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Vida Jesensek, Universit�t Maribor, Slowenien
P�dagogische Fakult�t, Abteilung f�r Germanistik
Erwerb von Phrasemen aus kognitiver Sicht
0 Einleitung
Bereits ein fl�chtiger �berblick �ber einige Lehrmaterialien, die in Slowenien in neuester Zeit
beim DaF-Unterricht verwendet werden, l�sst die Feststellung zu, dass das phraseologische
Inventar der deutschen Sprache im weiteren Sinne quantitativ wie qualitativ eher sporadisch
als systematisch zum Gegenstand des Spracherwerbs gemacht wird. Phraseme im engeren
Sinne (Idiome) werden zwar als so genannte Redewendungen bzw. Redensarten eingef�hrt,
jedoch in der Regel ohne metasprachliche Kommentare. Insbesondere fehlen die
Sensibilisierung f�r Gebrauchspr�ferenzen und -restriktionen sowie Hinweise auf
Entsprechungen in der Erst- und/oder in weiteren Fremdsprachen. Auch Phraseme im
weiteren Sinne, wie etwa Routineformeln und Kollokationen, die zwar recht zahlreich
vertreten sind (so zum Beispiel im neuesten slowenischen DaF-Lehrwerk Du und Deutsch
(1997, 1998)), werden als relativ feste Einheiten des Lexikons mit besonderem lexikalischen
Status nicht thematisiert. Meine weiteren �berlegungen beziehen sich nur auf klassische
Phraseme (Idiome) des Typs eine gl�chliche Hand haben (imeti sre_no roko). Anhand
ausgew�hlter deutscher und slowenischer Phraseme will ich auf eine relativ hohe
zwischensprachliche phraseologische Konvergenz, die in erster Linie kognitiv begr�ndet ist,
aufmerksam machen und betonen, dass ihre Ber�cksichtigung beim Erwerb von Phrasemen
im DaF-Unterricht sehr nutzbringend sein kann.
1 Deutsche und slowenische Phraseologie in Kontakt
Slowenisch und Deutsch sind zwei Jahrhunderte lang im st�ndigen und intensiven Kontakt
sich befindende Nachbarsprachen. Unmittelbare Beziehungen in geographischer, politischer,
wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zeigen sich zugleich in einer spezifischen Dynamik
und Intensit�t sprachlicher Beeinflussungen, wobei das Deutsche in der Regel die
beeinflussende Sprache war.1 Auf dem slowenischsprachigen Gebiet hatte sie n�mlich sehr
lange eine Prestige-Position in allen Bereichen des �ffentlichen Lebens, was zu intensiven
1 In Bezug auf die Auffassung des Deutschen als plurizentrische Sprache ist hierbei zu ber�cksichtigen, dass diedeutsche Kontaktsprache sehr oft die �sterreichische Sprachvariet�t war bzw. ist, wo bestimmt auch�sterreichische phraseologische Spracheigenheiten beobachtet werden m�ssen. F�r die vorliegenden�berlegungen scheint dies allerdings weniger wichtig zu sein.
Entlehnungs- und Calquierungs- bzw. Integrationsprozessen und folglich zur Germanisierung
der slowenischen Sprache gef�hrt hat. So sollte das Slowenische Anfang des 19. Jahrhunderts
neben dem Sorbischen sogar die meist germanisierte slawische Sprache sein. Besonders
intensiv beeinflusste das Deutsche die Lexik und somit auch die Phraseologie der
slowenischen Sprache. In der Phraseologie beobachteter Sprachen herrscht folglich - im
Unterschied zu den traditionellen Vorstellungen von der Phraseologie als nationale,
einzelsprachspezifische, unwiederholbare Eigent�mlichkeit einer jeden Sprache - eine
auff�llige �hnlichkeit, sowohl in der Form als auch hinsichtlich der Bedeutung. Bereits ein
fl�chtiger Blick auf eine beliebige Menge von �quivalenten Phrasemen zeigt n�mlich einen
relativ hohen Grad der formellen sowie semantischen Symmetrie (nach Jenko (1994) und
Vor_i_ (2000) betr�gt sie bis zu 50 %). Somatismen mit der Konstituente Hand / roka, die im
Beitrag n�her beobachtet werden, decken sich sogar bis zu 60 %.2 Allerdings sollen
�bereinstimmungen nur relativ verstanden werden, eher im Sinne einer Quasi-Konvergenz,
denn relevante Ergebnisse setzen systematischere und ausf�hrlichere Vergleichsanalysen
unter strukturellen, semantischen, stilistisch-pragmatischen und kulturellen Aspekten voraus,
die aber f�r das beobachtete Sprachenpaar zur Zeit noch ein Desiderat sind. Das Resultat ist
aber trotzdem provokativ genug, um �ber Gr�nde und Ursachen, wohl aber auch �ber
methodisch-didaktische Konsequenzen im slowenischen DaF-Unterricht nachzudenken.
