SolidarMed aktuell Nr. 66 / August 2011

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Nr. 66 / 17. August 2011 Spendenkonto: 60-1433-9 www.solidarmed.ch Editorial 2 Brennpunkt: Zwischen Not und Hoffnung im Musiso-Spital 3 Interview: Der Schweizer Botschafter zur Lage in Zimbabwe 6 Verschiedenes: Solidarisches Liechtenstein 8 Auf dem Weg zur Besserung. Nr. 66 / 17. August 2011 Spendenkonto: 60-1433-9 www.solidarmed.ch Zimbabwe:

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Zimbabwe auf dem Weg zur Besserung

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Nr. 66 / 17. August 2011Spendenkonto: 60-1433-9

www.solidarmed.ch

Editorial 2Brennpunkt: Zwischen Not und Hoffnung im Musiso-Spital 3Interview: Der Schweizer Botschafter zur Lage in Zimbabwe 6Verschiedenes: Solidarisches Liechtenstein 8

Auf dem Weg zur Besserung.

Nr. 66 / 17. August 2011Spendenkonto: 60-1433-9

www.solidarmed.ch

Zimbabwe:

Dar es Salaam

Ancuabe

Lesotho

ZimbabweSilveira-SpitalMusiso-Spital

Harare

Maseru

Seboche-Spital

Paray-Spital

Chainama College

Kafue-Spital

Livingstone-Spital

Lusaka

Zambia

Mpanshya-Spital

Maputo

Moçambique

Masvingo

Tanzania

Dodoma

Ifakara

Chiúre

Dareda-Spital

Lugala-Spital

Mbulu

2 SolidarMed aktuell

Was darf ein Leben kosten?Die Schweizer Politik diskutiert mit der Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» oder mit der neuen Spitalfi nanzierung kritische Versorgungsfragen. Dies, weil der Spardruck im Gesundheitswesen immer deutlicher spürbar wird. Die Debatte gipfelt in der Frage: Wie viel darf ein Leben kosten? Die medizinische Versorgung der Bevölkerung in Afrika beschäftigt SolidarMed mit seinen Partnern in vergleichbarer Weise, jedoch mit einer andern Ausgangs-lage. Ein Tag mit dem SolidarMed-Arzt Roman Lässker zeigt, woran es in einem abgelegenen simbabwischen Spital mangelt (Seiten 3-5).

Während sich die Schweiz fragt, ob sie bei der medizi-nischen Versorgung bescheidener werden soll, sucht Afri-ka einen Weg, den Menschen überhaupt das notwendigste Angebot zu ermöglichen. Im Süden ist man sich gewohnt, dass der Gürtel schon sehr eng sitzt und es gibt Strate-gien, mit den äusserst knappen Ressourcen ein Minimum an Versorgung sicherzustellen (Seiten 6-7). Die Ziele der schweizerischen und afrikanischen Gesundheitssysteme sind die gleichen: Eine für jede/n zugängliche, qualita-tiv gute Grundversorgung zu bezahlbaren Preisen. Die Herausforderungen decken sich ebenfalls: Es braucht genügend gut ausgebildetes Gesundheitspersonal und fi nanzielle Mittel.

Die Bescheidenheit Afrikas und das fi nanzielle Knowhow der Schweiz sind eine gute Kombination, um die gemein-samen Ziele zu erreichen. In der Entwicklungszusam-menarbeit werden Organisationen unter anderem daran gemessen, wie viele Leben gerettet werden können. Wenn SolidarMed effi zient und kostengünstig arbeitet, erhöht sich die Chance, Mittel dafür zu bekommen, wie das Interview mit Bruno Ospelt zeigt (Seite 8).

SolidarMed stärkt Spitäler in Afrika, damit diese der Bevölkerung effektiv helfen können. Das ist nur mit Ihrer Hilfe möglich. Herzlichen Dank!

