Snow mag 01.2013 | part Rohman Rohrmoser

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Was ist dran an der legendären Freeride-Abfahrt am Pitztaler Gletscher? Ist sie auch für durchschnittliche Skifahrer machbar? Oder doch nur etwas für Cracks. SNOW-Autor und -Fotograf Franz Faltermaier machte den Selbsttest. Begleitet haben ihn die Freerider Roman Rohrmoser, Fabian Lentsch, Jochen Mesle und Tobi Geisler. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen, oder? TEXT UND FOTOS Franz Faltermaier 50 SNOW 1.2013 >>> PITZTAL WILD FACE

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Was ist dran an der legendären Freeride-Abfahrt am Pitztaler Gletscher? Ist sie

auch für durchschnittliche Skifahrer machbar? Oder doch nur etwas für Cracks.

SNOW-Autor und -Fotograf Franz Faltermaier machte den Selbsttest. Begleitet

haben ihn die Freerider Roman Rohrmoser, Fabian Lentsch, Jochen Mesle und

Tobi Geisler. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen, oder?

TexT und FoToS Franz Faltermaier

50 SNOW 1.2013

>>> PITZTAL WILD FACE

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Was ist dran an der legendären Freeride-Abfahrt am Pitztaler Gletscher? Ist sie

auch für durchschnittliche Skifahrer machbar? Oder doch nur etwas für Cracks.

SNOW-Autor und -Fotograf Franz Faltermaier machte den Selbsttest. Begleitet

haben ihn die Freerider Roman Rohrmoser, Fabian Lentsch, Jochen Mesle und

Tobi Geisler. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen, oder?

TexT und FoToS Franz Faltermaier

50 SNOW 1.2013

>>> PITZTAL WILD FACE

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Angestrengt folge

ich den Fußstapfen

meines Vorder-

mannes. Stefan Richter

von der Pitztaler Glet-

scherbahn hat sich die

Zeit genommen, unsere

kleine Gruppe auf den

Mittagskogel und weiter

auf die westseitige Abfahrt

zu führen. Allerdings ist

seine Jackeninnentasche

das reinste Großraumbüro:

Jede Minute trällert darin

sein Smartphone. Ich bin

ganz froh über die vielen

Pausen. Wir befinden

uns auf über 3.000 Meter

Höhe, und das Atmen

fällt mir nicht wirklich

leicht. Weil ich für den

40-minütigen Aufstieg

von der Bergstation eines

Tellerlifts nicht extra den

Helm abnehmen wollte,

rinnt mir der Schweiß ins

Gesicht. Immerhin: Roman

hinter mir geht es nicht

viel besser. „ I hob denkt,

es miasn ma nur a poar Me-

ter queren! Es spinnt’s ja“,

schimpft der Tiroler. Wir

haben eh Glück, dass schon

drei Leute vor uns gespurt

haben. Sonst wäre es noch

anstrengender. Am Gipfel-

kreuz treffen wir unsere

Spurenleger und bedanken

uns für ihre Mühen.

Ich kann es kaum erwar-

ten, auf die andere Seite

des Felsaufbaus zu schie-

len, will dabei aber nicht

nervös wirken. Das bin ich

nämlich mittlerweile. Die

Aussicht ist traumhaft –

und furchteinflößend zu-

gleich: Das Gelände ist steil

Roman Rohrmoser kennt am

Mittagskogel jeden Fels beim Namen.

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und hochalpin. Der Hang,

über den wir gekommen sind,

ist noch der flachste. Und wo

soll ICH jetzt runterfahren?

Ich verbeiße mir mit Mühe

die Frage. Die Antwort geben

mir unsere Spurenleger: Sie

rutschen den steilen, engen

Einstieg seitlich ab. Aller-

dings nicht ohne sich ein paar

fette Kratzer einzufangen.

Nur lose liegt der frische

Pulverschnee auf haifisch-

zahnartigen Felsen, die gierig

und geräuschvoll nach den

Belägen schnappen. Na super,

am liebsten würde ich die ers-

ten zehn Meter zu Fuß gehen.

Kurz darauf wird es freier.

Wir kreuzen lieber noch ein

paar Meter am Grat weiter.

Dort finden wir eine bessere

Einfahrt. Ich bin beruhigt.