2 Soziolinguistische Sicht auf phraseologische Quasi-Konvergenz
Auf den ersten Blick sind Gr�nde und Ursachen f�r viele �bereinstimmungen slowenischer
und deutscher Phraseme au§ersprachlich bedingt, wor�ber schon die Rede war.3 Intensive
soziale, politische, kulturelle Kontakte hatten eine ebenso intensive sprachliche Dynamik zur
Folge, und relativ hohe Grade der phraseologischen Konvergenz sind soziolinguistisch
erkl�rbar. Dabei inbegriffen ist der gesamteurop�ische Kulturraum, basierend auf der antiken
2 Duden 11 (Redewendungen und sprichw�rtliche Redensarten) verzeichnet 128 phraseologische Einheiten mitder Konstituente Hand, und bei 77 Belegen (etwa 60 %) l�sst sich auf Grund der sprachlichen Kompetenz einesMuttersprachlers und durch den Vergleich in zweisprachigen W�rterb�chern eine Quasi-�bereinstimmung inForm und Bedeutung feststellen. �hnliches wurde auch f�r das Russische konstatiert (vgl. Mokienko 1998, 545).3 Vgl. dazu Kranzmeyer, E. (1944): Die deutschen Lehnw�rter in der slowenischen Volkssprache, Ljubljana;Sovre, A. (1959/60): V kozji rog ugnati in _e kaj, v: JiS, 181-184; Bezlaj, F. (1959/60): Vloga kalkov vsloven__ini, v: JiS, 140-143; Bor_tnik, B. (1960/61): _e nekaj besed o reklih in kalkih, v: JiS, 173-175; Striedter-Temps, H. (1963): Deutsche Lehnw�rter im Slowenischen, Berlin, Wiesbaden; Prun_, E. (1967): Das innereLehngut in der slowenischen Schriftsprache. Versuch einer Typologie der Lehnpr�gungen im Slowenischen,Graz; Topori_i_, J. (1987): Historisch bedingter geistiger Hintergrund slowenischer Sprichw�rter undRedewendungen, v: Burger, H., R. Zett (Hg.): Aktuelle Probleme der Phraseologie, Bern, 291-321; isti (1991):Slovensko-nem_ki jezikovni stiki, v: Dru_benost slovenskega jezika, Ljubljana, 13-19; Kri_man, M. (1989):Jezik kot socialni in nacionalni pojav. Primerjalno z jezikovnimi odnosi v Radgonskem kotu, Maribor; isti
und christlichen Tradition. So lassen sich europaweit verbreitete Phraseme, die in der Bibel,
Mithologie und in der klassischen Literatur ihren Ursprung haben, erl�utern: von Pontius zu
Pilatus laufen : hoditi od Poncija do Pilata; der h�rt den Kuckuck nicht mehr rufen : ta ne bo
ve_ sli_al kukavice peti; ein wei§er Rabe : bela vrana. Auch Phraseme, die allt�gliche
Lebenserfahrungen kollektiver Natur widerspiegeln, sind nicht individuell bzw.
einzelsprachlich interpretierbar. Bei derartigen Konvergenzerscheinungen sind eher
polygenetische Entstehungsgeschichten anzunehmen: das f�nfte Rad (am Wagen) sein : biti
peto kolo; aus allen Wolken fallen : pasti iz oblakov; um etwas herumgehen wie die Katze um
den hei§en Brei : vrteti se kot ma_ka okoli vrele ka_e. Schlie§lich liefern in neuester Zeit
auch Maseenmedien samt globaler Informationszug�nglichkeit Belege international
verbreiteter Phraseme, wie etwa gr�nes Licht (f�r etw.) geben : dati zeleno lu_ (za kaj); die
Spitze des Eisberges : vrh ledene gore. Dies ist ein Beitrag zur Internationalisierung der
phraseologischen Inventare europ�ischer Sprachen, wohl in �bereinstimmung mit der
bekannten Feststellung von de Courtenay �ber einen prinzipiellen Mischcharakter
europ�ischer Sprachen. Derartige �berlegungen zu Entlehnungs- bzw. �bergangsprozessen
innerhalb der Phraseologie europ�ischer Sprachen sind zwar akzeptabel, aber Vorsicht ist
trotzdem geboten, denn Grenzen zwischen eigenem und �bernommenem Sprachgut im
europ�ischen Raum zu setzen ist ein �u§erst schweres und nicht selten ein delikates
Unterfangen (vgl. Mokienko 1998).