Svend Capol, Präsident SolidarMed

Impressum «SolidarMed aktuell» 66/2011SolidarMed, Obergrundstrasse 97, Postfach, CH-6000 Luzern 4, Telefon +41 41 310 66 60, Fax +41 41 310 66 62, www.solidarmed.ch

Redaktionsteam: Silvia Bucher, Benjamin Gross, Lisbeth Pembele, Joel MeirTexte: Benjamin Gross Gestaltung: Silvia Bucher Umschlagsbild: Zimbabwe, Stephen Tischhauser Druck: Brunner AG, Druck und Medien, Kriens Aufl age: 12 200 Exemplare

«SolidarMed aktuell» erscheint viermal jährlich – die nächste Ausgabe im November 2011. Das Abonnement kostet jährlich CHF 5.— und wird einmalig von Ihrer Spende abgezogen. Für Mitglieder ist es im Jahresbeitrag enthalten.

Mitgliedschaft: CHF 50.— für Einzelmitglieder; CHF 80.— für Familien und Institutionen.

Spenden und Mitgliederbeiträge überweisen Sie bitte mit entsprechendem Vermerk an: Aus der Schweiz: Postkonto 60-1433-9, lautend auf: SolidarMed, CH-6000 Luzern 4Vom Ausland: IBAN: CH0909000000600014339, BIC: POFICHBEXXX, Geldinstitut: Swiss Post, Postfi nance, Nordring 8, 3030 Bern, Konto 60-1433-9, lautend auf: SolidarMed, CH-6000 Luzern 4 Online spenden: www.solidarmed.ch «Spenden»Lastschriftverfahren (LSV): www.solidarmed.ch «Spenden» oder auf telefonische Bestellung

Herzlichen Dank!

SolidarMed ist ZEWO-zertifi ziert und steht für einen effi zienten und gewissenhaften Einsatz Ihrer Spende. Spenden an ZEWO-zertifi zierte Organisationen können in den meisten Kantonen der Schweiz von den Steuern abgezogen werden. Weitere Informationen fi nden Sie auf unserer Website: www.solidarmed.ch «Spenden» oder direkt beim Steueramt Ihrer Gemeinde.

Editorial Zimbabwe

Einst die grosse Hoffnung des südlichen Afrikas, ist das Land mit seinen 11,8 Millionen Einwohner/innen in eine beispiellose ökonomische und politische Krise gestürzt. Mit Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen:

- Die Lebenserwartung beträgt 42 Jahre (82*)- 8 Frauen sterben bei 1000 Geburten (0,05*)- 90 Kinder sterben bei 1000 Geburten (5*)- 15,3 Prozent der Bevölkerung sind HIV-positiv (0,6*)- Es gibt 2 Ärzte für 10 000 Einwohner/innen (40*)

*Vergleich mit der Schweiz

Quelle: WHO.int/countries/zwe/en

Mr. Mukungwa, der Anästhesiepfl eger des Musiso-Spitals, bereitet einen jungen Patienten mittels Narkosespritze für die Operation vor. Ein Teil des Darmes dieses Kindes war eingeklemmt und abgestorben. Ohne diese Operation wäre der Junge mit Sicherheit gestorben.

Bild: Roman Lässker

SolidarMed aktuell 3

SolidarMed bleibt auch im krisengerüttelten Zimbabwe dem Grundsatz treu, bestehende Spitäler zu stärken. Weil die Lage kritisch ist, kümmern sich SolidarMed-Ärzte neben ih-rer Projektarbeit täglich um viele Patient/innen und unterstützen in den Spitälern Musiso und Silveira die medizinische Grundversorgung für 350 000 Menschen. Ein Tag unterwegs mit Dr. Roman Lässker zeigt, welch breitem Spektrum an Krankheiten und Verletzungen die Mediziner bei ihrer Arbeit begegnen und wie SolidarMed darauf reagiert.

