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Signale und Systeme Henrik Schulze Fachhochschule Südwestfalen Standort Meschede 3. April 2018

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Signale und Systeme

Henrik Schulze

Fachhochschule Südwestfalen

Standort Meschede

3. April 2018

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Einleitung

Zur Übertragung von Information werden (digitale oder analoge) Signale benötigt. WennSignale dabei durch irgendwelche Funktionsblöcke verändert werden, so spricht man vonSystemen. Typische Beispiele für Systeme sind (digitale oder analoge) Filter.

Diese Vorlesung behandelt die mathematische Beschreibung und die Anwendung vonSignalen und Systemen. Sie spielt insofern eine zentrale Rolle, als sie die Grundlagenfür mehrere Kernfächer der Kommunikationstechnik vermittelt, u.a. für die Digitale Si-gnalverarbeitung, die Digitale Kommunikationstechnik und zum Teil auch für die Hoch-frequenztechnik. Sie baut wesentlich auf den Mathematik-Vorlesungen auf und führt dieAngewandte Mathematik hin zu ihren Anwendungen in der Kommunikationstechnik. Be-nötigt werden besonders die Fourierreihe und die Fouriertransformation sowie die Fal-tung. Sicherheit im Umgang mit komplexen Zahlen, Folgen und Reihen, Grenzwerten,der Differential- und Integralrechnung usw. werden vorausgesetzt.

Signale und Systeme gibt es in analoger und in digitaler Version. Beide spielt in der Praxiseine wichtige Rolle, und man kann die selben Funktionsblöcke oft wahlweise digital oderanalog implementieren. Deshalb halten wir es für sinnvoll, beides in der Vorlesung parallelzu behandeln. Der Formalismus ist oft sehr ähnlich.

In Kapitel 1 werden die wichtigsten Grundbegriffe für Signale und Systeme definiert. InKapitel 2 geht es um die verschiedenen (kontinuierlichen und diskreten) Versionen derFouriertransformation und um die Beschreibung von Signalen und Systemen im Frequenz-bereich.Die Grundlagen für die (linear-zeitinvariante) Systemtheorie folgt in Kapitel 3.Sie stellt die Grundlage für die Beschreibung digitaler und analoger Filter dar. In Kapitel4 geht es um Modulation. Hier werden unter anderem die signaltheoretischen Grundlagenfür die Digitale Kommunikationstechnik gelegt. In Kapitel 5 schließlich wird das Abtast-theorem ausführlich behandelt und auch bewiesen. Auch wenn es aus systematischenGründen vielleicht eher an den Anfang der Vorlesung gehört, wird es zunächst als Tat-sache vorausgesetzt und erst dann bewiesen, wenn der Umgang mit den mathematischenWerkzeugen etwas vertrauter geworden ist.

Literatur: [1, 2] [3, 4] [5]

2

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Inhaltsverzeichnis

1 Grundbegriffe 41.1 Was sind Signale? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.2 Spezielle Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.3 Leistung und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4 Elementare Operationen mit Signalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.5 Was sind Systeme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich 362.1 Fourierreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.2 DFT (Diskrete Fouriertransformation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432.3 Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642.4 ZFT (Zeitdiskrete Fouriertransformation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682.5 Die Z-Transformation (*) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

3 LTI-Systemtheorie 763.1 Charakterisierung zeitdiskreter LTI-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . 763.2 Grundlagen digitaler Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793.3 Charakterisierung kontinuierlicher LTI-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . 87

4 Modulierte Signale und komplexes Basisband 964.1 Modulation einer Trägerschwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 964.2 Kartesische Darstellung: Quadraturkomponenten . . . . . . . . . . . . . . 1004.3 Basisband-Darstellung von Bandpasssignalen . . . . . . . . . . . . . . . . 1024.4 Frequenzumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

5 Das Abtasttheorem 1095.1 Die Aussage des Abtasttheorems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1095.2 Abtastung im Frequenzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105.3 Abtastung im Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1125.4 Einige Folgerungen des Abtasttheorems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen 115A.1 Konstruktion des δ-Impulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115A.2 Die Ableitung der Sprungfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120A.3 Die Fouriertransformation der δ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121A.4 Spektrallinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

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1 Grundbegriffe

1.1 Was sind Signale?

Wenn Informationen übertragen oder Messdaten erfasst werden, so benötigt man Signale.Mit Signalen werden Daten zum Handy oder Computer übertragen, der Experimentatorbetrachtet Signale am Oszilloskop oder einem anderen Messgerät. Solche Signale sindin der Regel physikalische Größen wie z.B. Strom, Spannung, elektrische oder magneti-sche Feldstärke, Schalldruck usw. und als solche dimensionsbehaftet. Diese physikalischenGrößen sind Funktionen der Zeit. Uns interessiert der Verlauf und damit der Informati-onsgehalt der Signale mehr als ihre physikalische Natur, und wir werden deshalb oft mitdimensionslosen Signalen arbeiten. Es ist aber sinnvoll, der Variablen Zeit ihre Dimensi-on zu lassen. Schließlich interessiert es uns, ob wir ein Bit in einer Millisekunde oder ineiner Sekunde übertragen können.

Physikalische Größen sind immer reell. Wir auch schon in der Elektrotechnik werden wiraber auch mit komplexen Signalen arbeiten, weil man mit denen einfacher rechen kann.Man muss sich dann natürlich immer darüber im klaren sein, was die komplexen Signalmit den physikalischen Messgrößen zu tun haben.

Wir fassen zusammen: Unter einem Signal s(t) verstehen wir eine (reell- oder komplex-wertige) Funktion der (reellen) Zeitvariablen t.

Zeitdiskrete Signale

In der modernen technischen Realisierungen liegen Signale häufig in digitaler Form vor.Zum Beispiel wird ein ursprünglich analoges Audiosignal abgetastet und dann die Ab-tastwerte gespeichert (z.B. in Form einer WAV-Datei). Die Abtastwerte bilden dann einzeitdiskretes Signal. Den oben erläuterten klassischen Begriff eines kontinuierlichenSignals erweitern wir deshalb entsprechend:

Unter einem zeitdiskreten Signal s[n] verstehen wir eine (reell- oder komplexwertige)Funktion der diskreten Zeitvariablen n, wobei n alle ganzzahligen Werte oder auch nureine Teilmenge davon durchlaufen kann.

Mathematisch sind zeitdiskrete Signale zunächst einmal nichts anderes als Zahlenfol-gen mit Index n, und statt der Ingenieurschreibweise s[n] könnte man z.B. auch dieMathematiker-Schreibweise {sn}∞n=−∞ verwenden. Im üblichen technischen Sprachge-brauch werden die Werte s[n] auch oft (englisch) als Samples bezeichnet. Die deutscheBezeichnung Abtastwerte ist etwas aus der Mode gekommen.

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1 Grundbegriffe

Bei einer Zahlenfolge, wie wir sie aus der Mathematik kennen, läuft der Index n meistvon 0 (oder 1) bis ∞. Für manche Signale ist es auch sinnvoll, den Index von −∞ bis+∞ laufen zu lassen, wie man es ja bei kontinuierlichen Signalen s (t) für die Zeitvariablet auch meist tut. Bei einer realen Datei ist die Menge der Daten natürlich endlich, sodassman z.B. nur eine endlich Indexmenge hat, z.B. n = 0, 1, 2, ..., N−1 oder n = 1, 2, 3, ..., N.Wir wollen uns hier nicht festlegen. Bei einer endlichen Indexmenge mit N Werten kannman das Signal s [n] als einen Vektor

s =

s [1]s [2]s [3]

...s [N ]

(1.1)

im N -dimensionalen Raum auffassen. Man muss sich jetzt nicht N räumliche Dimensio-nen vorstellen, aber sollte sich daran erinnern, dass dies sehr gut zu der BezeichnungsweiseVektor für ein Feld in der Datenverarbeitung passt.

Die übliche Darstellung zeitdiskreter Signale ist in Abbildung 1.1 gezeigt.

0 1 32 4 5 6−1−2−3−4−5 n

s[n] s[0]s[1]

s[2]

Abbildung 1.1: Darstellung eines zeitdiskreten Signals.

Bei digitalen Signalen können die Werte s[n] nicht mehr alle reellen (bzw. komplexen)Werte annehmen, sondern sie sind quantisiert. Bei der Audio- CD werden zum Beispieldie Samples jedes Stereo-Kanals als 16-Bit-Worte gespeichert. Es gibt also 216 = 65536mögliche Werte. Das ist eine sehr gute Auflösung, aber eben kein kontinuierlicher Werte-bereich. Oft kann man die Quantisierungs-Effekte ignorieren, so dass die Begriffe digitalund zeitdiskret nicht unterschieden werden müssen. In dieser Vorlesung wird nicht tieferauf diese Dinge eingegangen. Wir verweisen hierzu auf die Vorlesung zur Digitalen Si-gnalverarbeitung.

ADC und DAC

Die Werte s [n] sind dimensionslos, der Index n ebenfalls. Die Beziehung zu physikalischenGröße wie etwa der Zeit muss gesondert hergestellt werden. Z.B. muss zum Abspielen ei-

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1 Grundbegriffe

ner WAV-Datei den zeitlichen Abstand tA zweier Samples s [n] und s [n+ 1] wissen. Dazuwird die Abtastfrequenz fA = t−1

A im Header der Datei gespeichert. Eine gebräuchlicheZahl für Audio ist fA = 44.1kHz, für Telefonqualität reicht fA = 8 kHz.

Wenn unser zeitdiskretes Signal s [n] durch Abtastung aus einem kontinuierlichen Signals (t) entstanden ist, gilt

s [n] = s (ntA) . (1.2)

Dies muss aber keineswegs immer der Fall sein. Wir können mit beliebigen zeitdiskretenSignalen arbeiten, ohne dabei einen direkten Bezug zu kontinuierlichen Signalen zu haben.

Die Umwandlung von einem analogen Signal in ein digitales erfolgt durch einen Analog-Digital-Wandler ADC (analogue-digital converter), die Umwandlung eines digitalen Si-gnals in ein analoges durch einen Digital-Analog-Wandler DAC (digital-analogue conver-ter).

Zweidimensionale Signale

In diesem Vorlesungsskript beschränken wir uns auf eindimensionale Signale mit einerZeitvariablen. In der Bildverarbeitung arbeitet man mit zweidimensionalen Signalen mitzwei Ortsvariablen. Dies ist Gegenstand einer anderen Vorlesung.

1.2 Spezielle Signale

Einheitsimpuls und Sprungfunktion

In der Vorlesung zur Angewandten Mathematik [6] sind Sie schon dem Einheitsimpuls(oder Dirac-Impuls1 oder δ−Impuls) begegnet. Häufig definiert man ihn durch die Ei-genschaften

δ (t) =

{∞ : t = 00 : t 6= 0

(1.3)

und ∫ ∞

−∞δ (t) dt = 1. (1.4)

Wir wollen nicht verschweigen, dass es eine derartige Funktion (in dem Sinne, wie SieFunktionen kennen gelernt haben) eigentlich gar nicht geben kann. Trotzdem ist diesesscheinbar “kranke” Signal sehr wichtig für die Anwendung. Im Sinne verallgemeinerterFunktionen kann man alles sauber definieren. Uns geht es mehr um die Anwendung undeine geeignete intuitive Vorstellung davon. In Anhang D wird hierzu etwas mehr erklärt.Aber erst einmal rechnen wir einfach damit.

1Benannt nach dem Physik-Nobelpreisträger P.A.M. Dirac (1902-1984), einem der Pioniere der Quan-tentheorie. Studiert hat er aber nicht Physik, sondern erst Elektrotechnik und dann Mathematik.

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1 Grundbegriffe

Wichtig ist die Ausblend-Eigenschaft (auch: Sieb-Eigenschaft) des Dirac-Impulses. Fürein beliebiges Signal s (t) gilt

∫ ∞

−∞δ (t) s (t) dt = s (0) . (1.5)

Das Signal

ǫ (t) =

{1 : t ≥ 00 : t < 0

nennt man den (kontinuierlichen) Einheitssprung oder auch die Heavisidesche Sprung-funktion. Man braucht diese Sprungfunktion z.B. um Einschaltvorgänge folgender Art zubeschreiben: “Die angelegte Spannung ist null für negative Zeiten und nimmt dann einenkonstanten Wert an.” Mathematisch ist die Sprungfunktion bei t = 0 nicht differenzier-bar (die Steigung ist unendlich!). Im Sinne von verallgemeinerten Funktionen existiertdie Ableitung jedoch (siehe Anhang D), und es gilt

d

dtǫ (t) = δ (t) (1.6)

Abbildung 1.2 zeigt den Einheitssprung und die symbolische Darstellung des Einheits-pulses. Der Einheitspuls wird symbolisiert durch einen Pfeil mit ausgefüllter Spitze. DieHöhe des Pfeils stellt den Vorfaktor vor dem Puls dar.

0

0

t

ǫ(t)

t

1

1 δ(t)

Abbildung 1.2: Kontinuierlicher Einheitssprung ǫ(t) und Einheitspuls δ(t).

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1 Grundbegriffe

Diskreter Einheitssprung und Einheitspuls

Von beiden Signalen gibt es auch zeitdiskrete Versionen. Im Unterschied zu den kontinu-ierlichen gibt es hier bei der Definition des δ-Pulses keine mathematischen Subtilitäten.

Das Signal

δ [n] =

{1 : n = 00 : n 6= 0

(1.7)

bezeichnet man als diskreten δ- Impuls oder auch als Einheitsimpuls.

Das Symbol

δnm = δ [n−m] =

{1 : m = n0 : m 6= n

(1.8)

nennt man Kronecker-δ oder Kronecker-Symbol.

Das Signal

ǫ [n] =

{1 : n ≥ 00 : n < 0

(1.9)

nennt man den (diskreten) Einheitssprung. Abbildung 1.3 zeigt den diskreten Einheits-

0 1 32 4 5 6−1−2−3−4−5

−5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5 6

n

n

δ[n] 1

1ǫ[n]

Abbildung 1.3: Diskreter Einheitssprung ǫ[n] und Einheitspuls δ[n].

puls und den diskreten Einheitssprung.

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1 Grundbegriffe

Zwischen Einheitssprung und Einheitsimpuls gilt der folgenden Zusammenhang:

ǫ [n]− ǫ [n− 1] = δ[n] (1.10)

Man kann dies in Analogie zu Gleichung (1.6) als diskrete Ableitung des Einheitssprungsinterpretieren.

Rechteck und si-Funktion

Wir schreiben

rect (x) =

{1 : |x| < 1/20 : |x| ≥ 1/2

(1.11)

für die Rechteckfunktion der Breite Eins. Wenn wir es mit einem rechteckigen Zeitsignalder Breite T zu tun haben, schreiben wir

rect

(t

T

)=

{1 : |t| < T/20 : |t| ≥ T/2

. (1.12)

Wir definieren die si-Funktion als2

si (x) =

{1 : x = 0

sin(x)x : x 6= 0

(1.13)

Der Verlauf ist in Abbildung 1.4 gezeigt. Der Abstand zwischen zwei positiven Nullstellenist gerade π. Das entsprechende Zeitsignal mit den Abstand T zwischen den Nullstellenlautet

si

(πt

T

)=

{1 : t = 0

sin(πt/T )πt/T : t 6= 0

(1.14)

Die si-Funktion wird in der Physik auch als Spaltfunktion bezeichnet, weil sie bei derBeugung am Spalt auftritt: Die Helligkeitsverteilung auf dem Schirm wird durch dieFunktion si2 (πx/∆x) beschrieben, wobei ∆x der Abstand der Streifen auf dem Schirmist.

1.3 Leistung und Energie

Kontinuierliche Signale

Bekanntlich ist die elektrische Augenblicksleistung gegeben als

p(t) = u(t)i(t) ,

2Wir erinnern an die stetige Ergänzung von Definitionslücken, die wir aus der Mathematik kennen.

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1 Grundbegriffe

−4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

x/π

y

y=sin(x)/x

Abbildung 1.4: Die Funktion y = si (x)

wobei u(t) die Spannung ist und i(t) der Strom. An einem Ohmschen Widerstand Rbeträgt die Augenblicksleistung

p(t) =u2(t)

R= i2(t) ·R.

Fassen man u(t) oder i(t) als Signal auf, so stellen wir fest, dass die Leistung proportionalzu dem Quadrat des Signals ist. Dies ist auch bei anderen physikalischen Größen so: ZumBeispiel ist die Leistung beim Schall proportional dem Quadrat des Schalldrucks. Da wirhier dimensionslose Signale betrachten, definieren wir:

Die Augenblicksleistung eines Signals s(t) ist gegeben durch s2(t).

Um von dieser signaltheoretischen Leistung zur physikalischen Leistung zu gelangen, mussalso mit einer dimensionsbehafteten Konstanten multipliziert werden.

Wichtig ist die mittlere Leistung:

Die Mittlere Leistung P s eines reellen bzw. komplexen Signals s(t) ist gegeben durchden zeitlichen Mittelwert von s2(t) bzw. |s(t)|2. Wir schreiben dafür

P s = |s(t)|2 (1.15)

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1 Grundbegriffe

Für periodische Signale mit Periode T gilt

P s =1

T

∫ T

0|s(t)|2 dt. (1.16)

Für nicht-periodische Signale müssen wir das Zeitmittel als einen Grenzwert schreiben:

P s = limT→∞

1

T

∫ T/2

−T/2|s(t)|2 dt. (1.17)

Natürlich gibt es eine Reihe von Signalen, für dieser Grenzwert Null ist (z.B. für alleSignale endlicher Dauer). Signale mit 0 < P s < ∞, für die der mittlere Leistung einebrauchbare Größe ist, nennt man Leistungssignale. Für solche existiert der Grenzwertund ist größer als Null.

Wir werden später oft mit komplexen Signalen arbeiten. Natürlich müssen wir an pas-sender Stelle begründen, was das mit der der physikalischen Leistung zu tun hat.

Eine harmonische Schwingung der Gestalt

s (t) = s · cos (2πf0t+ ϕ)

besitzt die Leistung

P s =1

T

∫ T

0s2 · cos2 (2πft+ ϕ) dt =

1

2s2. (1.18)

Merke: Der Faktor 1/2 ist wichtig! Wir erinnern an Abbildung 1.5, die in der Vorlesung

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 10

0.2

0.4

0.6

0.8

1

t/T

cos

2(ω

t)

Abbildung 1.5: Veranschaulichung des Effektivwerts. Die schwarze Kurve zeigt cos2 (ωt).Die rote Fläche über der Kurve ist gleich der blauen Fläche unter derKurve. Deshalb gilt für den zeitlichen Mittelwert: cos2 (ωt) = 1

2

Grundlagen der Elektrotechnik 2 [7] ausführlich erklärt wurde.

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1 Grundbegriffe

Effektivwert Weil der Faktor 1/2 immer wieder auftaucht, hat man in der Elektrotech-nik den Effektivwert eingeführt. Eine Spannung

u (t) = u · cos (2πf0t+ ϕ)

führt am Ohmschen Widerstand R zu der mittleren Leistung

P =1

2

u2

R. (1.19)

Damit man den Faktor 1/2 nicht vergisst und einfach

P u =U2

R

schreiben kann, hat man den Effektivwert

U =1√2u (1.20)

eingeführt.

Für Signale, die zeitlich konzentriert sind, ist die mittlere Leistung nicht sinnvoll erklärt.Ein Impuls endlicher Dauer überträgt während dieser Dauer Energie, aber wenn mandiese endliche Energie über einen unendlichen Zeitraum mittelt, kommt Null heraus.Wenn Sie mit Ihrem Handy eine SMS verschicken, so dauert es eine endliche Zeit in derGrößenordnung von meist nur Bruchteilen einer Sekunde, in der das Signal aktiv ist.Eine SMS besteht z.B. aus 160 Bytes bzw. 1280 Bits, und es ist sicher vernünftig, danachzu fragen, wie viel Energie zum Verschicken dieser Datenmenge benötigt wird. Leistungist Arbeit (d.h. Energieverbrauch) pro Zeit, und die Energie ist das Integral über dieLeistung. Wir definieren daher:

Die Energie Es eines reellen bzw. komplexen Signals s(t) ist gegeben durch das Integralüber s2(t) bzw. |s(t)|2 . Als Formel:

Es =

∫ ∞

−∞s2 (t) dt. (1.21)

bzw.

Es =

∫ ∞

−∞|s (t)|2 dt. (1.22)

Natürlich müssen wir an passender Stelle begründen, was diese Größe mit der physikali-schen Energie zu tun hat.

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1 Grundbegriffe

Energie und Leistung diskrete Signale

Wir definieren die Energie eines komplexen zeitdiskreten Signales s [n] als

Es =

∞∑

n=−∞

|s [n]|2 . (1.23)

Diese Größe ist dimensionslos. Wenn man den Zusammenhang mit der physikalischenEnergie herstellen will, die über ein Integral über eine Zeitfunktion gegeben ist, mussman mit einer Konstanten der Dimension Zeit multiplizieren.

Die mittlere Leistung eines zeitdiskreten Signals s [n] ist definiert als

P s = |s [n]|2 = limN→∞

1

2N + 1

N∑

n=−N

|s [n]|2 . (1.24)

Ein zeitdiskretes Signal s[n] heißt periodisch, wenn es eine natürliche Zahl N gibt, fürdie

s[n] = s[n+N ]

gilt. Die Zahl N nennt man Periode. Die kleinste mögliche Periode heißt Grundperiode.Für periodische Signal der Periode N gilt:

P s =1

N

N−1∑

n=0

|s [n]|2 .

Wir unterscheiden auch bei diskreten Signalen zwischen Energiesignalen und Leistungs-signalen.

1.4 Elementare Operationen mit Signalen

Verzögerungen und Spiegelungen

Wenn s (t) ein Signal ist, so ist

sT (t) = s (t− T )

das um die Zeitdauer T verzögerte (d.h. zeitlich verschobene) Signal. Wenn man es zeich-net, so ist es um T nach rechts verschoben. Z.B. lautet der Rechteckpuls zwischen 0 undT

rect

(t

T− 1

2

)=

{1 : 0 < t < T0 : sonst

.

Wenn s (t) ein Signal ist, so ists (t) = s (−t)

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1 Grundbegriffe

das zeitlich gespiegelte Signal.

Wenn man ein Signal spiegelt und verzögert, so kommt es auf die Reihenfolge an.

Wenn zuerst gespiegelt und dann verzögert wird, ergibt sich

(s)T (t) = s(t− T ) = s (− (t− T )) = s (T − t) . (1.25)

Wenn dagegen zuerst verzögert und dann gespiegelt wird, ergibt sich

sT (t) = sT (−t) = s (−t− T ) . (1.26)

Abbildung 1.6 zeigt die verschiedenen Signale.

0

(a)

0

(b)

0

(c)

t

s(t)s(−t)

T t

s(t− T )s(T − t)

T t

s(t− T )s(−t− T )

−T

Abbildung 1.6: Verschiebungen und Spiegelungen.

Diskrete Verzögerungen und Spiegelungen

Diese Operationen sind genauso definiert wie bei kontinuierlichen Signalen. Vieles wirdsogar einfacher. Man muss nur manchmal aufpassen, welcher Buchstabe als Laufindex zuverstehen ist.

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1 Grundbegriffe

s[n]D

s[n− 1](a)

D D Ds[n] s[n− 1] s[n− 2]

(b)

s[n− 3]

Abbildung 1.7: Verzögerung eines zeitdiskreten Signals durch ein Schieberegisterelement.

Wenn s [n] ein zeitdiskretes Signal ist, so ist

s1 [n] = s [n− 1] (1.27)

das um einen Takt verzögerte (d.h. zeitlich verschobene) Signal. Wenn man es zeichnet,so ist es um einen Takt nach rechts verschoben. Wir skizzieren eine Verzögerung umeinen Takt mit dem Blockschaltbild (a) in Abbildung 1.7. Die Verzögerung um einenTakt entspricht einem Schieberegisterelement.

Beliebige Verzögerungen lassen sich durch wiederholte Anwendung solcher Verzögerungenum einen Takt erreichen:

sm [n] = s [n−m] (1.28)

ist das um m Takte verzögerte Signal, siehe Teil (b) von Abbildung 1.7. Man muss beidem Ausdruck auf der rechten Seite etwas aufpassen: m ist eine feste Zahl (z.B. m = 7),und n ist die Variable, also der Zeitindex. Man könnte das auch durch die Schreibweise

sm [♥] = s [♥−m] (1.29)

deutlich machen, wobei ♥ für die Dummy-Variable “Laufzeitindex” steht und m eineKonstante ist.

Wenn s [n] ein Signal ist, so ists [n] = s [−n] (1.30)

das zeitlich gespiegelte Signal.

Wenn man ein Signal spiegelt und verzögert, so kommt es auch hier auf die Reihenfolgean.

Wenn zuerst gespiegelt und dann verzögert wird, ergibt sich

(s)1 [n] = s[n− 1] = s [− (n− 1)] = s [1− n] . (1.31)

Wenn dagegen das verzögerte Signal gespiegelt wird, ergibt sich

s1 [n] = s1[−n] = s [−n− 1] . (1.32)

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1 Grundbegriffe

Die Faltung

Verzögerungen und Spiegelungen sind wichtig zum Verständnis der Faltungsoperation

r (t) =

∫ ∞

−∞h (τ) s (t− τ) dτ.

Hier wird aus zwei Signalen s (♥) und h (♥) ein neues Signal r (♥) auf folgende Weiseerzeugt: Das Signal s (♥) wird gespiegelt und dann um eine feste Zeit t verschoben. Diesesgespiegelte und verschobene Signal

(s)t (♥) = s (− (♥− t)) = s (t−♥)

bzw.(s)t (τ) = s (− (τ − t)) = s (t− τ)

wird dann mit dem Signal h (τ) multipliziert (gewichtet) und über die Variable τ inte-griert. Das Ergebnis ist die Faltung an der Stelle (dem Zeitpunkt) t. Beachten Sie, dassman unterschiedliche Buchstaben als Variablen nehmen darf. Man muss nur aufpassen,dass man den Überblick behält!

Das Operation der Faltung ist eine Verknüpfung zweier Signale. Als Verknüpfungsopera-tor schreibt man einen ∗, d.h. man schreibt die Faltung als

h (t) ∗ s (t) =∫ ∞

−∞h (τ) s (t− τ) dτ . (1.33)

Bemerkung zu Schreibweise: Weil es sich um eine Verknüpfung zwischen zwei Funk-tionen h und s handelt und nicht zwischen zwei Funktionswerten h(t) und s(t), ist dieSchreibweise h (t) ∗ s (t) eigentlich irreführend. Wenn man sich dabei t als “Dummy-Variable” denkt, mag das gerade noch angehen. Korrekterweise muss man h ∗ s (t) odernoch besser (h ∗ s) (t) schreiben, wie man es in der Mathematik auch wirklich tut.

Mit einer einfachen Substitution kann man Gleichung (1.33) umformen in

h (t) ∗ s (t) =∫ ∞

−∞h (t− τ) s (τ) dτ. (1.34)

Damit ist die Faltung kommutativ, d.h. es gilt

h (t) ∗ s (t) = s (t) ∗ h (t) . (1.35)

Die Faltung ist auch assoziativ, d.h. man darf Klammern weglassen und es gilt

g (t) ∗ (h (t) ∗ s (t)) = (g (t) ∗ h (t)) ∗ s (t) = g (t) ∗ h (t) ∗ s (t) . (1.36)

Außerdem ist die Faltung distributiv, d.h. man darf ausklammern:

g (t) ∗ (h (t) + s (t)) = g (t) ∗ h (t) + g (t) ∗ s (t) . (1.37)

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1 Grundbegriffe

Die Faltung verhält sich also wie eine Multiplikation. Man spricht daher auch vom Fal-tungsprodukt.

