Softwaregestützte Verhandlung in Supply-Chains : Koordination bei Macht- und Informationsasymmetrie

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1 Einleitung In Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen er- geben sich konkrete Vereinbarungen be- zu ¨ glich Liefer- bzw. Abrufmengen und -zeitpunkten i. d. R. aus bilateralen Ver- handlungen. Durch die Festlegung (und Einhaltung) der Auspra ¨gungen der Ver- tragsparameter Lieferquantita ¨t und -zeit- punkt resultiert eine unternehmensu ¨ ber- greifende, zeitliche und mengenma ¨ßige Koordination interdependenter Wert- scho ¨ pfungsprozesse (Produktions-, Lager- und Transportprozesse) in der Supply- Chain (SC). Der Verhandlungsprozess ist insbesondere durch Machtaspekte und In- formationsbedingungen der beteiligten Ak- teure gepra ¨gt. So wird ein dominierender Abnehmer nur dann eine fu ¨ r ihn unvorteil- hafte Abrufpolitik akzeptieren, von der sein Lieferant profitieren wu ¨ rde, wenn dieser ihm z. B. einen Logistikkostenzuschuss als Ausgleichszahlung anbietet. Zur Bestim- mung einer akzeptablen Ausgleichszahlung beno ¨ tigt der Lieferant Informationen u ¨ ber die Kostenstruktur des Abnehmers. Diese Informationen wird der Abnehmer jedoch nicht preisgeben, vielmehr hat er einen An- reiz, fu ¨r jede mo ¨ gliche Abrufpolitik u ¨ ber- ho ¨ hte Kosten anzugeben, um eine mo ¨ g- lichst hohe Ausgleichszahlung abzuscho ¨ p- fen. Im vorliegenden Beitrag wird ein Verhandlungsmodell entwickelt und ein da- rauf aufbauendes Verhandlungsunterstu ¨ t- zungssystem vorgestellt, mit dessen Hilfe der Lieferant die anzubietende Abrufpolitik und die korrespondierende Ausgleichszah- lung interaktiv ermitteln und bewerten kann. Die Motivation dieses Beitrags ergibt sich aus folgenden Gru ¨ nden: Zum einen bleiben in der relevanten Literatur zu Verhandlun- gen zwischen Abnehmern und Lieferanten u ¨ ber die zu realisierende Abrufpolitik real existierende Machtverha ¨ltnisse weitgehend unberu ¨ cksichtigt [MiKe98]. Es wird le- diglich vorgeschlagen, die Abrufpolitik so zu bestimmen, dass die gesamten SC-Kos- ten minimal werden [Bane86; Goya88; GoNe00]. Insbesondere sind die bestehen- den Ansa ¨ tze jedoch durch die Annahme der vollsta ¨ndigen Information der Lieferanten bezu ¨ glich der Kostenstruktur ihrer Abneh- mer gekennzeichnet. Praxisrelevante Ver- handlungssituationen sind jedoch gerade dadurch gekennzeichnet, dass Lieferanten nicht u ¨ ber diese Informationen verfu ¨ gen. Zum anderen bieten kommerzielle Soft- waresysteme des Supply-Chain-Manage- ments (SCM), so genannte Advanced Plan- ning Systems (APS), bisher keine Funktio- nalita ¨ten zur Generierung und Bewertung entsprechender Angebote. Beispielsweise stellt die SAP AG in ihrem APS, dem Ad- vanced Planner and Optimizer (APO), mit der Komponente SAP APO Collaborative Planning ein Softwaretool zur Verfu ¨ gung, WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 459 469 Der Autor Eric Sucky Dr. Eric Sucky Johann Wolfgang Goethe-Universita ¨t Frankfurt Seminar fu ¨r Logistik und Verkehr Mertonstr. 17 60054 Frankfurt am Main [email protected] http://love-server.wiwi.uni-frankfurt.de Softwaregestçtzte Verhandlung in Supply-Chains Koordination bei Macht- und Informationsasymmetrie Kernpunkte Hauptmerkmal von Supply-Chains ist die auf mehrere autonome Unternehmen verteilte Leis- tungserstellung. Die Koordination dieser verteilten Leistungserstellung ist eine zentrale Auf- gabe des Supply-Chain-Managements. Eine dezentrale Koordination der verteilten Leis- tungserstellung resultiert ha ¨ufig aus bilateralen Verhandlungen der Supply-Chain-Partner. Das Ergebnis solcher Verhandlungen wird insbesondere determiniert durch die Machtposi- tionen der Supply-Chain-Partner und ihre Informationsbedingungen. Es wird gezeigt, & wie Lieferanten in Verhandlungen mit ihren Abnehmern durch Verhandlungsmodelle un- terstu ¨tzt werden ko ¨nnen und & welches Einsatzpotenzial der Prototyp eines softwarebasierten Verhandlungsunterstu ¨t- zungssystems bei der Generierung von An- bzw. Gegengeboten aufweist. Stichworte: Supply-Chain-Management, Produktions- und Abrufpolitiken, zentrale und de- zentrale Koordination, Verhandlungsunterstu ¨tzungssysteme, Advanced Planning Systems WI – Aufsatz

Transcript of Softwaregestützte Verhandlung in Supply-Chains : Koordination bei Macht- und Informationsasymmetrie

1 Einleitung

In Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen er-geben sich konkrete Vereinbarungen be-zuglich Liefer- bzw. Abrufmengen und-zeitpunkten i. d. R. aus bilateralen Ver-handlungen. Durch die Festlegung (undEinhaltung) der Auspragungen der Ver-tragsparameter Lieferquantitat und -zeit-punkt resultiert eine unternehmensuber-greifende, zeitliche und mengenmaßigeKoordination interdependenter Wert-schopfungsprozesse (Produktions-, Lager-und Transportprozesse) in der Supply-Chain (SC). Der Verhandlungsprozess istinsbesondere durch Machtaspekte und In-formationsbedingungen der beteiligten Ak-teure gepragt. So wird ein dominierenderAbnehmer nur dann eine fur ihn unvorteil-hafte Abrufpolitik akzeptieren, von der seinLieferant profitieren wurde, wenn dieserihm z. B. einen Logistikkostenzuschuss alsAusgleichszahlung anbietet. Zur Bestim-

mung einer akzeptablen Ausgleichszahlungbenotigt der Lieferant Informationen uberdie Kostenstruktur des Abnehmers. DieseInformationen wird der Abnehmer jedochnicht preisgeben, vielmehr hat er einen An-reiz, fur jede mogliche Abrufpolitik uber-hohte Kosten anzugeben, um eine mog-lichst hohe Ausgleichszahlung abzuschop-fen. Im vorliegenden Beitrag wird einVerhandlungsmodell entwickelt und ein da-rauf aufbauendes Verhandlungsunterstut-zungssystem vorgestellt, mit dessen Hilfeder Lieferant die anzubietende Abrufpolitikund die korrespondierende Ausgleichszah-lung interaktiv ermitteln und bewertenkann.Die Motivation dieses Beitrags ergibt sich

aus folgenden Grunden: Zum einen bleibenin der relevanten Literatur zu Verhandlun-gen zwischen Abnehmern und Lieferantenuber die zu realisierende Abrufpolitik realexistierende Machtverhaltnisse weitgehend

unberucksichtigt [MiKe98]. Es wird le-diglich vorgeschlagen, die Abrufpolitik sozu bestimmen, dass die gesamten SC-Kos-ten minimal werden [Bane86; Goya88;GoNe00]. Insbesondere sind die bestehen-den Ansatze jedoch durch die Annahme dervollstandigen Information der Lieferantenbezuglich der Kostenstruktur ihrer Abneh-mer gekennzeichnet. Praxisrelevante Ver-handlungssituationen sind jedoch geradedadurch gekennzeichnet, dass Lieferantennicht uber diese Informationen verfugen.Zum anderen bieten kommerzielle Soft-waresysteme des Supply-Chain-Manage-ments (SCM), so genannte Advanced Plan-ning Systems (APS), bisher keine Funktio-nalitaten zur Generierung und Bewertungentsprechender Angebote. Beispielsweisestellt die SAP AG in ihrem APS, dem Ad-vanced Planner and Optimizer (APO), mitder Komponente SAP APO CollaborativePlanning ein Softwaretool zur Verfugung,