Nimmt man soziolinguistische Erkl�rungen zahlreicher phraseologischer �bereinstimmungen
als Folgen einer intensiven zwischensprachlichen Dynamik trotzdem an, so erfolgt
notwendigerweise ein gr�ndliches Nachdenken �ber die Selektionskriterien. Welche
phraseologischen Benennungen werden von der nehmenden Sprache akzeptiert und
�bernommen? Bekannterweise nicht alle. Aus psychologischer Sicht sind nur diejenigen
metaphorischen Bilder akzeptabel, die mit eigener Wahrnehmung der Welt �bereinstimmen,
nur diejenigen, die eigene Welterfahrungen und Lebensauffassungen widerspiegeln. Der
Sprecher muss mit dem fremdsprachigen phraseologischen Begriffsbild einverstanden sein,
sonst ist nicht anzunehmen, dass er es in seine Sprache �bernimmt.
(1997): Jezikovna razmerja. Jezik pragmatike in estetike v obmejnih predelih ob Muri, Maribor; Pohl, H. (1997):Deutsch-Slowenisch, v: Kontaktlinguistik, Berlin, New York, 1813-1820.
3 Kognitive Sicht auf phraseologische Quasi-Konvergenz
Wie angedeutet, spielen psychologische und/oder kognitive Dimensionen der Sprache bei
sprachlichen �bernahmen eine wesentliche Rolle. Kognitiv und psychologisch orientierte
Sprachwissenschaft (und darunter auch Phraseologieforschung) liefert in neuester Zeit
wichtige Erkenntnisse �ber semantische Prinzipien und Benennungsmechanismen, die einen
stark universellen Charakter haben. So ist zum Beispiel bekannt, dass in den meisten
modernen Sprachen bestimmte Lexeme phraseologisch aktiver sind als andere. Zu derartigen
Lexemen geh�ren auch Benennungen von K�rperteilen, wie Hand und roka, die hier n�her
beobachtet werden. Gr�nde daf�r sind bestimmt nicht nur in der zwischensprachlichen
Dynamik und in Entlehnungsprozessen zu suchen. Im beobachteten Fall sind sie eher
biologisch begr�ndet: Die Hand ist eine Besonderheit des Menschen per excellence, und an
diese anthropologische Tatsache gebunden sind mehrere kognitiv, sozial und kulturell
bedingte metaphorische Bedeutungen. Sie sind somit �bereinzelsprachlich, quasi sprachlich
universell und nicht einzelsprachspezifisch. Die Hand ist Werkzeug, Instrument, Waffe, sie
symbolisiert Arbeit, T�tigkeit, Hilfe, aber auch Macht, Einfluss, Autorit�t, Leitung,
�berlegenheit, wie die ausgew�hlten Belege unten zeigen. Die zugrunde liegende Metaphorik
ist in Wahrnehmung, Erfahrung und Kultur des Sprechers begr�ndet. Metaphern sind somit
�bereinzelsprachliche Merkmale der Kommunikation mittels Sprache, was zu intensiveren
zwischensprachlichen Beziehungen f�hren kann und folglich auch die phraseologische
Konvergenz f�rdert. Diese ist demnach auch innersprachlich im Sinne von sprachlich
universell bedingt, wenn wir zugleich die Thesen �ber universelle Gesetzm�§igkeiten in
Phraseologisierungsprozessen sowie Erkenntnisse �ber semantische und syntaktische
Modellhaftigkeit in der Phraseologie akzeptieren.