Die Gleichung (1.33) erlaubt folgende Interpretation: Das Signal r (t) = h (t) ∗ s (t) isteine Überlagerung von verzögerten Versionen des Signals s (t) um Verzögerungszeiten τ ,jeweils gewichtet mit einem Vorfaktor h (τ).

Der δ-Impuls ist die Eins bezüglich des Faltungsproduktes, denn es gilt

δ (t) ∗ s (t) =∫ ∞

−∞δ (τ) s (t− τ) dτ = s(t)

und damitδ (t) ∗ s (t) = s (t) ∗ δ (t) = s (t) . (1.38)

Man kann deshalb jedes Signal schreiben als

s (t) =

∫ ∞

−∞s (τ) δ (t− τ) dτ. (1.39)

Die diskrete Faltung

Auch für zeitdiskrete Signale gibt es eine Faltung. Sie ist ähnlich wie im kontinuierlichenFall definiert, nur muss man bei diskreten Signalen natürlich statt des Integrals eineSumme schreiben. Die diskrete Faltung ist eigentlich einfacher zu verstehen als die kon-tinuierliche, weil man hier Beispiele mit kurzen Vektoren einfacher verständlich machenkann.

Die Faltung zweier zeitdiskreter Signale s [n] und h [n] ist definiert als

r [n] =∞∑

m=−∞

h [m] s [n−m] . (1.40)

Auch hier wird aus zwei Signalen s [n] und h [n] ein neues Signal r [n] auf folgende Weiseerzeugt: Das Signal s [m] wird gespiegelt und dann um eine feste Anzahl von Takten n ver-schoben. Dieses gespiegelte und verschobene Signal (s)n [m] = s [− (m− n)] = s [n−m]wird dann mit dem Signal h [m] multipliziert (gewichtet) und über die Variable m sum-miert. Das Ergebnis ist die Faltung an der Stelle (dem Zeitpunkt) n.

Man schreibt

h [n] ∗ s [n] =∞∑

m=−∞

h [m] s [n−m] . (1.41)

Auch die diskrete Faltung ist kommutativ, assoziativ und distributiv. Sie verhält sichwie eine Multiplikationsoperation (nur nicht zwischen Zahlen, sondern zwischen Folgen).Man spricht daher auch vom Faltungsprodukt. Die diskrete Faltungs-Eins ist der diskreteδ-Impuls. Es gilt:

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1 Grundbegriffe

δ[n] ∗ s[n] = s[n] ∗ δ[n] = s[n] . (1.42)

Man kann deshalb jedes Signal schreiben als Superposition von Delta-Pulsen

s[n] =∞∑

m=−∞

s[n]δ[m− n] . (1.43)

Her sieht man, dass sich jedes Signal s [n] als Überlagerung von verzögerten Einheits-impulsen darstellen lässt, wobei die Vorfaktoren gerade die Werte des Signals an denjeweiligen Verzögerungen sind. Aus Abbildung 1.1 wird dies noch einmal deutlich.

Hat einer der beiden Signalvektoren im Faltungsprodukt nur eine endliche Länge, so istnatürlich nur über die Indizes zu summieren, die tatsächlich auftreten, und die Summewird endlich. Wir betrachten den Fall, dass h [m] nur eine endliche Länge M hat. Dannkann man die Faltung h [n] ∗ s [n] über eine Schieberegisterschaltung wie in Abbildung1.8 implementieren. Hier ist M = 3 und

D D Ds[n] s[n− 1] s[n− 2]

h[0] h[1] h[2] h[3]

s[n− 3]

r[n]

Abbildung 1.8: Implementation der Faltung durch Schieberegister. Das Symbol D stehtfür Delay.

r [n] = h [0] s [n] + h [1] s [n− 1] + h [2] s [n− 2] + h [3] s [n− 3] . (1.44)

Diese Schaltung vermittelt eine anschauliche Vorstellung von der Faltung: Die Faltung istdie Überlagerung des Signals s [n] mit seinen verzögerten Versionen s [n− 1], s [n− 2],...,s [n−M ] und den multiplikativen Vorfaktoren h [0] , h [1] , h [2] , ..., h [M ]. In Abbildung1.9 wird h[n] durch den Vektor

h =(7 2 3 1

)

repräsentiert. Der Output lautet

r [n] = 7 · s [n] + 2 · s [n− 1] + 3 · s [n− 2] + 1 · s [n− 3] .

Besonders einfach wird es, wenn beide Vektoren nur endlich lang sind. Hat das Signals [n] die Länge N und das Signal h [n] die Länge M , so hat das Signal h [n] ∗ s [n] dieLänge N +M − 1. Dann kann man die Faltung nach dem folgendem Schema berechnen,das sich unmittelbar aus der Abbildung 1.9 ergibt.

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1 Grundbegriffe

7 2 3 1

D D Ds[n] s[n− 1] s[n− 2] s[n− 3]

r[n]

Abbildung 1.9: Implementation der Faltung durch Schieberegister. Beispiel mit Zahlen.

Rechenschema zur zeitdiskreten Faltung: Es soll z.B. das Faltungsprodukt aus zweiZeilenvektoren (

1 2 3)∗(7 2 3 1

)

berechnet werden. Einen der beiden Vektoren muss man spiegeln. Wir spiegeln den erstenund rechnen

7 2 3 112 13 2 1

3 2 13 2

3

7−→

7162813113

(1.45)

Das heißt:(1 2 3

)∗(7 2 3 1

)=(7 16 28 13 11 3

)

Rechenschema zur zeitdiskreten Faltung (Variante): Wir betrachten die selben Vek-toren wie eben. Dieses Schema ergibt sich ebenfalls aus dem Bild. Nur wird hier nichtgleich für jeden Takt das Ergebnis berechnet, sondern die Addition erst zum Schlussdurchgeführt. Wir multiplizieren den Input-Vektor

(1 2 3

)mit den jeweiligen Ko-

effizienten h[n] der Impulsantwort(7 2 3 1

)und schreiben die Ergebnisse entspre-

chend der zugehörigen Verzögerung nach rechts versetzt hin. Anschließend summierenfür jeden Takt diese Werte auf. Damit ergibt sich das folgende Schema, das sehr demSchema zur schriftlichen Multiplikation ähnelt, –allerdings mit dem Unterschied, dasshier kein Übertrag gebildet wird:

(1 2 3) ∗ (7 2 3 1)7 14 21

2 4 63 6 9

1 2 3= (7 16 28 13 11 3)

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1 Grundbegriffe

Bei MATLAB gibt es den Befehl conv (convolution=Faltung), mit dem man eine Faltungdurchführen kann.

Sind beide Signalvektoren gleich lang, z.B.

s =

s [1]s [2]s [3]

...s [N ]

, h =

h [1]h [2]h [3]

...h [N ]

(1.46)

und faltet man h [n] mit dem gespiegelten Signal s [−n] und wertet das Ergebnis-Signalan der Stelle n = 0 aus, so erhält man folgenden Ausdruck

[h [n] ∗ s [−n]]n=0 =

N∑

m=1

h [m] s [m− 0] . (1.47)

Dies ist offenbar das Skalarprodukt der beiden Vektoren, wie wir es in der Vektorrechnungkennengelernt haben. Es gilt also:

s · h =N∑

m=1

s [m]h [m] = [h [n] ∗ s [−n]]n=0 (1.48)

1.5 Was sind Systeme?

Signale werden verändert, wenn sie beispielsweise ein physikalisches Medium oder eintechnisches Gerät durchlaufen. Zum Beispiel wird eine Spannung an einen Schwingkreisangelegt und dann die Spannung am Widerstand gemessen. In der Systemtheorie wirdnur beschrieben, wie das Input-Signal am Eingang (angelegte Spannung) und das Output-Signal (Spannung am Widerstand) zu einander in Beziehung stehen. Was genau innerhalbdes Systems dazwischen passiert, ist aus Sicht der Systemtheorie uninteressant. Der Be-griff des Systems ist eine Abstraktion, die die mathematische Beziehung zwischen Signa-len beschreibt. Es kann also verschiedene (z.B. physikalische) Realisierungen des selbenSystems geben. Zum Beispiel können ein elektrischer Schwingkreis und ein mechanischesDrehpendel verschiedene Realisierungen des selben Systems sein.

Wir betrachten ein System als eine Black Box und stellen diese symbolisch so dar, wiein es Abbildung 1.10 gezeigt ist. In der Praxis kann ein System durch eine elektrische(analoge oder digitale) Schaltung realisiert sein oder z.B. durch den Übertragungskanalbeim Mobilfunk. Auch das Pohlsche Drehpendel, das Sie aus dem physikalischen Prak-tikum kennen, ist eine mögliche Realisierung eines bestimmten Systems. Eine andereRealisierung des selben Systems ist ein elektrischer Schwingkreis mit Spule, Kondensatorund Widerstand. Das Wetter und die eine Volkswirtschaft sind in diesem Sinne auchSysteme, aber ziemlich komplizierte.

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1 Grundbegriffe

s rSystem

Anregung(Input)

Antwort(Output)

Abbildung 1.10: Symbolische Darstellung eines Systems.

Ein System also einfach eine Abbildungsvorschrift zwischen zwei Signalen: Dem Input-Signal s am Eingang und dem Output-Signal am Ausgang. Man kann das so schreiben:

System : s 7→ r

Im Deutschen nennt man s die Systemanregung und r die Systemantwort. Die Si-gnale s und r können zeitdiskret oder -kontinuierlich sein.

Lineare Systeme und das Superpositionsprinzip

Wir beschränken uns in dieser Vorlesung auf lineare Systeme, die im Folgenden defi-niert werden. Wir betrachten hierzu zwei Input-Signale s1 und s2, die durch das Systemjeweils auf die beiden Output-Signale r1 und r2 abgebildet werden:

s1 7→ r1

s2 7→ r2

Ferner betrachten wir eine Linearkombination

s = α1s1 + α2s2 (1.49)

der beiden Input-Signal, wobei α1 und α2 beliebige (reelle oder komplexe) Koeffizientensind. Wenn nun der zugehörige Output dazu gerade die entsprechend gleiche Superposi-tion

r = α1r1 + α2r2 (1.50)

ist, so spricht man von einem linearen System. Ein lineares System ist also durchEigenschaft

s1 7→ r1 und s2 7→ r2 ⇒α1s1 + α2s2 7→ α1r1 + α2r2 (1.51)

charakterisiert. Diese Eigenschaft wird als Superpositionsprinzip bezeichnet und ist inAbbildung 1.11 symbolisch dargestellt. Die Blockdiagramme in Abbildung 1.12 zeigt esauch noch mal anschaulich: Wenn man zwei Signale einzeln durch ein System schickt unddann die Superposition bildet (oberes Bild), erhält man das gleiche, wie wenn man die

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1 Grundbegriffe

System

Anregung(Input)

Antwort(Output)

s1

s2

α1s1 + α2s2

r1

r2

α1r1 + α2r2

Abbildung 1.11: Für ein lineares System gilt das Superpositionsprinzip.

Superposition der Signale durch das System schickt (unteres Bild). Bei einem nichtlinea-ren Gitarrenverstärker ist das zum Beispiel nicht der Fall: Wenn einen Akkord anschlägt(=Superposition von einzelnen Tönen), so entstehen nach der Verstärkung viel mehrTöne im Spektrum als sich aus der Überlagerung der einzeln verstärkten Töne ergebenwürde.

Das Superpositionsprinzip ist aus der Physik bekannt, wo es u.a. für Wellen gilt. LineareDifferentialgleichungen führen auf lineare Systeme. Hierbei ist der Input die Inhomogeni-tät der Differentialgleichung und der Output deren Lösung. Im Studienbuch Ingenieur-mathematik 2 wird dieser Zusammenhang ausführlich diskutiert (vgl. [8], S. 150f.).

System

System

α1

α2

s1

s2

r1

r2

α1r1 + α2r2

α1s1 + α2s2

α1

α2

s1

s2

Systemr

r = α1r1 + α2r2

Linearität ⇔

Abbildung 1.12: Superpositionsprinzip: Veranschaulichung der Eigenschaften eines linea-ren Systems durch Blockschaltbilder. Das obere und das untere Block-schaltbild führen für ein lineares System auf das selbe Ergebnis.

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1 Grundbegriffe

Ein Beispiel aus der Elektrotechnik: Der RC-Tiefpass

Wir betrachten eine Reihenschaltung aus Kondensator C und Widerstand R, wie sie inAbbildung 1.13 dargestellt ist. Die Schaltung wird durch eine beliebige Quellenspannung

uq(t)C

R

i(t)

uR(t)

u(t) = uC(t)

Abbildung 1.13: Schaltung aus Kondensator und Widerstand mit allgemeinerSpannungsquelle.

uq (t) angeregt. Dies ist der Input. Die gesuchte Spannung u(t) = uC(t) am Kondensatorist der Output. Die Beziehung zwischen Input und Output wird durch die inhomogenelineare Differentialgleichung

RCuC + uC = uq

beschrieben [7]. Wir definieren die Zeitkonstante

τ = RC

und schreiben s für den Input und r für den Output. Die Differentialgleichung für dasSystem lautet dann

τ r + r = s . (1.52)

Sind nun s1 und s2 zwei Input-Signale (Quellspannungen) und r1 und r2 die zugehörigenOutput-Signale (Kondensatorspannungen), so bedeutet das, dass jeweils die Differential-gleichungen

τ r1 + r1 = s1

undτ r2 + r2 = s2

erfüllt sind. Durch Addition dieser Gleichungen mit den Vorfaktoren α1 und α2 rechnetman unmittelbar nach, dass α1r1 + α2r2 die Lösung zu der Anregung αs1 + α2s2ist:

τd

dt(α1r1 + α2r2) + (α1r1 + α2r2) = (αs1 + α2s2)

Damit ist gezeigt, dass es sich bei dieser Schaltung um ein lineares System handelt.

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1 Grundbegriffe

Bemerkung zu nichtlinearen Systemen

Es gibt durchaus sehr viele wichtige Phänomene, die durch nichtlineare Differentialglei-chungen beschrieben werden. Die nichtlineare Systemtheorie ist ungleich schwieriger alsdie lineare. Man hat hier in den letzten Jahrzehnten (auch mit Hilfe schnellerer Rechner)große Fortschritte gemacht und viele interessante Phänomene entdeckt, die unter demStichwort Chaostheorie populär geworden sind.

Zeitinvariante lineare Systeme (LTI-Systeme)

Wir schränken die Menge der betrachteten linearen Systeme noch weiter ein und be-handeln nur zeitinvariante Systeme. Zeitinvariante Systeme sind solche, deren Eigen-schaften sich zeitlich nicht verändern. Ein System heißt zeitinvariant, wenn ein zeitlichverzögertes Input-Signal dasselbe Output-Signal mit der entsprechenden Verzögerungerzeugt. Lineare, zeitinvariante Systeme nennt man LTI-Systeme (LTI=linear time-invariant). Systeme, die diese Bedingung nicht erfüllen, heißen zeitvariant. Sie spielendurchaus eine wichtige Rolle (z.B. im Mobilfunk), werden aber in dieser Vorlesung nichtbehandelt.

Die mathematische Beschreibung ist bei zeitdiskreten LTI-Systemen einfacher als beikontinuierlichen, weil der diskrete Einheitsimpuls einfacher ist als der kontinuierliche. InFormeln sieht aber alles ganz ähnlich aus. Wir beginnen deshalb mit dem zeitdiskretenFall und übertragen dann die Ergebnisse auf den kontinuierlichen.

Zeitdiskrete LTI-Systeme

Wir betrachten ein lineares, zeitdiskretes System mit Input s[n] und Output r[n] undschreiben dafür

System: s 7→ r . (1.53)

Das um einen Takt verzögert Input- bzw. Output-Signal nennen wir s1 bzw. r1:

s1 [n] = s [n− 1]

r1 [n] = r [n− 1]

Wenn dann für das durch die Beziehung (1.53) definierte System ebenfalls

System: s1 7→ r1 (1.54)

gilt, so nennt man dieses System zeitinvariant. In Worten ausgedrückt bedeutet das:Wenn man mit dem selben Input das System einen Takt später anregt, erhält man denselben Output, allerdings eben einen Takt später. Das bedeutet, dass sich die Eigen-schaften des Systems von einem Takt zum nächsten nicht geändert haben. Wenn sichdas System von einem beliebigen Takt zum nächsten nicht ändert, ändert es sich auch

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1 Grundbegriffe

nicht bis zum übernächsten usw. Das heißt: Wenn das System zeitvariant ist, folgt ausder obigen Beziehung iterativ:

System: s2 7→ r2

System: s3 7→ r3

...

System: sm 7→ rm

In Worten heißt das: Das System verhält sich zu einem späteren Zeitpunkt genauso wiejetzt. Das ist auch genau das, was man sich unter Zeitinvarianz anschaulich vorstellt.

LTI-Systeme lassen sich (vollständig) durch ihre Impulsantwort charakterisieren:

Die Impulsantwort h[n] eines LTI-Systems ist dessen Antwort auf den Einheitspulsδ[n]:

System: δ 7→ h

Es gilt der folgende

Satz: Jedes LTI-System lässt sich eindeutig durch seine Impulsantwort h[n] charakte-risieren. Zwischen Input s[n] und Output r[n] besteht der Zusammenhang

r[n] = h[n] ∗ s[n] . (1.55)

Beweis: Es sein s[n] ein beliebiges Input-Signal. Die Antwort des Systems auf denEinheitsimpuls ist nach Definition die Impulsantwort, d.h.

δ [n] 7→ h [n] .

Wegen der Zeitinvarianz ist die Antwort auf den verzögerten Einheitsimpuls die entspre-chend verzögerte Impulsantwort:

δ [n− 1] 7→ h [n− 1] ,

δ [n− 2] 7→ h [n− 2] ,

δ [n− 3] 7→ h [n− 3] ,

usw. Wegen der Linearität ist der Output zu einer Superposition der verzögerten Ein-heitspulse gerade die Superposition der entsprechend verzögerten Impulsantworten:

a0δ [n] + a1δ [n− 1] + a2δ [n− 2] + ... 7→ a0h [n] + a1h [n− 1] + a2h [n− 2] + ...

Dann gilt auch:∞∑

m=−∞

s [m] δ [n−m] 7→∞∑

m=−∞

s [m] h [n−m] ,

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1 Grundbegriffe

d.h.s [n] ∗ δ [n] = s [n] 7→ s [n] ∗ h [n] .

Bezeichnet man mit r [n] die Systemantwort auf s [n], so heißt das

r [n] = s [n] ∗ h [n] = h [n] ∗ s [n] ,

was zu beweisen war. �

Aus diesem Satz ergibt sich eine wichtige

Folgerung: Wenn man zwei LTI-Systeme mit Impulsantworten g [n] und h [n] hinter-einander schaltet, kommt es nicht auf die Reihenfolge an:

r [n] = g [n] ∗ h [n] ∗ s [n]

r [n] = h [n] ∗ g [n] ∗ s [n]Dies ergibt sich unmittelbar aus der Kommutativität der Faltung:

g [n] ∗ h [n] = h [n] ∗ g [n]

Anmerkung: Bei linear-zeitvarianten Systemen kommt es dagegen auf die Reihenfolgean!

1. Beispiel für ein LTI-System: Ein einfaches FIR-Filter Das einfachste LTI-Systemhaben wir bei der Einführung der diskreten Faltung kennen gelernt. Es ist beschriebendurch

r [n] = h [0] s [n] + h [1] s [n− 1] + h [2] s [n− 2] + ...+ h [M ] s [n−M ] (1.56)

und ist noch einmal in Abbildung 1.14 für die Filterordnung M = 3 dargestellt. Man

D D Ds[n] s[n− 1] s[n− 2]

h[0] h[1] h[2] h[3]

s[n− 3]

r[n]

Abbildung 1.14: Ein FIR-Filter der Ordnung M = 3.

spricht von einem digitalen finite impulse response (FIR) - Filter der Ordnung M .Kausale FIR-Filter sind durch vorwärtsgekoppelte Schieberegisterschaltungen beschrie-ben und haben eine endlich lange Impulsantwort.

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1 Grundbegriffe

s[n] r[n]

r[n− 1]

ar[n− 1]

a D

Abbildung 1.15: Das einfachste rekursive Filter.

2. Beispiel für ein LTI-System: Ein IIR-Filter 1. Ordnung Das einfachste rekursivedigitale Filter ist in Abbildung 1.15 gezeigt. Es ist beschrieben durch die rekursiveGleichung

r [n] = s [n] + a r [n− 1] , a ∈ R. (1.57)

Man nennt die Struktur rekursiv, weil der aktuelle Output r [n] nicht nur vom Input, son-dern auch vom vorherigen Output r [n− 1] abhängt. Anstatt diese Rekursionsgleichungnun für einen beliebigen Input s [n] zu lösen (was für diese einfache Rekursion gar nichtso schwer ist), reicht es, s [n] = δ [n] zu betrachten. Denn wir wissen, dass lineare Systemeeindeutig durch ihre Impulsantwort beschrieben sind. Für n < 0 ist die Impulsantwort Verständnis-

frage: Wiekann manzeigen, dassdas Systemlinear ist?

offenbar Null. Wir beginnen also bei n = 0 und setzen in die Rekursionsgleichung (1.57)ein:

h [0] = 1

h [1] = ah [0] = a

h [2] = ah [2] = a2

h [3] = ah [2] = a3

...

h [n] = ah [n− 1] = an

Die Impulsantwort lautet alsoh [n] = anǫ [n] (1.58)

und ist für a = 0.9 in Abbildung 1.16 dargestellt. Für a < 0 alterniert das Vorzeichen.

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1 Grundbegriffe

0 5 10 15 20 25 30 350

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

n (samples)

Am

plitu

de

Abbildung 1.16: Impulsantwort des einfachsten rekursiven Filters.

Für |a| < 1 fällt die Impulsantwort exponentiell ab und man spricht von einem stabilenSystem. Für |a| > 1 steigt sie exponentiell an, und das System ist instabil. Der Sonderfalla = 1 führt ebenfalls auf ein instabiles System. Der Begriff der Stabilität wird an spätererStelle noch präzisiert.

Beschreibung durch die Sprungantwort

Wir betrachten ein LTI-System gegeben mit Impulsantwort h [n]. Die Antwort auf dasInput-Signal s [n] ist gegeben durch

r [n] = h [n] ∗ s [n] =∞∑

m=−∞

h [m] s [n−m] . (1.59)

Wir betrachten jetzt als speziellen Input das Signal s [n] = ǫ [n] und definieren die

Die Sprungantwort eines LTI-Systems ist die Antwort auf die Anregung durch denEinheitssprung ǫ[n].

Wir bezeichnen die Sprungantwort mit g [n] und erhalten

g [n] =

∞∑

m=−∞

h [m] ǫ [n−m] =

n∑

m=−∞

h [m] . (1.60)

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1 Grundbegriffe

Die Sprungantwort ist also die kumulierte Summe3 der Impulsantwort. Umgekehrt be-kommt man aus der Sprungantwort die Impulsantwort durch diskretes Differenzieren:

h [n] = g [n]− g [n− 1] . (1.61)

Wenn man die Sprungantwort kennt, kann man daraus also leicht die Impulsantwortberechnen. Also liefert auch die Sprungantwort eine eindeutige Charakterisierung desLTI-Systems. Eine dritte Möglichkeit werden wir im nächsten Unterabschnitt kennenlernen.

Beispiel für eine Sprungantwort Als Beispiel wollen wir die Sprungantwort für dasrekursive LTI-System aus Gleichung (1.57) berechnen, dessen Impulsantwort gegeben istdurch Gleichung (1.58). Aus der Summenformel für die endliche geometrische Reihe

n∑

i=0

qi =1− qn+1

1− q(1.62)

erhalten wir

g[n] =1− an+1

1− aǫ[n]. (1.63)

Beispiel 3: Anwendung der Systemtheorie auf Finanzmathematik Man kann miteinem rekursiven Filter 1. Ordnung auf sehr elegante Weise Verzinsungsprobleme sys-temtheoretisch analysieren. Die Rekursion

r [n] = s [n] + q r [n− 1]

beschreibt nämlich gerade den Mechanismus einer Verzinsung. Die Zahl q > 1 ist der

Entnahmen/Zahlungens[n] r[n]

r[n− 1]

D

Kontostand

q

qr[n− 1]

Abbildung 1.17: Verzinsung als rekursives Filter 1. Ordnung.

(jährliche) Verzinsungsfaktor. Der Zinssatz ist

p = q − 1 (1.64)

3Die kumulierte Summe ist das diskrete Analogon zum Integral g(t) =∫ t

−∞h(τ )dτ .

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1 Grundbegriffe

bzw. 100 · p%. Der Input s[n] ist die Einzahlung auf ein Konto (bei s[n] > 0) bzw. dieEntnahme (bei s[n] < 0), und der Output r[n] der Kontostand. Das System ist nichtstabil: Bei einem endlichen Kredit wachsen die Schulden über jede Grenze, sofern mannichts zurück zahlt. Man kann mit diesem System zum Beispiel eine Baufinanzierungdurchrechnen. Der Einfachheit halber nehmen wir in diesem Beispiel eine jährliche Til-gung an (anstatt der üblichen monatlichen Tilgung)4. Systemtheoretisch lässt sich dieBaufinanzierung folgendermaßen beschreiben: Wenn man zur Zeit n = 0 einen Kreditvon K = 100 000 Euro aufnimmt und danach jährlich eine Rate von R = 10000 Eurozurückzahlt, so lautet die Systemanregung:

s[n] =

{−K = −100 000 : n = 0

R = 10000 : n = 1, 2, 3, ...

Etwas eleganter kann man das so schreiben:

s[n] = −K · δ[n] +R · ǫ[n− 1]

Die Systemantwort darauf lautet

r[n] = −K · h[n] +R · h[n] ∗ ǫ[n− 1]

mith [n] = qnǫ [n] .

Die Faltung im zweiten Term ist die um einen Takt verzögert Sprungantwort aus Glei-chung (1.63):

h[n] ∗ ǫ[n− 1] = g[n − 1] =qn − 1

q − 1ǫ[n− 1]

Die Formel für die Restschuld im Jahr n lautet dann:

r[n] = −K · qnǫ [n] + qn − 1

q − 1R · ǫ[n− 1]

In dem praktischen Beispiel muss man (genau einen Takt), bevor diese Größe positivwird, abbrechen. Die letzte Rate ist dann genau die (noch für das letzte Jahr verzinste)Restschuld.

Übrigens: Bei einem zeitlich veränderlichen Zinssatz hat man es mit einem zeitvariantenSystem zu tun.

4Bei monatlicher Tilgung zählt der Zeitindex n den Monat. Der Verzinsungsfaktor a muss dann auf denMonat bezogen werden, wobei man den Zinssatz durch 12 teilt. Die bei dieser Berechnung jährlichanfallenden Zinsen werden dann als effektiver Jahreszins bezeichnet.

30

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1 Grundbegriffe

Zeitkontinuierliche LTI-Systeme

Wir betrachten nun ein lineares, zeitkontinuierliches System mit Input s(t) und Outputr(t) und schreiben dafür

System: s 7→ r . (1.65)

Es sei nun τ eine beliebige, aber feste Verzögerungszeit. Das um diese Zeit verzögerteInput- bzw. Output-Signal nennen wir sτ bzw. rτ :

sτ (t) = s(t− τ)

rτ (t) = r(t− τ)

Wenn dann für das durch die Beziehung (1.65) definierte System ebenfalls

System: sτ 7→ rτ (1.66)

gilt, so nennt man dieses System zeitinvariant. In Worten ausgedrückt bedeutet das:Wenn man mit dem selben Input das System eine Zeit τ später anregt, erhält man denselben Output, allerdings eben um diese Zeit τ verzögert. Das bedeutet, dass sich dieEigenschaften des Systems während der Zeit τ nicht geändert haben.