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 459–469

Der Autor

Eric Sucky

Dr. Eric SuckyJohann Wolfgang Goethe-UniversitatFrankfurtSeminar fur Logistik und VerkehrMertonstr. 1760054 Frankfurt am [email protected]://love-server.wiwi.uni-frankfurt.de

Softwaregest�tzte Verhandlungin Supply-ChainsKoordination bei Macht- undInformationsasymmetrie

Kernpunkte

Hauptmerkmal von Supply-Chains ist die auf mehrere autonome Unternehmen verteilte Leis-tungserstellung. Die Koordination dieser verteilten Leistungserstellung ist eine zentrale Auf-gabe des Supply-Chain-Managements. Eine dezentrale Koordination der verteilten Leis-tungserstellung resultiert haufig aus bilateralen Verhandlungen der Supply-Chain-Partner.Das Ergebnis solcher Verhandlungen wird insbesondere determiniert durch die Machtposi-tionen der Supply-Chain-Partner und ihre Informationsbedingungen. Es wird gezeigt,

& wie Lieferanten in Verhandlungen mit ihren Abnehmern durch Verhandlungsmodelle un-terstutzt werden konnen und

& welches Einsatzpotenzial der Prototyp eines softwarebasierten Verhandlungsunterstut-zungssystems bei der Generierung von An- bzw. Gegengeboten aufweist.

Stichworte: Supply-Chain-Management, Produktions- und Abrufpolitiken, zentrale und de-zentrale Koordination, Verhandlungsunterstutzungssysteme, Advanced Planning Systems

WI – Aufsatz

das es Abnehmern ermoglicht, Bedarfs-informationen uber das Internet an ihreLieferanten zu ubermitteln. Den Lieferan-ten werden geplante, bezuglich Termin undQuantitat spezifizierte Abrufe in speziellenPlanungsmappen angezeigt, die diese besta-tigen oder hinsichtlich Liefertermin und/oder -menge verandern konnen. Resultie-rende Abweichungen zwischen gewunsch-ten und angebotenen Lieferterminen und-mengen werden dem Abnehmer in einemAlert-Monitor dargestellt. Ist der Abneh-mer nicht bereit, die von den Lieferantenveranderten Liefertermine und/oder -men-gen zu akzeptieren, mussen sich die SC-Partner im Rahmen von Verhandlungen ei-nigen. Der Verhandlungsprozess wird le-diglich dahingehend unterstutzt, dass sichdie SC-Partner via Internet alternative Vor-schlage zu Lieferterminen und/oder -men-gen ubermitteln konnen. Mogliche Abwei-chungen zwischen den Vorschlagen werdendann wieder im Alert-Monitor angezeigt.Funktionalitaten zur Ermittlung von Ange-boten sind in bestehenden APS nicht vor-handen. Des Weiteren berucksichtigt SAPAPO Collaborative Planning asymmetri-sche Machtpositionen der SC-Partner nurdadurch, dass der dominierende SC-Partnerden Verhandlungsabschluss bestimmt. DerVerhandlungsprozess mit SAP APO Col-laborative Planning wird als letzter Schritteines konsensbildenden Prozesses bezeich-

net: „Das Ende dieses Schrittes ist erreicht,wenn der dominante Partner den Schritt furbeendet erklart (. . .).“ [SAP99, 13]. Den ge-nerischen Ablauf des „Collaborative Plan-ning“ mit SAPAPO zeigt Bild 1.Die Vernachlassigung praxisrelevanter

Verhandlungsbedingungen in der Literaturund die ungenugende softwarebasierte Ver-handlungsunterstutzung in der Praxis be-grunden die Notwendigkeit der Entwick-lung geeigneter Verhandlungsmodelle undVerhandlungsunterstutzungssysteme. Dervorliegende Beitrag schafft hierfur eine Lo-sung. Er gliedert sich in funf Teile. Imzweiten Abschnitt werden zwei Problem-bereiche heraus gearbeitet, die im Rahmender unternehmensubergreifenden Koor-dination auftreten: Macht- und Informa-tionsasymmetrie. Danach wird das Ver-handlungsproblem der SC-Partner im Fallvon Macht- und Informationsasymmetrieformal dargestellt. Zur Losung des be-trachteten Verhandlungsproblems habenwir ein neuartiges Verhandlungsunterstut-zungssystem entwickelt und implemen-tiert. Der Aufbau und die Funktionalitatdieser Applikation werden in Abschnitt 4dargestellt. Der Beitrag schließt mit einemkritischen Fazit und einem Ausblick in Ab-schnitt 5.

2 Koordination inSupply-Chains

Das Hauptmerkmal von Supply-Chains istdie auf mehrere autonome Unternehmenverteilte Leistungserstellung [Chri98, 15;BKFH03, 6]. Aus der Arbeitsteilung in derSC, d. h. der Dekomposition der Gesamt-aufgabe in Teilaufgaben und deren Vertei-lung auf mehrere Unternehmen, ergibt sichdie Notwendigkeit, die Handlungen derSC-Partner zu koordinieren [WiMG02, 15;Zapf00, 16]. Diese Koordination, als zen-trale Aufgabe des SCM, bedeutet eine ziel-gerichtete Abstimmung der Teilplane derin der SC agierenden Unternehmen (z. B.Zulieferer, Produzenten und Logistik-dienstleister) [Stad04, 285].Grundsatzlich kann zwischen zentraler

und dezentraler Koordination unterschie-den werden [Zapf00, 5]. Eine zentrale Ko-ordination bedingt eine hierarchischubergeordnete Instanz, einen „SC-Leader“[Hahn00, 16], der aufgrund seiner Macht-position oder Legitimation uber die Kom-petenz verfugt, eine zentrale Planungdurchzufuhren und die Planungsergebnissein der SC durchzusetzen [PiSu04a, 27–28].Als SC-Leader kann entweder ein Unter-nehmen fungieren, das die anderen an derSC beteiligten Unternehmen dominiert,oder es handelt sich um eine von den Betei-ligten eingesetzte Instanz, z. B. ein SC-Gremium oder ein 4th Party Logistics Pro-vider (4PL) [BuDa02, 10–11]. Einedezentrale Koordination ist dadurch ge-kennzeichnet, dass die Akteure isoliertePlanungen durchfuhren, die dann abzu-stimmen sind [CoGo01, 55–59]. Dies kannz. B. im Rahmen von Auktionen, Aus-schreibungen oder bilaterale Verhandlun-gen erfolgen.

