 so darf man nicht mehr sagen, das Zeichen sei, als, es sei nicht.

Cap. 12.

Vom Beweise.

134 Hieraus ist nUll offenbar, dass auch der Beweis nicht irgend ein zugestandenes Ding ist; denn wenn wir ip. Betreff des Zeichens uns zurückhalten, auch der Beweis aber irgend ein Zeichen ist, so ist es nöthig, auch in Betreff des Beweises zurückzuhalten. Wir werden ja auch flnden, dass die in Betreff des Zeichens ab~efr~gten Reden (Schlussfolgerungen) auch g~gen den B

1e";reIs slCh anpassen

lassen, weil er. wie es schemt, SOWOhl m Bezug auf Et­was ist, ais auch den Schlusssatz enthüllt, aus welchen (Eigen­schaften) das von uns in Bezug auf das Zeichen Gesagte

135 fast alles sich ergab. Wenn aber auch im Besonderen über den Beweis zu sprechen nöthig ist, so will ich in O'edräniPter Weise an die Rede über ihn herangehen, nach­dem i;h vorher in Kurzem zu verdeutlichen versucht habe, was sie unter Beweis verstehen.

Es ist also, ,vie sie sag'en, der Beweis ei.~e ,Rede, welche mitteIst zugegebener A.nnahmen (Vordersatze) ver­möge einer Folgerung einen nichtoffenbaren Zusatz enthi.i~lt. Deutlicher aber wird, was sie meinen, durch Folgendes sem.

136 Eine Rede (Schluss) ist eine Zusammensetzung aus An­nahmen und 'Zusatz; ,~Annahmen" dieser (Re~e) aber.heissen die zur Begründung des Schlusssatzes mIt Zustimmung angewendeten Urtheile; ~,Zusatz" abe! od~r ,~Schlusssat~·· das aus den Annahmen begründete Urthml. So z. B. 1st hierin: "Wenn Tag ist, ist Licht; nun ab er ist Tag; folglich ist Licht" das "folgli~h ist Licht" Schlu.8ss~tz,

137 das Uebrige ~ber Annahmen. u~t.er de~ Reden aber ,sm;I die einen foiO'ernd (folgenmgsfahlg), dIe anderen mchlt­folgernd; "folgernd" (sind sie), sobald das Verknüpft~J welches mit dem vermittelst der Annahmen der Reue Zusammengeflochtenen beginnt, in deren (der Rede) Zusatz aber endet gesund ist; wie z. B. die vorerwähnte Rede folgernd ist' weil dieser mittelst ihrer Annahmen (entstehen­den) Zusaminenfiechtung: "Es ist Tag, und wenn Tag ist,

Zweites Buch. Cap. 12. 125

!Qt I" t', ~ l~'" LJlCh' 0yas: .. Es .ist Licht·· folgt in aiesem Ver-~nupften: ,~Wenn Tag ist, und (wenn) wenn Tag ist T lOch'!' 1st fl"O l',::t f'ol li h L' 1 '1 ' t., L4 L ~" ", 1" g C !eilt. '\ .,Nichtfolgernd·· aber sind die s~bc:l' ~:cnt s.o v~rhaltenden (Reden). Unter den folgernden 138 ~ • v_ smd dIe eIllen wahr. die anderen nicht wahr' ""'''hr r

! ("1 d ') b Id . h / , " n <k ,I) TI SIe, so a _ lllC t nur das aus der ZusammenfiAcht'm rr

~er ~nnahmen und (aus) d~m Zusatze Verknüpfte, ~ie ~vi~' lvor~hl~ gesagth~ben, gesl:nd 1st, sondern auch der Schlusssatz ~na as vermIttelst semer \ d es Verknüpften '\ Annahmen ~usammeng.eß.ochtelle, ·was in dem Verkntipftell leitenil In "W.ahrhmt vorhanden ist. Wahl' zusammengefloc11 ten ~.be:r 1st das, was lauter 'Yahres enthält. wie das' D.

Ist :~9 J u~d ~enn !ag ist, so ist Licht'''. Nicht' a~e... JS~nd die .,slch lllc~t so \~erhaltenden (Reden). Denn 139 eme solche Reue - wahrend es Tag ist -' We N'''' h~ • ,L • t F' t . . ,. nn 1.: aC ." 18~, 18 ms ermss; nun aber ist Nacht· folg-lI'c'h' ;"t F; -..

• U • t . f 1 • -' LI.O .l.ng~er-mss , ;8 zwar olgernd, ,veIl dies Verknüpfte: Wenn ~acht ~t, un~ (wem~,) wenn Nacht ist, [Fillstel'niss"ist.l so 1st folglIch Fmsterms')u gesund ist· doch ('st . \ '~h' h D ,- , I SIe, ll'C t ;V~ f.:. \ enn das zusammengeflochtene Leitende ist f'al;ch \namnch) das: "Es ist Nacht, und ,,,enn Nacbt ist - ist Finsterniss", indem es in sich Falsches enthäl+ . (r •• '1" -h' das' E './. N h" ~, nam~IC '

• " S lSL r'ac t ; denn falsch ist ein ZU:'Jammen~ ;:fiochtenes '. was Falsches in sich enthält. Daher sagen SI.., auch, eme wahre Rede sei die welche vermittelst w;:hrer Annahm~n ei~en_ wahren 'Schlusssatz folgert: ~l~derum. aber smd unter .d.en wahren Reden die einen be- 140 -wel/jen~7 dIe .anderen aber mcht beweisend: und .. beweisend" -~~ar die, w~iche durch Ganzoffenbares etwas NichtoffenbareR ogern, :llch~ bew~isend aber die nicht so beschaffenen:

S? z. B. 1st dIe so oeschaffene Rede: HWellll Tag ist ist Ll~ht; nUll abet:, ist Tag; folglich ist Licht" nicht' be­:WeIs~nd; denn. aass Lic~t. ist, was doch ihr Schlusssatz 1st, lS~ ganzo~enbar. DIe so beschaffene aber: Wenll S~hWel!Sabsonaerullgen durch die Oberfläche flies;~n, so glebt ~s denkbare Poren; nun aber fiiessen SChWf>iS<::­absonderungen durch die Oberfläche' folO'I~ch P'iebt ;" den1ybare Po e " . t b . d ' b 1 e~· ~ vl:i

. Ä.' r n. l~, eWeIsen, da sie einen Schlnss-~!1tz h~t, der mchtoffenbar ist, (nämlich) (len: Folü'-lIch greht es d~~kbare Poren ". Von den (Reden~} abe~ -141 ~elche etwas NIchtoffenbares folgern führen u~s d:~ 1.

emen blos in W· eg - zeigender Weise (hinleitend) mittel~t

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126 Zweites Buch. Cap. 12. 13.

der Annahmen zum Schlusssatze, die anderen zugleich in wegzeigender und in enthüllender V\'T eise. "'lie z. R in ,,yegzeigender die, welche vom Glauben und Gedächt­niss abzuhängen scheinen; der .Art ist die so beschaffene: ,,\Venn irgend einer der Götter dir gesagt hat, dass dieser (Mensch! reich sein wird, so wird dieser reich sein: hier der Gott" - ich zeige aber nach Voraussetzung den Zeus - "hat dir gesagt, dass dieser reich sein wird; folglich wird dieser reich sein"'; denn wir stimmen dem Schlusssatze bei, nicht so sehr in Folge des Zwanges der Annahmen, '.vie im Vertrauen auf die Aussage des Gottes.

142 Die anderen (Reden) aber führen uns nicht nur in weg­zeigender, sondern auch in enthüllender 'Yeise zu dem Bchlusssatz'e J wie die so beschaffene: ,,1Venn dm'ch die Oberfläche Schweissabsonclerungen :B.iessen, so giebt es denkbare Poren; IHm aber ist das Erste; folglich das Zweite'"; denn das Fliessen der Schweissabsonderungen ist fähig zu enthüllen, dass Poren sind, weil vOTher an­genommen ist, dass durch einen dichten Körper Feuchtes

143 nicht sich be'\vegen kann. Der Beweis also muss sowohl eine Rede (Schluss) sein als auch folgernd und wahr und mit einem Schlusssatz versehen, welcher nichtoffenbar ist und enthüllt "vird von der Kraft der Annahmen; und des,vegen wird gesagt J Beweis sei eine Rede, welche mitte1st zu­gegebener Annahmen vermöge einer Folgerung einen nichtoffenbaren Zusatz enthüllt. - Hierdurch also pflegen sie den Begriff des Be\veises zu verdeutlichen.

Ca p, 13,

Ob es einen Beweis giebt.

144 Dass aber der Beweis niehtvorhanden ist 1 lässt sich von eben dem aus, was sie sagen, erschliessen, dadurch dass man das Einzelne des in dem Begl'iffe Enthaltenen umstösst. So z, B. ist die Rede zusammengesetzt aus urtheilen; die zusammengesetzten Dinge aber können nicht vorhanden sein, falls nicht das, woraus sie besteheu1 mit einander zllsammenvorhanden ist, wie ganz offenbar ist von einem Bettg'estell her und Aehnlichem; die lI'heile der Rede aber sind nicht mit einander zllsammenvol'handen.

Zweites Buch. Cap. 13. 127

Denn wann wir iliA t ~icht vorhand~n weder efJ:e Annahme sagen J ist noch Z'usatz; wann \vir aber r1i~e an.~ere Annahme noch der ,t\nllahme nicht mehr vorhan~WeI e sprechen, ist die erste lll?ht; wann wir aber cl Zen, der Zu.satz aber ist noch seme Annahmen ni~ht emn husatz vorbl'wgen, so bestehen :j .v, e r Folgi' h . 1 I' flel' Rede nicht mit eil1 . d : llC smn (le Theiie e~ auch scheinen wird an ~l zus~1me?vo,l'handen; daher .t?-~gesel1en hiervon aher' '~tled.Re~~, Set mcht vorhanden. 1 I - ~ .1"< 1e l.o'o'el'nd.o. R d de]l; Cienll wenn dies<" b~l .th T L~':l •• - V ,e e unel'faS8- 14.5 v!rhältniss des Verkni1nf-': "11" :~. t \Vlrd au~ . d~ill Folge-t erkniipften aber in u~~:lL;::I' i~!.tö ~olge~e!haltmss in dem spruch steht und Tn.o.llc.l''''hlitv;:;vuelfdbal.er Welse nnter 1Vidcl'-Tl - .. ' Hv 'dJ uner ossI-eh '.. . '. üeae ulJer dON ZeI'ohe d -, ' a. D 1 IS". WIe WH' 111 dn,. . ~'" ' "n ar~egte1 ( .. 1 (I 2". v ... folgernde Rede unertassliC}l " .n ,L'!.l.), .so WIrd auch die ~~~'en, ei~e nichtfolÜ'ernd; 1: b~m'al ~le, Dmle,ktiker freilich 146 \.. dltl'ch) Thflssnlgrll'p' obd"" Rede vlltl:itene ent\vec1er weo'PP F 1 " "m VJ. weO'en Fortl- " d c~.u '0 gerns In fehlerhafter Fa .,' <ljj~ung, Cl er wegen des

fIuss. 'Yie z B ; 1:7\ orm, oG_er III Folge von Ue'IJP'"-. . ~n l' olg'e v M'" ~.i Annahmen nicllt ein Folo'ev 9,n .. 1 1~8fügnl1g, sobald die (le,m Zusatz ha. hen . b

I, eIhaltmss zn einander 1m,'!

W ~.~ , WIe (le so b-scl ft' IR -.- .'C t~ , • enn Tag' 1st .... L' h' eu ,na ene \ "ede 1"1./.\'

,18" lC t' nl ! • • ~D" . d~m, Mar~te verkauft. foi lich ~o~r w:rd_ 1Y eiz~n a{lf' 1\ egell emes U D.berfirl~aec, g b ge~t DlOl1 spazIeren" N' h ~- ~ ,v bb 0 a, er S0021:r·, • öle vorfindet. welche '"h "H-" .' • .·~Ct eme Annahme 147 ~edej wie z. B. .. Wenn l~.~.l, ~l~~lg 1st, zur. Folgerung der 1st Tag, aber Dioll 1,'" , ? 18t,. so 1st LICht; mm aber ~T egen des Folger!seili~ a~~kl:i:~f:r~n; f~lg1ich ist Li~ht ... d:e Form der Rede nicht folgernd 'e,ter ,iorm aber, sODald ~lIe Syllogismen wie man ;;.:n.f Itl., 1~ Z. B. - während 1st, Ist Licht- J nun b ":~.g,,, dIese smd: ~,Weull TaO' (1' :J, n~ , a er 1St Tag' folgll'eh . t T' 1 ' tJ " tnÜ! :,}}' enn Tag ist !st L' h' j. 18, .LIlC .. ,lt'·: foI"g., heb ist nicht Tap'Z, 1 d,le t, LIcht aber ist nicht:

n T r • 0 - lese Red." " ff I . " ~~ tf enn faO' lNt l'~t L' ht ~ mCll u 0 gernd 1ST '

I , 1:) ,." I:l 'Ie • nun b " " . ICh ist Tu 0'(,' D ' . ) a er 1st Licht· folD'-• b' enn werl das V k ,. f ) ~b mnel'halb des I'n l'hn' L" d,' er nnp te vers]}riP,ht '4Q v. .:J TI enen en b fi d' ~ ,.J.. <.1 ~nuellde, so 1vird vermuthlie e n e SICh auch das flllzu~enommen wird (als U t ,h, ,sobald das Leitende ~~rbeIgebracht, und 'sobal3e~satz.', _ aue]) das Endende "VIrd. auch das Le't' d f as Endende aufp'ehoben L 't' ,'.. 1 en e an O'ehobe . 1 . ö " .. 6l~en(!e wa"'e so w" ,h S , n, (enn ,\ enn ('ag

d .L , are auf': ua~' E d:) - ' as Endende hinz110'enomm;' , . ~d n ~nCte. Sobald aber

- b h WIr , wll'd durchaus nicht

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128 Zweites Buch. Cap. 13.

auch das Leitende gesetzt; denn das Vel'knüpfte versprach nicht, dass dem Endenden das Leitende folge, sond~rn

149 nur, dass dem Leitenden das Endende. Deshalb also ist, wie es heisst die aus einem Verknüpften und dem Lei­tenden das' Endende folgernde (Rede) syllogistisch, und (ebenso) die aus einem Vel'knüpften und dem Ent­gegengesetzten des EndendeI?- das dem Leit~nden Ent­gegengesetzte folgernde; die abeJ~ aus emem V:-~r~ knüpften und dem Endenclen das LeItende folgernde \lst) nichtfolgernd , wie die vorer:vähnte, inwiefern sie, t a~lch wenn ihre Annahmen wahr smd, Falsches folgert, "nam­Hchl sobald sie während Lampenlicht da ist, des Nachts ausgesprochen 'wird. Denn das V er.knüpfte ,~ Wenn Ta,g ist ist Licht .. ist zwar wahr, auch die Hmzunahme ~~Nun ab~r ist Licht··, der Zusatz aber ,~folglich (ist) Tag" falsch.

150 In Folge von "T eglassung aber ist eine Rede fehlerhaft, in welcher etwas weggelassen wi,rd von dem .. zur Folg~ru~g des Schlusssatzes Dienenden i Wie Z. B., wahrend, Wie SIe meinen, diese Rede gesund ist: "Entw~der i~t ~er ~e~c~­thum gut oder schlecht oder ununterschleden (g>lmchgultIg); weder aber ist er schlecht noch ununterschleden; folglich ist er gut", (dagegen) diese Rede ,,:egen Fortlassupg untauglich ist: ~~Entwede:r ist der ReIc~~hu~ gut 00.:: >lchlecht· er ist abm' nicht schlecht~ folgllch. 1st er gut .

151 Wenn i~h nun gezeigt haben werde,. dass ~eine yer­schiedenheit der nichtfolgernden (Reden) nach Ihnen (ßen Lehrphilosophen) unterschieden werde!! ~ann von d~n folgernden, so habe ich ge~ei~t, dass ~e fo~geInde .!leae unerfasslich ist so dass dIe III der DIalektIk VOll Ihnen vorgebrachten Redseligkeiten überflüssig sind. Ich zeige es aber so.

152 Die in FollYe von Missfügung nichtfolgernde Rede ist, wie g'esagt ~urde, daraus ~l'kannt ~orden, da~s ifre Annahmen kein Folgeverhältmss zu emander un~ Qe~ Zusatze haben. Da es nun nöthig ist, dass der Erkenm­niss dieses Folgevel'hältnisses die Beurtheilung des. Ver­knüpften vorausgehe, das V erknüpfte ab~I' llnentsehe:db~r ist wie ich erwiesen habe (110), so WIrd auch dIe In

~ Folge von l\Hssfügung nic~tfolgernde Rede 1!!le~~scheidba~ 103 sein. Denn, wer sagt, In Folge von Missf~gung seI

irgend eine Rede nichtfolgernd, wird, wenn er eme blosse Aussage vorbringt, sich selbst diejenige Aussage gegen-

129 1ih~-~.Lel e ' , , 1 1 'af.Jt:;j,H~l nQ ha Den , ,\ye eIle der vorenvähntell entgee-en-~'eset~t so?ald er es aber durch eine Rede rSchhlSS) ~ewel~~ J so ~~lTa er zu hören bekommen, es sei' nöthig üa~s <llese R~~ie zuerst folgern cl sei, (und) so dann be~ we].~e, d~ss ehe Annahmen der Rede, welche als miss­g~.l.npt gIlt, unzusammengefügt seien. 'ViI' ,verden ~.lChl "~rke~ne~, ob sie beweisend ist, \venn "wir eme ub_eremstllnmende Bellrtheihmg eines VerkniiDfIen

~urch \velche wir belU'theilen wenlen oh dei Zn­?;am,menftechtung durch die Annahmen de~ Jiede d~r i?Chlu~.ssatz folg'!. Lnd demgemiiss mm \verden \vir von g~n ~?lgerndeil (Reden;i diejenige} welche in Folge von JIlSS~:lgUllg für fehlerhaft gilt, nicht zn nllters~heiden ';ern~ogen. Dasselbe aber ,venlen \vir sagen gegen den, 154 \relene~ sagt, jrgend eine Hede sei fehlerhaft, weil sie hi llntaug-heher 1:'orm g'efDlü't (o'f'folge1<t.\ Rfd' i1enr "'eI Z"

~egrü~den ~'ersueht)u dasst; irgt;'e;a ei~~ F~;.n'l i~hl~:rh'~ft' CL

~er \\'11"(1 eIlle zugestandene folgerilde Rede nicht ;~ll'ch r.::yelche er wird folgern können J was er 155 lJem t)mne nach (~tmsch\yeig'p.ncT' soll h1Aw lnrr'h gegen diejenigen g~sprochen ~~sein, \velch~H ;L~" , ,,-ersuchen, es gebe Heden, ,velebe wep'''ll ' , '{' I ". , 0" mcnt...o gernn Seien. Denil ","enn die vollstäildige gemm gest.altete ununte:rscheidlJar ist. so wil'd L

~1it Fortlassl~ng' (behaftete) nichtoffenbar ~g~in. 1~l'11er, Iver tiureh eine Rede zeigen will. dass eme Rede an Fortlassnng leide J ohne dass t er eine standene Beurtheilung eines Yerknür,fteil hat durch ." Il " n I h·'I'·.' TI Je' ; ~ ü~U:l r 0 geve~'_ a tll:?s uer liede, \velene von ihm [als hH

~ ~rtlas8lme' leI(t~nd tJ bezeichnet wird, wird benrtheilen Kmmell: äer ,vlrd nicht in beu:rtlleilter und 1Veise sagen können, dass sie an Fortlass-uIlo> ~i?~r ,al~ch die J Ivelche in Folge eiues Leberfll1~ses für 156 1:ehLerl~att gilt, ist unnntel'scheidbar von den be,veisenden (Reden). Denn "vas den ITeberfinss anlam::.'t. so \\'e"(1p11

t. ~' , • 1 " 1 . U /'" 'Cv'

~mS~ ~l!e DeI ~ (en ~toi.t{ern vielg'el'iihmten ~~nicht - beweis-D~~tu~ftlg-en" lReden) als nichtfoIgel'llG befunden ,,:erden, :UlL uexen, Aufhebung, aber die g-anze Dialektik umg"e~ ':,~ossen \\'!rcl; acnn dIese sind es, von denen sie sagen, SIe bediir±en eines Bewei::;:es nicht zn ihw'H' P1IY;'ne'~ 'Pfl,Q1-,Qnrl .-.;~. _l ... ~ .-: J - :} ,""l •• - ..<-..l.-L,A.V 1 '-"-"-_b'l..... .. 1:.1

Lh.,~,«, - J ~eieh aDel De\VelsenC! üa!nr, dass auch dw RmLeren Reden folgern< Dass sie aber an Lebf'l'i!l1,~;

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130 Z,\'eites Buch. Cap. 13.

1...11' 'ht" leiden, wird deutlich sein J SOo;}, ( Wir ene ~IC ,-oe~reIS-hedürftigen (Reden) d~rgest~ellt habe~. weiuen und so (dann erst') das. was WIr memen, begrunden. ..

157' Von 1TieleIl nicht-beweisbedürftigen Reden nU!l tn:u-mcn sie, diese fünf aber stel!en sie v?rzug~ ... yell;e .~m:1 auf \velche die übrigen alle,_.\Vle es ~cbemt, sl?h zuri~ck­führen lassen. Als erste dW, welclle aus ~emem ~ e~­knüpften und dem Leitenden das Endende folg.e~t, \YlC

~ B T\Tell'l nl'aü ' 1st; ist Licht: nun aber 1st Tag; Li", .. 't., ~-\.l '.0 _!:,; .. folglich ist Licht". Als z"\veite die, ,-reIche aus elllem Ye~kl1tipften und dem Entgegengesetz!en des E:ldend~ das Entgegengesetzte des LeitendeI: tolgert, .... 'ne z~ D.

:,"\Y el~n T~~ ist, i.?t Lieht; ,~icht = 1st ~J)e~ mc~~; :ol~~: 158 lieh 1st mCllt Tag", ~4Js d1'ltte die, "elcue &l,t'; ~l,neHJ.

YCl'lleinendell (einer Vemeinung) einer Zl1sammenfiecntuug und einem d~r (Stücke) aus der Znsammenflechtl!.~l~' c1~s Entgegengesetzte' des m1d~rn folgert., wie .z. B.~ ,~:t';~Ctlt :st Tao' und 1\ acht (zugleichl ~ Tag aber Ist; rolghch 1st nielÜ Nacht". Als Yierte" t1ie J welche aus einem Aus­einanderg'ehundenen (Disjunctiven) und einem der ver­bundenen (Stücke) das Entgegengesetzte. de~ andern folgert.; ,Yie' z. B. ,:Ent.;vede,l' ist !,ag,?der ~~t ~a~ht; ;:s ist aber Tag:; folglIch 1st mcht Nacht·. ALS funfte ;;l.t, welche ans ueinem Auseinandergebulldenen und, üem Ent­gegengesetzten eines der verhundenen (8tücke~ ,da.;; ~"n­dere folgert, wie z. B. ,~_E~t\Ve?er ist ,Tag oder 1st Nacht; Nacht ist aber nicht ~ foldleh Ist Tag'"

159 Dies nun sind die vi~lgerühmten nicht- beweisb~(\ürf-tio-en (Reden) ~tl1e aber scheinen mir in Folge Le,Jer­fl~sses" nichtrdlgerud zu sein. ß?fort nämlich (zeigt. e~ sich): um mit der ersten (Rede) anzufangen, so j:lnl enhveder doch zugestanden, dass das. ~,Es i~t Licht" ~~lgt. dem .,Es ist Tag", welches für Jenes m ?em V ~~­kl1ünften 'Venn 'l'ag ist ist. Licht.. das LeItende 1st, 1" -' ''I 'h'" 1 '\ A ,- .' odel' , es ist nichtoffen bar (üass es 1 m IOlgt). .n.ue ..

wenn es nichtoffenbar ist, so werden wir das Verknüpfte nicht als zlwestanden zugeben; wenn es aber ganzo!en-bar i:"t i .da~s i sobald ~as._ ,~E~ ist~. rr::g" ist ',' mit "N.oth; wendigkelt auch das ,~~S Illt LIcht llSt, so wird 1 Ijo~altt wir gesagt ]laben, dass Tag istJ g'efolgert auch das, ~ass Licht ist· so dass die so beschaffene Rede gel1ugt ~ .. Es ist Tag, folgiich ist Licht", und das Verknüpfte

Zweites Buch. Cap. 13. 131

" .. ~Y~nn !ag ist, ist Li?ht" über~üssiß' ist. I~, glei?her 160 h elSe aoer verhalten wu' uns auen beI der zweIten mcht­beweisbedürftigen (Rede). Entweder nämlich ist es mög­lich, dass, sobald das Endende nicht ist, das Leitende ist, oder, es ist nicht möglich. Aber, "\-venn es möglich ist, so ,vird das Verknüpfte nicht gesund sein; wenn es aber nicht möglich ist, so wird, sobald gesetzt ist das: t?~as Endende _ist nicht", gesetzt a,llch das: "Das LeItende ist nicht", und wiederum ist das Verknüpfte ti.~e1>fli.tssig, da die Abfrage (die Folgerung) so wirc1: "Licht ist nicht, folglich ist nicht Tag". Dieselbe Rede lßl aber (gilt) auch bei deI' dritten nicht - beweisbedltrf­tigen. Eniw'eder nämlich ist ganzofI'enbar, es sei nicht möglich, dass die in der Zusammen:ffechtung (befindlichen Stücke) mit einander zusammenvorhanc1en sind} nichtoffenbar. Und wenn mm nichtoffenbar , so 'werden 'wir das Verneinende der Zusammen:fiechtullg' nicht zu­geben i wenn aber g'anzoffenbar, so 'wird zugleich mit dem Setzen des Einen das Andere aufgehoben, mut das Verneinende der Zusammenfleehtung ist üherflüssig, in-dem wir so folgern: .. Tag' ist. folg'lieh ist nicht Nachf'. Aehnliches abe1' sageIl' wir auch bcl der viel'ten und bei lf32 der fünften nicht - beweisbedürftigen. EntwedeT nämlich ist ganz offellb ar , dass in dem U Auseinanclergebundenen das eine wahl' ist, das unclere falsch, unter völligem Kampfe, - und das verspricht ja das Allseinander­gebundene, - oder, nichtoffenbar. Lnu wenn mm nicht­üuenbar, so \yerden "\vir das Auseinandergebundelle nicht zugeben; wenn aber ganzoffenbar , so ist} sobald das eine von ihnen gesetzt ist, sichtbar) dass das andere nicht ist, und, sobald das eine aufgehoben ist, ganzofi'en-bar, dass das andere ist.; so dass es genügt so zu folgern: 'l;Tag ist, folglich ist llicht Naeht'·; "Tag ist nicht, folg'-lich ist Nacht"; und (so dass) das Auseinandergebl1ndene überflüssig ist.

Aehnliehes aber lässt sich sagen auch über die .80- 163 genannten kategorischen (aussagenden) Syllogismen, deren vorzugsweise die von dem Spaziergange (die Peripate­tiker) sich lJedienel1. Bei dieser Hede z. B.: "das Ge­rechte (ist) schön1 das Schöne gut, folglich das Gerechte gut-· wird entweder doch zugestanden und Ist ganz­offenbari dass das Schöne gut ist, oder, es wird bezweifeU

9*

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132 Zweites Buch. Cap. 13.

und ist nichtoffenbar. Aber, 1venn es mm lllchtoifenbar !St, so wird es inn el'halb der L~bfl'age der Re~e (V ortr.ag des Schlusses) nicht zugegeben ,verden, und (laher wIrd der Sylkwisnius nicht folgern; wenn aber ganzoffe.I?~ar ist, dass ~t\lles, was nur immer schön sein sollte ;~dIe~ dmchaus auch' gut ist, s? tritt, sofort ',:ie l?'esagt ist! dass dies und dies schön 1st, auch das mit em, es seI !:!,'ut: so dass die so beschaffene Abfrage genügt: ,~Da~ Gerechte (ist) schön, folglich das Gerechte gut''', u!lÜ iSO dass; die andere Annahme; in welcher gesagt vmnte~

le4 (las Sch;')ue sei gut, überflüssig ist. In gleicher "Weise aber ,vircl auch bei (leI' so beschaffenen Rede: .~Sokrate8

ein Mensch leder :Mensch ein Thier, folglich Sokrates ein Thier", we;l1~ von selbst (ohne 1'1 eiteres) nicht gan~­offenbar is't, dass Alles, was nur ~mme! :Mensch ?en~ mag] dies Huch 'Ihier ist, der" allge~l1eme V ordersa~z mc1ll zugestanden, und wir werclelllh.n bel de! Abf~'age mc~~ zu-

165 "'eben. \Yenn aber dem, dass Irgend emer em Mens\:u _ das folo·t dass er aueh ein Thie1' ist j und daher der

b '. • "'h' ,. t d Vordersatz : j~J edel' Mensch (ist) em 1. leI" zuges. an e~er-massen wahr ist j so tritt, sofort Wie gesagt l~t i ~~ss Sokrates ein :rvIensch ist. mit ein, dass er auch em 'Ihle1' ist~ so dass die so beschaffene Abfrage genügt: ~~Sokrates list) ein :Mensch fol!Ylich Sokrates ein 'Ihier", und da~s) der Vord~rsatzV .,Jedel' Mensch ein Thiel'~' über-

166 flüssig ist. Aehnlicher- V ~rfahrer: aber kaU!l n~~n . ., auc~h bei den andern ersten lmtegorIschen Reaen l:ilch be­dienen um für jetzt nicht dabei zu verweilen.

K~lTZ weH diese Reden j in ,velche die Dialektiker , . t TT , BI' 'd die Grundlage der Syllogismen se,,~el1, an veDer .~lSS el e~,

so '.vird J so "\veit es auf elen 1 eberftllss ankommt, dIe ganze Dialektik umgestosse::'l, da \,'h: ?;icht zu ll}1ter­scheiden vermögen die an lJ ebcrflllss leIHenden unct ~us diesem Grunde nichtfolg;ernden Reden VOll den sogenannten

167 folgernden Syllogisillen~ V\T enn es abm' Eini~'en 11icht ~e~ fällt. dass es Reden mit Einer Annahme glcht, so Emd sie nicht glauh\vitrdig'er als Antipatros, welcher auch die so bescbaffenen Reden nicht verwirft. . ,

Desweo'en also ist die bei den Dialektikern sogenannte folgernde Rede nicht bel1l'the~har. Aber auch die. wahr,e Rede ist unfindbal' in Poige (les Obeng'esagten, WIe aueD

\veH sie durchau.s in 1Vahres enden muss. Denn

Z~yeites Buch. Gap. 13. 133

,der sogenannte wahre Schlusssatz ist entweder erscheinend oder nichtoft'enbar. Erscheinend mm durchaus nicht: lf38 denn er brauchte wohl nicht durch die Annahmen enthüllt zu werden, ",velin er durch sich selbst in die Au,'?:'en fiele und nicht ,,'eniger als seine Annahmen erschiene.~· 1\'" eEn (er) aber nichtoffenbar (ist) J so wird, "yeH über die uicht­ofl'enbaren Dinge in unentscheidbarer 1'\'" eise herrscht 1 wie wir oben gezeigt haben, weshalb sie Rueh TInerfasslich sind, auch der Schlusssatz der sogenannten wahren Rede unerfasslich sein. 1Yenn aber dieser lmerfasslich ist, so werden wir nicht erkClUlen, ob das Gefolgerte wahr ist oder falsch. 'ViI' werden 2JSO

nicht wissen, ob die Rede wahr ist oder falsch, und die wahre Rede wird unfindbar sein. Lm aber auch dies 169 bei Seite zu lassen: die (Rede), welche durch bares Nichtoffenbares folgert, ist unnl1dhar, Denn. wenn der mitte1st ihrer (der Rede) Annahmen (entstehem1en Zu­sammentlechtung der Zusatz folgt J das }'olg'ende· 3obe1' und das Endende in Bezug auf Etwas ist ~ n11(l ZyraT

in Bezug auf das Leitende, die (Dinge) In -Bezug, auf­Etwas aber mit einander zllsammenerfasst werden, wie wir darg'esteilt haben: so werden, wenn der ScllU,SSSätZ nichtoffenbar ist, auch die Annahmen nichtoffenbar Bein J wenn aher die Annahmen ganzorrenhül' ,-go wird auch der Schlusssatz ganzofI'enbar sein; imvieferl1 er mit ihnen zllsammelleTfasst wird, die doch ganzofl'en-baI ~ind; so dass nicht. n~ehr raus Ganzoff~nbar~~n _ Nich!­-o:lIellDareS gefolgert \VITa. Deswegen 11.))81' "YHli !mch 170 nicht der Zusatz von den Annahmen enthüllt, da er ent, "veder nichtoffenbar ist und nicht erfasst wird. oder ,g'anz­üfl'enbar ist und nieht dessen bedal'f~ .vas ihn eilthülle; solL Vi enn demnach gesagt lvird, der Beweis sei eine Rede. welche gemäss einer Folg'enmg J das heisst in folgernde~ vi{ eise i mitte1st einiger zugestanc1enel'maassen ,vahren (Dinge) einen nichtoffenbal'ell Zusatz enthüllt, 1vir aber ausgeführt haben, dass es weder irgend eine Rede giebt, noch eine folgernde, noc~ eine wahre, noch eine, welche mitte1st einiger ganzoftenbarell (Dinge) ein Nichtoffenbares folgert, noch eine den Schlusssatz enthüllende: so ist er­sichtlich, dass der Bew'eis nichtbestehend ist.

Aber auch in Folge jenes (des folgenden) Angriffs 171 werden wir den Beweis l1ichtvorhanden oder sogar un-

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134 Z\veites Buch. Cap. 13.

denkbar finden. ,Yer nämlich sagt, es gebe einen Beweis; setzt (nimmt an) entweder ein~n a~lge~lleh:en Bmv~is (d. h. einen Beweis für das .Al1gememste) oder Irgend emen ~e­son deren (d. n. für irgend ein Besonderes);. aber weder den allp'emeinell noch einen besonderen Bewels zu setzen, ist möglicli, '.vie wir erörtern, werden; ausser di:sen aber lässt sich etwas Anderes meht denken; folglIch kanu

172 Jemand nicht den Beweis als vorhanden setzen. Der all­gemeine Beweis nun ist ni~h~bestehencl aus folg:enden Gründen. Entweder hat er eunge Annahmen und Irgend einen Zusatz, oder, er hat (s}e) ll!cht. U:nd wenn er (sie) mm nicht hat. so ist er auch kem BeweIS; wenn er aber eini.o-e Annah~en hat und irgend einen Zusatz, so wird es, weil alles das so Bewiesene und Beweisende ein Einzelnes ist. ein besonderer Be,veis sein; folglich giebt es irgencl

173 einen allgemeinen Beweis nicht. ~ Abe~ au?h keinen be­sonderen. Denn entweder werden ~ne dIe Zusammen­setzung aus den Annalimen und dem Zusatz einen Beweis nennen oder die blosse Zusammensetzung der Annahmen; Nichts 1 aber hiervon ist ein Beweis, wie ich dm'stellen werde; folglich giebt es einen besonderen Beweis pi~ht.

174 Die Zusammensetzung nun aus den Annahmen und. a.em ZustÜZ ist ein Beweis nicht, erstens weil, da er irgend einen nichtoffenbaren Theil hat, nämlich den Zusatz, er niehtoffenbal' sein wird, was ja ungereimt ist; denn wenn der Beweis nichtoffenbar ist, so ",ViTd er selbst dessen, was ihn beweisen solL mehr bedürfen, als dass er Anderes

17;) zu beweisen fähig sein wird. Dann muss auch, weil sie sap-en der Beweis sei in Bezug auf Etwas und zwar in °Be~ug' auf den Zusatz, die (Dinge) Ill~Bezup-a~f-Et!as aber bei (neben) Anderem gedacht werden, Wl€ SIe selbst sao'en das Bewiesene verschieden sein vom Beweis; wenn nu~ d~r Schlusssatz das Bewiesene ist, so \vird der Beweis nicht mit dem Schlusssatze gedacht werden. Auch trägt ja entweder der, Schlusssa~z ,zu seinem eigenen. B.:weise Etwas bei odel' muchaus meIn; aber, wenn er beitragt, so wird er sich selbst zu enthüllen fähig sein, wenn er aber nicht beiträgt sondern überflüssig ist, so wird er auch nicht ein Theil des' Beweises sein, weil wir auch jenen (Beweis) in Folae Ueberflusses für fehlerhaft erklären werden.

