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Sonderdruck aus: „DIE UMSCHAU IN WISSENSCHAFT UND TECHNIK", Heft 15/1961 Radioaktive Beimengungen als Tracer für Zirkulationsvorgänge in der Atmosphäre Von Prof. Dr. H. Flohn und Dr. H. Reifferscheid, Zentralamt des Deutschen Wetter- dienstes, Offenbach (Main) Beobachtungsnetze vom Boden aus und auf See, Wolkenzugmessungen und die langjährigen Ergebnisse aerologischer Meßnetze haben unsere Anschauung von der Zirkulation der Atmosphäre in zurückliegenden Jahrzehnten gebildet und bestimmt. Mit dem Aufkommen atomtech- nischer Kernwaffenversuche, die den - biologisch unerwünschten - Effekt einer Verunreinigung der Atmosphäre mit radioaktiven Bei- mengungen nach sich ziehen1J, ist der meteorologischen Forschung ein neuartiges Forschungsmittel in die Hand gegeben, das geeignet ist, den Einblick in die atmosphärischen Strömungsprobleme zu vertiefen. Hier- aus ergibt sich eine neue Modellvorstellung über den Massenaustausch zwischen Troposphäre und Stratosphäre. Früher waren es nur einzelne Vulkanausbrüche, die der meteorologischen Forschung durch Beobachtungen der atmosphärischen Optik die Möglichkeit gaben, Einblick in die Strömungsverhältnisse der höheren Atmosphäre zu gewinnen. Man verfolgte den Ausfall der vielen Kubik- kilometer feinsten Staubes, die z. B. beim Ausbruch des Krakatau oder des Katmai um die Jahrhundertwende in die Atmosphäre geschleudert worden waren. Heute liefern die als „Tracer" verwendbaren radioaktiven Beimen- gungen mehr: Sie gestatten durch Festlegung von Luft- bahnen2) die systematische, quantitative Erfassung von Strömungsvorgängen verschiedener Größenordnung in geplanten Versuchsreihen. Diese ließen folgendes er- kennen : Die beobachteten Tatsachen Der Rücktransport des in die Atmosphäre injizierten Radiostrontium (Sr) und der übrigen Nuklide zum Erd- boden erfolgt überwiegend durch den Niederschlag. Dabei werden diejenigen Stoffe zum Erdboden geführt, die im Kondensationsstadium des Wasserdampfes als Kernmaterial inkorporiert werden. Man sollte deshalb erwarten, daß in der Zone der größten Niederschlage auf der Erdoberfläche - in den äquatorialen Breiten - auch die höchsten Ablagerungen an langlebigen Nuklideu, wie 90Sr, gemessen werden. Dem ist aber nicht so (Bild 1), wie Meßergebnisse seit 1954 bis in die jüngste Zeit erwiesen haben: Gerade am Äquator zeigt sich ein Minimum der Ablagerungen, dagegen etwas höhere Werte Hilf der südlichen Halbkugel und ein breites Maximum in mittleren und subpolaren Breiten der Nordhalbkugel 3 ) zwischen 20 und 80° nördlicher Breite (s. a. Abb. Ib und c). Eine unmittelbar mit diesem Phänomen zusammen- hängende Erscheinung ist die Hölienverteilungs- aktivi-n Stoffen". Umschau «J [1961] S. 488 funktion des 90Sr-Gehaltes. Diese zeigt in den zurück- liegenden Jahren kein einheitliches Bild (Bild 2). Die Darstellung läßt erkennen, daß das Maximum der 90Sr- Konzentration in der Vertikalen in ca. 8° nördlicher Breite in einer Höhe von 23 bis 25 km angetroffen wird. Von hier sinkt die Schicht höchster Konzentration über beiden Halbkugeln polwärts auf 18 bis 20 km Höhe ab. Das Maximum der °°Sr-Konzentration der Luft scheint etwas nördlich des Äquators zu liegen und nimmt polwärts schnell ab. Bisherige Deutungsversuche Halbwertszeit, Injektionshöhe und Sedimentationsge- schwindigkeit des einzelnen Teilchens sind, wie bereits in dem Beitrag von M. Hinzpeter ausgeführt, die Be- stimmungsstücke seiner Verweilzeit in der Atmosphäre. Damit fallen alle Teilchen mit Durchmesser größer 20 [j. innerhalb von etwa 10 Tagen nach der Explosion aus der Troposphäre aus. Lediglich Aerosole größerer Fein- heit (0 < 0,1 u.) halten sich oberhalb der Tropopause, also in Atmosphärenschichteii, in denen kein Wasser- dampf und damit auch keine Wetter Vorgänge (z. B. Wolken und Niederschläge) angetroffen werden, nach den Rechnungen von Greenfield, Hess u. a. praktisch unbe- schränkt lange schwebefähig. Sie können sich nur durch Aggregation vergrößern und unterliegen dann höheren Sedimentationsgeschwind igkeiten. Die in Bild 2 so auffallende Depotwirkung der Stratosphäre für kleine Teilchen (0 < l jj.) resultiert aus dem Fehlen des Wasserdampfes in ihr sowie ihrer thermischen Stabilität (geringer vertikaler Austausch). - In der Troposphäre dagegen, in der die starke Abnahme der Temperatur mit der Höhe einen kräftigen Vertikalaustausch erzeugt, bewirken die Niederschläge einen Transport aller Beimengungen zum Erdboden (Rain-out). Zwischen beiden Sphären sperrt im Normalfall die Tropopause mit ihrer Temperatur- umkehr weitgehend jeden vertikalen Massenaustausch ab. Aus den Erörterungen über den Haushalt von Ozon und Wasserdampf ergab sich (Breiver 1949^ die Vorstellung Seite 4(58 UMSCHAU 1961, Heft 15

