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Vida Jesensek, Universitt Maribor, Slowenien Pdagogische Fakultt, Abteilung fr Germanistik Erwerb von Phrasemen aus kognitiver Sicht 0 Einleitung Bereits ein flchtiger berblick ber einige Lehrmaterialien, die in Slowenien in neuester Zeit beim DaF-Unterricht verwendet werden, lsst die Feststellung zu, dass das phraseologische Inventar der deutschen Sprache im weiteren Sinne quantitativ wie qualitativ eher sporadisch als systematisch zum Gegenstand des Spracherwerbs gemacht wird. Phraseme im engeren Sinne (Idiome) werden zwar als so genannte Redewendungen bzw. Redensarten eingefhrt, jedoch in der Regel ohne metasprachliche Kommentare. Insbesondere fehlen die Sensibilisierung fr Gebrauchsprferenzen und -restriktionen sowie Hinweise auf Entsprechungen in der Erst- und/oder in weiteren Fremdsprachen. Auch Phraseme im weiteren Sinne, wie etwa Routineformeln und Kollokationen, die zwar recht zahlreich vertreten sind (so zum Beispiel im neuesten slowenischen DaF-Lehrwerk Du und Deutsch (1997, 1998)), werden als relativ feste Einheiten des Lexikons mit besonderem lexikalischen Status nicht thematisiert. Meine weiteren berlegungen beziehen sich nur auf klassische Phraseme (Idiome) des Typs eine glchliche Hand haben (imeti sre_no roko). Anhand ausgewhlter deutscher und slowenischer Phraseme will ich auf eine relativ hohe zwischensprachliche phraseologische Konvergenz, die in erster Linie kognitiv begrndet ist, aufmerksam machen und betonen, dass ihre Bercksichtigung beim Erwerb von Phrasemen im DaF-Unterricht sehr nutzbringend sein kann. 1 Deutsche und slowenische Phraseologie in Kontakt Slowenisch und Deutsch sind zwei Jahrhunderte lang im stndigen und intensiven Kontakt sich befindende Nachbarsprachen. Unmittelbare Beziehungen in geographischer, politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zeigen sich zugleich in einer spezifischen Dynamik und Intensitt sprachlicher Beeinflussungen, wobei das Deutsche in der Regel die beeinflussende Sprache war. 1 Auf dem slowenischsprachigen Gebiet hatte sie nmlich sehr lange eine Prestige-Position in allen Bereichen des ffentlichen Lebens, was zu intensiven 1 In Bezug auf die Auffassung des Deutschen als plurizentrische Sprache ist hierbei zu bercksichtigen, dass die deutsche Kontaktsprache sehr oft die sterreichische Sprachvariett war bzw. ist, wo bestimmt auch sterreichische phraseologische Spracheigenheiten beobachtet werden mssen. Fr die vorliegenden berlegungen scheint dies allerdings weniger wichtig zu sein.

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Vida Jesensek, Universit�t Maribor, Slowenien

P�dagogische Fakult�t, Abteilung f�r Germanistik

Erwerb von Phrasemen aus kognitiver Sicht

0 Einleitung

Bereits ein fl�chtiger �berblick �ber einige Lehrmaterialien, die in Slowenien in neuester Zeit

beim DaF-Unterricht verwendet werden, l�sst die Feststellung zu, dass das phraseologische

Inventar der deutschen Sprache im weiteren Sinne quantitativ wie qualitativ eher sporadisch

als systematisch zum Gegenstand des Spracherwerbs gemacht wird. Phraseme im engeren

Sinne (Idiome) werden zwar als so genannte Redewendungen bzw. Redensarten eingef�hrt,

jedoch in der Regel ohne metasprachliche Kommentare. Insbesondere fehlen die

Sensibilisierung f�r Gebrauchspr�ferenzen und -restriktionen sowie Hinweise auf

Entsprechungen in der Erst- und/oder in weiteren Fremdsprachen. Auch Phraseme im

weiteren Sinne, wie etwa Routineformeln und Kollokationen, die zwar recht zahlreich

vertreten sind (so zum Beispiel im neuesten slowenischen DaF-Lehrwerk Du und Deutsch

(1997, 1998)), werden als relativ feste Einheiten des Lexikons mit besonderem lexikalischen

Status nicht thematisiert. Meine weiteren �berlegungen beziehen sich nur auf klassische

Phraseme (Idiome) des Typs eine gl�chliche Hand haben (imeti sre_no roko). Anhand

ausgew�hlter deutscher und slowenischer Phraseme will ich auf eine relativ hohe

zwischensprachliche phraseologische Konvergenz, die in erster Linie kognitiv begr�ndet ist,

aufmerksam machen und betonen, dass ihre Ber�cksichtigung beim Erwerb von Phrasemen

im DaF-Unterricht sehr nutzbringend sein kann.