176 Aber a~ch die Zusammensetzung der bIossen Vordersätze möchte ein Beweis nicht sein; denn wer möchte sagen,

Zweites Buch. Cap. 13.

das so Gesagte: ~o VI enn Tag ist, ist Licht; mm aber ist ?,ag" s~i entweder eine Rede (Schluss) J Odel' stelle über­ll~UI~t einen r?edanken vollständig dar? Fo 19lich ist auch (he blosse Lllsammensetzllng der Annahmen ein Beweis nicht. Folglich hat auch der besondere Beweis kein Be­stehen. Wenn aber weder der besondere Beweis besteht. noch der allgemeine, ausser diesen aber einen Beweis zll denken nieht möglich ist, so ist der Beweis mchthestehend.

Ferner lässt sich aus Folgendem das Nichtbestehende 177 des Beweises zeigen. \,\T enn nämlich ein Beweis ist. so enth~llt er entweder, erscheinencl, Erscheinendes, oder. nicht­of!enbar,Nic!ltofl'enba,res j oder, nichtoffenbar, ErscheiIiendes, oder, erscltemend j Nichtoffenbares : aber als nichts hieryon enthüllend kann er gedacht werc1en; folglich ist er Ull­

~enkbar. Denn, wenn er, erscheinend Erscheinendes ent- 178 hüllt, so wird das Enthüllte zugleich) sowohl erscheinena als auch nichtoffenbar sein: erscheinend, weil voraus­gesetzt wurde, es sei so: nichtoffenba.' aber w",~1 e:;; dessen bedart~ wovon es el~thüllt 'werden -Wird, ~m~i '~~ieht aus sich selbst uns deutlich sich darstellt. . Wenn aber, nichtoffenbal' , Ni chtoffenb ares (entllüllt), so er selbst dessen bedürfen, was ihn enthüllen soll. und wird nicht Anderes enthülIen; was doch dem Ged~nken des Beweises fernlieg't Des'wegen aber kann er auch 179 ni_cbt, nichtoifenbar, Beweis eines Ganzoffenbaren sein. Aber- auch nicht J ganzoffellbar, (Beweis) eines Nicht­offenbaren i denn, weil er in Bezug auf Etwas isL die (Dinge) In - Bezug - auf - Etwas aber mit einander zu­sammenerfasst ",-erden: so wird das, wovon es heisst. es werde be;viesen, indem es zusammenaufgefasst 'wird mit d~m ganzoffenbaren Beweis_e, ganzoffenhar sein; so dass (he Rede umgestossen wird und der (Beweis', welcher N~chtoffenbares beweist, nicht ganzoffenbar ' befunden ,~n·d. \Venn nun der Beweis weder, erscheinend, (Beweis) el!:es Er-scheinenden i.st, noch, nichtoffenbar, ernes Nicht~ offenbaren, noch, mchtoffenbar j eines Ganzoffenbaren. noch, ganz offenbar, eines Nichtoifenbareu j ausser diesen~ aber, 'Nie. sie ~a~~nJ es Nichts gieht, so muss man sagen, der BeWeiS Sel NIchts.

~. ~ Ausserdem muss man auch Jenes sagen. Es herrscht 180 WHlerspruch über den Beweis: denn die Einen sa~en. er sei nicht einmal, wie die, welche behaupten, es- sei

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136 Zweites Bueh. ('äp, 13.

überhaupt Nichts; die Anderen, er sei i ';YJe die meisten der LehrlJhilosophen; \\'ir aber meinen; ~r sei _n.~c,ht, me!u

181 als er nicht sei. Und ferner; der Be\VBlS ~~t~alt, ctlll'~I1~ aus eine Lehransicht , über jede Lehral1SlCht al)e~ _1st man im vYiclerspl'Hch) so dass noth\vendig über. Je(~ell Beweis \Yic1ersniuch henscht. Denn, \venn J sobala üel" Beweis, Beispil3ls halber, dafür, {hlS3. ~s ein ~ee!'es zugestanden wird. auch etas zllglelCuzngestunnell dass es ein Leeres' giebt: so ist offenbar, dass die, \yel~he darüber ziveifeln, ob es ein Leeres giebt, auch über den Bmyeis dafür z,~'eifell1: und von den anderen Leluan­sichten, mit denen es f[lie Be,veise zu thUll haben, dieselbe Rede. J elle!' Beweis wird denmach ~

182 und befindet sich unter '\Yic1erspruch. Weil;lUn (ler pe~ weis Iliclltoffellbar ist wegen des darüber ;Destehen:1~n) ,Yidersnrnchs - denn das im lViderspruch Befindhe;lI:

insofern es unter ,Vidersnrllch .steht, nichtofIenbal' -, so ist er nicht ans sich selbst augenscheinlich] sondern muss für uns ans einern Be\veise hervorgehen. Der Bev,'eis m;n, dUTch 'tvelchen dm: Be,veis beg:ründe~ ;vird j • wird einerseits nicht zugestanClen und au~enscheml~ch ?~m \vir suchen ja jetzt ob es übel'haunt emen BeweIS gleot

" 't ",:j' ~ - 4-e .~"Tl'fler-'.p··'1roh ;:,+n1nt' 'anaererseJs ,,,nu er, Ga er HilI; I n u S 1 c,VJJ. u~,..

nichtoffenbar ist, eines anderen ~e:Y,e~se~ h~?ü,rfen} nnG. jener ':wieder', eines anderen, und (ßO) 1)18 ms LHoegTenzre. CIlIDöglich aber ist es J Unbeg:renztes ,zu hewei8~11 ~ , l~r:-­möry}ich folglich zu erweisen, dass es eIllell BeweiS g'leot,

183 Ab~r auch dm?ch ein Zeichen kann er nicht enthiint werden. Denn, da fraglich ist, () b es ein Zeichen gie bt, und das Zeichen eines Beweises bedarf zn seiner eigen,en \Virklichkeit, so steHt sich die \Yeise des Durcheinand.er ein indem 'der Beweis einerseits eines Zeichens bed2T!', das' Zeichen aber wiederuill eines Be\yeises; ,YRS doch widersinni,e: (isf}. Deswegen ist es aber auch nicht mög­lich den '\VideTsnruch über elen Be\veis zn entscheiden, Vlen' einerseits die Entscheidung eines Urtheilsmittels he­darf andererseits aber - da eine cntersnchllng da­rübe~ stattfindet, ob es ein Lrtheilsmittel giebt, wie ,vir erwiesen haben,' und desweg,en das Urth~ilsmittel. eh:~es Beweises bedarf, welche1' ze1gt, dass es Irgend eIll Ur­theilsmittel gieht - wiederum die Schwierigkeits - Weise

184 des Durcheinander angetroffen wird. Wenn mm weder

Zweites Buch. Cq" 13. 137

d~re1; Beweis, l~och durch Zeichen} noch durch Ll'theils­~Itt~i zu ,erweIsen ~öglich ist, dass es einen Beweis g1.ebtJ ~r alJeT auch mcht aus sich selbst g:mzoffenbaT '\:ie WIr dargestellt haben j so wird es ullerfasslich sein. 01) es e~nen Be'\veis gient. Deswegen aber wird der Beweis .alleh mchtvo~ha!lclen sein; denn er ist gedacht worden zusammen run; dem Be'\veisen, be';\reisen aber möchte er wohl nicht können J da er nicht erfasst wira. 1Vesh111b es auch einen Beweis nicht g-eben \Yird,

D~es mlll \vird für einen Grundriss auch in Bezug auf den 13;') Dev.,,:,q O'enup ' r- 1. ' D' ,-, h" 1 D \ VJ.::i I:l t:> 6csagL sem. 'le Lellrp liOSOpllen abel' ;~gen, indem sie das Gegentheil begründen (ViTollen}1 dass u!e gegen den Beweis vorgehrachten Reden (Folg'erung-ell\ entweder beweisend sind oder nicht hmveisend. tnd '\~enll nun nicht be\~eisenc1, so yermögen sie nicht zn --dass der BeweiS nieht vorhanden ,:reisend sind 1 so führen diese das Bestehen des Be~weises in Folge einer rmkebl'llTIE.' (der Rede) ein. DR­her ,sie auch ~ine solche Folgenlng: abfrag,en. y\7

81111 es e.men BeWeIS gieht j so giebt es einen Beweis ~ \,-eun 186 .es emell BmYCis nicht 2'iebt soryiebt es einen Bc."-f\;<::' entwedel' aber giebt es ei~en Be\veis, oder es ,>, ~.,> ~inen Beweis nicht; folglich giebt es einen Be\veis. üerselben Kraft aus (in demselben Sinnel fragen sie auch ~eBe Rede: Das den gegenüberstehenden (Grtheilell' ~ olgende ihnen sich Ergebende) ist nicht allein ,valu': sondern auch notlnvendjg; es steht abel' dies einalldel~ gegenüher: I,Es giebt einen Bm,yeis - Es ~debt Binen Be,yeis nicht·" deren j ec1em das folgt 1 dass e~ einen Be-'weis _gieht; folglich giebt es einen Be\l:eis. - Es lässt sich 187 n~m h~ergegen. 'widersprechen. So z. B. sagen ·wir. lyeil WIr mcht memen, dass es irgend eine beweisende' Rede gebe, auch durchaus nicht, dass die o'egen den Be1ye;;;; ~~'erichtetell) Reden beweisend seien, sondern; dass sie~l~; u?erzel1gend erscheinen; die überzeugenden aber sind ~lCht. nothwelldig be'\yeisenc1. y\;r e1m sie aber doch auch ~ewelsend sind, \vas !'vir doc]I nicht festversichern; so sind SIe durchaus auch wahr. Wahr aber sind Reden. welche d~rch "": ahres Wahres folgern; also ist ihr Zusatz wahr. D;eser aoer, war: l,Folglich giebt es einen Beweis nicht .. , Wahr also 1st das "Es giebt einen Beweis nicht;.;. in Folo'e von I1mkehrunf!, F' .. ,~. R d Cl

~ - .uS Künuen aDer me l.e en allC~i~ ~88

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138 Zweites Buch. Cap. 13.

gleichwie die reini;S!:enden Heilmittel mit den in dem Köl'­Der vorhandenen Stoffen sich selbst znsammenherausführen, so auch selbst mit den anderen Reden, welche nämlich hls beweisend !relten, auch sich selbst zusammenauf­heben. Denn dies ist 'nicht ungereimt, weil auch dieses Wort: .. Nichts ist \vatr" nicht allein jedes andere auf­hebt ~ sondexll auch sich selbst mit Jenen zusam:me~um­stösst. -- Auch kann diese Rede (186); "Wenn es emen Beweis giebt, so giebt es einen Beweis; wenn es einen Beweis nic.ht p'iebt. so (.-iebt es einen Beweis; enhveder aber giebt es ( einen') oa~r giebt es nicht; folglich g'iebt es (eh~en Bewei~)'" ais nichtfolgernd gezeigt werden, und zwar dnrch mehTere (Beweise), für jetzt aber a1l8~eich~Dd

189 durch folgendes Eoicheirem. (Nämlich) wenn dIes v er­kn üpfte gesund isf: ,~\Y enn es einen Bew.eis giebt J , so deM es einen Be\yeis", 80 ist nothwenchg, dass nas Entgegengesetzte des in ihm Endendeu) das heiss~ i das .. Es !riebt einen Be\yeis nicht", im Kampfe stehe mIt dem .. Es giebt einen Beweis"; dEmll dies ist in dem Ver­knüpften das Leitende. Ll1IDäg1ich aber ist es nach ihnen (den Lehrphilosophen), dass ein Verknüpftes gesund sei. we'nn es aus kämpfenden L rtheilell zusammengesetzt ist:' Denn das Verknüpfte verspricht, sobald das in ihm Leitende ist so sei auch das Endende; die (mit einander) kämpfenden'(Sätze) aber (versprechen) .im GegeI:theil, sob~ld deI' eine k,rend welche von ihnen seI i so seI es unmog­lieh. dass (l~er andere vOl'hauden sei. Sobald also gesund ist 'dies Verknüpfte: ,~\Yenn es einen Beweis gieht; so !riebt es einen Beweis"] so kann nicht geslUHl sein dies Verknüpfte: ~~'Venn es ~inen Beweis nicht gieb~, so giebt

190 es einen Beweis"", Wiecteruill aber 7 sobald "Vlr voraus­setzuno:s"veise einräumen, gesund sei dies Verknüpfte: .,W en~ es einen Beweis nicht giebt, so gieht es einen Beweis", so kann das ,,[Wenn] es giebt einen Beweis" zusarnmfmvorhanden sein mit dem "Es giebt einen Beweis nicht". \Venn es aber mit ihm zusammenvorhanden sein kann so kämpft es mit ihm nicht. Folglich kämpft in dem '(ersten) Verknüpften: ,,'Venn es einen Beweis giebt, 80 gie'bt es einen Beweis" das Entgegengesetzte des in ihm Endenden nicht mit dem in ihm Leitenden, so dass wiede-

191 rum dies (erste) Verknüpfte nicht gesund sein winl, so­bald durch EinräuIDl1ng jenes (zweite) als gesund gesetzt

Zweites Buch. Cap. 13. 14, 139 W'l'r"! Cl .... , p~ '~L." B'" -, _ , 1 '" ~t,~, haB ,,:"::i gleuL emen ewelS lucht ,. aber mcht ~amp~t_, :nit ~ie~ nEs giebt einen Be:v~isa. Aber auch {.~s Atl~e:nan(lergebundene l' EntwedeT glebt es einen Beweis ~del' glebt es einen Beweis nicht" wird nicht gesund sein: ~enn, ~a~ ~~s.un.de Auseinanderg>ebundene verspricht, eines (~~r (Crt~el1e). In ihm sei gesund, das andere aber sei falsch, oüel' dIe anderen seien falsch unter Kampf (mit Jenem) .. Odel', wenn anders das Auseinander~eb;mdell€ g~sund 1st} so \'Vird wiederum das Verknüpfte: ~. Wenn es BIllen Beweis nicht g'iebt, so giebt es einen Be~ieiB" als s?hlech.t b~fund_en7 da. es aus Kämpfendem besteht. Also smd dIe .t~nnalm1.en In der vorenvähnten Rede nicht­~~1sammens~lmmenct und einander aufhebend ~ und deshalb ist ehe Rede mcht gesund. Aber sie können auch nicht 192 ~lass etwas aus den entgeE,'eng'esetzten (Sätzen 1 folot R') ! " U" h" . U ., J ö,-, :ang'e Sie em 'l't eusmlttel für das Folgevel'hältniss 11ieht haben, wie wir g'efolg'el't haben.' ~

Dies. aber reden wir zum Uebel'finss. Denn wenn über­zeugend smd die Reden zu Gllllsten des Beweises - sie mög-pn

. . . ! • ,,--es ,Ja se~n. ,-, itfJel'z~;;,gend aber auch die gegen den 13e-:welS gerIChteten AngTIite, so muss man an sich halten au.ch l~ petreff des Beweises, indem man sagt, der Beweis sei mcnt mehr, als er nicht sei.

Oap. 14.

VOll den Syllogismen.

Deshalb .ist ~UCh, von den vielgerühmten Sylloo'ismen 193-zu h~ndel~~ vwlleICht überflüssig, einmal, weil sie mit de~ Vor­hanaense:Il des Beweises zusarnmenumge8t08sen werden­~enn . es ~'jt Roffenbar, dass, wenn jeneI' nicht ist, auch eine D~WeISenc1e ede keine Stelle hat - andererseits, nachdem WH auch, dem Sinne naeh, durch das vorher von uns Gesagte gegen sie Widerspruch erhoben haben als \vi~ '"b ::l U· b fl ' U .. , ~ er (ten e, er -U8S sprechendj von einem gewissen Ver-Iahren redeten. durch welches zu zeio'en mÖP'lich ReT d'",,!;! . 1 11 1

0 P ;.,J J..J ~~.v nun emma a e die beweisenden Reden der Stoiker sowohl wi~! der Pe~jpatetiker. nichtfol,g~1"l:d sind. Um jedoeh etwas 194 ZUVIel zu t1mll, so 1st es VIelleIcht nicht tibel, auch im Besondern von ihnen (den Syllogismen) zu handeln, weil

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140 Zweites Buch, Cap, 14,

sie '7orzllg~S\\'"eise allf sie stolz Sill(1.. Vieles nun lässt sieri sagen, ,~enll man ihr Nichtbestehen darlegt; für den Grundriss abeT g'enügt es des folgenden Verfahrens gegen sie sich zu bedienen. Ich werde aber auch jetzt über die nicht-beweisbedürftigen (Reden) sprechen; denn, sobald diese aufgehoben 1yereten, werden aueh die übrigen gesammten Reden mngestossen J ",'elche den Beweis oafür, dass sie folgern, von ihnen her haben. - Dieser Vordersatz also: ,.Jeder Mensch (ist) ein Thiel'~' vdrd aus den Einzeldingen epagog'isch (incluctiv) befestigt; denn daraus, class SokTatesy

indem er ein Mensch ist, auch ein Thier sei, und Platon in gleicheT Weise und Dioll und jeder der Einzelnen, scheint es mög'lieh zu sein, festzllversichern, auch dass ieder :Mensch ein Thier ist~ inwiefern, wenn auch "(mu) irgend eines der Einzeldinge sieh \vidersetzelld er­scheinen möchte gegen die übrigen, der allgemeine Vordersatz nicht eesnnc1 ist. So z. B. ist. weil die meisten Thiere deii l~teren Kinnbacken be,{regen j das Krokodil anein aber den oberen, der Vordersatz ~~Jedes Thier hew'egt den unteren Kinnl)uekell" nicht wahr. So­bald sie also sagen: "Jeder :M:ensch (ist) ein Thi81', Sokrates aber ein J\fensch, folfdich Sokrates ein Thier", so gerathen sie, indem sie aus '-'dem allgemeinen Vordersatz ,.J eeler Mensch (ist) ein Thi er" elen Einzel- Vordersatz folgern wollen; "foiglich Sok1'.'ttes ein Thier", "\velcher ja gemäss aer epagogischen "'\Veise, \vie wir erinnert haben, befesti­geneI ist für den allgemeinen V orclersatz, in die Rede des Durcheinander; indem sie den allgemeinen Vordersatz dm'ch jeden der einzelnen [epagogisch befestigen, jeden der einzelnen aber] aus dem allgemeinen syllogistisch ffolgernl. Aehnlich aber fallen sie auch bei der so he­sch~frenen Rede: Jl Sokrates (ist) Mensch; kein Mensch aber vieTfüssig i folglich ist Sokrates nicht vierfüssig", indem sie den Vordersatz "Kein :Mensch (ist) vierfüssig" aus den einzelnen epagogisch befestigen wollen, jeden der einzelnen aber aus dem "Kein Mensch (ist) vierfüssig" zu schliessen geneigt sind 1 der Schwierigkeit in dem Durcheinander anheim. Auf gleiche 1Veise aber muss man auch an die übrigen bei den Perinatetikern sogenannten nicht-beweis­bedürftigen (Reden) herangehen. U Aber auch an die so beschaffenen (Reden): 'j "Venn ~Tag ist, ist Licht". _Denn das n ",. eun Tag ist, ist Licht", ist einerseits folgernd., 1\ie

Zweites Buch, Cap. 14, 141

?ie,:ag~n~ für das "Li?htist a , andererseits ist aber das i7 Licht ~st ... n;ll~ 5Ie~, 11 Tag 1st" befestigend flil' das" Wenn Tag Ist, 181 LICht·,; denn es wäre das ebengenannte Verknüufte nicht für gesund erachtet worden, wenn nicht vOl~her immer das "Licht ist" als zusammen\'Orhallden ang'eschaut worden wäre mit dem "Tag ist.". Wenn man also vorher- 199 erf'a,sst haben muss, dass, während Tag ist. durc.hauB ~:lC?- Licht ist J um das Verknüpfte n \Yeun Tag ist, ist LIcnt" zusammenzusetzen. mitte1st diese;;; VerknUd'TAH a~,er ,gefolgert ;vil'd, dass, \vährem1 ~ Tag ist, Licht i~r u;~ stOBst - da emerseits das Zusammenvorhandensein deR Tagseins und des Liehtseins gefolgert wird aus der Ver~ kllüpfung ,,\'1 enn Tag ist, ist Lieht", soweit es auf das vor­liegende Kicht-beweisbedürftjg'e ankömmt: andererseits das Verknüpfte befestigt wird clluch das Zusamr~envorhandellsei~ der vorg'enannten (Dinge) - (sostösst)aueh hier eHe Schwieri2'­~eit~,":e!8e de~ pUT?hei~ander den 'Bestand der Rede ll~L 200 111 gleICner "", else aber \ verhält es sich) auch mit der so be­schaftenen Rede: "Wem! Tag igt, ist Licht: mit nichten aber ist Lidt; folglich ist nicht Tag". Del~n daraus, dass Tag nicht olme Licht g'eschaut wird, möchte vmhi für gesund erachtet werden das Verknüpfte , \Venn Tag> ist Licht '\ hT\vlefern J wenn, vorausseti~llgs'weise, '-' ein­mal Tag Z\Val< erschiene, Lieht aber nicht das' Ver­knüpfte fih' falsch erklärt ,,,,erden möchte:' nach dem vorgenannten Nicht-beweisbedtirftigen aber'wird das Nicht­Tagsein , sobald Licht nicht ist) dmch das ,""\Y Gnu iS~J ist ,Lieht" gefolgert; so dass jedes vOl~' Beiden zn semer eIgenen Befestigung bedarf, dass das Andere fest :u:g~no.mmen w~l~d~l1 ist, so dass es dadurcl1 glaubwürdig ~Tll'Ü III der \\ else des Durcheinander. Aber auch 201 daraus, dass .Manches nicht mit einander zllsammenyorhanden sein kann, wie z. B. Tag, ",;,ollen WiT einmal sae:en. und Nacht, möchten sowohl d;1s Verneinenc1e der Zusanimen­fl.eeh~llllg ~ ,~Nicht ist Tag und ist X acht -, als auch das A.llsemundergebnndene: ~~Entwedel' ist Tag oder ist Nacht'· für gesund gelten. Aber, dass sie nicht zusammel1YO!­h_andell sind, wird, meinen sie, befestig,t 80\vo111 durch das Y ßl'neinende der Zusammenfiechtuug als auch durch das Auseinandergebumlene 7 indem sie saften: .. Nicht ist und ist Sacht; lllln aber ist Xacht~ folzlich ist

::nnd) ~~Entweder ist Tag oder ist':;srae]~t; nun aber ist

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142 Zweites Buch. (;1;>,P, 14. 15.

Nacht; folglich ist nicht Tag"; oder: ,~Nicht ist aber 202 Nacht; folglich ist Tag''', Hieraus schliessen wir wiederum,

dass, 'wenn wir einerseits zur Befestigung des Auseinander­g'ebundenen und des Verneinenden der Zusammenflechtung yorhererfasst haben müssen. dass elie in ihnen enthaltenen TJrtheile nichtzusammenvorhanden sind, sie anderel"­seits aber ~ dass (liese nichtzusammcllvorhunden sind, zu folgern scheinen mitreIst des Auseinandel'gebundcl1en ,yie auch (mitte1st) des Verneinenden der Znsammenflechtung, -dass (also) die ,Yeise des Durcheinander eintritt. da 'wir nicht 'vermögen ,vedel' den · ... orher genannten 'V~l1dung'en Glauben zu schenken, ohne das Nichtzusammenvorhanden­sein der in ihnen enthaltenen F rtheile aufgefasst zn haben, noch ihr NichtzusammellYOrhalldensein festzuversicheni

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vor der Folgerung der Syllog'ismen mitte1st der Vfendungcl1. Deshalb ~ da '\-Yir nicht wissen, wo wir mit dem Glauben anfangen sollen in Folge des Zurücklaufenden, "verden wir sagen. dass \Teder die dritte, noch die vierte. noch die fünfte der nicht-be\veisbedürftigen (Reden), nach / diesen (den Lehrphilosophen) zu urtheilen, ein Bestehen habe. -So viel nun wird aueh über (Ue Syllogismen gegemvärtig ausreichend gesagt sein.

Cap. 15.

11 on. der Inductioll.

Sehr abzulehnen aber. meine ich. ist auch die Weise in Betreff der Indnctiol1. 'Da sie nä~llich durch sie yon den Einzeldingen aus das Allgemeine beg'lanbigen wollen, so werclen sie dies tInUl, indem sie entweder doch an aH die Einzeldinge herangehen, oder an einige. Aber wenn an einige, so wird die Induction unsicher sein J da möglich ist, class dem Allgemeinen einige von den in der Induction ausgelassenen Einzeldingen entgegentreten; wenn aber an alle, so werden sie mit Unmöglichem sich abmühen, da die Einzeldinge unbegrenzt sind und 1111-

umschliessbar. So dass auf diese Weise von beiden Seitenj

mein' ich, sich ergiebt, dass die Induction wanl{end ",'ird.

Z'weiteS Buch. Cap. 16. 143

Cap. 16.

Von den Definitionen.

'. ! ~ber auch auf die Kunstfertigkeit in Betreff der 205 E?'Kl~run1?en (Defillit~ol:en) thun ßie Lehl'philosophen \'\. elc~e ~le .~em logischen Theile (ler sogenannten Philo­soph~~ mUre1Jlep .. \Y ohlan nun, so wollen ,viI' auch über Er klar}.l.l1gel1 W e~]ges für jetzt sagen.

\V ahrend also die Lehrnhilosouhen meinen. zu \~ielem seien die Erklärungen ~ützlich, so wirst du als die obersten Hauptpunkte, welche deren ganze Noth­wendigkeit, Yon ~ welcher' sie reden. nmfassellzV\,pi vi~lleicht finden; sie suchen nämlich 'zu erweise~. da;~ 206 entweder zur Erfasslliw oder ZU" Bela1wlPW in' "He'· D;~" ,.. ~"1 1"'· ö - -""1' .L ~ "":L .... .L ~ b - ~t_ il

.. ngep me .LJr~ a:ungen notnwßUtllg seIen. n:-eun "\'1'11' nun aargethan balJen sollten. dass sie zu kein;-.m 'C(.H d' l' , . f v_~ ,~-

iI ~es~n_ "Demen. nützlich Si:ld J S? weTc1en ,vir, mein) ule uan.lber bel den LehrnhrlosoDl1en vorhandene """"'-"""" n

~rbeit. insgesammt lUl1stossell. Zunächst also: wenn 207 ~mer::ItsJ :"er das, :vas .erklä~t wird, nicht kennt) nieht Im Stünd? 1st, das von Ihm mcht Erkannte zu erklären: ar;d~~'el'se:ts j w~r es kennt (unc1) dann erklärt. das. was e:'ldart. wl1'd, mcht aus der E1'klärul1~: erfasst h~t sdndenl (lw Erklärung auf Grund dieses ~V orhererfas~tell zu­sammengesetzt hat: so ist zur Erf~lSSnJlO' der Dill!)';:> die Erklärung nicht nothwendi.o'. Fernm' b ,10 ;;:ol)af'~~ ":'1'''' Ar 0 u_, ,,0.. .~ I < ~U ",

~'li~eS e:kl~ren ~,yollen, '1viT überhaupt Nichts erkläTen~ weIl W::T ms unbegrenzte hinausgerathen ; sobald wif aber emg'estehell, Einig'es werde auch ohne die Er­klärungen erfasst, "\vir die Erkläruno·eu als zur ErfasRu110'

. -h' .Lh :1' d l:) - '" • b mc t ~Ol 'ITellf Jg arstellen, indem 'wir in der \Yeise. wie ~la,~ mcht Erklärte erfasst ,"mete, Alles ohne die Er­~!ar:mgen ~~fassen können: so \verden '.vir entweder 208 ~llJer~~aupt N lCbts erklären [\vegen des Hinaus~erathens lllS L.n begTenzte], oder die Erklärungen als nicht l1oth­\V~ndl~ darstellen. Aus diesen Gründen aber möchten lVlT Sie . auch zur Belehrung nicht nothwendig finden' denn, w;~ .. der 7 welcher das Ding zuerst erkanute, die~ oh~el Ennarung erkannte 7 so kann ähnlich auch der welcner es gelehrt wird, ohne Erklärung belehrt werden~

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144 Z,veites Buch, Cap. 16.

Ferner, sie bemtheiIen die Erklärungen von dem aus; was erklärt wird, und meinen, fehlerhaft seien diejenigen Erklärul1 Cten welche etwas von dem enthalten, was den Ding'en, ~eldhe erklärt werden, nicht anhaftet; entweder allen oder einigen. Deshalb, sobald Jemand sag'en wollte, deI :frfensch sei ein vernünftiges, unsterbliches Thier7 oder ein vernünftü:res, sterbliches J gTammatik - kundie:es Thie~, meinen sie, da 'eilleTseits kein- Mensch unsteIhlTch ist andererseits eInige nicht grammatik - kundig sind J so sei' die Erklärung fehlerhaft. Vielleicht z\yar (?) sind die Erklärungen v auch unbem .. theilbar wegen der Un­beDTenztbeit der Einzeldinge, aus denen sie beurtheilt '\re~'den müssen; sodanll möchten sie wohl nicht fähig sein zu erfassen und zu lehren das, woraus sie beurtheilt '\verden, weil es doch einmal vorhererkaullt ist, wenn anders es die;.:) ist, und vorher:lufgefasst. - -VVIe aber .,yäre es nicht lächei'1ich. zu sagen, (lass die Erklärungen nützlich sind ZUT Erfas~nTIe: oder ~ zur BelehTung oder zur Ver­dClltlic.1nm2: überha'llpt, da sie UDS L'udelltlichkeit in sol­cher ?tlenge herzllschlel1pen 'r \Yie z. B., um aueh etwas zu scherzen: wellD Jemancl, der von Jemandem erfahren will, ob ihm ein :ThIensch begegnet sei, der auf einem Pferde ritt und einen Hund sich mtcbschleppte, die F1'3,ge so stellte: ,,0 dn venü'mftiges,. sterlJlich~~ !hie~", fUr Denken und \Vissenschaft empfänglIch, war (r) ehr em lachfähiges 7 breithufiges J für Staatskunde empfängliches Thier begeg1.1et, 'tvelches anf ein sterbliches, c~es -:Vieherns fähiges Thier die (Hinter-)Kl1geln aufgesetzt hatte, indem es sich nachschleppte ein vierfiissig'es, des Bellens fähiges Thier?" "YVie .,Ylire er nicht zn verlachen, wenn er den :J.fenschen i11 Sprachlosigkeit über eine so bekannte Sache versetzte in Folge der Definitionen? Also muss man s~wen die ErklärunG' sei, nach diesen (den Lehrphilo­s;phe~) zu urtheilen ,0 unnütz; sei es mm', dass sie eine Rede genannt \"ürcle, \velche mitteist kurzer Erläutenmg nns zl~m Denken der den Worten nntel'g'elegtell Dinge fülut, wie ja offenbar ist - ist es llenll nicht? - aus dem 'kurz vorher von uns Gesagten ~ oder eine Rede: welche das "Was-war-das-Sein offenbart, oder was Ein81' 'sonst will. Denn auch, \Venll sie darstellen wollen~ was 'die Erklärung' ist, geTathen sie in unbeendeten 1Viderspruch, "'lelchen ich \yegen des Phmes der Schrift

Zweites Buch. Cap. 16. 17. 18. 145

Cap. 18.

Von der Zerlagung eines Wortes in die bezeichneten Dinge.

, '" ~lUlächst also, die \Vissenschaften. meinen ;;:<l'e '0 10 "cnatti ~. h . '1' ,~,~ , .~-l' ~ ~ ~en ,1S1~ IDI,t üell Dmgen, welche durch Natm ~~Lde;;,,~+e~ :oer rr:1t c1~.nen J welche dmch Seünmg sind~

TI n;~" l{eljht; dIe WIssenschaft will ja ein restes 'md mmll1stossbares Ding ~e' l' D" 1· .,' C -;.. -bp : . , - ;:; In, (He mge {urch Setzung aber ~:a .. ~:, el~e Dn~~andlung '. wel~h~ leicht uncl wohlurn­~~:~~~se? 1st, da l'lle durch ~le Abanaerungen der SetzuTIC"en ;.'-'lv . e

A 1; unser~r Macht smc1, geändert werden. Da ~u~

/6 .~~L~ ?urcn Setzung (etwas) bezeichnen und nicht ~Ul'c~.Latur - denn Alle verständen sonst a11 da,g ·uon 'lien LJ8.uten Bezeichnete, in gleicher \\T eise Griechen ~ie

S€-~tU3 Empiricus.. 10

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148 Zweites Buch. Cap. 20.

die Arten betheHigten sich an ~~rr:se!be,l1. Theile ..,ihrer Gattung, oder, an einem a~der~~ und .. (w:e(t~r) emem ~nael'en. Aber an demselben, (das) lst,mcllt moghch m~F.o1ge ~es Vor­hingesagten. "\Y enn ab~r an eme~ anderen una em:!ll a;:deren, so werden einmal dIe Arten 111 Bezug auf ~11~ bat~un&" einander nicht gleich sein - was sie ((He Lel!rphrl?s~pl.ien) doch nicht zulassen werden -, andererseIts, '~1Tu. Jede Gattung unbegrenzt sein, da sie in unbegrel1ztvlel Dmg~ zerschnitten wird, nicht nur in aie Arten, s~nc1ern aucn in die Einzeldinge, worin auch selbst, neben Ihren Arten, "I'''' {feSChallt ,,'ird' denn nicht 1l1U' l\!ensch, sondern ~ v b -,., • UT d' auch Thier ist. wie man sagt, der DlOU. H eun . ,lese (1)1=>1' ~en F' ol,o'el'u~9'en 1 aber widersinni!!' sind. so bethGlhgen u. v U k /:) b / ~. j rrlh 'I 'h' sich die Arten auch nicht in Bezug auf emen . .1 el an 1 Tel

222 Gattung, während sie Eine ist~. Wenn ~?er Jede ~t\l't w~der an d€l' Gattung als Ganzem sIch bethehlgt, ~och af el11~~ Theil von ihr: wie möchte man sa~en, dIe. G~hl1ng. ~~~ Eine in allen i.hren Arten, so dass SIe auch m SIe zerleg u

werde? Vielleicht v-.;äre Niemand im Stande ~s _ Zt~ sagen} ohne O'ewisse Trugbilder zu erdichten, wel.?h~ Jedocn d!1rch ihre (der Lehrphllosophen) eigenen llnen.ts~!leHlbaren "WIder­sprüche, vermöge der skeptischen BewGlsfuhrungen, werden uIDg-estossen werden. _. .