4 Deutsche und slowenische Phraseme mit der Konstituente Hand / roka
Kognitiv orientierte Phraseologieforschung geht davon aus, 1. dass der Mensch die Welt auf
der Basis seiner naiven nicht-wissenschaftlichen Erfahrungen wahrnimmt und sie nach
�hnlichkeitsprinzipien ordnet, kategorisiert, konzeptualisiert und 2. dass die Sprache diese
Konzepte widerspiegelt und zugleich mitkonstituiert4. Analytisch gesehen lassen sich
Konzepte Bedeutungsbeschreibungen einzelner phraseologischer Einheiten entnehmen. So
4 Vgl. Dobrovol'skij (1995, 67): ÈDie Sprache ist 'weltmodellbezogen' nicht nur in dem Sinne, da§ sie dieentsprechende Wirklichkeitsperspektive reflektiert, sondern auch in dem Sinne, da§ sie sie mitkonstituiert.Ç
sind bei den Phrasemen mit der Konstituente Hand bzw. roka5 in beiden Sprachen unter
anderem folgende semantische Deskriptoren erkennbar6:
Arbeit als Lebensunterhalt
(1) von der Hand in den Mund leben : _iveti iz rok v usta
(2) von seiner H�nde Arbeit leben : _iveti od dela svojih rok
Arbeit, T�tigkeit (frei oder begrenzt)
(3) alle/beide H�nde voll zu tun haben : imeti polne roke dela
(4) in die H�nde spucken : pljuniti v roke
(5) freie Hand haben / (jmdm.) lassen : imeti/pustiti ( komu) proste roke
(6) jmdm. sind die H�nde und F�§e gebunden : ima zvezane roke in noge
(7) gebundene H�nde haben : imeti zvezane roke
Instrument, Werkzeug, Verh�ltnis zur Arbeit
(8) zwei linke H�nde haben : imeti dve levi roki
(9) mit beiden H�nden zugreifen : zgrabiti z obema rokama
(10) eine gl�ckliche Hand haben : imeti sre_no roko
(11) eine ungl�ckliche Hand haben : imeti nesre_no roko
(12) mit der linken Hand : z levo roko
(13) (jmdm. etw.) (leicht/gut) von der Hand gehen : (delo/kaj) gre (dobro) od/izpod
rok
Kampf
(14) Hand an jmdn. legen : polo_iti roko na koga
(15) Hand an sich legen : polo_iti roko nase
Hilfe, Zusammenarbeit
(16) Hand in Hand arbeiten : delati z roko v roki
(17) Hand in Hand gehen : iti z roko v roki
(18) (jmdm.) zur Hand/an die Hand gehen : iti (komu) na roko/na roke
(19) (jmds.) rechte Hand (sein) : (biti) desna roka (_igava)
(20) seine/die Hand �ber jmdn. halten : dr_ati roko nad kom
(21) Eine Hand w�scht die andere : Roka roko umije
5 Belege entstammen dem Duden 11, dem Deutsch-slowenischen W�rterbuch von Debenjak und dem gro§enW�rterbuch der slowenischen Standardsprache (SSKJ). Die Auswahl ist illustrativ.6 Deskriptoren sind selektioniert und wiederum nur illustrativ zu verstehen, denn eine ausf�hlichere Analysew�rde ein komplexeres Deskriptorennetz zu Tage bringen. So k�nnte man bereits (1) und (2) unter anderem auch'negativ' bzw.'pozitiv' zuschreiben.
(22) seine/die Hand (von jmdm.) abziehen : odtegniti roko (komu)
Sicheinsetzen, Schutz, Haftung
(23) (f�r jmdn./etw.) die/seine Hand ins Feuer legen : dati (za koga/kaj) roko v ogenj
(24) sich (f�r jmdn./etw.) die Hand abhacken/abschlagen lassen : dati/pustiti si roko
odrezati (za koga/kaj)
Macht, Einfluss, Leitung, Autorit�t
(25) (jmdn./etw./sich) in der Hand haben : imeti v rokah ( koga/kaj/se)
(26) die/seine Hand auf jmdn./etw. haben/halten : imeti/dr_ati roko nad kom/_im
(27) in (jmds.) Hand/H�nden sein : biti v rokah (_igavih/koga)
(28) in sicheren/guten/schlechten H�nden sein : biti v varnih/dobrih/slabih rokah
(29) die/alle F�den in der/seiner Hand haben/halten : imeti/dr_ati vse niti v (svojih)
rokah
(30) die Z�gel in der Hand haben/halten : imeti vajeti v rokah
(31) (jmdn./etw.) in die Hand/in die/seine H�nde bekommen/nehmen : dobiti/vzeti v
(svoje) roke (koga/kaj)
(32) (jmdm). in die H�nde fallen/kommen : priti/pasti v roke (_igave/kak_ne/komu)
(33) (jmdm. jmdn./sich/etw.) in die Hand geben : dati v roke (komu koga/sebe/kaj)
(34) in (jmds.) Hand/H�nde �bergehen : preiti v roke (_igave/koga)
(35) die Hand/H�nde nach jmdm./etw. ausstrecken : stegniti/stegovati roke po
kom/_em
(36) (etw.) aus der Hand geben : dati iz rok (kaj)
(37) (jmdm. etw.) aus der Hand nehmen : vzeti iz rok (komu kaj)
(38) von Hand zu Hand gehen : iti/prehajati iz rok v roke
(39) durch (jmds.) Hand/H�nde gehen : iti skozi roke (_igave/koga)
Entfernung
(40) zur Hand sein : biti pri roki
(41) (etw.) bei der Hand/zur Hand haben : imeti pri roki (kaj).