Voraussetzung fur die unternehmens-ubergreifende Koordination von Wert-schopfungsprozessen in der SC ist eine inte-grierte Informationsverarbeitung [BKFH03,8]. In Abhangigkeit von der Koordina-tionsform konnen verschiedene Informa-tions- und Kommunikationstechnologieneingesetzt werden. Im Fall der dezentralenKoordination fuhren die Akteure eine iso-lierte Planung durch und tauschen unter-einander Informationen uber ihre Pla-nungsergebnisse aus. Es kommt somit le-diglich zu einem Austausch von Daten, dieOutput isolierter Planungen sind. DieserInformationsaustausch lasst sich durchEDI- oder XML/EDI-basierte Anwen-dungen unterstutzen [BuMA03, 509;MBKP04, 48]. So stellt beispielsweise SAPmit dem SAP Business Connector eine ent-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 459–469

HERSTELLER LIEFERANT

Supply -

Planner

Account -

Manager

Lieferanten-

system

APO SNP

Advanced Planner

and Optimizer

Supply Network Planning

R/3

1

6

Planen

Neu planen

7Bestellung

3 Ansicht

Anforderungen

Beschaffungsplan

4

Information zur

Datenänderung

(Alert E-Mail)

2

Alerts

versenden

(E-Mail)

5

Internet

Quelle: http://help.sap.com/saphelp_scm41/helpdata/de/c4/a1893997327c4be10000000a114084/content.htm

HERSTELLER LIEFERANT

Supply -Planner

Account -Manager

Lieferanten-system

APO SNPAdvanced Planner

and OptimizerSupply Network

Planning

R/3

1

6

Planen

Neu planen

7Bestellung

3 AnsichtAnforderungen

Beschaffungsplan

4

Information zurDatenänderung(Alert E-Mail)

2

Alertsversenden(E-Mail)

5

Internet

Bild 1 Ablauf des Collaborative Planning mit SAPAPO

460 Eric Sucky

sprechende Funktionalitat zur Unterstut-zung von XML/EDI zur Verfugung[BKFH03, 32–40]. Die ausgetauschten In-formationen bilden dann gegebenenfallsden Input fur neue bzw. weitere Planungs-aktivitaten. Beispiele fur den Informations-austausch bei dezentraler Koordinationsind die elektronische �bermittlung undWeiterverarbeitung von Informationen zuAbrufmengen und -zeitpunkten im Rah-men von Just-in-time-Konzepten in derAutomobilindustrie und die elektronischeWeitergabe von Absatzprognosen desHandels an Konsumguterproduzenten imRahmen des Efficient Consumer Response(ECR). Der Vorteil dieser Informations-weitergabe liegt darin, dass der Lieferant,wenn er Nachfragedaten fruhzeitig erhalt,seine Produktion entsprechend disponie-ren und damit zeitliche Verzogerungen ver-meiden kann. Die Versorgungssicherheitder Abnehmer kann bei niedrigen Bestan-den besser gewahrleistet werden [Mau03,80–84]. Insbesondere fuhrt der zwischen-betriebliche Austausch von Nachfrage-daten zu einer Vermeidung bzw. Reduzie-rung des Bullwhip-Effekts. Dieses Phano-men beschreibt das Aufschaukeln vonNachfragequantitaten und Lagerbestandenuber die einzelnen Stufen der SC. DerBullwhip-Effekt entsteht, wenn Informa-tionen uber die Endkundennachfrage nichtdirekt an alle SC-Akteure weitergegebenwerden und jeder SC-Partner die Bestellun-gen bei seinen Lieferanten auf der Basis in-dividueller Prognosen generiert [CDRS00,439–442].Eine zentrale Koordination der Aktivita-

ten der SC-Partner verlangt eine weiterge-hende Integration: Nicht die Ergebnisseisolierter Planungen, sondern samtliche pla-nungsrelevante Daten mussen von den Ak-teuren einer zentralen Planungsinstanz alsInput der zentralen Planung zur Verfugunggestellt werden [AnBa99, 199; BuMA03,509–510]. Durch eine zentrale Planung sol-len so genannte Win-Win-Situationen reali-siert werden, die bei einer dezentralen Ko-ordination der Aktivitaten der SC-Partnerhaufig nicht zu erreichen sind. Auch wennin diversen Fallstudien der Nutzen einerzentralen Koordination aufgezeigt wurde,z. B. fur eine zentrale Distributionsplanungin der SC [BuMa03] und ein zentrales, SC-weites Master Planning [PiSu04b], fokus-sieren sich konkrete Anwendungen in derPraxis vor allem auf eine gemeinsame, zen-trale Nachfrage- und Bestellprognose imRahmen des Collaborative Planning, Fore-casting and Replenishment (CPFR). Dennim Gegensatz zu CPFR, das auf der Basisausgetauschter Nachfrageinformationen er-

folgt, bedingen weitergehende, zentralePlanungen, dass die Akteure einer zentra-len Planungsinstanz Bestands-, Kapazitats-und insbesondere Kosteninformationenzur Verfugung stellen. Dabei handelt essich i. d. R. um sensible Informationen, dievon den Akteuren in der SC nicht gernepreisgegeben werden. So zeigen empiri-sche Studien, dass deutsche Automobil-zulieferer einen Austausch von Nachfrage-daten zwar positiv beurteilen, sie jedocheine Beobachtung ihrer Kapazitatsauslas-tung oder gar Kostenstruktur durch dieAbnehmer ablehnen [KeKK03; Arth03].In einer real existierenden SC sind daheri. d. R. nicht die Voraussetzungen fur einezentrale Koordination gegeben: Eine zen-trale Koordination bedingt, dass die Un-ternehmen 1.) ihre Planungsautonomie auf-geben, 2.) alle planungsrelevanten Informa-tionen dem SC-Leader zur Verfugungstellen und 3.) ihre Handlungen an der Er-reichung eines ubergeordneten SC-Zielsausrichten [PiSu04a, 29]. Darin ist auch derGrund zu sehen, warum APS, obwohl fureine unternehmensubergreifende, SC-weitePlanung entwickelt, zwar standortuber-greifend, aber nur unternehmensintern ein-gesetzt werden [StKr02, 185]. Dass einezentrale, SC-weite Koordination vonWertschopfungsprozessen in der Praxisnicht realisiert wird, ist somit nicht tech-nologisch begrundet, da kommerzielle APSeine zentrale Koordination prinzipiell er-moglichen [BKFH03, 89]. Es sind vielmehrdie organisatorischen Integrationsanforde-rungen einer zentralen Koordination, wel-che insbesondere aufgrund von Macht-und Informationsasymmetrien zwischenden SC-Partnern nicht erfullt werden.