Früh am Morgen fährt Dr. Lässker mit dem Fahrrad den kurzen Weg ins Musiso-Spital, vorbei an der mit der Hilfe von SolidarMed eben erst wieder eröffneten Krankenpfl e-geschule und den neuen Personalhäusern. Im Spital ange-kommen, haben die Pfl eger/innen gerade das Morgengebet beendet und schwärmen gut gelaunt in die verschiedenen Abteilungen aus. In der Morgenbesprechung geht es meis-tens um fehlende Medikamente oder spezielle Patienten wie die 28-jährige Frau, die mit ihrem drei Monate alten Baby ins Spital kam, weil es die letzten vier Wochen im-merzu erbrach und stark an Gewicht verlor. «Die Mutter suchte mit der kleinen Tochter in verschiedenen medizi-nischen Einrichtungen zwischen hier und Harare Hilfe. Die Kleine wurde mit allen vorhandenen Arten von Antibiotika behandelt, aber auch in der Hauptstadt konnte man ihr nicht helfen», erzählt der Schweizer Arzt. «Wir diagnostizierten

hier im Musiso eine angeborene Verengung des Darmes und konnten das Kind erfolgreich operieren.»

Der Strom reicht nicht für alleUm die Entwicklung des Musiso-Spitals im abgelegenen Zaka-Distrikt zu begleiten, reiste Dr. Roman Lässker 2010 mit seiner Familie nach Musiso in Zimbabwe. Dort arbei-tet er als einer von zwei SolidarMed-Ärzten zusammen mit einem simbabwischen Arzt und ist für die Umsetzung der SolidarMed-Projekte zur Spitalentwicklung verantwortlich (siehe Kasten Seite 5). In der momentanen Krisensituati-on steht die klinische Tätigkeit von Roman Lässker oft im Vordergrund. Bis vor kurzem gab es viele Unterbrüche in der Wasser-versorgung. Dank den von SolidarMed fi nanzierten Was-sertanks mit einer Kapazität von 40 000 Litern können

Alltag im Musiso-Spital:

Zwischen Not und Hoffnung

Brennpunkt

4 SolidarMed aktuell

Das Musiso-Spital sichert die medizinische Versorgung

In Zimbabwe werden gegen 80 Prozent der ländlichen Bevölkerung durch kirchliche Spitäler versorgt. Eines davon ist das Musiso-Spital, das SolidarMed schon seit 40 Jahren unterstützt. Es liegt im Zaka-Distrikt, rund 340 Kilometer südlich der Hauptstadt Harare.

Rund 200 000 Einwohner/innen sind bei Krankheit oder einem Un-fall auf Hilfe in diesem Spital angewiesen. Die häufi gsten am Spital behandelten Krankheiten nebst HIV/Aids sind Tuberkulose, Durchfall, Lungenentzündung, Malaria und immer wieder auch Cholera.

Das kirchliche Spital ist integriert in das öffentliche Gesundheitswesen des Landes und für die gesamte medizinische Grundversorgung der Region zuständig. Das Musiso beschäftigt insgesamt 189 Mitarbei-tende.

Brennpunkt

kürzere Unterbrüche überbrückt werden. Immer wieder bleiben die staatlichen Wasserleitungen jedoch über eine Woche trocken, was nicht mehr kompensiert werden kann. Weil die Stromversorgung an drei von fünf Arbeitstagen ausfällt, versorgt häufi g der Dieselgenerator das Spital für einige Stunden mit Strom. Diese Zeit wird genutzt, um einige Patienten mit dem alten, aber zuverlässigen Ultra-schallgerät zu untersuchen. Für alle Patient/innen reicht die Zeit jedoch nicht. So warten sie bis am nächsten Morgen.