Es ist evident, dass analytisch gewonnene Deskriptoren zu Phrasemen mit gemeinsamer
Basiskomponente Hand / roka mehreren Konzepten zuzuschreiben sind. Phraseme mit
identischen autosemantischen Komponenten versprachlichen m�glicherweise mehrere
Konzepte. Mit Lakoff7 lassen sich Begriffe 'Arbeit', 'T�tigkeit', 'Macht', 'Einfluss', 'Leitung',
7 Lakoff, G. (1987): Women, fire, and dangerous things. What categories reveal about the mind. Chicago,London.
'Kampf', 'Entfernung' als konzeptuelle Ausgangsbereiche interpretieren (source domains), die
sprachlich durch mehrere Zielbereiche (target domains) realisiert sind, unter anderem durch
Phraseme mit der Konstituente Hand / roka. 'Hand ist Arbeit', 'Hand ist Werkzeug', 'Hand ist
Macht' sind konzeptuelle Metaphern. Wie kommt es dazu? Welche Bedeutungskomponenten
des Lexems Hand f�hren ins Idiomatische?
Laut W�rterbuchangaben zur Semantik der Lexeme Hand und roka sind es offensichtlich
funktionale in topographische Bedeutungskomponenten (vgl. f�r das Slowenische Kr_i_nik-
Kol_ek 1990). Dabei �berwiegen funktional-motorische im Sinne 'halten' bzw. 'Halten' und
'arbeiten' / 't�tig sein' bzw. 'Arbeit' / 'T�tigkeit'8. Wenn es gilt, dass Hand das prim�re und
elementare 'Arbeitsger�t' sowie die elemantare 'Waffe' ist, dann ist anzunehmen, dass die
idiomatischen Bedeutungskomponenten 'Arbeit', 'T�tigkeit', 'Verh�ltnis zur Arbeit', auch
'Kampf' darauf basieren. So die Belege (1) bis (15). Mit der Arbeit eng verbunden ist der
Begriff 'Hilfe', wie die Belege (16) bis (22) und �hnlich auch (23) und (24). Und wenn es gilt,
dass die Hand in erster Linie zum Halten da ist, und 'etw. fest halten und nicht auslassen'
Besitz im weiteren Sinne symbolisiert (vgl. Kr_i_nik-Kol_ek 1990, 146), dann ist die
Bedeutungskomponente 'halten' die Grundlage f�r idiomatische Bedeutungskomponenten
'Macht, 'Einfluss', 'Autorit�t', 'Leitung', wie in (25) bis (39).
Semantische Beziehungen zwischen Ausgangs- und Zielbereichen, die man als metaphorische
Modelle bezeichnen kann, zeigen bei den beobachteten Phrasemen im Deutschen und
Slowenischen einen hohen Grad der �bereinstimmung. Dies erkl�rt sich aus der Tatsache,
dass die Sprecher beider Sprachen die Welt identisch oder zumindest sehr �hnlich
konzeptualisieren, und Konzepte sind, wie gesagt, in Erfahrung und Kultur begr�ndet.
Metaphorische Modelle �berschreiten Grenzen einzelner Sprachen, was ebenso aus
Ergebnissen neuester phraseologischer Untersuchungen hervorgeht.9 Idiomatisierungs- und
Phraseologisierungsprozesse sind somit allgemeiner Natur und nicht unbedingt
einzelsprachliche Besonderheiten. Gebunden sind sie prim�r an die Erfahrungswelt der
Sprecher und an den Kulturraum, dem die Sprachen angeh�ren. Einzelsprachliche
Restriktionen haben folglich einen sekund�ren Charakter. Da es sich bei den beobachteten
8 �hnlich in DUW (1989, 658): Hand ist È...unterster Teil des Armes bei Menschen u. Affen, der die Funktionendes Haltens, Greifens usw. hatÇ. Ebenso SSKJ IV (1985, 533): roka je Èokon_ina _loveka, ki se uporablja zaprijemanje, deloÇ.
somatischen Phrasemen um biologisch begr�ndete Metaphorik handelt, scheint die Idee des
quasi universellen Charakters derartigen Idiomatik noch akzeptabler zu sein. Es ist
anzunehmen, dass Somatismen eben deswegen so zahlreich in der Phraseologie vieler
Sprachen auftreten.