2.1 Asymmetrische Macht-positionen in Supply-Chains

Richten die Akteure in einer SC ihreHandlungen an der Erreichung einesubergeordneten SC-Ziels aus, so kann „einin der SC kooperierendes Unternehmendurch Orientierung an den Zielen der SCschlechter gestellt werden als bei Umset-zung seiner individuellen Optimallosun-gen“ [KnMZ00, 15]. Aufgrund konkurrie-render individueller und SC-weiter Zielekommt es daher zu Interessenkonfliktenzwischen den SC-Partnern, die es im Rah-men von Verhandlungen zu uberwindengilt. Verhalten sich die SC-Partner, hier derAbnehmer und der Lieferant, individuellrational, so werden sie vertragliche Rege-lungen anstreben, die bezuglich ihrer indi-viduellen Ziele optimal sind. Verfolgen die

SC-Partner konkurrierende Ziele, so istdas konkrete Verhandlungsergebnis dannu. a. von der Machtverteilung innerhalbder Lieferanten-Abnehmer-Beziehung ab-hangig. Im Weiteren wird der praxisrele-vante Fall angenommen, dass sich der Ab-nehmer in der dominierenden Positionbefindet. Der starke Abnehmer wird (zu-nachst) keinen fur ihn suboptimalen Belie-ferungsrhythmus akzeptieren und damithohere Lagerbestande hinnehmen, auchwenn dieser Lieferplan aus SC-weiter Sichtvorteilhaft ist [KnMZ00, 15], d. h. wennder Lieferant in einem hoheren Ausmaßvon diesem Lieferplan profitiert als derAbnehmer Nachteile erleidet.

2.2 Informationsasymmetriein der Supply-Chain

Im Gegensatz zu Nachfrageinformationen,deren bilateraler Austausch zwischen SC-Partnern haufig in der Praxis stattfindet,handelt es sich bei Bestands-, Kapazitats-und insbesondere Kosteninformationenum sensible Informationen, die von denSC-Partnern ungern preisgegeben werden.Bezuglich dieser Informationen herrschtdaher Informationsasymmetrie und es er-gibt sich das Problem, dass die Reaktionenvon SC-Partnern auf eigene Entscheidun-gen nur schwierig antizipiert werden kon-nen. Gerade die Wirkung von Instrumen-ten, mit denen das Verhalten der SC-Part-ner beeinflusst werden kann bzw. soll, z. B.die Einraumung von Mengenrabatten oderdas Angebot eines Logistikkostenzuschus-ses, ist dann unsicher. Sollen private, pla-nungsrelevante Informationen weiterge-geben werden, kommt erschwerend hinzu,dass es sich dabei um unwahre Informatio-nen handeln kann, durch deren Weitergabeeinzelne Akteure versuchen, ihre eigenePosition zu verbessern [FeMu03, 66–67].Erhalten z. B. Handelsunternehmen vonden Herstellern der Konsumguterindustrieein Entgelt fur die �bernahme der filialbe-zogen Kommissionierung im Rahmen desCross-Docking, so besteht der Anreiz, ho-here als die tatsachlich anfallenden Hand-lings- und Umschlagskosten anzugeben.Da Verhandlungssituationen mit Informa-tionsasymmetrie in der Praxis den Regelfalldarstellen, sind private Informationen beider Entwicklung eines Verhandlungsunter-stutzungssystems zu berucksichtigen.

Ziel der folgenden Abschnitte ist die Ent-wicklung eines Verhandlungsmodells, dasLieferanten bei der Generierung von Ange-boten uber Lieferquantitat und -zeitpunktunter Beachtung einer starken Machtposi-

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Softwaregestutzte Verhandlung in Supply-Chains 461

tion des Abnehmers sowie asymmetrischverteilter, verhandlungsrelevanter Informa-tionen unterstutzt. Darauf aufbauend wirdein softwarebasiertes Verhandlungsunter-stutzungssystem entwickelt.

3 Das Verhandlungs-problem

Im Fokus dieses Beitrags steht die dezen-trale Koordination der Wertschopfungs-prozesse autonomer Akteure in der SC.Bild 2 zeigt den betrachteten Ausschnitt ei-ner SC mit einem Lieferanten und einemAbnehmer.Analog zu dem in Abschnitt 1 beschrie-

benen Softwarewerkzeug SAP APO Colla-borative Planning betrachten wir im Wei-teren bilaterale Vertragsverhandlungen, inderen Rahmen die Konditionen bezuglichLieferquantitaten und -zeitpunkten fest-gelegt werden. Zu weiteren Konditionenund Vertragsinhalten, wie z. B. Zahlungs-modalitaten oder Produktqualitat, dieebenfalls Gegenstand von Verhandlungenzwischen Lieferanten und Abnehmern inder SC sind, siehe z. B. [Sche99], [ScVo01]und [VoSc02]. Bezuglich der vom Lieferan-ten an den Abnehmer zu liefernden Quan-titaten sowie der jeweiligen Lieferzeit-punkte sind mehrere interdependenteVerhandlungsprobleme zu losen. Das ersteVerhandlungsproblem besteht darin, diegesamte im betrachteten Planungszeitraumvom Lieferant an den Abnehmer zu lie-fernde Produktquantitat festzulegen. Pra-xisbeispiele fur solche Verhandlungssitua-tionen sind Jahresgesprache zwischen

Herstellern und Handlern der Konsum-guterindustrie. Neben den Aktionsparame-tern Periodenquantitat und Stuckpreiskommen hierbei von Seiten des Lieferantenverschiedene Instrumente zum Tragen, diedas Verhandlungsergebnis in seinem Sinnebeeinflussen konnen, z. B. Mengenrabatte,Rucknahmevereinbarungen, Boni fur be-stimmte Abnahmevolumina und Logistik-kostenzuschusse fur bestimmte Lieferkon-ditionen. In Just-in-time-Beziehungen zwi-schen Herstellern und Zulieferern derAutomobilindustrie sind die zu lieferndenProduktquantitaten je Periode durch denProduktionsplan des Herstellers fest vor-gegeben und nicht mehr Gegenstand vonVerhandlungen. In diesem Fall werden vorallem die Auspragungen der ParameterPreis und Qualitat verhandelt. Es ist dannzu bestimmen, zu welchen Lieferzeitpunk-ten welche Lieferquantitaten erfolgen, d. h.es muss eine gemeinsame Abruf- und Lie-ferpolitik ermittelt werden. Im folgendenAbschnitt wird zunachst analysiert, welcheAbruf- bzw. Lieferpolitiken die Akteurebei isolierter Planung wahlen.

3.1 Individuell optimale Abruf-und Lieferpolitiken

Der Lieferant (L), der das vom Abnehmer(A) nachgefragte Produkt im Rahmen einerSerienfertigung erzeugt, legt simultan seineLiefer- und Produktionspolitik fest, d. h. erkoordiniert die unternehmensinternen Pro-duktionsprozesse und die notwendigen un-ternehmensubergreifenden Transportpro-zesse. Der Lieferant verfolgt dabei das Zielder Minimierung seiner entscheidungsrele-