LTI-Systeme lassen sich durch ihre Impulsantwort charakterisieren:

Die Impulsantwort h(t) eines (kontinuierlichen) LTI-Systems ist dessen Antwort aufden Einheitspuls δ(t):

System: δ 7→ h

Es gilt der folgende

Satz: Jedes LTI-System lässt sich eindeutig durch seine Impulsantwort h(t) charakte-risieren. Zwischen Input s(t) und Output r(t) besteht der Zusammenhang

r(t) = h(t) ∗ s(t) . (1.67)

Auf den Beweis verzichten wir.

Folgerung: Wenn man zwei LTI-Systeme mit Impulsantworten g(t) und h(t) hinterein-ander schaltet, kommt es nicht auf die Reihenfolge an:

r(t) = g(t) ∗ h(t) ∗ s(t)

r(t) = h(t) ∗ g(t) ∗ s(t)Dies ergibt sich unmittelbar aus der Kommutativität der Faltung:

g(t) ∗ h(t) = h(t) ∗ g(t)

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1 Grundbegriffe

Anmerkung: Bei linear-zeitvarianten Systemen kommt es dagegen auf die Reihenfolgean!

Merke: Systeme, die durch lineare Differentialgleichungen mit zeitlich konstanten Ko-effizienten beschrieben werden, sind linear und zeitinvariant. (Man kann das leicht be-weisen.) Das ist für alle Schaltungen mit den Standardbauelementen R, L, C der Fall.

Detektor und Faltung

Messung: Filtern und dann abtasten

[h(t) ∗ s(t)]t=0 =

[∫ ∞

−∞h(t− τ)s(τ)dτ

]

t=0

=

∫ ∞

−∞h(−τ)s(τ)dτ

Gespiegelte Impulsantwort g(t) = h(−t):

[g(−t) ∗ s(t)]t=0 =

∫ ∞

−∞g(t)s(t)dτ (1.68)

Beschreibung durch die Sprungantwort

Wir betrachten ein LTI-System gegeben mit Impulsantwort h(t). Die Antwort auf dasInput-Signal s(t) ist gegeben durch

r(t) = h(t) ∗ s(t) =∫ ∞

−∞h(τ)s(t− τ)dτ . (1.69)

Wir betrachten jetzt als speziellen Input das Signal s(t) = ǫ(t) und definieren die

Die Sprungantwort eines LTI-Systems ist die Antwort auf die Anregung durch denEinheitssprung ǫ(t).

Wir bezeichnen die Sprungantwort mit g(t) und erhalten

g(t) =

∫ ∞

−∞h(τ)ǫ(t− τ)dτ =

∫ t

−∞h(τ)dτ . (1.70)

Die Sprungantwort ist also Stammfunktion5 der Impulsantwort. Umgekehrt bekommtman aus der Sprungantwort die Impulsantwort durch Differenzieren:

h(t) =d

dtg(t) . (1.71)

5Die kumulierte Summe ist das diskrete Analogon zum Integral g(t) =∫ t

−∞h(τ )dτ .

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1 Grundbegriffe

Wenn man die Sprungantwort kennt, kann man daraus also leicht die Impulsantwortberechnen. Damit liefert auch die Sprungantwort eine eindeutige Charakterisierung desLTI-Systems. Eine dritte Möglichkeit werden wir im nächsten Unterabschnitt kennenlernen.

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1 Grundbegriffe

Aufgaben

1. Zeigen Sie mit Hilfe komplexer Rechnung die beiden Additionstheoreme

cos (α+ β) = cos (α) cos (β)− sin (α) sin (β) (1.72)

undsin (α+ β) = sin (α) cos (β) + cos (α) sin (β) (1.73)

2. Rechnen sie um zwischen kartesischer und Polardarstellung

a) s (t) = sin (2πft) + cos (2πft)

b) s (t) = sin (2πft)− cos (2πft)

c) s (t) =√3 cos (2πft) + sin (2πft)

d) s (t) =√3 sin (2πft)− cos (2πft)

e) s (t) = − cos (2πft) + sin (2πft)

f) s (t) = cos (2πft− 45◦)

g) s (t) = cos (2πft+ 45◦)

h) s (t) = cos (2πft+ 135◦)

i) s (t) = cos (2πft+ 120◦)

j) s (t) = sin (2πft− 30◦)

3. Berechnen Sie die reelle Fourierreihe der Rechteckschwingung! Wie viel Prozent derLeistung steckt in den ersten 3 Schwingungen?

4. Berechnen Sie die folgenden zeitdiskreten Faltungen von Zeilenvektoren:

a)(1 1 1 1

)∗(1 1 1 1

)

b)(1 2 3 4

)∗(2 −1 3 1

)

c)(1 −2 3

)∗(1 2 −3 4 2

)

d)(1 1

214

18

116

)∗(1 1

)

e)(2 −1 3 7 1

)∗(1 −2 3 −1

)

f) (1 3 4 1) ∗ (1 2 3 4)

g) ǫ [n] ∗ (δ [n] + δ [n− 2])

5. Berechnen Sie das Faltungsprodukt r [n] = h [n] ∗ s [n] jeweils für die folgendenSignale:

a) h [n] = 2−nǫ [n] , s [n] = δ [n] + δ [n− 1]

b) h [n] = ǫ [n] , s [n] = ǫ [n]

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1 Grundbegriffe

c) h [n] = s [n] = 2−nǫ [n]

d) h [n] = 2−nǫ [n] , s [n] = δ [n]− 12δ [n− 1]

6. Skizzieren Sie die folgenden Signale und berechnen Sie die Energie bzw. die mittlereLeistung:

a) s (t) = cos (2πft) + 2 sin (2πft)− cos (4πft)

b) s (t) = e−|t|/T

c) s (t) =

{1T (T − |t|) : |t| < T

0 : |t| > T

d) s (t) = e−1

2σ2 t2

Tipp:∫∞−∞ e−x2

dx =√π

7. Skizzieren Sie ein Signal, seine verschobene und dann gespiegelte Version sowie diegespiegelte und dann verschobene Version!

8. Drücken Sie den (verschobenen) Rechteckpuls

rect

(t− t0T

)

durch die Sprungfunktion ǫ (τ) aus!

9. Gegeben ist jeweils die Sprungantwort g(t). Wie lautet die Impulsantwort h(t)?

a) g(t) = e−t/τ ǫ(t) (τ > 0)

b) g(t) = (1− e−t/τ )ǫ(t) (τ > 0)

10. Ein RC-Tiefpass ist gegeben durch die Impulsantwort

h(t) = e−t/τ ǫ(t) (τ = RC)

Wie lautet die Systemantwort r(t) auf einen Rechteckpuls

s(t) = rect

(t

T− 1

2

)mit T > 0 ?

11. Berechnen Sie ∫ ∞

−∞ǫ (τ) ǫ (t− τ) dτ, t ∈ R

12. Berechnen Sie die Faltung r (t) = h (t) ∗ s (t) für die folgenden Signale

s (t) =

{1 : |t| ≤ T/20 : |t| > T/2

, h (t) =

{1T : |t| ≤ T/20 : |t| > T/2

13. Zeigen Sie, dass ein Gleichrichter ein nichtlinerares System darstellt. Finden Siedazu zwei Beispielsignale, mit denen das Superpositionsprinzip verletzt ist.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im

Frequenzbereich

2.1 Fourierreihe

Wir betrachten in diesem Abschnitt kontinuierliche (reell- oder komplexwertig) periodi-sche Signale s(t) mit der Periode T . Es gilt also:

s(t) = s(t− T ) (2.1)

Wir betrachten hier nur stückweise stetige und beschränkte Signale, d.h. Sprungstellendürfen vorkommen, aber sonst nichts Schlimmes. Aus der Angewandten Mathematik [6]ist bekannt, dass für solche Signale eine Fourierreihen-Entwicklung

s (t) =

∞∑

k=−∞

ckej2π k

Tt (2.2)

existiert, die (fast überall)1 gegen das Signal s(t) konvergiert. Die Fourierkoeffizientenck sind gegeben durch

ck =1

T

∫ T

0e−j2π k

Tts (t) dt . (2.3)

Im Folgenden werden die in der Angewandten Mathematik [6] vermittelten Kenntnisseüber den Umgang mit Fourierreihen vorausgesetzt. Hier geht es um die Anwendung inder Signaltheorie.

Die Fourierreihen-Entwicklung (2.2) lässt sich auf reelle und komplexe periodische Signaleanwenden. Wichtig ist der Spezialfall eines reellen Signals s(t). Hierfür gibt es zwarauch eine reelle Fourierreihe (siehe [6]), es ist aber meist wesentlich geschickter, mit derkomplexen Fourierreihe zu rechnen. Die Gründe dafür sind im wesentlichen die selbenwie die, weswegen man in der Wechselstromtechnik mit komplexen Signalen rechnet. Diessoll im Folgenden erläutert werden.

Reelle Signale

Reelle Signale s(t) sind durch folgende Eigenschaft der Fourierreihe (2.2) charakterisiert:

s(t) reell ⇔ ck = c∗−k für alle k ∈ Z (2.4)

1Fast überall bedeutet hier: Überall, außer an den Sprungstellen. In der Signaltheorie kann man dieseFeinheiten meist ignorieren.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Dann gilt natürlich insbesondere auch

c0 = c∗0 , (2.5)

d.h. der Gleichanteil (auch: DC wie direct current) des Signals ist reell. Die komplexeharmonische Schwingung

ckej2π k

Tt

wird als eine Schwingung bei der Frequenz

fk =k

T(k ∈ Z) (2.6)

interpretiert. Damit kommen in der Fourierreihe (2.2) scheinbar auch negative Frequenzenvor. Diese besitzen aber keine eigene reale Bedeutung, sondern sind über die Eigenschaft(2.4) mit der entsprechenden positiven Frequenz verbunden und bilden mit dieser zusam-men eine reelle harmonische Schwingung. Es gilt nämlich wegen der Eigenschaft (2.4) fürk ∈ N:

ckej2π k

Tt + c−ke

−j2π kTt = cke

j2π kTt + c∗ke

−j2π kTt

= 2Re{cke

j2π kTt}

Man kann diese reelle Schwingung in eine Kosinus- und eine Sinusschwingung zerlegenund gelangt mit

ck =1

2(ak − jbk) (2.7)

und

ckej2π k

Tt + c−ke

−j2π kTt = ak cos

(2π

k

Tt

)+ bk sin

(2π

k

Tt

)

zur reellen Fourierreihe [6]. In der Elektrotechnik schreibt man meist lieber eine Kosinus-schwingung mit Amplitude und Phase. Dazu setzen wir

ck = |ck| ejϕk

und erhalten

ckej2π k

Tt + c−ke

−j2π kTt = 2Re

{cke

j2π kTt}

= 2Re{|ck| ejϕkej2π

kTt}

und damit

ckej2π k

Tt + c−ke

−j2π kTt = 2 |ck| cos

(2π

k

Tt+ ϕk

)(2.8)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Merke: Eine reelle harmonische Schwingung der Frequenz fk und Phase ϕk ist dieÜberlagerung von zwei komplexen harmonischen Schwingungen mit zueinander gespie-gelten Frequenzen fk und −fk. Diese besitzen die selben Amplituden, aber zu einandergespiegelte Phasen ϕk und −ϕk.

In der Elektrotechnik geht man von der Kosinusschwingung besser zur komplexen Schwin-gung über, weil sich komplex leichter rechnen lässt. Genauso ist es mit den komplexenFourierreihen, die sich sehr gut in den Formalismus der komplexen Wechselstromrechnungintegrieren lassen.

Mittlere Leistung und Parsevalsche Gleichung

Aus der Angewandten Mathematik ist die Parsevalsche Gleichung bekannt:

P s =1

T

∫ T

0|s (t)|2 dt =

∞∑

k=−∞

|ck|2 . (2.9)

Auf der rechten Seite ist die Leistung im Frequenzbereich ausgedrückt. Sie setzt sichzusammen aus den Beiträgen für die Leistungen für alle harmonischen Schwingungen beiden Frequenzen fk wobei (außer bei k = 0) immer ein Paar zu positivem und negativemIndex zusammen gehört. Für reelle Signale gilt c−k = c∗k, und man kann schreiben:

P s = c20 + 2

∞∑

k=1

|ck|2 . (2.10)

Wenn man dies mit

ck =1

2(ak − jbk)

durch die Koeffizienten der reellen Fourierreihe ausdrückt, so erhält man

P s =a204

+1

2

∞∑

k=1

(a2k + b2k

)(2.11)

Die Gesamtleistung lässt sich also zerlegen in die Leistung der einzelnen Schwingungen,wobei a2k/2 die Leistung der k-ten Kosinus und b2k/2 die Leistung der k-ten Sinusschwin-gung ist. Der Summand a20/4 ist die Leistung des Gleichanteils.

LTI-Systeme und harmonische Schwingungen: Die Übertragungsfunktion

Wir betrachten ein zeitkontinuierliches LTI-System mit Impulsantwort h(t), das angeregtwird durch die komplexe harmonische Schwingung

sf (t) = ej2πft mit f ∈ R . (2.12)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Die Antwort rf (t) auf diese Anregung erhält man als Faltung

rf (t) = h(t) ∗ sf (t)

=

∫ ∞

−∞h(τ)sf (t− τ) dτ

=

∫ ∞

−∞h(τ)ej2πf(t−τ)dτ

= ej2πft∫ ∞

−∞h(τ)e−j2πfτdτ .

Die Antwort ist also wieder eine komplexe harmonische Schwingung der selben Frequenz,aber versehen mit einem komplexen frequenzabhängigen Vorfaktor

H(f) =

∫ ∞

−∞h(τ)e−j2πfτdτ . (2.13)

Diese Funktion der Frequenz wird als Übertragungsfunktion bezeichnet. Es gilt derZusammenhang

rf (t) = H(f)sf (t) (2.14)

zwischen Anregung und Antwort. Im Englischen ist neben der Bezeichnung transfer

function auch der Begriff frequency response gebräuchlich. Dieser englische Nameerklärt sich dadurch, dass H(f) die Antwort auf den Einheitszeiger (das ist der Zeiger 1)bei der Frequenz f ist. Das System ist also charakterisiert durch die Abbildungsvorschrift

ej2πft 7→ H(f)ej2πft . (2.15)

Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 2.1 veranschaulicht.

Anregung(Input)

Antwort(Output)

H(f)ej2πft H(f)ej2πft

Abbildung 2.1: Übertragungsfunktion als Antwort auf den Einheitszeiger.

Offenbar ist wegen Gleichung (2.13) die Übertragungsfunktion gerade die Fouriertrans-formierte [6] der Impulsantwort:

h(t) ◦−−•H(f) (2.16)

Für reelle Systeme ist die Impulsantwort reell. Es gilt [6]:

h(t) reell ⇔ H(f) = H∗(−f) (2.17)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

In Grundlagen der Elektrotechnik 2 haben wir die Wirkung der Übertragungsfunktionnur für Schwingungen einer festen Frequenz betrachtet. Wegen des Faltungssatzes derFouriertransformation können wir nun für ein beliebiges Signal

s(t) ◦−−• S(f)

den Zusammenhangh(t) ∗ s(t) ◦−−•H(f)S(f)

herstellen. D.h. bei einem LTI-Ssystem wird das Signal in Frequenzbereich mit der Über-tragungsfunktion multipliziert.

Die Verzögerung als LTI-System

Eine Verzögerung um die Zeit τ wie in Abbildung 2.2 gezeigt stellt offenbar ein LTI-

Anregung(Input)

Antwort(Output)

s(t)Delay τ

r(t) = s(t− τ)

Abbildung 2.2: Verzögerung als LTI- System.

System dar. Deren Übertragungsfunktion findet man, indem man die Antwort auf diekomplexe Trägerschwingung

sf (t) = ej2πft

betrachtet. Es gilt:

rf (t) = sf (t− τ)

= ej2πf(t−τ)

= e−j2πfτej2πft

Eine einzige Verzögerung um τ besitzt also die Übertragungsfunktion

H(f) = e−j2πfτ . (2.18)

Das selbe Ergebnis erhält man, wenn man die Impulsantwort der Verzögerung

h(t) = δ(t− τ)

betrachtet. Deren Fouriertransformierte ist offenbar gerade durch Gleichung (2.18) gege-ben. Alternativ ergibt sich diese Gleichung auch direkt aus dem Verschiebungssatz derFouriertransformation

s(t− τ) = ◦−−• e−j2πfτS(f) .

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Anregung durch eine Fourierreihe

Nun betrachten wir den Fall, dass das System statt mit einer einzigen Schwingung durchein T - periodisches Signal s(t) angeregt wird. Diese Anregung lässt sich als Fourierreihedarstellen:

s (t) =

∞∑

k=−∞

ckej2πfkt , fk =

k

T(2.19)

Die Fourierreihe ist eine Superposition von komplexen harmonischen Schwingungen. Fürjede einzelne davon erhält man die Antwort durch Gleichung (2.14). Wegen des Superpo-sitionsprinzips (1.51) ist dann auch die Antwort r(t) auf die Superposition s(t) bekannt:

r (t) =∞∑

k=−∞

H(fk)ckej2πfkt (2.20)

Ein Beispiel aus der Elektrotechnik soll das erläutern.

Der RC-Tiefpass als LTI-System

Wir betrachten wieder die Reihenschaltung aus Kondensator C und Widerstand R, wiesie in Abbildung 2.3 dargestellt ist. Die Schaltung wird durch die Quellenspannung

uq(t)C

R

i(t)

uR(t)

u(t) = uC(t)

Abbildung 2.3: Schaltung aus Kondensator und Widerstand mit allgemeinerSpannungsquelle.

uq (t) =√2Uq cos (ωt+ ϕq)

der Kreisfrequenzω = 2πf

angeregt. Dies ist der Input. Die gesuchte Spannung u(t) = uC(t) am Kondensator istder Output. Bei einer Anregung durch eine harmonische Schwingung arbeitet man in der

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Elektrotechnik mit der komplexen Wechselstromrechnung, anstatt die lineare Differenti-algleichung

RCuC + uC = uq

zu lösen. Dazu definiert man den komplexen Zeiger

Uq = Uqejϕq

für die Anregung undUC = UCe

jϕC

für die Antwort. Die Beziehung zwischen beiden erhält man unter Berücksichtigung dervorkommenden Impedanzen als [7]

UC =1

1 + jωτUq

mitτ = RC .

Die Übertragungsfunktion ist also gegeben durch

H(f) =1

1 + j2πfτ, (2.21)

und das gesuchte reelle Signal lautet

uC(t) = Re{√

2UCejωt}

= Re

{1

1 + jωτ

√2Uqe

jωt

}

= Re{H(f)

√2Uqe

j2πft}. (2.22)

Um den reellen Output zu erhalten, muss man also die komplexe Schwingung des Input-Signals mit der Übertragungsfunktion multiplizieren und dann den Realteil bilden. Nochklarer erkennbar wird die Bedeutung der Übertragungsfunktion, wenn man das Input-Signal folgendermaßen schreibt:

uq (t) =√2Uq cos (2πft+ ϕq)

=1

2

√2(Uqe

jϕqej2πft + Uqe−jϕqe−j2πft

)

=1

2

√2(Uqe

j2πft + U∗qe

−j2πft)

Das ist die Superposition zweiter Exponentialschwingungen, und wegen des Superpositi-onsprinzips lautet die Antwort darauf

uC(t) =1

2

√2(H(f)Uqe

j2πft +H(−f)U∗qe

−j2πft)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Wegen der Eigenschaft H(−f) = H∗(f) ist dies

uC(t) =1

2

√2(H(f)Uqe

j2πft +H∗(f)U∗qe

−j2πft)

und damit das selbe wie die Spannung in Gleichung (2.22).

Wenn nun ein beliebiges jetzt ein beliebiges T -periodisches Signal (z.B. eine Rechteck-schwingung) an dem System anliegt, kann man dies als komplexe Fourierreihe darstellen:

uq (t) = Uq0 +√2

∞∑

k=1

Uqk cos

(2πk

Tt+ ϕqk

)

= Uq0 +1

2

√2

∞∑

k=1

(Uqke

j2πfkt + U∗qke

−j2πfkt)

Nach dem Superpositionsprinzip und entsprechend Gleichung (2.20) ist die Antwort dar-auf gegeben durch die Kondensatorspannung:

uC(t) = H(0)Uq0 +1

2

√2

∞∑

k=1

(H(fk)Uqke

j2πfkt +H∗(fk)U∗qke

−j2πfkt)

= H(0)Uq0 +√2

∞∑

k=1

Re{H(fk)U qke

j2πfkt}

(2.23)

= H(0)Uq0 +√2

∞∑

k=1

A(fk)Uqk cos (2πfkt+ ϕqk + φ(fk))

Hierbei wurde wieder H(−fk) = H∗(fk) verwendet und in der letzten Zeile wurde dieExponentialschreibweise

H(f) = A(f)ejφ(f) (2.24)

für die Übertragungsfunktion verwendet. Hierbei gilt

A(f) =1√

1 + (2πfτ)2(2.25)

undφ(f) = − arctan (2πfτ) . (2.26)

2.2 DFT (Diskrete Fouriertransformation)

Zeitdiskrete harmonische Schwingungen

Wenn man eine kontinuierliche komplexe harmonische Schwingung

sf (t) = exp (j2πft) (2.27)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

ω = 0ω = 0ω = 0ω

ω = 3π/2

ω = π/2

ω = π

ejω

Abbildung 2.4: Die normierten Kreisfrequenz ω ist ein Winkel.

mit der Abtastfrequenz

fA =1

tA(2.28)

abtastet, so erhält man ein zeitdiskretes Signal

s [n] = exp

(j2π

f

fAn

). (2.29)

Wir definieren die (auf die Abtastfrequenz) normierte Kreisfrequenz

ω = 2πf

fA(2.30)

und schreiben das Signal alss [n] = ejωn . (2.31)

Dies ist eine zeitdiskrete harmonische Schwingung. Die normierte Kreisfrequenz ωhat ist ein Winkel (im Bogenmaß), und ejω ist ein Zeiger auf dem Einheitskreis, sieheAbbildung 2.4.

Achtung: Verwechseln Sie das bitte nicht mit der Kreisfrequenz, die meist mit demselben Buchstaben ω bezeichnet wird und die Dimension Winkel pro Sekunde [rad/s]hat.

Für die zeitdiskrete Schwingung (2.31) der Kreisfrequenz ω schreiben wir

sω [n] = ejωn. (2.32)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Offenbar giltsω [n] = sω±2π [n] = sω±4π [n] = sω±6π [n] = ... . (2.33)

Das heißt in Worten: Die zeitdiskreten harmonischen Schwingungen mit den normiertenKreisfrequenzen ω, ω ± 2π, ω ± 4π, ω ± 6π, ... sind identisch! Das führt auf die

Alias-Frequenzen: Wenn man die Signale exp (j2πft) und exp (j2π (f ± fA) t) mit derAbtastfrequenz fA abtastet, führt dies auf das selbe zeitdiskrete Signal. Die Signale, diesich um ein Vielfaches der Abtastfrequenz unterscheiden, sind also nach der Abtastungnicht mehr voneinander zu unterscheiden. Man spricht dann von Alias-Frequenzen(lat.: alias = die anderen).

Normalerweise geht man davon aus, dass sich die Signale innerhalb der spektralenGrundperiode zwischen −fA/2 und fA/2 befinden. Sind aber Signale außerhalb dieserGrundperiode vorhanden, so tauchen sie scheinbar in der Grundperiode auf. Beim Ab-spielen z.B. mit einer Soundkarte werden sie innerhalb der Grundperiode wiedergegeben.

Wirkliche Signale sind reell. Reelle Schwingungen sind eine Überlagerung von komplexenSchwingungen. Eine diskrete Kosinusschwingung lässt sich darstellen als

cos (ωn) =1

2

(ejωn + e−jωn

)(2.34)

und eine Sinusschwingung als

sin (ωn) =1

2j

(ejωn − e−jωn

). (2.35)

Es gilt auch:

cos (ωn+ ϕ) =1

2

(ejϕejωn + e−jϕe−jωn

)(2.36)

Beispiel zum Aliasing Wir betrachten die beiden Kosinusschwingungen

s1(t) = cos (2πf1t) =1

2

(ej2πf1t + e−j2πf1t

)mit f1 = 2kHz

und

s2(t) = cos (2πf2t) =1

2

(ej2πf2t + e−j2πf2t

)mit f2 = 6kHz .

Beide entsprechen Tönen im hörbaren Bereich. Die Frequenzen der komplexen Schwin-gungen sind in Abbildung 2.5 als blaue und rote Pfeile (Spektrallinien) dargestellt. DieSignale werden nun abgetastet mit der (beim Telefon gebräuchlichen) Abtastfrequenz

fA = 8kHz .

Wir schreiben

s1[n] = s1

(n

fA

)und s2[n] = s2

(n

fA

)

45

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

0

0

−fA fA = 8kHzfA/2−fA/2

f

f1−f1 f2−f2

ω

2ππ−π−2π −ω2 −ω1 ω1 ω2

Abbildung 2.5: Beispiel zum Aliasing: Das Signal mit den roten und das mit den blauenSpektrallinien besitzen die selben Abtastwerte.

Die zugehörigen normierten Kreisfrequenzen erhält man nach dem Dreisatz

ω

2π=

f

fA

zu

ω1 =π

2und ω2 =

2.

Offenbar ist ω2 der selbe Winkel auf dem Einheitskreis wie −ω2, d.h. es gilt

e±jω2n = e∓jω1n .

Denn die Winkel unterscheiden sich gerade um 2π. Deshalb ergibt die rechte rote Spek-trallinie die selben Abtastwerte wie die linke blaue. Die linke rote Spektrallinie ergibtdie selben Abtastwerte wie die rechte blaue. Deshalb besitzen s1(t) und s2(t) die selbenAbtastwerte:

s1[n] = s2[n] .

Die beiden Signale sind also (bei dieser Abtastfrequenz von 8 kHz) nicht unterscheidbar.Die Frequenz 6 kHz ist eine Aliasfrequenz zu 2 kHz. In der Praxis müssen die Aliasfre-quenzen vor der Digitalisierung mit einem Anti-Aias-Filter entfernt werden. Ansonstenwürde man bei der Rekonstruktion einen Ton von 6 kHz als 2 kHz hören.

Bemerkung: Wenn man bei dem obigen Beispiel die Kosinusschwingungen durch Si-nusschwingungen ersetzt, erhält man

s1[n] = −s2[n] .

Warum ist das so?

46

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

ω0 = 0

ω1 = π/4

ω2 = π/2

ω4 = π

ω7 = 7π/4

ω6 = 3π/2

ω3 = 3π/4

ω5 = 5π/4

Abbildung 2.6: Rasterbedingung: Die normierten Kreisfrequenzen ωk für k = 0, 1, ..., N−1 und N = 8.

Definition der DFT und Umkehrformel

Ein zeitdiskretes Signal s[n] heißt N−periodisch, wenn es eine natürliche Zahl N gibt,für die

s[n] = s[n+N ]

gilt. Die Zahl N nennt man Periode. Die kleinste mögliche Periode heißt Grundperiode.