5 Metodisch-didaktischer Ausblick
Der Vergleich ausgew�hlter deutscher und slowenischer Somatismen mit der Komponente
Hand bzw. roka, die strukturell und semantisch quasi �bereinstimmen, hat gezeigt, dass
Gr�nde und Ursachen f�r die hohe Konvergenz prim�r in kognitiven und psychologischen
Dimensionen der Sprache zu suchen sind und dass konvergente phraseologische Strukturen
erst dann m�glicherweise auch soziolinguistisch als Entlehnungen und Calquirungen erkl�rbar
sind. Auf jeden Fall m�sste aber die auff�llige �hnlichkeit vieler deutscher und slowenischer
Phraseme, die allerdings nicht nur unter Somatismen zu beobachten ist, auch im DaF-
Unterricht auf dem slowenischsprachigen Gebiet interessant und provokativ genug sein.
Erfahrungen, die die Lernenden mit der Phraseologie in ihrer Erstsprache (in Slowenien ist
das meist Slowenisch) gemacht haben, sollte man beim DaF-Unterricht sinnvoll und
nutzbringend mit dem Ph�nomen der relativ hohen phraseologischen Konvergenz zwischen
beiden Sprachen in Verbindung bringen. In erster Linie meine ich dabei die Auswahl der zu
behandelnden Phraseme. Diese sollte die jeweilige phraseologische Situation in der
Erstsprache ber�cksichtigen, sie m�sste L1-spezifisch erfolgen. Das bedeutet, dass zun�chst
solche Phraseme zu behandeln sind, f�r die es in der Erstsprache inhaltlich und formal
�quivalente Strukturen gibt. Die Schwierigkeitsprogression entwickelt sich von so genannten
guten Freunden (inhaltliche �quivalenz und strukturelle �bereinstimmung) �ber eventuelle
falsche Freunde (fehlende inhaltliche �quivalenz und vorhandene strukturelle Deckung) bis
zu den fremdsprachigen Phrasemen, die in der Erstsprache eine strukturell v�llig
unterschiedliche oder sogar keine phraseologische Entsprechung haben. So k�nnte man die
Lerner f�r fremdsprachliche phraseologische Strukturen, f�r ihr Erkennen und Gebrauch im
Text mit Hilfe bzw. durch Vergleich mit der Erstsprache erfolgreicher sensibilisieren. Nicht
zu �bersehen ist, dass gleichzeitig auch ein intensiveres Nachdenken �ber die Erstsprache
aktiviert wird. Es wird dabei evident, dass eine enge Zusammenarbeit im Erst- und
Fremdsprachenunterricht notwendig und eine interdisziplin�re Unterrichtsplannung
9 Vgl. Dobrovol'skij 1998, 153: È...die Korrelationen von source und target domains (d.h. die metaphorischenModelle), die in der Idiomatik implementiert werden, /tragen/ oft einen �bereinzelsprachlichen und inbestimmten F�llen sogar quasiuniversellen CharakterÇ.
w�nschenswert w�re. Neuere Ergebnisse kognitiv ausgerichteter kontrastiver sprachlicher
Untersuchungen weisen darauf hin, dass Sprachen innerhalb eines Kulturraumes im
phraseologischen Bereich offensichtlich mehrere Gemeinsamkeiten erkennen lassen als
traditionell gedacht worden ist. Folglich ist auch den Behauptungen Babkins, die ÈIdiomatik
/sei/ das Allerheiligste einer Nationalsprache /.../, in ihr manifestiert sich der Geist und die
Eigenart jeder Nation /.../, sie ist unwiederholbarÇ10 nicht mehr ohne Vorbehalt zuzustimmen.
Und noch insbesondere nicht, wenn man eine intensive zwischensprachliche Dynamik
wahrnimmt, die im st�ndigen Kontakt der slowenischen und deutschen Sprache vorhanden ist.
10 Babkin, A. M. (1979): Idiomatika (frazeologija) v jazyke i slovare. Cit. nach F�ldes (1996, 11).
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