1 Deutsche und slowenische Phraseologie in Kontakt

Slowenisch und Deutsch sind zwei Jahrhunderte lang im st�ndigen und intensiven Kontakt

sich befindende Nachbarsprachen. Unmittelbare Beziehungen in geographischer, politischer,

wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zeigen sich zugleich in einer spezifischen Dynamik

und Intensit�t sprachlicher Beeinflussungen, wobei das Deutsche in der Regel die

beeinflussende Sprache war.1 Auf dem slowenischsprachigen Gebiet hatte sie n�mlich sehr

lange eine Prestige-Position in allen Bereichen des �ffentlichen Lebens, was zu intensiven

1 In Bezug auf die Auffassung des Deutschen als plurizentrische Sprache ist hierbei zu ber�cksichtigen, dass diedeutsche Kontaktsprache sehr oft die �sterreichische Sprachvariet�t war bzw. ist, wo bestimmt auch�sterreichische phraseologische Spracheigenheiten beobachtet werden m�ssen. F�r die vorliegenden�berlegungen scheint dies allerdings weniger wichtig zu sein.

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Entlehnungs- und Calquierungs- bzw. Integrationsprozessen und folglich zur Germanisierung

der slowenischen Sprache gef�hrt hat. So sollte das Slowenische Anfang des 19. Jahrhunderts

neben dem Sorbischen sogar die meist germanisierte slawische Sprache sein. Besonders

intensiv beeinflusste das Deutsche die Lexik und somit auch die Phraseologie der

slowenischen Sprache. In der Phraseologie beobachteter Sprachen herrscht folglich - im

Unterschied zu den traditionellen Vorstellungen von der Phraseologie als nationale,

einzelsprachspezifische, unwiederholbare Eigent�mlichkeit einer jeden Sprache - eine

auff�llige �hnlichkeit, sowohl in der Form als auch hinsichtlich der Bedeutung. Bereits ein

fl�chtiger Blick auf eine beliebige Menge von �quivalenten Phrasemen zeigt n�mlich einen

relativ hohen Grad der formellen sowie semantischen Symmetrie (nach Jenko (1994) und

Vor_i_ (2000) betr�gt sie bis zu 50 %). Somatismen mit der Konstituente Hand / roka, die im

Beitrag n�her beobachtet werden, decken sich sogar bis zu 60 %.2 Allerdings sollen

�bereinstimmungen nur relativ verstanden werden, eher im Sinne einer Quasi-Konvergenz,

denn relevante Ergebnisse setzen systematischere und ausf�hrlichere Vergleichsanalysen

unter strukturellen, semantischen, stilistisch-pragmatischen und kulturellen Aspekten voraus,

die aber f�r das beobachtete Sprachenpaar zur Zeit noch ein Desiderat sind. Das Resultat ist

aber trotzdem provokativ genug, um �ber Gr�nde und Ursachen, wohl aber auch �ber

methodisch-didaktische Konsequenzen im slowenischen DaF-Unterricht nachzudenken.

2 Soziolinguistische Sicht auf phraseologische Quasi-Konvergenz

Auf den ersten Blick sind Gr�nde und Ursachen f�r viele �bereinstimmungen slowenischer

und deutscher Phraseme au§ersprachlich bedingt, wor�ber schon die Rede war.3 Intensive

soziale, politische, kulturelle Kontakte hatten eine ebenso intensive sprachliche Dynamik zur

Folge, und relativ hohe Grade der phraseologischen Konvergenz sind soziolinguistisch

erkl�rbar. Dabei inbegriffen ist der gesamteurop�ische Kulturraum, basierend auf der antiken

