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Bulletin SEV/VSE 17/04 9 Bleifrei articles spécialisés Die Zuverlässigkeit der Lötverbindun- gen darf nicht erheblich schlechter sein als mit den herkömmlichen Loten. Legierungen, deren Schmelzpunkte wesentlich über 200 °C liegen, sind un- interessant. Über alles gesehen erfüllen Lote auf Basis von Zinn diese Vorgaben am bes- ten. Als Legierungsbestandteile kommen Silber (Ag), Kupfer (Cu), Antimon (Sb), Wismut (Bi), Zink (Zn), Cadmium (Cd) oder Indium (In) in Frage. Die Auswahl der Legierungspartner ist einigermassen eingeschränkt. Cadmium ist giftig und Indium ist zu selten und zu teuer. Auch Wismut ist nicht in beliebigen Mengen vorhanden und SnBi bildet mit einer Bleikontamination von über 3% eine Le- gierung mit einem Schmelzpunkt von lediglich 96 °C, was unerwünscht ist. Bleifreie Legierungen Weltweit werden Legierungen geprüft, ob sie sich für die Elektronikproduktion eignen. Die viel versprechendsten Legie- rungen sind (Bild 1): Sn Ag3.5 (binäres Eutektikum 1) ) Sn Cu0.7 (binäres Eutektikum) Sn Ag2.5-4.1 Cu0.4-1.7 (Ternäres Eu- tektikum, Zusammensetzung noch un- bekannt) Sn Zn9 (binäres Eutektikum) Sn mit variierenden Beimischungen von Bi und Sb. Die im Moment kommerziell erhält- lichen Lotpasten werden oft mit Fluss- mitteln aufgebaut, die sich im Einsatz mit eutektischen SnPb-Loten oder SnPbAg- Loten bewährt haben. Die damit herge- stellten Lötstellen sind durchaus brauch- bar, der Prozess ist aber nicht optimal. Die bleifreien Lote benetzen schlechter als SnPb-Lote und die reaktiven Legie- rungen wie SnZn oxidieren schnell. Auf Grund der erhöhten Prozesstemperaturen polymerisieren die Flussmittel stärker und sind schwieriger zu entfernen. Die Bleifreies Löten: Technik ist bereit Materialien, Eigenschaften und Prozesse der bleifreien Lote In den nächsten Jahren werden Elektronikhersteller auf bleifreie Lote umstellen müssen. Technisch ist es möglich, die Produktion wird aber teurer, denn es müssen neue Maschinen angeschafft werden und die bleifreien Lote sind teurer. Die Wartung wird aufwändiger und die Kosten für die Energie steigen, denn die Prozesstemperaturen liegen höher. Noch ist offen, wie zuverläs sig die bleifreien Lötstellen auf längere Dauer sind. Durch gesetzliche Vorgaben, vor allem aber marktgetrieben, werden Elektronik- hersteller innerhalb der nächsten Jahre auf bleihaltige Lote verzichten müssen. Mögliche Ersatzlegierungen sind be- kannt, aber nicht alle sind sinnvoll. Wel- che Legierungen sich auf lange Sicht als Standardlot etablieren werden, ist noch nicht klar. Alle aussichtsreichen Kandida- ten haben einen hohen Zinngehalt. Die bleifreien Legierungen unterscheiden sich in ihren Eigenschaften, wie zum Bei- spiel dem Schmelzpunkt, dem Oxida- tionsverhalten oder dem Lösungsverhal- ten von Legierungen auf Zinn-Blei-Basis. Erste Untersuchungen über die Zuverläs- sigkeit lassen vermuten, dass Lötstellen aus bleifreien Legierungen vergleichbar sind mit denjenigen aus herkömmlichem Zinn-Blei. Lötstellen befestigen die Komponen- ten, übertragen elektronische Signale und leiten die Verlustwärme vom Bauteil weg. Herkömmliche Lote werden bei einer Temperatur von 230 °C gelötet, die bleifreien Legierungen sollen möglichst nahe bei dieser Temperatur verarbeitet werden können. Die Suche nach Ersatzle- gierungen ist nicht einfach, ein Ersatzlot muss mehrere Kriterien erfüllen: Die Legierungselemente müssen un- giftig sein. Die verwendeten Metalle dürfen nicht teuer sein und müssen verfügbar sein. Ersatzlegierungen sollten ohne grund- legende Anpassungen gängiger Pro- zesse angewendet werden können. Die Lote müssen kompatibel zu den Materialien im Produktionsprozess sein. Günter Grossmann Bild 1 Ersatzlegierungen für SnPb37 und ihre Schmelzbereiche Die meisten bleifreien Legierungen weisen einen 20 bis 50 °C höheren Schmelzpunkt auf als SnPb Quelle: EMPA