Und nach ein paar weiteren

Telefonaten von Stefan kann

es losgehen. Wir haben heute nur

Lawinenwarnstufe 2. Trotz-

dem ist auf dem nach Norden

ausgerichteten, steilen

Hang Vorsicht geboten. Tags

zuvor hat es geschneit, die

frischen Flocken sind in der

Kälte immer noch leicht wie

Daunen. Wird der Schnee

aber fester und schwerer,

kann es ungemütlich werden.

Roman ist der Erste. Er gibt

richtig Gas, fährt lange Turns.

Das ist auch notwendig. Der

Spray seiner Skier vereint

sich mit dem Slough, dem

Neuschneeteppich, den seine

Schwünge oberflächlich in

Bewegung setzen. Wie ein

wütendes Monster verfolgt

ihn die weiße Pracht. Er ahnt

es und fährt zickzack, damit

ihn die Pulverschicht seitlich

überholen kann. Wahr-

scheinlich wäre sie noch zu

leicht gewesen, um ihn von

den Beinen zu reißen oder

gar zu begraben. Aber sicher

ist sicher. Auf einer kleinen

Anhöhe hinter einem Felsen

hält er an. Schnell beruhigt

sich die Natur. Als nächstes ist

Tobi dran. Ihm geht es ähn-

lich. Auch er findet auf einem

sicheren Plateau Schutz

und quert ruhig zu Roman

hinüber. Stefan und ich fah-

ren einzeln eine etwas flache-

re Passage als die beiden Pros.

Doch auch hier werden wir

verfolgt, allerdings von einem

langsameren Feind. Mühelos

können wir fliehen. Einzeln

und den gerade Fahrenden

aufmerksam beobachtend

schwingen wir weiter hinab.

Beinahe haben wir die

1.500 Höhenmeter geknackt,

da passiert es mir doch. Eine

Rutsche mit dem in Talnähe

deutlich schwereren Schnee

erwischt mich. Es fühlt sich

an, als ob man einen reißen-

den Fluss auf glitschigen

Steinen durchquert. Mir reißt

es die Beine weg. Gott sei

Dank reicht der Schnee nicht,

um mich mitzuziehen. Sofort

stehe ich wieder. Weit wäre

es eh nicht mehr zum Auslauf

des steilen Felsmassives

gewesen. Unbeschadet er-

reichen wir das Taschachtal.

Ich treffe den Local Fabian

Lentsch, er hat das Wild

Face-Rennen 2012 gewonnen.

Sein Spezl Jochen Mesle ist

auch mit von der Partie. Beide

kennen das Gebiet wie ihre

Anoraktasche. Fabian verrät

uns eine Geheimabfahrt.

Sie befindet sich unweit der

Scharte des Mittagskogels.

Genaueres darf ich natürlich

nicht verraten. Auch hier gilt

es zunächst zu hiken, und

erneut fließt eine Menge

Schweiß. Dann zeigen mir

die beiden, wo der Hammer

hängt. Schon am Einstieg fin-

den sie einen gut sechs Meter

hohen Felsen. Der Drop ist

der ideale Startblock für die

Abfahrt mit 1.500 Höhenme-

tern. Der Hang, auf dem sie

Tiroler Spines

Fabian Lentsch

Tobi Geisler

Roman Rohrmoser

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Achtung: Die Abfahrt unbedingt nur

mit Bergführer unternehmen!

Wild Face-Wettbewerb: Teilnahmeberechtigt ist jeder,

der den Berg mit Skiern oder Snowboard bewältigen kann.

Bei Teilnehmern zwischen 16 und 18 Jahren ist eine Ein-

verständniserklärung der Erziehungsberechtigten notwendig.

Wer jünger als 16 ist, darf nicht mitmachen. Das Tragen

eines Helms ist Pflicht. Außerdem muss jeder Fahrer ein ein-

geschaltetes LVS-Gerät, Schaufel und Sonde bei sich tragen

(wird bei der Bergstation überprüft).