2 Duden 11 (Redewendungen und sprichw�rtliche Redensarten) verzeichnet 128 phraseologische Einheiten mitder Konstituente Hand, und bei 77 Belegen (etwa 60 %) l�sst sich auf Grund der sprachlichen Kompetenz einesMuttersprachlers und durch den Vergleich in zweisprachigen W�rterb�chern eine Quasi-�bereinstimmung inForm und Bedeutung feststellen. �hnliches wurde auch f�r das Russische konstatiert (vgl. Mokienko 1998, 545).3 Vgl. dazu Kranzmeyer, E. (1944): Die deutschen Lehnw�rter in der slowenischen Volkssprache, Ljubljana;Sovre, A. (1959/60): V kozji rog ugnati in _e kaj, v: JiS, 181-184; Bezlaj, F. (1959/60): Vloga kalkov vsloven__ini, v: JiS, 140-143; Bor_tnik, B. (1960/61): _e nekaj besed o reklih in kalkih, v: JiS, 173-175; Striedter-Temps, H. (1963): Deutsche Lehnw�rter im Slowenischen, Berlin, Wiesbaden; Prun_, E. (1967): Das innereLehngut in der slowenischen Schriftsprache. Versuch einer Typologie der Lehnpr�gungen im Slowenischen,Graz; Topori_i_, J. (1987): Historisch bedingter geistiger Hintergrund slowenischer Sprichw�rter undRedewendungen, v: Burger, H., R. Zett (Hg.): Aktuelle Probleme der Phraseologie, Bern, 291-321; isti (1991):Slovensko-nem_ki jezikovni stiki, v: Dru_benost slovenskega jezika, Ljubljana, 13-19; Kri_man, M. (1989):Jezik kot socialni in nacionalni pojav. Primerjalno z jezikovnimi odnosi v Radgonskem kotu, Maribor; isti

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und christlichen Tradition. So lassen sich europaweit verbreitete Phraseme, die in der Bibel,

Mithologie und in der klassischen Literatur ihren Ursprung haben, erl�utern: von Pontius zu

Pilatus laufen : hoditi od Poncija do Pilata; der h�rt den Kuckuck nicht mehr rufen : ta ne bo

ve_ sli_al kukavice peti; ein wei§er Rabe : bela vrana. Auch Phraseme, die allt�gliche

Lebenserfahrungen kollektiver Natur widerspiegeln, sind nicht individuell bzw.

einzelsprachlich interpretierbar. Bei derartigen Konvergenzerscheinungen sind eher

polygenetische Entstehungsgeschichten anzunehmen: das f�nfte Rad (am Wagen) sein : biti

peto kolo; aus allen Wolken fallen : pasti iz oblakov; um etwas herumgehen wie die Katze um

den hei§en Brei : vrteti se kot ma_ka okoli vrele ka_e. Schlie§lich liefern in neuester Zeit

auch Maseenmedien samt globaler Informationszug�nglichkeit Belege international

verbreiteter Phraseme, wie etwa gr�nes Licht (f�r etw.) geben : dati zeleno lu_ (za kaj); die

Spitze des Eisberges : vrh ledene gore. Dies ist ein Beitrag zur Internationalisierung der

phraseologischen Inventare europ�ischer Sprachen, wohl in �bereinstimmung mit der

bekannten Feststellung von de Courtenay �ber einen prinzipiellen Mischcharakter

europ�ischer Sprachen. Derartige �berlegungen zu Entlehnungs- bzw. �bergangsprozessen

innerhalb der Phraseologie europ�ischer Sprachen sind zwar akzeptabel, aber Vorsicht ist

trotzdem geboten, denn Grenzen zwischen eigenem und �bernommenem Sprachgut im

europ�ischen Raum zu setzen ist ein �u§erst schweres und nicht selten ein delikates

Unterfangen (vgl. Mokienko 1998).

Nimmt man soziolinguistische Erkl�rungen zahlreicher phraseologischer �bereinstimmungen

als Folgen einer intensiven zwischensprachlichen Dynamik trotzdem an, so erfolgt

notwendigerweise ein gr�ndliches Nachdenken �ber die Selektionskriterien. Welche

phraseologischen Benennungen werden von der nehmenden Sprache akzeptiert und

�bernommen? Bekannterweise nicht alle. Aus psychologischer Sicht sind nur diejenigen

metaphorischen Bilder akzeptabel, die mit eigener Wahrnehmung der Welt �bereinstimmen,

nur diejenigen, die eigene Welterfahrungen und Lebensauffassungen widerspiegeln. Der

Sprecher muss mit dem fremdsprachigen phraseologischen Begriffsbild einverstanden sein,

sonst ist nicht anzunehmen, dass er es in seine Sprache �bernimmt.