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– Die Zuverlässigkeit der Lötverbindun-gen darf nicht erheblich schlechter seinals mit den herkömmlichen Loten.

– Legierungen, deren Schmelzpunktewesentlich über 200°C liegen, sind un-interessant.

Über alles gesehen erfüllen Lote aufBasis von Zinn diese Vorgaben am bes-ten. Als Legierungsbestandteile kommenSilber (Ag), Kupfer (Cu), Antimon (Sb),Wismut (Bi), Zink (Zn), Cadmium (Cd)oder Indium (In) in Frage. Die Auswahlder Legierungspartner ist einigermasseneingeschränkt. Cadmium ist giftig undIndium ist zu selten und zu teuer. AuchWismut ist nicht in beliebigen Mengenvorhanden und SnBi bildet mit einer

Bleikontamination von über 3% eine Le-gierung mit einem Schmelzpunkt vonlediglich 96°C, was unerwünscht ist.

Bleifreie LegierungenWeltweit werden Legierungen geprüft,

ob sie sich für die Elektronikproduktioneignen. Die viel versprechendsten Legie-rungen sind (Bild 1):– Sn Ag3.5 (binäres Eutektikum1))– Sn Cu0.7 (binäres Eutektikum)– Sn Ag2.5-4.1 Cu0.4-1.7 (Ternäres Eu-

tektikum, Zusammensetzung noch un-bekannt)

– Sn Zn9 (binäres Eutektikum)– Sn mit variierenden Beimischungen

von Bi und Sb.Die im Moment kommerziell erhält-

lichen Lotpasten werden oft mit Fluss-mitteln aufgebaut, die sich im Einsatz miteutektischen SnPb-Loten oder SnPbAg-Loten bewährt haben. Die damit herge-stellten Lötstellen sind durchaus brauch-bar, der Prozess ist aber nicht optimal.Die bleifreien Lote benetzen schlechterals SnPb-Lote und die reaktiven Legie-rungen wie SnZn oxidieren schnell. AufGrund der erhöhten Prozesstemperaturenpolymerisieren die Flussmittel stärkerund sind schwieriger zu entfernen. Die

Bleifreies Löten: Technik ist bereitMaterialien, Eigenschaften und Prozesse der bleifreien Lote

In den nächsten Jahren werden Elektronikhersteller auf bleifreieLote umstellen müssen. Technisch ist es möglich, die Produktionwird aber teurer, denn es müssen neue Maschinen angeschafftwerden und die bleifreien Lote sind teurer. Die Wartung wirdaufwändiger und die Kosten für die Energie steigen, denn dieProzesstemperaturen liegen höher. Noch ist offen, wie zuverläs�sig die bleifreien Lötstellen auf längere Dauer sind.