Wir betrachten zunächst eine zeitdiskrete harmonische Schwingung

sω [n] = ejωn. (2.37)

Im Gegensatz zu zeitkontinuierlichen harmonischen Schwingungen sind die zeitdiskretenin der Regel nicht periodisch. Denn wäre sω [n] periodisch, so müsste es eine natürlicheZahl N geben, sodass sω [0] = 1 = sω [N ]. Das kann aber nur dann gelten, wenn ω · Nein ganzzahliges Vielfaches von 2π ist, wenn es also eine ganze Zahl k gibt, sodass

ωN = k · 2π (2.38)

gilt. Für festes N gibt es genau N verschiedene derartige Kreisfrequenzen

ωk =2πk

N, k = 0, 1, 2, ..., N − 1 , (2.39)

die in Abbildung 2.6 veranschaulicht sind. Alle weiteren weiteren Werte für k (also k =N, N + 1, N + 2, ...) liefern nichts Neues und entsprechen den Alias-Frequenzen. InFolgenden betrachten wir nur periodische diskrete Schwingungen, d.h. solche, die durchdie Bedingung (2.39) charakterisiert sind.

47

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Darstellung der negativen Frequenzen in der digitalen Signalverarbeitung Den Win-kel ω kann man verschieden darstellen: Entweder man wählt ω ∈ [−π, π) oder ω ∈ [0, 2π).In der digitalen Signalverarbeitung ist letzteres üblich. Das hat den Grund, dass man(beim Programmieren) nicht mit negativen Indizes arbeiten möchte, sondern bequemerso wie in Gleichung (2.39) von 0 bis N − 1 nummeriert. Das hat die (etwas gewöh-nungsbedürftige) Konsequenz, dass die negativen Frequenzen Winkeln zwischen π und2π entsprechen.

Zeit- und Frequenzraster Nun wird untersucht, was die Bedingung (2.38) im Zeit- undFrequenzbereich bedeutet. Wir nehmen an, dass das Signal (2.37) durch Abtastung mitder Abtastfrequenz

fA =1

tA(2.40)

aus einer kontinuierlichen harmonischen Schwingung

sf (t) = ej2πft (2.41)

hervorgegangen ist. Das abgetastete Signal soll wieder periodisch sein. Dazu muss diediskrete Grundperiode N der Schwingung zu der Grundperiode T zu der Frequenz

f1 =1

T

passen: Es mussT = N · tA (2.42)

gelten, d.h. die Grundperiode muss das N−fache der Abtastperiode sein. Im Frequenz-bereich kann man dies als

f1 =fAN

(2.43)

schreiben, d.h. die Grundschwingung muss ganzer Bruchteil der Abtastfrequenz sein. Die-se beiden äquivalenten Bedingungen bezeichnen wir als Rasterbedingungen. Sie legenein Zeit- bzw. Frequenzraster fest, in dem zeitdiskret und periodisch kompatibel sind.Durch das Raster wird die Zeitperiode T in N Teile der Abtastperiode (des Zeitrasters)tA = 1/fA unterteilt und die Frequenzperiode fA in N Teile des spektralen Rastersf1 = 1/T . Abbildung 2.7 veranschaulicht diesen Zusammenhang.

Für eine feste Zahl N ∈ N gibt es genau N verschiedene Schwingungen (2.39) mit ω = ωk

gemäß (2.37). Denn es istωk±N = ωk ± 2π , (2.44)

was derselben Schwingung entspricht. Wir beschränken den Index deshalb auf

k ∈ {0, 1, 2, ..., N − 1} . (2.45)

Im Zeitbereich können wir die N verschiedenen Schwingungen

sωk[n] = ejωkn (2.46)

48

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Zeit

Frequenz

. . . . . .

tA = TN

f1 =fAN

t = T

f = fAf1 =

1T

tA = 1fA

t = 0

f = 0

n = 0 (n = N)n = 1 n = N − 1n = 2

Abbildung 2.7: Die Beziehung zwischen Zeit- und Frequenzraster für N = 8.

auf die Grundperiode der Länge N beschränken2, d.h. nur die Zeitindizes n = 0, 1, 2, ..., N−1 betrachten. Für ein beliebiges zeitdiskretes Signal s [n] mit der Periode N reicht es also,die eine Periode heraus zu greifen, die durch den Vektor

s [0] , s [1] , s [2] , ... s [N − 1]

gegeben ist. Für diesen Signalvektor definieren wir die

Diskrete Fouriertransformation (DFT): Die diskrete Fouriertransformation eines Vek-tors s[n] mit n = 0, 1, ..., N − 1 ist definiert als der Vektor

S [k] =N−1∑

n=0

s [n] e−j2πkn/N (2.47)

mit k = 0, 1, ..., N − 1. Die Zahl N nennt man die Länge der DFT.

Dies ist zunächst einmal nur eine Definition. Die DFT existiert immer, da die Summeendlich ist.

Wir möchten gerne - wie bei der vertrauten Fourierreihe - auch im zeitdiskreten Fallperiodische Signale als eine Überlagerung von harmonischen Schwingungen schreibenkönnen. Diese Interpretation der DFT ergibt sich aus der Umkehrformel, d.h. der inversenDFT (IDFT).

2D.h. die Grundperiode zu der Schwingung mit ω = ω1.

49

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Satz über die inverse DFT (IDFT): Es sei der Vektor S[k] gegeben durch die diskreteFouriertransformation eines Vektors s[n] nach Gleichung (2.47). Dann gilt die Formel fürdie Rücktransformation (IDFT):

s [n] =1

N

N−1∑

k=0

S [k] ej2πkn/N mit n = 0, 1, ..., N − 1 (2.48)

Beweis: Zunächst wird folgende Behauptung bewiesen: Für jede ganze Zahl n mit|n| < N gilt

N−1∑

k=0

ej2πkn/N =

{0 : n 6= 0

N : n = 0(2.49)

Das sieht man so: Für eine beliebige komplexe Zahl z gilt:

(z − 1)(1 + z + z2 + ...+ zN−1

)= zN − 1 (2.50)

Diese Formel kennen wir von der geometrischen Reihe. Man prüft sie durch direktesNachrechnen. Wir setzen nun

z = ej2πn/N , n ∈ {0, 1, ..., N − 1}ein. Hierfür gilt zN = 1. Daraus folgt

(z − 1)(1 + z + z2 + ...+ zN−1

)= 0 .

Wegenz − 1 = 0 ⇔ n = 0

folgt:

1 + z + z2 + ...+ zN−1 =

{0 : n 6= 0

N : n = 0

Das ist gerade die Behauptung (2.49), die man etwas kompakter folgendermaßen schrei-ben kann:

N−1∑

k=0

ej2πkn/N = Nδ[n] für |n| < N (2.51)

Wir verwenden diese Eigenschaft und berechnen für festes n ∈ {0, 1, ..., N − 1} denfolgenden Ausdruck

N−1∑

k=0

S [k] ej2πkn/N =N−1∑

k=0

(N−1∑

m=0

s [m] e−j2πkm/N

)ej2πkn/N

=

N−1∑

m=0

s [m]

N−1∑

k=0

ej2πk(n−m)/N

=

N−1∑

m=0

s [m]Nδ[n −m]

= Ns[n]

50

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Also gilt

s[n] =1

N

N−1∑

k=0

S [k] ej2πkn/N ,

was zu beweisen war. �

Wir verwenden als Kurzschreibweise für die DFT die selbe Notation, die schon von derkontinuierlichen Fouriertransformation bekannt ist [6]:

s [n] ◦−−• S [k] . (2.52)

Genauso, wie die IDFT nach Gleichung (2.60) die Umkehrung der DFT nach Gleichung(2.47) ist, so ist die DFT auch die Umkehrung der IDFT. Man kann das fast wörtlichidentisch zum obigen Beweis direkt nachrechnen, denn die Formel für DFT und IDFTunterscheiden sich nur im Vorzeichen im Exponenten und im Faktor 1/N vor der Summe.

Das bedeutet gerade: Jedem Signal (-Vektor) s[n] im Zeitbereich lässt sich umkehrbareindeutig ein Signal (-Vektor) S[k] im Frequenzbereich zuordnen.

Die Umkehrformel (IDFT)

s[n] =1

N

N−1∑

k=0

S [k] ej2πkn/N

lässt sich folgendermaßen interpretieren: Jedes zeitdiskrete Signal der Periode N ist dar-stellbar als eine Überlagerung (Linearkombination) der N verschiedenen diskreten har-monischen Basisschwingungen

ejωkn = ej2πkn/N (2.53)

mit den normierten Kreisfrequenzen

ωk =2πk

N.

Die Koeffizienten sind gegeben durch die Zahlen

1

NS [k] , (2.54)

d.h. bis auf den Vorfaktor 1/N durch die Werte der DFT3. Das ist die selbe Interpretationwie bei der Fourierreihe

s (t) =

∞∑

k=−∞

ckej2π k

Tt ,

3Den Vorfaktor 1/N mag man an dieser Stelle etwas störend finden. Man hätte ihn vermieden, wennman die DFT mit diesem Faktor und die IDFT ohne diesen Faktor definiert hätte. Aber viele findendas auch nicht schön. Man kann auch die DFT und die IDFT beide mit dem Faktor 1/

√N definieren.

Dann sehen die Hin- und die Rücktransformation ähnlicher aus.

51

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

nur dass wir es jetzt mit diskreten Signalen zu tun haben. Die Koeffizienten S[k]/N ent-sprechen in ihrer Interpretation den Zahlen ck der Fourierreihe. Allerdings ist die Summebei der IDFT endlich und bei der Fourierreihe unendlich. Außerdem werden die negati-ven Frequenzen bei der IDFT mit einem positiven Index versehen. Der Zusammenhangzwischen beiden Darstellungen soll im Folgenden genauer analysiert werden.

Zusammenhang zur Fourierreihe; Aliasing

Um die IDFT mit der Fourierreihe zu vergleichen, schreiben wir beide Summen-Ausdrückenoch einmal hin. Die Fourierreihe lautet

s (t) =

∞∑

k=−∞

ckej2π k

Tt (2.55)

und die IDFT lautet

s [n] =1

N

N−1∑

k=0

S [k] ej2πkn/N . (2.56)

Wir tasten das kontinuierliche Signal zu den Zeitpunkte

tn = ntA

ab und nehmen dabei an, dass die Rasterbedingungen (2.42,2.43) erfüllt sind:

T = NtA ⇒ k

TntA =

kn

N(2.57)

Offenbar gilt dannej2π

kTtn = ej2πkn/N (2.58)

für die Abtastzeitpunkte t = ntA. Allerdings tauchen in der Fourierreihe (2.55) unendlichviele kontinuierliche Schwingungen mit den Frequenzen fk = k/T auf, aber es gibt nurN verschiedene diskrete harmonische Schwingungen. Also führen alle kontinuierlichenSchwingungen der Frequenzen

fk, fk ± fA, fk ± 2fA, ... (2.59)

nach der Abtastung auf die selbe diskrete harmonische Schwingung, so dass nur N ver-schiedene übrigbleiben. Nach der oben getroffenen Konvention läuft der Frequenzindexder diskreten Schwingungen von 0 bis N − 1. Vergleicht man dann die IDFT

s [n] =1

N

N−1∑

k=0

S [k] ej2πkn/N (2.60)

mit der abgetasteten Fourierreihe

s [n] =∞∑

k=−∞

ckej2πkn/N , (2.61)

52

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

so erhält man1

NS [k] =

∞∑

m=−∞

ck+mN . (2.62)

Das heißt: Nach der Abtastung einer periodischen Funktion (im richtigen Raster) mitanschließender DFT-Analyse tauchen auch noch alle anderen Frequenz-Anteile der ur-sprünglichen Fourier-Reihe mit auf. Diese anderen Frequenzen sind die Alias-Frequenzen.

Das Abtasttheorem für periodische Signale

Damit gewährleistet ist, dass kein Aliasing auftritt, dürfen nur Fourierkoeffizienten ck 6= 0in der Fourierreihe vorkommen, die die Bedingung

|fk| < fA/2 (2.63)

erfüllen4. Dies ist ein Spezialfall des sogenannten Abtasttheorems. Wegen dieser Be-dingung können nur endlich viele Frequenzen in der Fourierreihe auftreten. Wenn dieRasterbedingung fA = N · f1 erfüllt ist, muss man bei geradzahligem5 N wegen Glei-chung (2.63) die Randfrequenzen ±fN/2 ausschließen. Für geradzahliges N lautet danndie endliche Fourierreihe für ein periodisches Tiefpasssignal

s (t) =

N/2−1∑

k=−N/2+1

ckej2π k

Tt. (2.64)

Das zugehörige abgetastete Signal lautet

s [n] =

N/2−1∑

k=−N/2+1

ckej2πkn/N . (2.65)

Wir vergleichen dies mit der IDFT (2.56) und lesen ab:

1

NS [k] =

{ck : 0 ≤ k < N/2

ck−N : N/2 < k < N(2.66)

Der Sonderfall k = N/2 entspricht genau der halben Abtastfrequenz. Die darüber liegen-den Indizes mit k > N/2 entsprechen den negativen Frequenzen.

Spektralanalyse mit FFT

Die FFT mit MATLAB

FFT (Fast Fourier Transform) heißt ein schneller Algorithmus für die DFT. Mit S=fft(s)wird unter MATLAB die FFT durchgeführt. Die Umkehrtransformation erhält man mits=fft(S). Hierbei ist s der Vektor im Zeitbereich und S der Vektor im Frequenzbereich.

4|fk| = fA/2 dürfen wir nicht erlauben. Es lassen sich Beispiele finden, warum das nicht geht.5In der Praxis ist N in der Regel geradzahlig, – meist sogar eine Zweierpotenz.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Interpretation als Spektrum

Wenn kein Aliasing vorliegt, können wir die Zahlen |S [k] /N |2 als Spektrum des abge-tasteten Signals interpretieren.

Leistung und Parsevalsche Gleichung

Für die DFT lässt sich die Parsevalsche Gleichung (2.9) der Fourierreihe entsprechendübertragen. Die mittlere Leistung ist definiert als:

P s =1

N

N−1∑

n=0

|s [n]|2 (2.67)

Es gilt:

1

N

N−1∑

n=0

|s [n]|2 =N−1∑

k=0

∣∣∣∣S [k]

N

∣∣∣∣2

(2.68)

Auf der rechten Seite steht der Ausdruck für die Leistung im Frequenzbereich. Dies istdie Parsevalsche Gleichung. In der üblichen Darstellung kürzt man den Faktor Nheraus und erhält:

N−1∑

n=0

|s [n]|2 = 1

N

N−1∑

k=0

|S [k]|2 . (2.69)

In der ersten Version lässt sie sich besser merken, weil auf beiden Seiten direkt dieLeistung steht.

Ein praktisches Beispiel zur Spektralanalyse6

Wir betrachten als Beispiel einen Ton, der beschrieben wird durch eine Kosinusschwin-gung der Frequenz

fton = 1000Hz .

Das Signal wird abgetastet mitfA = 8000Hz

und mit einer FFT der LängeN = NFFT = 32

spektral analysiert. Aus diesen Zahlen ergibt sich für die Grundperiode der Fourieranalyse(das FFT-Analyse-Fenster) der Wert

T =N

fA= 4ms .

6Das dazu passende MATLAB-Skript ist auf der Homepage des Verfassers verfügbar:http://www4.fh-swf.de/de/home/ueber_uns/standorte/me/doz_iw/profs_iw/schulze/lehre_72/index.php

Es funktioniert auch unter Octave.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4−1

−0.5

0

0.5

1

t [ms]

s[n]

Kosinus bei 1000 Hz, abgetastet mit 8000 Hz

0 5 10 15 20 25 300

5

10

15

20

25

30

k

S[k

]

Abbildung 2.8: Eine Kosinus-Schwingung der Frequenz fton = 1000Hz, abgestastetmit fA = 8000Hz. Oben: Signal im Zeitbereich. Unten: Die DFT-Koeffizienten S[k].

Das Frequenzraster ist also gegeben durch

1

T= 250Hz .

Der Ton der Frequenz 1000 Hz besitzt die Periode

Tton =1

fton= 1ms .

Diese Periode passt genau 4 mal in das FFT Fenster der Länge T hinein. Also liegt derTon im Frequenzraster: Es handelt sich gerade um die Schwingung zum Index k = 4. Derobere Plot in Abbildung 2.8 zeigt das Zeitsignal

s(t) = cos(2πftont)

und seine Abtastwerte

s[n] = cos(2πkn/N) mit N = 32, k = 4 .

Die Kosinusschwingung der Nummer k besitzt nur 2 nicht verschwindende DFT-Koeffizienten,nämlich

S[k] = S[N − k] =N

2mit N = 32, k = 4 .

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Der untere Plot in Abbildung 2.8 zeigt die DFT-Koeffizienten S[k].

In der Praxis trägt man auf der Frequenzachse allerdings nicht den Index k auf, sonderndie entsprechende physikalische Frequenz, die sich aus

fk =k

T

ergibt. Die Phase interessiert meist nicht. Deshalb trägt man die Leistung auf, welchegegeben ist durch

|ck|2 =∣∣∣∣S [k]

N

∣∣∣∣2

.

Meist verwendet man dabei eine Dezibel-Skala. Wenn man nur reelle Signale betrachtet,sind die negativen Frequenzen redundant, und man stellt deshalb nur die positiven Fre-quenzen zwischen 0 und fA/2 dar. Dann sollte man aber die negativen Frequenzen in derLeistung mit berücksichtigen und die Größe

2|ck|2 = 2

∣∣∣∣S [k]

N

∣∣∣∣2

auftragen. Man spricht dann von einem einseitigen Leistungsspektrum. Abbildung2.9 zeigt dieses Spektrum für den betrachteten Ton. Die Spektrallinie zeigt die Leistung

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000−40

−35

−30

−25

−20

−15

−10

−5

0

f [Hz]

2|S

[k]/N

FF

T|2 [d

B]

Einseitiges Leistungsspektrum

Abbildung 2.9: Einseitiges Leistungsspektrum für eine Kosinus-Schwingung der Frequenzfton = 1000Hz, abgestastet mit fA = 8000Hz.

2|c4|2 =1

2= −3 dB .

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Dies ist gerade die Leistung der betrachten Kosinusschwingung mit der Amplitude 1 unddem Effektivwert 1/

√2.

Der Leck-Effekt

In der Praxis kommt es leider eher selten vor, dass die Frequenzen des zu analysierendenSignals in das Raster fallen, das durch die Abtastfrequenz fA und die FFT-Länge Nvorgegeben ist. Abbildung 2.10 zeigt einen Ton der Frequenz

fton = 1067Hz .

Wir haben also den Ton von eben etwas verstimmt. Die neue Periode f−1ton = 0, 9372...ms

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4−1

−0.5

0

0.5

1

t [ms]

s[n]

Kosinus bei 1067 Hz, abgetastet mit 8000 Hz

0 5 10 15 20 25 300

5

10

15

20

25

30

k

|S[k

]|

Abbildung 2.10: Eine Kosinus-Schwingung der Frequenz fton = 1067Hz, abgestastetmit fA = 8000Hz. Oben: Signal im Zeitbereich. Unten: Die DFT-Koeffizienten S[k].

passt nicht mehr ganzzahlig in das FFT-Fenster der Länge T = 4ms. Wenn man sichdieses Signal periodisch fortgesetzt denkt, ergeben sich an den Periodengrenzen Sprün-ge, die dazu führen, dass bei der Fourier-Analyse viele Nachbarfrequenzen mit hineinkommen, die eigentlich gar nicht vorhanden sind. Dies bezeichnet man als Leck-Effekt(engl.: Leakage). Das Wort Leck bezeichnet in der Seefahrt eine undichte Stelle im Boot,durch die Wasser hereinkommt. Auf die mathematische Analyse des Leck-Effektes ver-zichten wir und beschränken uns auf eine qualitative Diskussion. Im unteren Plot vonAbbildung 2.10 sieht man, dass der Koeffizent zu k = 4 kleiner geworden ist, und da-für andere Koeffizienten auftreten, die vorher nicht vorhanden waren. Der Effekt sieht

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

in der Dezibel-Darstellung noch viel schlimmer aus: Abbildung 2.11 zeigt das einseiti-ge Leistungsspektrum. Die Spektrallinie ist so unscharf geworden, dass der Leck-Effektschwache Nachbarlinien verdecken kann. Der Leck-Effekt lässt sich reduzieren, indemman das Zeitsignal vor der FFT mit einer geeigneten Fensterfunktion multipliziert, diean den Periodengrenzen sanft abfällt. Abbildung 2.12 zeigt das einseitige Leistungsspek-trum des gefensterten Signals. Der Leck-Effekt wird reduziert, allerdings wird dabei auchdie spektrale Auflösung schlechter.

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000−40

−35

−30

−25

−20

−15

−10

−5

0

f [Hz]

2|S

[k]/N

FF

T|2 [d

B]

Einseitiges Leistungsspektrum

Abbildung 2.11: Einseitiges Leistungsspektrum für eine Kosinus-Schwingung der Fre-quenz fton = 1067Hz, abgestastet mit fA = 8000Hz.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000−40

−35

−30

−25

−20

−15

−10

−5

0

f [Hz]

2|S

[k]/N

FF

T|2 [d

B]

Einseitiges Leistungsspektrum des gefensterten Signals

Abbildung 2.12: Mit Fensterung: Einseitiges Leistungsspektrum für eine Kosinus-Schwingung der Frequenz fton = 1067Hz, abgestastet mit fA = 8000Hz.

Eigenschaften der DFT

Für die DFT gelten entsprechende Eigenschaften wie für die Fourierreihe und die konti-nuierliche Fouriertransformation. Man muss jetzt nur beachten, dass wir es mit endlichenVektoren zu tun haben. Diese Vektoren hat man sich zyklisch vorzustellen:

Zyklische Signale leben auf einem Kreis.

Mathematisch korrekt müsste man sagen: Der Definitionsbereich ist ein Kreis. Bei dernormierten Kreisfrequenz ω haben wir dies schon diskutiert. Für die diskreten Kreisfre-quenzen gilt dies entsprechend für die Indizes. Und es gilt auch im Zeitbereich, schließlichhaben wir es mit periodischen Signalen zu tun. Diskrete zyklische Signale kann mansich als Perlen auf einer Kette (dem Kreis) vorstellen, siehe Abbildung 2.13.

Vereinbarung über zyklische Signale bzw. Vektoren

Für die Signale s[n] und S[k] und die DFT-Länge N gilt folgende Vereinbarung: Wenn derIndex n bzw. k außerhalb seines natürlichen Definitionsbereiches n, k ∈ {0, 1, ...N − 1}liegt, dann muss man so oft N zu addieren oder zu subtrahieren, bis der Index in diesemBereich liegt. Für N = 8 ist zum Beispiel s[9] und s[17] und s[−7] gleichbedeutend mits[1]. Eine reelle Schwingung der Grundperiode hat die normierte Kreisfrequenz ω1 undwird durch die Fourierkoeffizienten S[1] und S[7] (entspricht S[−1]) charakterisiert.

Diese Vereinbarung dient dazu, die Notation zu entlasten.

59

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Zeit Frequenzs[0]

s[1]

s[2]

s[6]

s[7]

S[0]

S[1]

S[2]

S[6]

S[7]

s[3]

s[5] S[5]

S[3]

S[4]s[4]

Abbildung 2.13: Veranschaulichung zyklischer Signale: Der Definitionsbereich bestehtaus N Punkten auf dem Einheitskreis.

Der Faltungssatz für die zyklische Faltung

Wenn wir zwei gleich lange Vektoren h[n] und s[n] der Länge N mit einander zyklischfalten, so bedeutet dies, dass wir in der Formel für die Faltung

h[n]⊛ s[n] =

N−1∑

m=0

h [m] s [n−m] (2.70)

die obige Vereinbarung über zyklische Signale beachten müssen. BeispielzyklischeFaltung; Re-chenschema;Veranschau-lichung überzwei Räder

Das Ergebnis der zyklischen Faltung ist wieder ein Vektor der Länge N . Wir schreibenh[n] ⊛ s[n] für die zyklische Faltung und unterscheiden sie damit von der gewöhnlichendiskreten Faltung h[n] ∗ s[n]. Die Berechnung ist ähnlich, aber man muss beachten, dassbei jedem Berechnungsschritt in (2.70) immer genau N Produkte summiert werden: Wennein Index aus seinem Bereich “heraus läuft”, wird zyklisch fortgesetzt und nicht der Termzu Null gesetzt. Alle Vektoren sind gleich lang, und es gibt kein Einschwingverhalten wiebei der gewöhnlichen diskreten Faltung.

Rechenschema zur zyklischen Faltung: Es soll z.B. das Faltungsprodukt aus zweiZeilenvektoren (

1 2 3 4)⊛(7 2 3 1

)

berechnet werden. Einen der beiden Vektoren muss man spiegeln. Wir spiegeln den erstenund rechnen

7 2 3 11 4 3 22 1 4 33 2 1 44 3 2 1

7−→26313241

(2.71)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Das heißt: (1 2 3 4

)⊛(7 2 3 1

)=(26 31 32 41

)

Rechenschema zur zyklischen Faltung (Variante): Wir betrachten die selben Vek-toren wie eben. Hier wird nicht gleich für jeden Takt das Ergebnis berechnet, son-dern die Addition erst zum Schluss durchgeführt. Wir multiplizieren den Input-Vektor(1 2 3 4

)mit den jeweiligen Koeffizienten h[n] der Impulsantwort

(7 2 3 1

)

und schreiben die Ergebnisse entsprechend der zugehörigen Verzögerung nach rechts ver-setzt hin. Da die Vektoren zyklisch zu verstehen sind, müssen wir die Zahlen, die hintenaus dem Vektor “herausfallen”, vorne wieder hinein schieben. Diese Zahlen haben wir blaumarkiert. Anschließend summieren für jeden Takt diese Werte auf. Damit ergibt sich dasfolgende Schema:

(1 2 3 4) ⊛ (7 2 3 1)7 14 21 288 2 4 6 89 12 3 6 9 122 3 4 1 2 3 4

= (26 31 32 41)

Faltungssatz der DFT Der zyklischen Faltung der diskreten Signale h[n], s[n] im Zeit-bereich entspricht eine Multiplikation der entsprechenden DFTs H [k] , S [k] im Frequenz-bereich:

h[n]⊛ s[n] ◦−−•H[k] · S[k] (2.72)

Da die IDFT bis auf den Vorfaktor und das Vorzeichen im Exponenten das Gleiche istwie die DFT, gilt der Faltungssatz entsprechend für die IDFT. Man muss nur etwasaufpassen mit den Faktor 1/N . Es gilt:

h[n] · s[n] ◦−−• 1

NH[k]⊛ S[k] (2.73)

Der Beweis des Faltungssatzes besteht nur aus Indexrechnung. Darauf verzichten wir,weil es keine wirklichen Erkenntnisse bringt.

Verschiebungssätze

Hier ist die obige Vereinbarung über zyklische Signale von zentraler Bedeutung. Wenns [n] ein zyklisches Signal ist der Länge N , so ist s [n− 1] das um einen Takt zyklisch

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

verschobene. Schreibt man das Signal s [n] als Vektor

s =

s [0]s [1]s [2]

...s [N − 1]

, (2.74)

so sieht der Vektor zu dem um einen Takt verschobenen Signal s [n− 1] so aus:

s1 =

s [N − 1]s [0]s [1]

...s [N − 2]

(2.75)

Man kann sich das so vorstellen, dass man den Kreis in Abbildung 2.13 um einen Takt(gegen den Uhrzeigersinn) dreht.