(1997): Jezikovna razmerja. Jezik pragmatike in estetike v obmejnih predelih ob Muri, Maribor; Pohl, H. (1997):Deutsch-Slowenisch, v: Kontaktlinguistik, Berlin, New York, 1813-1820.

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3 Kognitive Sicht auf phraseologische Quasi-Konvergenz

Wie angedeutet, spielen psychologische und/oder kognitive Dimensionen der Sprache bei

sprachlichen �bernahmen eine wesentliche Rolle. Kognitiv und psychologisch orientierte

Sprachwissenschaft (und darunter auch Phraseologieforschung) liefert in neuester Zeit

wichtige Erkenntnisse �ber semantische Prinzipien und Benennungsmechanismen, die einen

stark universellen Charakter haben. So ist zum Beispiel bekannt, dass in den meisten

modernen Sprachen bestimmte Lexeme phraseologisch aktiver sind als andere. Zu derartigen

Lexemen geh�ren auch Benennungen von K�rperteilen, wie Hand und roka, die hier n�her

beobachtet werden. Gr�nde daf�r sind bestimmt nicht nur in der zwischensprachlichen

Dynamik und in Entlehnungsprozessen zu suchen. Im beobachteten Fall sind sie eher

biologisch begr�ndet: Die Hand ist eine Besonderheit des Menschen per excellence, und an

diese anthropologische Tatsache gebunden sind mehrere kognitiv, sozial und kulturell

bedingte metaphorische Bedeutungen. Sie sind somit �bereinzelsprachlich, quasi sprachlich

universell und nicht einzelsprachspezifisch. Die Hand ist Werkzeug, Instrument, Waffe, sie

symbolisiert Arbeit, T�tigkeit, Hilfe, aber auch Macht, Einfluss, Autorit�t, Leitung,

�berlegenheit, wie die ausgew�hlten Belege unten zeigen. Die zugrunde liegende Metaphorik

ist in Wahrnehmung, Erfahrung und Kultur des Sprechers begr�ndet. Metaphern sind somit

�bereinzelsprachliche Merkmale der Kommunikation mittels Sprache, was zu intensiveren

zwischensprachlichen Beziehungen f�hren kann und folglich auch die phraseologische

Konvergenz f�rdert. Diese ist demnach auch innersprachlich im Sinne von sprachlich

universell bedingt, wenn wir zugleich die Thesen �ber universelle Gesetzm�§igkeiten in

Phraseologisierungsprozessen sowie Erkenntnisse �ber semantische und syntaktische

Modellhaftigkeit in der Phraseologie akzeptieren.

4 Deutsche und slowenische Phraseme mit der Konstituente Hand / roka

Kognitiv orientierte Phraseologieforschung geht davon aus, 1. dass der Mensch die Welt auf

der Basis seiner naiven nicht-wissenschaftlichen Erfahrungen wahrnimmt und sie nach

�hnlichkeitsprinzipien ordnet, kategorisiert, konzeptualisiert und 2. dass die Sprache diese

Konzepte widerspiegelt und zugleich mitkonstituiert4. Analytisch gesehen lassen sich

Konzepte Bedeutungsbeschreibungen einzelner phraseologischer Einheiten entnehmen. So

4 Vgl. Dobrovol'skij (1995, 67): ÈDie Sprache ist 'weltmodellbezogen' nicht nur in dem Sinne, da§ sie dieentsprechende Wirklichkeitsperspektive reflektiert, sondern auch in dem Sinne, da§ sie sie mitkonstituiert.Ç

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sind bei den Phrasemen mit der Konstituente Hand bzw. roka5 in beiden Sprachen unter

anderem folgende semantische Deskriptoren erkennbar6:

Arbeit als Lebensunterhalt

(1) von der Hand in den Mund leben : _iveti iz rok v usta

(2) von seiner H�nde Arbeit leben : _iveti od dela svojih rok

Arbeit, T�tigkeit (frei oder begrenzt)