223 - Allsserdem muss mall auch dIeS sagen. ~.le flrte~ sincl so oder so beschaffen; deren Gattungen \smd) ent­weder sowohl so als allch so beschaffen, oder so" zwar, so aber nicht. oder weder so noch, so;. Z .. B. (l~ •. von den irgend\velchen (einzelnen Di?geuj cue. em:ll I,,-o:per sind. die anderen aber unkörperlich, und dIe en~en :,'ahr? die anderen falsch, uncl etliche weiss, wollen wu' en~mal sagen, etliche scbwarz, und etl~che seh; gross, et:lChe sehr klein, und die anderen Dmge gleIch.er,mass~!1' ~o wird das \Vas, Beispiels halber, w~s. Elll1g~ f~r ~le oberste Gattung halten, entweder alle \(hese Dm~e) se_m~ oder die einen (die eine Seite des .. Gegensatze~), L o~er

224 nichts (davon). Aber wenn das Was uberp.aupt mcht,s l~t, auch dre. Gattung nicht (?), so hat die "Un~ersuchm::g em Ende. Wenn aber gesagt würde, es seI All.~S,. so ~I!d -abgesehen davon dass das Gesagte unmoghc!~ 1st -=-

c • 'A ~ . d ;:j P' eldllla'ti In auch Ijedel der Tten unü Je es uer ..Lfm~ b.v ,.

welchen si~ ist, Alles sein m~lssen. D~nn wI,e, :vell ~as Thier, wie sie meinen, eme beseelte, smnhchwaur-

Zv;eites Buch. Cap. 20. 149

nehmende 'Vesenheit jede seiner Arten sowohl Wesenheit g'enannt wird als auch beseelt und sinnlich-wahr­]]~hmend: so wird, wenn die Gattnng sowohl Körper ist a..ls auch unkörperlich, uncl falsch uncl wahr. und schwarz, wollen wir einmal sagen, und weiss} und sehr klein und sehr gross, und alles Andere j jecle der Arten und der Einzeldinge AUes sein müssen ~ was doch schaut wird. Falsch also (ist'; auch dies. 'Venn es 225 Was) aber nur die einen (Dinge) so wird die '-Oe,""""''',,,' diesel' nicht Gatilmg der ührjgell sein, wie z. B. wenn das\'i 80S Körper ist i (es nicht Gattmlg) des liehen J .uud wenn das Thier vernünftig (ist, es Gattung') des Unvernünftigen (ist), so dass weder ein uukör­perliches [\Yas, noch ein unvernünftiges Thier] ist) und in Bezug auf das U ebrige gleichel'massen; was doch wider­sinnig ist. Also kann die Gattung "veeIeT sowohl so als jtuch so beschaffen sein} noch zwar so 1 so aber noch auch wahrhaftig weder so noch so; wenn aher dies (eler Fall ist) J so ist die Gattung auch nicht. - ,Venn aber Jemand sa.gen möchte, (mIr) :Th-'Iöglichkeit nach sei die Gattung Alles 1 so \verdel} \'(i1'

sagen, dass J was Etvms der :Möglichkeit nach ist, g;uch der 1Virklichkeit nach Et'i'i,'aS sein muss. 'Nie z. B. nicht Jemand grammatisch sein kann, der nicht der vVirklichkeit nach J eillaud ist. Auch bei der Gattung also, "velin sie der :Möglichkeit nach Alles ist j fragen wir sie' (die Lehr­philosophen) 7 was sie der \\'irklichkeit nach ist, und so bleiben dieselben Schwierigkeiten, Denn das Entgegen­gesetzte insgesammt kann sie der \Virklichkeit nach nicht sein. Aber (sie kann) ebensowenig die einen Dinge 226 auch (~.er .1Yirl~lichkeit Ila~h (sein), ~ie ~~~deren abe~T!l~lr der Mog'hchkelt nach, \V16 z. B. em 1\..or13e1' der 'Ylrk­

lichkeit nach, der Möglichkeit nach aber Unkörperliches. Der Möglichkeit nach ist ia das, \vas im Stande ist der Vfixklichkeit nach zu be,'3tehel1] aber der Körper der V\'irklichkeit nach ist unfähig ~ unköTperlich zu werden in der Vnrklichkeit i so dass J ' wenn (die Gattunt', Bei­spielshalber , ein Körper der 'VVirklichkeit nach ist J sie nicht unkörperlich ist (leT Möglichkeit nach, und um­gekehrt. Lt\.lso gellt es nicht an, dass die Gattung die einen Dinge der \Yirklichkeit nach sei., die anderen aber nur der JUöglichkeit nach. W tnn sie aber üherlumpt

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150 Zweites Buch. Cap. 20. 21.

Nichts der vVil'kiichkeit nach ist, so besteht sie auch nicht. Also ist die Gattung, welche sie, ':rie sie sa~~n, in die Arten zerlegen, Nichts. - Ferner 1st auch dies betrachtenswel'th. Gleichwie nämlich, weil Al~xandros und Paris Derselbe ist es nicht angeht, dass _dIes zwar wahr sei: ,~.Alexamlros' spazie~t umher", ~}es aber f~lsc.~; ~~Pari8 spaZIert umher', so WI~d, wenn luas :nlenscnsemJ dasselbe ist für TheoTI llncl DlOll, der Zunamen Mensch, zur Zusammenstellung eines Urtheils hel'Z!lgebl'ftcht { da.s lJrtheil in Bezug auf Beiue ~ntwed~r wah! o(le1' .. falsch machen. Aber dies wird nicht gescila~lt; d~nn wahre~d a er Dion sitzt. Theon aber llmherspazwrt, 1st das ~~El~ ~(" eusch f"lpaziert umher" in Bezug auf den Einen gesagt, .c1. '" 'v , f 1 h 1;' 1 '1' -h wahr in Bezug auf den .Anderen aDer, aLse '. ... o_g IC

ist d~r Zunamen :Mensch nicht Beiden gemeinsam 1 und derselbe für Beide, sondern, wenn übel'haupt, jedem von

228

Beiden eigel1thümlich.

Cap. 21.

Von dem g-emeinsamen Zukommenden (gemeinsamen - Eigenschaften).

Aehnliches aber gilt auch von {lern gemeinsamen Zukommenden. Wenn nämlich das Sehen als eines l~nd dasselbe dem Dian wie dem T'heon zukömmt, so weInen sie. _ wenn voraussetzungsweise } Dion zu Grunde gehen j Theon 1 aber übrigbleiben und sehen sollte - e~t= weder sagen, das Sehen des zu G!unde gegang~n~n ?:o~ bleibe unvel'gänglich, was doch mcht augens~hemhc?-. Ist, oder sie werden meinen, dasselbe Sehe~ seI sowohl zu Grunde geo'angen als auch nicht zu Grunde gegangen, was doch thör~ht ist; folglich ist das Sehe~ Theon's. nicht dasselbe mit äem Dion's, sondern, wenn üoerhau.pt, Jedem von Beiden ä<Yenthümlich. Auch geht es Ja, wenn das Athmen al~ dasselbe sowohl dem Dion als auch dem Theon zukömmt, nicht an, dass die in Theon (V01'­O'ehende) Athmung zwar sei, die in Dion aber nicht sei; ~s o-eht aber an sobald der Eine zu Grunde gegangen,

o , f' .. 1 • . • ht '" 'b der Andere aber übrig ist; Olgncn 1st es nIC '" meseL e. ---:-Deber diese Dinge film wird soviel für jetzt genug m Kürze gesagt sein.

Zweites Buch. Cap. 22, 151

C ap. 22.

Von Sophismen,

TI _ :Nicht unpassend aber (ist vielleicht, auch bei der ~e~e über di_e Sophismen mit kurzen (Worten) allZll­ll~lten, .da auch zu deren Auflösung die Dialektik nöthi2' se,l, WIe ihre VerherrlicheT sagen. "Venn diese (die Dl~lekt~k) ~ämlich die ,,:,ahren wie auch die falschen Reüen I,S,?hlusse), sagen SIe, zu sonclern fähig ist, falsche Reden aber auch die Sophismen sind J so möchte sie \v?~l fähig' sein, auch diese zu unterscheiden, welche die Wahrheit (lurch anscheinende Glaublichkeiten veruu­~mmgen. Daher die Dialek!iker, 1vie um dem (gewöhn­l~chen) L~ben, ·wenn es wankt, Hülfe zu bringen sO\vohl den Begnff als auch die Lnterschiede und "'ar Auf­lösungen der Sophismen mit Eifer uns zu l:>lehren ver­suchen; wobei sie sagen, ein Sophisma sei eine Rede. 9~~U1blich llml hinterlistig, so dass sie einen Zusatz !,~chinsssatz) an~imn:t, welcher ~ntwe~ler falsch, oder emem .falschen ahnhchgemacht, oder lllchtoffenbar, oder sonstWIe unannehmbar ist. So z. B. einen falschen rzu­s~tz\ w.ie es sich bei diesem Sophisma -verhält: . Niem"and glebt eme Aussage (Prädicaü zu trinken: ein~ Anssao-e aber ist das V\' ermuth - Trinken; folglich Jgiebt lHema~d 'itVermuth zu trinken". Ferner aber einen einem falschen ~hnlic~e~, wie bei ~~es~m (f?ophisr:a): !,Was .weder mög­ilch war noch moghch 1st j dIes 1st mcht sinnlos (d. h. dies kann stattfinden); mm aber war es v.reder möglich noch ist es möglich, dass der Arzt. inwiefern er Arzt ~~t, '. Wdtet ; [folglich, ist. es nicht sinnlos (nicht ohne ömnJ, dass der Arzt, lllwlefern er ATzt ist. tödtetl. rerner abe~ einen nichtoffenbaren so: "Keinesweg~ habJe ~~h etwas d\ch ,zuerst gefragt, :md keineswegs sind die ;:;terne ger aue \ der Zahl nach); Ich habe aber etwas dich zuerst gefragt; folglich sind die Sterne gel'ade". Ferner aber ~iJ~en sonstwie unannehmbaren, wie die sogenannten soloeClslfend~n (s~rachlich f~hlerhaften) Reden, wie z, B. "Was du erblIckst, 1st; du erblIckst ab er einen vVahnsinnID"en ' folglich ist einen Wahnsinnigen", •. \"/a8 dn siehst,ejst~ du siehst aber einen entzündeten 01'(; ist ein e ~

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Page 71: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

152 Z"WeitES Buc:h. Cap, 22.

232 entzündet e n Ortu• Dann jedoch versuchen sie auen die Auflösungen davon I zu sehen, das heisst] beizub:rh!genj

indem sie bei dem ersten Sophisma sagen t dass All~ereß durch die Annahmen zugestanden worden und Anderes (als Schlusssa.tz) herzngebracht worden sei. Zugestanden ~ämlich ist, dass eine Aussage nicht getrunken werde, und dass das 'V ermuth-Trinken, nicht der Wermuth selbst, eine Aussage sei. 1Yähl'end man deshalb herzllbringen musste: "Folglich trinkt Niemand d~s 1,V'ermllth-T'rinke~", was doch )vahr ist, ist herzugebracht "\V-orden: J'Folg~lch trinkt Niemand ,Yermuth '~, '>'laS doch filJsc~ 1st, ~h,n.e dass es aus den zug'estamlenen Annahmen slCh ergIeD!,

233 Bei dem zweiten (SODhisma) aber (sagen sie) i dass es z\var zu Falschem 'zu ~ verleiten scheine, 80 dass es die Ll1achtsamell ihm beizustimmen bedenklich mache, dass es jedoch Wahres folgere, (nämlich). das: nFo1g>lich .i~t nicht sinnlos 1 dass der Arzt, imV:10ferl1 er. AT~t < lS~2 Wdtet ". Denn kein Lrtteil ist smnlos, em Lrthel1 aber ist das: der Arzt. imviefem er "-~rzt ist, töütet";

234 deshalb sei ~uch dies J nicht sinnlos. Die Yerleitung zu dem Nichtoffenbaren (231) aber gehört, meinel~. ~ief zn. der Art dessel1~ was sich ändert. Denn, weml ]:-ücuts yorhergefragt ist< llach der Voraussetzung, so wird das Verneinende der Zusammenfleehtl1ng "va11r, da die Zl1-sammennechtum:; falsch ist] "\-veil Falsches darin ein­geRochten (ii.ämlich) das: itECh h~be etw!ls dich zuerst gefru!!t ". Nachdem aber (las V erllemencle der Zllsammell­fiecht~mg gefragt \vOTden istt so wiTC1, - d,ft die !Ii~Zl~­nahme: .,Ich habe etwas dich zuerst gefra,gt'· wahr \YUÜ,

,yeil das Verneinende der Zusammenftechtung vor der Hinzl1nahme gefragt worden ist, - der Vordersatz des Ve1'­neinenc1ell der Zusammennechtung falsch j nachdem in dem Zusammengeflochtenen das Fal.sche lya11r geworden ist: so dass niemals der Schlusssatz gefolgert \Verdell ka~l1 wenll nieht das Verneinende der Zl1sammen-, - , 1 . fiechtung mit der Hinzuuahme znsammel1vornam en 1St.

235 Die letzten Reden aber, (hier] die soloecisire~den...? Saqel~ sie. fbringe mall?l thöricht herl)ei g'egen (he (b1)1'aC11-)

Gmvohnheit. " Solches mm zwar sagen einige Dialektiker über

Sophismen. denn Andere sagen Anderes; dies aber kann zwar vielleicht das Gehör der Einfältigeren kitzeln, es ist

aber und sie haben sich darl1it unnütz abv'emühL Und mes sich Yielleichi auch aus dem sch~:n von uns Gesagten sehen; denn dass das 1,Yahre und das Falsche nach den Dialektikern nicht erfasst .... vertlen kanu, wiesen wir auf mannichfache 11'" eise nach, besonders dadurch. dass ,wir ~e. Ze~lgni8se ih!'er syllogistischen Kraft, den BeweiS und ehe mcht-beweis1Jedürftigen Reden. widerlegten. Zu dem vorliegenden Punkte aber lässt sich im Besondem 236 auch vieles Andere sagen, in Kürze aber muss für jetzt dieB gesagt werden. So viele Sonhismen in ei,g'ener Weise die Dia­lektik vdderlegen zu kömiLen glaubt, bei (allen) diesen ist die Auflösung unnütz; bei so vielen aber die Auflösung ~~ese möchte wohl nicht der Dialektiker auflösen, dagegen (l1e (.Th'lämler), \'lelche in jeder einzelnen Kunst das Verstänttniss in Betreff der Dinge besitzen. Zunächst 231 .als? 7 um 11ur ein oder ein z\~eites Beispiel zu 01'­wähnen: "renn (von?j einem Arzt ein solches yorg'elegi \vorden ist: ,.In den Krankheiten soll man bei den Abnahmen tue mannichfache Kost und auch den 1\T ein zulassen; bei jeder Ausbildung einer Krankheit aber eut'­steht vor dem ersten dritteil Tage fdurelnveg1 eine Abnahme: nothwenc1ig also ist es, vor deni ersten dritten Tage dh; mannichfache Kost und auch den ,Yein meistelltheIls an­zuwenden", so möchte der Dialektiker wohl Niehts zu

\vissen zur Auflösung der Rede, obschon sie nützlich der Arzt aber \Yinl das Sophisma auflösen, weil 238

dass man unter Abnahme z\veierlei versteht: die yon dem Höhepunkte zum Besseren. sowohl bei

der ganzen Krankheit. als auch bei jeder theUweisen nmg i und dass yoi· dem erstEm dritten <Tag'e zwar ~1ei.~ten.theils e~ne Abnahme entsteht, (nämlich!v die der th8uwelsen SteIgerung, vdr die mannichfache Kost aber nicht bei dieser zulassen, sonderll bei der Abnahme der ganzen Knmkheit. Daher wird er auch sagen, die An­na~m€ll der Rede befänden sich in Missfügung, indem eine :ma.ere Abnahme in der el'sten Annahme angenommen wird, nämlich die des ~al1zen Leidens, eine ande~e aber in (I:.er zv~eiten, nämlich die der theiI,'(eisen (Steigerung:, Lud '.nederuID] wenn bei einem in Folge starker Ver- 239 dichtung F~ieberheissen die derartige Fülgerung a11S­

g_Bsprochell 1st: "Das Entgegengesetzte ist Heilmittel des Entgegengesetzten; entgegengesetzt aber ist der VOT-

Page 72: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

154 Zweites Buch. Cap. 220

handenen Hitze das Kalte~ folglich ist der vorhandenen 240 Hit.ze das Kalte angemessen" - so wird der Dialektiker

still sein; der Al'zt '-'aber, weil er weiss, welche Leiden in erster Reihe anhaltend sind. und welches deren Zufälle (Symptome), wird sagen j nic~t a}lf die Zufälle tl'ef!:~ die Rede zn - sicherlich trete Ja e111, dass auf das Hmzu­giessen des Kalten die Hitze grösser werde -, sondern auf die anhaltenden Leiden; und die Zllsa.mmenziehl1ng sei anhaltend~ welche ja nicht die Verdichtung, sondern d~e erweichende 'Behandlungsweise erheische; der (Umstand) der nachfolgenden 1Yärme aber sei nicht in erster Reihe anhal~ell(l, w~shalb ~uch nicht, das [~alte~] ihr l\ngem~ss~nes

241 zu sem Bcheme. TInc1 so wIrd emerseIts bel denJemgen Sophismen welche in nützlicher '-Veise die Auflösung erheischen: der Dialektiker nichts zu sagen wissen; hat er uns abel' solehe Folgerungen vorgelegt: " Wenn du nicht sowohl schÖlle Hörner als auch Hörner hast, so hast du Hörner; nicht aber hast du schöne Hörner und hast

242 Hörner; folglich hast dn Hömel'''; - ,,'Venn sich etwas bewegt, so bmYegt es sich entweder in dem Orte, wo es ist, oder, wo es nicht ist; weder aber, wo es ist - d~nn es bleibt (darin) - noch, wo es nicht ist; denn wie möchte etwas in jenem (Orte) thätig sein, wo es überhaupt nicht

243 ist? folglich bewegt sich Nichts"; - "Entweder wird das Seiende oder das Nichtseiende; das Seiende mm 1vi:rd nicht, denn es ist; aber auch nicht das Nichtseiend~; denn das Werdende erleidet etwas, das Nichtseiende aber er-

244 leidet Nichts; folglich wird Nichts"; - "Der Schnee ist festgeworclenes Wasser; schwarz aber ist das WasseT; folg'lich ist der Schnee schvmrz" - und hat er etliche solche Possen gehäuft, so zieht er die Augenbrannen zusammen, und langt die Dialektik vor, und sehr feierlich versucht er uns durch syllogistische Beweise zu begründen, dass Etwas wird, und dass sich Etwas bewegt, und dass der Schnee weiss ist, und dass '.vir nicht Hörner haben. ob­schon es doch vielleicht genügt, den Augenschein ihnen gegenüberzustellen, um ihre festversichernde Behauptung zu zertrümmern durch das gleichkräftige Gegenzenglliss aus dem Erscheinenden selbst. Darum fUrwahr spazierte auch ein Philosoph, als ihm die Folgerung gegen die Be­wegung vorgelegt war, schweigend umher, und di~ Menschen im (gewöhnlichen) Leben machen Fuss - UJl(l

Z\veites Buch. Cap. 22. 155

.seereisen und -verfertigen Schiffe und Häuser und zeugen Kinde!'; unbekümmert um die Reden gegen die Bewegung und das \Verden. Es geht aber auch von dem Arzte 245 Hel'ophilos ein artiges \Vort· dieser war nämlich Zeit­genosse mit Diodoros, welcher, possentreibend mit der Dialektik 1 sophistische Reden vorbrachte gegen vieles Andere tillG besonders die Bewegung. 'Wie alsoJ als er sich einmal eine Schulter ausgerenkt hatte, der Diodoros, um sich heilen zu lassen, zum Herophilos kam so scherzte jener zn ihm mit elen 1'1orten: "Entweder die Schulter in dem Orte seiend, wo sie war, ausgefallen, oder, wo sie nicht \val'; weder aber, wo sie waT, noch, wo sie nicht wal'; folglich ist sie nicht ausgefallen"; so dass der Sophist inständig bat, die derartigen Reden sein zu lassen, wohl gber die nach der Heilkunst entsprechende Pflege ihm zu gewähren. -Denn es genügt, mein'-ich, erfahrungsmässig und ansichts- 246 los, nach den gewöhnlichen (gemeinsamen) Beobachtllug'en und Vor::mnahmen zu leben, während man über das, was aus lehrphilosophischem Ueberfleiss und g'ar sehr allsser-halb des Lebensbedürfnisses geredet wird, an sich hält. Wenn also die Dialektik das, \vas alles mit gutem Nutzen gelöst würde, nicht auflösen möchte} von all denj enigen Sophismen aber, welche - wie vielleicht Mancher zugeben möchte - von ihr gelöst werden, die Auflösung unnütz ist: so ist in Bezug auf die Lösung der Sophismen die Dialektik unnütz.

Aber, wenn man selbst von dem 1 was bei den Dia- 247 lektikern gilt, ausgeht, möchte man auf folgende ~Veise in Kürze zeigen 1 dass das überflüssig ist, was übel' die Sophismen bei ihnen eben ausgekünstelt wird, An die dialektische KunstJ sagen die Dialektiker, seien sie heran­gegangen, nicht blos um zu erkennen, was? (tmd) woraus? etwas sich folgern lasse, sondern vorzugf:nveise, damit sie durch beweisende Reden das \Vahre und das Falsche zu beurtheilen wiissten; sagen sie doch, es sei die Dialektik eine Wissenschaft des Wahren und Falschen und dessen, was keines von Beidern ist Da sie demnach selbst meinen, 248 wahr sei die Rede (Schluss'), welche mitte1st \yahrer An­nahmen einen wahrEm Schhisssatz folgert, 80 werden wir, sobald eine Rede vorgelegt wird, welche einen falschen Schlusssatz hat, wissen, dass sie falsch ist, und werden ihr nicht beipflichten. 'Denn nothwendigeriveise ist auch

Page 73: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

156 Z,yeites Buch, Cap. 22,

die Rede selbst entweder nicht folgernd, oder sie hat nicht einmal wahre Annahmen. Und dies ist offenbar

249 aus Folgendem. Entweder folgt der in der Rede haltene) falsche Schlusssatz der durch ihre Annahmen (entstellenden) ZusaIDmenflechtung, oder er folg,t ihr nicht. Aber wenn er nicht folgt, so wird es auch eine folgel'nde Rede nicht sein; denn sie sagen, eine folgernde Rede entstehe, sobald der durch ihre Annahmen (entstehenden"; Zllsamm'enfiechtung der in ihr (enthaltene; Schlusssatz folge. -VVenn er aber folgt, so ist nothwemlig', dass auch die durch die Annahmen (entstehende) Zusammenflechtune' falsch sei, laut ihren eigenen Kunst~tückchen; denn sie meinen, dass das Falsche Falschem folgt J \Vahrem aber

250 keines'tvegs. Dass aber die nicht folgernde oder nicht wahre Rede nach ihnen auch nicht beweisend ist, ist offenbar aus dem vorher Gesagten. 'Venn also, nachdem eille Rede vorgelegt ist, in welcher der Schlusssatz falsch ist, Wif, dass die Hede nicht wahr ist und nicht folgernd,< ehendal'aus erkennen; weil sie einen falschen Schlusssatz hat, so werden lvir ihr nicht beistimmen, auch welill wir llicht erkennen sollten, welchem Umstande zufolge sie clas Trügerische enthalte. Denn, gleichwie wir auch nicht zugeben, dass das wahr ist, was von elen rraschenspielern gemacht '.vird J somlern wissen 7 dass sie betrügen, auch wenn wir nicht erkennen sollten, IV1e sie betrügen: so glauben 'tYir auch nicht den falschen, doch glaublich scheinenden Reden, auch wenn WiI' nicht erkennen sollten,

251 \yie sie fehlschliessen. Oder, weil sie l1ieht nur zu Fal~ sehern zu verleiten [scheinen ?] chuch die Sophismen, sondern auch zu andern Lngereimtheiteu , so muss man in allgemeinerer V\T eise. so folgern. Die vorgelegte Rede führt uns entweder zu etwas Unannehmbarem 7 oder .zu etwas Derartigem, dass mau es annehmen muss. Aber \yenn mm das Zweite so ,venlen wir nicht mit Ll1-recht ihr beistimmen; wenn (sie~ aber zu etwas Unannehm­barem (führt). so werden nicht sowohl ,viI' vorschnell, in Folge der dlaublichkeit, der Ungereimtheit heistimmen t als -vielmehr jene von der Rede, \'lelche den unge­reimten Dingen beizustimmen zwingt, abstehen müssenJ wenn sie doch nicht knabenhaft zu schwatzen. sondern das 'Yahre zu suchen, wie sie yersprechen, 'sich VDr-

252 genommen hahen. Denn, gleichwie] wenn ein 1Yeg zu.

Zweites Buch. Cap. 22. 157

~rg~nd einem Abgrund führen möchte, "\vir nicht uns selbst m (ten Abgrund stürzen, darum weil es irgend einen zu. ihm führenden Weg giebt, sondern von dem Wege uns fernhalten wegen des Abgrundes: so werden wir auch, wenn eine Rede zu etwas zugestandenerrrmassen Ungereimt.em uns verleiten möchte, mit nichten dem Ungereimten beistimmen wegen der Rede, sondern werden von der Rede uns re:ru­halten wegen der Ungereimtheit, Sobald man uns also 253 in dieser Vl eise eine Rede vorlegen sollte. so werden wir b~i jedem Vordersatz an uns halten, (und) dann, nachdem ehe ganze Rede vOl'gelegt ist, werden wir das, was (uns) ~ut scheint, vo:rbringen. ~Tnd wenn doch die Chrysippischen Lehrphilosophen meinen, bei dem Vortrag des SOl'ites (Hällfel­schluss) solle man, während die Rede vorschreitet, stehen bleihen und an sich halten, um nicht in Ungereimtheit zu gerathen : so möchte es sicherlich viel mehr für uns g'eziemend sein, die wir Skeptiker sind, sobald wir eine Un­gereimtheit argwöhnen, nicht zu straucheln bei dem Vor-trag der Annahmen, sondern an uns zu halten bei einzelnen bis zum g'änzlichen V ortra::; dm' Rede. 254 wir nun, die wir ansichtslos von der Beobachtung des Lebens ausgehen, weichen so den trüe:erischen Reden aus; aber die Lehl'philosophen werden unmöglich zn unterscheiden im Stande sein das Sophisma VOll aer­jenig'en Rede J wekhe in gehörigel' 1Veise vorgetragen zu werd.en, scheint, 'Yenn es doch nöthig ist, {lass sie lehrphilo­sophIRen entschelClen, sowohl (darüber) dass die Form der Rede folgernd ist, als auch, dass die Aimahmen wahr oder, ~ass es sich ~ich~ so verhält; denn wir zeigt.en oben, 255 dass Sie weder dIe folgernden Reden erfassen können noch zu beurtheilen im Stande sind, dass etwas t'lahr sei: da sie weder Urtheilsmittel noch Beweis in zugestandener Weise lJesitzen, wie \Yir aus dem von jenen selbst Ge­sagten zeigten. TI eber:ftüssig also ist, hiernach zn 111'­

theilen, die bei den Dialektikern vlelgertthmte Kunst­fertigkejt von den Sophismen.

Page 74: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

158 Zweites Buch. Cap, 23.

C apo 23.

Von Zweideutigkeiten (Amphibolien),

256 Aehnliches aber sagen \vir auch in Betreff der unterscheidung der Zweideutigkeiten. Delli"'l, wenn alB

Zweideutigkeit ein Ausdruck ist, welcher zweierlei und [oder auch?] Mehreres bedeutet, und die Ausdrücke eille Bedeutung haben durch Setzung: so werden alle die­jenigen Zweideutigkeiten j welche 2.ufzuiäsen nützlich ist, das heisst, die in irgend einem der Erfahl'ungsge~iete (yorkommenden), die in der einzelnen Kunst Eingeübten auflösen, weil sie selbst die Erfahrung des von ihnen geschaffenen, die V\Törtel' in Bezug' auf das Bezeicn-

257 nete feststellenden Gehrauches haben, der Dialektiker aber keineswegs; wie z. B. bei diesel' Zweideutigkeit: .;Bei den Abnahmen (der Krankheit) soll man die mannichfache Kost und den "Wein zulassen':" Schon sehen wir aber auch im (gewöhnlichen) Leben selbst auch die Knaben Zweideutigkeiten nnterscheiden, deren Lnterscheidul1g ihnen nützlich zu sein scheint. Vi enn z. B. Jemand, dei gleichnamige Sklaven hat, einem Knäblein befehlen möchte, man solle ihm den Manes, ~wollen wir einmal sagen, rufen - dieser Name nämlich sei den Sklaven gemeinsam -, so wird der Knab~ fragen: welchen? lT nd wenn Jemand, der mehrere und verschiedene Weine hat, dem Knäblein sagen möchte: "Giess mir von dem Wein zn trinken ein!" so 1vird der

258 Knabe gleichfalls fragen: von welchem? So führt die in jedem Einzelnen (vorhandene) Erfahrung des Nützlichen

Ldie Unterscheid1ulg herbei. . Soweit jedoch die Zwei­deutigkeiten nicht in irgend einem der zum Leben ge­hörigen Erfahrllngsgebiete stattfinden, sondern in 1ehr­philosophischen Vermuthungen (Einbildungen) gelegen und vielleicht nutzlos sind zu dem ansichtslosen Leben: wird deI' Dialektiker. obwohl er zu diesen (Zweideutig­keiten) ein eigenes Verhältniss hat (auf eigene \11' eise darüber denkt), gezwungen werden, auch bei ihnen in gleicher YVeise an sich zu halten? in Folge der (ullserer) skeptischen Beweisführungen, inwiefern sie (die Zwei­deutigkeiten) mit nichtoffellbaren und llnerfassbaren oder

Zweite::; Buch. Gap. 23. 159

sogar nichtbestehenden Dino'ell vielleicht zu"'a.mmen-1 •• ~~ • - Ab Ö "

venmupu sm(i, er hierüber werden wir auch ein 259 a?-derma~ reden; wenn aber ein Lehrphilosoph geD'en er:w~s hlervon l,viderspruch zu erheben versuchte. b so ~vmi er d~e skeptische Rede bestärken, Ck'tdurch dass er m Folge der Beweisführung von beiden Seiten aus un.! ~,es unen~c~eidbaren Widerspruchs die Zurückhaltl~ng uoer ~as lp 1! ra~'e Ste}lende auch selbst befestigt.

Naehaem WIr SOVIel auch über Zweideutigkeiten ;spro.~hen. ~aben7 heschliessen wir fhier etwa?l allch zwel~en ADschllitt der Grundzüge. - "

Page 75: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

Drittes Buch.

Leber den logischen Theil der sogenannten Philo- 1 sophie film möchte für einen Grundriss so viel zu sagen genilgen; indern wir aber in derselben Weise der Dar­stellung auch an ihren physischen Theil herantreten, )vollen wir nicht g'egen jedes Einzelne des von ihnen Gesagten auf der Stelle Widerspruch erheben J sondern da.s .Angemeinere zu erschüttern versuchen, mit welchem auch das lJebrige umgestossen wird. Anfangen aber wollen wir mit der Rede über die Anfänge (Principien}~ und weil einmal bei den ]}'Ieisten U ebereinstimmung dar­über ist, dass von den Anfängen die einen stofflich seien, die anderen thätig, so wollen wir ruh den thätigen den Anfang der Rede machen; elenn diese, meinen siej

seien noch vorzüglicher als die stofflichen.

Oap.1.

Von Gott.

Also lasst uns, da die Mehrzahl ausg'esprochen hat, 2 Gott Bei das thätigste Ursächliche, vorher über Gott die Betrachtung anstellen, nachdem vdl' das vorbemerkt haben, dass wir zwar, dem Leben ansichtslos folgend, sprechen, es gebe Götter, und dass wir Götter ehren, und dass wir sprechen, sie üben Vorsehung, aber gegen die Vorschnellheit der Lehrphilosophen Folgendes sagen. Von denjenigen Dingen, welche wir uns vorstellen, müssen wir uns die Wesenheiten denken 7 z. R ob sie (jene Dinge) Körper sind oder llllkörperlich. Aber auch die Gestalten; denn ein Pferd könnte sich Jemand nicht

11*

Page 76: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

164

vorstellen ohne vorher die Gestalt des Pferde~ kennen gelernt Zl~ haben. Auch muss das Vorgestellte rrgendwo

3 vorO'estellt werden. Da nun unter den LehrVhilosophell die beinen sagen, der Gott s:i e~n Körper" dIe an~e:enr (er sei) unkörperlich, fund .dle ,eu:ell, er SeI ,me~scnhch-gestaltet die andern. \ er Sel es) nIcht, und dIe emen, er

" I' d / ( ." h' lnil sei an einem Orte, die an eren, .,er SeI. es) mc t; TI ,'-'-

von denen (welche sagen, er seI) an el1~em Orte, dIe einen (er ~ei) innerhalb der Weit, die anderen ~ nuss.er­halb! i ~ie w/erden wir eine V orstellung vo~ Gott . ne­kommen können. ohne weder eine Wesellhe~t von ~hm zu haben welche zugestanden wäre, noch eme Gestalt, noch eine~ Ort an dem er wäre? Denn vorher sollen Jene zuO'estehe~ und darin übereinstimmen, dass der Gott so b und so beschaffen ist; dann erst, ll!lchde;n sie ihn uns so im Umriss dargestellt haben,. sollen 8le verlangen dass wir eine Vorstellung VOll Gott bekommen. So lange J sie aber entscheidungslos sich wi~ersprechen~ so ha-ben wir von ihnen nichts, ,was wir uns .In zl1gestan-

4 deuer Weise denken werden. Aber, sagen Sie! nachdem du dir etwas Unvergängliches und. Glitcksebges. vo.r­e:estellt hast nimm an, der Gott sei dieses! Das aUer l~t thör.ieht; de~n gleichwie, wer den Di0l! nicht .kennt, a;l~ll die ihm als Dion zukommenden Dmge ~lCht d~nKvn kann, so werden wir, da wir die 'N esenh61t ~es Go~te; nicht kennen, auch die ihm . zukomn:~nden Dmge mob ~

o kennen lernen und uns vorsteHen konnen. ~~gese~en hiervon aber sollen sie uns sagen, was (las GhlC~seliE!e ist? ob das (leI" Tugend gemäss vVirk.ende un~ fur die thm selbst unterp"eordneten Dinge Vorsorgenae! oder (las Ünwirksame, °und, was wed~r selbst ~esch~fte hat 110ch einem ~t\.nderen verursacht t denn ua SIe a?-ch hierüber entscheidungslos sich widersprechen, so hanen sie uns das Glückselige unvorstellbar gemacht J des\vegen aber auch den Gott., '._

ß Gesetzt aber auch, dass der Gott. ged~cht werde, so muss man darüber, ob er ist oder mc~lt l~t" nach d~m (was) be: den Lehrnhilosophen (gesagt WIrd), an SICh halt;;'n "Denn dass" de1' Gott ist. ist einerseits nicht O'tm:offenbar Denn ,venn er aus sich selber (unmittelbar) b" ll_ II • . t ~> L 1 m'i unter unsere Sinne fiele, so stimm en (He. _ enrp , LO-

sophen wohl chn'in überein, wer er ist und Wie beschaffen

Drittes Buch. Cap. 1. 165

\md wo; der unentscheidbare Widerspruch aber hat bewirkt, dass er nichtDffenbar uns zu sein scheint und eines Beweises bedürftig. Wer nun sagt J dass Gott ist, '1 beweist dies entweder durch Ganzoffenbares oder durch Nichtoffenbares. Durch Ganzorrenbares nun keineswegs; denn wenn das, was beweist, dass Gott ist, ganzoffenbar wäre. so wird - weil, was bewiesen wird< neben dem­jenigEm, was beweist: gedacht und deswegen auch mit ihm zusammenaufgefasst wird j wie wir auch enviesen haben - auch, dass Gott ist, ganzoffenbar sein, weil es mit dem zllsammenaufgefasst wird, was, indem es jenes beweist, ganzoffenbar ist. Es ist aber nicht ganzoffenbar [dass Gott ist], wie wir erörtert haben; es wird also .such nicht durch ein Ganzoffenbares bewiesen. Aber 8 s,uch nicht durch ein Nichto ffenb ares. Denn das Nicht­offenbare , welches beweist, dass Gott sei j wird - da es eines Beweises bedarf - wenn man sagen möchte} es werde durch ein Ganzoftenbal'es bewiesen. nicht mehl' nichtoffenbar sein, sondern ganzoffenbar. Also wird das es beweisende Nichtoffenbare nicht dm'eh Ganzoffenbares bewiesen. Aber auch nicht durch Nichtotfenbal'es ~ clenn wer dies sagt, wird ins Unbegrenzte hinausgeratheu) indem \vi1' immer einen Beweis für das Nichtoffellbare verlangen, was zum Beweise der vorliegenden (Aufgabe, vorgebracht wird. Also kann aus einem Anderen nicht bewiesen werden, dass Gott sei. Wenn es aber weder 9 .aus sich ~elhst g~nzoffellbar: ist, noch,. aus eine;;n A~­deren beWiesen ,,,"ud, so wlrcl es unermsshal' sem, 00 Gott ist.