Die Verschiebungssätze der DFT lauten nun

s [n− 1] ◦−−• e−j2πk/N · S [k] (2.76)

und

ej2πn/N · s [n] ◦−−• S [k − 1] (2.77)

Man erhält hier hier zwei praktisch wichtige Folgerungen. Für geradzahlige N gilt:

(−1)n · s [n] ◦−−• S [k −N/2] . (2.78)

s [n−N/2] ◦−−• (−1)k · S [k] . (2.79)

Das hat folgende wichtige Anwendung: Man braucht manchmal ein Umspeichern der Fre-quenzen: Die negativen Frequenzen, die hinten stehen, sollen nach vorne. Dieses (rechen-zeitintensive) Umspeichern im Frequenzbereich lässt sich vermeiden, indem man einfachim Zeitbereich jedes zweite Vorzeichen umdreht.

Symmetriesätze

Wir schreibens∗ [n] = (s [n])∗

undS∗ [k] = (S [k])∗

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

für konjugiert komplexe Größen. Für verschobene und für gespiegelte Signale müssen wirwieder die Vereinbarung über zyklische Signale beachten. Bei der Spiegelung müssen wirbeachten, dass wir s [−n] durch s [N − n] ersetzen müssen.

Dann gilts∗ [n] ◦−−• S∗ [N − k] , (2.80)

d.h. das komplex konjugierte Zeitsignal entspricht der gespiegelten komplex konjugiertenSpektralfunktion. Die Eigenschaft (2.80) gilt auch für die inverse Transformation:

s∗ [N − n] ◦−−• S∗ [k] , (2.81)

Folgerung für reelle Signale: Bei einem reellen Zeitsignal s[n] hat die SpektralfunktionS [k] folgende Eigenschaft:

s[n] reell ⇔ S [k] = S∗ [N − k] (2.82)

Entsprechend gilt:S[k] reell ⇔ s [n] = s∗ [N − n] (2.83)

Diese Eigenschaft kennen wir in entsprechend modifizierter Form schon von der kontinu-ierlichen Fouriertransformation und von der Fourierreihe [6].

Wenns [N − n] = s[n] (2.84)

gilt, so nennen wir das Signal symmetrisch. Mathematisch entspricht das einer geradenFunktion.

Folgerung für reelle, symmetrische Signale: Bei einem reellen und symmetrischenZeitsignal ist auch die DFT reell und symmetrisch. Bei einem reellen und symmetrischenFrequenzsignal ist auch die IDFT reell und symmetrisch.

Außerdem gilts [N − n] ◦−−• S [N − k] , (2.85)

d.h. Spiegeln im Zeitbereich entspricht Spiegeln im Frequenzbereich. Insbesondere gilt:Eine im Zeitbereich symmetrische Funktion ist auch im Frequenzbereich symmetrisch.

Einige spezielle DFTs sind in Tabelle 2.1 aufgeführt.

Tabelle 2.1: DFT-Tabelles [n] S [k]

δ [n] 1

1 N · δ [k]δ [n− n0] exp (−j2πkn0/N)

exp (j2πk0n/N) N · δ [k − k0]

cos (2πk0n/N) N2 · (δ [k − k0] + δ [k + k0 −N ])

sin (2πk0n/N) N2j · (δ [k − k0]− δ [k + k0 −N ])

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

2.3 Fouriertransformation

Dieses Thema ist in der Angewandten Mathematik [6] ausführlich behandelt wordenund wird deshalb als bekannt vorausgesetzt. In diesem Abschnitt werden einige Formelnnochmal hingeschrieben, um darauf einfacher verweisen zu können. Vor allem aber gehtes hier um die Interpretation und Anwendung der Fouriertransformation in der Nach-richtentechnik.

Die Fourier-Transformation (FT) eines (kontinuierlichen) Signals s (t) ist definiert als

S (f) =

∫ ∞

−∞e−j2πfts (t) dt . (2.86)

Die Fouriertransformierte S (f) interpretieren wir als Spektralfunktion und die Variable fals Frequenz. Diese Interpretation wird deutlich aus der Fourier-Rücktransformation,die auch als Fourier-Integral bezeichnet wird. Es gilt die Umkehrformel

s (t) =

∫ ∞

−∞ej2πftS (f) df. (2.87)

Wir verwenden die aus der Angewandten Mathematik [6] schon bekannte Kurzschreib-weise

s (t) ◦−−• S (f) . (2.88)

Interpretation als Spektralzerlegung

Aus der Gleichung (2.87) ergibt sich folgende Interpretation: Das Signal setzt sich zu-sammen aus Schwingungsanteilen bei verschiedenen (normierten) Frequenzen f , wobei füber die ganze reelle Achse läuft. Den Integranden

S (f) ej2πft df

kann man dann auffassen als den Schwingungsanteil zwischen den Frequenzen f undf+df . Die komplexe Größe S (f) enthält die Amplitude und die Phase dieser Schwingung.

Energiedichte

Wir erinnern an die Definition der Energie eines Signals:

Es =

∫ ∞

−∞|s (t)|2 dt . (2.89)

Auch für die Fouriertransformation gibt es eine Parsevalsche Gleichung. Sie lautet:∫ ∞

−∞|s (t)|2 dt =

∫ ∞

−∞|S (f)|2 df . (2.90)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

ff1 f2

|S(f)|2

∫ f2f1

|S(f)|2df

Abbildung 2.14: Spektrale Energiedichte.

Auf der rechten Seite steht ein Ausdruck für die Energie im Frequenzbereich. Dies erlaubteine Interpretation von |S (f)|2 als spektrale Energiedichte: Den Integranden

|S (f)|2 df

kann man auffassen als den Energieanteil zwischen den Frequenzen f und f + df. Mankann die Funktion |S (f)|2 daher als die (zweiseitige) spektrale Energiedichte desSignals interpretieren, siehe Abbildung 2.14. Nach dieser Interpretation ist

∫ f2

f1

|S (f)|2 df

dann die Energie zwischen den Frequenzen f1 und f2. Um für reelle Signale die phy-sikalisch relevante Energie zu erhalten, muss man aber den Anteil der entsprechendennegativen Frequenzen mit hinzu nehmen: In der Kommunikationstechnik spricht man oftvon negativen Frequenzanteilen eines Signals. Natürlich gibt es physikalisch nur positiveFrequenzen. Bei der Darstellung eines Signal als Fourier-Integral7

s (t) =

∫ ∞

−∞ej2πftS (f) df (2.91)

wird auch über die negative Frequenzachse integriert, d.h. es gibt scheinbar negativeFrequenzanteile. Das hängt aber nur mit der bequemen Darstellung im Komplexen zu-sammen8. Es gilt:

s (t) reell ⇔ S (−f) = S∗ (f) (2.92)

Deshalb lässt sich das Fourier-Integral umformen zu

s (t) = 2Re

{∫ ∞

0ej2πftS (f) df

}(s (t) reell ). (2.93)

7d.h. als Fourier-Rücktransformation8Eine reelle Fouriertransformation ist sehr umständlich. Man muss dann mit einer Sinus- und einer

Kosinus-Transformation arbeiten. Die komplexe Darstellung fasst diese zusammen.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

In dem Integrationsgebiet tauchen keine negativen Frequenzen mehr auf. Entsprechendkann man nach Gleichung (2.89) und (2.90) die Energie schreiben als

Es = 2

∫ ∞

0|S (f)|2 df (s (t) reell). (2.94)

Die physikalisch richtige Energiedichte eines reellen Signals ist also die sogenannte ein-seitige spektrale Energiedichte 2 |S (f)|2.

Mathematische Voraussetzungen zur Existenz der Fouriertransformation

In der Mathematik setzt man für die Existenz der Fouriertransformation (2.86) gernevoraus, dass das Signal s (t) absolut integrierbar ist, d.h. man verlangt

∫ ∞

−∞|s (t)| dt < ∞.

Das ist zwar mathematisch die einfachste Bedingung, aber aus verschiedenen physikali-schen Gründen unschön. Physikalisch und nachrichtentechnisch sinnvoller ist die Forde-rung endlicher Energie, die dann auch zu einer Symmetrie bezüglich der Voraussetzungenfür die Hin- und Rücktransformation führen. Man muss dann allerdings die Fouriertrans-formation als uneigentliches Integral definieren, und es können gelegentlich mathematischmerkwürdige Dinge passieren, die uns hier aber nicht weiter zu stören brauchen. Wir set-zen für die Existenz der Fouriertransformation voraus:

∫ ∞

−∞|s (t)|2 dt < ∞ . (2.95)

Dann gilt automatisch auch für die Spektralfunktion∫ ∞

−∞|S (f)|2 df < ∞ . (2.96)

Funktionen mit dieser Eigenschaft nennt man quadratintegrabel.

Oft ist es auch notwendig, Fouriertransformationen im Sinne von verallgemeinerten Funk-tionen zu betrachten. Diese sind dann im Allgemeinen weder absolut integrabel noch qua-dratintegrabel, aber die Fouriertransformation ist trotzdem erklärt. Wie man das sinnvolldefiniert, diskutieren wir nicht. Wir gehen mit der unter Nachrichtentechnikern üblichenUnbefangenheit vor und tun so und rechnen einfach drauflos.

Der Faltungssatz

Der Faltung der Signale im Zeitbereich entspricht eine Multiplikation der Fouriertransfor-mationen im Frequenzbereich: Die FT des Signals h(t)∗s(t) ist gegeben durch H (f)·S (f).In Kurzschreibweise lautet der Satz

h (t) ∗ s (t) ◦−−•H (f) · S (f) (2.97)

Der Beweis ist sehr einfach, wenn man die Integrale hinschreibt.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Verschiebungssätze

Sei τ eine konstante Zeitverzögerung und

s (t) ◦−−• S (f) .

Dann gilt für das verzögerte Signal

s (t− τ) ◦−−• e−j2πfτ · S (f) . (2.98)

Der Beweis ergibt sich sofort durch Einsetzen in die Definition.

Eine Verschiebung um eine feste Frequenz f0 der Spektralfunktion lässt auch sich imZeitbereich darstellen:

e+j2πf0t · s (t) ◦−−• S (f − f0) . (2.99)

Symmetriesätze

Wir schreibens∗ (t) = (s (t))∗

undS∗ (f) = (S (f))∗

für konjugiert komplexe Größen.

Dann gilts∗ (t) ◦−−• S∗ (−f) , (2.100)

d.h. das komplex konjugierte Zeitsignal entspricht der gespiegelten komplex konjugiertenSpektralfunktion. Aus dieser Eigenschaft folgt übrigens die Eigenschaft (2.92). Umge-kehrt gilt natürlich:

s∗ (−t) ◦−−• S∗ (f) , (2.101)

d.h. die komplex konjugierte Spektralfunktion entspricht dem gespiegelten komplex kon-jugierten Zeitsignal.

Folgerung: Bei einem reellen und symmetrischen Zeitsignal ist auch die Spektralfunk-tion reell und symmetrisch.

Außerdem gilts (−t) ◦−−• S (−f) , (2.102)

d.h. Spiegeln im Zeitbereich entspricht Spiegeln im Frequenzbereich. Insbesondere gilt:Eine im Zeitbereich symmetrische Funktion ist auch im Frequenzbereich symmetrisch.

Einige spezielle Fouriertransformationen sind in Tabelle 2.2 aufgeführt.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Tabelle 2.2: FT-Tabelles(t) S(f)

δ(t) 1

1 δ(f)

δ(t− τ) exp (−j2πfτ)

exp (j2πf0t) δ(f − f0)

cos (2πf0t)12 (δ(f − f0) + δ(f + f0))

sin (2πf0t)12j (δ(f − f0)− δ(f + f0))

1

Texp(−t/T )ǫ(t) 1

1+j2πfT

2.4 ZFT (Zeitdiskrete Fouriertransformation)

Wir haben bisher drei (Fourier-) Transformationen zwischen Zeit- und Frequenzbereichkennen gelernt. Bei der eigentlichen kontinuierlichen Fouriertransformation sind die Si-gnale im Zeit- und im Frequenzbereich kontinuierlich. Für kontinuierliche und periodi-sche Signale gibt es die Fourierreihe, bei der die Spektralwerte (die Fourierkoeffizienten)diskret sind. Daraus erhält man die DFT, bei der das periodische Zeitsignal diskreti-siert wird, wodurch im Spektrum ein diskretes und periodisches (genauer: ein zyklisches)Signal entsteht. Offenbar werden periodische (bzw. zyklische)9 Signale bei der Transfor-mation diskret und zyklisch (periodisch):

zyklisch ◦−−• diskret

In der bisherigen Familie der Transformationen fehlt jetzt nur noch eine: Diejenige, die ein

Tabelle 2.3: FouriertransformationenTransformation Zeitbereich Frequenzbereich

FT (kont.) kontinuierlich kontinuierlichFR periodisch diskret

DFT zyklisch diskretdiskret zyklisch

ZFT diskret zyklisch

zeitdiskretes Signal in eine zyklische Spektralfunktion transformiert. Dies nennt man dieZFT (Zeitdiskrete Fouriertransformation). In Tabelle 2.3 sind alle vier Familienmitglie-der aufgelistet. Die ZFT ist mathematisch eigentlich nichts anderes als die Fourierreihe:

9Periodisch und zyklisch ist praktisch das gleiche, nur anders hingeschrieben. Ein (kontinuierliches)periodisches Signal lebt auf der ganzen reellen Achse und sieht in jeder Periode gleich aus. Einzyklisches Signal lebt auf dem Einheitskreis. Offenbar kann man aus jedem periodischen Signal einzyklisches machen, indem man die Periode auf 2π normiert und dann das die reelle Achse auf denEinheitskreis aufwickelt. Für diskrete periodische Signale geht man sinngemäß genauso vor.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Man muss nur die periodische Zeitvariable durch eine zyklische Frequenzvariable ersetzenund aus dem diskreten Frequenzindex einen diskreten Zeitindex. Man muss also nichtsneu beweisen, aber man muss etwas über die Interpretation nachdenken. Wir definieren:

Die ZFT eines zeitdiskreten Signals s[n] ist erklärt als

S(ejω)=

∞∑

n=−∞

s[n]e−jωn (2.103)

Dies ist im Prinzip nicht anderes als die Fourierreihe für eine zyklische FunktionS(ejω), also für eine Funktion, die auf dem Einheitskreis definiert ist. Um dies deut-

lich zu machen, schreibt man als Variable den Zeiger ejω auf dem Einheitskreis und nichtden Winkel ω selbst.

−π

π 2π0

|S(ejω)|2

|S(ejω)|2

0 πω

ω

Abbildung 2.15: Verschiedene Sichtweisen der selben zyklischen Spektralfunktion. Daman die komplexe Größe S

(ejω)

nicht so gut zeichnen kann, ist hier∣∣S(ejω)∣∣2 aufgetragen.

Die Spektralfunktion S(ejω)

ist eine zyklische Funktion. Dies bedeutet, dass ihr Definiti-onsbereich der Einheitskreis ist. Ein Punkt des Einheitskreises lässt sich eindeutig durch

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

seinen Winkel ω beschreiben. Es ist Geschmackssache, ob man diesen Winkel von −π bisπ laufen lässt oder von 0 bis 2π, siehe Abbildung 2.15. Die letztere Sichtweise wird inder Signalverarbeitung bevorzugt. Ein Kreis hat keinen Anfang und kein Ende, andersals z.B. das Intervall [0, 2π). Wenn man die Spektralfunktion zeichnen will, ist dazu ei-gentlich eine Litfaßsäule am besten geeignet. Um die Zeichnung an die Tafel zu bringen,muss man das Plakat an irgend einer Stelle auftrennen. Man kann das z.B. bei ω = 0tun oder auch bei ω = π. In beiden Fällen bekommt man an der Tafel unterschiedlicheBilder, die aber zu dem selben Bild an der Litfaßsäule gehören. Die negativen Frequenzenkorrespondieren zu dem unteren Teil des Einheitskreises. Diese liegen also links von derMitte im oberen Bild und rechts von der Mitte im unteren Bild.

In Gleichung (2.103) steht – anders als bei der gewohnten Fourierreihe – ein negativesVorzeichen im Exponenten. Das ist so gemacht, damit die Interpretation von n als Zeit-index zu den anderen Transformationen in der Familie passt. Mathematisch ist das reineDefinitionssache.

Die ZFT existiert nicht für alle zeitdiskreten Signale. Man muss sicherstellen, dass dieReihe konvergiert. Eine hinreichende Bedingung ist offenbar

∞∑

n=−∞

|s [n]| < ∞, (2.104)

d.h. für absolut summierbare Signale ist die ZFT für alle ω definiert.

Aus der Spektralfunktion S(ejω)

kann man das zugehörige zeitdiskrete Signal s [n] mitder Umkehrformel

s [n] =1

∫ 2π

0S(ejω)ejωndω. (2.105)

zurückgewinnen. Das ist die selbe Formel wie die Formel (2.3) für die Koeffizienten derFourierreihe, nur anders hingeschrieben. Die ZFT ist also nichts anderes als eine Fourier-Reihe mit vertauschten Variablen, allerdings zyklisch aufgefasst anstatt periodisch.

Im Folgenden verwenden wir oft für ein Fourier-Paar die bekannte Kurzschreibweise

s [n] ◦−−• S(ejω).

Eigenschaften der ZFT

Interpretation als Spektrale Dichte

Aus der Gleichung (2.105) ergibt sich folgende Interpretation: Das zeitdiskrete Signalsetzt sich zusammen aus Spektralanteilen bei verschiedenen (normierten) Frequenzenω2π , wobei ω über alle Kreiswinkel läuft. Den Integranden

S(ejω)ejωn

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

kann man dann auffassen als den Spektralanteil zwischen den Frequenzen ω2π und ω

2π+dω2π .

Wegen der zyklischen Natur der Spektralfunktion schreibt man auch S(ejω) und nichteinfach S(ω). So ist S wirklich eine Funktion, die auf dem Kreis lebt.

Energiedichte

Für die ZFT lässt sich die Parsevalsche Gleichung (2.9) der Fourierreihe entsprechendübertragen. Es gilt also

∞∑

n=−∞

|s [n]|2 = 1

∫ 2π

0

∣∣S(ejω)∣∣2 dω . (2.106)

Auf der linken Seite steht die Energie des zeitdiskreten Signals:

Es =∞∑

n=−∞

|s [n]|2

Auf der rechten Seite steht also auch die Energie, aber ausgedrückt im Frequenzbereich.Dies erlaubt eine Interpretation von

∣∣S(ejω)∣∣2 als spektrale Energiedichte: Den Aus-

druck ∣∣S(ejω)∣∣2 dω

2π(2.107)

über den integriert wird, kann man auffassen als den Energieanteil zwischen den (nor-mierten) Frequenzen ω

2π und ω2π + dω

2π .

Der Faltungssatz

Der Faltung der diskreten Signale im Zeitbereich entspricht eine Multiplikation der ZFTsim Frequenzbereich: Die ZFT des Signals h[n] ∗ s[n] ist gegeben durch H

(ejω)· S(ejω).

In Kurzschreibweise lautet der Satz

h [n] ∗ s [n] ◦−−•H(ejω)· S(ejω). (2.108)

Den Beweis erhält man einfach durch Nachrechnen. Interessant ist die Interpretation desFaltungssatzes in der zeitdiskreten Systemtheorie: Statt ein LTI-System im Zeitbereichdurch eine Faltung mit der Impulsantwort h[n] zu beschreiben, kann man es im Fre-quenzbereich durch Multiplikation mit der Übertragungsfunktion H

(ejω)

beschreiben.Wir kommen später ausführlich auf dieses Thema zurück.

Verschiebungssätze

Sei

S(ejω)=

∞∑

n=−∞

s [n] e−jωn, (2.109)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

e−jω

Abbildung 2.16: Die Übertragungsfunktion für ein zeitdiskretes Verzögerungsglied.

d.h.s [n] ◦−−• S

(ejω). (2.110)

Dann gilts [n− 1] ◦−−• e−jω · S

(ejω). (2.111)

Der Beweis ergibt sich sofort durch Einsetzen in die Definition.

Merke: Die Übertragungsfunktion der Verzögerung um einen Takt ist e−jω. Man sprichtvon einem zeitdiskreten Verzögerungsglied, wie es Abbildung 2.16 dargestellt ist.Implementiert wird das durch ein Schieberegister mit einer einzigen Zelle.

Eine Verschiebung um einen festen Winkel ω0 im Frequenzbereich lässt sich im auchZeitbereich darstellen:

e+jω0n · s [n] ◦−−• S(ej(ω−ω0)

). (2.112)

Hierbei ist S(ej(ω−ω0)

)die um einen festen Winkel ω0 zyklisch verschobene Spektral-

funktion. Sie ist also um ω0 gegen den Uhrzeigersinn über dem Einheitskreis gedreht.

Dieser Verschiebungssatz hat eine wichtige Konsequenz: Die in der Praxis wichtige Ver-schiebung um den Halbkreis lässt sich im Zeitbereich durch ein alternierendes Vorzeichenimplementieren:

(−1)n · s [n] ◦−−• S(ej(ω−π)

). (2.113)

Symmetriesätze

Wir schreibens∗ [n] = (s [n])∗

undS∗(ejω)=(S(ejω))∗

für konjugiert komplexe Größen.

Dann gilts∗ [n] ◦−−• S∗

(e−jω

), (2.114)

d.h. das komplex konjugierte Zeitsignal entspricht der gespiegelten komplex konjugiertenSpektralfunktion.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Folgerung: Es gilts[n] reell ⇔ S

(ejω)= S∗

(e−jω

)(2.115)

Diese Eigenschaft kennen wir in entsprechender Form schon von der kontinuierlichenFouriertransformation, von der Fourierreihe und von der DFT.

Umgekehrt gilt auch:s∗ [−n] ◦−−• S∗

(ejω)

s∗ [−n] ◦−−• S∗(ejω), (2.116)

d.h. die komplex konjugierte Spektralfunktion entspricht dem gespiegelten komplex kon-jugierten Zeitsignal.

Folgerung: Bei einem reellen und symmetrischen Zeitsignal ist auch die Spektralfunk-tion reell und symmetrisch.

Außerdem gilts [−n] ◦−−• S

(e−jω

), (2.117)

d.h. Spiegeln im Zeitbereich entspricht Spiegeln im Frequenzbereich. Insbesondere gilt:Eine im Zeitbereich symmetrische Funktion ist auch im Frequenzbereich symmetrisch.

2.5 Die Z-Transformation (*)

.... kommt ausführlich in DSV vor. Hier im Skript nur ein paar Bemerkungen dazu, abernicht in der Vorlesung.

Zunächst nur Abkürzungz = ejω bzw z−1 = e−jω

Schreibe dann die ZFT so:

S(z) =

∞∑

n=−∞

s [n] z−n (2.118)

Man kann dies auf allgemeine Variable z ∈ C verallgemeinern, muss dann aber aufpassen,wo die Reihe überall konvergiert. Mathematisch ist dies eine sogenannte Laurent-Reihe.Laurent-Reihen konvergieren auf Kreisringen. Für anständige Signale liegt der Einheits-kreis in dem Kreisring, wo die Reihe konvergiert. Oft hat man es mit kausalen Signalenzu tun, für die s[n] = 0 für n < 0 gilt. Die z-Transformation lautet dann:

S(z) =∞∑

n=0

s [n] z−n (2.119)

Das Konvergenzgebiet ist die komplexe Ebene außerhalb eines Kreises. Für anständigeSignale liegen alle Pole im Innern des Einheitskreises, und die Reihe konvergiert aufdem Einheitskreis. Die Analyse der Polstellen spielt eine Rolle bei dem Entwurf digitalerFilter.

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

Aufgaben

1. Ein Filter ist gegeben durch die Übertragungsfunktion

H(f) =j2πfτ

1 + j2πfτ(τ = 1000µs)

a) Berechnen und skizzieren Sie (linear, nicht in dB) den quadratischen Ampli-tudengang |H(f)|2. Handelt es sich um ein Hochpass-, Tiefpass- oder Band-passfilter?

b) Das System wird angeregt durch ein Signal s(t) = cos(2πf1t) +√3 sin(2πf1t)

mit 2πf1 = 1000 Hz. Wie lautet die Antwort r(t)?

c) Wie groß ist jeweils die mittlere Leistung von s(t) und r(t)? Wie viel dBbeträgt die Dämpfung durch das Filter bei der angegebenen Frequenz?

2. DFT

a) Berechnen Sie die DFT aller 4 Spaltenvektoren der folgenden Matrix

(s1 s2 s3 s4

)=

1 1 0 11 0 1 01 −1 0 11 0 −1 0

.

b) Skizzieren Sie die jeweiligen Signale im Zeit- und Frequenzbereich (als Stem-Plot) und interpretieren Sie die Bilder.

3. DFT und Zyklische Faltung

a) Berechnen Sie die DFT aller 4 Spaltenvektoren der folgenden Matrix

(s1 s2 s3 s4

)=

1 1 1 11 −1 1 −11 1 −1 −11 −1 −1 1

.

b) Skizzieren Sie die jeweiligen Signale im Zeit- und Frequenzbereich (als Stem-Plot) und interpretieren Sie die Bilder!

c) Berechnen Sie die zyklische Faltung der Vektoren s3 und s4.

d) Zeigen Sie das selbe Resultat durch den Faltungssatz (Multiplikation im Fre-quenzbereich).

4. Berechnen Sie die DFT für die folgenden Zeilenvektoren:

a)(2

√2 0 −

√2 −2 −

√2 0

√2)

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2 Signale und Systeme: Beschreibung im Frequenzbereich

b)(1 0 −1 0 1 0 −1 0

)

c)(j −1 −j 1 j −1 −j 1

)

5. Berechnen Sie die folgenden zyklischen Faltungen

a) (1 3 4 1)⊛ (1 2 3 4)

b) (1 2 0 1)⊛ (2 1 1 3)

6. Ein Signal s(t) = cos(2πf1t) mit f1 = 1 kHz wird abgetastet zu den ZeitpunktenntA (n = 0, 1, 2, ..., 63), tA = 250µs und mit einer FFT der Länge N=64 spektralanalysiert. Wie lauten die diskreten Spektralwerte S[k]?

7. Ein Signal s(t) = sin(2πf1t)− sin(2πf3t)+ sin(2πf5t) mit f1 = 1 kHz, f3 = 3 kHz,f5 = 5 kHz wird abgetastet zu den Zeitpunkten ntA (n = 0, 1, 2, ..., 63), tA = 250µsund mit einer FFT der Länge N=64 spektral analysiert.

a) Wie lauten die diskreten Spektralwerte S[k]?

b) Wie lautet das mit einer Soundkarte aus den Abtastwerten rekonstruierteSignal?

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3 LTI-Systemtheorie

3.1 Charakterisierung zeitdiskreter LTI-Systeme

Wie im Kapitel 1 gezeigt wurde, ist ein zeitdiskretes LTI-System durch seine Impul-santwort h[n] eindeutig festgelegt. Zwischen Input s[n] und Output r[n] besteht derZusammenhang:

r[n] = h[n] ∗ s[n] =∞∑

m=−∞

h [m] s [n−m] (3.1)

Man kann das LTI-System auch durch seine Sprungantwort g[n] charakterisieren. Esgilt der Zusammenhang mit der Impulsantwort h[n]:

g[n] =n∑

m=−∞

h [m] ⇔ h[n] = g[n]− g[n− 1] (3.2)

Im Frequenzbereich lässt sich das System durch seine Übertragungsfunktion charak-terisieren, die als ZFT der Impulsantwort definiert ist:

H(ejω)=

∞∑

n=−∞

h[n]e−jωn (3.3)

Bezeichnet man die ZFT von h[n], s[n], r[n] mit H(ejω), S(ejω), R(ejω), so gilt

R(ejω)= H

(ejω)· S(ejω)

(3.4)

Anschauliche Interpretation der Übertragungsfunktion: Die Verzögerung um einenTakt im Zeitbereich wird durch die Impulsantwort δ[n− 1] beschrieben. Dem entsprichtim Frequenzbereich die Multiplikation mit der Übertragungsfunktion e−jω. Der Ausdruck(3.3) lässt sich also als Überlagerung vom Verzögerungsgliedern verstehen.