Durch gesetzliche Vorgaben, vor allemaber marktgetrieben, werden Elektronik-hersteller innerhalb der nächsten Jahreauf bleihaltige Lote verzichten müssen.Mögliche Ersatzlegierungen sind be-kannt, aber nicht alle sind sinnvoll. Wel-che Legierungen sich auf lange Sicht alsStandardlot etablieren werden, ist nochnicht klar. Alle aussichtsreichen Kandida-ten haben einen hohen Zinngehalt. Die

bleifreien Legierungen unterscheidensich in ihren Eigenschaften, wie zum Bei-spiel dem Schmelzpunkt, dem Oxida-tionsverhalten oder dem Lösungsverhal-ten von Legierungen auf Zinn-Blei-Basis.Erste Untersuchungen über die Zuverläs-sigkeit lassen vermuten, dass Lötstellenaus bleifreien Legierungen vergleichbarsind mit denjenigen aus herkömmlichemZinn-Blei.

Lötstellen befestigen die Komponen-ten, übertragen elektronische Signale undleiten die Verlustwärme vom Bauteilweg. Herkömmliche Lote werden beieiner Temperatur von 230 °C gelötet, diebleifreien Legierungen sollen möglichstnahe bei dieser Temperatur verarbeitetwerden können. Die Suche nach Ersatzle-gierungen ist nicht einfach, ein Ersatzlotmuss mehrere Kriterien erfüllen:– Die Legierungselemente müssen un-

giftig sein.– Die verwendeten Metalle dürfen nicht

teuer sein und müssen verfügbar sein.– Ersatzlegierungen sollten ohne grund-

legende Anpassungen gängiger Pro-zesse angewendet werden können.

– Die Lote müssen kompatibel zu denMaterialien im Produktionsprozesssein.

Günter Grossmann

Bild 1 Ersatzlegierungen für SnPb37 und ihre SchmelzbereicheDie meisten bleifreien Legierungen weisen einen 20 bis 50 °C höheren Schmelzpunkt auf als SnPb

Quelle: EMPA

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flüchtigen Bestandteile der Pasten ver-schmutzen die Filteranlagen der Lötofenstärker.

Patente hemmen den HandelEin nicht zu unterschätzendes Problem

sind die Patente auf bleifreie Lote. Vorallem in den USA, wo ein Patent ohneNachprüfung erteilt wird und ein Nach-weis der Patentwürdigkeit erst im Streit-fall fällig wird, führt es dazu, dass Le-gierungen von mehreren Institutionenbeansprucht werden und dass Patente fürbereits bekannte Legierungen angemel-det werden. Dies ist zum Beispiel fürSnAg4Cu0.5 der Fall, das von AngelaGrusd bei Heraeus untersucht und publi-ziert worden ist, auf der Basis der Arbei-ten von Petzov in den 50er-Jahren.Ausserdem können ganze Legierungsbe-reiche von Zinnbasis-Loten durch Patenteabgedeckt werden. Die Iowa State Uni-versity hält sogar ein Patent, das nicht dieLote abdeckt, sondern alle im Prozessentstehenden Legierungen (Bild 2).

Die Patente, die auf der Zusammenset-zung der Lote bestehen, sind nicht vonBelang, da die Toleranzen in der Legie-rungsherstellung grösser sind als die Dif-ferenzen zwischen den Legierungen.Probleme könnten mit dem Iowa Univer-sity Patent auftreten, da jede Lötstelle inden USA zu einer Verletzung des Paten-tes führt. Die Auswirkungen dieser Situa-tion sind noch nicht klar.

Bleifreie Lote sind zuverlässigDas Deformationsverhalten von SnPb-

Loten ist weit gehend erforscht, und eswurden unterschiedliche Modelle zur Be-schreibung aufgestellt [2]. Dieses Wissenerlaubt es, sich ein Bild davon zu ma-chen, wie sich SnPb unter Belastung de-formiert. Das Deformationsverhalten derbleifreien Legierungen ist nicht ab-schliessend erforscht. Erste interessanteDaten liegen allerdings vor. Kriechversu-che, in denen Massivproben mit einerkonstanten Last beaufschlagt und die Zei-ten zum Bruch festgehalten werden, zei-gen Unterschiede zwischen verschiede-nen bleifreien Loten (Bild 3, 4) [3].