Location: Pitztal, Mittagskogel – Mandarfen

Start: Gipfelkreuz Mittagskogel 3.173m

Ziel: Mandarfen 1.663m

Strecke: Gipfelkreuz – Scharte – Hauptrinne – Muttler –

Nordseitig Richtung Gletscherbahn – Schiebestrecke nach

MandarfenHöhenunterschied: 1.510 Höhenmeter

Streckenlänge: 4,6 Kilometer

Klassen: Ski / Snowboard Männer und

Ski / Snowboard Frauen

Qualifikation: Für das Pitztal Wild Face muss man sich in

einem Rennen auf Zeit qualifizieren. Die Strecke führt vom

Start Rifflsee/Muttenkopf durch das Hirschtal bis zum Ziel

beim Hexenkessel in Tieflehn. Es sind etwa 670 Höhen-

meter und 1,9 Kilometer zu absolvieren. Die schnellsten

60 Fahrer/innen qualifizieren sich für den Mittagskogel. Aus

sicherheitstechnischen Gründen (ausgesetzter Gipfelbereich,

Wind, Wetter) können nicht mehr Teilnehmer am Pitztal Wild

Face starten.

Der Hauptbewerb ist ein Freeride-Rennen. Gewertet wird

die Zeit vom Start am Gipfelkreuz des Mittagskogels bis zum

Ziel in Mandarfen. Es sind etwa fünf Richtungskorridore

ausgesteckt, die jeder Fahrer passieren muss. Dazwischen

hat man freie Geländewahl. Die Kontrolle erfolgt durch die

Bergrettung Innerpitztal. Gestartet wird einzeln im Minuten-

takt nach ausgelosten Startnummern. Wenn ein Rennläufer

nicht rechtzeitig am Start ist, hat er die Möglichkeit nach dem

letzten Teilnehmer zu starten. Vor beiden Läufen (Qualifikati-

on und Pitztal Wild Face) kann man die Strecken besichtigen.

Zudem gibt ein Riders meeting, damit alle ausreichend

informiert sind.

Sollte am gesamten Wochenende kein Flugwetter sein, wird

das Pitztal Wild Face auf der Qualifikationsstrecke (Rifflsee)

am wettergünstigsten Tag ausgetragen.

Anmelden kann man sich für das nächste Pitztal Wild Face

Freeride Anfang März 2013 auf der Homepage und auf der

Facebook-Fanpage.

www.pitztal-wildface.com

Gewinner des Wild Face 2012

Ski Damen: Angelika Kaufmann

Ski Herren: Fabian Lentsch

Snowboard Damen: Liz Kristoveritsch

Snowboard Herren: Matthias Jorda

landen, ist gute 40 Grad

steil. Wenn der beim Auf-

prall ins Gleiten kommt,

rauschen die Jungs über

Felsabstürze bis zum

Grundbach des Ferners.

Mir ist nicht wohl. Ich bin

als Erster vorsichtig abge-

fahren und warte am Fuß

des Sprungs. Klammere

mich am Fels fest wie ein

Opa am Treppengeländer.

Doch alles geht gut. Bald

ist es Nachmittag. Und im

Spätwinter sollte man stei-

le Hänge besser meiden.

Also hängen wir in der

Taschach-Alm bei einem

Bier ab. Von dort sind

es nur noch 100 Höhen-

meter zum Parkplatz der

Gletscherbahn-Talstation.

Die schaffen wir locker.

Und wie wild ist das

Face nun? Die Abfahrt

sollte für jeden guten

Tiefschneefahrer problem-

los zu meistern sein. Sie

ist nicht so steil, dass man

nie stürzen darf. Schwie-

riger ist es, am Wild Face

hochalpine Gefahren wie

Schneebretter, Eis und

Felsen richtig einzuschät-

zen. Auch die Orientie-

rung fällt nicht leicht.

Deshalb sollte man immer

einen erfahrenen Guide

dabei haben. Und auf gar

keinen Fall darf man den

Run bei schlechter Sicht in

Angriff nehmen.Als wir das Auto

beladen, fliegt ein Hub-

schrauber über unsere

Köpfe hinweg zum Mit-

tagskogel. Ich denke mir

nichts dabei. Am nächsten

Tag schickt mir Roman

eine E-Mail mit dem

Link zu einem Zeitungs-

bericht. Nach uns ist ein

Snowboard-Lehrer tödlich

verunglückt, lese ich. Er

wurde vom Slough seines

Kumpels mitgerissen und

stürzte 300 Meter weit

über die Felsen. Das

ist das zweite, das böse

Gesicht des Wild

Face. <<<

Roman: „…ist wie in Alaska,

nur vor der Haustür“

>>> PITZTAL WILD FACE

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