Stabilität

Systeme, die sich anständig verhalten und nicht bei einer begrenzten Anregung (d.h.durch eine beschränkte Zahlenfolge) unbegrenzte Antworten ergeben (also sozusagen eineExplosion auslösen), nennt man stabil. Die folgende Definition der Stabilität liefert eine

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3 LTI-Systemtheorie

hinreichende Bedingung für diese Eigenschaft: Ein LTI-System heißt stabil, wenn fürseine Impulsantwort h[n] die Bedingung

∞∑

n=−∞

|h[n]| < ∞

erfüllt ist. Die Impulsantwort muss also absolut summierbar sein. Das ist ohnehin dieübliche Forderung für die Existenz der ZFT.

Beispiel für ein instabiles System: Der ideale Integrator (Akkumulator) Ein in diesemSinne nicht anständiges (aber trotzdem wichtiges System) ist der Akkumulator, den manals eine diskrete Version des idealen Integrators ansehen kann. Er summiert einfach alleWerte des Input-Signals s [n] auf. Der Output ist also

r [n] =n∑

m=−∞

s [m] . (3.5)

Die Impulsantwort lautet (Übung!)

h [n] = ǫ [n] . (3.6)

Ebenfalls instabil sind die Systeme in der Finanzmathematik, bei denen das System einKonto mit Verzinsung ist. Wenn man einmal einen endlich großen Kredit aufnimmt undnichts zurückzahlt, wachsen durch die Verzinsung die Schulden ins Unendliche.

Kausalität

In Echtzeit realisierbar sind keine Systeme mit negativen Verzögerungen. Das sindsolche, bei denen der Output herauskommt, bevor der Input hineingeht. Bei in Echtzeitrealisierbaren LTI-Systeme kann die Impulsantwort nicht vor dem Impuls kommen. Wirdefinieren daher: Ein LTI-System heißt kausal, wenn für seine Impulsantwort für negativeZeiten Null ist:

h [n] = 0 für n < 0 (3.7)

Für die Faltung fallen dann in der Summe in Gleichung (3.1) die Terme mit negativenIndizes weg:

r [n] =∞∑

m=0

h [m] s [n−m] . (3.8)

Für die Übertragungsfunktion eines kausalen Systems gilt:

H(ejω)=

∞∑

n=0

h[n]e−jωn (3.9)

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3 LTI-Systemtheorie

Anregung durch eine zeitdiskrete harmonische Schwingung

Wir betrachten eine zeitdiskrete harmonische Schwingung der Gestalt

sω [n] = ejωn . (3.10)

Da dieses Signal nicht absolut summierbar ist, kann man keine ZFT bilden. Weil abernur eine Frequenz darin vorkommt, kann man damit sehr gut das Systemverhalten imFrequenzbereich untersuchen. Wir verzögern die harmonische Schwingung um einen Taktund erhalten

sω [n− 1] = ejω(n−1) (3.11)

d.h.sω [n− 1] = e−jωsω [n] . (3.12)

Die Verzögerung um eines Takt bewirkt bei einer harmonischen Schwingung einfach nurdie Multiplikation mit dem Faktor e−jω. Diesen Faktor haben wir bereits als die Über-tragungsfunktion der Verzögerung (bzw. des Verzögerungsglieds im Schieberegister) ken-nengelernt, siehe Abbildung 2.16.

Für Verzögerungen um mehrere Takte gilt entsprechend

sω [n− 2] = e−j2ωsω [n] (3.13)

sω [n− 3] = e−j3ωsω [n] (3.14)

...

sω [n−m] = e−jωmsω [n] (3.15)

Bei der letzten Gleichung muss man etwas aufpassen: n ist der Laufindex (die diskreteZeitvariable), und m ist eine feste Zahl, z.B. m = 7. Etwas deutlicher wird das, wennman

sω [· −m] = e−jωmsω [·] (3.16)

odersω [♥−m] = e−jωmsω [♥] (3.17)

schreibt. Wir betrachten nun ein kausales LTI-System, wie es durch Gleichung (3.8)beschrieben ist und regen es mit der zeitdiskreten harmonischen Schwingung sω [n] an.Für die Antwort rω [n] gilt dann

rω [n] =∞∑

m=0

h [m] sω [n−m] . (3.18)

Wir verwenden die Eigenschaft (3.15) und können dafür schreiben

rω [n] =

(∞∑

m=0

h [m] e−jωm

)sω [n] . (3.19)

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3 LTI-Systemtheorie

Wir haben hier (eigentlich unnötige) Klammern gesetzt, um damit deutlich zu machen,dass auf der rechten Seite nur noch ein Produkt steht (und keine Faltung mehr) unddas Signal sω [n] aus der Summ herausgezogen werden kann. Auf eine Anregung mitder harmonischen Schwingung reagiert das System also durch Multiplikation mit derÜbertragungsfunktion

H(ejω)=

∞∑

m=0

h [m] e−jωm. (3.20)

Die Antwortrω [n] = H

(ejω)sω [n] (3.21)

ist wieder eine harmonische Schwingung derselben Frequenz. An dieser Eigenschaft siehtman die Eigenschaft der Übertragungsfunktion als Frequenzgang: Abhängig von ihremAmplitudenverlauf werden einige Frequenzen stärker gedämpft als andere. Außerdembeeinflusst das System die Phase des Signals.

3.2 Grundlagen digitaler Filter

Einfache Beispiele für digitale Filter und ihre Realisierung durch Schieberegisterschal-tungen haben wir in Kapitel 1 schon kennengelernt. Ein FIR-Filter ist charakterisiertdurch

r [n] = h [0] s [n] + h [1] s [n− 1] + h [2] s [n− 2] + ...+ h [M ] s [n−M ] (3.22)

und lässt sich durch Schaltung mit vorwärtsgekoppelten Schieberegistern realisieren. Sol-che Systeme sind kausal und stabil. Ein einfaches IIR-Filter ist beschrieben durch dierekursive Gleichung

r [n] = s [n] + a r [n− 1] , a ∈ R. (3.23)

Man nennt die Struktur rekursiv, weil der aktuelle Output r [n] nicht nur vom Input, son-dern auch vom vorherigen Output r [n− 1] abhängt. Bei einem allgemeinerem rekursivenFilter kann er auch noch von r[n− 2], r[n− 3] usw. abhängen.

Differenzengleichungen und digitale Filter

Wir betrachten das in Abbildung 3.1 dargestellte FIR-Filter der Ordnung M mit Filter-koeffizienten b[m]. Es ist beschrieben ist durch die vorwärtsgekoppelte Gleichung

u [n] = b[0]s[n] + b[1]s[n − 1] + b[2]s[n − 2] + ...+ b[M ]s[n −M ] (3.24)

bzw.

u[n] =M∑

m=0

b[m]s[n−m] . (3.25)

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3 LTI-Systemtheorie

D

D

D

b[0]

b[1]

b[2]

b[M ]

Abbildung 3.1: FIR- Filter.

D

D

D

−a[1]

−a[2]

−a[M ]

Abbildung 3.2: Rekursives Filter.

80

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3 LTI-Systemtheorie

Hier ist s[n] der Input, u[n] der Output, und die Impulsantwort ist der Vektor der Fil-terkoeffizienten.

Jetzt betrachten wir ein nachgeschaltetes rekursives Filter mit Output r[n], für das u[n]der Input ist und das durch die rekursive Gleichung

r[n] = u[n]− a[1]r[n − 1]− a[2]r[n− 2]− ...− a[M ]r[n−M ] (3.26)

beschrieben ist. Dieses Filter ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Die Zahlen a[m] nennt manwieder Filterkoeffizienten, die Ordnung des Filters ist wieder M . Wir definieren

a[0] = 1 (3.27)

und schreiben alle Output-Signale auf die linke Seite:

a[0]r[n] + a[1]r[n − 1] + a[2]r[n − 2] + ...+ a[M ]r[n−M ] = u[n] (3.28)

Mit der Summenformel sieht das etwas kompakter aus:

M∑

m=0

a[m]r[n−m] = u[n] . (3.29)

Nun werden das FIR-Filter und das rekursive Filter hintereinander geschaltet. Der Input

FIR−Filter

RekursivesFilter

u[n]s[n] r[n]

Abbildung 3.3: FIR-Filter und rekursives Filter hintereinander geschaltet.

des zusammengesetzten Filters ist als s[n], und der Output ist r[n]. Die Gleichungen(3.25,3.29) ergeben zusammen

M∑

m=0

a[m]r[n−m] =

M∑

m=0

b[m]s[n−m]. (3.30)

Eine solche Gleichung nennt man Differenzengleichung. Sie beschreibt ein sehr all-gemeines digitales Filter. Die Bezeichnung kommt daher, dass in der Gleichung Zeitdif-ferenzen auftreten. Differenzengleichungen sind das diskrete Analogon zu den Differen-tialgleichungen, mit denen bekanntlich analoge Filter beschrieben werden. Wie bei denanalogen Filtern vermeidet man es jedoch meist, die Gleichungen im Zeitbereich zu lösenund geht statt dessen zu einer Darstellung im Frequenzbereich über. Wie das geht, wollenwir im Folgenden zeigen.

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3 LTI-Systemtheorie

Beschreibung durch die Übertragungsfunktion

Auf der linken und auf der rechten Seite der Gleichung (3.30) stehen diskrete Faltungen.Mit

A(ejω)=

M∑

m=0

a[m]e−jωm

und

B(ejω)=

M∑

m=0

b[m]e−jωm

folgt (Konvergenz der ZFT vorausgesetzt)

A(ejω)R(ejω)= B

(ejω)S(ejω)

und damit

R(ejω)=

B(ejω)

A (ejω)S(ejω).

Die Übertragungsfunktion lautet also

H(ejω)=

B(ejω)

A (ejω),

oder oder ausführlich hingeschrieben

H(ejω)=

∑Mm=0 b[m]e−jωm

∑Mm=0 a[m]e−jωm

. (3.31)

Dies ist eine rationale Funktion vom Grad M in der Variablen e−jωm. Deren Koeffizien-ten sind die Filterkoeffizienten a[m] und b[m]. Diese sind eindeutig festgelegt durch dieBedingung

a[0] = 1 . (3.32)

Ansonsten könnte man noch einen konstanten Faktor zwischen den Koeffizienten imZähler und Nenner hin und her schieben.

Ein allgemeines Filter mit unendlich langer Impulsantwort (IIR-Filter wie infinite impulseresponse) erhält man, indem man ein FIR-Filter mit Übertragungsfunktion

Hb

(ejω)=

M∑

m=0

b[m]e−jωm (3.33)

und ein rekursives Filter mit Übertragungsfunktion

Ha

(ejω)=

1∑M

m=0 a[m]e−jωm(3.34)

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3 LTI-Systemtheorie

D

D

D

b[M ]

D

D

D

s[n] r[n]

−a[2]

b[0]

−a[M ]

−a[1]b[1]

b[2]

Abbildung 3.4: Allgemeines digitales Filter Struktur I.

hinter einander schaltet.

Hierbei kommt es nicht auf die Reihenfolge an. In der Schaltung in Abbildung 3.4 kommtzunächst das FIR-Filter und dann das rekursive Filter, in der Schaltung in Abbildung 3.5ist die Reihenfolge andersherum. Beide Schaltungen bewirken das selbe, aber der Imple-mentationsaufwand ist unterschiedlich. Im ersten Fall wird mehr Speicherplatz benötigt,im zweiten mehr Rechenoperationen.

Die Übertragungsfunktion der Filter in den Abbildungen 3.4 und 3.5 lautet

H(ejω)=

∑Mm=0 b[m]e−jωm

∑Mm=0 a[m]e−jωm

. (3.35)

Übertragungsfunktionen digitaler Filter sind rationale Funktionen in der Variablen e−jω.Die Übertragungsfunktion lässt sich direkt aus einem gegebenen Schaltbild, wie es inAbbildungen 3.4 oder 3.5 gezeigt ist, erkennen. Wenn umgekehrt die Übertragungsfunk-tion gegeben ist, lässt sich ein Schaltbild nach Abbildung 3.4 oder 3.5 zeichnen. Offen-bar gibt es aber mehrere Möglichkeiten der Realisierung. Manchmal kann man aus derÜbertragungsfunktion rechnerisch erkennen, dass zwei Schaltungen äquivalent sind undentsprechend vereinfachen.

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3 LTI-Systemtheorie

D

D

D

s[n] r[n]

−a[1]

−a[2]

b[0]

b[1]

b[2]

b[M ]−a[M ]

Abbildung 3.5: Allgemeines digitales Filter Struktur II.

Beispiel: Vereinfachung einer Übertragungsfunktion Wenn man die Übertragungs-funktion

H(ejω)=

1− e−jω + 14e

−j2ω

1− 12e

−jω

nach Abbildung 3.4 oder 3.5 aufbaut, braucht man ein rekursives Filter 1. Ordnung undein vorwärtsgekoppeltes 2. Ordnung. Offenbar gilt aber nach der binomischen Formel:

H(ejω)=

(1− 1

2e−jω)2

1− 12e

−jω

und damit

H(ejω)= 1− 1

2e−jω .

Das ist nur noch ein FIR-Filter 1. Ordnung mit einer viel einfacheren Struktur.

Berechnung der Impulsantwort aus der Übertragungsfunktion

Aus einer Übertragungsfunktion

H(ejω)=

∑Mm=0 b[m]e−jωm

∑Mm=0 a[m]e−jωm

. (3.36)

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3 LTI-Systemtheorie

soll die Impulsantwort ermittelt werden. Diese Fragestellung taucht in der Praxis oft auf,weil die Filter im Allgemeinen im Frequenzbereich entworfen werden. Mit der Umkehr-formel (2.105) der ZFT kommt man nicht auf einfache Weise zum Ziel. Einfacher geht esmit der geometrischen Reihe und Koeffizientenvergleich. Bei einem reinen FIR-Filterbilden die Filterkoeffizienten gerade die Impulsantwort:

h[n] = b[n] (FIR-Filter)

Bei IIR-Filter ist es komplizierter. Wir starten mit einem einfachen Beispiel.

Ein rein rekursives Filter 1. Ordnung

Wir betrachten die Übertragungsfunktion

H(ejω)=

1

1− 12e

−jω.

Hier ist also

a[1] = −1

2.

Wir rechnen mit diesem speziellen Zahlenbeispiel weiter, das Gleiche funktioniert aberfür jedes rein rekursive Filter 1. Ordnung mit beliebigen Koeffizienten mit |a[1]| < 1.Wegen der Summenformel für die geometrische Reihe

1

1− q=

∞∑

n=0

qn für |q| < 1

lässt sich H(ejω)

in die folgende Reihe entwickeln:

H(ejω)

=

∞∑

n=0

(1

2e−jω

)n

=

∞∑

n=0

1

2ne−jωn (3.37)

Wir vergleichen dies mit der allgemeinen Beziehung

H(ejω)=

∞∑

n=−∞

h[n]e−jωn (3.38)

zwischen Impulsantwort und Übertragungsfunktion und erhalten durch Koeffizienten-vergleich der Potenzreihen (3.39) und (3.38) als Koeffizienten die Impulsantwort:

h[n] =1

2nǫ[n]

In Kapitel 1 haben wir das selbe Ergebnis schon aus der Zeitbereichs-Rekursionsgleichung(1.57) erhalten. Hier wurde gezeigt, wie man die Impulsantwort direkt aus der Übertra-gungsfunktion erhält. Das Beispiel lässt sich erweitern

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3 LTI-Systemtheorie

Ein IIR-Filter mit Rekursion 1. Ordnung

Wir betrachten die Übertragungsfunktion

H(ejω)=

1 + e−jω

1− 12e

−jω.

Diese rationale Funktion soll in eine Potenzreihe entwickelt werden. Hierzu wird zunächstwieder der Nenner in eine geometrische Reihe entwickelt. Man erhält:

H(ejω)

=(1 + e−jω

) ∞∑

n=0

1

2ne−jωn

=(1 + e−jω

)(1 +

1

2e−jω +

1

4e−j2ω +

1

8e−j3ω +

1

16e−j4ω + ...

)

= 1 +1

2e−jω +

1

4e−j2ω +

1

8e−j3ω +

1

16e−j4ω + ...

+ e−jω +1

2e−j2ω +

1

4e−j3ω +

1

8e−j4ω + ...

= 1 +3

2e−jω +

3

4e−j2ω +

3

8e−j3ω +

3

16e−j4ω + ...

Man erhält die Übertragungsfunktion:

H(ejω)= 1 +

∞∑

n=1

3

2ne−jωn (3.39)

Wir vergleichen dies mit der allgemeinen Beziehung

H(ejω)=

∞∑

n=−∞

h[n]e−jωn (3.40)

zwischen Impulsantwort und Übertragungsfunktion und erhalten durch Koeffizienten-vergleich der Potenzreihen (3.39) und (3.40) als Koeffizienten die Impulsantwort:

h[n] = δ[n] +3

2nǫ[n− 1]

Diese Methode lässt sich auf ein beliebiges Filter mit Rekursion 1. Ordnung mit |a[1]| < 1anwenden. Den Nenner der Übertragungsfunktion

H(ejω)=

∑Mm=0 b[m]e−jωm

1 + a[1]e−jω(3.41)

wird in eine Potenzreihe entwickelt und man erhält:

H(ejω)=

(M∑

m=0

b[m]e−jωm

)(∞∑

n=0

(−a[1])n e−jωn

)

Dieser Ausdruck wird ausmultipliziert und nach Potenzen von e−jω sortiert. Der Koeffi-zientenvergleich liefert dann wieder h[n].

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3 LTI-Systemtheorie

Ein allgemeines IIR-Filter

Die Übertragungsfunktion lautet

H(ejω) =

∑Mm=0 b[m]e−jωm

∑Mm=0 a[m]e−jωm

.

Das Nennerpolynom wird in Linearfaktoren zerlegt. Dann wird H(ejω) durch Partial-bruchzerlegung auf eine Gestalt gebracht, bei der im Nenner nur diese Linearfaktorenauftauchen. Diese Nenner lassen sich wieder wie im obigen Beispiel in eine geometrischeReihe entwickeln (falls diese konvergiert!). Diese Methode mit Partialbruchzerlegung wirdin der Vorlesung Digitale Signalverarbeitung weiter vertieft.

Digitale Filter mit MATLAB

Mit r=filter(b,a,s) wird digital gefiltert. Hierbei ist s der Vektor mit dem Input-Signals[n], r der Vektor mit dem Output-Signal s[n] und b,a die Vektoren mit den Filter-Koeffizienten b[n], a[n]. Es muss a[0] = 1 gelten. Mit impz(b,a) wird die Impulsantwortberechnet bzw. dargestellt und mit freqz(b,a) die Übertragungsfunktion.

3.3 Charakterisierung kontinuierlicher LTI-Systeme

Ein kontinuierliches System ist durch seine Impulsantwort h(t) eindeutig beschrieben.Die Systemantwort r(t) erhält man durch Faltung der Impulsantwort mit der Anregung:

r(t) = h(t) ∗ s(t)

Kausalität und Stabilität

Diese Begriffe sind sinngemäß genauso definiert wie bei den diskreten LTI-Systemen.Bei in Echtzeit realisierbaren LTI-Systeme kann die Impulsantwort nicht vor dem Impulskommen. Ein LTI-System heißt kausal, wenn für seine Impulsantwort für negative ZeitenNull ist:

h (t) = 0 (t < 0). (3.42)

Für kausale System gilt:

r (t) =

∫ ∞

0h (τ) s (t− τ) dτ. (3.43)

Systeme, die sich anständig verhalten und nicht bei einer begrenzten Anregung unbe-grenzte Antworten ergeben (also sozusagen eine Explosion auslösen), nennt man stabil.Die folgende Definition der Stabilität liefert eine hinreichende Bedingung für diese Ei-genschaft:

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3 LTI-Systemtheorie

Ein LTI-System heißt stabil, wenn für seine Impulsantwort h(t) die Bedingung∫ ∞

−∞|h(t)| < ∞ (3.44)

erfüllt ist.

Der ideale Integrator ist ein instabiles (aber trotzdem wichtiges) LTI-System. Erintegriert einfach alle Werte des Input-Signals s (t) auf. Der Output ist also

r (t) =

∫ t

−∞s (τ) dτ. (3.45)

Die Impulsantwort lautet (Übung!)

h (t) = ǫ (t) . (3.46)

Beschreibung durch die Sprungantwort

Es sei ein LTI-System gegeben durch seine Impulsantwort h (t). Die Antwort auf einInput-Signal s (t) erhält man dann durch

r (t) = h (t) ∗ s (t) =∫ ∞

−∞h (τ) s (t− τ) dτ

Wir betrachten als speziellen Input das Signal s (t) = ǫ (t) und definieren die

Sprungantwort Die Antwort eines LTI-Systems auf die Anregung durch den Einheits-sprung ǫ(t) nennt man die Sprungantwort des Systems.

Wir bezeichnen die Sprungantwort mit g (t) und erhalten

g (t) =

∫ ∞

−∞h (τ) ǫ (t− τ) dτ =

∫ t

−∞h (τ) dτ. (3.47)

Die Sprungantwort ist also die Stammfunktion1 der Impulsantwort mit der Randbedin-gung (Anfangsbedingung)

g (−∞) = 0 . (3.48)

Umgekehrt bekommt man aus der Sprungantwort die Impulsantwort durch Differenzie-ren:

h (t) =d

dtg (t) = g (t) . (3.49)

1Ohne jetzt viel in mathematische Detail zu gehen: Wir müssen natürlich annehmen, dass das (unei-gentliche) Integral g(t) =

∫ t

−∞h(τ )dτ überhaupt existiert.

88

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3 LTI-Systemtheorie

Wenn man die Sprungantwort kennt, kann man daraus durch Ableitung die Impulsant-wort berechnen. Also liefert auch die Sprungantwort eine eindeutige Charakterisierungdes LTI-Systems.

Die Sprungantwort beschreibt einen Einschaltvorgang und ist häufig die geschicktesteMethode, ein System im Zeitbereich zu beschreiben. Viele LTI-Systeme – z.B. elektri-sche Schaltungen – werden durch Differentialgleichungen beschrieben. Wie man einenEinschaltvorgang rechnet, hat man in der Ausgleichsrechnung der Elektrotechnik gelernt[7]. Die gesuchte Größe ist dann die Sprungantwort.

Übertragungsfunktion

LTI-Systeme lassen sich im Frequenzbereich durch die Übertragungsfunktion beschrei-ben. Dies ist oft einfacher und anschaulicher als im Zeitbereich. Sie ist definiert als Fou-riertransformierte der Impulsantwort:

H (f) =

∫ ∞

−∞e−j2πfth (t) dt (3.50)

Umgekehrt gilt:

h (t) =

∫ ∞

−∞ej2πftH (f) df. (3.51)

Sei nun

S (f) =

∫ ∞

−∞e−j2πfts (t) dt (3.52)

die Fouriertransformierte der Anregung und

R (f) =

∫ ∞

−∞e−j2πftr (t) dt (3.53)

die Fouriertransformierte der Antwort, so folgt aus

r (t) = h (t) ∗ s (t) (3.54)

der ZusammenhangR (f) = H (f)S (f) . (3.55)

Dies bedeutet, dass das Signal durch das System eine frequenzabhängige Dämpfung durchden Amplitudengang A (f) = |H (f)| erfährt sowie eine frequenzabhängige Phasenver-schiebung. Wir schreiben

H (f) = A (f) exp (jΦ (f)) (3.56)

Im Kapitel 2 haben wir die Übertragungsfunktion mit Gleichung (2.14) als Vorfaktor derAntwort bei der Anregung durch eine komplexe harmonische Schwingung kennengelernt.Wir wissen daher jetzt mit Gleichung (3.55), dass die Übertragungsfunktion das Systemfür jede beliebige Anregung beschreibt.

89

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3 LTI-Systemtheorie

Äquivalenz der Beschreibungen; Beispiele

Wir haben damit 3 gleichwertige Möglichkeiten kennengelernt, mit denen man ein LTI-System beschreiben kann:

1. Die Sprungantwort g (t)

2. Die Impulsantwort h (t)

3. Die Übertragungsfunktion H (f)

Von 1. kommt man zu 2. durch die Zeitableitung. Von dort kommt man zu 3. durchFouriertransformation. Umgekehrt kommt man durch die inverse Fouriertransformationvon 3. nach 2. und von dort durch Integration nach 1. Der direkte Weg von 1. nach3. und zurück führt über die Fouriertransformierte G (f) der Sprungantwort (wenn sieexistiert). Gleichung (3.49) lautet im Frequenzbereich

H (f) = j2πfG (f) . (3.57)

Allerdings existiert die Fouriertransformierte G (f) nicht immer, wie z.B. beim wichtigenBeispiel

g (t) =

(1− exp

(− t

RC

))ǫ (t)

einer Kondensator-Aufladung (Kapazität C, Widerstand R), das im folgenden Beispielbehandelt wird. Im Sinne von verallgemeinerten Funktionen kann man G (f) zwar defi-nieren, aber darauf gehen wir an dieser Stelle nicht ein.

Wir wollen zwei Beispiele betrachten.

Beispiel 1: Die Kondensator-Aufladung (RC-Tiefpass)

Ein Kondensator C wird über einen Widerstand R aufgeladen, siehe Abbildung 3.6. Die

C

i(t)

u(t) uC(t)

R

Abbildung 3.6: RC-Tiefpass.

von außen angelegte Anregungs-Spannung sei u (t). Die Antwort ist die Spannung

uC (t) =1

Cq (t)

am Kondensator, wobei q(t) seine Ladung ist. Am Widerstand liegt die Spannung

uR (t) = Ri (t) .

90

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3 LTI-Systemtheorie

Es giltuR (t) + uC (t) = u (t) .

Miti (t) = q (t) = CuC (t)

folgtuR (t) = RCuC (t)

und damit die Differentialgleichung

RCuC (t) + uC (t) = u (t) . (3.58)

Die Anregung sei der Spannungssprung u (t) = u0ǫ (t). Die Antwort ist die Spannung amKondensator, die wir schreiben können als uC (t) = u0g (t), wobei g (t) die Sprungantwortist. Damit lautet die Differentialgleichung für die Sprungantwort

RCg (t) + g (t) = ǫ (t) . (3.59)

Als Anfangsbedingung setzen wir g (0) = 0, was sich unmittelbar aus der allgemeinenAnfangsbedingung (3.48) ergibt. Die Lösung der Differentialgleichung mit dieser Anfangs-bedingung ist dann

g (t) =

(1− exp

(− t

RC

))ǫ (t) . (3.60)

Um die Impulsantwort erhalten, leiten wir die Sprungantwort nach der Produktregel ab:

h (t) =d

dtg (t) =

[d

dt

(1− exp

(− t

RC

))]ǫ (t) +

(1− exp

(− t

RC

))d

dtǫ (t)

Mit ǫ (t) = δ (t) folgt daraus

h (t) =1

RCexp

(− t

RC

)ǫ (t) +

(1− exp

(− t

RC

))δ (t) .

Wegen s(t)δ (t) = s(0)δ (t) für beliebige Signale s(t) verschwindet der erste Term und esergibt sich die Impulsantwort

h (t) =1

RCexp

(− t

RC

)ǫ (t) . (3.61)

Die Fouriertransformation davon lässt sich leicht ausrechnen. Man erhält damit die Über-tragungsfunktion

H (f) =1

1 + j2πfRC. (3.62)

91

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3 LTI-Systemtheorie

i(t)

u(t)

C

uR(t)R

Abbildung 3.7: RC-Hochpass.