Fünf Tage bis ins SpitalRoman Lässker wird bereits im Operationssaal erwartet. Welche Eingriffe heute anstehen, erfuhr er am Vortag. «Ein eigentliches Planungssystem für die Operationen wäre zum Scheitern verurteilt», erklärt er. «Viele der Pati-enten könnten nicht zu den geplanten Terminen erscheinen, weil sie zuerst das Geld für die Reise ins Spital aufbringen müssen.» Er erinnert sich an einen 35-jährigen Kleinbau-ern, der sich die rechte Schulter ausgerenkt hatte. Eine äus-serst schmerzhafte Verletzung. «Er lief einen halben Tag

lang zum nächsten Gesundheitszentrum. Dort konnten sie ihm nicht helfen und schickten ihn ans Spital. Ihm fehlte aber das Geld für die Reise. Zurück zu Hause borgte er sich etwas von Verwandten, um den Weg ein drittes Mal unter die Füsse zu nehmen.» Musiso erreichte der Bauer nach fünf Tagen. Das Einrenken war nach so langer Zeit schwie-rig, gelang aber unter Narkose. Mit einer Armschlinge und Schmerzmitteln ausgerüstet, konnte der Mann den langen Heimweg antreten. Für 200 000 Einwohner der Region ist das Musiso das ein-zige Spital, in dem operiert werden kann. Dabei geht es um Kaiserschnitte, Abszesse, Krokodil- und Schlangenbisse, Verletzungen nach Verkehrsunfällen oder das Richten von Brüchen.

Neue Herausforderung: Chronische KrankheitenNoch ist nicht Mittag. Als nächstes steht der tägliche Rund-gang durch die Krankenzimmer an. Zusammen mit der zuständigen Pfl egefachfrau bespricht der Arzt die kompli-zierten Fälle, wobei das Vermitteln von Wissen ein wich-tiger Teil der gemeinsamen Arbeit ist. Beim Verbandwech-sel wird der Heilungsverlauf der chirurgischen Patienten beurteilt. «Einzelne Knochenbrüche werden hier noch mit Zug am Bein behandelt, was bedeutet, dass die Patienten das Bett für zwei Monate nicht verlassen dürfen.» Roman Lässker sagt es und richtet seinen Blick schon in die nächs-te Abteilung, wo ihn die Leute mit den chronischen und Infektionskrankheiten auf den einfachen Stahlbetten er-warten. Während die Therapien für HIV-Patient/innen dank SolidarMed mittlerweile auch im abgelegenen Musiso er-hältlich sind, erreichen immer mehr chronische Krank-heiten wie Bluthochdruck und Diabetes das ländliche Zimbabwe. Regelmässige Kontrollen wie Blutdruck-, Blut-zuckermessung und die Versorgung mit gekühlten Medi-kamenten sind wegen den grossen Distanzen eine riesen-grosse Herausforderung.

Nicht nur die Patienten, auch das Spital braucht HilfeBei 2 600 Geburten pro Jahr sind gefährliche Komplikati-onen an der Tagesordnung. In absehbarer Zeit sollen sim-babwische Ärzte die Leben dieser Mütter und Babys durch einen Kaiserschnitt retten. So werden bei den SolidarMed-Ärzten zusätzliche Kapazitäten frei für die Arbeit hinter den Kulissen, die das Spital nachhaltig stärkt. Denn nicht nur die vielen Patienten müssen gepfl egt werden. Das Spital selber «kränkelt» und verschiedene Verbesserungen sind dringend nötig, damit es den Betrieb weiterhin gewähr-

Die ausführlichen Projekt be schriebe

fi nden Sie auf unserer

Website: www.solidarmed.ch

unter «Zimbabwe»

SolidarMed aktuell 5

So hilft SolidarMed im Musiso-Spital

Dank der von SolidarMed unterstützten Pfl egeschule hat sich die Personalsituation am Spital entspannt und es werden momentan 64 Krankenpfl egende ausgebildet. SolidarMed fi nanzierte den Bau von zwei Personalhäusern für insgesamt vier Familien. Eine wichtige Massnahme um die qualifi zierten Angestellten am Spital zu halten. Zwei dringend benötigte zusätzliche Personalhäuser sind bis Ende 2012 bezugsbereit.