(3) alle/beide H�nde voll zu tun haben : imeti polne roke dela

(4) in die H�nde spucken : pljuniti v roke

(5) freie Hand haben / (jmdm.) lassen : imeti/pustiti ( komu) proste roke

(6) jmdm. sind die H�nde und F�§e gebunden : ima zvezane roke in noge

(7) gebundene H�nde haben : imeti zvezane roke

Instrument, Werkzeug, Verh�ltnis zur Arbeit

(8) zwei linke H�nde haben : imeti dve levi roki

(9) mit beiden H�nden zugreifen : zgrabiti z obema rokama

(10) eine gl�ckliche Hand haben : imeti sre_no roko

(11) eine ungl�ckliche Hand haben : imeti nesre_no roko

(12) mit der linken Hand : z levo roko

(13) (jmdm. etw.) (leicht/gut) von der Hand gehen : (delo/kaj) gre (dobro) od/izpod

rok

Kampf

(14) Hand an jmdn. legen : polo_iti roko na koga

(15) Hand an sich legen : polo_iti roko nase

Hilfe, Zusammenarbeit

(16) Hand in Hand arbeiten : delati z roko v roki

(17) Hand in Hand gehen : iti z roko v roki

(18) (jmdm.) zur Hand/an die Hand gehen : iti (komu) na roko/na roke

(19) (jmds.) rechte Hand (sein) : (biti) desna roka (_igava)

(20) seine/die Hand �ber jmdn. halten : dr_ati roko nad kom

(21) Eine Hand w�scht die andere : Roka roko umije

5 Belege entstammen dem Duden 11, dem Deutsch-slowenischen W�rterbuch von Debenjak und dem gro§enW�rterbuch der slowenischen Standardsprache (SSKJ). Die Auswahl ist illustrativ.6 Deskriptoren sind selektioniert und wiederum nur illustrativ zu verstehen, denn eine ausf�hlichere Analysew�rde ein komplexeres Deskriptorennetz zu Tage bringen. So k�nnte man bereits (1) und (2) unter anderem auch'negativ' bzw.'pozitiv' zuschreiben.

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(22) seine/die Hand (von jmdm.) abziehen : odtegniti roko (komu)

Sicheinsetzen, Schutz, Haftung

(23) (f�r jmdn./etw.) die/seine Hand ins Feuer legen : dati (za koga/kaj) roko v ogenj

(24) sich (f�r jmdn./etw.) die Hand abhacken/abschlagen lassen : dati/pustiti si roko

odrezati (za koga/kaj)

Macht, Einfluss, Leitung, Autorit�t

(25) (jmdn./etw./sich) in der Hand haben : imeti v rokah ( koga/kaj/se)

(26) die/seine Hand auf jmdn./etw. haben/halten : imeti/dr_ati roko nad kom/_im

(27) in (jmds.) Hand/H�nden sein : biti v rokah (_igavih/koga)

(28) in sicheren/guten/schlechten H�nden sein : biti v varnih/dobrih/slabih rokah

(29) die/alle F�den in der/seiner Hand haben/halten : imeti/dr_ati vse niti v (svojih)

rokah

(30) die Z�gel in der Hand haben/halten : imeti vajeti v rokah

(31) (jmdn./etw.) in die Hand/in die/seine H�nde bekommen/nehmen : dobiti/vzeti v

(svoje) roke (koga/kaj)

(32) (jmdm). in die H�nde fallen/kommen : priti/pasti v roke (_igave/kak_ne/komu)

(33) (jmdm. jmdn./sich/etw.) in die Hand geben : dati v roke (komu koga/sebe/kaj)

(34) in (jmds.) Hand/H�nde �bergehen : preiti v roke (_igave/koga)

(35) die Hand/H�nde nach jmdm./etw. ausstrecken : stegniti/stegovati roke po

kom/_em

(36) (etw.) aus der Hand geben : dati iz rok (kaj)

(37) (jmdm. etw.) aus der Hand nehmen : vzeti iz rok (komu kaj)

(38) von Hand zu Hand gehen : iti/prehajati iz rok v roke

(39) durch (jmds.) Hand/H�nde gehen : iti skozi roke (_igave/koga)

Entfernung

(40) zur Hand sein : biti pri roki

(41) (etw.) bei der Hand/zur Hand haben : imeti pri roki (kaj).