Bleifreie Lote benötigen bei gleicherLast eine längere Kriechdauer bis zumBruch als SnPb. Die Änderung in derSteigung der Spannungs-/Ausfall-Kurvenist ein Hinweis auf eine von der Span-nung abhängigen Änderung im Degrada-tionsmechanismus. Im System SnPb40ist diese Abhängigkeit bekannt. Sie rührtdaher, dass bei tiefen Spannungen ein an-derer Deformationsmechanismus (Korn-grenzengleiten, GBS) aktiviert wird alsbei hohen Spannungen (Versetzungsklet-

tern DC) [4]. Bei bleifreien Loten findetdieser Übergang offensichtlich bei höhe-ren Spannungen statt als bei SnPb40.Wird derselbe Test mit erhöhter Tempera-tur durchgeführt, so zeigt SnPb dieseÄnderung im Deformationsmechanismusnicht mehr, bei bleifreien Loten ist derÜbergang noch ersichtlich. Weitere Ver-suche [5] haben die Bruchdehnung fürdiverse Lote gemessen (Bild 5). Dabei istersichtlich, dass die bleifreien Lote einegeringere Bruchdehnung aufweisen alsSnPb bei gleicher Spannung. Beide Aus-sagen zusammengefasst lassen denSchluss zu, dass die Deformationsge-schwindigkeiten von bleifreien Loten umGrössenordnungen niedriger sind als die-jenigen von SnPb.

DegradationDegradationsdaten für bleifreie Lote

liegen erst aus stark beschleunigten Ver-suchen vor [5] (Bild 6). Auf den erstenBlick scheint es offensichtlich, dass diebleifreien Lote einer geringeren Degrada-tion unterworfen sind als das SnPb-Lot.Es ist aber zu beachten, dass im Test mitverlängerter Haltezeit die Ausfallkurvender unterschiedlichen Legierungen we-sentlich näher zusammenliegen als imTest mit kurzer Haltezeit. Zieht man dasunterschiedliche Deformationsverhaltender Legierungen in Betracht, so zeigtsich, dass in Belastungen mit langen Hal-tezeiten und somit mit weit gehender Re-laxation die Degradation von bleifreienund bleihaltigen Loten auf Zinnbasis ver-

Bild 2 Patente desSnAgCu�Systems [1]Das Patent der Iowa StateUniversity deckt die Löt�stelle ab. Wer mit SnAgCuoder mit SnAg lötet, ver�letzt ihr Patent.

Quelle: EMPA

Bild 3 Kriechversuch bei 25 °CBleifreie Lote kriechen langsamer als die herkömmlichen Lote, und es dauert länger, bis sie brechen. Die unter�schiedliche Steigung deutet auf unterschiedliche Mechanismen hin (Korngrenzengleiten und Ver�setzungsgleiten [4]).

Quelle: Heraeus

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gleichbar ist. Versuche mit langsamenTemperaturzyklen haben gezeigt, dassbleifreie Lote auf Zinn-Silber-Basisleicht schneller degradieren als Zinn-Blei[6].

Produktion: Lotpasten undFlussmittel

Untersuchungen an Lötpasten ver-schiedener Hersteller im Projekt «Lead-free» haben gezeigt, dass der Unterschiedim Benetzungsverhalten zwischen denPasten recht gering ist (Bild 7). Der grös-ste Unterschied zwischen den Pasten liegtin der Konstanz der Kugelgrössen und imDruckverhalten. Dies sind allgemeineProbleme von Druckpasten, die mit dembleifreien Lot nichts zu tun haben. In [5]wird darauf hingewiesen, dass die Legie-rungen je nach Oberfläche unterschied-lich benetzen (Bild 8). Inwieweit diesesVerhalten auf Grund der Lotlegierungauftritt oder durch das Flussmittel verur-sacht wird, ist schwierig zu sagen. Sokönnten die Benetzungsprobleme aufOSP eher ein Problem des Flussmittelssein, während die reduzierte Benetzungauf Pd auf Legierungsprobleme hinweist.