Dr. Muzondo, der einheimische Arzt ist seit Mai 2008 in Musiso tätig und erhält von SolidarMed eine Lohnaufbesserung. Diese ist notwendig, um einheimische Ärzte zu halten. Er wird von den SolidarMed-Ärzten fachlich begleitet.

SolidarMed unterstützt das Musiso mit einem Beitrag für medizinisches Material wie sterilen Handschuhen oder intravenösem Anti-biotikum gegen schwere Infektionen. Hinzu kommt die Wartung und Verbesserung der Infrastruktur und während der Krisenzeit auch fi nanzielle Hilfe.

Die SolidarMed HIV-Therapie SMART ermöglicht bis heute über 2500 Infi zierten ein Leben trotz HIV. Sie bleiben gesellschaftlich inte-griert, können weiter arbeiten und für ihre Kinder sorgen. Die Zahl der Menschen, die von dieser Therapie profi tieren, steigt täglich an. Damit auch der Bedarf an fachlicher Betreuung.

SolidarMed hat in Musiso im Moment zwei Schweizer Ärzte im Einsatz, die für die Projekte (Spitalentwicklung, Ausbildung, HIV-Therapie) verantwortlich sind und auch klinisch arbeiten. Die allmähliche Entspannung der wirtschaftlichen und humanitären Situation ermöglicht, dass SolidarMed ab 2012 die Anstellung von 2-3 simbabwischen Ärzten unterstützen kann.

SolidarMed engagiert sich zudem in vergleichbarer Form im Silveira-Spital im benachbarten Distrikt Bikita.

Der SolidarMed-Arzt Roman Lässker bespricht mit der verantwort-lichen Pfl egefachfrau die weitere Behandlung einer Patientin.

Bild: Karolin Pfeiffer

Wie jeden Abend hofft er auf eine ruhige Nacht, denn je-derzeit kann wegen einem Notfall das Telefon klingeln. Fällt der Strom wieder einmal aus, läuft der Nachtwächter zum Ärztehaus und läutet mit einer Glocke.

Brennpunkt

leisten kann, sei es in der Buchhaltung, bei medizinischem Material, Unterkünften für das Personal oder der Wasser-versorgung.

Den Nachmittag verbringt der Schweizer Arzt auf der HIV-Abteilung. Dort gilt es, den Therapieverlauf der Patient/innen zu beurteilen und auf Komplikationen zu reagieren. Seit SolidarMed im Jahr 2005 damit begann, die lebens-erhaltende ART-Therapie im Musiso-Spital anzubieten, konnten über 2 500 Aids-Kranke von den Medikamenten profi tieren. 82 Prozent dieser Patient/innen leben dank der Therapie bis heute.

Die Hoffnung auf eine ruhige NachtEs wird Abend. Als Letztes schaut der Arzt auf der Ge-burtsabteilung vorbei und bespricht mit der Hebamme die kommende Nacht. «Danach gehe ich mit vielen neuen Ein-drücken nach Hause,» schliesst Roman Lässker.

«Viele der Leute wohnen sehr abgelegen und müssen bei einem Notfall erst Geld für

den Transport auftreiben.» Roman Lässker,

SolidarMed-Arzt in Zimbabwe

6 SolidarMed aktuell

Interview

SolidarMed: Zimbabwe steht in der UNO-Rangliste für soziale Entwicklung an 169. und damit letzter Stelle. Was bedeutet das für die Bevölkerung?Alexander Wittwer: Die Folgen der vergangenen Krisen-jahre sind nachhaltig. Zimbabwe verzeichnete über viele Jahre negative Wachstumszahlen. Die früher intakte Infra-struktur wurde vernachlässigt und taugt heute nicht mehr viel. Dennoch wartet die Bevölkerung auf einen beschei-denen Aufschwung. Die Menschen erhoffen sich genügend Nahrung, einen gesicherten Arbeitsplatz, bessere Löhne, genügend Mittel für die Bezahlung der Schulgelder für ihre Kinder, eine angemessene medizinische Versorgung und eine gewisse politische und wirtschaftliche Stabilität.