Ferner muss man auch dies sagen. vYer sagt, Gott sei, der meint entweder, dass er Vorsorge übe für die (Dinge) in der Vfelt oder nicht übe; und wenn er Vor­sorge übe, so entweder für ~~lle.8 oder' Einiges. Aber wenn er für Alles Vorsorge übte, so gäbe es weder etwas Schlechtes (U e bies) noch Schlechtigkeit in der Welt; von Schlechtigkeit aber ,sagen sie, sei Alles yoll; nicht für Alles also, wird man sagen, übe der Gott Vorsorge. Wenn er aber für Eiillges Vorsorge übt: weshalb übt er 10 zwar für Dies Vorsorge J für Jenes aber nicht t Denn entweder \vill und kann er für Alles Vorsorge üben; oder er wül zwar, kann aber nicht; oder er kann zwar, will aber nicht; oder er will wedel' noch kann er. Aber,

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166 Drittes Bueh. Cap. 1. 2,

wenn er sowohl v,roUte als auch könnt.e, so ühte er für Alles Vorsorge; er übt aber nicht für Alles Vorsorge nach dem Ebengesag1en; nicht also will und kann er für Alles Vorsorge üben. Wenn er aber zwar will, aber nicht kann, so ist er schwächer als die Ursache, deren­wegen er nicht Vorsorge üben kann für das, wofür er

11 nicht Vorsorge übt; es ist aber gegen den Begriff Gottes schwächer zu sein als Etwas. Wenn er abel' für Alles zwar Vorsorge üben kann, aber nicht will, so möchte man meinen, er sei neidisch. Wenn er aber weder will noch kann,' so ist er sowohl neidisch als auch schwach, waB doch von Gott zu sagen (nur) Unfrommen zukömmt. Also übt der Gott für die Dinge in der Welt nicht V or­sorge. Wenn er aber für Nichts Vorsorge trifft und es von ihm kein \Verk giebt noch eille Wirkung, so wird Niemand sagen können, woher er erfasse, dass Gott ist, wenn er doch weder aus sich selbst sich zeigt noch durch h'gend welche Wirkungen aufgefasst wird. Und deswegen also ist

12 es unerfassbar , ob Gott sei. Biel'aus aber schliessen wir, dass diejenigen, welche festvel'sichernd sagen, Gott sei, vielleicht gezwungen werden unfromm zu sein: denn wenn sie meinen, für Alles übe er Vorsorge, so werden sie sagen. an schlechten Dingen sei der Gott Schuld; wenn sie 'aber sagen, für Einiges oder auch Nichts übe er Vorsorge, so werden sie gezwungen werden, entweder zu sagen, der Gott sei neidisch, oder, schwach; dies aber kömmt ganzoffenbar Unfrommen zu.

Cap. 2.

Vom Ursächlichen.

13 Damit aber nicht auch uns die Lehrphilosophen zu lästern vel'suchen, aus Unfähigkeit uns thatsächlich zu widersprechen, so wollen wir im Allgemeineren über das wirkende Ursächliche die Untersuchung anstellen, nachdem wh' vorher haltzumachen versucht haben bei dem Begriffe des Ursächlichen. Nach dem von den Lehrphilosophen Gesagten nun venuöchte sich Einer das Ursäehliehe nicht einmal vorzustellen. da sie ja. ausserdem dass sie widersprechende und befremdliche Vorstellungen von dem

Drittes Buch. Cap. Z. 167

Ursächlichen [angegeben haben], auch noch sein Bestehen unfindbar gemacht haben in Folge des Y-liderspnlChs darüber (über das TJrsächliche). Denn die Einen meinen, das Ursäch­liche sei ein Körper, die Anderen, es sei unkÖrperlich. Es 14 möchte aber ursächlich gewöhnlich (mehrentheils') nach ihnen dasjenige scheinen; ,velchern zufolge, indem es thätig ist, die Wirkung geschieht; wie z. B. die Sonne oder die Sonnenwärme (ursächlich) davon, dass das Waehs geschmolzen wird, oder VOll der Schmelzung des Wachses; denn auch hierin sind sie im Widerspruch, indem (lie Einen behaupten, das Ll'sächliche sei Ursächliches der Benennungen, wie z. R der Schmelzung, (lje Anderen, der Aussagen, ,;vie z. B. des Geschmolzenwel'dens. Also~ wie gesagt, gewöhnlich möchte das Ursächliche dasjenige sein, welchem zufolg'e, indem es thätig ist, die Viirkung geschieht. Von diesen ursächlichen Dingen aber, meint 15 die Mehrzahl, seien die einen insichenthaltend, andere mitursächlich , andere mitwirkend. Und zwar seien iu­sichenthaltend die, bei deren Gegenwart die vVirkullg gegenwärtig ist und hei deren Aufhebung sie aufgehoben wird und hei deren Verminderung sie vermindert wird -denn in diesel' 1Yeise, sagen sie, sei die Umlegung des Stranges ein Ursächliches der Erstickung -; mitursäch­lich sei, was die gleiche Kraft wie ein anderes l\Htur­sächliches hinzubringt für das Sein der Wirkung - in dieser Weise sei jedes der den Pflug ziehenden Rinder, sagen sie, ein Ursächliches für die Ziehung des Pfluges -; mitwirkend aber, was eine (nur) geringe Kraft hinzubringt, und zwar dazu, dass die Vvirkung mit Leichtig'keit vor­handen sei, wie z. B. wann, während Zwei irgend eine Last mit Mühe tragen, irgend ein Dritter hinzukommend diese (Last) miterleichtert. Einige jedoch sagten, es sei 16 auch Gegenwärtiges Ursächliches VOll Zukünftigem, wie das Frühetbeginnende; so z, B. die heftige Sonnenwärme vom Fieber. Manche aber stellten dies in Abrede, weil ja das Ursächliche, da es in Bezug auf Etwas vorhanden sei und zwar in Bezug auf die Wirkung sei, nicht als Ul'sächliches ihr vorhergehen könne. In der Darlegung: der Zweifel hierüber aber sagen wir Folgendes. '-' U

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168 Drittes Buch. Cap, 3,

Cap. 3.

Ob es ein Ursächliches von Etwas giabt.

17 Glaublich ist es, dass das Ursächliche ist; denn wie geschä~e wohl Vermehrung (und) Ver~nd~r~mg, Entste~~n (und) Vergehen, überhaupt Bewegung, \uud) .]~de der natur­lichen sowohl als auch seelischen Wirkungen, dIe Verwaltung der ganzen Welt, (und) all das Uebrige, ,"!enn nicht ge;näss einer Lrsi.whe? Denn auch wenn mchts von diesen Din~'ell der Natur nach (in Wirklichkeit) vorhanden ist, so "\verden wir sagen, dass sie aus irgend einer Urs~whe

18 durchaus uns so erscheinen, wie sie nicht sind. Aber es wäre (entstände) auch Alles aus Allem und wie es sich ererade träfe wenn eine Ursache nicht wäre. So z. B. ö' 11 ., 1 werden Pferde von Mäusen, wo en WI! emma sagen, gezeugt werden, Elephanten von ~~mei~en i und..in d~m Aegyptischen Theben entständen emmal Regengusse 1m Uebermuss und Schneefälle, elie feuchten (südlichen Gegen­den) aber wären ohne Regengüsse, wenn nicht irgend eine l'rsache wäre weshalb die feuchten stürmisch;

19 die gegen :Morgen ;ber dürr wären. Ab~r ~s .:'T~d~r_Iegt sich auch (selbst), wer meint, es gebe kem lJrsacbhches; denn wenn' er sag1, er meine dies schlechtweg und ohne irl)'end eine Ursache J so wird er unglaubwürdig seIn; w~nn aber aus irgend einer Ursache, so setzt er das Ursächliche während er es aufheben will, [indem er au­O"iebt] eine 'ursache weswegen ein Ursächliches nicht sei. o Deswegen ist 'es nun zwar glaublich, dass das Ur­sächliche sei ~ dass aber auch glaublich ist, zn sagen, es gebe von Nichts etw-as Ursächliches i wird sic~tbar sein,

20 sobald wir wenige Reden von vielen gegenwärtIg zur Er­örterung dessen vorlegen. So z. B. ist es sicherlich un­möglich das Ursächliche sich vorzustellen, bevor man dessen Wirkung aufgefasst hat als seine Wirkung; denn dann (erst) erkennen wir 1 dass es das Ursächliche der Wirku'np' -ist sobald wir - l' eue als Wirkung auffassen. 0' v 21 Aber auch die -Wirkung des Ursächlichen vermögen wir nicht als seine Wirkung aufzufassen, wenn wir nicht das Ur­sächliche der Wirkung als ihr Ursächliches aufgefasst haben;

Drittes Buch. Cap. 3. 169

denn dann (erst) glauben wir auch zu erkennen, dass es seine W-irkung ist, sobald wir ihr -Ursächliches ais ihr Ur­sächliches aufgefasst haben. \iT enn ';vir nun, um lIDS einer- 22 seits das Ursächliche vorzustellen, vorher die VfÜ'bmg erkannt haben ~üssen, um aber andererseits die 'Virkung zu erkennen, WIe gesagt, vorher das L rsächliche wissen müssen, so zeigt die Schwierigkeitsweise des Durch­einander Beides als undenkbar. da weder das Ursächliche als Yrsächliches noch die Wirkung als VFirlnmg gedacht werden kann; denn da jedes von ihnen Beiden der Be­glaubigung von dem andern her bedarf so "verden wir

-lÜCht w1ssen, mit welchem von ihne~ wir die Vor-stellung beginnen sollen. Deshalb '\venlen wir aTich nicht aussprechen können, dass es irgend ein Ursächliches von Etwas giebt. Gesetzt aber, es gäbe auch Einer zn, dass 23 das Ursächliche vorgestellt werden könne, 80 möchte es für lluerfassbaT erachtet werden wegen des vYidersprnchs. Denn wer sagt, es gebe irgend ein Ursächliches VOll Et­was, sagt entweder doch, er meine dies schlechthin und von keiner vernünftig'eu Ursache ausgehend, oder er -wird au~ einigen Ursachen zu dieser Beistimmung zu gelangen memen. Uml welln (er es) nun schlechthin (meint'l so ,vird er nicht glaubwth'diger sein als der, welch~r schl~cht~ hin sagt, es gebe nichts L rsächliches \Ton Nichts: wenn er aber auch lJrsachen sagen wird. weshalb er! meine. ~s g~be irgend ein Lrsächliehes von' etwas, so ,,,ird er das I? Frage Stehende durch das in Frage Stehende zu erweIsen suchen: denn ,yährend wir fraO'en ob es irrrend • IT .. 11" h! E- b , b

eIll ,rsac 1 le es yontwas gebe, so sagt er, - da es (nach ihm) eine Lrsache davon giebt, dass es Ursächliches giebt, - es gebe Ursächliches. Lnd ferner, da wir llRCh 24 dem Vorhand ensein des TI rsä chli ehen fragen j so wird es durchaus nöthig sein, dass el' auch zu der Lrsache davon, dass es ehvas Ursächliches "'ebe. eine Ursache da.rbiete, ulld zu jener (wieder) eine ~naere und (so forf. b!s ins Lnbegren~te. Unmöglich aber ist e~, unbe~enzt~ Ursachen darzubIeten; unmöglich also, festyersichernd kundzuthun, dass es von Etwas irgend ein Ursächliches gebe. Ausserdem, entweder macht das Ursächliche die 25 1Virkllng, während es schon als Ursächliches ist lIDd he­steht, oder, währeno es nicht Lrsächliches ist. Und .... vährend es nun nicht (Frsächliches) ist] keineswegs; ~wenn

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170 Drittes Buch. Cap. 3.

aber, während es ist, so muss es selbst a~s U!Sächliches vorher bestehen und vorhergewo_rden sem, \ un~) dann so die Wirkullo- herbeiführen, welche doch von lhm ge­wirkt wird wi~ man sagt, während es schon Ursächliches ist. Aber' da das TI rsächliche in Bezug auf Etwas ist und zwar 'in Bezug auf die Wirkung: so ist deutlich, dass es nicht vor dieser als Ursächliches bestehen kann; al..s0 :luch nicht während es Ursächliches ist, kann das U:r-

26 sächliche das wirken, dessen Ursächliches es ist. Wenn es aber weder während es nicht TI rsächliches ist, etwas wirkt noch ;ährend es (Ursächliches) ist, so wirkt es alleh 'Nicht;. Deshalb wird es auch ein Ursächliches ni~ht geben; denn, ohne etwas zu ·wi:rk~n, kann (las Ur­sächliche nicht als Ursächliches gedacht werden. Daher sagen Manche auch Folgendes. Das Ursächliche muss ent­weder mit der \Virkung zusammenbestehen , oder vor dieser bestehen. oder nach ihr werden. Zu sagen nnu r

dass das Ul'sächliche ins Bestehen geführt werde nach dem V't;Terden seiner Wirkung, - dass d!ls nur ll!cht sogar lächerlich ist! Aber auch. vor .dieser kann e~ mC,~t~ bestehen; denn in Bezug auf Sie WIrd es geda~ht? w ~e

27 man sagt· die (Din2:'e'l In-Bezup'-auf-Etwas aber j Inwwfern sie in Be~ug auf Eh~as sind,osind, sagen sie selbst, mit einander zusammenvorhanden und werden zusammengedacht. Aber (es kann) auch nicht (mit der \Virkung) zusammenbe­stehen'; denn wenn es sie bewirkend ist, das \Verden~e ~ber durch ein schon Seiendes werden muss, so muss das LJrsach­liehe vorher Ursächliches werden, (und) dann so die Wirkung machen. Wenn nun das Ursächliche weder vor seiner ·Wirkung besteht, no~h. mit ~ieser zusammenbes~.eht, aber auch nicht vor [nach!] Ihr WIrd, so ~at es wo~l ub~rhau.pt

28 auch nicht an einem Bestehen Theü. Deuthc~. aDer !st vielleicht dass auch durch Folgendes der Begnftdes lJr­Sächliche~ wieder urngestossen wird. 'Venll nämlich das Ursächliche einerseits, als In - Bezug - auf - Et:vas, nicht vor seiner "\Virkung gedacht werden kann, damit es aber. als Ursächliches seiner Wirkung gedacht werde, vor semer Wirkung gedacht werden muss; andererseits aber un~ög~ lieh ist etwas vor Jenem zu denken, vor ,yelchem es mcht gedacht werden kann: so ist es also unmöglich, dass das Ursächliche gedacht werde.

29 Hieraus nun folgern wir schliesslich, dass - da einer-

Drittes Buch. Cap. 3. 4. 171

se~~s die Reden glaublich sind, denen zu Folge, wie wir erol'terten, man sagen muss, es gebe Ursächliches . (da) andererseits auch diejenigen glaublich sind. welche z~ig'en' . "h" u I , es Zleme SlC mcnt, auszusprechen, dass es etwas Ursäch-liches ~ebe; und (da) es nicht angeht, einige von diesen vorzuzIehen, da wir weder Zeichen noch Urtheih:lmittel noch Bew~is in zugestandener \Veise besitzen ~ wie wir oben gezeigt haben - man an sich halten muss auch über das Bestehen des Ursächlichen, indem man sa~t. et­",Y8.8 Ursächliches sei nicht mehr als es nicht sei, nach 'äem yon den LehrphHosophen Gesagten zu. urtheilen.

Cap. 4.

Von stofflichen. Anfängen.

• • < Deber. den _ thätigen (Anfang) mm wird so viel für 30 Jetzt ausreiChend gesagt. sein; in Kürze aber müssen "\vir auc,h über die sogenannten' stofflichen Anfänge reden. Dass nun diese unerfasslich sind, ist leicht zu Übersehen a~~ dem darüber bei den Le~rphilosophen heI'l'~chenden W.Idel'spruch. Denn Pherekydes aus öyros sagte: Erde Sei der Anfang von Allem; Thales aus lvIiletos: \Vasser: Anaximandro~, (1essen Hörer: das Unbegrenzte; Anaxi~ meues und DlOg'enes aus Apollonia: Luft~ Hippasos aus "Metapontion: Feuer; Xenophanes aus Kolophon: Erde und \Vasser; Oinopides aus Chios: Feuer ~ und Luft: ~ippon aus ~hegion: Feuer und WasseT; Onomakrito~ 31 In den OrphIschen (Gesängen): Feuer und 1Vasser und ~r~e; die (Anhänger) des Empedokles, ebenso wie die ötOlker: Feuer, Luft, Wasser, Erde - denn über den wunderbar erdichteten, beschaffenheitslosen Stoff Einiger den sie auch selbst nicht zu erfassen versichern: wa~ soH . man . (darüber. erst). noch reden? Die (Anhänger) deB Peripatetikers Anstoteies aber (sagen): Feuer Lr-c1l \V E' /. " ,t~.

.< .~sser 'r rue, ,und) d~r sich ~ im . Kreise bewegende ~orper ,Aether); Demokntos una EPlkuI'os: untheilbare 32 !,Wesen; Atome); Anaxagoras aus Klazomenai: g-leieh­~.heilige (Wesen); Diodoros, mit dem Beinamen Krono R '

kleinste und theillose Körper; Herakleides aus Pont~; u.nd Asklepiades aus Bith:y--nia: nicMgefügte ~fassen; die

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172 Drittes Buch. Cap. 4.

(Anhänger) des Pythagoras: ~ie ,Zahlen; die Mathematik~:: die Grenzen der Körper; Straton der Naturforsch~r: me

33 Beschaffenheiten. Da also so grosser und noch grosseret Widerspruch über ~ie sto~ic~en Anfänge bei ihne~n herrscht so werden WlI ent\yeaer an den aufgestellten Stand­punkten' beistim~1~~ up-d, (al:?h~ den "übrige~, o~er einiger~ Aber allen (das) 1st meht moghch; aenn "nr werden dOCL1 nicht zugleich (len (Anlläng~rnt de~ Asklepi.ades beistim~en können, welche sagen, d1e ~r~or;Pter sdeIden (zAerbhl~~chlrC~ und 'lon einer gewissen BeschaHe~nel , ;lll e~ n ~nqern) des Demokritos welche behaupten, dIese SeIen llnthellbar und beschaffenh~itslos und den (Anhängern) des Anaxagoras, welchejede wahrnehmbare Beschaffenh~it an den Gleichthe}H-

34 O"e11 zulassen. V\T enn wir aber irgend emen Standpunkt den ~ndern vorziehen werden. so werden wir ihn entweder schlechtwep' und ohne Be\veis vorziehen, oder mit Beweis. Ohne Bewcls nun werden wir nicht beistimmen; wenn aber mit Beweis so muss der Beweis ,vahr sein. Als wahl' aber

, . h ... · th '1"'" möchte er nicht zug'egeben werden, wenn er mc ~ beur . 'eu ist dmch ein wahres Uxtheilsmittel; dass aber ein Urtheils­mittel wahr sei, wird gezeigt d~ltch ei1~en be~uthej!ten

35 Beweis. lYenll also, um eine:rsmts zu zeIgen, aass o.er­jenige Beweis, welcller irgend eine~ Standp~mkt vorzieht, wahr sei sein crtheilsmittel beWIesen sem muss, um andererseits das Urtheilsmittel zu be,veisen, sein Beweis vorherbeurtheilt sein muss: so findet sich die vVeise ßes Durcheinander welche die Rede nicht vorschreiten lassen wird indem der Beweis einerseits immer eines bewiesenen 'Urtheilsmittels bedarf, das Urtheilsmittel

36 andererseits eines beurtheilten Beweises. '''enn aber jemand immer das Urtheilsmittel durch ein Urlheilsmittel beurtheilen und den Beweis durch einen Beweis beweisen wollte J so wird er ins UnbeflTenzte hineingerathen. Wenn wir also weder a11 den Sta~dpunkten übe: die Urkö~per beistim~en können, noch irgend einem von dIesen, so Zlemt es, daruoer zurückzuhalten.

37 lIöglich nun ist es vielleicht, auch bl~ .hierdurc~. die Unauffassbarkeit der Urkörper und der stottlIchen Anfange zu erweisen' damit wir aber noch reichlicher die Lehr­philosophen' zu widerlegen v~rmöge~, so w~llen w~r mit Mass bei dem Punkte verweüen. und da dIe AnSIchten über die L rkörper zahlreich und fast unbegrenzt sind, wie

DrIttes Buch. Cap. 4. 5. 173

wir erörtert haben, so wollen wir zwar gegen jede besonders zu sprechen für jetzt abweisen, wegen der Eigenthümlichkeit der (dieser) Schrift. dem Inhalte nach aber werden wir gegen alle' reden. 'Denn da, welchen Standpunkt über die Urkörper Jemand auch immer nennen mag, er ent­weder auf Körper gerathen wird oder auf Unkörperliches, so meinen wir, es genüge zu erweisen, dass unauffassbar die Körper sind, unauffassbaraber (auch) das Lnkörperliche; denn hierdurch wird deutlich sein, dass auch die Urkörper unauffassbar sind.

Cap. 5. Ob die Körper auffassbar sind.

Ein Körper also, sagen Einige, sei das, was zu thUl1 38 oder zu leiden vermag. "\Vas aber diesen Begriff anlangt, so ist dieser (der Körper) unauffassbar. Denn das Ur­sächliche ist unauffassbar. wie wir nachwiesen; ohne aber sagen zu können, ob es etwas Ursächliches giebt, können wir auch nicht sagen, ob es etwas Leidendes giebt; denn das Leidende leidet durchaus von Ursächlichem. Vvenn aber unauffassbar ist sowohl clas Lrsäehliche als auch das Leidende, so wird in Folge dessen auch der Körper lHl­

auffassbar sein. Einige aber meinen J Körper sei das 39 dreifach Ausgedehnte, (verbunden) mit vYiderstoss. Punkt nämlich, sagen sie, sei, \vas keinen Theil hat; Linie breite lose Länge; Fläche, Länge mit Breite; sobald diese (Fläche) auch Tiefe zugenommen habe und \VIder­stoss, sei ein Körper - wovon jetzt fih' uns die Rede ist -, welcher besteht aus Läng'e so,\:oh1 als auch Breite und Tiefe und 'Vidersto.ss. Leicht jedoch ist auell die Rede 40 gegen diese (Lehrphilosophen). Denn der Körper, werden sie entweder sagen, sei nichts ausser diesen (Dingen), oder etwas Anderes aU,gser der Zusammenkunft der vorg-enannten (Dinge). Und ausserhalb der Länge sowohl als~ auch der Breite und der Tiefe und des "\Viderstosses möchte der Körper wohl nichts sein; wenn aber der Körper diese Dinge ist (aus diesen Dingen besteht), so möchte, \venn Jemand gezt:igi haben sollte, dass sie nichtvorhanden sind, er auch den Körper aufheben; denn die Ganzen ,verden mit ihren eigenen sämmtlichen Theilen zusammellanfgehoben. ]}fan­nichfach mm lässt sich dies wiüeTlegen; für jetzt abel'

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174 Dyittes Bucb. Cap. 5.

wird genügen zu sagen, dass, wenn die Grenzen sind, sie 41 entweder Linien sind oder Flächen oder Körper. Weun

nun Einer sagen möchte, es gebe irgend eine Fläche oder Linie, so wird auch von jedem der genannten (Dinge) entweder gesagt werden, es könne auf eigene Weise (für sich anein) bestehen, oder es 'werde nur an den sogenannten Körpern geschaut. Abe!', als für sich selbst vorhanden entweder eine Linie oder eine Fläche zu erträumen, ist vielleicht thöricllt. Vi enn aber gesagt wttrde, nur an den Körpern werde jedes von diesen Dingen geschaut und es bestehe nicht für sich selbst, so wird zuerst ohne Weiteres zugegeben werden, dass nicht aus ihnen die Körper geworden seien, - denn sonst mUssten, mein' ich, diese (Dinge) vorher Bestand für sich gehabt, und so (erst:;;

42 zusammengekommen, die Körper gemacht haben; sodann bestehen sie auch nicht an den sogenannten Körpern. Lud dies lässt sich zwar mehrfach erweisen, es wird aber fUr jetzt genügen, die aus der Berührung' (sich ergebenden) Zweifel zu besprechen. Denn, wenn die nebeneinandergelegten Körper einander berühren, so treffen sie einander mit ihren eigenen Grenzen, wie etwa mit den Flächen. Die Flächen mm werden einerseits in Folge der Berührung' nicht g~mzllndgal' mit einander vereinigt werden, da (sonst) die Berührung eine 1,1 ermisc1nmg sein wird und die Trennung der sich berülu'enden (Dinge) eine Zerreissung; was doch

43 nicht geschaut wird. V\r enn aber die Fläche durch andere Theile die Fläche des neben ihr liegenden Körpers berührt, durch andere aber mit dem Körper zusammen­vereinigt ist, dessen Gre11ze sie ist: so kann man also auch an einem Körper nicht eine tiefelose Länge und Breite schauen. und daher auch nicht eine Fläche. Ebenso aber auch, wenn voraussetzullgsweise zwei Flächen nebeneinander­gelegt werden längs ihrer Grenzen, in ·welche sie endigen, (also) längs ihrer sogenannten Länge, das ist~ längs (der) Linien: so ,,,erden diese Linien, mitte1st welcher7 wie es heisst, die Flächen einander berühren, nicht mit einander vereinigt werden - denn sie \vürden Zl1sammen­gemischt werden; wenn aber jede von ihnen durch andere, in der Breite (liegende) Theile die neben ihr liegende Linie berührt, durch andere aber mit der Fläche zl!samruenvereinigt ist, deren Grenze sie ist: so wird sie nicht breitelos sein, und daher auch nicht eine Linie. VV.,. enn es aber weder

Drittes Buch, Cap. 5. 175

eine Linie giebt an einem Körper noch eine Fläche so wird es auch nicht Länge oder Breite edel' Tiefe .D'~ben an einem Körper. \Venn aber Einer sagte 1 die G:r~nzen 44 seien Körper, so wird die Antwort an ihn kurz sein. Denn, wenn die Länge ein Körper ist, so wird diese sich in ihre (11'ei Ausdehnungen theilen lassen müssen, deren jede ~ da sie ein Körper ist, wieder selbst in andere drei Ausdehnungen zerlegt 'werden "ird, welche Körper sein werden, und jene in andere ebenso, und dies bis ins Un­begrenzte, so dass der Körper l1nbegrenztgross ·wird, da er in Unbegrenztes getheilt wird; was doch wider­sinnig ist. Also sind die vorbespl'ochenen Aus(lehnun~:en auch nicht Körper. Wenn sie aber \veder Körper sind noch Linien oder Flächen, so wird man von ihnen auch nicht meinen, dass sie sind. - Un311ffassbar aber ist auch der 45 Widerstoßs. Denn dieser, wenn anders er aufgefasst wird, möchte durch BerHhnmg aufgefasst werden. W Bnll wir nun gezeigt !mben werden, dass die Berühnmg unauffassbar ist, so wird deutlich sein J dass es nicht möglich ist, (ten \Viderstoss aufzufassen. Da.,Ss aber die Berührung U11-

auffass bar ist, folgern wir hierdurch. Das einander Be­rührende berührt einander enhveder (huch Theile oder als Ganzes Ganzes (gegenseitig ganz). Als Ganzes Ganzes U!ln keineswegs; denn so wh'cl es vereinigi "'.verden lmd emander nicht Colos) berühren. Aber (es berührti auch nicht durch Theile Theile; denn seine Th'eile sind in' Bezug auf die Ganzen zwar TheHe, in Bezug auf ihre eio-enen ~heile aber Ganze. Diese Ganzen nun, welche Theik von Anderem sind, werden einerseits nicht als Ganze Ganze be­rühren aus den yorbesprochenen Gründen; aber auch nicht durch Theile Theile; denn auch die 'I'heile dieser ·werden. 46 inwiefexil sie in Bezug auf ihre eigenen TheHe Ganze sind: weder als Ganze Ganze berühren noch dmch 'Iheile Theile. ,Yenn wir aber weder eine gemäss der Ganzheit noch .gemäss den Theilen entstehende Berührung auffassen, so WIrd die Berührung llnallffassbar sein. Des\vegen aber auch der Widerstoss. Und daher auch der Körper; denn wenn dieser Nichts ist ausser den drei Ausdehnungen und dem Widerstoss, wir aber gezeigt haben. dass -jedes von diesen unallffassbar ist, so wird auch 'der KÖrper lln3.l1:ffassbar sein.

So also ist, soweit es auf die Vorstellung' des Kör-

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176 Drittes Buch. Cap. 5.

pers ankömmt, unauffassbar, ob es irgend einen Körper gieht; man muss aber auch Folgendes sagen zur vor-

47 liegenden (Sache\. Unter dem Seienden sei das eine, meinen sie', sin~lichwahrnehmbar, das andere denkbar, und das eine werde durch das Denken aufgefasst, das andere durch die Sinneswahrnehmimgen; und die Sjnneswahrnehmungen seien einfaehleidend, das Denken aber sehreite von der Auffassung des Silmlichwahr­nehmbaren aus zu der Auffassung des Denkbaren. 'Venn es mm irgend einen Körper giebt, so ist er entweder siunliehwahrnehmbar oder denkbar. Sinnlichwahrnehm­bar nun ist er nicht ~ denn es scheint, als würde er auf­gefasst in Folge einer Zusammenfassung von Länge und Tiefe und Breite und Widerstoss und Farbe und einiger anderer (Dinge), mit weichen (zusammen) er angeschaut wird; die Sinneswahrnehmungen aber gelten bei ihnen

48 (den Lehrphilosophen) für einfachieidend. Wenn aber gesagt "wird, der Körper sei denkbar, so muss sicherlich in der Natur der Dinge etwas Sinnliehwahrnehmbares vor­handen sein, von wo aus das Denken der Körper, "\velche denkbar sind, geschehen wird. Es giebt aber Nichts Russer dem Körper und dem TInkörperlichen, und hier­von ist das UnkörperHche ohne WeUeres denkbar, deI" Körper aber nicht sinnlichwahrnehmbar , wie wir er­\viesen haben. Wenn es nun in der N atUl' der Dinge irgend ein Sinnlichwahrnehmbares nicht giebt, von wo aus das Denken des Körpers geschehen wird, so wird der Körper auch nicht denkbar sein. Wenn er aber weder siunlichwahrllehmbar ist noch denkbar, ausserdem aber es nichts giebt, so· muss man, nach der (dieser?) Rede zu urtheilell, sagen, der Körper sei auch nicht.

4~! Deswegen nun folgern wir, indem wir die gegen den Körper (geltenden) Reden gegenüberstellen dem Anscheine, als ob der Körper sich als vorhanden zeigte; die Zmück­haltung über den Körper.

Mit der "G nuuffassbar keit des Körpers aber ergiebt sich zugleich auch, dass das Unkörperliche lmauffassbar sei. Denn die Beraubungen werden als Beraubungen der Zustände (Eigenschaften) gedacht, wie z. B. Blindheit (als Beraubung) des Sehells, und Taubheit, des Hörens, und bei den anderen auf ähnliche Weise, Deshalb müssen 'wir, um eine Beraubung aufzufassen, den Zustand vorher-

Drittes Buch. Cap. G. 177

aufgefasst haben, für dessen Beraubung die Beraublln o' '1.1.. .. d Ci b ., . h . , b gUL; nenn ,ver \. as De en SIch mc t vorzustehen vermag,

könnte nieht sagen, dass der und der das Sehen nicht besitzt, was doch das Blindsein ist. vVenn also das Un- sn körperliche Beraubung des Körpers ist j es aber umnög-­lich ist, sobald die Zustände nicht aufgefasst ,,,erden, ihre Beraubungen aufzufassen, lmd wenn gezeigt ist, dass der Körper l1nauffassbar ist: so wird auch das unkörperHche l1nRuffassbar sein. - Auch ist es ja enhveder sinulich­wahrnehmbar oder denkbal'. Wenn es aber sinnlichwahr­nehmbar ist, so ist es unanffassbar wegen des Unterschied8 der lebenden Wesen und der Menschen und der Sinnes­wahr~ehmunge~ und der "Cmgebungen (umgebenden Dinge) lllld m Folge der Beimischungen und der übrigen von uns in den (Reden) über die zehn 'Yeisen obengesagten Dinge; wenn aber denkbar j so wird - da nicht ohne Weiteres die Auffassung des Sinnliehwahmehmbaren zu­gegeben wird, von welcher ausgehend wir, ,vie es scheint, auf das Denkbare stüssen - auch die Auffassung des Denk­baren nicht ohne Weiteres zugegeben werden J deshalb aber auch nicht eHe des Unkörnerlichen. Auch wird, wer 51 sagt, el' fasse das "Gnkörperliche auf, entweder erweisen; dass er dies durch Sinneswahrnehmung auffasse, oder mitte1st Rede (Beweis). Durch Sinneswahrnehmung mm keineswegs, d~ ja. die Sinneswahrnehmungen in ~Folge eines Andringens und Stechens das Sinnlichv/:lhrnehm­bare zu erfassen seheinen; wie z. B. das Sehen, mag es nun entstehen in Folge des Sichaufstellens eines Kegels" oder in Folge der Absonderungen und Zusonclerungen (Zumisehungen) von Abbildern. oder [in Folg'e derl Aus­giessungen von Strahlen oder' Farben; llna'-' eben~o das Gehör, mag TIlm die getroffene Luft oder mögen die TheHchen des Tones sich um die (unsere) Ohren herum­bewegen und den hörfahigen Hauch treffen, so dass sie die Erfassung des Tones bewirken. Aber auch die Ge­rüche gelangen an die Nase, und die Geschmacksempfin­dungen \viederum an die Zunge, und das, was den Tastsinn bewegt, in gleieher Weise Rn den Tastsinn. Das TInkörperliche aber vermag nicht ein solches 52 Andringen zu übernehmen, so dass es wohl nicht könnte dureh Sinneswahrnehmung aufgefasst werden. Aber auch nicht mitte1st Refle (Beweis). Denn wenn

Sextus Emprricns~ 12

Page 83: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

180 Dlittes Buch. Cap. 6.

von dem Sichrnischenden her sich ergeben, wenn doch das Sichmisehende in keiner der vorgenannten (Weisen) sich

58 mit einander mengt? Wenn aber gesagt würde, die Be­schafi'enheiten liegen schlecht\,veg (blos) neben einander; die lVesenheiten aber mengen sich, so möchte das Gesagte auch so sinnlos sein; denn wir erfassen die Beschaffen­liehen in den Mischungen nicht als abgesondert., sondern haben die \Vahrnehmung, als werde Eine (lVIischung) von dem Sichmischenden her bewirkt. 1\' enn aber Einer sagen möchte, die Beschaffenheiten mengen sich, die Wesenheiten aber keineswegs, so winl er Unmög'liehes sagen; denn der Bestand der Beschaffenheiten ist in (an) den -Vlesen­heiten, weshalb es doch lächerlich wäre zu sagen, dass die Beschaffenheiten abgesondert von den Wesenheiten und auf eigene v'leise (für sich) irgendwo mit einander sich mengen, die \Vesenheiten aber beschaffenheitslos ab-

59 seits zurückgelassen werden. Es bleibt übrig zu sagen, dass sowohl die Beschaffenheiten des Sichmischenden als auch die 1Vesenheiten durch einamler hindurchgehen und sich mengend die Mischung bewirken. Das aber ist wider­sinniger ais das V Ol'hergesagte; denn die derartige Mischung ist unmöglich. So z. B. wenn mit zehn Kotylen Wasser eine Kotyle Schierlingsaft gemengt werden sollte,. so möchte man wohl sagen, der Schierling vermische sich mit dem ganzen ~T assel'; wird doch, wenn jemand auch irgend einen kleinsten Theil des Gemenges nehmen möchte, er ihn von der Schierlingskraft erfüllt finden.