vanten Periodenkosten. Als relevant wer-den zunachst die Rust- und Lagerkosten jePeriode identifiziert. Fur jede Lieferungfallt außerdem ein fixer Transportkosten-satz an, der unabhangig von der Um-schlags- und Transportquantitat ist. Die va-riablen Produktions- und Transportkostenje Mengeneinheit werden als im Planungs-zeitraum konstant angenommen und sinddaher nicht entscheidungsrelevant. DieSumme der relevanten Rust-, Transport-und Lagerkosten je Periode stellt somit dieZielgroße des Lieferanten dar. Bei der si-multanen Ermittlung der Produktions-und Lieferpolitik ist zu beachten, wann fer-tiggestellte Produkteinheiten eines Produk-tionsloses zum Transport an den Abneh-mer zur Verfugung stehen. In vielenPraxisfallen ist eine so genannte geschlosse-ne Produktion technologisch vorgegeben,z. B. aufgrund eines gemeinsamen Schluss-arbeitsganges des gesamten Loses [SiPP98,657]. Fertiggestellte Produkteinheiten einesProduktionsloses konnen dann erst an dienachfolgende Wertschopfungsstufe weiter-gegeben werden, nachdem die Bearbeitungdes gesamten Produktionsloses abgeschlos-sen ist. Im Weiteren wird angenommen,dass der Lieferant eine so genannte Lot-for-lot-Politik bzw. eine „build to orderproduction strategy“ verfolgt. Diese Pro-duktions- und Lieferpolitik ist dadurchcharakterisiert, dass direkt nach Abschlussder Bearbeitung das gesamte Produktions-los vollstandig an den Abnehmer weiterge-geben wird, d. h. die Produktionslosgroßeentspricht der Liefermenge. Die (simulta-ne) Ermittlung der Produktionslosgroße(und der Liefermenge) bei einer Lot-for-lot-Politik wir durch kommerzielle Syste-me der Produktionsplanung und -steue-rung unterstutzt [SiPP98, 602–604]. DieFunktion der relevanten Periodenkostendes Lieferanten lautet [Bane86, 294]:

KLðxÞ ¼ ðR1 þ R2Þ � dx þ x2� dp

� hL ½a/Periode� : (1)

d ¼ Bedarf (demand) des Abnehmers[ME/Periode]

p ¼ Periodenkapazitat (production capa-city) des Lieferanten [ME/Periode]

R1 ¼ Rustkosten, die bei jeder Losauflagein gleicher Hohe anfallen [a]

R2 ¼ Fixer Transportkostensatz, der bei je-der Lieferung in gleicher Hohe anfallt[a]

hL ¼ Lagerhaltungskostensatz[a/(ME und Periode)]

x ¼ Produktionslosgroße und Liefer-menge [ME]

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 459–469

Lieferant

Abnehmer

Liefe

rung

en

LieferantLieferant

Abnehmer

Abr

ufe

Verh

andl

unge

n

Lieferant

Informationsfluss

Warenfluss

Bild 2 Betrachtete Lieferanten-Abnehmer-Beziehung

462 Eric Sucky

Es gilt p � d, da fur p < d der Bedarf desAbnehmers nicht befriedigt werden kann.Durch den Quotient d=p in (1) wird be-rucksichtigt, dass fur p > d der durch-schnittliche Lagerbestand beim Lieferantennicht fur die gesamte Planungsperiode an-fallt. Weiterhin wird angenommen, dassder Bedarf des Abnehmers durch d=x Lie-ferungen identischer Quantitat x [ME] ge-deckt wird. Durch partielle Differenzie-rung von (1) ergibt sich die kostenminimaleProduktionslosgroße und Lieferquantitatx*L des Lieferanten:

x*L ¼ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi2 � ðR1 þ R2Þ � p

hL

s[ME] : (2)

Der Lieferant muss jedoch die Interdepen-denzen zwischen seiner Lieferpolitik undder Abrufpolitik des Abnehmers sowiedessen Machtposition beachten. Der Ab-nehmer plant seine Abrufpolitik unter demZiel der Minimierung seiner eigenen ent-scheidungsrelevanten Periodenkosten, wel-che die Bestellkosten und Lagerhaltungs-kosten umfassen. Die variablen Beschaf-fungskosten je Stuck werden als imPlanungszeitraum konstant angenommenund sind daher nicht entscheidungsrele-vant. Unter der Annahme einer unendlichschnellen Lieferzeit sowie eines kontinuier-lichen Lagerabgangs mit konstanter Nach-fragerate ist der Gesamtbedarf d [ME/Peri-ode] durch d=x Abrufe identischer Quanti-tat x [ME] zu decken. Die Abrufkosten,die bei jedem Abruf in gleicher Hohe an-fallen, betragen B [a]. Erfolgt der Lager-abgang kontinuierlich mit einer konstantenNachfragerate, so betragt der durchschnitt-liche Lagerbestand x=2 [ME]. Die zu mini-mierenden Periodenkosten des Abnehmersergeben sich mit dem Lagerhaltungskos-tensatz hA [a/(ME und Periode)]:

KAðxÞ ¼ B � dxþ x

2� hA ½a=Periode� : (3)

Die individuell optimale Abrufpolitik desAbnehmers ergibt sich mit:

x*A ¼ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi2 � B � d

hA

s½ME� : (4)

Die Koordinationsaufgabe des SCM be-steht bei der hier betrachteten Problemstel-lung in der zielgerichteten Abstimmungder dezentral ermittelten Teilplane der SC-Partner, d. h. in der Abstimmung der Ab-ruf- und Lieferpolitik des Abnehmers unddes Lieferanten. Lediglich in dem unrealis-tischen Fall, dass die individuell optimalenPolitiken ubereinstimmen (x*A ¼ x*L) be-steht kein Interessenkonflikt zwischen denSC-Partnern und das Koordinationsprob-

lem ist gelost. Im praxisrelevanten Fallx*A 6¼ x*L hingegen mussen sich die SC-Partner uber die zu realisierende Abruf-und Lieferpolitik einigen.

3.2 Verhandlungen uber diegemeinsame Liefer- und Abrufpolitik

Befindet sich der Abnehmer in der Macht-position, seine individuell optimale Abruf-politik auch gegen den Widerstand des Lie-feranten durchzusetzen, so hat er nur danneinen Anreiz, einer Abruf- und Lieferpoli-tik zuzustimmen, die von seiner individuelloptimalen Abrufpolitik abweicht, wenn furihn daraus eine so genannte Win-Situationresultiert. Da fur jede Abruf- und Liefer-politik mit x 6¼ x*A die Periodenkosten desAbnehmers hoher sind als bei Realisierungseiner individuell optimalen Abrufpolitik,ergibt sich mit x 6¼ x*A fur ihn eine Lose-Si-tuation, d. h. der Abnehmer wurde sich ge-genuber seiner optimalen Losung schlech-ter stellen. Der Abnehmer hat daher(zunachst) keinen Anreiz, von seiner opti-malen Abrufpolitik abzuweichen. Der Lie-ferant muss sich der gegebenen Abrufpoli-tik anpassen und ist gezwungen, alsProduktionslosgroße und Liefermenge dieAbrufmengen x*A zu wahlen. Aus der Per-spektive des Lieferanten fuhrt die Realisie-rung der individuell optimalen Abrufpoli-tik des Abnehmers fur x*A 6¼ x*L dann zueiner Lose-Situation, da sie hohere Kosteninduziert als seine individuell optimaleProduktions- und Lieferpolitik. Es ist da-her zu analysieren, ob im Rahmen bilatera-ler Verhandlungen uber die zu realisierendeAbruf- und Lieferpolitik eine Win-Win-Si-tuation erzielt werden kann. Dabei sind so-wohl die zu Grunde gelegte Machtkonstel-lation als auch praxisrelevante Bedingungenbezuglich der planungsrelevanten Informa-tionen zu berucksichtigen. Im folgendenAbschnitt wird ein geeignetes Verhand-lungsmodell fur die betrachtete Verhand-lungssituation entwickelt. Darauf aufbau-end haben wir ein neuartiges Verhandlungs-unterstutzungssystem entwickelt, das inAbschnitt 5 zur Losung dieses Verhand-lungsmodells verwendet wird.