Oft kann man lesen, dass Zimbabwe auf dem Weg der Besserung ist. Teilen Sie diese Meinung?Die Bevölkerung Zimbabwes ist tatsächlich daran, sich in kleinen Schritten vom wirtschaftlichen Niedergang der letzten zehn Jahre zu erholen. Die meisten Schulen und Spitäler sind wieder geöffnet. Das sozioökonomische Um-feld hat sich seit Anfang 2009 auf sehr niedrigem Niveau verbessert. Die Hyperinfl ation konnte mit der Einführung des US-Dollars als offi zielles Zahlungsmittel überwunden werden. Es werden wieder Minimalsaläre ausbezahlt – so erhält zum Beispiel ein Staatsangestellter knapp 200 US-Dollar pro Monat. Nichtsdestotrotz liegt die Arbeitslosig-keit aber immer noch bei rund 90 Prozent.

Was war für die Wende entscheidend? Ausschlaggebend für die positiven Veränderungen der letz-ten zwei Jahre ist aus meiner Sicht das globale politische Abkommen (GPA) zwischen den verschiedenen Parteien. Mit dem Einbezug der Oppositionspartei in die Regie-rungskoalition, der geplanten Ausarbeitung einer neuen Verfassung und der anschliessenden Durchführung von

Wahlen soll Zimbabwe in eine bessere Zukunft geführt werden. Dieser schwierige Prozess wird im Rahmen der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) durch den südafrikanischen Präsidenten begleitet.

Wie schätzen Sie die Situation in ländlichen Regionen ein, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheitspro-bleme und medizinische Versorgung? Wie gesagt: Es gibt positive Anzeichen. Allerdings ist die medizinische Versorgung ein entscheidender Teil der wei-terhin kritisch zu bewertenden Infrastruktur. In den Kri-senjahren kam es zu einer eigentlichen Landfl ucht, weil die Grundversorgung nicht mehr richtig funktionierte. Hun-ger, Arbeitslosigkeit, fehlende Schulen und die Herausfor-derungen aufgrund der hohen HIV/Aids-Rate führten die Menschen in die grösseren Städte oder ins benachbarte Ausland. Zudem blieb die Umsetzung der Landreform hin-ter den Erwartungen zurück.

Ende 2008 mussten Spitäler teilweise geschlossen wer-den. Wie ist die Versorgung heute?In den Städten ist die Versorgung wieder einigermassen gewährleistet und etwas besser als noch vor drei Jahren. In ländlichen Gegenden ist die Lage naturgemäss schwieriger und teilweise noch immer kritisch. Viele Menschen müs-sen noch immer Dutzende von Kilometern zu Fuss gehen,

In ländlichen Gegenden ist die Gesundheitsversorgung kritischInterview mit Alexander Wittwer, Schweizer Botschafter in Zimbabwe

Der Schweizer Botschafter Alexander Wittwer begann seine Aufgabe in Zimbabwe unmittel-bar bevor das Land Ende 2008 wirtschaftlich und gesellschaftlich auf den Kollaps zusteuerte. Die Regale in den Läden waren leer, Spitäler und Schulen geschlossen. Nur langsam erholt sich das Land. Botschafter Wittwer schildert die aktuelle Situation und erklärt, weshalb Kontinuität bei der Arbeit von SolidarMed für rund 350 000 Menschen wichtig ist.

«Gerade im Gesundheitswesen kann eine gute und lokal stark verankerte Präsenz mit zuverlässigen Partnern einen wichtigen Beitrag zur medizini-schen Versorgung der Bevölkerung leisten.»