60 Wenn aber der Schierling jedem Theil Wassel' sich bei­mengt und neben ihm sich ganz und gar ausdehnt in Folge. des Durch - einander - hindll1'chlrehens sowohl ihrer Vi esen­heiten als auch ihrer Beschaff~nheiten, so dass dergestalt die IvIischung' entsteht; (wenn) ferner das mit jedem Theil sich nebeneinander Ausdehnende den gleichen Ort einnimmt, weshalb es auch einander gleich ist: so wird die Kotyle Schierling gleich sein den zehn Kotylen vVasser,. so dass das Gemenge zwanzig Kotylen betragen muss oder blos zwei, nach dieser Voraussetzung der Weise der :Mischung zu urtheiie:n; und sobald wiederum eine Kotyle ''lasser den zwanzig Kotylen, gemäss der (obig'en) Rede der Voraussetzung, zugeschüttet ist, so muss das !Iaass vierzig Kotylen betragen oder wiederum blos zwei, weil ~an sich ja ebenso die (eine) Kotyle als zwanzig Kotylen

Drittes Buch. Cap. 6. 7. 181

denken kann, neben welchen allen sie sich (ja) ausdehnt wie auch die zwanzig Kotylen als eine1 mit welcher sie' sich ausgleichen. Möglich aber ist es auf diese 'Veise indem 61 man je eine Kotyle hinzllschüttet und in gleiChe; VV.,. eise rechnet, zu folgern, dass die zwanzig sichtbaren Kotvlen ,der FIischung z\vanzigtallsend etwa und darüber betragen müssen, nach der V orraussetzl1ng der \Veise der MischullP' zu urtheilell, ebendieseIben aber auch blos z\",ei; was doch hinter einem Uebermass von Ungereimtheit nicht zl1l'ück­bleib.t. Als~ ist auch diese Y orallssetzung der Mischung lm­gerelffit. Wenn aber "feder, wenn die \Vesenheiten allein G2 sich mit einander mengen, noch, wenn die Beschaftenheiten allein; noch, wenn beide J noch; wenn keins von Bei(lem

j

eine Mischung entstehen kann, man aber ausserdem sich Nichts zu denken vermag: so ist die Weise der Mischl1112' sowohl wie überhaupt der Mengung undenkbar. Deshalb ist, 1venn die sogenannten Urköl'per weder in Berührung neben einander gestellt, noch sich vermischend oder sich mengend die Znsammenmischungen zu machen fähig sein können, die bei den Lehrphilosophen (geltende) Naturlehre undenkbar, auch nach dieser Rede zu urtheilen.

Cap. 7,

Von der Bewegung.

Ausser dem Ebengesagten aber liess sich an die 63 Rede über die Beweglmgen herantreten, und für unmöglich :n~chte wohl die bei den Lehrphilosophen (geltende) Natur­lehTe gelten. Denn es müssen die Zusammenmischung'en durchaus in Folge irgend eineT Bewegung der Urkörper wie auch des thätigen Anfangs entstehen. vVenn wir mm erörtert haben werden, dass keine Art Belvegung (über­einstimmend) zugestanden ,vird. so wird deutlich' sein. dass, auch wenn voral1ssetzungs,veise das Vorhingesagt~ alles zugegeben wird, die sogenannte physische Rede verg'eblich von den Lehrphilosophen ausgespürt worden ist.

Page 84: Sextus Empiricus Pyrrhonische Grundzuege

182 Drittes Buch. Cap. 8.

Cap. 8.

Von der übergehenden Bewegung.

64 Es SRg-en also diejenigen, welche iibeIfdie Be\vegung vollständiger gehandelt zn h2"ben scheinen J sechs Arten seien hiervon vorhanden: örtlicher Uebergang, natürliche Veränderung, VergröBserung,. Verminderllug, Entstehen (und) Vergehen. 'ViI' mm werden an jede der genannten Arten der Bewegung im Besondern herantreten, indem wir mit dem örtlichen TI eher gange beginnen. Es ist nun dieser, nach den Lehrphilosophen, (deljenige) c1emgemäss das Sichbewee-ende von einem Ol·te aus nach einem Orte herumgeht. entweder im Ganzen oder theilweise; im Ganzei. wie bei den Spazierengehenden , theilweise, wie bei der' sich um einen Mittelpunkt bewegenden Kugel; denn während sie selbst im Ganzen an demselben Orte

65 bleibi, wechseln die Theile die Orte. Dreierlei aber sind, mein' ich, die alle-emeinsten Standpunkte (Ansichten) in Betren der Bewegung'. Der Bias 1. nämlich und einige Philosophen nehmen an, die Bewegung sei; sie sei nicht, (nehmen an) Parmenides wie auch Melissos und einige andere. Es' sei aber die Bewegung nicht mehl' als sie nicht sei, sagten die Skeptiker; nach dem Erscheinenden nämlich zu urtheilen, scheine Bewegung zu sein, nach der philosophischen Rede aber sei sie nicht vorhanden. 'Vh: nun werden, indem ,vir ebenso die Gegenrede derer yor­legen, welche annehmen, es sei Bewegung j wie derer, welche aussprechen j Bewegung sei Nichts, - wenn wir den Widerspruch gleiehkTäftig finden sollten - gezwungen werden zu sagen; nach dem Gesagten, sei die Be!"egung

66 nicht mehr als sie nicht sei. Beginnen aber wollen wir mit denen, welche sagen, sie sei vorbanden. . .

Diese nun stützen sich besonders auf den Augenschem; denn, wenn es, sagen sie, Bewegung nicht giebt, wie wird die Sonne von ~4.ufgang zu Untergang getragen, wie macht sie ferner die Jahreszeiten, welche je nach ihren Annäherungen an uns und den. Abständen von uns ent­siehen? oder wie landen Schiffe, aus Häfen auslaufend, in anderen Häfen 1 welche von den ersteren sehr weit entfernt sind? auf welche Weis6 ferner geht der, welcher

Drittes Buch. Cap. 8. 183

die Bewegung leugnet, von Hanse fort und kehrt wieder zurück? Dies seien doch völlig llnwidersprechliche Dinge. Deshalb antwortete auch einer von den Kvnikern, dem die Rede gegen die Bewegung vorgelegt war; nichts,' stand aber auf und gingj indem er durch die That und mitte1st des Augenscheins erwies, dass die Beweg'ung vorhanden ist.

Diese nun zwar versuchen so zu verblüffen die, welche einem ihnen entgegengesetzten Standpunkte angehören; diejenigen aber, welche die 'Virklichkeit der Bewegung G7 leugnen~ versuchen es durch folgende Reden. WeDn etwas bewegt wird, so wird es entweder von sich selbst be~leg't oder von einem andern. Aber, wenn nun von einem andern, so wird das [angeblich von einem andern Bewegte} entweder ursachlos bewegt wenten oder in Folge irgend einer ursache. Ursacblos mm, sagen sie, geschehe nichts: wenn es aber in Folge irgend einer Ursache bewegt wird) so wird die Ursache, in Folge deren es bewegt wird, die Bewegung a.n ihm vollbringen; und von hier ans geräth [die Rede?] 1n's Unbegrenzte gemäss dem kurz vorher besprochenen A.ngriffe (24 '?). Besonders aber e): 138 wenn das Bewegende wirkt J das ,Virkende aber bewegt wird, so wird auch jenes eines andern Bewegenden be­dürfen, und das zweite eines dritten, und (so) bis iu's Unbegrenzte, so dass die Bewegung anfanglos wird; was {loch widersinnig ist. Also wird an das Bewegte nicht VOll einem andern bewegt. Aber auch nicht von sich selbst. Da nämlich an das Bewegende entweder vor­stossend bewegt7 oder nachziehend, oder aufwärtsstossen?, oder daraufclrückend, so wird das sich selbst Bewegellae auf irgend eine der vore:enannten \'1 eisen sich selbst be­wegen müssen. Aber} '-'wenn es in vorstossender lV eise 69 sich selbst bewegt 1 so wird es hinter sich selbst s~in; wenn in nachziehender. davor; wenn in aufwärtsstossenderJ

darunter; wenn in daraufdrückender, darüber. Unmöglich aber ist es, dass etwas selbst über sich selbst sei, oder davOl', oder darunter, oder dahlnter; unmög'lich folglich, dass etwas von sich selbst bewegt werde. vVenn aber etwas weder von sich selbst bewegt wird noch von einem anderen 1 so wird auch nichts bewegt. Wenn aber 70 Jemand zu dem Trieb und der Wilikühr seine Zu­flucht nehmen möchte, so muss man ihn erinnern. RU

aen Widerspruch über das, was bei uns (in unserer

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184: Drittes Buch. Cap. 8,

Macht steht~, und dass dieser unentscheidbar dasteht, da wir ein Crtheilsmittel der V\T ahrheit bis jetzt nicht gefunden haben.

71 Fm'ner muss man auch Folgendes sagen, \Yenn etwas bewegt wird, so ."vird es entweder in dem Orte bewegt, wo es ist, oder, wo es nicht ist. Weder aber, wo es ist; denn <es bleibt in ihm, wenn anders es in ihm ist; noch. wo es nicht ist: denn, wo etwas llicht ist. dort kam{ es auch nicht ehvas thun noch leiden. Also wird nichts bewegt. Diese Rede gehört dem Diodoros Kronos an, "Viele Gegenreden abm hat sie gefunden, wovon wir mit Rücksicht auf die Weise der Schrift (nur) die schla­genderen allseinandersetzen ,vollen, mit der sich uns

72 zeigenden Entscheidung.. Es meinen also Einige, es könne etwas in dem Orte J wo es ist, bewegt werden; wenigstens würden die um die Mittelpunkte sich schwin­genden Kugeln bewegt, während sie in demselben Orte hleiben. Diesen gegenüber muss man die Rede auf jeden Theil deI' Kugel übertragen, und, indem man erinnert, dass, nach der (jener) Hede zn nrtheilen, sie auch nicht in (ihren) TheHen bewegt ,virc1, folgern, dass auch in dem

'73 Orte, wo es ist, etwas nicht bewegt -wird. Dasselbe aber werden wh' thun auch gegenüber denen, welche sagen, dass das Bewegte an zwei Orten TheH hat: an dem, wo es ist J und an dem, wohin es getragen "'\virc1. Wir wer­den sie nämlich frag'en, wann das Bewegte getragen wird von dem Orte, ,vo es ist, in den andern? ob1 wann es in dem ersten Orte ist. oder, wann in dem zweiten? Aber i ',-vann es in dem eisten Oi-te ist, gebt es nicht in den zweiten über; noch ist es ja in dem ersten; wann es aber nicht in diesem ist, so geht es nicht über von

'74 ihm aus. Abgesehen davon, dass auch das in Frage Stehende mitangenommen wird; denn, 'vo (etwas) nicht ist, darin kann es auch nicht 1virken; denn es wird doch wohl nicht Jemand schlechtweg zugestehen, dass das an irgend einen Ort getragen wird, wovon er nicht. zugiebt, dass es hewegt w81"de.

75 Einig'e jedoch sagen auch Folgendes. ~~Ort .. bedeutet zweierlei: einmai, (l1en) in der Breite, wie z. B. mein Haus; dann, (den) mit Genauigkeit, wie, Beispiels halber, die Luft, ,,,elche den lTmriss meiner Körneroherfläche bildet (mein ,~Ort.. heiEst). Es bedeutet uUll, "das Bewegte werde in

Drittes Buch. Cap. 3. 185

einem Orte bewegt", nicht in l1em "mit Genauigkeit" (ge­nauen) Orte, sondern in dem ,~mit Breite". Gegen diese nun lässt sieh, indem ma!l elen Ort mit Breite weitereintheilt

J sagen, dass der angeblich bewegte Körper eigentlich (nur\ in einem (Stüeke) dieses (Ol'tes) ist, wie nämlich in seinem genauen Orte, in einem anderen aber nicht ist, ,;vie näm­lich in den übrigen Theilen des Ortes mit Breite; dann (lässt sich), - indem wir folgern, (daraus) dass etwas weder bewegt werden kann in dem Orte j wo es ist, nocll, wo es ~cht ist, - schliessen, dass etwas auch in dem missbräueh­lieh (übertragen) genannten Orte mit Breite nicht bewegt werden kann; denn ihn setzen zusammen sowohl das, worin (der Körper) mit Genauigkeit ist J als auch, worin er mit Genauigkeit nieht ist; und dass in keinem von diesen beiden etwas bewegt werden kann, ist gezeigt worden.

Aber auch folgende Folgerung muss man vorlegen. 76 ""Yenn etwas bewegt wird, so wird es entweder in dem Früheren früher bewegt, oder (auf einmal) in dem ge­sammten theilbaren Abstand (Raum): weder aber kann etwas in dem Früheren früher' bewegt werden, noch in dem gesammten theilbaren Abstand, wie wir zeigen werden; folg'lieh wird auch nichts bewegt. Dass es nun nicht angeht, dass etwas in dem Früheren früher bewegt werde J ist von selbst offenbar. Denn wenn die Körner, ll~d die Orte und die Zeiten 1 in welchen 1 wie man sagt: dIe Körper bewegt ",verden J ins Unbegrenzte zerschnitten werden, so -wird eine Bmvegung nicht entstehen, da es unmög'lich ist, dass in UnbegTenztem irgend ein Erstes gefunden werde, von welchem Ersten aus das sog'enannte Be'lvegte sich bewegen wird. 1Venn aber die yorge- 77 nannten Dinge in Untheilbares endigen, und jedes der bewegten Dinge in gleicher 1Veise das erste Untheilbare des Ortes mit seinem eigenen ersten Untheilbarell in rdem ersten Untheilbaren] der Zeit durchläuft, so ist alles Bewegte gleichschnell , wie z, B. das schnellste Pferd und die Schildkröte; was doch widersinniger ist als das Frühere, Folglich geschieht die Bewegung nicht in dem Früheren früher. Aber auch nicht in dem .o'esammten theilbaren Abstand (auf einmal). "Yenn nä~nlich das 78 ~ichtoffenbare von dem Erschein'enden aus bezeugt wer-aen muss i wie man sagt J so gebührt es sicb - da, da-

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188 Drittes Buch. Cap, 9. 10.

minderung; denn wie möchte von dem überhaupt nicht Bestehenden O'esao·t werden, es sei vermindert worden?

Ferner ~ber ~ wenn die Verminderung entsteht in Folge von WeO'nahme, die Vergrössenmg aber in Folge VOll Zulegnng ~ Wegnahme aber ebenso wie Zulegung nichts ist, so' ist folglich auch die V eJ~minderung und Vergrässerung nichts.

Cap. 10.

VOll der Wegnahme und Zulagung.

85 Dass aber Wegnahme nichts ist, schliesst man dar-aus. Wenn etwas von etwas we~genommen wird. so wird entweder das Gleiche von u dem Gleichen ~Teg'­genommen, oder das Grössere von dem Kleineren, oder das Kleinere von dem GrÖsseren. Auf keine aber von diesen Weisen entsteht Wegnahme, wie wir darstel~en werden; die 'Yegnahme ist also unmöglich. Dass aber auf keille der g'enannten Weisen die ~T egnahme entsteht, ist offenbar daraus. Was von etwas weggenommen "irdJ

muss vor der 'Yegllahme von demjenigen umschlossen 86 werden, wovon es weggenommen wird. Weder aber

wird das Gleiche in dem Gleichen umschlossen, wie z. B. die Sechs in der Sechs: denn das Umschliessende muss g~össer sein als das Umschlossene, und das, wovon etwas weggenommen wird, (grösseT) als das Vveggenommene, damit nac,h der "\Vegnahme etwas übrigbleibt ; denn hierin scheint sich die ,Vegnahme zu unterscheiden von der völligen Aufhebung; noch (wird) das Grässere in dem Kleineren (umschlossen), wie z. B. die Sechs in der

87 Fünf; denn es ist ungereimt. Deswegen aber auch das Kleinere nicht in dem GrÖsseren. Denn wenn in der Sechs die Fünf umschlossen wird, wie Wenigeres in .Mehrerem, so wird auch in der Fünf die Vier um­schlossen werden und in der Vier die Drei und in der Drei die Zwei und in dieser die Eins. Es wird also die Sechs enthalten Fünf, Vier, Drei, Zwei, Eins, nach deren Zusammensetzung die Zahl Fünfzehn entsteht, welche} wie sich ergiebt, in aer Sechs umschlossen wird, sobald das zugegeben wird, dass das Geringere in dem Grösseren

Dl'ittes Buch. Cap. 10. 189

umschlossen wird. Ebenso aber \vird auch in der Fünf­zehn. welche in der Sechs umscHossen wird. die Zahl Fünflmddl'eissig umschlossen uncl im weiter€l{ Fortgang unbegrenzte (Zahlen). Sinnlos aber ist es zu sagen 1 un­begrenzte Zahlen würden in der Zahl Sechs umschlossen; sinnlos also auch zu sagen, dass in dem Grösseren das Geringere umschlossen wird. vVenn mm das, was von 88 etwas weggenommen wird, umschlossen werden muss in jenem, wovon es weggenommen ,yerden soll, weder aber das Gleiche im Gleichen umschlossen wird'J noch das Grössere im Kleineren, noch das Kleinere im GrösserenJ

so wird auch nichts VOll etwas we2"genommen. Und ferner: wenn etwas von U etwas '\,,'eggenommen

wird 7 so wird entweder ein Ganzes von einem Ganzen \yeggenommen, oder ein Theil von einem Theil, oder ein Ganzes von einem Theil, oder ein Theil yon einem Ganzen. Zu sagen nun, ein Ganzes werde weggenommen 89 entweder von einem Ganzen oder von einem Theil, ist ganzoffenbar ungereimt; es bleibt aber (?) übrig zu ' der Theil werde weggenommen entweder von Ganzen oder von einem Theil; ,YllS doch widersinnig ist. So z. B., um hei Zahlen die Rede der Deutlichkeit wegen festzuhalten , mag eine Zehnheit (gegeben) sein ~ und es mag gesagt werden, von dießer werde eine Einheit weg­genommen. Diese Einheit mm kann weder von der ganzen Zehnheit weggenommen werden, noch von dem übrj~bleibellden Theile der Zehnheit, nämlich der N eUil­heit; \vie ich erweisen werde; also' wird sie auch nicht weggenommen. Denn, wenn die Einheit von der ganzen 90 Zehnheit weggenommen wird, so muss, da die Zehnheit weder etwas Anderes . ist allSSer den zehn Einheiten. noch irgend eine der Einheiten, sondern die Zllsa.mmen~ kunft aller der Einheiten, die Einheit von jeder Einheit weg'genommen werden 7 damit sie von der ganzen Zehn­heit weggenommen werde. Vorzüglich mm YOll einer Einheit kann nichts weggenommen werden; denn die Einheiten sind unzerlegbaT:; und deswegen wh'd die Ein­heit nicht von der Zehnheit weggenommen werden auf diese Weise. W'enn aber auch Jemand zugeben möchte, 91 yon jeder der Einheiten werde die Einheit weggenommen, so wir~ d.ie Einheit. zehn. Th~ile ~aben" obwo~l sie .ab~r zehn Tnelle hat J eme Emhelt sem. ADer auch (,velter),

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92

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190 Drittes Buch. Cap. 10.

da zehn andere T'heile übriggelassen sind, von welchen {lie zehn Theile der sogenannten Einheit weggenommen sind 7 80 \verden die zehn zwanzig sein. Widersinnig aber ist es zu sagen j die Eins sei zehn und die Zehn zwanzig' und das nach ihnen (den Lehrphilosophen) Unzerlegbare werde zerlegt. vVidel'sinnig also ist es zu Bagen, von der ganzen Zehnheit werde die Einheit weggenommen. Aber auch nicht von der zurück­bleibenden N eunheit wird die Einheit ,veggenommen; denn das, wovon etwas wegg'enoIDmen wird, bleibt nicht unversehrt, die N eunheit allel' bleibt nach der Wegnahme jener Einheit unversehrt. Und ferner, da {lie Nel1nheit Nichts ist ~mBser den neun Einheiten, so ,vird es, wenn man sagte, von ihr im Ganzen werde die Einheit weggenommen, eine Wegnahme einer Neunheit sein; wenn alJel' YOl1 einem TheiI der N enTI, so werden -wenn von der Acht (,veggenommen wird) - J dieselben Widersinnigkeiten sich ergeben; wenn aber von der letzten Einheit, so werden sie sagen, die Einheit sei zerlegbacJ was doch widersinnig ist. Also wird auch nicht yon der NeUllheit die Einheit weggenommen. ,Yenn sie aber weder von der ganzen Zehllneit weggenommen wh'd, noch von einem Theile dieser. so kann auch nicht ein Thei! YOl1 einem Ganzen oder einem T-heile we/!­genommen werden. vVenn nun weder irgend ein Ganzes von einem Ganzen weggenommen wird j noch ein Theil VOll einem Ganzen _, noch ein Ganzes von einem Theile~ noch ein Thei! VOll einem 'In eile , so wird auch etwas nicht von etwas "\veggenommen.

94 Aber auch die Zusetzung ist bei ihnen zu den

95

unmöglichen Dingen gerechnet worden. Denn das Zu­gesetzte, sagen sie, wird entweder sich selbst zugesetzt, oder dem V orhervürhaudenen, oder dem aus Beidem Zu: sammengesetzten ~ hiervon aber ist nichts gesund (richtiz); also "ir cl auch etwas nicht zu ehvas zug'esetzt.' Es sei z. B. irgend eine vierkotylige (vier Kotylen grosse) Menge (gegeben), und zugesetzt werde eine Kotyle. Ich frage: wem wird sie zl1g:esetzt? Sich selbst kann sie es 1:1 nicht J da das Zugesetzte verschieden ist von demjenigin~ dem es zugesetzt wird J nichts aber von sieh selbst ver­schieden ist. Aber auch nicht dem aus Beidem , (alls) dem Viel'kotyligen und der Kotyle (Zusammengesetzten);

Drittes Buch. Cap. 10. 11. 12. 191

d~nn wie ~1öchte _ etwas zugesetzt werden dem, was noch mcht besteht 'I lind ferner, -wenn mit dem Vlerkotylj.ü'en ll?d der Kotyle die Kotyle, welche (eben) zugesetzt~ wird; SIch mengt, so wird die MenO'e sechskotvlig sein von d ,'" - t l' Ö ~ 1 em Y lerko ,y 1gen her und der Kotyle und der zu-g~set~ten Kotyle. VY en~l ahel' bl?s ~ dem Vierkotyligen 96 dIe h_otyle zugesetzt WIrd, so 1Vlrci - da das neben etwas Sichausdehnende gleich ist jenem, neben -welchem e? sieh allsc1eh~t - die neben der v-iel'kotyligen MeIlg-e slCh aus~l.ehnende Kotyle das Yierkotylige verdoppein, so dass Ule ganze Menge achtKotylen beträgt~ was doch nicht geschaut wird. V\' e1111 also das angeblich Zn­gesetz~e w~eder sich selbst zugesetzt wird, no~h dem Y 01'­

hervornandenen, noch dem aus diesem Beidem (Znsammen­ges~tzt~n), aUSSß: diesen aber es nichts g'iebt: so wird auen mchts zu mchts zugesetzt.

Ca p. 11. Von der Umstellung,

Mit dem Bestehen der Zusetzuni2: aber und der 97 ~T eg~nahme und der örtlichen Bewegu;g wird auch die "[Jmstellnng zugleich mitaufgehol)en ~ denn diese ist einerseits eine '1' egnahme von etwas ~ andererseits eine Zllsetzllng zu etwas j in fler V\'eise des (örtlichen) Ueber­geheus.

Cap. 12.

Von dem Ganzen und dem Theile.

Ahel' auch das Ganze und der Theil (wird mitauf- 98 gehoben). Denn in Folge deI' Zusammenkunft llnd Zusetzuno' der Theile scheint das Ganze zu entstehen, in FoI~e de~ Wegnahme aber irgend eines oder einiger (Theilel auf­zuhören, ein Ganzes zu sein. Aber ferner auch J I wenn es irgend ein Ganzes giebt, so ist es entweder ver­schieden von seinen TheBen, oder seine Theile selbst sind das Ganze. Verschieden nUll von -den TheBen er- 99 scheint das Ganze als nichts; bleibt doch sichel'lich. so­bald die TheiIe aufgehoben werden; nichts übrig, so' dass

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192 Drittes Buch. Cap. 12. 13.

wir schliessen sollten, das Ganze sei etViTaS Anderes ausseT diesen. ",Venn J aber die Theile selbst das Ganze sind, so wird das Ganze blos ein Wort und ein leerer Zuname sein, eigenen Bestand abe1' nicht haben, gleich­wie auch ein Abstand nichts ist ausser den (von ein­ander) abstehenden Dingen und eine Balkenverbindung nicht~ ausser den verbundenen Balken. AJso giebt es

100 irgend ein Ganzes nicht. Aber auch Theile nicht. Denn wenn es Theile giebt, so sind diese entweder Tbeiie des Ganzen, oder von einander, oder jeder von sich selbst. Weder abel' des Ganzen, vl'eil auch ausser den Theilen nichts ist - auch werden (sonst) die Theile auf diese Weise Theile von sich selbst sein, weil, wie man sagt, jeder der Theile zur Ausfüllung des Ganzen beiträgt -; noch von einander, weil der Theil lllllSchlossen ,,,ird, wie es scheint, in jenem, wovon er ein TheH ist, und es widersinnig' ist zu sagen, dass die Hand, wollen wir ein-

101 mal sagen, in dem Fusse umschlossen werde. Aber auch nicht von sich selbst wird jedes ein Theil sein; denn in Folge der Umschliessllng wird (sonst) etwas grösser und. kleiner sein als es selbst. 1Venn also die sogenannten Theile ,veder von einem Ganzen, noch von sieh selbst, noch von einander TheiIe sind, so sind sie von nichts Theile. Wenn sie aber von nichts Theile sind, so gieht es auch Theile nicht; denn das In-Bezug-auf-Etwas v,drd mit einander zusammenaufgehoben.

Dies nun sei nur obenhin gesagt in Folge einer Abschweifnng, nachdem wir einmal des Ganzen und des Theiles erwähnt haben.

Ca p. 13.

Von der natürlichen Veränderung.

102 Nichtbestehend aber, 8agen Einige, sei auch die so-genannte natürliche Veränderung, indem sie es mit sol­chen Reden beweisen. Wenn etwas sich verändert. so ist das sich Verändernde entweder Körper (lder unkörper­lieh; Beides hiervon ist (oben) bezweifelt worden; zweifelhaft also wird auch die Rede über die Veränderung sein. -

103 'Venn etwas sich verändert, so vel'ände"rt es sich gemäss irgend welchen Thätigkeif.en eines -CrsächHchen und indem;

Drittes Buch. Cap. 13. 193

~8 leidet. Denn rAber?] das Bestehen des lJrsächliehen wird nmgestossen; hIermit -zugleich wird das Leidende mn­gestossen, da es nichts hat., "\yovon es leiden sollte. Also verändert sich auch nichts. - fFel'11 er ?l "renn etwas sieh 104 verändert, so verändert sich (mtwedel: das Seiemle oder das Nichtseiende. Das Nichtseiende mm ist nichtbe­stehend und kanD 'tVeder etwas leiden noch thun, so dass es auch eine Verämlenmg nicht auf sich nimmt. '0.7 enll aber das Seiende sich verändert, so verändert es sich ent­weder, inwiefern es seiend ist, oder, imviefern es nicht Beiend ist. Inwiefern es mm nicht seiend vel'ändeTf 105 e:'3 siel.l l1ICht; flenll nkht eiBll1al seiend ist es; ,"e1111 es slCh aber yerändert, inwiefeTlI es seiellli ist, so wird es verschieden davon sei11, ein Seiendes zu sein, das ist, es '.vird nichtseiend sein. "Widersinnig aber ist es' zn sagen. das Seiende -.,,,erde nicht seiend: also verändert sich ) auch das Seiende nicht. 'Yenn aller ,,,eder das Seiende sieh verändert noch das Nicbtseicnde. es ausser diesen aber ~ichts gicht, so erübrigt zn sagen, dass NieMs sich vcr­~.?-dert - Ferner sagen manche auch dies. Das sich 10G Verändernde muss jn irgend einer Zeit sich verändern ~ ,vedel' aber verändert sIch ehyas in der vel'gangeneIl Zeit noch in der zukünftigen; ::,.ber auch nicht i~ der gegemvärtigen, wie wir zeig'en 'Nerden; also verändert sich etwas nic,ht. In del' vergal1genen oder zukünftigen Zeit. nUll verändert sieh nicht.s ~ denn von diesen heiden ist keine gegenwärtig, 1Uullöglich aber ist es j dass ehrail th,:le. oder l~ide in.. der nichtseienden und (nicht) gegen­wartlgen ZeIt. Aber auch l1icht in der gegenwärtigen. 107 Denn die gegemrärtige Zeit ist vielleicht auch nichtvor­lumden, g'esetzt aber, dass wir hierüber für jetzt uns wegsetzell , so ist sie (doch) themos; unmöglich aber ist es, zn glauben, in theil10ser Zeit verändere sich das Eisen, wollen wir einmal sagen, aus der Härte in "Weich-heit, oder geschehe jede der' anderen Yerällderungen; ~~nn einer (Zeit-) Ausdehnung scheinen {1ieSB zu bedürfe}]: \Venn also weder in der vergangenen Zeit etwas sich v~!ä~dert, noch in der zukünftigen J noch in der geg;en­\V,artIgen, so muss man sagen, es verändere sich etwas ]1~cl1t. - Aussel'dem, wenn es irgend eine Veränderung 108 gIebt, so ist sie entweder [sinnHc1nvahrne}lmbar oder

S=tus Empiricull. 13

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denkbar. Lnd sinnlichwahrnehmbar mm 1St; sie nicht; denn die] Siuneswahrn ehmung'en sind einfachleidend , die VeränderunG' aber scheint eine Zusammenerinnerung so­wohl dessen

b zu enthalten. woraus (etwas) sich verändert,

als auch, 'wozu es sich, '~Tie man sagt 1 verällde~~; wenn sie aber denkbar ist, so ,,,erden 1Yl1' - da uher das Vorhanden sein der denkbaren Dinge der 1VIderspnwh bei den Alten unentscheidbar ist, "\vie wir sehon oft er­wähnten. - auch über das Vorhandensein der Veränderung Nichts in sagen verffiög'en.

Oap. 1-'1.

V om Entstehen und Vergehen.