FlussmittelGegenwärtig werden für die Produk-

tion mit bleifreien Loten meist Standard-flussmittel verwendet, die sich mit SnPb-Loten bewährt haben. Die dabei erzieltenResultate sind für das SnAgCu-Systemim Reflowlöten durchaus vernünftig. Fürreaktivere Lote wie SnZn sind neueFlussmittel notwendig, die bereits in derEntwicklung sind. Im Wellenlötprozess

sieht es so aus, dass die vorhandenenFlussmittel modifiziert werden können,wobei allgemein aggressivere Flussmittelnötig sind. Die Industrie befindet sichnoch in einer Versuchsphase. Syntheti-sche, VOC2)-freie Flussmittel, die aufWasser basieren, scheinen das grösste Po-tenzial zu haben.

Mehr Krätze beim WellenlötenUm die bleifreien Prozesse zu optimie-

ren, wurden bereits einige Arbeitendurchgeführt [5,7,8]. Die Resultate sindals Leitplanken zu verstehen, da sieimmer produktespezifisch sind. BeimWellenlöten ist der Wechsel auf bleifreieLote vor allem anlagenseitig schwierig:

Quelle: Heraeus

Bild 4 Kriechversuch bei 100°CDerselbe Versuch bei 100°C zeigt bei SnPb keinen Knick mehr, bei den bleifreien Loten ist der Übergang zwi�schen den Deformationsmechanismen noch ersichtlich.

Bild 5 Bruchdehnung von LotenBleifreie Lote weisen eine geringere Bruchdehnungauf als Zinn�Blei. Allgemein deformieren sich blei�freie Lote langsamer als SnPb.

Quelle: EMPA

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Bereits nach wenigen Wochen entste-hen Löcher.

– Bleifreie Lote werden mit Vorteil unterStickstoff verarbeitet. Die Umrüstungbestehender Anlagen ist nicht immereinfach.

– Auf Grund der höheren Löttemperaturist es nötig, die Leiterplatten stärkervorzuheizen, um den Temperatur-schock zu minimieren. HerkömmlicheStrahlungsheizer haben damit Mühe,die Temperaturen zu erreichen, Kon-vektions-Vorheizstrecken sind nichtverbreitet.Trotz allem hat man schon einige Er-

fahrung mit bleifreien Wellen und kenntdie Lötprofile. Aus Bild 9 wird ersicht-lich, dass nicht nur die Prozesstemperatu-ren um 30°C angehoben werden, auchdie Prozesszeiten ändern sich. Durch denTemperaturgradienten von 2°C pro Se-kunde beim Vorheizen ist die Baugruppeeiner längeren Temperaturbelastung aus-gesetzt. Um einen genügenden Durch-stieg bei Leiterplatten mit mehr als 6Lagen sicherzustellen, verweilt die Bau-gruppe länger in der Kontaktzone.

In [8] werden folgende Wellenlötpara-meter empfohlen:

Flussmitteldicke: 2µmVorheiztemperatur: 130 °CBandgeschwindigkeit: 110 cm/minLöttemperatur: 260°CKontaktzeit: 3,5 sek.Eintauchtiefe 1. Welle: 1,5 mmEintauchtiefe 2. Welle: 0,5 mm

Versuche im europäischen Verbund-projekt «Leadfree» haben gezeigt, dassbei einer Transportgeschwindigkeit von100 cm/min für eine 4-Lagen-Leiterplattedie Temperatur der Welle auf 250 bis255°C reduziert werden kann. Die opti-male Kombination von Zeit und Tempe-ratur ist allerdings produktspezifisch.