Andreas Wittwer, Schweizer Botschafter in Zimbabwe

Das vollständige Interview

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unter «Zimbabwe»

SolidarMed aktuell 7

Schlange stehen für den Arztbesuch in Zimbabwe. Patient/innen warten vor dem Silveira-Spital auf ihre Behandlung.Bild: Urs Allenspach

um überhaupt eine erste medizinische Betreuung zu erhal-ten, die aber bestenfalls als notdürftig zu bezeichnen ist.

Was können Hilfswerke aus der Schweiz bei so grosser Armut überhaupt bewirken? Wie könnte die Wirkung aus Ihrer Sicht verbessert werden? Hilfswerke wie SolidarMed sind für uns wichtige Partner bei der Unterstützung Zimbabwes. Gerade im Gesund-heitswesen kann eine gute und lokal stark verankerte Prä-senz mit zuverlässigen Partnern einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung leisten. Wichtig sind auch das Weitergeben von Wissen an die lokalen Ärzte sowie die gezielte Aus-und Weiterbildung des Pfl egepersonals. Grössere und auch kleinere Beiträge personeller, materieller und fi nanzieller Natur sind in der heiklen Phase der Transition für Zimbabwe überlebensnot-wendig und werden entsprechend geschätzt. Und nicht zu-letzt ist die Unterstützung beim Wiederaufbau, beispiels-weise im Bereich des Spitalwesens, auch ein Zeichen der gelebten Solidarität zwischen der Schweiz und Zimbabwe.

Dank der Unterstützung durch SolidarMed können die beiden Spitäler Musiso und Silveira für rund 350 000 Menschen die medizinische Grundversorgung sicher-stellen. Wie ist es in Regionen, in denen die Spitäler nicht unterstützt werden?Tatsächlich kommen dank der Unterstützung aus der Schweiz und auch dank Anwesenheit von SolidarMed-Ärzten in den beiden genannten Spitälern fast eine halbe Million Menschen in den Genuss einer medizinischen Grundversorgung. Angesichts der gegenwärtigen Bevölke-rungszahl von rund elf Millionen Menschen ist das nicht zu unterschätzen. Indem sie solche Spitäler fachmännisch und gezielt unterstützt, geht die Schweiz im internationalen

Vergleich mit gutem Beispiel voran.

Die DEZA unterstützt SolidarMed beim Bau von Perso-nalhäusern für Spitalangestellte. Was erhoffen Sie sich von dieser Massnahme?Der Bau von Personalhäusern ist ein wichtiger Bestand-teil des «Gesundheitspfeilers» unseres Programms. Damit leis ten wir einen Beitrag, um die Rekrutierung von Pfl ege-personal und gut qualifi zierten Ärzten für die erwähnten Spitäler zu erleichtern. Eine minimale Infrastruktur (Was-ser, Energie) und eine angemessene Sicherheit sind für die Arbeit in einem nicht immer einfachen Umfeld zwingend nötig. Aufgrund der grossen Migration in den letzten Jah-ren besteht noch immer ein chronischer Unterbestand an medizinischem Personal. Ländliche Gegenden sind be-sonders stark betroffen, was sich stark auf die Qualität des Gesundheitswesens und den Zugang der Bevölkerung dazu auswirkt – insbesondere im Bereich HIV/Aids.

Alexander Wittwer ist seit 1987 im Dienst des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten. Seine diploma-tische Laufbahn begann er an der schweizerischen UNO-Mission in Genf und in Washington D.C.. Danach folgten einige Jahre in Bern und in Budapest. 1996 führte ihn seine Arbeit ein erstes Mal für vier Jahre nach Harare. Seit 2008 ist er bevollmächtigter Bot-schafter der Schweiz in Zimbabwe.