Urno'estossell wird 111m auch das Entstehen und das V ergehe~ zusammen mit der Z111egung' und der \Vegnahme 1111(1 der natlirlieben Verändenmg; denn ohne diese Dinge möchte '>veder etwas entstehen noch vergehen; wie es sich z. B. ereig'net, dass aus der vergehenden Zehnheit, ,vie man sagt, eine Neunheit werde in Folge von Weg­nahme einer Einheit, und die Zehnheit aus der vergeh~m~en Neuuheit in Folge von Zusetzuug der llllÜ aer Rost ans yergeher;~em Erz .,ill Folge von Vel'älldermlg. So dass es, "\V€llll me gel1amhen aufgehoben \venlen, vi'elleieht llotlr-wemlig das Entstehen und das Vergehen aufgehoben ::::\ichtsdesto'weniger aber sagen Einig~ auch Folgendes. Y\T eml Sokrates gezeugt wurde, so elltstand_ Sokl'ates Bllt\vedel'j als Sokrates nieht war,

~~~;ti:~ir=;~~~~~~:3!~~ :~~:!; ,,~:r ft~:~'~O ~~~ch~~g~~ ,var., so "\var Soltrates

111 eille~seit8 {1rtrc]1

nach deI' er

er nll11 lebte, 1 el)e~n '\v-itrile als alle.}l ,als er

O',F~pGF' sein möcht€~

nitht, Indem ~l~~: '''~J~'el' dieBe Rede

Drittes Buch, Capa 14. 195

auf jedes der Dinge, welche, wie man sagt, entstehen oder vergehen, amvendetj vermag' man das Entstehen uml das Vergehen aufzuheben.

Einige aber folgern auch 80. Yvenn etwas \vird J so V"rird entweder das Seiende oder das Nichtseiemle. Aber weder wircl das Nichtseiende ; denn dem Nichtseiendell k~nn nic.hts zukommen, daher a.l1ch nic.ht das V\r erden. Aber auch das Seiende (wird) nicht. Denn wenn {las Seiende wird, so wird es' entweder, inwiefern es seiend ist, oder, inwiefern es nicht seiend ist. Inwiefem es mm nicht seiend ist. wird cs nicht. VVenn es aber iu­wiefern es seiend ist, so wird - da, das 'Verdende ~ wie man sagt. 7 aus einem Anderen ein Anderes wird - das Werdende anders als das Seiende sein, u11(l das ist doch, nicht seiend. Das \Verdende also wird nicht seiend was doch llng'ereimt ist. Wenn IHm \veder das s.eiende wi~d noch das Seiende, so wird eb,vas auch nicht -Auf dieselbe "''leise 2.ber vergoeht es auch nicht. Denn wenn et.was vergeht. J so vm:geht ent.weder das Seiende oder das Nichtseiende, Das Nichtseiende film nic.ht; denn das Vergehende muss etwas eTleiden, auch das Seiende nicht. Denn enhveder vergeht es, iu­dem es darin verharrt, Seiendes zn sein, oder j indem es nieht (darin) verharrt. Lnd wenn, indem es darin ~TD"'h,<}.,',-+ Seiencles Z~l sein, so vdrd Dasselbe Seiendes als auch '2:\"ichtseiendes es nicht verge~lti }l1w~efem es .Kichtse~ell(~eS ._

:~ _~:ter~~~~~;~~e~~ \~~~~c!1SieJ~;J~~~~n ,;~~1l (iv~~l1 ;:-iLE~!Ylie nclml. und ,~leswegeH .l:\khtseie.nc1es seh:; inwiefern man aber VOll Will Ewern es m dem Sem so wird es sein. Ds-ssellJe sei 80\y011 Seiel1des vergeht das Seiende indem es in üem Sein TTC'-""'''',.",{·

VV· €nll aber- elas Seiellde iuclen1 es i11 elen} :Sein 11icht 1lBTlulrTt ~ sOllcleTl1 Z11€r.st 111

c1alll1

eTörtert Seie11de

{1a.8 Niciltseill sich 11n1-l1iel1t 111ellI (l~LS (loch j ,vie

111111 weder " fllese:n

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196 Drittes Buch. Ca.p. 14. 15,

wegungen hinlänglich gesagt sein. Es folgt daraus, dass die Naturbetrachtnng im Sinne der Lehrphilosophen un­wirklich und undenkbar ist.

Cap. 15.

Von der V erharrung.

Im Anschluss hieran zweifelten Einige auch in Betreff l1er wirklichen Verhauung, indem sie sagten, dass, ,was beweg-t wird, nicht verharre, jeder Körper aber anhaltend bewe'Pt werde nach den Annahmen der Lehrphilosophen f

welche sa»'en, die ,Yesenneit sei ßiessend und bilde sich immer Zertheilungen und Zllsetzungen; so dass der Plat~n die Körner auch nicht für Seiendes erkläre, . sondern SIe

vielmehr Werdendes nenne, der Herakleitos aber die Leicht-beweglichkeit unseres Stoffes (Materie) einer scharfen Flussströmung vergleiche, Kein Körper also verharrt. -Das angeblich VeThan'ende scheint sicherlich doch VOll

den (Dingen) um es heru~ zusa?lmen~ehalte~ ,zu \Yerde~; a])er was zusammengehalten WIrd, leIdet; mcnts aber 1st leide'nd 1 da auch ein Ursächliches. nicht (ist~i ;vie ~: erörtel't haben; also verharrt auch etwas mehL. - _ ~.:i folgern aber :Manche auch in dieser Rede. Das V er­harrencle leidet. das Leidende aber wird bewegt; also wird das auO"eblich Verharrende bewegt: wenn es aber bewegt wird s~ verharrt es nicht. - Hieraus aber ist ersichtlich, dass' es auch nicht angeht, dass das unkörperliche ve1'-11arre. Denn wenn das Verharrende leidet, das Leiden aber, wenn überhaupt, KörpeEn eigenthitmlich ist, und nicht Unköl'perliehem. nichts Dnkörperliches abel' weder leiden kann noch verharren: so verhan1; also nichts.

118 So viel nun sei auch über Verharrung gesagt. Da aller je(l,es c1~r vorbespr?chenen Dinge nicht .?hne

T Ort (Raum)

oder ZeIt gedacht Wird, so muss man zu der TI]lte:rsuc~llng über diese übergehen; denn wenn diese Jemand als mcht­bestehend gezeigt haben wird, so wird auch deswegen iedes von ienen Diu2:en nichtbestehend sein. Beginnen Tvollen wir "aber mit dern Orte.

Drittes Buch. Cap. 16. 197

Cap. 16.

Von dem Orte.

" "Ort" also wird zwiefach gesagt, eigentlich und miss- 119 bräuchlich (übertragen): missbräuchlich. der ~.in der Breite'. wie meine Stadt; eigentlich, der ,~ mit Genauigkeit ßll.t: haltende'\ von welchem wir mit Gel1allip'keit umschlossen werden. Trir untersuchen mm in Betreff des Genauigkeit'''. Diesen aber setzten (belaheten) Andere hoben ihn auf (verneinten), 'Ändere hielten über ihn zurück. Hiervon mm nehmen die, welche he- 120 haupten, er sei vorhanden, zum Augenschein ihre Zuflucht Denn wer, meinen sie, wird sagen< es o-ebe keinen da m' die Theile des Orts sieht. 'wie ~. B. das {las Links, das Oben das Unten, 'Vorn, Hinten? und da er zu anderer Zeit anderwärts sich befindet? da er auch sieht. d2.SS.

wo mein Lehrer zu sprechen pflegte, hier ich jetzt spreche ~ da er auch einen verschiedenen Ort der von N atm leichten uml der von Natur schweren (Dinge) erfasst? Ferner auch. 121 da er die Alten sagen hört: ,,'Früher als Alles entstand da~ Chaos·' (Hesiod. Theog. 115'1? denn ., Chaos", meinen sie, sei (heisse) der Ort dayon~ dass er die in ihm 'werden-den Dinge ,~umfasse.·· (Und) 'wenn sicherlich doch irgenil ein Körper ist, meinen sie} so wird auch der Ort ~ denn ohne diesen möchte der Körper nicht sein. wen~ das vVovon und das 'Vi! oraus ist J so ist auch das VV?fm 1 ,yas ~loch de~ Ort ist i das Erste in jedem VOll

Belclem aber 1St; folglich (auch) das Zweite in Beidem. -Diejenig'en aber, welche dEm Ort aufheben, geben weder 122 zu, dass die Theile des Orts seien; denn der Ort sei nichts ausser d~ssen Theilen, und, wer zu folgern versuche, dass der Ort 1st i daraus dass er seine Theile als seiend an­nehme, wolle das Gesuchte dureh es selbst beweisen. Ebenso aber schwatzten (sageu sie) auch die i welche he­haupten, in irgencl einem Orte werde etwas oder sei ge­worden J während der Ort überhaupt nicht zUD'eIYeben vlürde; sie nähmen aber auch das Yorhandens~i; des Körpers zug'leidl mit an, obschon es nicht yon selbst zu­gegeben ,,'{üde; und das v:r oraus und das ,'Voyon liesse sich als niehtvorhanden erweiseu J ähnlich wie der

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198 Drittes Buch. ('ap. 16.

123 Ort. Der Hesiodos aber sei kein zuverlässiger Richter der philosophischen Dinge. Uml währen~ sie so ~b­wehren, was zum Beweise dessen, dass es eIllen Ort geDB, voro'ebracht wird beweisen sie sogal' noch gewandter, das~ er nichtvorhanden ist, indem sie die a.nscheinend o'ewichtio'sten ansichten der Lehrphllosophen über den Ort b b '1 d' .:J NL 'k 1 -1 d' =I dazu anwellden~ SOWOlli 1e uer t)LOl er a saue 1 "le üe!' Peripatetikm', in dieSel' '~eise.~ , .

124 Die Stoiker sagen, eill ~~Leeres" seI das J was VOll

einem Seienden eingenommen (ausgefüllt) werden kaun, aher nicht eingenommen wirdi oder ein körperleeres Aus­gedehntes, oeler ein von einem ~örl?er nicht ~iDgel1~rr:me~es Ausgedehntes; " Ort.. aber Sel e111 von emem 1::ieIenaen einO'eIl,ommenes . und dem ihn Einnehmenden gleich­ko~mendes Ausgeclehntes, indem sie jetzt (hier) den Körper Seiendes nenllen: •. Raum" aber sei ein Ausgedehntes, das theilweise yon einem Körper eingenommen j theilweise a1)er nicht eingenommen werde; während Einige ,~~au~'" den Ort desO'rossen KÖl'pers nenllen j so dass In der Grösse der Unterschied liege zwischen dem ~,Orte" und

125 dem ,~Raume". Es wü·a mm gesagt (yon elen Gegnern): ,veil sie (die Stoiker'! mm einmal meinen, der Ort sel ein von einem Körper eingenommenes Ausgedehntes, wie sagen sie doch, er sei ein Ausgedehn~es? Ist er <d~e Länge des Körners oder die Breite oder die Tiefe aliem, oder die dre( AusdehnuUf~:en? Denn, wenn (nur) Eine Aus­dehnung, so kömmt der Ort nicht dem gleich, dessen Ort er ist; ahgesehe~ davon ~ au~~, dass l!as Um­schliessemle (nur) ein TueH des Lmschtossenen ware, was

126 durchaus dem Augensehein widerspric.ht, V.,Tellll (er) ab~r die drei Ausdehmmgen (ist), so wil'd - da 'yeder em Leeres in dem sogenannten Orte yorhanden 1st, noch ein anderer Körper J ,velcher eine ~411s<!~hmmg hat., der aber, ','[ie es heisst, im Orte seiende liörper, wenn er verharrt nicht (?) allS den Ausdehnungen zusammengesetzt ist: dedn dieser' hesteht in Länge und Breite und Tiefe und \Viderstoss, welcher ja, wie man sagt, den VOl'­

genannten L4.usdehmmgen zukömmt - deI' Körper selbst sein eig:el1er Raum sein, und Einunc1dasselbe llmsehliessend und u'i'nschlossen, \vas (loch \vidersinllig, Also giebt es keiue Ausdehnung eines zu Grunde liegenden Ortes,

127 Aus diesem Grunde aber ist auch de!O Ort nichts. - Ge-

Drittes Buch. Cap. 16. 199

folgert wird aber auch in dieser Rede. Da die Aus­dehnungen zwiefach bei jedem der, \v1.e es !leisst, in einem O!te seienden Dinge nicht geschaut werden, sondern E.me Länge und Eine Breite und Eine Tiefe: gehÖren (hese Aysdehmmgen dem Körper allein an j oder dem Ort allem, oder beiden ? Aber 7 \yenn dem Orte allein. so \vird der Körper nicht eine eigene Länge haben noch B~eite. noch Tiefe) so dass aueh der Körper llicht KörpeT ~ein WIrd, ~as ~c~ch_w~dersin~ig. , Wenn aber beiden? so wud, 128 (ta das LeeIe kemen nestana hat ausser den Ausdehmmg;en, !.enll die Ausdehnungen! die dem Leeren angehören. in den1 Körper zu Grunde liegen als den Körper selbst zusammen­setzend, das, was das Leere zusammensetzt, auch den Körper zusammensetzend sein; - denn 11ber das V mhandensein des Yviderstosses kann man nicht mit Sicherheit sich aus­~prechen 7 ,vie wir vorher erwähnt haben; - wenn aber bl08 die Ausdehnungen in dem sogenannten er­scheinen, welche ja dem Leeren 2.11gehören und ul!es{~lb,en (Dasselbe) sind wie das Leere, so WÜ'cl der Körper Leeres sein j und das ist doch widersinnig. Wenn- aber die Ausdehmmgen dem Körper allein angehören, so \vircl keine Ausdehnung eines Ortes vorhamlen sein. deshalb auch der Ort nicht. V\T enn demnach auf kein~ der vor­b~sproche~en, ViI eisen eine Orts - Ausdehnung geflmc1en wnd, so gtebt es auch den Ort nicht - AllSserdem wird 1:29 gesagt, dass, wann an das Leere der Körper herantritt und ein Ort entsteht, das Leere entweder standhält. oder ZllTückvileicht, oder untergeht. Aber, wenn es staw:U{ält so wird Einunddasselbe sowohl vo11 als' auch leer sein: w~nn es aber zurücbveicht, indem es in ortveränclernder' Weise sich bewegt, oder untergeht, 1vähreml es sich verändert, so wird das Leere Körper sein; denn diese Leiden sllld einem Körper eigenthümlich. ""Yidersinnig aber ist es. zu sag:en, Einunddasselbe sei leer nncl voll, oeIer. dass J das Leere ein Körp er ist. 1Yidersinnig also ist es zu sagen. das Leere vermöge von einem Körper eingenommen zu' \yer-den und ein Ort zu werden. Ans (liesen Gründen abel' 130 wird auch das Leere als nichtbesteheml befunden. wenn es doch nicht möglich ist 1 dass es von einem KÖTner eingenommen werde und ein Ort werde; denil o-esagt wurde '~93\ • T . • , • K' 0 '-' V.:'d:), em Lleeres SeI, was von elllell l örper eingenommen werden kann. - Zugleich hiermit aber wh-tl auch der Raum

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200 Drittes Buch. Cap. 16.

(124) umgestossen; denn, wenn "der grosse Ort .. ein Raum ist (heissÜ so wird er zugleich mit dem Orte verneint; wen'n abe~ die .~theilweise VOll einem Körper einge­nommene, theilweise leere Ausdehnung" (Raum hei88t)7 s~ wird er zugleich mit Beldern ((lern Körper und dem Leereu) allfgehohm~ .

Dies also und noch mehr wird gegen den Standpunkt der Stoiker über den Ort. gesagt; die Peripateti}rer aber meinen Ort sei die Grenze des UmschliessenaenJ

hlwiefern es~ uillschliesst, so dass mein Ort diejenige Oberfläche der Luft wäre. welche um meinen Körper als IImriss sich legt. Aber; wenn anders der Ort dies ist, so wird Dasselbe sowohl sein als auch nicht sein. Delln~ walin der Körper in irgend einem. Orte , sich wir~. l~e­finden sollen, so muss, inwiefern mchts 111 dem Nwut­vorhandenen' sich befinden kann J der Ort vorhervorhan­den sein, damit so (dann erst) der l~örper in ihpl ?ich befinde, und daher wird der Ort_ sem, b~vor l~ Ih~l der in einem Orte (befincUiche) J{örper SiCh beimdeT. Inwiefm'u er (der Ort) aber vollendet wird, indem die Oberfläche des' Umschiiessenden um das Umschiosscne als Umriss sich legt, kanu der Ort nicht bestehen, bevor in ihm der Körper sich befindet und desweg'en wird er dann (zu der Zeit) (noch') nicht sehl. \Vidersinnig aber ist es, zu. sagen. Dasselbe sei ebenso etwRs wie es auch nicht sei; also ist der Ort nicht die Grenze des lSlllschliessendell, insofem es umschliesst. - Ausserdem, wenn der Ort etwas ist, sn ist er entweder g~worclen oder nichtgewoHlen. Nichto-eworden mm ist er nicht; denn dadurch ,dass er als Ul~lIiss, sagen sie, um den ~~ ihm (befindlichen) Kö.rp~r sich legt. wird er vollendet. Aber auch geworden mchLj denn weim er geworden ist, so wird entweder, walln der Körpel' im Orte ist, dann (erst! der Ort, \yorin das im Orte (Befindliche)' (ja) SChon' sein soll "oder, ,:yam~ er nicht in ihm ist. \:Yeder abert wann er ßer Korper) in ihm ist - er ist ja schon der Ort des in ihm (be­findlichen) KÖ1'lJers -, noch, wann er ~icht Jn ihm ist, .,.venn doch das U mschliessencle um das D mschlossene als Lmriss sich le.o't, wie sie meinen, und so der Ort entsteht,

0,. •• •. 'T' 1 t 1 (- • • , c1em aber, was 1llcht III Ihm 1st, .i'iIC 18 alSillTlSS Slen umlegen kann. Wenn aber der Ort "reder entsteht, wann der Körper im Orte ist; noch, wann er nicht

Drittes Buch. Cap. 16. 17. 201

in ihm ist ~ ausserdem aber Nichts sich denken lä~st, so ist der' Ort auch nicht geworden. 'Yenn er aber weder geworden ist noch nichtgeworden , so ist er auch nicht. An,geme~nel' abe:- lässt auch dies sich sagen. VI enn ~ler Ort etwas 1st, so 1st er entweder Körper oder Un­körperliches; jedes von diesen heiden (DiuO'eni aber lluter­lieg·t dem Zweifel, wie wir erörtert habe~ 0 ~l1ch der Ort also ~st zweifelhaft.. - Der Ort wh'd an d~m Körper ge­dacht, dessen Ort er ist; zweifelhaft aber ist die Rede über das Vorhandensein des Körpers; auch die über den Or!, also. - Der Ort jedes (Dinges) ist einerseits :nicht mng; wenn man aber sagt 7 er entstehe, 0 \vird eI als nichthestelend l)efunden, da ein Entstehen nicht statt­findet.

Es ist aber möglich auch anderes mehr zu sa.geu; aber, ll!ll elie ~ Rede nicht zu verläng'ern, so soll (nur) ~~nes hmzugefügt werden, dass ebenso die (diese) Reden ille Skeptiker überführen, wie sie auch der Augenschein yel'blüfft macht. Deshalb pflichten wir keinem von Beidem De~ ' .. soweit es auf das von den Lehrphilosophen Gesagte ankommt] sondern \yir halten an uns in Betren des Ortes.

Cap. 17.

VOll der Zeit.

Dasselbe aber erleiden wir auch bei der Luter­suchung über die Zeit; denn 7 nach dem Erscheinenden zu urtheilen, scheint die Zeit et\yas zu sein, nach dem a])er, was man über sie sagt, erscheint sie als nichtbesteheml: Die Zeit nämlich, sagen die Einen, sei eine Ausdehnung (ler Bewegung des Ganzen - Ganzes aber nenne ich die \:VeH -; Andere: die ,Yeltbeweg'ung selbst; Aristoteles aber oder, wie Einige (wollen), Platon: eine Zahl des in c1e~ Bewegung Früheren und Späteren; Straton, oeler. wie Ei~ige (wollen), Aristoteles: ein l\Iaass der Bewegung' lmd V erhauung i Epiknros , \vie Demetrios der La­konier sagt: eine Beschaffenheit von Beschaffenheiten. welche begleitet T·age und Nächte und Stunden und Leiden und Leidlosig'keiten und Be\yegungen und Ver­hartungen. Lnd der \Vesenheit nach. sap'ten die Einen sei sie ein Körper; wie die (Anhänger) de"s Ainesidemos ~

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202 Drittes Buch. Cap. 17.

denn sie unterscheide sich in nichts vom Seienden und vom ersten Körper; Andere j sie sei unkörperlich. Ent­weder nun sind alle diese Standpunkte wahr, oder alle falsch, oder einige wahr, andere falsch. Wecler 3cber kÖllnen alle "\\'ahr sein - denn die meistel1 widerstreit.en. sich -' noch werden VOll den Lehrphilosophen alle als

1 - ., ., f b 139 falsch zugegeben weraen; lIDU eTneT, wenn zugege en witrde, falSch sei das, dass die Zeit ein Körper ist. ~ falsch aber auch das, dass sie unkärperlich ist J so wird von selbst das Nichtvorhanclel1sein der Zeit zugegeben werden; denn ausserclem kann nichts Anderes sein. Ebensowenig 1st zn erfassen möglich, welche (Standpunkte) wahr sjnd, welche falsch, sowohl wegen des gleichkräftigen \Yider~ spruchs als auch ,vegen des Zweifels, (der) in B.etreff

140 ides] Urtheilsmittels wie auch des Beweises (herrscht). So dass \vir in Folge dessen )lichts über die Zeit \verden mit SicheTheit zu behaupten vermögen. SodaT'~, da die Zeit nieht ohne Be\·yegUllf!: oileT auch Verharrnng zu be­stehen scheint, so wird, söhald die Bewegung aufgehoben wird. ebenso aber auch die Verharrung, die Zeit aufge­hobe~l. - Nichtsc1esto\yeniger aber sagen Einige ::mch dies .D'eO'en die Zeit. \Velln die Zeit ist. so ist sie entweder ö b - ., t b' . A' 141 begrenzt worden, oeler Sle 18 unI egrellzt. ..n.oer wenn sie begTenzt worclen ist, so begann sie mit irgend einer Zeit und wird in irgend eine Zeit endigen; daher gab eH einmal eine Zeit, da es eine Zeit nicht gab, (nämlich) be­vor sie anfing, 'und es wird einmal eine Zeit geben, Ür. es eine Zeit llicht gehen wird, (nämlich) nachdem sie auf­g'ehört hat; was doch widersinnig ist. Demnach ist die Zeit

142 nicht begrenzt v{orden. ,Yenn sie aber unhegrenzt ist, so sind - weil ein Theil von ihr vergangen genannt wirdJ

ein Theil gegenwärtig, ein Theil zukünftig - entweder die zukünftige und (He vergangene (Zeit'! j oder sie sind nicht. Aber wenn sie nicht sind, so \vird, indem elie gegenwärtige allein ühr:iggelassen winl, _ \velche winzig' klein ist, die Zeit eine begrenzte sein, und es werden die anfänglichen Zweifel folgen. 'Venn aber die vergangene ist und die zukünftige ist, so wird jede von ihnen heiden gegenwärtig sein. Vlidersinnig aber ist es, gegenwärtig zu- nennen die ",-ergangene und die zukünftige Zeit; also ist die Zeit auch nicht unbegrenzt. 1Venn sie aber weder unbegrenzt noch begrenzt (ist), so giebt es eine Zeit auch

Drittes Buch. Capa 17. 203

überhaupt nicht. Allsserdem, wenn die Zeit ist. so ist 143 sie entweder theiIbar oder llntheilbar. Untheübal' nun ist 81,e n~cht; denn sie wh:d zerlegt in die gegenw!trtige und m die vergangene und In die zukünftige, wie sie selbst ~agen. :4..ber a~ch nicht theilbar. Denn jedes der theil­i)il;ren (Dmge) :vlId ausgemessen von irgend einem Theile semer selbst, mdem er in jedem Theil dessen, was ge­m~ssen wird, das Messende wird; wie wann wil~ eine EHe mIt dem Finger (Fingerbreite) messen. Die Zeit aber kann nicht von irgend einem Theile ihrer selbst ausge­messen w~rden. Denn, wenn die gegenwärtige, beispiels­halbel' 7 dIe vergangene ausmüIst, so wird sie innerhalb der .:e!~ang~nen l~nd daher vergangen sein, und bei der zuk~:n±t~gell ~!l glel~hel' TVeise zukünftig. Und wenn dle zllklUlf~·e. dIe . amteTn ausmessen 1-vünle 1 so wird sie g~gen:ya::~Ig . s,em u;rr~ vergang;~n, llllCl die vergängene WIrd m ahnl:cller Welse znkiintng sein und gegeIlwärtil!; :vas do~h \vIdersinnig ist. Also ist sie auch nicht then-Da1'. Wenn sie aber weder llntheilbar noch theilbar so ist sie auch nicht. - Auch ist die Zeit. wie man 144 dre~theilig>, und z\var, theils vergangen, th~ils !Y{J'o>f:'n~Fij·..ti:", thells zukünftig. Hiervon mm sind die ve!'O'an!!en6 die zukünftige nicht; denn wenn jetzt sind'=' so~vohl die vergangene als auch die zukünftige Zeit, so wird iede V'~:l . ~hnen. beiden gegenwärtig sem. Aber auch die geg>en­~vart:ge mcht. Denn wenn die gegenwärtige Zeit ist Ist SIe entweder doch untheilbar oder theilbar. ba! nun ist sie nicht; denn in der gegenwärtigen helEIst es, verändere sich das sich Veränclernde Nichts aber verändert sich in theilloser Zeit. wie z. B. d~s Eisen in. lv eic~heit (sich, verändert) oder' jedes der anderen pmge. ;jo dass dIe gegenwärtige Zeit nicht untheilbar ~st.. ~be1' .. auch . nicht., th~i~bar; }le?lIl in gegenwärtige 145 "ZeIten) mochte Sie wonl mcnt getneüt wen1en, da "\'legen ~~s. scharfen Flusses der (Ding'e) in der ,Velt unversehens dIe gegenwärtige in eine vergangene sich verändert. wie man sagt; aber auch nicht in eine vel'jJ'angene uml' eille 'Zukünftige; denn so wü"d (würde) sie nichtvorhanden sein indem sie (dann) einen nicht mehr seienden Theil ihre: selbst hat J einen anderen aber noch nicht seienden. Daher kann die gegenwärtige auch nicht Ende deI" ver- 1413 gangenen und Anfang der zukünftigen sein, da sie 80-

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204 Drittes Buch. Cap. 17.

wohl sein wird (würde! als auch nicht sein Wll'G.. Sein v.ird sie [nun], inVtiefe;n sie, geg~nwär~g ist, .nich~ se~n aber wird sie, da ihre Thmle mcht smd. ÄlSo 1st SIe auch nicht theilbar. \\7 enn aber die gegenwärtige wedel' untheilbar ist, noch theilbar, so ist sie auch nicht. Ist aber die g'egenwärtig'e nicht noch die vergangene noch die zukünftige, so ist auch die Zeit nichts; denn das aus Nichtvorhandenem Zusammengesetzte ist nichtvorhanden.

147 Man sagt gegen die Zeit auch folgende Rede. \Venn .die Zeit ist, so igt sie entweder entstanden und vergänglIch, oder unentstanden und unvergänglich. Unentstanden nun und llnvergänO'lich ist sie nicht. wenn doch von ihr, wie man sagt , e~ Theil vergange~ ist und nicht mehr ist,

148 ein Theil aber sein wird und noch nieht ist. Aber auch nicht entstanden und vergänglich. Denn das Entstehende muss aus etwas Seiendem entstehen und das Vergehende in etwas Seiendes vergehen, nach den Voraussetzungen der Lehrnhilosophen selbst. Wenn .sie nun in die ver­gangene ;'ergeht, so vergeht sie in Nicht- Seiendes) und wenn sie aus der zukünftigen entsteht; so entsteht SIe aus Nicht-Seiendem; denn keine von ihnen beiden ist. ~~der­sinnig aber ist es, zu sag'en, es entstehe etwas aus NIcht­Seiendem oder vergehe in das Nichtseiencle. Also ist die Zeit nicht entstanden und vergänglich. Wenn sie aber weder lUlentstanden uncl unvergänglich ist, noch entstanden und vergänglich, so is~ s~e auc~ überha~~ nicht. ."

149 Ausserdem, da all aas \V erdende ()!Intstehenae) in einer Zeit zu werden scheint, so wird die Zeit, wenn sie wird, in einer Zeit. Entweder nun wird sie selbst in ihr selbst, oder als eine andere in einer andern. Aber. we~n selbst in ihr selbst, so wird Dasselbe sowohl sem als auch nicht sein. Denn da das, worin etwas wird, dem in ihm VVerdenden vorausgehen muss, so ist (He in ihr selbst werdende Zeit, wenn sie einerseits wird, noch nicht; wenn sie aber in ihr selbst wird, so ist sie schon. So

150 dass sie auch nicht in ihr selbst wird. Aber auch nicht als eine andere in einer audern. Denn wenn elle gegen­wärtige in der zukünftigen wird, so wird die gegenwärtige zukänftiO' sein r und, wenn in der vergangenen, vergangen. Dasselbeo aber muss man auch von den andern Zeiten salYen. So dass auch nicht eine andere Zeit in einer ~mdern Zeit wird. Wenn sie aber weder selbst in ihr

Drittes Buch, Cap. 17. 18. 205

selbst wird, noch als eine andere in einer andern so ist d.ie Zeit auch nicht entstanden.. Gezeigt aber wurd~, dass SIe auch nicht unentstanden ist. Da sie nun weder ent­s~anden ~ ist, n?ch unentstanden, so ist sie auch überhaupt nIcht; denn Jedem der seienden (Dinge) kömmt es zu, entweder entstanden oder unentstanden zu seln,

Cap, 18.

Von der Zahl.

Da aber die Zeit, wie es scheint, nicht olme Zahl 151 geschaut wird, so möchte es nicht unnassend sein auch über die Zahl kurz zu Imndeln. Dem~ gewohnheit~mässig zwar und ansichtslos sagen wir, dass wir etwas zähle~, und hören uns an, dass die Zahl etwRB sei; der leh:r~ philosophische Ueberfleiss aber hat auch die >Rede hiel'­g'egen (bei Manchen) in Bewegung gesetzt. Zuvörderst also: 152 Die vom Pythagoras her (Pvthae:oreer) erklären die Zahlen sogar für Urstoffe der ~Telt. "SageJi sie doch (las Er-

h · d . , sc emenL e 1St aus Etwas zusammengesetzt, die 1Jrstone aber müssen einfach sein; folg'lieh sind die Urstoffe nie,ht o;ffenhar.. Unter den nichtoffel1baren Dingen aber sind die BIllen Kö l'I! er , \vie die Dünste [? Atome?] und die (Ur-) Massen; dIe anderen l1nkörperlich, wie Gestalten und Ideen und Zahlen. Unter diesen nun sind die Körper zusammengesetzt, indem sie sich zusammensetzen aus Länge und Breite und Tiefe und Widerstoss oder auch Schwere. ~~lso ~icht nur nich~offenbar, sondern auch unköl'perlich smd dIe Urstoffe. Aber auch unter den unkörpeI'lichen 153 (Dingen) enthält jedes die Zahl als (darin) mitangeschaut ; denn entweder ist es eins oder z-\vei oder mehr. Hieraus folgi, dass die Urstoffe des Seienden die nichtoffenbaren llpd unkörperlichen und in Allem mitangeschauten Zahlen smd. Und nicht einfach, sondern sowohl die Einheit, als auch die in Folge von Hinzusetzunl?: der Einheit ent­stehende unbestimmte Zweiheit, an welcher theilnehmend die einzelnen Zweiheiten Zweiheiten werden, Denn aus diesen, 154 sagen sie, entstehen auch die anderen Zahlen. {nämiieh 1 die, welche an dem Zählbaren mitangeschaut werden. und (aus diesen) wird die \Velt bereitet. Denn der Punkt 'habe

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206 Drittes Buch. Cap. 18.

inne (entspreche) das Verhältniss der Einheit; die Linie aber das der Zweiheit l denn zwischen zwei Punkten werde diese geschaut; die Fläche aber das der Dreiheit7 denn sie sei, meinen sie, ein Fliessen der Linie nach der Breite hin zu einem anderen, seihvärts liegenden Punkte; der Körper aber das der Vierheit J denn er entstehe als eine Erhebung' der Fläche zu irg'encl einem darüber-

155 liegenden Punkte. -Und auf diese ",\\T eise verbildlichen sie sowohl die Körper als auch die ganze "7 eIt, welche, wie sie meinen, auch verwaltet werde nach harmonischen Verhältnissen ; sowohl nach dem Durch - Vier J welches vien11'ittelfach ist, wie sich verhält zur Sechs die Acht; als auch nach dem Durch - Fünf, welches anderthalb fach ist. '''1e sich veTl1ält zur Sechs die Neun; und nach dem Durch - Alle, welches doppeltsogross ist, wie sich ve-rh~lt.

156 zur Sechs die Zwölf. Dies also erträumen sie, und auch~ daSH die Zabl etwas Anderes ist als die zählbaren Dinge, behaupten sie, indem sie sagen, dass, wenn das Thier seinem eigenen Verhältniss nach, sag'eu wir einmal, Eins ist, die Pflanze da sie nicht '['hier ist, nicht Eins sein wird: es ist ahe~ auch eilie Pflanze Eins~ folglich 1st das Thier nicht [seinem eigenenVerhältniss naeh] ~ins, son­dern gemäss irgend etwas Anderem au.'Sserhalb, welches an ihm mitangeschaut wird, woran Jegliches theilnimmt und auf Gnmc1 dessen es Eins wird. Und 'wenn Zählbare die Zahl istJ so wird - da ja die Zählbaren Menschen sh~d lmd Rinder wollen wir einmal sagen, 1111(1 Pferde - ehe Zahlnlenscl1811 u:nd Rhlder und Pferde seill, und wird; eine \veisse Zahl (sein) und eine scly\yaTze 1111d eine bärtige, wenn es sich träfe, dass die Gemessenen zufällig so 'wären.

157 Dies aber ist widersinnig (sagen sie); folglic,h ist die Zahl nicht das Zählbare, sondern sie hat einen eigenen Be­sta~pd ausser diesenl, dem,zl~folge sie e!~1e:r~eit~~ an _,d~~ Zällibar8n mitangeschaut wlTd, amlerersel1S em L l'stofl 1st.

. Al~ mm so gefol~el;t .1~~ttenJ das~. das, ~~hl~a:r;;

158

die ZaIn kam der lwel1:el g'egcn me ZaHL llerneI, Man Zahl Zahl ent-

diesem neben

ftas Ziihlbare 110ell etY\'"as

erörterl1 -lVerdJ311:

D~lSS nl)er ~ne Zn111

Drittes Buch. Oap. 18. 207

ausserhalb neben dem Zählbaren ist werden w~r e'l'meisen . d . -. D -:] 7 i .l-" 'il, ~n e~ WH die Hede an üer Einheit festhalten (einschränkenl 4:teutlicher BelellTung wegen. 1Y enn nämlich' die Einheit ~ ar: welc~er t~eilnehmend jedes del' an ihr theilnehmenden Dmge Ems WIrd - für sich seIhst ehvs,s ist RO wl""'d dl'e E ' h'L 1b" ,- .L t : III eIL se ,st entweder (nur) Eine sein oder' ><0 viel"" w>e ;:]' "th' 1 '/ , ,~ v, H ~

{H.e a1: ,lllI' • ,1eIl~enmenden Dinge sind. Aber V\Tenn sie Eme Ist: nnu';llt Jed~s der j wie man sagt, an ihr theil­~e!lmell~en Dmge Tlleil an ihr im Ganzen (c1. h. enthält JeCt~s die ganze Einheit), oder (nur) an eineinTheÜ von Ihr t De~n wenn, wh' wollen einmal sagen. der Eine M~~sch dIe ganze Einheit enthält J so wird es keine Ein­h~lL_ mehr geben, an welcher das Eine Pferd tIIeiInellmen wll'd, o.der der Eine Hund, adel' jedes der !1mlel'll (1"" '-"I" DI'DS e . I' l' , ~:"':: ,,-,- .-u J,; n nnen, ,g elcn'tne aucn ~, wenn man ''1e~e ~ackt~ Nlellschen amummt) aber Ein Gewand da ist un~t d~es Eimer llmgethan hat, die Uebrjgell nackt bleihen una ._ Olme Gewand. Wenn aber iedes (nur1 an einem T' e!, n '1'" tU, -' . n L" Y~D Hlm tllelllUmm, '} so wird 61'stens die Einheit lr~'e!lCt .emen Thei~ haben J und sogar unbegrenzte Theile wua Sie haben, m \velche sie zerleJY+' wiT(l, was iL"cl, v~!ide~~~;n ,. -.. ~C"I:.1. ~ Q .." ~ - ,.. c<-- H_"", ~r f L~.i- ~4...:: -_d.

, .; il"5" .mg ~!Sh uoüann wll'Cl, -,ne der Tnell . deI' Zenn-heuJ ~. ~!. dIe Z~yei~eitJ nicht eine Zelmheit ist) so auch der 1hml der EmheJt nicht eine Einheit sein,' Ül Qessen aber wird auch nichts theilnehmell an der -LijliLt'.:,ib

,:So dtlSS die Einheit, an welcher di'" E:nze j •1ing-e 1.rip man "o'{- +l"h, h· D.' ~ 1 L...,,' " '-' "0'~ _U . <J 'J ~"~'-' :'_ ~abt, in~I~ne lüvl1 J UiC"ll DIlle iSt. \\0 enn 2,ber Hell zäh1-naren Dm,gen, von welchen die Eins Einheiten, an ',velchen theilnehmend iedes fü)' Eins gilt, an Zahl gleich sind:" 50 .,yenten

an ,,,-elchen theiIg'enommen ,sein. Und nehmen ent,yeder Theil

159

160

olme diese lßl

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208 Drittes Buch. Cap. 18.

nehmen entweder alle an Einer Theil, oder jede einzelne an einer eigenen. "Gnd \yenn alle an EineI', so wird man entweder sagen J dass jede, theilweise (d. h. a~ einem Theile von ihr). oder" dass SIe an der ganzen theJlnehme,

162 und es bleibe~ die' anfänglichen Schwierigkeiten; wenn aber iede an einer eigenen, .so muss auch an jeder von jenen "Einheiten eine Einheit mitallgeschaut "verden, und an jenen mitangeschaut~n (wiederum) andere;, un~ (so) his in's t'nbegrenzte. Wenn es mm, - damIt WIr er­fassen. dass es einige Einheiten für sich gebe, an denen theilnebnend jedes der seienden Dinge Eins i~!, -. nöthig ist, . unbegrcnztemal unbegren~t~. den~bare Emhelten eT­fasst zu haben es abel' lmm6glIch 1St, unlJegrBl1ztemal unbegrenzte de'nkbare Einheiten zu erfassen: so ist es folg-lich unmöglich, auszusprechen, {lass es einige denk­bare Einheiten ~debt, und dass jedes der seienden Dinge Eins ist iDdem~ es in Folge von Theilnahme an einer