Reflow: Enges TemperaturfensterBeim Konvektionslöten (Reflow) sind

die Probleme durch das Oxid und die ag-gressiven Legierungen kleiner. GeeigneteFlussmittel und Stickstoff verhindern,dass sich beim Löten laufend Oxide bil-den, und bewirken, dass die Kontaktflä-chen gut benetzt werden. Die höherenProzesstemperaturen haben zur Folge,dass vermehrt flüchtige Stoffe freigesetztwerden und die Filter verstopfen. ÄltereAnlagen haben Mühe, die nötige Heiz-energie aufzubringen, um die Löttempe-ratur zu erreichen.

Aus Bild 10 ist ersichtlich, dass dasProzessfenster beim bleifreien Lotenkleiner ist, eingegrenzt durch die minimalnötige Lötstellentemperatur und die Zer-störungsgrenze der Komponenten. Ein

Bild 6 Degradation: Bei langsamen Zyklen liegen Lote näher beieinanderBild a: Fehlerrate bei Temperaturzyklen von 0 bis 100 °C (10 °C/Min., Haltezeit 5 Min.); Bild b: Fehlerrate beiTemperaturzyklen von –55 bis 125 °C, (10 °C/Min., Haltezeit 20 Min.)

Quelle: NCMS

Bild 7 Verschiedene LotpastenMittlerer Benetzungswinkel verschiedener Lotpasten am Anschluss eines Keramikkondensators mit Zinnober�fläche

Quelle: NCMS

– Die reaktiven Lote wie SnZn bildengrosse Mengen Krätze, da das Lotimmer wieder mit Luft in Kontaktkommt.

– Die silberhaltigen Lote bilden nichtwie bisher leicht entfernbare Oxid-schichten, sondern eine dünne Schicht,

die nur schwer von der Leiterplatte ab-geschoben werden kann.

– Lote mit hohem Zinnanteil sind her-vorragende Lösungsmittel für Eisenund Nickel. Bestehende Wellenlötanla-gen können darum nicht verwendetwerden, da der Lottiegel zerstört wird.

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interessanter Ansatz wird von James Vin-cent (Marconi GB) in [8] beschrieben. Inder Arbeit wurde als Prozessmass dieFläche unter der ν-t-Kurve oberhalb derLiquidustemperatur3) (QT) genommen.Sobald QT grösser 120 ist, sind die Löt-stellen optisch und unter thermischerWechselbelastung in Ordnung, wobei QT120 während 25 Sekunden eine Löttem-peratur von 8 bis 10°C über der Liqui-dustemperatur bedeutet. In der Praxis hatsich dieser Ansatz nicht bewährt, da dieBestimmung von QT in der Linie zumühsam ist. Eine Daumenregel ist einfa-cher umzusetzen. In «Leadfree» wurdenmit mindestens 15°C über Liquidus wäh-rend einer Zeitdauer von 30…120 Sekun-den gute Lötergebnisse erzielt.

Dampfphasenlöten bleibt gleichBleifreie Lote sind in Dampfphasen-

lötanlagen problemlos. Durch die defi-nierte Kondensationstemperatur ist derLötpeak genau festgelegt. Die Baugruppekann nicht überhitzen, alle Bauteile wer-den gleichmässig erwärmt. Das Mediumerzeugt eine inerte Atmosphäre, die eineOxidation der Schmelze verhindert. Miteinem Medium mit einer Siedetemperaturvon 240°C können SnAg und SnAgCueinwandfrei verarbeitet werden. Es istaber zu berücksichtigen, dass die Tempe-raturdifferenz zur Umgebung grösser istals im Prozess mit SnPb. Daher muss dieBaugruppe kontrolliert vorgeheizt wer-den, bevor sie in das Medium eingetauchtwird. Die Nachteile der Dampfphasesind, dass das Medium Treibhausgase bil-det und somit bedenklich für die Umweltist und dass das Dampfphasenlöten einBatchprozess ist, der nicht den Durchsatzeines Konvertions-Durchlauftunnels er-reicht.