8 SolidarMed aktuell

Agenda1. November bis 24. Dezember 2011: «Sammeln für Afrika – Jeder ProBon hilft». Spendenaktion der ProBon-Fachgeschäfte zugunsten von SolidarMed. 4./6./11./12. No vember 2011: Nik Hartmann zeigt seine Fotos aus Afrika an verschiedenen Orten der Schweiz. 12.-17. Dezember 2011: Die Spendenak-tion «Jeder Rappen zählt» der Glückskette kommt nach Luzern. Dieses Jahr sammeln die Moderator/innen für «Mütter in Not».

Verschiedenes In der Nähe von Malinyi im Ulanga-Distrikt, Tanzania.

Kinder pumpen Wasser für ihre Familien.

Bild: Benjamin Gross

Der Ruf nach einer besseren Gesundheitsversorgung für die Menschen im südlichen Afrika ist längst über die Schweiz hinaus auch in Liechtenstein hörbar. Dort setzt sich seit 2006 die Rowdeldy-Stiftung für die Anliegen von SolidarMed ein. Nach dem Zugang zu einer HIV-Therapie und sauberem Trinkwasser für 72 Dorfgemeinschaften im Ulanga-Distrikt in Tanzania macht sich die Stiftung mit ihrem Gründer Bruno Ospelt und dessen Freundes- und Bekanntenkreis nun für das Spital in der Region stark.

Solidarisches Liechtenstein:

Gesundheit ist ein Menschen recht

SolidarMed: Sie engagieren sich seit Jahren für SolidarMed und die Gesundheit der Menschen in Afri-ka. Was treibt Sie an?Bruno Ospelt: Ich weiss es nicht genau. Es ist einfach eine Art inneres Bedürfnis. Es sind aber auch Vorbilder, die zum Engagement motivieren. Studiert man die Geschichte Afrikas, so erkennt man, dass die sog. entwickelte Welt mitschuldig ist an diesem Elend. Es spielt also wahrschein-lich auch ein gewisses Verpfl ichtungsgefühl mit. Was wünschen Sie sich für die Menschen in Tanzania am meisten?Dass diesen Leuten endlich Gerechtigkeit widerfährt und wenigstens die wichtigsten Menschenrechte eingelöst wer-den.

Sie waren selber dort. Was hat Sie am meisten berührt?Die bittere Armut, Not und Ausweglosigkeit. Aber auch, dass sich diese Leute trotz dieser traurigen Situation an etwas erfreuen können.

Sie unterstützen mit Ihrer Stiftung das abgelegene Lugala-Spital. Was wird am dringendsten benötigt?Es fehlt einfach an allem. Dringend sind vor allem die Ver-besserung der Gebäudestruktur, Verbesserung der hygie-nischen Verhältnisse, Verbesserung, resp. Erweiterung der technischen Einrichtungen und Schulung des Personals.

Man kann sich für vieles engagieren. Wie entscheiden Sie, was Ihre Stiftung unterstützt?Wir müssen vom Sinn der jeweiligen Projekte überzeugt sein. Wichtig sind eine überschaubare Grösse, ein über-zeugender Leistungsnachweis und Transparenz der Orga-nisation.

Was sollten die Menschen in Liechtenstein und der Schweiz über Afrika wissen?Manchmal gibt es Kritik an der Entwicklungshilfe, zum Teil berechtigt. Dies betrifft aber vor allem die sogenannte öffentliche Entwicklungshilfe (von Staat zu Staat). Organi-sationen in der Art von SolidarMed leisten jedoch Hilfe di-rekt vor Ort und schliessen somit die Korruption aus. Afri-ka braucht Reformen, auch wenn sie schmerzhaft sind. Ein Volk kann aber Reformen nur verwirklichen, wenn es aus der bittersten Armut herauskommt, einigermassen gesund ist und über eine gewisse Bildung verfügt.

Detailinformationen zu den

Veranstaltungen fi nden Sie

auf www.solidarmed.ch