3.3 Das Verhandlungsmodell

Durch Verhandlungen mochte der Liefe-rant eine Einigung uber eine gemeinsameAbruf- und Lieferpolitik xG erzielen, furdie gilt: KLðxGÞ < KLðx*AÞ. Damit derAbnehmer eine Abruf- und Lieferpolitikmit xG 6¼ x*A akzeptiert, muss der Liefe-rant mindestens die daraus resultierendeKostenerhohung beim Abnehmer durch

einen Logistikkostenzuschuss s [a/Peri-ode] kompensieren. Das Planungsproblemdes Lieferanten besteht somit in der Er-mittlung der anzubietenden Abruf- undLieferpolitik sowie dem damit verbunde-nen Logistikkostenzuschuss. Praxisrele-vante Verhandlungssituationen sind da-durch gekennzeichnet, dass der Lieferantdie Kostenstruktur des Abnehmers nichtmit Sicherheit kennt. Da der Abnehmerkeinen Anreiz hat, die wahre Auspragungseiner Kostenfunktion preiszugeben (er hatvielmehr einen Anreiz, fur jede angeboteneAbruf- und Lieferpolitik uberhohte Kos-ten anzugeben, um einen moglichst hohenLogistikkostenzuschuss zu erzielen), mussder Lieferant die Auspragung der Kosten-funktion des Abnehmers bei der Angebots-gestaltung schatzen.

Aus der Perspektive des Lieferanten sindmehrere Auspragungen der Kostenfunk-tion des Abnehmers denkbar. Bei unvoll-standiger Information lasst sich zeigen,dass das Vorlegen eines Angebotssets, ausdem der Abnehmer wahlen kann, fur denLieferanten zu niedrigeren Kosten fuhrt alsein einzelnes Angebot [Sche99]. Der Liefe-rant muss somit auf Basis jeder angenom-menen Auspragung der Kostenfunktiondes Abnehmers ein spezielles Angebot ge-nerieren. Da dem Abnehmer dann ein Setvon Angeboten vorgelegt wird, aus dem erselbst ein Angebot auswahlen kann, wirddiese Form der Angebotsgestaltung auchals Self-Selection bezeichnet. Im Weiterenbezeichnet KA

i ðxGÞ (i 2 f1, 2, . . . , mg) diei-te potenzielle Auspragung der Kosten-funktion des Abnehmers. Es sei wi die(subjektive) Wahrscheinlichkeit, mit wel-cher der Lieferant annimmt, dass die i-teAuspragung der Kostenfunktion des Ab-nehmers die tatsachliche ist, mit wi > 0

8i, Pmi¼1

wi ¼ 1. Schließlich sei ðxG; i; siÞ die

angebotene Kombination aus Lieferquanti-tat und Logistikkostenzuschuss fur die i-teangenommene Auspragung der Kosten-funktion des Abnehmers. Zur Ermittlungdes optimalen Angebotssets lasst sich fol-gendes Verhandlungsmodell formulieren:

minE½KLðxG;1; xG;2; . . . ; xG;m; s1; s2; . . . ; smÞ�¼ Pm

i¼1wi � ðKLðxG; iÞ þ siÞ (5)

unter Beachtung der Restriktionen

KAi ðxG; iÞ � si � KA

i ðx*i Þ8i 2 f1; 2; :::;mg (6)

KAi ðxG; iÞ � si � KA

i ðxG; jÞ � sj8i; j 2 f1; 2; :::;mg; i 6¼ j (7)

xG; i � 0; si � 0 8i 2 f1; 2; :::;mg (8)

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 459–469

Softwaregestutzte Verhandlung in Supply-Chains 463

Die Zielfunktion (5) gibt den Erwartungs-wert der relevanten Periodenkosten desLieferanten an. Die Restriktionen (6) sinddie Teilnahmebedingungen (individual ra-tionality constraints): Durch die Annahmeeines Angebots darf sich der Abnehmernicht schlechter stellen als bei Realisierungseiner optimalen Losung. Bei den Restrik-tionen (7) handelt es sich um die Anreiz-kompatibilitatsbedingungen (self-selectionconstraints): Ist KA

i ðxGÞ die tatsachlicheKostenfunktion des Abnehmers, so darfdieser keinen Anreiz haben, ein Angebotanzunehmen, welches auf der Basis derj-ten Kostenfunktion mit i 6¼ j generiertwurde.Im folgenden Abschnitt wird der Aufbau

und die Funktionalitat eines softwarebasier-ten Verhandlungsunterstutzungssystemsdargestellt. Dies soll anhand einer beispiel-haften Ermittlung des optimalen Angebots-

sets dargestellt werden. Die zu Grunde ge-legte Verhandlungssituation stellt sich ausder Perspektive des Lieferanten folgender-maßen dar: Die Rust- und Transportkostendes Lieferanten je Produktionsauflage undLieferung betragen: R1 ¼ 900, R2 ¼ 100(R ¼ R1 þ R2 ¼ 1:000). Der Lagerhal-tungskostensatz des Lieferanten sei hL ¼ 3.Im Rahmen der ersten Stufen des mehrstu-figen Verhandlungsprozesses (Festlegungder gesamten vom Lieferant an den Abneh-mer zu liefernde Produktquantitat) wurdemit dem Abnehmer eine Gesamtabnahmevon d ¼ 100.000 [ME/Periode] vereinbart.Bei einer Produktionskapazitat vonp ¼ 150.000 [ME/Periode] ergibt sich dieindividuell optimale Produktions- und Lie-ferpolitik des Lieferanten mit x*L ¼ 10:000[ME]. Der Lieferant mochte somit 10 Los-auflagen und Lieferungen a 10.000 [ME]pro Periode realisieren. Die daraus resultie-

renden Kosten des Lieferanten betragen20.000 [a/Periode].Der Abnehmer gibt jedoch zwei poten-

zielle Abrufpolitiken vor, die entwederLieferungen a 2000 [ME] vorsehen (d. h.50 Lieferungen pro Periode a 2000 [ME])oder Lieferungen a 2500 [ME] beinhalten(d. h. 40 Lieferungen pro Periode a 2500[ME]). Fur die erste vorgegebene Liefer-politik resultieren bei einer Lot-for-lot-Po-litik beim Lieferanten Periodenkosten inHohe von 52.000 [a/Periode], wahrendbei der zweiten Lieferpolitik 42.815,5 [a/Periode] anfallen. Ohne Verhandlungen,d. h. bei �bernahme einer der Abrufpoliti-ken des Abnehmers, realisiert der Lieferanteine relative Kostenerhohung (Lose-Situa-tion) gegenuber seiner individuell optima-len Produktions- und Lieferpolitik von32.000 [a/Periode] bzw. 22.815,5 [a/Peri-ode]. Der Lieferant hat daher ein starkes

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Bild 3 Benutzeroberflache von DOSO

464 Eric Sucky

Interesse, dass der Abnehmer eine andereAbrufpolitik wahlt. Der starke Abnehmerwird jedoch zunachst keinen anderen, furihn suboptimale Belieferungsrhythmus ak-zeptieren, auch wenn dies aus der Perspek-tive des Lieferanten und gegebenenfallsauch aus SC-weiter Sicht vorteilhaft ware.Aus diesem Grund mochte der Lieferantdem Abnehmer ein Angebot machen, eineandere Abrufpolitik gegen Zahlung einesLogistikkostenzuschusses s zu wahlen. DerLieferant kennt lediglich die potenziellenAbrufpolitiken des Abnehmers (x*A ¼ 2000bzw. x*A ¼ 2500). Die Kostenstruktur desAbnehmers kennt er jedoch nicht. Der Lie-ferant nimmt in Abhangigkeit der mogli-chen Abrufpolitiken zwei potenzielle Kos-tenstrukturen (i ¼ 1, 2) des Abnehmers an:Mit einer Wahrscheinlichkeit von 70%(w1 ¼ 0,7) vermutet der Lieferant, dass dieBestellkosten des Abnehmers mit 100 [a](B1 ¼ 100) gegeben sind und der Lagerhal-tungskostensatz des Abnehmers 5 [a/(MEund Periode)] (h1 ¼ 5) betragt, d. h.