Neue Regeln in der QualitätskontrolleEin Qualitätsproblem dürfte das Aus-

sehen der bleifreien Lötstellen sein. In

Bild 8 Benetzung auf unterschiedlichen OberflächenDie Oberflächen werden je nach Lotpaste unterschiedlich gut benetzt

Quelle: EMPA

Bild 9 Empfohlenes Wellenlötprofil aus [6] für SnAg und SnAgCu

Quelle: Depstraten

Bild 10 Reflow Prozessfenster für SnAg und SnAgCu

Quelle: Depstraten

Bild 11 Rauhe Oberfläche einer bleifreien Lötstelleim QuerschliffBleifreie Lote erstarren zuerst in Dendriten und erstdanach in den Zwischenräumen. Durch den Schwundbeim Abkühlen zieht sich das Lot in den Zwischen�räumen zurück und hinterlässt eine matte Ober�fläche.

Quelle: EMPA

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Soudure sans plomb: la techniqueest prêteMatériaux, propriétés et procédés des soudures sansplomb

Ces prochaines années, les fabricants de produits électroniques vont devoirpasser à la soudure sans plomb. Techniquement, c’est déjà possible mais la pro-duction coûte plus cher car elle exige l’acquisition de nouvelles machines et lessoudures sans plomb sont plus coûteuses. La maintenance est plus complexe et lescoûts d’énergie augmentent étant donné que les températures de travail sont plusélevées. Et on ne connaît pas encore la fiabilité des soudures sans plomb à longterme.

erster Linie ist es ein kosmetisches Prob-lem, da die Lötstellen matt sind. Silber-haltige Lote erstarren primär in Dendri-ten, sekundär erstarrt die Schmelze in denZwischenräumen. Durch Schwund ent-stehen die rauen Lotoberflächen, die matterscheinen (Bild 11). Es ist zu bedenken,dass das Aussehen einer Lötstelle immerein Abbild von deren Innenleben ist.Darum ist es notwendig, die Qualitätskri-terien zu überdenken. Die mässige Benet-zung von NiPd-Oberflächen zeigt sich ingrossen Benetzungswinkeln.

Ein weiteres Qualitätsproblem ist dasFilletlifting, in dem sich der Lötmeniskusbei Durchkontaktierungen vom Lötauge

abhebt (Bild 12). Der Defekt hat zwei Ur-sachen: Erstens können sich an derGrenze zur Padmetallisierung lokal nie-drigschmelzende Legierungen bilden.Gleichzeitig ist dieses Gebiet eine derwärmsten Zonen. Dadurch erstarrt derLotkegel vor der Grenzschicht und trenntsich durch Materialschwund vom Löt-auge. Zweitens können Layoutfehlerdazu führen, dass die Grenzschicht zumLötauge später erstarrt als der Lotkegelselbst und sich dieser aus der flüssigenGrenzschicht abhebt. Elektronikherstel-lern aus Japan, die mit bleifreien Lotenproduzieren, ist das Problem bekannt, eswird aber nicht als kritisch betrachtet.Eine Auffassung, die sich im Feld zu be-wahrheiten scheint.

Ein ernsthaftes Qualitätsproblem stelltdie Kontamination mit Blei dar. Bis jetztwurde immer davon ausgegangen, dassnur wismuthaltige Lote gefährdet sind, dasich eine SnBiPb-Legierung bildet, dieeinen Schmelzpunkt von 96°C hat. DaveSurarski von AIM Solder hat in einerUntersuchung gezeigt, dass bei allen blei-freien Loten, die mit Blei kontaminiertsind, die Zuverlässigkeit der Lötstelle ab-nimmt. Da der Lotkonus von aussengegen innen erstarrt, findet eine Entmi-schung der Schmelze statt, wie beim Zo-nenschmelzen. Am Schluss entsteht ander Grenzschicht zum Pad oder zum Löt-auge eine Zone, in der das Blei entlangden Korngrenzen der bleifreien Lot-kristalle erstarrt (Bild13). Erste Abklä-rungen weisen darauf hin, dass der Effektzu einer beschleunigten Degradation derLötstellen führt. Die Situation ist nochunübersichtlich, da in [8] gezeigt wird,dass eine leichte Kontamination vonSnAg und SnAgCu mit Blei die Zuver-lässigkeit der Lötstellen erhöht. Dass dieBleikontamination in wismuthaltigenLoten zu einer drastischen Reduktion derTemperaturwechselbeständigkeit führt,ist allerdings gesichert.