Beispiel 2: Die Kondensator-Aufladung (RC-Hochpass)

Ein Kondensator C wird über einen Widerstand R aufgeladen, siehe Abbildung 3.7. Dievon außen angelegte Anregungs-Spannung sei u (t). Die Antwort ist die Spannung

uR (t) = Ri (t)

am Widerstand.

Übung (siehe unten): Stellen Sie die Differentialgleichung für das System auf undberechnen Sie die Sprungantwort, die Impulsantwort und die Übertragungsfunktion.

Systeme und Differentialgleichungen

Die komplexen Wechselstromrechnung ist eine Methode, spezielle Lösungen von inho-mogenen, linearen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten zu erhalten. Diesfunktioniert, wenn die Anregung eine harmonische Schwingung ist. Aus fortgeschritte-ner Sicht sind diese Schaltungen Systeme, die durch Differentialgleichungen beschriebenwerden. Die Linearität der Differentialgleichungen hat zur Folge, dass die Systeme linearsind. Die konstanten Koeffizienten haben zur Folge, dass die Systeme zeitinvariant sind.Die Inhomogenität der Differentialgleichung ist die Anregung des Systems, die Lösungder Differentialgleichung ist die Systemantwort.

Aus der Systemtheorie wissen wir nun, dass wir nicht für jede Inhomogenität (Anre-gung) die Differentialgleichung neu lösen müssen. Wenn die Impulsantwort bekannt ist,bekommt man die Antwort auf beliebige Anregungen durch die entsprechende Faltung.Am leichtesten bekommt man die Übertragungsfunktion aus der komplexen Wechsel-stromrechnung. Hier betrachtet man als Anregung eine harmonische Schwingung. DieImpulsantwort erhält man daraus durch inverse Fouriertransformation. Da H(f) in derRegel eine rationale Funktion ist, ist die IFT meist auf direktem Weg schwierig zu be-rechnen. Hierfür gibt es Tabellen, die aus bekannten FT zusammengestellt sind. DieSprungantwort lässt sich meist auch berechnen, wenn man mit Differentialgleichungenumgehen kann.

92

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3 LTI-Systemtheorie

Aufgaben

1. Ein digitales Filter ist gegeben durch folgende Beziehung zwischen Input s[n] undOutput r[n]: r[n] = s[n] + 1

2r[n− 1].

a) Skizzieren Sie die Schaltung!

b) Wie lautet die Impulsantwort und wie die Übertragungsfunktion?

c) Das System wird angeregt durch s[n] = 2−nǫ[n]. Wie lautet die Antwort r[n]?

2. Ein digitales Filter mit dem Input s[n] hat den Output r[n] = s[n]− 0.5 r[n − 1].

a) Skizzieren Sie die Schaltung.

b) Wie lautet die Impulsantwort und wie die Übertragungsfunktion?

c) Ein Inputsignal sei gegeben durch

s[n] = δ[n] + δ[n − 1].

Wie lautet der Output r[n]?

3. Berechnen Sie die Sprungantwort für das rekursive LTI-System

r [n] = s [n] + a r [n− 1] , a ∈ R.

4. Ein digitales Filter mit dem Input s[n] hat den Output r[n] = s[n] + s[n− 1].

a) Skizzieren Sie die Schaltung.

b) Wie lautet die Impulsantwort und wie die Übertragungsfunktion?

c) Ein Inputsignal s[n] sei gegeben durch s[n] = ǫ[n]. Wie lautet der Outputr[n]?

5. Ein digitales Filter ist gegeben durch die Übertragungsfunktion

H(ejω) =1 + e−jω

1− 12e

−jω.

a) Skizzieren Sie die Schaltung!

b) Wie lautet die Impulsantwort?

c) Das System wird angeregt durch das Signal s[n] = (−1)n ǫ[n]. Wie lautet dieAntwort r[n]? Tipp: Was macht der Zähler aus dem Signal?

6. Ein digitales Filter ist gegeben durch folgende Übertragungsfunktion:

H(ejω) =1− e−jω

1− 12e

−jω.

93

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3 LTI-Systemtheorie

a) Skizzieren Sie die Schaltung!

b) Wie lautet die Impulsantwort?

c) Welche Frequenz wird von dem Filter nicht durchgelassen?

7. Ein digitales Filter hat die Übertragungsfunktion

H(ejω)=

1 + 34e

−jω

1− 34e

−jω.

a) Skizzieren Sie die Schaltung.

b) Wie lautet die Impulsantwort?

c) Ein Inputsignal sei gegeben durch

s[n] = δ[n]− 3

4δ[n − 1].

Wie lautet der Output r[n]? (Tipp: Betrachtung im Frequenzbereich?)

8. Ein Kondensator C wird über einen Widerstand R aufgeladen, siehe Abbildung3.8. Die von außen angelegte Anregungs-Spannung sei u (t). Die Antwort ist die

i(t)

u(t)

C

uR(t)R

Abbildung 3.8: RC-Hochpass.

SpannunguR (t) = Ri (t)

am Widerstand. Stellen Sie die Differentialgleichung für das System auf und be-rechnen Sie die Sprungantwort, die Impulsantwort und die Übertragungsfunktion.

9. Ein (kontinuierliches) LTI-System, das mit dem Input-Signal s(t) angeregt wird,besitzt den Output 25

r(t) =1

2(s(t) + s(t− T )) , mit einer Zeitkonstanten T > 0 .

a) Wie lautet die Impulsantwort h(t) und wie lautet die Sprungantwort g(t)?Skizzieren Sie beide!

b) Wie lautet die Übertragungsfunktion H(f)? Berechnen und skizzieren die dasBetragsquadrat |H(f)|2 für den Bereich |fT | ≤ 1!

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3 LTI-Systemtheorie

c) Ein Inputsignal sei gegeben durch die Schwingung

s(t) = cos(2πf1t) mit f1 =1

4T.

mit f1 = 14T . Wie lautet der Output r(t)? Schreiben Sie diesen als eine

Kosinus-Schwingung der Gestalt r(t) = r cos(2πf1t+ ϕ)!

10. Das Pohlsche Drehpendel kennen Sie aus dem Physik-Praktikum. Die Differential-gleichung für den Auslenkungswinkel χ lautet:

χ+ 2δ · χ+ ω20χ = m0 cos (ωt) .

a) Finden Sie mit Hilfe des komplexen Ansatzes z (t) = z (ω) ejωt eine speziellekomplexe Lösung der Differentialgleichung. Wie lautet die Übertragungsfunk-tion?

b) Zeigen Sie, dass die reelle spezielle Lösung (eingeschwungener Zustand) dieGestalt

χ (ω) = χ (ω) cos (ωt+ ϕ (ω))

hat. Wie lauten χ (ω) und ϕ (ω)?

11. Ein Stromkreis bestehend aus einem Kondensator und einem Widerstand (in Rei-henschaltung) wird angeregt durch eine Kosinusspannung.

a) Stellen Sie die Differentialgleichung für die Kondensatorladung auf.

b) Finden Sie eine Lösung mit Hilfe eines komplexen Ansatzes.

12. Ein Stromkreis bestehend aus einer Induktivität und einem Widerstand (in Rei-henschaltung) wird angeregt durch eine Kosinusspannung.

a) Stellen Sie die Differentialgleichung für den Strom auf.

b) Finden Sie eine Lösung mit Hilfe eines komplexen Ansatzes.

13. Ein Stromkreis bestehend aus einem Kondensator, einer Induktivität und einemWiderstand (in Reihenschaltung) wird angeregt durch eine Kosinusspannung.

a) Stellen Sie die Differentialgleichung für die Kondensatorladung auf.

b) Finden Sie eine Lösung mit Hilfe eines komplexen Ansatzes.

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4 Modulierte Signale und komplexes

Basisband

4.1 Modulation einer Trägerschwingung

Harmonische Schwingungen kann man zur Informationsübertragung verwenden, indemman eine Zeitabhängigkeit in die Amplitude und die Phase bringt und diese beidenParameter damit zu Signalen macht. Man nennt das Modulation. In Formeln sieht dasfolgendermaßen aus:

Eine (unmodulierte) harmonische Schwingung mit Amplitude a und Phase ϕ schreibenwir als

s (t) =√2 a · cos (2πf0t+ ϕ) (4.1)

und nennen sie Trägerschwingung. Die Frequenz f0 nennen wir Trägerfrequenz. Mitdem Symbols ˜ in der Bezeichnung s (t) für das Signal deuten wir an, dass es sich umeine hochfrequente Schwingung handelt. Den Faktor

√2 haben wir eingeführt, damit bei

der Leistungsberechnung kein Faktor 1/2 auftaucht (aus dem gleichen Grund wie bei derEinführung vom Effektivwert). Die mittlere Leistung ist also einfach a2. Die Amplitudea in Gleichung (4.1) ist also ein Effektivwert.

Wir modulieren die Trägerschwingung in Gleichung (4.1), indem wir Amplitude undPhase als Signale auffassen, d.h. zeitabhängig werden lassen. Aus dem Signal in Gleichung(4.1) wird dann das die modulierte Schwingung

s (t) =√2 a (t) · cos (2πf0t+ ϕ (t)) . (4.2)

Das Signal a (t) bezeichnen wir als Amplitudenmodulation (AM), das Signal ϕ (t)als Phasenmodulation (PM). Beide Signale sind relativ zur Trägerfrequenz f0 nurlangsam zeitveränderlich. Bei Rundfunk-Signalen z.B. liegen die auftretenden Frequenzenim Audio-Bereich (einige kHz), während die Trägerfrequenz im MHz-Bereich liegt.

Es ist sinnvoll, mit komplexen Signalen zu arbeiten. Dann kann man nämlich – genausowie in der komplexen Wechselstromrechnung – die relevante Information von der reinenSchwingung abspalten. Dazu schreiben wir

s (t) = Re{√

2 a (t) ejϕ(t) · ej2πf0t}

, (4.3)

wobei wir den komplexen Signalanteil, der die Information trägt, nämlich

s (t) = a (t) ejϕ(t) , (4.4)

von der komplexen harmonischen Schwingung√2 ej2πf0t abgespalten haben.

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

−1 −0.5 0 0.5 1−1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

t [s]

BandpasssignalEinhuellende

Abbildung 4.1: Bandpasssignal und Einhüllende.

Definition des komplexen Basisbandes: Das komplexe Basisband zu der modulier-ten Trägerschwingung

s (t) =√2 a (t) · cos (2πf0t+ ϕ (t))

ist das Signals (t) = a (t) ejϕ(t) . (4.5)

Man sagt auch hierzu auch äquivalentes komplexes Tiefpasssignal, weil dieses nie-derfrequente Signal s (t) bei gegebener Trägerfrequenz dieselbe Information enthält wiedas hochfrequente Bandpasssignal s (t). Manchmal nennt man auch

√2 s(t) die komple-

xe Einhüllende (Hüllkurve) zu s(t) und√2 a(t) die Einhüllende oder die Hüllkur-

ve.

Die anschauliche Bedeutung des Begriffes Einhüllende erklärt sich durch Abbildung 4.1.

Das komplexe Tiefpasssignal s(t) kann man durch seine komplexe Ortskurve darstellend.h. seine Punktmenge in der komplexen Ebene. Die Ortskurve von s (t) lässt mathema-tisch definieren als

O{s (t)} = {z ∈ C| z = s (t) , t ∈ R} . (4.6)

Anschaulich ist die Ortskurve einfach die Kurve, die der Zeiger in der Ebene beschreibt.

Man kann zeigen, dass s (t) und das zugehörige komplexe Basisbandsignal s (t) die sel-

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

be Energie besitzen1, sofern es sich um Energiesignale handelt und die selbe Leistungbesitzen, wenn es sich um Leistungssignale handelt. D.h. es gilt

Es = Es (4.7)

für

Es =

∫ ∞

−∞s2 (t) dt (4.8)

und

Es =

∫ ∞

−∞|s (t)|2 dt. (4.9)

Für Leistungssignale gilt entsprechend

P s = Ps. (4.10)

Der Beweis für Gleichung (4.7) bzw. (4.10) kommt später. Genau genommen gilt dieseGleichheit nur für strikt bandbegrenzte Signale. Praktisch ist es aber fast immer eine guteNäherung, weil die Signale außerhalb einer bestimmten Bandbreite vernachlässigbar kleinsind.

Frequenzmodulation

Bei analoger Übertragung ist es für die Implementation ungünstig, die Information direktin der Phase ϕ (t) zu übertragen. Günstiger lässt sich aus dem Signal die Augenblicksfre-quenz (=Momentanfrequenz ) extrahieren. Für ein Signal der Gestalt

s (t) =√2 a (t) · cos (φ (t)) (4.11)

ist diese definiert über die zeitliche Ableitung des momentanen Phasenwinkels φ (t) als

fm (t) =1

d

dtφ (t) . (4.12)

Fürφ (t) = 2πf0t+ ϕ (t) (4.13)

gilt

fm (t) = f0 +1

2πϕ (t) . (4.14)

Die Momentanfrequenz fluktuiert also um die Trägerfrequenz f0 mit der relativen Mo-mentanfrequenz

∆fm (t) =1

2πϕ (t) (4.15)

1Hierzu ist es wesentlich, dass wir den Faktor√2 in Gleichung (4.5) aus den komplexen Basisband

heraus gezogen haben.

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

0 200 400 600 800 1000−1.5

−1

−0.5

0

0.5

1

1.5

Zeit

Signalverlauf eines frequenzmodulierten Tones

Abbildung 4.2: FM-Signal (mit abklingender Amplitude).

Die betragsmäßig größte relative Momentanfrequenz nennt man FM-Hub:

∆fmax = max |∆fm (t)| (4.16)

Dies ist eine wichtige Kenngröße zur Charakterisierung der Modulation.

Die Phase ergibt sich als Integral über die Momentanfrequenz als

ϕ (t) = 2π

∫ t

0∆fm (τ) dτ + ϕ0. (4.17)

Das Signal selbst ist dann

s (t) =√2 a · cos

(2πf0t+ 2π

∫ t

0∆fm (τ) dτ + ϕ0

). (4.18)

Hierbei haben wir eine konstante Amplitude angenommen.

Wir betrachten als einfaches Beispiel das Signal

s (t) =√2 · cos (2πf0t+ µ sin (2πf1t)) , (4.19)

wobei f1 die Frequenz eines Nutzsignals sein soll (z.B. ein Ton bei 1 kHz), siehe

Abbildungen 4.2,4.3. Den Parameter µ nennt man Modulationsindex. Die Momentanfre-quenz ist eine Kosinusschwingung bei der Frequenz f1, denn:

∆fm (t) =1

2πϕ (t) = µf1 cos (2πf1t) (4.20)

Der Hub ist∆fmax = µf1. (4.21)

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

−1 −0.5 0 0.5 1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

Komplexe Ortskurve eines frequenzmodulierten Tones

Q−

Kom

pone

nte

I−Komponente

Abbildung 4.3: Ortskurve eines FM-Signals mit abklingender Amplitude.

4.2 Kartesische Darstellung: Quadraturkomponenten

Das komplexe Basisbandsignal kann man als einen zeitveränderlichen Zeiger auffassen.Alternativ zur Exponentialdarstellung

s (t) = a (t) ejϕ(t) , (4.22)

aus Gleichung (4.4) kann man ihn natürlich auch kartesisch durch seinen Realteil x (t)und seinen Imaginärteil y (t) darstellen:

s (t) = x (t) + jy (t) (4.23)

Man nennt x (t) die Inphase-Komponente des Signals und schreibt dafür oft I (t). Mannennt y (t) die Quadratur-Komponente des Signals und schreibt dafür oft Q (t). Bei-de zusammen bezeichnet man auch als die Quadraturkomponenten von s (t). Mankann dann das Bandpass-Signal s (t) in Quadraturdarstellung (auch: I-Q-Darstellung)schreiben als:

s (t) =√2x (t) cos (2πf0t)−

√2 y (t) sin (2πf0t) (4.24)

Beachten Sie bitte das Vorzeichen vor der Sinus-Schwingung!

Ein Gerät, das aus den Signalen x (t) und y (t) das Signal (4.24) erzeugt, nennt manQuadraturmodulator, siehe Abbildung 4.4. Ein Quadraturmodulator kommt in jedemHandy vor und in jeder WLAN-Karte. Die Umrechnung zwischen

100

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

x(t)

y(t)

√2 cos(2πf0t)

−√2 sin(2πf0t)

s(t) =√2 cos(2πf0t)x(t)−

√2 sin(2πf0t)y(t)

Abbildung 4.4: Quadraturmodulator.

s (t) = a (t) ejϕ(t)

unds (t) = x (t) + jy (t)

ist die bekannte Umrechnung zwischen Exponentialdarstellung und kartesischer Darstel-lung bei den komplexen Zahlen. Es gilt:

x (t) = a (t) cos (ϕ (t)) (4.25)

y (t) = a (t) sin (ϕ (t)) (4.26)

Die Umkehrung lautet:a (t) =

√x2 (t) + y2 (t) (4.27)

und

ϕ (t) =

arctan(y(t)x(t)

): x (t) > 0

arctan(y(t)x(t)

)± π : x (t) < 0

±π2 : x (t) = 0 und y(t) ≷ 0

(4.28)

101

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4.3 Basisband-Darstellung von Bandpasssignalen

In diesem Abschnitt betrachten wir modulierte Signale im Frequenzbereich. Hierzu benö-tigen wir die Fouriertransformation und ihre Eigenschaften, insbesondere den Verschie-bungssatz.

Zwischen einem komplexen Basisband-Signal s (t) und dem zugehörigen trägermodulier-ten hochfrequenten Bandpass-Signal s (t) besteht nach Gleichung (4.3) die Beziehung

s (t) = Re{√

2 s (t) · ej2πf0t}. (4.29)

Wir haben diese Zuordnung bisher nur in der einen Richtung s 7→ s vom Basisbandsi-gnal zum Bandpasssignal betrachtet, also von der Seite des Modulators. Die Umkehrungmuss aber möglich sein, schließlich wollen wir das Signal auch demodulieren. Wir werdensogar sehen, dass man zu jedem beliebigen Bandpasssignal ein äquivalentes komplexesTiefpasssignal finden kann, so dass die obige Beziehung gilt.

Wie analysieren zunächst die durch Gleichung (4.29) beschriebene Zuordnung s 7→ s. Sielässt sich in zwei Schritte zerlegen. Zunächst einmal wird mit

s (t) 7→ s+ (t) = s (t) · ej2πf0t (4.30)

das Basisbandsignal im Frequenzbereich um f0 nach rechts verschoben : Wegen des Ver-schiebungssatzes der Fouriertransformation liest sich die obige Gleichung im Frequenz-bereich als

S (f) 7→ S+ (f) = S (f − f0) . (4.31)

Wir nehmen an, dass das Basisbandsignal streng bandbegrenzt ist mit Bandbreite B/2und dass die Trägerfrequenz f0 gegenüber der Bandbreite des Basisbandsignals hinrei-chend groß ist, so dass S+ (f) nur Spektralanteile im positiven Frequenzbereich hat (daherdie Bezeichnung S+ (f))2.

Der zweite Schritt ist die Bildung des Realteils von s+ (t). Wir können hierfür auchschreiben

Re {s+ (t)} =1

2

(s+ (t) + s∗+ (t)

). (4.32)

2Man nennt s+ (t) auch analytisches Signal, aber dies hat mit mathematischen Eigenschaften zu tun,deren Diskussion hier den Rahmen sprengen würde.

102

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

Das komplex konjugierte Zeitsignal s∗+ (t) korrespondiert im Frequenzbereich zu der ge-spiegelt konjugiert komplexen Spektralfunktion S∗

+ (−f). Es gilt also:

Re {s+ (t)} ◦−−• 1

2

(S+ (f) + S∗

+ (−f))

(4.33)

Merke: Die Realteilbildung generiert die negativen Frequenzen. Damit ist gemeint: Bil-det man im Zeitbereich den Realteil eines komplexen Signal, so wird im Frequenzbereichdas gespiegelt konjugiert komplexe Signal hinzugefügt (und das gesamte Signal um denFaktor 1/2 skaliert).

Die Spektralfunktion von

s (t) =√2Re {s+ (t)} =

√2

2

(s+ (t) + s∗+ (t)

)(4.34)

lautet also

S (f) =1√2

(S+ (f) + S∗

+ (−f)). (4.35)

Mit Gleichung (4.31) kann man dies auch schreiben als

S (f) =1√2(S (f − f0) + S∗ (−f − f0)) . (4.36)

Abbildung 4.5 zeigt den Zusammenhang für die spektralen Energiedichten |S (f) |2 bzw.|S (f) |2 . Aus dem Bild wird deutlich, dass beides äquivalente Darstellungen des selbenSignals sind: So, wie man aus der komplexen Basisbanddarstellung durch spektrale Ver-schiebung und Spiegelung zur Bandpassdarstellung kommt, kann man durch spektraleVerschiebung und Abschneiden wieder zum Basisband zurück kommen. Beide Signaletragen die selbe Information. Wir haben die Normierung so gewählt, dass dabei auch dieSignalenergie die selbe bleibt. Aus Abbildung 4.7 bzw. Gleichung (4.36) erkennt man,dass ∫ ∞

−∞

∣∣∣S (f)∣∣∣2df =

∫ ∞

−∞|S (f)|2 df (4.37)

gilt. Mit der Parsevalschen Gleichung folgt daraus∫ ∞

−∞|s (t) |2 dt =

∫ ∞

−∞|s (t)|2 dt (4.38)

und damitEs = Es. (4.39)

Beachte, dass die Bandbreite B des Bandpasssignals doppelt so groß ist wie die Band-breite B/2 des Basisbandsignals.

Von dem Bandpasssignal kommt man zum Basisbandsignal, indem man das die Spek-tralfunktion S (f) um f0 nach links verschiebt, mit dem Faktor

√2 multipliziert und

103

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

f0

0 f

|S(f)|2

f0

a)

b)

|S(f)|2

−f0

B

B B

Abbildung 4.5: Äquivalenz von (a) Bandpass- und (b) komplexer Basisband-Darstellungfür das selbe Signal.

104

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

anschließend mit einem idealen Tiefpass auf die Bandbreite B/2 abschneidet. Im Fre-quenzbereich ergibt sich dadurch aus S (f) das Signal

S (f) =√2 S (f + f0) · rect

(f

B

). (4.40)

In den Zeitbereich transformiert ergibt dies das Signals

s (t) = B si (πBt) ∗[√

2 e−j2πf0t s (t)]. (4.41)

Das in Abbildung 4.6 dargestellte Gerät, das diese Operation durchführt, nennt man

TPs(t)

√2 exp(−j2πf0t)

s(t)

Abbildung 4.6: Quadraturdemodulator: Erste Darstellung.

den Quadraturdemodulator. Er kommt z.B. in jedem Handy, jeder WLAN-Karte undjedem digitalen Fernsehempfänger vor. Um alles durch reelle Signale auszudrücken (wasder üblichen Implementierung näher kommt), schreiben wir Gleichung (4.41) als

s (t) = B si (πBt) ∗[√

2 cos (2πf0t) s (t)− j√2 sin (2πf0t) s (t)

]. (4.42)

Für die einzelnen Quadraturkomponenten x(t) und y(t) heißt das:

x(t) = B si (πBt) ∗[√

2 cos (2πf0t) s (t)]

(4.43)

undy(t) = −B si (πBt) ∗

[√2 sin (2πf0t) s (t)

](4.44)

Daraus ergibt sich das in Abbildung 4.7 dargestellte Blockschaltbild für den Quadratur-demodulator.

4.4 Frequenzumsetzung

In der Praxis wird nicht nur die Umsetzung von einem Basisbandsignal zu einem Band-passsignal und umgekehrt benötigt, sondern auch von einem Bandpasssignal zu einemanderen Bandpasssignal auf einer anderen Frequenz. Weil es sich dabei um Zwischenstu-fen der Modulation/Demodulation handelt, spricht man auch von einem Zwischenfre-quenz (ZF) -Signal (engl.: IF=intermediate frequency).

105

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

TP

TP

√2 cos(2πf0t)

−√2 sin(2πf0t)

s(t)

x(t)

y(t)

Abbildung 4.7: Quadraturdemodulator: Zweite Darstellung. So wird er auch meistimplementiert.

Um ein Signal s (t) im Spektralbereich um eine Frequenz fu zu verschieben, muss manim Zeitbereich mit der Exponentialschwingung exp (j2πfut) multiplizieren:

s (t) 7→ ej2πfuts (t) (4.45)

Eine komplexe Exponentialschwingung gibt es in der Praxis nicht. Praktisch muss manmit reellen Schwingungen arbeiten. Da diese aber aus zwei komplexen bestehen, erhältman immer zwei verschobene Signale: Ein nach links und eins nach rechts. Mathematiksieht das so aus:

s (t) 7→√2 cos (j2πfut) s (t) =

1√2

(ej2πfuts (t) + e−j2πfuts (t)

)(4.46)

Für die zugehörige Spektralfunktion S (f) bedeutet dies

S (f) 7→ 1√2(S (f − fu) + S (f + fu)) , (4.47)

d.h. die ursprüngliche Spektralfunktion erscheint um fu nach links und um fu nach rechtsverschoben.

Sei nun

S (f) =1√2(S (f − f0) + S∗ (−f − f0)) (4.48)

ein reelles Bandpasssignal wie in Gleichung (4.36) beschrieben. Es hat zueinander sym-metrische Spektralanteile bei positiven und negativen Frequenzen. Durch die Umsetzung(4.47) entsteht das Signal

1√2

(S (f − fu) + S (f + fu)

)= (4.49)

1

2(S (f − f0 − fu) + S (f − f0 + fu) + S∗ (−f − f0 + fu) + S∗ (−f − f0 − fu))

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

0

(a)

0

(b)

−fu f

−fu f

fu

fu

Abbildung 4.8: Frequenzumsetzung. Aufgetragen sind die Energiedichten.

Von diesen vier Spektralfunktionen (nach dem Gleichheitszeichen) liegen die ersten bei-den im positiven Frequenzbereich, falls das Band oberhalb von fu liegt. Dieser Fall ist inTeil (a) von Abbildung 4.8 dargestellt. Die beiden anderen liegen entsprechend gespiegeltim negativen Bereich, . Falls das Band unterhalb von fu liegt, liegen die erste und dritteim positiven Bereich, die anderen beiden im Negativen. Die Situation ist in Teil (b) desBildes dargestellt. Zu beachten ist, dass hier ein umgesetztes Signal in Kehrlage (d.h.spiegelverkehrt) bei fu − f0 auftaucht. Außerdem wird durch das Bild das Spiegelfre-quenzproblem deutlich: Sowohl Signale bei fu+f1 als auch Signale bei fu−f1 tauchennach der Umsetzung bei f1 auf und stören sich gegenseitig. Man muss sie daher vor derUmsetzung durch geeignete Filterung entfernen.

Aufgaben

1. Seis (t) = a (t) ejϕ(t).

Beweisen Sie die folgende Identität:

ϕ (t) = Im

{s (t)

s (t)

}.

107

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4 Modulierte Signale und komplexes Basisband

2. Ein AM-Signal sei von folgender Gestalt

s(t) =√2 (1 + a sin (2πf1t)) cos (2πf0t)

mit f0 = 1MHz und f1 = 1kHz und 0 ≤ a < 1.

a) Skizzieren Sie das Signal im Zeit- und im Frequenzbereich!

b) Wie groß ist die mittlere Leistung des Signals?

c) Wie groß ist der Anteil des Trägers an der Leistung?