KA1 ðx*A ¼ 2:000Þ ¼ 10:000 [a/Periode]. Mit

der Gegenwahrscheinlichkeit von 30%(w2 ¼ 0,3) nimmt der Lieferant die Hoheder Bestellkosten des Abnehmers mit 250[a] (B2 ¼ 250) und den Lagerhaltungskos-tensatz des Abnehmers mit 8 [a/(ME undPeriode)] (h2 ¼ 2,5) an: KA

2 ðx*A ¼ 2:500Þ ¼20:000 [a/Periode].

4 SoftwaregestutzteAngebotsermittlung

4.1 DOSO – Ein softwarebasier-tes Verhandlungsunterstutzungs-system

In Zusammenarbeit mit Hulocon Huth Lo-gistics Consulting (http://www.hulocon.de)wurde die Software DOSO (Determina-tion of the Optimal Set of Contracts) mit-tels der Entwicklungsumgebung Delphi

entwickelt und implementiert, die Liefe-ranten bei der Generierung und Bewertungvon Angeboten interaktiv unterstutzt. DenKern dieser Software bildet ein Verfahrenzur Ermittlung des optimalen Angebots-sets. Die Funktionalitaten der Softwarewerden anhand des obigen Beispiels dar-gestellt.

Bild 3 zeigt die Benutzeroberflache derApplikation DOSO. Die Benutzeroberfla-che von DOSO ist in zwei Bereiche auf-geteilt. Wahrend der linke Bereich sowohlder Dateneingabe als auch der Ergebnisdar-stellung dient, werden auf der rechten Seitenur Ergebnisse grafisch und tabellarischdargestellt. Zunachst muss der Anwenderdie verhandlungsrelevanten Daten inDOSO eingegeben (Schritte 1, 2, 4 und 6in Bild 4 fur das obige Beispiel). Das Pro-gramm ermittelt unter Verwendung derBestimmungsgleichungen (2) und (4) (sieheAbschnitt 3.1) zunachst die individuell op-timalen Politiken der SC-Partner fur dieeingegebenen Kostenstrukturen. Die indi-

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Bild 4 Ein- und Ausgabebereich von DOSO

Softwaregestutzte Verhandlung in Supply-Chains 465

viduell optimalen Losungen sowie die re-sultierenden Kosten werden innerhalb derEingabefelder im linken Bereich der Be-nutzeroberflache angezeigt (Schritte 3, 5und 7 in Bild 4 fur das obige Beispiel).Das Programm DOSO visualisiert zu-

nachst grafisch die individuell optimalenLosungen im rechten Bereich der Benutz-eroberflache (siehe Bild 5). Es werden diemoglichen Verlaufe der Kostenfunktiondes Abnehmers sowie der Verlauf der Kos-tenfunktion des Lieferanten dargestellt.Bild 5 zeigt die grafische Darstellung derindividuell optimalen Losungen des Liefe-ranten und des Abnehmers fur die Bei-spieldaten aus Abschnitt 3.3. Der Anwen-der hat dabei die Moglichkeit, denDetaillierungsgrad der Darstellung zuwahlen, d. h. er kann beispielsweise wah-len, ob auch der Verlauf der Lager- und Be-stellkosten angezeigt wird. Auch kann derAnwender die Bereiche der Achsen-abschnitte festlegen.Sind alle relevanten Planungsdaten einge-

geben, ermittelt das Programm das optimaleAngebotsset sowie den resultierenden, mi-

nimalen Erwartungswert der Periodenkos-ten des Lieferanten (Bild 6). Dazu greiftDOSO auf ein Optimierungsverfahren zu,welches auf den notwendigen und hin-reichenden Optimalitatsbedingungen (Ka-rush-Kuhn-Tucker-Bedingungen) basiertund mit Sicherheit die optimale Losung desVerhandlungsmodells aus Abschnitt 3.3 ge-neriert [Suck03]. Dieser Algorithmus lieferteinerseits fur die betrachtete Problemstel-lung sechs potenzielle Angebotssets (jeweilsbestehend aus zwei anzubietenden Kom-binationen aus Lieferquantitat und Logis-tikkostenzuschuss). Andererseits werdenfur alle potenziellen Angebotssets Bedin-gungen zur �berprufung ihrer Optimalitatbereitgestellt [Suck04].Die Software DOSO bestimmt nun alle

sechs potenziellen Angebotssets, ermitteltanhand der Optimalitatsbedingungen dasoptimale Angebotsset und gibt dieses imrechten Bereich der Benutzeroberflacheaus (siehe Bild 6). Im Beispiel aus Ab-schnitt 3.3 ergibt sich folgendes optimaleAngebotsset: Eine Lieferquantitat von5.606,12 [ME] in Verbindung mit einem

Logistikkostenzuschuss von 5.799,06 [a/Periode] oder eine Lieferquantitat von4.387,43 [ME] mit einem korrespondieren-den Logistikkostenzuschuss von 3.247,81[a/Periode]. Außerdem ermittelt das Pro-gramm mit Hilfe der Kostenfunktion (1)des Lieferanten und der Zielfunktion (5)des Verhandlungsmodells den aus dem op-timalen Angebotsset resultierenden Erwar-tungswert der relevanten Periodenkostendes Lieferanten (im Beispiel 29.598,28 [a/Periode]). Diese werden dem Anwenderebenfalls angezeigt (siehe Bild 6).Ist die erste angenommene Kostenstruk-

tur des Abnehmers die tatsachliche undnimmt der Abnehmer das AngebotxG; 1 ¼ 5:606,12; s1 ¼ 5:799,06 an, so ergibtsich fur den Abnehmer KA

1 ðxG; 1Þ � s1 ¼10:000 [a/Periode] und KLðxG; 1Þ þ s1 ¼29:242; 8 fur den Lieferanten. Ist hingegendie zweite angenommene Kostenstrukturdes Abnehmers seine wahre und er nimmtdas Angebot xG; 1 ¼ 4:387,43; s1 ¼ 3:247,81an, so folgt KA

2 ðxG; 2Þ � s2 ¼ 20:000 undKLðxG; 2Þ þ s2 ¼ 30:427,6. In beiden Fallenrealisiert der Lieferant eine Kostenreduk-tion gegenuber der Ausgangssituation,wahrend sich der Abnehmer durch die An-gebotsannahme nicht schlechter stellt alsbei Realisierung seiner individuell optima-len Losung. Wahlt der Lieferant Logistik-kostenzuschusse, die ein wenig uber die er-mittelten hinausgehen, so wird auch derAbnehmer besser gestellt und es kommt zueiner Win-Win-Situation.