Es ist evident, dass analytisch gewonnene Deskriptoren zu Phrasemen mit gemeinsamer

Basiskomponente Hand / roka mehreren Konzepten zuzuschreiben sind. Phraseme mit

identischen autosemantischen Komponenten versprachlichen m�glicherweise mehrere

Konzepte. Mit Lakoff7 lassen sich Begriffe 'Arbeit', 'T�tigkeit', 'Macht', 'Einfluss', 'Leitung',

7 Lakoff, G. (1987): Women, fire, and dangerous things. What categories reveal about the mind. Chicago,London.

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'Kampf', 'Entfernung' als konzeptuelle Ausgangsbereiche interpretieren (source domains), die

sprachlich durch mehrere Zielbereiche (target domains) realisiert sind, unter anderem durch

Phraseme mit der Konstituente Hand / roka. 'Hand ist Arbeit', 'Hand ist Werkzeug', 'Hand ist

Macht' sind konzeptuelle Metaphern. Wie kommt es dazu? Welche Bedeutungskomponenten

des Lexems Hand f�hren ins Idiomatische?

Laut W�rterbuchangaben zur Semantik der Lexeme Hand und roka sind es offensichtlich

funktionale in topographische Bedeutungskomponenten (vgl. f�r das Slowenische Kr_i_nik-

Kol_ek 1990). Dabei �berwiegen funktional-motorische im Sinne 'halten' bzw. 'Halten' und

'arbeiten' / 't�tig sein' bzw. 'Arbeit' / 'T�tigkeit'8. Wenn es gilt, dass Hand das prim�re und

elementare 'Arbeitsger�t' sowie die elemantare 'Waffe' ist, dann ist anzunehmen, dass die

idiomatischen Bedeutungskomponenten 'Arbeit', 'T�tigkeit', 'Verh�ltnis zur Arbeit', auch

'Kampf' darauf basieren. So die Belege (1) bis (15). Mit der Arbeit eng verbunden ist der

Begriff 'Hilfe', wie die Belege (16) bis (22) und �hnlich auch (23) und (24). Und wenn es gilt,

dass die Hand in erster Linie zum Halten da ist, und 'etw. fest halten und nicht auslassen'

Besitz im weiteren Sinne symbolisiert (vgl. Kr_i_nik-Kol_ek 1990, 146), dann ist die

Bedeutungskomponente 'halten' die Grundlage f�r idiomatische Bedeutungskomponenten

'Macht, 'Einfluss', 'Autorit�t', 'Leitung', wie in (25) bis (39).

Semantische Beziehungen zwischen Ausgangs- und Zielbereichen, die man als metaphorische

Modelle bezeichnen kann, zeigen bei den beobachteten Phrasemen im Deutschen und

Slowenischen einen hohen Grad der �bereinstimmung. Dies erkl�rt sich aus der Tatsache,

dass die Sprecher beider Sprachen die Welt identisch oder zumindest sehr �hnlich

konzeptualisieren, und Konzepte sind, wie gesagt, in Erfahrung und Kultur begr�ndet.

Metaphorische Modelle �berschreiten Grenzen einzelner Sprachen, was ebenso aus

Ergebnissen neuester phraseologischer Untersuchungen hervorgeht.9 Idiomatisierungs- und

Phraseologisierungsprozesse sind somit allgemeiner Natur und nicht unbedingt

einzelsprachliche Besonderheiten. Gebunden sind sie prim�r an die Erfahrungswelt der

Sprecher und an den Kulturraum, dem die Sprachen angeh�ren. Einzelsprachliche

Restriktionen haben folglich einen sekund�ren Charakter. Da es sich bei den beobachteten

8 �hnlich in DUW (1989, 658): Hand ist È...unterster Teil des Armes bei Menschen u. Affen, der die Funktionendes Haltens, Greifens usw. hatÇ. Ebenso SSKJ IV (1985, 533): roka je Èokon_ina _loveka, ki se uporablja zaprijemanje, deloÇ.