3. Es sei folgendes Signal gegeben:

s(t) =√2ǫ(t) exp (−t/T ) cos (2πf0t+ π sin (2πf1t)) .

Hierbei ist f0 = 100MHz die Trägerfrequenz, f1 = 100Hz und T = 10ms.

a) Wie lautet die Amplitude a(t), die Phase ϕ(t) und wie die Augenblicksfrequenz∆fm(t) (relativ zu f0)?

b) Wie lautet das äquivalente komplexe Tiefpasssignal s(t)? Skizzieren Sie dessenVerlauf als eine Kurve in der komplexen Ebene (komplexe Ortskurve)!

c) Wie lautet die Energie des Signales?

d) Berechnen und skizzieren Sie die (Augenblicks-) Leistung |s(t)|2 des Signalszwischen 0 und 10 ms.

4. Es sei ein Signal gegeben durch

s(t) =√2 rect

(t

4Tb− 1

2

)(∣∣∣∣cos(2πt

4Tb

)∣∣∣∣ cos(2πf0t) + sin

(2πt

4Tb

)sin(2πf0t)

)

mit f0 = 900MHz und Tb = 3µs.

a) Wie lauten die Quadraturkomponenten x(t) und y(t)? Skizzieren Sie beide!

b) Wie lautet das äquivalente komplexe Tiefpasssignal s(t) zu s(t) ?

c) Wie lauten Amplitude und Phase des Signals? Skizzieren Sie beide!

d) Wie lautet die relative Augenblicksfrequenz ∆fm(t) ? Skizzieren Sie diese!

5. Es sei ein Signal gegeben (mit Trägerfrequenz z.B. f0 = 1000 kHz) durch

a(t) =√2 rect

(t

T− 1

2

)(cos(πat2

)cos (2πf0t)− sin

(πat2

)sin (2πf0t)

), a = 10kHz/s, T = 1s.

a) Wie lautet das äquivalente komplexe Tiefpasssignal s(t)?

b) Berechnen Sie Amplitude, Phase und die Augenblicksfrequenz relativ zu f0!Skizziere Sie die beiden letzteren Größen!

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5 Das Abtasttheorem

Das Abtasttheorem (Sampling Theorem) ist in der Nachrichtentechnik von zentralerBedeutung. Es besagt, dass man bandbegrenzte Signale immer eindeutig durch ihre Ab-tastwerte charakterisieren kann.

5.1 Die Aussage des Abtasttheorems

Wir formulieren die Aussage so:

Das Abtasttheorem Jedes bandbegrenzte Tiefpass-Signal s(t), dessen SpektralfunktionS(f) außerhalb einer Bandbreite B (d.h. für |f | > B) identisch Null ist, lässt sich danneindeutig durch die Folge seiner Abtastwerte s(n/fA) beschreiben, wenn die Abtastfre-quenz fA die Bedingung

fA > 2B (5.1)

erfüllt.

Das Signal kann dabei reell oder komplex sein. Die Aussage ist in Abbildung 5.1 ver-anschaulicht: Sofern die Abtastbedingung (5.1) erfüllt ist, lässt sich das kontinuierlicheSignal s (t) eindeutig durch das zeitdiskrete Signal seiner Abtastwerte

s [n] = s (ntA) , (n ∈ Z, tA = 1/fA)

beschreiben.

109

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5 Das Abtasttheorem

f−B B

fA

fA/2

t

−fA/2 0

tA

S(f)

s[n]s(t)

Abbildung 5.1: Die Aussage des Abtasttheorems.

Das Abtasttheorem sagt also, dass man das kontinuierlich Signal s(t) durch eine geeigneteInterpolation aus den Abtastwerten s (ntA) zurückgewinnen kann, wenn man bei derAbtastung die Bedingung (5.1) einhält. Man kann die Interpolationsformel angeben. Diegeschieht an späterer Stelle. Wir geben hier nur den Hinweis, dass sich die Interpolationdurch ein Tiefpassfilter der Bandbreite B implementieren lässt.

Der Beweis des Abtasttheorems beruht auf der Fourieranalyse. Da bei der Fouriertrans-formation Zeit- und Frequenzbereich vertauschbar sind, gilt das Abtasttheorem auchanders herum. Weil der Beweis dabei anschaulicher ist, fangen wir damit an.

5.2 Abtastung im Frequenzbereich

Wenn man beim Abtasttheorem die Bezeichnung bandbegrenzt durch zeitbegrenzt ersetzt,bekommt man folgende Aussage:

Das Abtasttheorem im Frequenzbereich Jedes zeitbegrenzte Signal s(t) einer Dauerkleiner als T (das also für |t| > T/2 identisch Null ist), lässt sich eindeutig durch dieFolge der Abtastwerte S(k/T ) seiner Spektralfunktion S(f) beschreiben.

Beweis: Der Beweis beruht auf folgender Idee, die in Abbildung 5.2 veranschaulichtwird: Wenn man s(t) mit der Periode T periodisch fortsetzt, so besitzt diese periodische

110

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5 Das Abtasttheorem

Fortsetzung eine Fourierreihe. Hierzu gehört ein diskretes Spektrum, dessen Koeffizien-ten (bis auf einen konstanten Faktor) die Abtastwerte S (k/T ) sind. Wegen der Zeitbe-grenzung kann man aus dem periodischen Signal das ursprüngliche Signal s (t) durchHerausschneiden rekonstruieren. Im Frequenzbereich bedeutet das die Interpolation vonS (k/T ) zu S (f). In Formeln ausgedrückt: Die Fourierreihe der periodischen Fortsetzung

tT−T

s(t− T )s(t+ T ) s(t)

f

S(f)

S(k/T )

1/T

0

Abschneiden

Abbildung 5.2: Das Abtasttheorems im Frequenzbereich.

sper (t) =∞∑

n=−∞

s (t− nT ) (5.2)

zu s (t) lautet

sper (t) =∞∑

k=−∞

ckej2πkt/T (5.3)

mit den Fourierkoeffizienten

ck =1

T

∫ T/2

−T/2e−j2πkt/T sper (t) dt.

Wegen der zeitlichen Begrenzung von s (t) kann man dies auch schreiben als

ck =1

T

∫ ∞

−∞e−j2πkt/T s (t) dt =

1

TS

(k

T

). (5.4)

Also lässt sich die Fourierreihe (5.3) darstellen als

sper (t) =∞∑

k=−∞

1

TS

(k

T

)ej2πkt/T . (5.5)

111

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5 Das Abtasttheorem

Also lässt sich sper (t) und damit auch

s (t) = sper (t) · rect (t/T ) (5.6)

eindeutig durch die Abtastwerte S (k/T ) ausdrücken, was zu beweisen war. �

Der Beweis liefert auch direkt eine Interpolationsformel für das Signal S (f) aus seinenAbtastwerten. Aus den Gleichungen (5.5,5.6) folgt

s (t) = rect (t/T )

∞∑

k=−∞

1

TS

(k

T

)ej2πkt/T .

Die Fouriertransformation liefert

S (f) = T si (πfT ) ∗∞∑

k=−∞

1

TS

(k

T

)δ (f − k/T ) (5.7)

und damit

S (f) =∞∑

k=−∞

S (k/T ) si (π (fT − k)) . (5.8)

Durch Interpolation der Stützstellen mit si-Funktionen erhält man also die Spektralfunk-tion zurück.

5.3 Abtastung im Zeitbereich

Der Beweis für das eigentliche Abtasttheorem ergibt sich jetzt entsprechend, indem mandie Parameter geeignet umbenennt, siehe Abbildung 5.3:

Wir nennen

sa (t) = tA

∞∑

n=−∞

s (ntA) δ (t− ntA) (5.9)

das abgetastete Zeitsignal zu s (t). Die Spektralfunktion dazu lautet

Sa (f) = tA

∞∑

n=−∞

s (ntA) e−j2πfntA . (5.10)

Dies ist eine Fourierreihe für die periodische Fortsetzung von S (f), d.h.

Sa (f) =

∞∑

k=−∞

S (f − kfA) . (5.11)

Wegen der Bandbegrenzung gilt

S (f) = Sa (f) · rect (ftA) , (5.12)

112

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5 Das Abtasttheorem

0

S(f)

−fA f

S(f − fA)

fA

s(t)

t

s(ntA)

tA

S(f + fA)Abschneiden (TP)

Abbildung 5.3: Das Abtasttheorems im Zeitbereich.

und das Signal lässt sich durch Abschneiden mit einem idealen Tiefpass eindeutig ausseinen Abtastwerten rekonstruieren.

Die Rekonstruktionsformel im Zeitbereich lautet

s (t) =∞∑

n=−∞

s (ntA) si (π (tB − n)) . (5.13)

5.4 Einige Folgerungen des Abtasttheorems

Die Poissonsche Summenformel

Nach den obigen Ausführungen besitzt

sa (t) = tA

∞∑

n=−∞

s (ntA) δ (t− ntA) (5.14)

die Fouriertransformierte

Sa (f) =

∞∑

k=−∞

S (f − kfA) , (5.15)

wobei vorausgesetzt wurde, dass die Spektralfunktion S(f) bandbegrenzt ist. Wir be-trachten (formal) den extremen Fall

s (t) = 1 ◦−−• S (f) = δ (f)

113

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5 Das Abtasttheorem

und erhalten die Korrespondenz

tA

∞∑

n=−∞

δ (t− ntA) ◦−−•∞∑

k=−∞

δ (f − kfA) . (5.16)

Diese Beziehung wird als Poissonsche Summenformel bezeichnet.

Mathematisch ganz sauber war dieses formale Einsetzen nicht, weil die Fourierreihe fürdie Delta-Funktion gar nicht existiert. Im Sinne von verallgemeinerten Funktionen lässtsich aber der Grenzwert einer Delta-Folge bilden und damit das formale Argument sauberbegründen.

Abtastung nicht bandbegrenzter Signale

Mit Hilfe der Poissonschen Summenformel kann man nun auch untersuchen, was bei derAbtastung nicht bandbegrenzter Signale passiert. Aus der Poisson-Formel (5.16) folgtsofort

tA

∞∑

n=−∞

s (ntA) δ (t− ntA) ◦−−•∞∑

k=−∞

S (f − kfA) . (5.17)

Das ist die selbe Formel, wie sie auch für bandbegrenzte Signale gilt. Nur kann man fürnicht bandbegrenzte Signale aus der periodischen Fortsetzung im Spektralbereich (auf derrechten Seite) nicht mehr das ursprüngliche Signal rekonstruieren. Durch die periodischeFortsetzung ergeben sich Alias-Störungen, siehe Abbildung 5.4.

0−fA fA

Abschneiden (TP)S(f + fA)S(f)

S(f − fA)

f

Abbildung 5.4: Aliasing.

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte

Funktionen

A.1 Konstruktion des δ-Impulses

Der δ−Impuls1 ist eine mathematische Idealisierung, um Stoßvorgänge oder Impulse zubeschreiben. Damit sind Vorgänge oder Signale gemeint, die aus Sicht eines Beobach-ters scheinbar in einem Zeitpunkt auftreten, das heißt nur während einer so kurzen Zeitin Erscheinung treten, dass man ihren Verlauf und ihre Dauer praktisch nicht messenkann. Man möchte die Auswirkungen eines solchen Stoßvorgangs beschreiben, ohne dassman sich mit dem genauen Verlauf beschäftigt. Die Überlegung, wie man so etwas sinn-voll idealisiert, führen auf die Konstruktion des δ−Impulses. Zuerst eingeführt wurde ervon P.A.M. Dirac2 in der Quantenphysik in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts.Als Mathematiker wusste Dirac wahrscheinlich, dass seine Konstruktion mathematischin sich widersprüchlich war, aber er hatte die richtige physikalische Vorstellung dabeiund vor allem: Er wusste, wie man richtig damit rechnet. Erst um 1950 herum hat derfranzösische Mathematiker Laurent Schwartz (1915-2002) in seiner Theorie der Distribu-tionen (verallgemeinerte Funktionen) eine mathematisch saubere Konstruktion geliefert.Wir wollen hier einen physikalisch intuitiven Zugang zu der δ-Funktion finden.

Wir stellen uns hierzu einen kurzen Stromstoß i (t) wie in Abbildung A.1 vor. Den ge-nauen Verlauf von i (t) können wir wegen der begrenzten zeitlichen Auflösung unseresMessgerätes nicht messen, wohl aber, dass eine Ladung q0 geflossen ist (mit der z.B. einKondensator aufgeladen wurde). Der Strom i (t) ist die zeitliche Ableitung der geflossenenLadung q (t)

i (t) =d

dtq (t) , (A.1)

und die geflossene Ladung ist das Integral über den Strom

q (t) =

∫ t

−∞i (τ) dτ . (A.2)

1auch: δ-Funktion, Dirac-Impuls, Dirac-Stoß, Diracsche δ-Funktion o.ä.2Paul Adrien Maurice Dirac (1902-1984, Nobelpreis für Physik 1933) war einer der Pioniere der Quan-

tenphysik. Berühmt wurde er durch die Dirac-Gleichung (1928), die ein relativistisches Elektron bzw.Positron beschreibt. Er hat damit als erster die Existenz von Antimaterie vorhergesagt. Dirac hatzunächst Elektrotechnik studiert, fand aber keine Anstellung und studierte dann Mathematik.

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen

0 t

i(t)

t1 t2

q0

Abbildung A.1: Ein Stromimpuls.

Zu jeder beliebigen Zeit t1 < 0 kurz vor dem Stoß messen wir nichts, d.h.

q (t1) =

∫ t1

−∞i (τ) dτ = 0 ,

und zu jeder beliebigen Zeit t2 > 0 nach dem Stoß messen wir, dass die Ladung geflossenist, d.h.

q (t2) =

∫ t2

−∞i (τ) dτ = q0.

Was genau bei t = 0 passiert ist, wissen wir nicht, und es ist auch nicht wichtig. Wirkönnen uns vorstellen, dass der Strom von der Gestalt

i (t) = q0δ (t) (A.3)

ist, wobei wir eine “Funktion” δ (t) eingeführt haben, die folgende Eigenschaft habenmuss: ∫ t

−∞δ (τ) dτ =

{0 : t < 01 : t > 0

. (A.4)

Daraus ergibt sich die Eigenschaft

δ (t) = 0 (t 6= 0). (A.5)

Was bei t = 0 ist, wissen wir nicht. Man könnte meinen: Wenn dieser Puls δ (t) unendlichschmal ist, aber die Fläche darunter Eins sein soll, muss er unendlich hoch sein. Wirwissen aber, dass “0 · ∞” ein unbestimmter Ausdruck ist und vermeiden es daher lieber,

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen

etwas zu definieren, was mathematisch gesehen Unfug darstellt und was es physikalischauch nicht geben kann (nämlich einen unendlich großen Strom). Die ursprüngliche physi-kalische Vorstellung ist ja vernünftig, und wir basteln uns jetzt ein Modell, mit dem wirdiese merkwürdige Konstruktion näherungsweise beschreiben können. Hierzu bietet sichdie Rechteckfunktion an. Wir definieren dazu einen angenäherten Impuls

δT (t) =1

Trect

(t

T

). (A.6)

Für eine hinreichend kleine Pulsbreite T hat dieser Impuls praktisch die gewünschtenEigenschaften: Es gilt

∫ t

−∞δT (τ) dτ =

{0 : t < T/21 : t > −T/2

, (A.7)

d.h. die Fläche unter dem Puls ist Eins, und für |t| > T/2 ist der Puls Null. Man kannsich eine Folge von Pulsen Rechteckpulsen vorstellen, die immer schmaler und höherwerden wie in Teil (a) von Abbildung A.2 gezeigt. Man nennt solche Folgen δ-Folgen.Für hinreichend kleines T wird die physikalische Situation von jedem der RepräsentantenδT (t) dieser Folge zutreffend beschrieben. Dass wir eine Folge von Rechtecken gewählthaben, ist willkürlich und bequem. Man könnte ebenso gut mit einer δ−Folge arbeiten,wie sie in Teil (b) der Abbildung gezeigt ist.

Die Abbildung legt nahe, den δ−Impuls als Grenzwert einer δ−Folge aufzufassen, d.h.

δ (t) = limT→0

δT (t) (A.8)

zu definieren. Im herkömmlichen Sinne existiert dieser Limes aber nicht, wie wir obendiskutiert haben. Trotzdem beschreibt δT (t) für kleine T den physikalischen Sachverhaltrichtig.

Wir können das Problem lösen, indem wir ein den Messvorgang analysieren und einmathematisches Modell dafür bilden. Dazu führen wir lineare Detektoren ein. Manstellt sich als linearen Detektor ein Messgerät vor, das die Eigenschaften eines linearenSystems besitzt und durch eine Gewichtsfunktion g (t) beschrieben sind. Trifft ein Input-Signal s (t) auf den linearen Detektor, so liefert er den Wert

Dg {s (t)} =

∫ ∞

−∞g (t) s (t) dt (A.9)

siehe Abbildung A.33 . In unserem obigen Beispiel mit dem Stromstoß i (t) wird die

3Ein linearer Detektor ist also ein LTI-System mit Impulsantwort g(−t), dessen Output zur Zeit t = 0ausgewertet wird. Denn es gilt:

Dg {s (t)} = [g(−t) ∗ s(t)]t=0

Wir wollen hier aber den Begriff der Impulsantwort nicht verwenden, weil wir den Begriff der Impulsesgerade erst einführen.

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen

0

0

T/2−T/2 t

δT (t)

1T

(a)

t

(b) δT (t)

Abbildung A.2: Delta-Folgen.

Ladung durch

q0 =

∫ t2

t1

i (t) dt, (A.10)

gemessen. Dies ist offenbar ein Spezialfall für einen Detektor. Wenn man nun einen Pulseiner δ-Folge detektiert, so gilt für hinreichend kleines T

∫ ∞

−∞g (t) δT (t) dt ≈

∫ ∞

−∞g (0) δT (t) dt

und damit ∫ ∞

−∞g (t) δT (t) dt ≈ g(0)

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen

s(t) Dg {s(t)}Dg

Abbildung A.3: Linearer Detektor.

Man zeigt (auch formal) leicht

limT→0

∫ ∞

−∞g (t) δT (t) dt = g (0) . (A.11)

Der δ-Impuls ist als der Grenzfall aufzufassen und hat die Eigenschaft∫ ∞

−∞g (t) δ (t) dt = g (0) . (A.12)

Dies ist eigentlich nur eine formale Schreibweise für Gleichung (A.11). Wenn man sichdies immer wieder klar macht, kann man mit der δ-Funktion richtig rechnen.

Wie schon erwähnt, brauchen δ-Folgen nicht unbedingt Rechtecke zu sein. Wir könnenδ-Folgen aus irgendwelchen Signale (Impulsen) als

δT (t) =1

(t

T

)

konstruieren, wobei die folgenden Eigenschaften gegeben sein müssen:

1.1

T

∫ ∞

−∞φ

(t

T

)dt = 1

2.

limT→0

1

(t

T

)= 0 (t 6= 0)

Die Repräsentanten einer δ-Folge brauchen also gar nicht außerhalb eines Intervalls zuverschwinden, sie müssen nur immer kleiner werden. Neben der oben beschriebenenRechteckfolge werden z.B. diese δ-Folgen oft verwendet:

δT (t) =1

Tsi

(πt

T

)(A.13)

δT (t) =1√2π T

exp

(− 1

2T 2t2)

(A.14)

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen

Dimension des δ-Impulses

Wegen der Eigenschaft ∫ ∞

−∞δ (t) dt = 1

ist die Dimension des δ-Impulses 1/Zeit. Hilfreich ist es, sich dies am Beispiel mit demStromstoß zu überlegen: Strom ist Ladungsfluss pro Zeit.

A.2 Die Ableitung der Sprungfunktion

Um die Ableitung des Einheitssprungs zu berechnen, approximieren wir ihn durch einestetige Funktion ǫT (t) wie in Teil (a) von Abbildung A.4 gezeigt. Es gilt offenbar

0

0

(a)

(b)

t

1

t

T/2

T/2

δT (t)

1T

−T/2

−T/2

ǫT (t)

Abbildung A.4: Die Ableitung des Einheitssprungs.

limT→0

ǫT (t) = ǫ (t) .

Die Ableitung dieser Funktion ist in Teil (b) gezeigt. Offenbar handelt es sich dabei umeine δ-Folge, d.h.

limT→0

δT (t) = δ (t) .

Es giltd

dtǫT (t) = δT (t) .

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen

Wir führen den Grenzwert T → 0 durch und erhalten

d

dtǫ (t) = δ (t) .

Derartige Grenzwertbetrachtung sind mit unserem intuitiven Zugang zu der mathemati-schen Idealisierung verträglich. Sie lassen sich im Rahmen der Theorie verallgemeinerterFunktionen sauber begründen.

A.3 Die Fouriertransformation der δ-Funktion

Die Fouriertransformation des δ-Pulses ergibt sich formal ganz einfach aus der Ausblend-eigenschaft (A.12). Die Fouriertransformierte

∫ ∞

−∞e−j2πftδ (t) dt = 1

ist einfach die Eins. Allerdings ist δ (t) nicht quadratintegrabel und seine Fouriertrans-formierte natürlich auch nicht. Man bekommt deshalb Schwierigkeiten mit der Fourier-Rücktransformation. Formal lautet sie

∫ ∞

−∞ej2πft · 1 df = δ (t) .

Nach allem, was wir bisher über Integralrechnung gelernt haben existiert dieses Inte-gral nicht. Im Sinne verallgemeinerter Funktionen kann man sich aber wieder mit einerGrenzwertbetrachtung helfen. Wir schreiben

1 = limB→∞

rect

(f

B

)

und berechnen die Rücktransformation dieses Signals endlicher Bandbreite:∫ ∞

−∞ej2πft · rect

(f

B

)df = B si (πtB) .

Wegen Gleichung (A.13) folgt

limB→∞

∫ ∞

−∞ej2πft · rect

(f

B

)df = δ (t) .

Für einen verschobenen Puls gilt∫ ∞

−∞e−j2πftδ (t− t0) dt = e−j2πft0

121

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A Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen

A.4 Spektrallinien

Die δ-Funktion hat nicht nur als Puls im Zeitbereich eine wichtige Bedeutung, sondernauch als Spektralfunktion im Frequenzbereich. Vertauscht man Zeit und Frequenz, soerhält man nach dem eben Gesagten

1 ◦−−• δ (f) .

Mit dem Verschiebungssatz erhält man

e+j2πf0t ◦−−• δ (f − f0) .

Eine harmonische Schwingung der Frequenz f0 entspricht einer δ-Funktion bei f0, diewir als Spektrallinie auffassen. Für eine periodische Funktion mit Periode T bekommenwir wegen der Darstellung durch die Fourierreihe ein diskretes Spektrum

∞∑

k=−∞

cke+j2πkt/T ◦−−•

∞∑

k=−∞

ckδ (f − k/T )

aus unendlich vielen, äquidistanten Spektrallinien an den Frequenzen fk = k/T, k ∈ Z,siehe Abbildung .

f

· · ·0 f2f1−f1 f3 f4−f2−f3

Abbildung A.5: Diskretes Spektrum aus Spektrallinien.

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Index

Übertragungsfunktion, 38, 71, 76, 89äquivalentes komplexes Tiefpasssignal, 97

Abtastfrequenz, 6Abtasttheorem, 53, 109ADC, 5Akkumulator, 77Alias-Frequenzen, 45Amplitudenmodulation, 96Analog/Digital-Wandler, 6analytisches Signal, 102Anti-Aias-Filter, 46Augenblicksleistung, 9Ausblend-Eigenschaft, 7

Basisband-Darstellung, 102Basisschwingungen, 51Black Box, 20

Chaostheorie, 24

DAC, 5δ-Impuls, 6Differenzengleichung, 81Digital/Analog-Wandler, 6digitale Signale, 5Dirac-Impuls, 6diskrete Faltung, 17diskreter Einheitspuls, 8diskreter Einheitssprung, 8

Effektivwert, 96Einhüllende, 97Einheitsimpuls, 6Einheitssprung, 7einseitiges Leistungsspektrum, 56Energie, 9

Energiedichte, 64, 71

Faltung, 16Faltungssatz, 60Faltungssatz DFT, 61Faltungssatz Fouriertransformation, 66Fensterfunktion, 58FFT-Analyse-Fenster, 54Filterordnung, 26FIR-Filter, 26Fourier-Integral, 64Fourier-Rücktransformation, 64Fourier-Transformation, 64Fourierkoeffizienten, 36Fourierreihe, 36Fouriertransformierte, 39

Gleichanteil, 37

IIR-Filter, 27Impulsantwort, 25, 31, 76, 87Input-Signal, 21

kausal, 87Kausalität, 77Kehrlage, 107Koeffizientenvergleich, 85, 86komplexes Basisband, 97Kronecker-Symbol, 8kumulierte Summe, 29

Laurent-Reihe, 73Leck-Effekt, 57Leistung, 9Leistungssignale, 11lineare Detektoren, 117lineare Systeme, 21

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Index

Linearkombination, 21LTI-Systeme, 24

Modulation, 96

negativen Verzögerungen, 77normierte Kreisfrequenz, 44

Output-Signal, 21

Parsevalsche Gleichung, 38, 54Parsevalsche Gleichung (Fouriertransfor-

mation), 64Partialbruchzerlegung, 87periodisch, 13, 47Phasenmodulation, 96

Quadraturdemodulator, 105Quadraturkomponenten, 100Quadraturmodulator, 100quantisiert, 5

Rasterbedingungen, 48rekursive Filter, 27

Samples, 4Schieberegister, 15Sieb-Eigenschaft, 7Signale, 4Spaltfunktion, 9Spektrale Dichte, 70spektrale Energiedichte, 65, 71spektrale Grundperiode, 45Spektralzerlegung, 64Spiegelfrequenzproblem, 107Sprungantwort, 28, 32, 76, 88Sprungfunktion, 6stabil, 88stabiles System, 28Stabilität, 76Superpositionsprinzip, 21Symmetriesätze DFT, 62Symmetriesätze Fouriertransformation, 67symmetrische Signale, 63Systemanregung, 21Systemantwort, 21

Systems, 20Systemtheorie, 20

Trägerfrequenz, 96Trägerschwingung, 96

Vektor, 5Verschiebungssätze DFT, 61Verschiebungssätze Fouriertransformati-

on, 67Verzinsungsfaktor, 29

zeitdiskrete harmonische Schwingung, 44zeitdiskretes Signal, 4zeitdiskretes Verzögerungsglied, 72zeitinvariant, 24, 31Zeitinvariante lineare Systeme, 24ZFT (Zeitdiskrete Fouriertransformation),

68Zinssatz, 29Zwischenfrequenz, 105zyklische Faltung, 60zyklische Funktion, 69Zyklische Signale, 59

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Literaturverzeichnis

[1] H. Lüke, Signalübertragung. Springer, 1985.

[2] A. Oppenheim, R. Schafer, and J. Buck, Zeitdiskrete Signalverarbeitung. Pearson,2004.

[3] T. Frey and M. Bossert, Signal- und Systemtheorie. Vieweg+Teubner, 2 ed., 2008.

[4] B. Girod, R. Rabenstein, and A. Stenger, Einführung in die Systemtheorie. View-eg+Teubner, 4 ed., 2007.

[5] M. Werner, Signale und Systeme. Vieweg, 2005 (zweite Aufl.).

[6] S. Ries and M.-T. Roeckerath-Ries, Angewandte Mathematik. Studienbuch an derFH-SWF, 2009.

[7] H. Schulze, Grundlagen der Elektrotechnik 2. Vorlesungsskript an der FH-SWF, 2013.

[8] H. Schulze, Ingenieurmathematik 2. Studienbuch an der FH-SWF, 2009.

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