4.2 Integration von DOSOin bestehende APS

Ein APS ist ein modular strukturiertesInformationssystem, das eine standort-und unternehmensubergreifende Planung,Steuerung und Kontrolle von Wertschop-fungsprozessen unterstutzen soll [CoGo01,152]. Die Basis eines APS bilden die Enter-prise-Resource-Planning-(ERP-)Systemeder SC-Partner, auf deren Datenbasis APSzugreifen. Ein APS interagiert mit den ein-gesetzten ERP-Systemen, indem es aus die-sen notwendige Planungsdaten extrahiert,sie im Rahmen von Planungsmodellen ver-arbeitet und die generierten Ergebnisse denERP-Systemen als Vorgaben zur Ver-fugung stellt. In Bild 7 ist die Integrationder Software DOSO in ein bestehendesAPS des Lieferanten dargestellt.Wird die Applikation DOSO in existie-

rende ERP-Systeme oder APS integriert,muss der Lieferant die angenommenenKostenstrukturen des Abnehmers zunachstin DOSO eingeben (Schritt 1 in Bild 7).

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Bild 5 Grafische Darstellung der individuell optimalen Losungen mit DOSO

466 Eric Sucky

Die relevanten Rust- und Lagerhaltungs-kostensatze des Lieferanten extrahiertDOSO aus dem ERP-System des Lieferan-ten (Schritt 2 in Bild 7). Wird ein Mehrpro-duktunternehmen betrachtet, so liestDOSO aus dem ERP-System denjenigenRustkostensatz aus, der von der Auftrags-reihenfolge (Lossequenz) unabhangig ist.Reihenfolgeabhangige Rustkosten sind Ge-genstand der Ablauf- und Reihenfolgepla-nung, welche gemaß dem MRP-II-(Manu-facturing-Resource-Planning-)Konzepterst nach Festlegung der Produktionsauf-trage fur einen bestimmten Planungszeit-raum erfolgt.Das optimale Angebotsset wird ermittelt

und dem Anwender angezeigt (Schritt 3).Daraufhin wird das resultierende Ange-botsset dem Abnehmer via Internet uber-mittelt (Schritt 4). Der Abnehmer kann

nun das Angebotsset unter Verwendungvon Planungswerkzeugen seines APS pru-fen. Lehnt der Abnehmer das Angebotssetab, so kann der Lieferant auf der Basis al-ternativer Kostenstrukturen des Abneh-mers weitere Angebote ermitteln. Nimmtder Abnehmer ein Angebot an (Mitteilungvia Internet, Schritt 5), so wird die entspre-chende Abruf- und Lieferpolitik vonDOSO als Vorgabe in das Modul Produk-tionsplanung (PP) des APS des Lieferantenexportiert.

5 Fazit und Ausblick

Im Fokus des vorliegenden Beitrags lag dieunternehmensubergreifende Koordinationvon Liefer- und Abrufpolitiken in Supply-

Chains. Unter der praxisrelevanten Annah-me eines starken Abnehmers haben wiranalysiert, wie der Lieferant ohne genaueKenntnis der verhandlungsrelevanten In-formationen bezuglich der Kostenstrukturdes Abnehmers diesen durch eine Aus-gleichszahlung zu einer fur den Lieferantenprofitableren Abrufpolitik bewegen kann.Auf der Basis des entwickelten Verhand-lungsmodells wurde das Verhandlungs-unterstutzungssystem DOSO implemen-tiert, das den Lieferanten bei derGenerierung und Bewertung von Angebo-ten interaktiv unterstutzt. Da bestehendeSysteme des SCM bisher keine solcheFunktionalitaten anbieten, wurde vor-geschlagen, die Software DOSO in beste-hende APS zu integrieren. DOSO bietetdann, in Verbindung mit bestehendenSCM-Systemen, eine signifikante Entschei-

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Bild 6 Ergebnisoutput von DOSO

Softwaregestutzte Verhandlung in Supply-Chains 467

dungsunterstutzung im Rahmen von Ver-handlungen uber die zu realisierende Ab-ruf- und Lieferpolitik.In einem laufenden Projekt wurde

DOSO zur Analyse der Bestell- und Liefer-politik eines Zulieferers der Automobil-industrie (Abnehmer) und dessen Lieferan-ten eingesetzt. Anhand von Vergangen-heitsdaten konnte gezeigt werden, dassbeide SC-Partner eine Kostenreduktionrealisieren, wenn bei einer niedrigeren Lie-ferfrequenz mit hoheren Liefermengen jeLieferung sich der Lieferant an den Lager-kosten des Abnehmers beteiligt.Hinsichtlich des Einsatzpotenzials der

Software sind jedoch folgende Einschran-kungen kritisch zu betrachten. Einerseitswird in DOSO unterstellt, dass der Liefe-rant eine Lot-for-lot-Produktionspolitikverfolgt. Eine Erweiterung des Einsatz-potenzials des Verhandlungsunterstut-zungssystems auf praxisrelevante Produk-tionspolitiken mit der Moglichkeit vonTeillieferungen noch wahrend der laufen-den Produktion ist daher in Arbeit. Ande-rerseits sind die mit Hilfe der Software er-mittelten Ergebnisse naturlich davonabhangig, inwieweit der Lieferant in derLage ist, die Kostenstruktur des Abneh-mers hinreichend genau abzuschatzen. DaVerhandlungen in der Praxis aber haufig inmehreren „Runden“ ablaufen, konnendurch „vorsichtige“ Schatzungen bereitsgute Ergebnisse erzielt werden, die dann

iterativ verbessert werden. Angesichts derbisher nicht vorhandenen softwarebasier-ten Verhandlungsunterstutzung im Bereichder Koordination von Liefer- und Abruf-politiken eroffnet DOSO dem Lieferantendie Moglichkeit, das durch Verhandlungenerzielbare Einsparpotenzial bereits im Vor-feld zu analysieren und Verhandlungen ge-zielt vorzubereiten.Schließlich ist kritisch anzumerken, dass

die Software DOSO lediglich im Rahmenbilateraler Verhandlungen einsetzbar ist. Inpraxisrelevanten Verhandlungssituationensteht ein Lieferant jedoch meistens mehre-

ren Abnehmern gegenuber. In diesem Fallist es sinnvoll, das Verhandlungsunterstut-zungssystem in Verhandlungen mit demumsatzstarksten Abnehmer einzusetzen,da die Einsparpotenziale hier i. d. R. amgroßten sind.

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WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 459–469

Abstract

A Decision Support System for Buyer-Supplier Negotiations

This paper focuses on the coordination of order and production policies between buyersand suppliers in supply chains. Order quantities and delivery dates have to be negotiatedbetween the supply chain partners. The results of theses negotiations are strongly influencedby the bargaining power of the parties involved. We present a software tool which supportsthe supplier’s bargaining process. The software tool can be employed for the generation andevaluation of different offers.

Keywords: Supply Chain Management, Order and Production Policies, Coordination, Bar-gaining, Asymmetric Information, Decision Support Systems, Advanced Planning Systems

PP

DOSO

DatenERP-System des Lieferanten

Internet

APS-System des Lieferanten

5

PP

DOSO

DatenERP-System des Abnehmers

InternetInternet

APS-System des Abnehmers

4

1

3

2

Bild 7 Integration von DOSO in bestehende APS

468 Eric Sucky

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