lß3 ejp'enen 'Einheit Eins wird. \Vidershmig folglich ist es, zu sagen, dass die Einheiten ~o viele sind: ,vje die an ihn.eu theilnehmenden Dinge. "Vv enll abel' dIe sogenannte Em­heit für sieh wedel' (nUT) Eine ist, noch so viele (Einheiten), wie (lie an ihr theiillehmenden binge: so giebt es über­haupt auch nicht eine Einheit für sic:?_ .Eben;~we~ig aber wird auch VOll den andel'en Zahlen Jede mr SIch sein; denn man darf in Betreff aller Zahlen die Rede :mwfmden welche, mustel'shalberJ jetzt in Betreff der Ein­heit erhoben worden ist. Aber, wenn weder die Zahl für sich ist, ,yie wir erörterten, noch das Zählbare selbst die Zahl ist. wie die von Pythagol'as her darlegten, aU8ser ßiesem aber es Nichts giebt: so muss man sagen, auch die Zahl sei nicht.

164 Wie aber gar meinen die, welche glauhen, die Zahl sei ausserhalb etwas neben dein Zählbaren, dass aus der Einheit die Zweiheit entstehe? Denn, wann wir eine Ein­heit mit einer andel'eu Einheit zusammensetzen, so wird entweder den Einheiten etwas VOll allssen zugesetzt, oder, es wh'cl etwas von ihnen weggenommen, oder, es wird weder etwas zugesetzt noch weggenommen. Aber, wen~ 'Ne~er ehvas zugesetzt ,vird noch weggenon:men, ~.o ~:r~1 .~me Zweiheit nicht sein. Denn wedel' enthielten me ~mnelten, während sie von einander getrennt waren, die Ein­heit [?Zv{eiheit] als eine an ihnen mitangeschaute,

DritteS Buch. Cap. 18. 19. 209

~ach dem ihnen eig;enen Begriffe, noch ist jetzt etwas zu 165 11lnen von aussen hmzugekornmen gleichwie auch nichts wegge:r;ommen wo:rden ist, nach 'der V ürallssetzung. So d,ass rdie .Zu~am~ens~tzung der Einheit znr Einheit nicht eme·, ZweIheIt sem wud J sobald weder irgend eine Wep'­nahme. noch eine Znsetzung von aussen geschieht. We;n aber, elpe ~Wegna?me geschieht, so wird nicht nUr eine ZWeIheIt ?ICht sem, sondern es werden die Einheiten so-g~r yer~un.dert werden, Wenn ihnen aber von aussen d!e Zwe:he~t zugesetzt wird i damit ans den Einheiten el:1e ZWeJhelt ,verde, so werden die anscheinenden ZYvei vier ~m; ,denn zu Grunde liegt eine Einheit und eine andere liimheIt; un.d wenn zu diesen von aussen eine Zweiheit Zlwesetzt WIrd, so möchte die Vier-Zahl vollendet werden. Dle!elbe ~.ede aber (gilt). auch von den anderen Zahlen, 166 ,;eLhe, w:e man sa?'t, m Folge vo~ Zusammensetzung ~\ ollendet Vi' erd,en. '" enn nun weder m Folge von ",Veg-­nahme, noch m Folge von Zusetzung, noch ohne Vveg­nahme und Zusetzung die, angeblich 'aus den darüber­stehenden zusammengesetzten, Zahlen entstehen: so ist die E,:1tstehung d~:r, wie man sagt, für sich und ausser de~ Zahlbaren seIenden Zahl nichtbestehend. Dass aber die

, ~ahlen durchZusammensetzl1ng auch nicht eben nnentstanden smd, bekunden sie (die Pythagol'iker) selbst, indem sie behaupten i dass sie zusammengesetzt werden und ent­stehen aus den ~arüberstehenden, wie z. B. der Einheit u?d d~~ u?bestIm;nten Zweiheit. ~4.1so besteht die Zahl lUcht fur, SICh. W~nn aber die Zahl weder für sich ge- 167 ~chaut wl!d, noch m dem Zählbaren den Bestand hat. so 1st auch dIe Zah\ nichts, na~h .den ,von den Lehrphilosoph~n vorg~bra~hten UebergeschaftIgkeIten zu urtheilen,

. öo VIel nun auch über den sogenannten physischen Thell der Philosophie zu sagen, soll für den Grundriss genügen.

Cap. 19.

Von dem ethischen Thai! der Philosophie.

.~B bleibt d~.r ethische übrig i der ja um die Ent- 168 schewung der schonen sowohl als auch schlechten und unter-

Sextlls Empiricus" 14

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210 Drittes Buch. Cap. 19. 20. 21.

schiedslosen Dinge sich zu beschäftigen scheint. Um nnn in der Hauptsache auch hierüber zu handeln, so werden wir über das Vorhandensein der guten sowohl als auch schlechten und unterschiedslosen D.inge. die yntersuch~mg anstellen nachdem wir den BegrIff emes Jeden vorner , vorgelegt haben.

Cap. 20.

Von dan guten und schlechten und unterschiedslosen Dingen.

169 Es meinen also die Stoiker, das Gnt~ sei der. Nutzen, oder, nicht verschieden vom Nutze~; mdem SIe unter .Nutzen'> verstehen die Tugend und die tugendhafte Hand­luno' unter nicht verschieden "Vom Nutzen'~ den tugend­haft~n :Mens~hen und den Freund. Denn die ~gend, .da sie ein auf gev,Tisse 'V eise sich ve:rh~lte?-des LeI!,endesT.lst, und die tugendhafte Handlung, da SIe ugend eme W rrk­samkeit gemäss der Tugend ist, ist geradezu der, Nut~e.? Der tugendhafte Mensch aber und de:; !reUJ~_d I~t n\Ch.t

170 verschieden vom Nutzen. Denn, der Nutzen 1St eI~ Tne.Il des tugendhaften (Menschen), da er sein L~itendes ISt; ,dIe Ganzen aber sagen sie sind weder mit den TheIlen Dasselbe - denn der Me~sch ist nic~t die H3:,nd -'. noch etwas Verschiedenes neben den TheIlen ~ (tenn SIe b~­stehen nicht ohne die Theile; weshalb 818. sagen, die Ganzen seien nicht verschieden von den Thellen. Daher sao'en sie der Tugendhafte sei, insofern er ein Ganzes ist im V ~rhältniss zu seinem eigenen Leitenden - was sie doch den Nutzen nannten - nicht verschieden vom Nutzen.

Cap. 21.

Dass das Gute dreierlei bedeute.

171 Daher auch bedeute, meinen sie, das Gute .ar~ierlei. In einer Weise nämlich sei, sagen sie, gut dasJe:nge, wovon Nutzen zn empfangen möglich ist, und das 1st eben das

Drittes Buch. Cap. 21. 211

Ha1:pt~ächlichste und zwar die Tugend; in einer anderen dasJemge, demgemäss es sieh zu t.r ä gt, dass man Nutze~ ernp~ängt, wie .die ,Tilgen? und di~ der Tugend gemässen !lamllungen;. m em~: dntt~n W else ~ber dasje!lige, was 1m Stand~ Ist zu nutzen, dIeS aber SeI sowohl die Tugend als auch ~me der Tugend gernässe Handlung und der ~Tugendhafte und der Freund, wie auch Götter und tugend­h~fte Dämonen; so dass die zweite Bedeutung des Guten dIe erste Bedeutung mitumfasst , die dritte aber die z1!eite und die erste. Einige aber meinen, gut sei das 172 semer selbst wegen Erstrebenswerthe' Andere aber das zur Glückseligkeit Beitragende oder' das Ausfünend~ (Ergänzende); Glückseligkeit aber ist, wie die Stoiker meinen, ein schöner Fluss des Lebens.

.. Derartiges nun wird zum Begriff des Guten gesagt. 173 Mochte aber Jemand . das Nützende, oder das seiner selbst wegen Erstrebenswerthe, oder das zur Glück­s~ligkeit Mitwirkende ein Gutes nennen, so stellt er mit mchten dar, was das Gute ist, sondern er sagt etwas von den ihm (dem Guten) zukommenden Dingen (Eio-enschaften \ Und das ist doch eiteL Denn entweder kOll1~en die vo{­g~nannten Dinge nur dem Guten zu, oder auch anderen Dmgen. Aber, wenn auch anderen, so sind sie nicht kennzeichnend für das Gute, weil gemeinsam; wenn aber nur dem Guten, so geht es nicht an, dass wir von diesen au~ das Gute . (uns) denken; denn wie, wer von einem Pferde 174 kemen Begnff hat, wedel' weiss, was das vViehern ist noch hierdurch zu einem Begriffe eines Pferdes gelangei; kann, wenn er nicht vorher auf ein \\rieherndes Pferd ge­s~ossen sein möchte: so kann der, welcher, weil er das Gute mcht kennt, frägt, was gut ist, nicht das in ihm (dem Guten) eigenthümlich und allein V Ol'handene erke~nen, so dass er dadurch das Gute selbst denken könnte. Denn vorher muss man die Natur des Guten selbst kennen lernen, (und) dann so innewerden, dass es nützt und dass es seiner selbst wegen erstrebenswerth ist n~d dass es Glückseligkeit zu schaffen fähig ist. '

Dass aber die vor besprochenen zukommenden DinO'e 175 nicht ausreichend sind, den Begriff und die Natur d~s ~.u~el! zu offenbare~, bekunden die Lehrphilosophen that­sachhch. Denn WIe das Gute nützt, und dass es erstrebenswerth ist - weshalb auch das gleichsam

14*

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212 Drittes Buch. Cap. 21. 22.

Schätzbal'e "gut" genannt worden ist -, und ~ass. es Glückseligkeit zu schaffen fähig ist, gestehen vIellercht Alle zu; auf die Frage aber, was das ist, dem diese Di~ge zukommen, gerathen sie in unversöhnlichen Krieg, ind~m die Einen sagen: Tugend, Andere: Lust, Andere: Un­betrübtheit, Andere etwas Anderes. Und doch, wenn aus (durch) den vorgenannten Erklärungen angezeigt w-Urde, was ilas Gute selbst ist, so entzweiten sie sich nicht) als wäre dessen Natur ungekannt.

So also widersprechen sIch über den Begriff des Guten die, welche die ausgezeichnetsten unter den Lehr­philosophen zu sein scheinen; ebenso aber. gerieth~n s~e in Widerspruch auch über das Schlechte, mdem SIe [die Einen?] sagen, das Schlechte sei der Schaden, . oder, nicht verschieden vom Schaden ~ Andere, es Sei das seinerselbst wegen Fliehenswerthe; Andere, es sei das, was Unglückseligkeit zu schaffen fähig ist. Und indem sie hierdurch mit nichten die Wesenheit des Schlechten, son­dern einige der ihm vielleicht zukommenden Dingen nennen, so ger athen sie in die vorbesprochene Schwierig'keit.

Cap. 22.

Von dem Unterschiedslosen.

Das Unterschiedslose aber, meinen sie, bedeute dreierlei: in einer 1Veise das, in Bezug worauf weder Neigung noch Abneigung besteht, _wie das is~, dass die Sterne oder die Haare auf dem Kopfe (der Zahl nach) gerade seien; in m:;derer Weise das, in. Bezug wor~uf z~ar Neigung oder AbneIgung entsteht, doc~ In Bezug a,uf da~ eIlle nicht mehr als auf das andere, WIe z. B. beI zweI un­unterscheidbaren Vierdrachmenstücken, sobald man das eine von ihnen wählen soll; denn es entsteht zwar eine N ei­gung dazu, das eine von ihnen zu wählen, d?ch zu ,dem einen nicht mehr als zu dem anderen. In emer dntten Weise aber. meinen sie. sei unterschiedslos das, was weder zur Glückseligkeit noch zur Unglückseligkeit beiträgt, wie Gesundheit. ReichthuID; denn, was man bald gut, bald aber schlecht an'wenden kann; dies, meinen sie, sei unterschieds­los. Und hierüber vorzugsweise handeln sie, wie sie

Drittes Buch. Cap. 22. 23. 213

s~gen, in de~ Ethischen. Was man nun aber auch über ~Iesen ~~,grrH ~enken muss] ist offenbar auch aus dem von. UUt;. uber dIe guten und schlechten DinO'eG.'3sagten _ So Ist zwar nun deutlich, dass sie zu demO BeO'riffe j~de" d~r vor$enannten Dinge uns nicht hingeführt haben ~ ~:n~ht~ U~berra~chendes aber haben sie erlitten J als si~ bel vI~~eIcht n:chtbestehenden Dingen strauchelten. Denn dass NIC?t~ seIner Natur nach gut ist oder schlecht oder unterschIedslos" schliessen Manche aus Folgendem.

Cap. 23.

Ob es etwas seiner Natur nach Gu.tes und Schlechtes und Unterschiedsloses giebt.

178

1 Das.,Feuer erscheint, da es seiner Natur nach \väl'mt, 179 ~.l~en warmen~, und der Schnee erscheint, da er seiner ~ aLur nach kaltet, A-}len kältend, und Alles, was seiner Natur nach b~\vegt \..erregt), be'wegt in gleicher Weise ~!le, welche SICh naturgemäss, wie sie sagen, verhalten, ~lCht~ aber, von, den .. sogenannten Gütern bewegt Alle als e;n G.lt, WIe ;vrr er ... ortern werden; also ist es nicht der ~atur nac~ em G,Ul.. Dass aber nichts von den soge­nannten Gutem Alle m gleicher 1Yeise bewegt j-,t o~n bar N • D J ~" llvn-

, >:l~gen SIe. enn, ~m VOll den Ungebildeten nicht 180 zu re(~~n, . unter denen die einen 'Vohlbefinclen des Kör-pers fur em Gut halte~, andere das Beischlafen andere das .?at~essen, andere Weintrunkenheit, andere da; Wiirfel­h~nQhaoen, and~re grös,sereu Besitz J andere einiges noch s?j}~echtere als dIese~; selbst unter den Philosophen meinen ';Imge., es gebe., dreI ~rt~n G~ter '. ·wie die Peripatetiker: ~ on dIesen betrafen namlrch die emen die Seele wie die Tuge~den; andere den Leib, wie die Gesundheit und da<:: ~ehnhcheJ ~nder~ (wäTen) a:lsserhal~J wie Freunde, Reieh~ ",hum (und) die veIwandten Dmge. DIe Stoiker aber me!nen 181 ~:~ch.selbst, e,~päbe.ein~ Dreit~eilung der Güter: von (li~sen namlic~ ~.etraten die emen (he Seele, wie die Tugenden' ~ndere(wa~~n) ~usserhalb, '\vie der Tugendhafte und Freund; a:r:dere (waren) wede~ an der Seele, noch ausserhalb, W1e de~ Tngen~hafte lll. Bezug auf sich selbst; jedoch die den LeIb betreffenden Dmge [oder die ausserhalb], welche

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214 Drittes Buch. Cap. 23.

die Peripatetiker für Güter halten, halten sie nicht für Güter. Etliche hätschelten die Lust als ein Gut; Einige aber meinen, sie sei geradezu ei!l Schl~chtes J. S(}

dass sogar einer von denen ans der PhIlosophIe ausnef: 182 ,.Rasen möchte ich lieber als mich freuen j" Wenn nun

äber das dei Natur nach Bewegende Alle in gleicher \Veise bewegt, bei den sogenannten Gütern a~er ~ir nicht Alle in gleicher vVeise bewegt ,yerd~n, so 1st mchts ~er Natur nach ein Gut. - Man kann Ja auch weder allen den vorher dargelegten Stanetpunkten Glauben schenken wegen des Kampfes (unter ihnen), noch irgend einem. Denn, wer sagt, dass man dem einen Standpunkte Glauben schen­ken müsse dem anderen aber nicht, der wird, da er gegen sich hat di~ Reden von Seiten der ihm Entgegenurtheilenden, ein Theii (Seite) des Widerspmchs, und er wird selbst deswegen sammt den anderen Jemandes bedürfen, der (ihn) beurtheilen wird, nicht aber wird er andere beurtheilen. Wenn nun weder ein Ul'theilsmittel zugestanden ist noch ein Beweis so wird er, in Folge des unentscheidbaren Widerspruchs auch hierüber, zuletzt bei der Zurückhaltung anlangen, und wird deswegen nicht fe?tzuversichern ver­mögen, was das der Natur nach Gute Ist. -

183 Ferner sagen Einige auch jenes, dass entweder das Streben selbst ein Gut ist, oder jenes, wonach wir streben. Das Streben nun ist, nach seinem eigenen Begriff, kein Gut; denn (sonst) beeilten ~wir uns wohl nicht J jenes zu erreichen wonach wir streben, um nicht herauszugel'athen aus dem (Zustande), es noch zu erstreben; wie wir z. B., wenn es ein Gut wäre, nach einem Trunke sich zu bemühen, uns wohl nicht beeilten, einen Trunk zu erreichen; denn sobald wir diesen geniessen , befreien wir uns von dem, Bemühen darnach. Und von dem Hungern (gilt esi ebenso und von dem Lieben und den andern Dingen. Folgli~h ist nicht das Streben um seiner selbst willen erstrebenswerth, wenn es nicht gar noch beunruhigend (ist); beeilt sich ja auch der Hunge~nde Nahrung zu er­langen, damit er von der BeunruhIgung des Hungerm~ befreit werde, und der Liebende ebenso, und deTDurstende~

184 Aber auch das Erstrebenswerthe ist nicht das Gute. Denn dies ist entweder ansser uns, oder in uns. Abe!'1 wenn ausser uns, so bewirkt es entweder in uns eine artige Bewegung 'und ein annehmliches Verhalten und einen

Drittes Buch. Cap. 23. 215 schätzbaren Zustand. oder es -wirkt O'ar nl" "ht a f . U, 1 '. '. b '-' ·u uns eIn.

ll( wenn es nun mcht für uns schätzbar j!;!t so w!rd wede~ ein Gut sein, noch wird es uns dazu hi;'lühxen 1 '" es erstreben h' - . b h ' e::; zu

! '} n~c WIrd es Ü er aupt erstrebenswerth sein. ~enn a~el'..:>lll un~ von dem amlSerhalb (Seienden) her l.Lgend em lreundlIches Verhalten und ein willkommener Z~stand entsteht, so wird clas ausserhalb rSeienc1e\ mit n:chten um ~einer sel?~t l\illen er~tre benswerth 'sein, so~derll -w e~ell der. m uns beI I~m entstenenden Stimmung; so ~ dass d~ um, semer selbst WIllen Erstrebenswerthe nicht ausser­halb sem ka~n. Aber auch nicht in uns. Denn es geht 185 eI?-tweder, WIe maI?- sagt, nur den Körper an, oder nur dIe S.eele, o~er Bmdes. Aber, wenn nun nur den Körper so WIrd e.~ SIch .unserer E.r~enntniss entziehen; denn dei Sy~~le gehoren. dIe ~rkenn~msse an, wie man sagt, der ~orper aber Ist, melllen SIe, unvernünftig so viel es anf :hn selbst ankömmt. Wenn man aber sagen möchte J ;8 \das ~rstrebenswer~he) erstrecke sich auch bis zur Seele. so. mochte" es_ schemen, es sei durch die Erfassung von S;Iten der ~eele,. und dmcn den schätzbaren Zustand dieser e-.strebel!swerth 1 d~nn, was als eTstrebenswerth beurtheilt ~:r~l_ WIrd nac~ Ihnen (den Lehrphilosophen) durch die E:~::;H:ht /~eurtheIlt .. un~ mcht durch einen unvernünftigen ~orper \.,' j. Es enlbngt zu sagen, dass das Gute nur die 186 ;::;eel~ a~g:1lt" Aber auch di~s ,ist, nach dem, was die I:ehII?hllo~ophen . sagen, unmöglIch. Denn die Seele ist Vlellelch~ sogar n;chtv?rhanden; wenn sie aber auch vor­handen Ist, s~ w!rd ~Ie, nach dem, was sie sagen, nicht aufgefasst, WIe IC~ m der Rede über das Urtheilsmittel gefolgert habe. 'Vle aber möchte jemand den Muth haben zu sagent es entstehe etwas in jenem was er nicht auf-fasst? pm aber imch dies bei Seite ~u lassen: wie ~Iso 181 sagen SIe . doch auch, in der Seele entstehe das Gute? "'Yenn wemgstens deI' ~piku~os das Ziel (das höchste Gut) in dw Lust s.etzt und J?eInt, die Seele sei, weil auch Alles, ~us unt~eI~bal'en Dmgen (Atomen) zusammengesetzt. so Ist schwleng zu sagen, wie es möglich sei, dass in einem H~ufen lmtheilbarer Dinge Lust entstehe und Bei­sturummg oder ein Urtheil darüber. dass dies und dies zwar erstrebenswerth sei und gut. jenes aber fiiehenswerth und schlecht. ' "4

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216 Drittes Buch. Cap. 24.

[Cap. 24.

Was dia sogena.nnte Kunst in Betreff des Lebens ist,]

188 'WIederum meinen dieStoikeI', Güter um die (in der) Seele seien gewisse Künste, (nämlich) die Tugenden i Kuns~ aber, meinen sie, sei eine Zllsammens~ellung \System) aus zusammengeübten Auffassungen, dIe Auffassungen aber entstehen um das (im) Leitenden. Wie nun in dem Leitenden welches nach ihnen ein Hauch ist, eine Abla­gerung v~n Auffassungen entstehe l~nd ~ine A~sa:nmlupg so vieler dass eine Kunst entstehe, 1st mcht moghch SICh

vorzustelien, da der hinzutretende Abdruck immer den vor ihm verwischt, weil der Hauc~ flüssig ist und sich wie man sagt im Ganzen bewegt, Jedem Abdrucke

, 'di B'I::1 h"!' PI"'~ 189 gemäss. Denn zu sagen, e 1 nersc Opll111g alion lS,

ich meine ab~r die Mischung der untheilbaren und theilbaren Wesenheit und der N atm des. Anderen und (der) des Einunddesselben , sei fähig das Gute auf sich ~ullehmen oder die Zahlen, ist völlig g'eschwätzig.. Da­her kann' das Gute auch nicht die Seele angehen.

190 Wenn aber weder das Streben selbst ein Gut ist, noch das um seiner selbst willen Erstrebenswerthe ausserhalb vor­handen ist, und nicht den Leib noch die Seele angeht, wie ich gefolgert habe, so giebt es auch überhaupt nicht etw~as der Natur nach Gutes. '

AllS den vorbesprochenen Gründen aber giebt es auch iro'end ein der Natur nach Schlechtes nicht; denn, wasde~ Einen schlecht zu sein scheint, dies suchen Andere als gut auf, wie die Ausschweifung, Lngerechtig­keit Geldliebe , Unmässigkeit (und) das Aehnliche. Da­hel' 'wenn das der Natur nach (Seiende) Alle in gleicher W clse zu bewegen angethan ist, die sogenannten schlech­ten Dinge aber nicht AUe in gleicher -Weise beweg'en, so ist nichts der Natur nach schlecht.

i91 In gleichm' vYeise aber giebt es auch ein der Natur nach Unterschiedsloses nicht wegen des 'VYiderspruchs über die unterschiedslosen Dinge. So z. B. sagen die Stoiker, unter den unterschiedslosen Din~en seien. die einen "vorangestellt"· (hochgeschätzt), andere "weItab-

Drittes Buch. Cap. 24. 217

gestellt» . (geringgeschätzt), andere "weder vorangestellt, noch wertabgestellt" : vorangestellt nämlich die welche hiI~längliche_n Werth haben, wie Gesundheit, R~ichthllm; ~veItabgest~llt aber, welche nicht hin länglichen Werth hab_en, :Vl~ Armuth, Krankheit; weder vorangestellt noch weItalJgestellt, wie das Ausstrecken oder Krümmen des Fi~gers. Eini?e aber sagen, nrchts von den 192 unterschIedslosen Dmgen sei der Natur nach vor­angestellt oder weitab gestellt ; denn jerles der unter­s~1Jiedslosen Dinge erscheine je nach den verschiedenen ümständen bald vorangestellt, bald weitabgestellt. WeniO'­ste~s, wenn" sagen sie, ?ie ~eich~n von einem TYl'ann~n gefah::det, die _~4..rmen aDer III Frieden gelassen \vi1rden; so mochte wohl Jeder eher "'.vählen arm zu sein als reich, so dass der Reichthurn weitabgestellt werden würde. So dass, da die Einen von jedem der sOD'enannten unter- 193 sc!lledslosen Dinge s~gen , es sei gut, die Anderen, es seI schlecht, allesammt aber, wenn es doch unterschiedslos wäre der Natur nach, es für gleich unterschiedslos halten würden, nichts der Natur nach unterschiedslos ist.

, So auch - wenn J~mand sagen möchte, der Natur naCh erstrebenswerth seI der Muth, weil die Löwen von Natur zu:n JIr~uthigsein zu neigen. s?heinen, und Stiere, w?l1en ,nI' emmal. sagen, und mmge Menschen, und Hahne, - sagen wlr, dass, wenn es darauf ankömmt auch die Feigheit zu den der Natur nach erstrebens: werthen Dingen gehört, da Hirsche und Hasen uncl andere Thiere mehr von Natur zu ihr neigen. Auch d!e meisten JUenschen aber zeigen sich feig; selten ja g1.ebt Jemand fürs Vaterland sich selbst. hin in den Tod, weil er eben schlaff ist, oder scheint er. verblendet . d W' " m an erer t eise etwas Feuriges auszuführen; der grosse· 8ch warm der Menschen vielmehr weicht allem Derartigen aus. vYoraus auch die Epikureer zu beweisen 194 glauben, der Natur nach erstrebenswerth sei die Lust; de~n die Thiere, sagen sie, neigen sich zugleich mit dem Geoorenwerden, während sie (noch) unverdorben sind zur Lust, "'.veichen aber den Schmer~en aus. Aber auch 195 gegen diese kann man sagen, dass das, was Schlechtes z~. sc .. haffen ,vermag; w?hl nicht der Na~ur. nach gut sein moch~e. DIe Lust aber vermag. doch Schlechtes zu schaffen; denn aller Lust haftet Schmerz an, welcher,

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218 Drittes Buch. Cap. 24.

nach ihnen der Natur nach ein Schlechtes ist. So z. B. freut sich doch der Trunkenbold, wenn er sich mit Wein, und der Fresser wenn er sich mit Speise anfüllt, und der Wollüstige, ~enn er unmässigen Lie besgenuss pfl~gt; aber diese Dinge können auch Arrnuth und Krankhmten schaffen welche doch schmerzlich sind und schlecht, wie sie meiden. Also ist die Lust nicht der Natur nach ein Gut.

196 Aehnlich aber ist auch das, was Gitter schaffen kann, llicht der Natur nach schlecht, aber Schmerzen bewirken Lüste' denn auch die "Yissenschaften nehmen wir mit Anstr~ngung auf, und über den Reichthum und die G~­liebte wird man (nur) auf diese Weise Herr.' UI;d dIe Schmerzen stellen die Gesundheit her. Also 1st dIe An­strengung nicht der Natur nach ein Schlechtes. Au~h verhielten sich ja, wenn die Lust d~r N,atur nach e~n Gut ~wäre, die Anstrengung aber. em ~ebel.' Alle m gleicher Weise in Rücksicht auf sIe, WIe WH sagten ~ wir sehen aber viele Philosophen die Anstrengung und

197 die Ausdauel' wählen, die Lust aber verachten. Ebenso aber möchten wohl auch die, welche das tugendhafte Leben der Natur nach ein Gut nennen, daraus widerlegt werden dass einige ~Weise das lustvoLe Leben erstreben; so das; aus dem ·Widerspruch bei jenen selbst das (del' Satz) i der Natur nach sei etwas so oder so, umge­stossen wird.

198 Nicht unpassend aber möchte es vielleicht sein, ausserdem auch mehr im Besonderen kurz nachzuforschen den Annahmen über die hässlichen und nicht häss­lichen (Dinge), die unerl~ubt~n und die n,icht ~~rar~ige~r und die Gesetze und dIe SItten und dIe FrommlgkeIv o'e!Yen die Götter und die Ehrfurcht gegen die Hinab­~egangenen 01 erstorbenen) und das Aehnliche; denn auc~ so werden wir in Betreff dessen, was gethan werden soll

199 oder nicht die Ungleichheit gross finden. So z.B. gilt d?ch bei uns fÜr hässlich, vielmehr sogar für widergesetzlich, die Unzucht mit Männern, bei den Germanen [? Kar­manen] aber, wie man sagt, nicht für hässlich 1 Bonder~ wie eins der gewohnten Dinge. Es soll aber auch beI den Thebäern in alter Zeit dies nicht hässlich geschie­nen haben und der Mel'iones aus Kreta hat, sagen sie, so geheissen,'durch eine (zur?) Bezeichnung der Kretensischen Sitte; auch des Achilles feurige Freundschaft zu Patro-

Drittes Buch. Cap. 24. 219

klos führen Einige hierauf zurück. Und was Wunder, 200 wenn doch auch die von der kynischen Philosophie und die Anhänger des Zenon aus Kition und des Kleanthes und des Chrysippos dies für ein Unterschiedsloses halten? Auch öffentiich mit einem Weibe sich zu ver­mischen obschon es bei uns für hässlich gilt, wird bei einigen Indern nicht für hässlich erachte.t; ~ermischen sie sich doch unterschiedslos öffentlich, WIe WH es 3"!lch in Betreff des Philosophen Krates gehört haben. Aber 201 auch das Buhlen der Weiber ist bei uns hässlich und tadelswerth" bei vielen Aegyptiern aber rühmlic~; ID~n sagt wenigstens, dass die (Weiber), welche mIt se~r Vielen Umgang pflegen, auch einen Schmuck um dIe Knöchel haben, als Abzeichen ihres Stolzes. Bei einigen von ihnen aber heirathen die Mädchen, indern sie vor der Heirath die Mitgift aus der Buhl~:rei zusammen~ bringen. Auch die Stoiker aber sehen WII sagen, es SeI nicht unpassend einer Bu~ler~n beizuwohnen ode!. aus dem Erwerb einer Buhlerm SICh das Leben zu frIsten (nämlich) für einen Mann). Aber auch d~s Punktirts~in 202 gilt bei uns für hässlich und ehrlos, VIele Aegyptwr aber und Sarmater punktiren die Neugeborenen. "Und 203 dass die Männer Ohrringe haben ist bei uns hässlich, bei etlichen der Fremdländischen aber, wie z. B. auch bei den Syrern, ist es Abzeichen edler Geburt. Einige aber welehe das Abzeichen der edlen Geburt ",-eiter ausd~hnen, hängen auch, indem sie die Nasen der Kinder durchbohren, silberne Ringe dm'an oder goldene, was bei uns keiner thun möchte; gleichwie auch ein bunt- 204 gefärbtes und bis an die Füsse reichendes Kleid ein Mann hier sich nicht anziehen möchte, während doch dies bei uns Hässliche bei den Persern für sehr ge­ziemend gilt. Auch bei Dionysios aber, dem Tyrannen Siciliens, schickte, als ein solches Kleid den Philosophen Platon und Aristippos gebracht wurde, der Platon es zurück, indem er sagte,

Ein Weiberkleid anlegen ? Nein, ich könnt' es nicht, Da ich ein Mann geboren bin;

(Eurip. Bacch. 836).

der Aristippos aber gestattete es, indem er sprach,

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220 Drittes Buch. Cap. 24.

Des tugendhaften \Yeibes Sinn Wird nicht entarten selber im Bacchantenfest.

(ebend. 265)

So schien sogar unter den Weisen dem einen dies nicht 205 hässlich, dem anderen aber hässlich zu sein. Und uner­

laubt ist es bei uns, die eigene Mutter oder Sch,:e~te~ zu heirathen' die Perser aber, und besonders dleJemgen unter ihden, welche der Weisheit sich zu befieissigen scheinen die Mager. heirathen die Mütter, und die Ae­gyptier ~ehmen sich' ilie Schwestern zur Heirath, und wie der Dichter sagt,

Zeus indessen begann zu Here, der Schwester und Gattin. (Ilias 18, 356. Uschner)

Aber auch der Zenon aus Kition meint, es sei nicht un­passend, den SchamtheH. de~ Mutte! mit ?em eigenen Schamtheil zn reiben, §'leIchwle auch Irgend emen anderen Theil ihres Körpers mit der Hand zu reiben keiner ver­werflich nennen möchte. Auch schreibt der Chrysippos in dem "Staat" vor, dass der Vater mit der Tochter Kinder erzeuge und die .Mutter mit dem Sohne und der Bruder mit der Schwester. Platon aber sprach noch all­O"emeiner ans gemeinschaftlich müssten die Weiber sein.

206 Auch die Selbstbefleckung, welche bei uns v~rabscheut ist verwirft der Zenon nicht i auch andere aber üben, wi~ wir erfahren dies Schlechte, gleichwie etwas Gutes.

207 Aber auch ~Iensdhenfleisch zu kosten ist bei uns uner­laubt, bei ganzen fremdländischen Völkern aber unt.~r­schiedslos. Und was braucht man von den Fremdlan­dischen zn reden, wenn doch auch der Tyde~s das Gehirn des Feindes gegessen haben soll, und d~e von der Stoa meinen, es sei nicht unpassend, dass jema~d Fleisch isst sowohl anderer Menschen als auch sem

208 eiO'enes? Und mit Menschenbillt den Altar eines Gottes Zl~ besudeln ist bei uns für die Meisten unerlaubt, die Lakoner aber werden an dem Altar der Orthosischen Artemis bitter gepeitscht, damit ein reichlicher Blutstrom an dem Altar der Göttin entstehe. Aber auch dem K1'onos opfern Einige einen Menschen, gleichwie, auch die Skythen der Artemis die Fremden; wir aber memen, ver-

209 uureinigt würden die Heiligthümer dur?h MellSchen~l~t: ,Die Ehebrecher gar erst straft bei uns em Gesetz, bel ~lmgen

Drittes Buch. Cap. 24. 221

aber ist es unterschiedslos, mit den Weibern der Anderen sieh zu vermischen; aber auch von den Philosophen meinen einige, es sei unterschiedslos, mit einem fremden Weibe sich zu vermischen. Und dass die Väter von den 210 Kindern der Sorgfalt gewürdigt werden (pflege erhalten), befiehlt bei uns ein Gesetz i die Skythen aber schlachten sie; wenn sie über die sechzig Jahre geworden sind. Und was Wunder, wenn doch der Kronos mit der Sichel dem Vater das Schamglied ausschnitt, der Zens den Kronos in den Tartaros htnabwarf. die Athena mit Hera und Poseidon den Vater zu binden versuchte? ltber 211 auch die eigenen Kinder beschloss der Kronos zu tödten, und der Solon gab den Athen ern das Gesetz ttber die ,~Nichtverurtheilten", demgemäss er jedem sein eigenes Kind zu Wdten erlaubte. Bei uns aber verbieten, die Kinder zu Wdten, die Gesetze. Auch befehlen die rö­mischen Gesetzgeber, dass die Kinde]' den Vätern unter­ihan und Sklaven sein, und dass über das Vermögen der Kinder nicht die Kinder sondern die Väter gebieten sollen, bis die Kinder die Freiheit erlangt haben, nach Art der für Geld gekauften (Sklaven); bei Anderen aber ist dies als tyrannisch verworfen worden. Auch ist ein 212 Gesetz, die :aförder zn strafen; die Zweikämpfer aber er­langen 1 wenn sie tödten, oft sogar Ehre. Aber auch Freie zu schlagen verhindern die Gesetze; c1ie Wettkämpfer aber werden, wenn sie freie Mä"nner schlagen, oft sogar, wenn sie sie Wdten, der Ehren und Kränze gewürdigt. Auch 213 befiehlt ein Gesetz bei uns, dass jeder (nur) Eine heira.the, von den Thrakern aber und Gaetulern - dies ist ein Libyscher Volksstamm - heirathet j edel' viele. Auch 214 Räuberei zu treiben ist bei uns widergesetzlich und un­gerecht, bei vielen der Fremdländischen aber nicht un­schicklich. Sie sagen aber, dass die Kiliker dies sogar für Il1hmvoll hielten, so dass auch die beim Rauben Umge­kummenen der Auszeichnung würdig zu sein schienen. Auch der Nestor aber sagt bei dem Dichter (Homeros), nachdem er den Telemachos mit seinen Leuten wohl­wollend aufgenommen hat, zu ihnen:

- durch schweift ihr (die Salz:ff.ut) Zwecklos, etwa nach Art der Seefreibeuter ?

. (Odyss. 3, 72. Uschn.)

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222 Drittes Buch. Cap. 24.

Und doch wenn es unschicklich gewesen wäre Räuberei zu treiben' so [hätte er 1 sie nicht in dieser Weise wohl­wollend a~fgenommen, wegen des Argwo~ns, o? sie nicht

215 etwa solche wären. Aber auch stehlen 1st bel uns un­gerecht und widerges.etzlich;. d~e aber, welche V?ill Hermes sagen, er sei sogar em erz~l~blscher G?tt, ~ewl1'ke~, dass dies nicht für ungerecht gIlt; denn WIe mochte em Gott schlecht sein? Es sagen aber Einige, dass auch elle Lakoner die Diebe straften, nicht weil sie gestohlen hatten sondern weil sie sich hatten ertappen lassen.