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somatischen Phrasemen um biologisch begr�ndete Metaphorik handelt, scheint die Idee des

quasi universellen Charakters derartigen Idiomatik noch akzeptabler zu sein. Es ist

anzunehmen, dass Somatismen eben deswegen so zahlreich in der Phraseologie vieler

Sprachen auftreten.

5 Metodisch-didaktischer Ausblick

Der Vergleich ausgew�hlter deutscher und slowenischer Somatismen mit der Komponente

Hand bzw. roka, die strukturell und semantisch quasi �bereinstimmen, hat gezeigt, dass

Gr�nde und Ursachen f�r die hohe Konvergenz prim�r in kognitiven und psychologischen

Dimensionen der Sprache zu suchen sind und dass konvergente phraseologische Strukturen

erst dann m�glicherweise auch soziolinguistisch als Entlehnungen und Calquirungen erkl�rbar

sind. Auf jeden Fall m�sste aber die auff�llige �hnlichkeit vieler deutscher und slowenischer

Phraseme, die allerdings nicht nur unter Somatismen zu beobachten ist, auch im DaF-

Unterricht auf dem slowenischsprachigen Gebiet interessant und provokativ genug sein.

Erfahrungen, die die Lernenden mit der Phraseologie in ihrer Erstsprache (in Slowenien ist

das meist Slowenisch) gemacht haben, sollte man beim DaF-Unterricht sinnvoll und

nutzbringend mit dem Ph�nomen der relativ hohen phraseologischen Konvergenz zwischen

beiden Sprachen in Verbindung bringen. In erster Linie meine ich dabei die Auswahl der zu

behandelnden Phraseme. Diese sollte die jeweilige phraseologische Situation in der

Erstsprache ber�cksichtigen, sie m�sste L1-spezifisch erfolgen. Das bedeutet, dass zun�chst

solche Phraseme zu behandeln sind, f�r die es in der Erstsprache inhaltlich und formal

�quivalente Strukturen gibt. Die Schwierigkeitsprogression entwickelt sich von so genannten

guten Freunden (inhaltliche �quivalenz und strukturelle �bereinstimmung) �ber eventuelle

falsche Freunde (fehlende inhaltliche �quivalenz und vorhandene strukturelle Deckung) bis

zu den fremdsprachigen Phrasemen, die in der Erstsprache eine strukturell v�llig

unterschiedliche oder sogar keine phraseologische Entsprechung haben. So k�nnte man die

Lerner f�r fremdsprachliche phraseologische Strukturen, f�r ihr Erkennen und Gebrauch im

Text mit Hilfe bzw. durch Vergleich mit der Erstsprache erfolgreicher sensibilisieren. Nicht

zu �bersehen ist, dass gleichzeitig auch ein intensiveres Nachdenken �ber die Erstsprache

aktiviert wird. Es wird dabei evident, dass eine enge Zusammenarbeit im Erst- und

Fremdsprachenunterricht notwendig und eine interdisziplin�re Unterrichtsplannung

9 Vgl. Dobrovol'skij 1998, 153: È...die Korrelationen von source und target domains (d.h. die metaphorischenModelle), die in der Idiomatik implementiert werden, /tragen/ oft einen �bereinzelsprachlichen und inbestimmten F�llen sogar quasiuniversellen CharakterÇ.

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w�nschenswert w�re. Neuere Ergebnisse kognitiv ausgerichteter kontrastiver sprachlicher

Untersuchungen weisen darauf hin, dass Sprachen innerhalb eines Kulturraumes im

phraseologischen Bereich offensichtlich mehrere Gemeinsamkeiten erkennen lassen als

traditionell gedacht worden ist. Folglich ist auch den Behauptungen Babkins, die ÈIdiomatik

/sei/ das Allerheiligste einer Nationalsprache /.../, in ihr manifestiert sich der Geist und die

Eigenart jeder Nation /.../, sie ist unwiederholbarÇ10 nicht mehr ohne Vorbehalt zuzustimmen.

Und noch insbesondere nicht, wenn man eine intensive zwischensprachliche Dynamik

wahrnimmt, die im st�ndigen Kontakt der slowenischen und deutschen Sprache vorhanden ist.

10 Babkin, A. M. (1979): Idiomatika (frazeologija) v jazyke i slovare. Cit. nach F�ldes (1996, 11).

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