Ein letztes Problem scheint die Zinn-pest zu sein [10], die offensichtlich beibleifreien Legierungen unterschiedlichstark auftritt. Zinnpest ist die Umwand-lung von ß-Zinn (tetragonal flächenzen-triert) in a-Zinn (kubisch Diamant), diebei reinem Zinn unterhalb 13°C stattfin-det. Dies ist keine Korrosion, sonderneine Phasenumwandlung. SnPb-Misch-kristalle zeigen keine Zinnpest. Offen-sichtlich haben aber zinnreiche, bleifreieLegierungen in Extremtests eine Tendenzdazu gezeigt, deren Relevanz allerdingsnicht gesichert ist.

Referenzen[1] Suga,T: Electronic Goes Green 2000, Berlin[2] Weber, Ludger: Diss. ETH 12251. Zürich, 1997[3] Grusd, Angela: Connecting to Lead�Free Solders.

Circuits Assembly August 1999[4] Grossmann, Günter: Die Zuverlässigkeit von Löt�

stellen. 4. Europäisches Elektroniktechnologie�Kolleg 2001

[5] Lead Free Solder Project. NCMS 1999[6] Grossmann Günter, Nicoletti Giovanni, Solèr

Ursin: Results of Comparative Reliability Tests onLead Free Solder Alloys, Proc. 52nd ECTC, 2002

[7] Depstraten, G.: Planung und Implementierungder Bleifrei�Technik. EPP1/2 ff. 2001

[8] Harrison M.; Vincent J.: IDEALS Project 2000[9] Woodrow Th.A.: The effects of Trace Amounts of

Lead on the Reliability of Six Lead� Free Solders,Proceedings IPC Lead�Free Conference, 2003

[10] Kariya, Yoshiharu; Gagg, Colin; Plumbridge, Wil�liam: Tin pest in lead�free solders. Soldering &Surface Mount Technology 13/1, 2000, Seiten39–40

Angaben zum AutorDipl. Ing. FH, Günter Grossmann ist seit 1999

Senior Engineer an der EMPA Dübendorf, wo er sichmit der Leitung von wissenschaftlichen Projektensowie der Ausfallanalyse von elektronischen Baugrup�pen und Komponenten befasst. Sein Hauptfor�schungsgebiet sind gegenwärtig Produktionsbedin�gungen und Materialeigenschaften bleifreier Lote. Eidgenössische Materialprüfungs� undForschungsanstalt EMPA, CH�8600 Dübendorf, [email protected]

1 Ein Eutektikum ist diejenige Zusammensetzung vonzwei oder mehreren Stoffen in einer Legierung, die denniedrigsten Schmelzpunkt aufweist. Weicht das Mi-schungsverhältnis vom Eutektikum ab, so scheidet sichbeim Abkühlen der Schmelze zuerst der im Überschussenthaltene Stoff aus, bis das Eutektikum erreicht ist.2 VOC: Volatile Organic Compounds, flüchtige organi-sche Komponenten3 Liquidustemperatur: Untere Temperaturgrenze desschmelzflüssigen Zustandes

Bild 12 Filletlifting der Lötstelle einer Durchkontak�tierung

Quelle: EMPA

Bild 13 Bleidekoration entlang den Korngrenzenbleifreier Lote

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Die Fachgruppe EKON der ITG ver-anstaltet am 29. September an derFH Aargau in Windisch zu diesemThema eine Fachtagung:

Bleifreie Elektronik –Logistik im GriffSiehe Seite 64 in dieser Ausgabe