216 Aber ~uch der Feige und der Schildwegwerfer wird bei Vielen nach einem Gesetz bestraft; weshalb auch die Lakonerin als sie dem zum Kriege ausziehenden Sohne den Schild' gab, sag·te: "Du Kind, entweder diesen oder auf diesem". Archllochos aber sagt, als ob er vor uns damit sich rühmte, dass er den Schild wegwerfend ge­flohen sei, in den Gedichten von sich selbst:

Jetzt ein Saler prangt mit dem Schild, den ich ungern zurü.~kliess, Ein untadlig Geräth, dort bei dem dunklen Gebusch!

Doch ich selbst entrann dem Ziele des Tods. (Fragm.)

217 Die Amazonen aber lähmten sogar die männlichen ihrer Neugeborenen, damit sie nichts ~1~nnhaft~s tJ:un könnten mit dem Kriege aber beschaftlgten SIe SICh selbst -ivährend das Gegentheil bei uns für schön gUt. Auch' die J\iutter der Gotter aber lässt die Vif eibmänner (Entmannten) zu, während sie doch als Göttin nicht. so urtheilen würde wenn es der Natur nach schlecht wäre

218 unmännlich zu s'ein. So enthalten auch die (Verhältnisse) in Betreff der gerechten und nngerechten Dinge und des Schönen in der Mannhaftigkeit viel Ungleichheit.

Aber auch die in Betreff der Frömmigkeit und der Götter sind angefüllt von vielem Widerspruch. Denn dass Götter sind, sagen die Meisten, Einige aber, dass sie nicht sind, wie die (Anhänger) des Diagoras aus Melos und des Theodoros und des Kritias ans Athen. Und von denen, welche aussprechen, dass Götter seien,. er~ennen die Eb~.en die väterlichen Götter an, Andere die III den lehrphIlo­sophischen Denkweisen erdich!eten; wie Aristotele~ sagte, der Gott sei unkörperlich und die Grenze des Ihmrnels, die Stoiker (er sei) ein auch durch das Hässlich-Gestaltete durchgehe~der Hauch, Epikuros , (er sei) menschlich-

Drittes Buch. Cap. 24. 223

gTestalt~t, ~enophanes a~e~., (er sei) eine leidlose Kugel. U~d dIe Elpen sagen, SIe ubten Vorsorge für die (Dinere) 219 bm uns, dIe Anderen, sie übten nicht V orsorD'e . de~n das Glückselig~ und Unvergängliche, sagt der Epikuros, habe weder selost, noch verursache es Anderen Geschäfte. r:ahe! auch von den (Menschen) im gewöhIilichen Leben d:e emen sagen, d~r Gott sei Einer, die anderen, es seien VIele und durch dIe Gestalten verschiedene so dass sie sogar in. die .~nnahmen der Aegyptier hi~eingerathen welche, dIe Gotter für hundsköpfio- und für habichts: ge~taltig und für Rinder und für K;okodile und für wer WeISS was! halten. Daher auch die (Dinge) in Betreff der 220 O~fer und der Gottesverehrung überhaupt viel Ungleich-heIt entllil:lten;. ~enn Z was bei einigen Gottesdiensten ge­st~ttet, dIes (Ist) beI anderen nichtgestattet. Nun aber ware, l1~.enn ~as ~estattete nnd Nichtgestattete de!' Natur nach ware, dIes DIcht geglaubt worden. So z. B. möchte dem Sarapis ein Ferkel Keiner opfern dem Herakles aber

d Äßkl' 1: • ( \ ' un eplOs 0plern SIe ,es). Ein Schaf (ist) der Isis zu opfern unerlaubt, der sogenannten Mutter der Götter je­doch und anderen Gö!ter:r: ist es ein genehmes Opfer. De~ Kronos opfern SIe emen Menschen was von den 221 ~eIs~en für unfr0':1ill erachtet wird.Ein~ Katze opfern SIe m Alexandrma dem Horos und der Thetis eine SchalJe (?); was bei uns wohl K~iner thun möchte. Ein Pferd bringen sie dem Poseido~ als genehmes Opfer; dem ApolIon aber, besonders dem Dldymaeisehen. ist das Thier v.erhasst.. Der Art~mis Zi!lgen zu 0l!fe,rn (ist) fl'omm, aber mcht, dem AskleplOs. Und obwohl ICh anderes diesem 222 Aehnl~ches in gTo~s,er Menge zu sagen weiss, so unter­lasse ICh es, da !Cu nach der Kürze strebe. Wenn je-doch irgend ein Opfer der Natur nach O'estattet und nicht.­gestatt~t wär~, s~ gälte es bei Allen i~ gleicher \Veise. U

DIesem äh~lich aber kann man auch die (Dinge) finden, ",-elche m der Verehnmg gegen die Götter die ~ebenswelse. der Menschen betreffen. Denn ein Jude oder 223 em ~egYP~lScher Priester möchte früher sterben als SchwemefleIsch essen; der Libyer aber hält Schaffieisch zu kosten für eines der unerlaubtesten DinO'e von den B;:rern . aber eini~e, ~ine ~aube, andere abe~, Opfer­thICre (zu ~osten). Und FIsche zu essen ist bei eini-gen GottesdIensten erlaubt, bei anderen aber unfromm.

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224 Drittes Buch, Cap. 24.

Unter den Aegyptiern halten von denen, welehe für die Weisen gelten, die einen für llnheilig, den Kopf eines Thieres zu essen, andere, ein Schulterblatt, andere, einen Fuss, andere,

224 irgend etwas anderes. Eine Kiichenzwiebel möchte keiner zu sich nehmen von denen, welche dem Zeus Kasios in Pelusion opfern, wie auch ein Priester der Aphrodite in Libyen nicht Knoblauch kosten möchte. Sie enthalten sich a,ber in manchen Gottesdiensten der zahmen Minze, in manchen der wohhiechenden (\Yasser-Minze), in manchen aber des Eppichs. Etliche aber sagen, sie würden eher die Köpfe der Eltern essen als Bufbohnen. Aber bei Anderen

225 (sind) diese Dinge unterschiedslos. Auch Hundefieisch zu kosten halten wir für unheilig, von den Thrakern aber essen einige, wie erzählt wird, Hunde. Vielleicht aber war dies auch bei den Hellenen üblich; weshalb auch Diokles, der von dem bei den Asklepiaden (Geltenden) ausging, manchen Kranken Fleisch VOTI jungen Hunden zu geben befiehlt. Einige aber essen auch Menschenfieisch, wie ich sagte, unterschiedslos, was doch bei uns für un-

226 heilig gilt. Und doch, wenn die Dinge der Gottesver­ehrung und des Unerlaubten der Natur nach wären, so würden sie bei Allen in gleicher \V~ eise gelten.

Aehnliches aber lässt sich auch sagen über die Ehrfurcht gegen die Hinabgegangenen. Denn die Einen verlJergen die Verstorbenen, indem sie sie völlig mit Erde umhüllen, da sie es für unfromm halten, sie der Sonne zu zeigen; die Aegyptier aber balsamiren sie ein, nach­dem sie die Eingeweide herausgenommen haben, und

227 halten sie bei' sich über der Erde. Von den Aethiopen werfen die fischessenden sie in die Seen, damit sie von den Fischen verzehrt werden; die H)'Tkaner aber setzen sie den Hunden zur Speise aus, von den Indern aber et-

. liehe den Geiern. Die Troglodyten, sagen sie, führen den Verstorbenen auf irgend einen Hügel, dann, nachdem sie seinen Kopf an die Füsse gebunden haben, werfen sie ihn unter Gelächter mit Steinen, dann, sobald sie ihn mit den geworfenen (Steinen) überschuttet haben, gehen sie

228 fort. Einige Fremdländische essen die über sechzig Jahre Gewordenen, nachdem sie sie geschlachtet habt}n, die in der Jugend Verstorbenen aber verbergen sie mit Erde. Etliche a,ber verbrennen die Todten; und von diesen nehmen die einen ihre Knochen auf und hegen sie sorgsam, die au-

Dl'ittes Buch. Cap. ,24. 225

deren lassen sie hino-ewo''ß 1 sagen sie häno-en a-ieo

\:T. l.ten, sorg os ZlUllCk. Die Pe.rsA l=

b .' 0 t. v.ers oroennn !_, v , alsamuen sie ill1t Sodas 1 ". Gd· an elllern Pfahl auf und

m" R' ~ .' a z em ann schn" . . lt \lernen zusammen Win;' ". '. uren Sie sie so üher die Todten ertra 'en ~'-' .L!n5~ .T;:auer Andere aber Tod seIhst halten die gEü~ sehf~~ i U C)· Aber auch den w.erth Andere n' ht f~n ur. urchtbar und fiiehel'li'!_

- .' IC ur dera'iig D E" ~'" 1V emgstens sagt: -'. er· unpldes

'Ver weiss, ob nicht das L } . ~' Doch das Gestol'bensei .J'"' ~ JLen löt Gestorbensein,

. -n.LU! eben unten gilt?

A- 1 - .' (Fragment). t~Cll c!er Epl~nros sagt: ~,Del' Tod D'(:> • _, _. ,

elenn das Aurgelöste ist em o~ht UUt; mchts an dnngslose aber O"eht [Ins· • ht pfi~aung.D'slos, das Empfin-d b ' ~ nm .s an" S· . ass, wenn anders . . . 1e sagen aber auch und Leih der "'10(1 WaltI zus~mmeAngeBetzt sind aus Bep.l~

d .' < er eme u''!'" , ~ UD Lelb wann W I' r . d 1. osung 1st Von Seele ., sm der Tod . ht . 1..

WIr werden nicht auf I" t' • mc ' IS:, - denn wir nicht sind' de":n ~e 38

" h-'awann . aber der T 0 cl ist der Seele und deo Llhe'~ a Ul'~ l' -ass dIe Zusammen. setzung'

229

. . t D 'wes mc t mehr . <- • a mch.. Der Herakleito~ . '" ' IS"j sm auch wir als das Vel'storben"e' l:i aOvl'hlsagt, .. dass sowohl das Lebe.ll 2PO :find t 1 JS III sowo wahrend . I b .j

1 ' e 1 alS auch. wälp'end ""1'1' 't'oc'lt"'- WU' e en, statt-

eoen ' , .L ,l L sJnd' dann' . ~. ,Seten unsere Seelen todt ~ d . - 1 .• \,; ,>Vann WU' WIr aber versterben leben die "S hnl m ~n~ oegraben, wann Etliehe aber mein p l/ e': . ee en "''leder auf und leben. . cl' v., S seI Son'ar b.as8e~ d .

sm , alS dass wir leben. D<:>' T:I "'.: • 1., , ass ":ll' gestorben ~ er i!AIIlpldel:! wemgstens sagt:

Um Neugebor'ne miis~te - 1 '1 VeT'<2I'lnleln d' ~ Inan ~au" da"".o·end sich

'- """ ,18 SO o'1'OS - 1V h C

Gestorb'ne aber \Vel~he' sem _ e entgegengelm; Glückwiinsch; ~ .;v.?n (tem Leiden ruh'n.

enu und. frOlll.ockend hingeleiten. .

V {Fragment). on derselben 1YIeinunO' nus ~Gt abel'

_. - b Cl. , ll:>, auch dies gesagt: 231 ),Immer o'~borc "

T ~ oe .,--ll zu seIn 1st den E d b _ :N ach aen leuchtenden:;;t. h1 f . r en ew ohnern das Beste Doch wenn g"'bo"en ... ,,'. "".vr~ ~unger Sonne zu schauD: ' D n ,. ~ '. cU SInti a,üs SAhne'I;;;o. H .

0. zu ueO'ell a1"bnld . F," h· ; "'::'" 1 ~1e ZUrn, ~ ades zu pile~ t -'Cu d ; relC lllC n1lt Hrde gedeckt" -- - u,

Auch die (Vol'o'''n o'p \ - -c"" b~J 111 Betreff des

Sextns Empl:ric::.s . lillt1 Biton 15

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226 Drittes Buch. Cap. 24.

kennen wir J von welchen der Hel'odotos (I, 31) in der 232 Rede über die Argeiische Priesterin,spricht. Erzählt wird

aber auch, dass von den Thrakern etliche, sich herum­setzend, den Neugeborenen beweinen. Auch der Tod also möchte nicht unter die der Natur nach furchtbaren Dinge gerechnet werden, so wenig' wie das Leben unter die der Natur nach schönen. Auch von den vorbesprochenen Dingen [also?] ist nichts der Natur nach so oder so be­schaffen, sondel'n Alles (ist nur) geglaubt und in Bezug auf Etwas.

233 Dieselbe Art der Beweisführung aber lässt sich über-tragen auch auf jedes der anderen Dinge, welche wir für jetzt ni cht vorbrachten wegen der Kürze der Rede. Wenn wir aber auch in Betreff einiger nicht sofort die Ungleichheit zn zeigen vermögen, so ist zu sagen, es sei möglich, dass bei eilligen uns unbekannten Völkern auch

234 über sie ein Widerspruch herrscht. Wie wir also, wenn wir, sagen wir einmal, die Sitte der Aegyptier, die Schwestern zu heirathen J nicht kennen würden, nicht richtig versicherten, es sei bei Allen übereinstimmend, man diü'fe Schwestern nicht heirathen: so gehört es sich auch nicht, von jenen Dingen, in welchen '1mS Ungleich­heiten nicht unter die Augen fallen, zu versichern, es be­stehe in ihnen kein Widerspruch, während es möglich ist, wie ich sagte, dass bei einigen der von uns nicht gekannten Völker der Widerspruch darüber besteht.

235 Da der Skeptiker also die so grosse Ungleichheit der Thatsachen sieht, so hält er zwar darüber, dass der Natur nach etwas gut oder schlecht; oder überhaupt zu thlill oder nicht zu thl1n sei, an sich, indem er auch hierin der lehrphilosophischen Vorschnellheit fernbleibt; er folgt aber ansichtslos der Beobachtung des Lebens, und in Folge dessen bleibt .ef in den Dingen, welche in den Bereich der Ansicht fallen, leidlos, in den abgenöthigten aber leidet er

236 maassvoll; denn als sinnlichwahrnehmender Mensch leidet er; da er aber nicht die Ansicht zusetzt J dass das, was er leidet, schlecht ist der N atul' nach, so leidet er maas.s­voll. Denn etwas Derartiges durch Ansicht zuzusetzen ist schlimmer sogar als das Leiden selbst; so dass bis­weilen die, welche (vom Arzte) geschnitten werden oder etwas anderes Derartiges erleiden, es ertragen 1 die Da­heistehenden aber 7 weil sie das Geschehene für schlimm

Drittes Bucb. Cap. 24. 25. 227

halten, ohnmächtig werden. Wer jedoch voraussetzt, dass 237 etwas der Natur nach gut oder ,schlecht,. oder iib~rhallpt zu thun oder nicht zn thun seI, der WIrd. man:llch!,ach beirrt. Denn auf der einen Seite, so lang~ Ihm die D.;r;.f?e nahe sind, welche er der Natur nach. fur schlecht naIt, meint er gequält zu werden; andererSeIts, so?ald er ~~rr wird der Dinge welche ihm als gut el'sche;nen, verrallt ."'1' ars Hochmuth 'und besonders aus Furcht um Ihl'en Verlust, ;-nd I aus Vorsicht, nicht wieder in die bei .ihm ~er ~atllr nach für schlecht geltenden Dinge Z~l gera_then, I~ keme~- 9" ~ wegs gewöhnliche Beirrullgenj den~ dIe, welehe.meme~, die ~3(] Güter seien unverlierbar, werden WH zllmSchwelg~n bnngen auf Grund des Zweifels (welcher) gemäss dem Wldel'spn.;ch (entsteht). Daher wir schliessen: wenn das, w~s das SC~H~cnte schafft (die ursache des Schlech~en~, schle~ht Ist .und :fi:~:ns­werth, die Ueberzeugung aber, dleelll~nDmges:lendeI l..~",t~ nach gut andere aber schlecht, Beurungen l:lcha~t, so 18~ es schlecht und ftiehenswerth, anzlUlehmen un~ l1~.erz:.~gI zu sein, es gebe etwas Schlimmes oder Gutes m Ruckslvh" .auf seine Natur. . . 39

Dies nun ist für jetzt über Gutes und Schlechte~ und 2 . Unterschiedsloses genügend gesprochen.

C~p. 25.

Ob es eine Kunst in :Betreff des Lebens giebt,

Offenbar aber ist aus dem V orbesprochenen, ~as~ es -auch eine Kunst in Betreff des Lebens (Lebensklm~) mcht geben möchte. Denn wenn es eine solche Kunst ~lebt, ~o beschäftigt sie sich um die Betrachtun9 der gULen. WI~ auch der schlechten und der unte~schIedslose:r: Dmge, weshalb da diese nicht vorhanden smd,. auch die ~unst in Betreff des Lebens nicht vorhanden I~t .. Und fern.er, da die Lehrphilosophen nicht alle überemstImmend Elle Kunst in Betreff des Lebens zulassen, sonde:'? A.nder~ eine andere annehmen, so fallen sie d~m Wlderspr~ch anheim und der Rede vom Widerspruch her, wel~~e IC~ erhob in dem von uns über das Gute Gesa~en l180 ~~) Angenommen jedoch auch, dass Alle sagt,en, ,die Ku?st III

Betreff des Lebens sei Eine, wie z,. B. dIe v18lg~r:~sene Einsicht. welche zwar erträlilllt wln1 von den t\tOlkel'n,

; 15*

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228 Drittes Buch. Cap. 25.

doch aber weit überzellg:ender als die anderen zu sein scheint: so werden auch so ilm nichts weniger sich Schwierig­keiten ergeben. Denn da Einsicht eine Tugend ist, die Tl1gend aber blos der Weise besass, so werden die Stoiker, sobald sie nicht weise sind, die Kunst in Betreff des Lebens nicht besitzen. Und überhaupt, da, nach ihnen zu mtheilen, eine Kunst nicht bestehen kann, so wird es auch in Betl'eff des Lebens eine KlInst nicht geben, nach dem, was sie sagen. lVIeinen sie ja doch, die Kunst sei eine Zusammenstellung (System) aus Auf­fassungen, eine ~4.uffassung aber sei eine Zustimmung zu einem auffassenden Erscheinungsbilde. Aber das auf­fassende Erscheinungsbild 1st unauffindbar. Denn, weder ist jedes Erscheinungsbild auffassend, noch kann, wie unter den Erscheinungsbildern das auffassende Erschei­mmgsbitd beschaffen ist, erkannt werden, weil wir einer­seits nicht durch jedes Erscheinungsbild schlechtweg be­urthellen können, welches auffassend ist und welches nicht derartig, andererseits aber - da wir eines auf­fassenden Erscheinungsbildes bedürfen zur Erkenntniss dessen, wie das auffassende Erscheimmgsbilc1 beschaffen ist ~ ins Unbegrenzte hinausg'etrieben werden, indem man zur Erkenntniss desjenigen Erscheinungsbildes, welches als auffassencl angewandt wird. ein anderes anf­f3ßsendes Erscheinungsbild von uns ~erlangt. Deshalb traun! verfahren auch die Stoiker bei der Darlegung des Begriffes des auffassenden Erscheinungsbildes nicht ge­sund; denn, indem sie ein auffassendes Erscheinungsbild dasjenige nennen, welches von einem Wirklichen aus entsteht, für ein Wirkliches aber das erklären, was im Stande ist, ein auffassendes Erscheimmgsbild zn erregen: so gerathen sie iu die Schwierig'keits-Weise des Durch­einander. Wenn es demnach, damit es in Betreff des Lebens irgend eine Knnst g'ebe, vorher eine Knnst g'eben muss; damit aber eine Kunst bestehe; eine Auffassung vorherbestehen muss; damit aber eine Auffassung be­stehe, die Zustimmung zu einem auffassenden Erse11ei­nungsbilc1 aufgefasst sein muss; das auffa,ssende Erschei­nungsbild aber unauffindbar Ist: so ist die Knnst in Betreff des Lebens unauffindbar.

243 Ferner sagt man noch Fokendes. Jede Kunst seheint aus den VOll ihr eigenthümlkh gelieferten Werken

Drittes Buch. Cap. 25. 229

aufgefasst 1,verden, es giebt aber kein eigenthümliches Wel'k der Klillst in Betreff des Lebens; denn, was nur immer jemand ein Werk dieser nennen sollte, die~ wird als ein Gemeing'ut auch der Ungebildeten gefur:den, Wie z. B. die Eltern zu ehren niedergelelYte Güter Wiederzugeben, , <=>., • TT t' (und) das Andere alies. Also giebt es ugena em~ A.uns_, m Betreff des Lebens nicht. Denn ebensowemg werden wir daraus, dass etwas, von einem einsichtigen Verhalten aus, von einem Einsichtigen gesagt oder ge~han _ e~­scheine wie Einige sag-en, erkennen, dass es em Werk der Em'sicht ist. Das einsichtige Verhalten ist j~ selb:t 244 unanffasslich, da es weder ans sich selbst schlechthm una sofort sichtbar wird, noch ans seinen Werken; denn diese sind auch elen Ungebildeten gemeinsam. Und zu S30'en dass wir aus dem Gleichbleiben der Handlungen

ö J d' T~ " B 1- .{!f' d denjenigen auffassen, welcher 1e hlmSt III el:811 es Lebens besitzt, das verräth 1Ienschen, welc.he dIe Men­schennatur überschreien und mehr prahlen, als. dass sie das 1YaJne sag'ell;

Denn es wechselt der Sinn der Erdenbewohner dem Tag gleich, -

Welchen den Sterhlichen bringt der Vater der Götter und ~ Menschen.

(Odyss. 18, 136. Uschner)

Es erübrigt zu sagen, dass die Kunst. in B~tre~ d~s 245 Lebens aus jenen Werken aufgefasst wll'd, 'Vle SIe _SIe eben in den Büchern niederschreiben; aus denen (den V\Terken), da sie zahlreich und einander ähnlich sind, ich nur "\venige vorlegen will, Beispiels halbe~. So z. B. 8a~'t der Führer ihrer Denkungsart, Zenon, m den Abhanu­lunO'en über KindererziehullO' sowohl anderes Aehnliehes als b auch dies: ~~(man solle) zu seiner Lust Kind~r (Knaben) nicht mehr und nicht weniger brauchen, al? Nichtkinder noch \Veibliches (mehr oder wellIger) als lVIännlicl{es; denn nicht schickt sich und ist schick-Hch für Kinder Anderes als für Nichtkinder , noch für Weibliches (Anderes) als für :Männliches, sondern Dasselbe". Ueber die Frömmigkeit aber gegen die 246 Eltern sagt derselbe l\tIann in Bezug auf die (Handlungen) der JokaSte und des Oedipns, dass es nicht. erschrec,klich war, die ThIutter zu reiben. ,~Anch, welln er, da Sle an

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230 Drittes Buch. Cap. 25.

irgend einem anderen Gliede des Körpers kJ.·ank warf durch Reiben mit den Händen ihr Hilfe brachte, (war es) nicht hässlich; ,venn er aber andere Theile durch Reiben erfreute, 'indem el' ihre Schmerzen beendigte, und wenn er mit der Mutter rechtmässige Kinder er­zeugte, (ist das) hässlich?" Hiermit aber stimmt auch der Chrysippos überein ; sagt er doch in dem ~,Staate": "Es scheint mir aber richtig, diese Dinge so zu Ende zu führen, wie sie auch jetzt nicht schlecht bei Vielen in der Gewohnheit sind; so dass (nämlich) ebenso die j}Iutter mit dem Sohne Kinder erzeugt wie der Vater mit der Tochter und der Bruder mit der Schwester von gleicher

247 :fi.lutter·'. Auch Menschen zu essen führt er uns in dem­selben Schriftwerk vor; sag't er doch; "Auch (solle man), wenn von den lebenden (Menschen) irgend ein zur Nahnrng brauchbarer Theil abgeschnitten worden ist, ihn weder vergraben no~h leichthin fortwerfen, sondern ihn an­wenden 1 damIt aus unseren Theilen ein anderer werde" 0

248 In d~n (Besprechungen) über das Geziemende sagt er aber III Betreff der Beerdigung eIer Eltern ausdrücklich: "Wenn aber die Eltern gestorben sind J muss man die einfachsten Beerdigungen zur Anwendung brino-en in­wiefern der Leib, gleichwie Nägel oder Zäh~e 'odel' Haare, uns nichts ang'eht und wir in nichts irgend einer solchen Beachtung oder genauen Vorsorge weiter bedürfen. Deshalb wird man auch, 1yenn die Fleischstücke brauch­bar si~d, sie zur Nahrung brauchen, gleichwie auch wenn die eigenen Theile z. B. ein Fuss abgehackt ist} e~ geziemend wäre, ihn u?-d das ähn~che zu brauchen; wem; SIe aber unbrauchbar smd, so wlTd man sie entweder. nachdem man sie vergraben, unbeachtet lassen, oder, nachde~ lllan sie verbrannt hat, die Asche preisgeben, oder, nachdem man sie weiter fortgeworfen, sich keine Sorge darum machen, (so wenig) wie um einen Nagel oder Haare'".

249 Derar?g ißt sehr vieles, was die Philosophen sagen; was SIe doch auszuführen nicht wagen möchten, es sei denn dass sie im Staatswesen der Kyklopen oder Laestrygonen lebten. Wenn sie aber hiervon durchaus nichts zur Ausführung bringen, das aber, was sie thlln, auch den Ung'ebilcleten gemeinsam ist, so haben die kein eigenthümliches Werk, welche die Kunst in Betreff des Lebens zu besitzen im Verdachte stehen. Wenn mill die

Drittes Buch, Cap. 25. 26. 27. 231

Künste durchaus aus den eigenthümlichen Werken auf­gefasst werden sollen, abeI' kein eigenthü.mliches Werk der sogenannten Klllst in Betreff des Lebens sichtbar wiret, so wird diese nicht aufgefasst. Deshalb kann auch von ihr niemand mit Sicherheit behaupten. dass sie vor-handen ist. I

Cap. 26. Ob die Kunst in Betreff des Lebens in den Men~

schen (von Na.tur) entsteht.

Und weiter, wenn die Kirnst in Betreff des Lebens 250 in den Menschen entsteht, so entsteht sie in ihnen ent­weder von Natur, oder durch Lernen und Lehre. -'.A..ber wenn von Natur, so möchte entweder, inwiefern sie Menschen sind, die Kunst in Betreff des Lebens in ihnen entstehen, oder, inwiefern sie nicht Menschen sind. In­~ef~In ~ie mrn ~icht ~enschen sind, ~urchaus nicht; SI~ slllcl J~ auch mcht mcht ::Nlenschen. vi enn aber j in­WIefern Sie Menschen sind, so fiele die Einsicht allen Menschen zu, so dass alle einsichtig wären und auch tugendhaft und weise. Schlimm aber, sagen sie sind 251 die meisten. Also möchte auch J inwiefern sie }.tIe~schen sind, ihnen die Kunst in Bet.reff des Lebens nicht zu­fallen. Also auch nicht von Natur. Und ferner. da sie einmal wollen, da~s die Kunst eine Zusammenstellung aus Auffasslrngen SeI, welche zusammeng'eübt worden sind, so äussern sie sich, mehr durch ein gewisses Er­proben lmd Lernen würden, wie die anderen Künste. besonders auch die, von der die Rede ist, eI'langt. '

Cap.27.

Ob die Kunst in Betreff des Lebens lehrbar ist.

Aber auch durch Lehl'e und Lernen wird sie nicht 252 erlangt. Denn, damit diese ein Bestehen haben, ist es nöthig, dass dreierlei vorherzugestanclen sei: daS' Ding. welches gelehrt wird; der Lehrende und der Lernende: die Weise des Lernens. Nichts aber hiervon besteht ~ also auch die Lehre nicht. ;

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234 Drittes Buch.· Cap, 29.

Künstler bestehe} gilt für unmöglich, da weder jemand rein von Natur und mit der Geburt zugleich als Künstler bestehend sich zeigt, noch aus einem Unkünst­lerische~ irgend ein Künstler wird. Denn, entweder kann Ell~.e Betrachtung (Regel, Vorschrift) und Eine Auf­fassung den Unkünstlerischen zum Künstler machen, oder,

261 durchaus nicht. Aber wenn Eine Auffassung den Unkünst­lerischen zu einem Künstler vollendet, so wircl el'stens sich sagen lassen, dass die Kunst nicht eine Zusammen­stellung aus Auffassungen ist; denn, wer ganz und gar nichts· weiss, möchte (dann), wenn er Eine Betrachtung der Kunst gelehrt würde, auf diese Weise ein Künstlel' heissen. So dann , auch wenn jemand sagen wollte J dass der, welcher einige Betrachtungen der Kunst aufge­nommen hat lmd einer einzigen noch dazubedal'f und deswegen unkünstlerisch ist'J falls er jene Eine dazuem­pfangen hat, zum Künstler vollendet wird aus einem Unkünstlerischen in Folge der Einen Auffassung: so wiI'd

262 er auf gut Glück (leichtfertig) reden. Denn er ver­möchte nicht unter den einzelnen (Menschen) irgend einen zu zeigen, der zwar noch unkünstlerisch ist, aber ein Künstler sein wird, wenn er irgend eine einzige Be­trachhmg dazuempfangen haben sollte; versteht sich ja ~och w.9~hl niemand auf die Aufzählung der Betrachtungen Jeder Kuust, so dass er, nachdem er die erkannten Lehren abgezählt hätte, zu sagen vermöchte, wie viele übrig bleiben zu der vollen Zahl der Betrachtungen der Kunst. Also macht die Erkenntniss Einer Betrachtung

263 nicht den Unkünstlel'ischen zum Künstler. Wenn dies aber wahr ist, so möchte - weil jemand nicht alle Be­trachtungen der Künste auf Einmal aufnimmt, sondern wenn ü!>erhaupt, jede einzelweise , gesetzt, dass jemand auch dIes voraussetzungsweise zugäbe, - der angeblich jede Betrachtung der Kunst einzelweise Aufnehmende nicht ein Künstler werden; denn wir erörterten, dass die Er­kenntniss Ejner Betrachtung nicht den Unkünstlerischen zum Künstler machen kann. Auch aus einem Unkiinst­Ierischen also wird jemand nicht zum Künstler. So dass auch deswegen der Künstler als nichtbestehend er­scheint. Deswegen aber auch der Lehrend~ (nicht).

264 Aber es kann auch der sogenannte Lernende, da er un­künstlerisch ist, die Betrachtungen der Kunst, in welcher

I j

Drittes Bucb. Cap. 29. 30. 235

er unkünstlerisch ist, nicht lernen und auffassen. Denn, wie der von Geburt Blinde) soweit er blind ist, wohl nicht eine Auffassung der Farben, bekommen möchte, noch der von Geburt Taube in gleicher Weise die eines Tones: so möchte auch der Unkünstlerische nicht die Betrachtungen der Kunst auffassen, in welcher er un­künstlerisch ist. Denn so würde auch Eimmdderselbe so­wohl Künstler als llnkiinstlerisch sein in denselben Dingen, unkünstlerisch, weil es so vorausgesetzt ist, Künstler, weil er eine Auffassung hat von (len Betrachtimgen der Kunst. So dass auch der Künstler nicht den Unkünst­lerischen lehrt. Wenn aber weder der Künstler den Künstler lehrt, noch der Unkünstlerische den UnkÜllst­lerischen, noch der UnkÜllstlerische den Künstler, noch der Künstler den U nkünstlerischen 7 allsserdem es aber nichts giebt, so ist weder der Lehrende vorhanden, noch deI', welcher gelehrt wird. - Wenn aber weder der Ler­nende noch der Lehrende ist, so ist auch die Vveise der Belehrung überflüssig.

Cap. 30.

Ob es eine Weise des Lernens giebt.

Nichtsdestoweniger aber lässt sie sich auch durch Folgendes anzweifeln. Die Weise der Belehrung näm­lich geschieht entweder durch Augenschein oder durch Rede; weder aber geschieht sie durch Augenschein noch durch Rede, wie wir erweisen werden; auch die Weise des Lernens also ist nicht leicht zu ermitteln. Durch Augen­schein nun geschieht die Belehrung nicht, dtl der Augen­schein dem angehört, was sich zeigt. Was aber sich zeigt, ist Allen erscheinend; das Erscheinende aber ist, inwie­fern es erscheint, für Alle fasslich; das gemeinsam für .Alle Fassliche aber ist unlehl'bar; also ist etwas durch Augenschein nicht lehrbar. Nun abel' wird etwas auch nicht durch Rede gelehrt. Denn diese bedeutet entweder etwas, oder sie bedeutet nichts. Aber, wenn sie nichts bedeutet, so wird sie auch nicht jemand zu belehren fähig sein. 1Yenn sie aber etwas bedeutet, 80 bedeutet sie etwas entweder von Natur oder durch Setzung. TI nd

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238 Drittes Buch. Cap. 31.

275 ihrer aber Herr wurde durch die Rede (Vernunft). Aber, insoweit er in schlimme Entscheidungskämpfe nicht geräth, möchte er nicht sichbeherrschend sein; denn er wird nicht Herr werden über das, was er nicht hat.. Und wie man nicht den Verschnittenen "sichbeherrschend" nennen möchte in Bezug auf Liebesgenuss, und den bfagenkl'anken in Bezug auf Genuss von Speisen - es kömmt ihnen ja über­haupt nicht einmal dasVerlangen nach solchen Dingen, so dass sie sogar mit Selbstbeherrschung dem Verlangen sich wider­setzten -: auf dieselbe Weise darf man auch nicht den 'V eisen sichbeherrschend nennen, weil in ihm ein Leiden (erst gar) nicht erzeugt wird, dessen er Herr sein wird. Wenn

276 sie aber llrtheilen werden, in dieser Beziehung sei er sich­beherrschend, insofern er zwar in schlimme Entschei­dungskämpfe geräth, ihrer aber durch die Rede (Vernunft) Herr wird, so werden sie erstens zl1geben~ dass ihm, der noch eben in Beirrungen ist und der Hilfe bedm'f, die Ein­sicht nichts nützte; ferner aber wird er sogar unglücklicher als die sogenannten Schlimmen befunden. Denn, wenn er zu etwas neigt, so wird er jedenfalls beirrt; wenn er aber dmch die Rede Herr wird, so behält er das Schlechte in sich, und aus diesem Grunde wil'd er mehr beirrt als jener Schlimme, der daran nicht mehr leidet;

277 denn, wenn er (der Schlimme) (zu etwas) neigt, so wird er beirrt, wenn er aber die Gegenstände der Begierden er­langt, so lässt er von der Beirrung ab. Demnach wird der Weise, soweit es auf die Einsicht ankömmt, nicht sichbeherrschend ; oder, wenn anders er es wird, so ist er von allen :Menschen am unglücklichsten, so da8s ihm die Kunst in Betreff des Lebens nicht Nutzen, sondern grösste Beirrung' gewährte. Dass aber der, welcher meint, er besitze die Kunst in Betreff des Lebens und habe mittelst ihrer erkannt, welche Dinge gut seien ihrer Natur nach, lmd welche schlecht, heftig in Beirrung geräth, ebenso wenn die guten Dinge ihm nahe sind, wie wenn die

278 schlechten, das haben wir in dem Früheren erörtert. Man muss also -sagen~ dass - wenn einerseits das Bestehen der guten wie auch' scblechten und unterschiedslosen Dinge nicht (übereinstimmend) zugegeben wird; wenn andererseits die Kunst in Betreff des Lebens vielleicht sogar nicht be­stehend ist, wenn aber auch voraussetzungsweise zuge­geben wtirde, dass sie bestehe, sie denen, die sie besitzen}

Drittes Buch. Cap. 31. 32. 239

keinen Nutzen gewährt, im Gegenthei1, ihnen sehr grosse Beirrungen einfiösst -, (dass also) die Lehrphllosophen vergebens, wie es scheinen möchte, die Augenbrauen in die Höhe ziehen (stolz thun) auch in dem angeblichen ethischen Theile der sogenannten Philosophie. - Nachdem 279 wir so viel auch über den ethischen Ort (Gegenstand), mit Maass, wie eben in einem Grundriss, gehandelt haben, beendigen wir hier sowohl den dritten Abschnitt als auch die ganze Bearbeitung der Pyrrhone'ischen Grundzüge, nachdem wir (noch) Folgendes hinzugefügt haben,

Oap. 32.

Warum der Skeptiker bisweilen geflissentlich Raden erhebt, welche an Glaubwürdigkeit schwach sind.

Der Skeptiker will, weil er menschenfreundlich ist, 280 der Lehrphilosophen Wahn und V orschnellheit nach Mög: lichkeit durch Rede heilen. Gleichwie nun die Aerzte der körperlichen Leiden Hilfsmittel von verschiedener Grösse haben, und bei denen, welche stark leiden, hier-von die starken anwenden, bei denen aber, welche leicht (leiden) J die leichteren: so erhebt auch der Skeptiker Reden von verschiedener Stärke; und der gewichtigen 281 nun und derer, welche das Wahnleiden der Lehrphllo­sophen nachdrücklich zu widerlegen vermögen, bedient er sich bei denen, welche durch die V orschnellheit stark zn Schaden gekommen sind, der leichteren aber bei denen, welche ein oberflächliches und leicht heilbares Wahnleiden haben, und welche von leichteren Glaubwürdigkeiten (Ueberredungsg'Iii.nden) widerlegt werden können. Deshalb scheut sich der von der Skepsis Ausgehende nicht, bald an Glaub~ilrdigkeit. gewichtige, bald aber auch schwächer erscheinende Reden zu erheben, absichtlich t insofern sie ihm oft hinreichen, die Aufgabe zu vollbringen.