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S o n d e r d r u c k aus: „DIE UMSCHAU IN WISSENSCHAFT UND TECHNIK", Hef t 15 /1961

Radioaktive Beimengungen als Tracer fürZirkulationsvorgänge in der Atmosphäre

Von Prof. Dr. H. Flohn und Dr. H. Rei f fe rsche id , Zentralamt des Deutschen Wetter-dienstes, Offenbach (Main)

Beobachtungsnetze vom Boden aus und auf See, Wolkenzugmessungenund die langjährigen Ergebnisse aerologischer Meßnetze haben unsereAnschauung von der Zirkulation der Atmosphäre in zurückliegendenJahrzehnten gebildet und bestimmt. Mit dem Aufkommen atomtech-nischer Kernwaffenversuche, die den - biologisch unerwünschten -Effekt einer Verunreinigung der Atmosphäre mit radioaktiven Bei-mengungen nach sich ziehen1 J, ist der meteorologischen Forschung einneuartiges Forschungsmittel in die Hand gegeben, das geeignet ist, denEinblick in die atmosphärischen Strömungsprobleme zu vertiefen. Hier-aus ergibt sich eine neue Modellvorstellung über den Massenaustauschzwischen Troposphäre und Stratosphäre.

Früher waren es nur einzelne Vulkanausbrüche, die dermeteorologischen Forschung durch Beobachtungen deratmosphärischen Optik die Möglichkeit gaben, Einblickin die Strömungsverhältnisse der höheren Atmosphärezu gewinnen. Man verfolgte den Ausfall der vielen Kubik-kilometer feinsten Staubes, die z. B. beim Ausbruch desKrakatau oder des Katmai um die Jahrhundertwende indie Atmosphäre geschleudert worden waren. Heute lieferndie als „Tracer" verwendbaren radioaktiven Beimen-gungen mehr: Sie gestatten durch Festlegung von Luft-bahnen2) die systematische, quantitative Erfassung vonStrömungsvorgängen verschiedener Größenordnung ingeplanten Versuchsreihen. Diese ließen folgendes er-kennen :

Die beobachteten TatsachenDer Rücktransport des in die Atmosphäre injiziertenRadiostrontium (9üSr) und der übrigen Nuklide zum Erd-boden erfolgt überwiegend durch den Niederschlag.Dabei werden diejenigen Stoffe zum Erdboden geführt,die im Kondensationsstadium des Wasserdampfes alsKernmaterial inkorporiert werden. Man sollte deshalberwarten, daß in der Zone der größten Niederschlageauf der Erdoberfläche - in den äquatorialen Breiten -auch die höchsten Ab lage rungen an langlebigenNuklideu, wie 90Sr, gemessen werden. Dem ist aber nichtso (Bild 1), wie Meßergebnisse seit 1954 bis in die jüngsteZeit erwiesen haben: Gerade am Äqua to r zeigt sichein Min imum der Ablagerungen, dagegen etwas höhereWerte Hilf der südlichen Halbkugel und ein breitesM a x i m u m in mi t t l e r en und subpola ren Brei tender Nordhalbkugel 3 ) zwischen 20 und 80° nördlicherBreite (s. a. Abb. Ib und c).Eine unmittelbar mit diesem Phänomen zusammen-hängende Erscheinung ist die Hölienverteilungs-

a k t i v i - n Stoffen". Umschau «J [1961] S. 488

f u n k t i o n des 90Sr-Gehaltes. Diese zeigt in den zurück-liegenden Jahren kein einheitliches Bild (Bild 2). DieDarstellung läßt erkennen, daß das Maximum der 90Sr-Konzentration in der Vertikalen in ca. 8° nördlicherBreite in einer Höhe von 23 bis 25 km angetroffen wird.Von hier sinkt die Schicht höchster Konzentration überbeiden Halbkugeln polwärts auf 18 bis 20 km Höhe ab.Das Maximum der °°Sr-Konzentrat ion der Luf tscheint etwas nördl ich des Äqua to r s zu liegen undnimmt polwärts schnell ab.

Bisherige DeutungsversucheHalbwertszeit, Injektionshöhe und Sedimentationsge-schwindigkeit des einzelnen Teilchens sind, wie bereitsin dem Beitrag von M. Hinzpeter ausgeführt, die Be-stimmungsstücke seiner Verweilzeit in der Atmosphäre.Damit fallen alle Teilchen mit Durchmesser größer 20 [j.innerhalb von etwa 10 Tagen nach der Explosion ausder Troposphäre aus. Lediglich Aerosole größerer Fein-heit (0 < 0,1 u.) halten sich oberhalb der Tropopause,also in Atmosphärenschichteii, in denen kein Wasser-dampf und damit auch keine Wetter Vorgänge (z. B.Wolken und Niederschläge) angetroffen werden, nach denRechnungen von Greenfield, Hess u. a. praktisch unbe-schränkt lange schwebefähig. Sie können sich nur durchAggregation vergrößern und unterliegen dann höherenSedimentationsgeschwind igkeiten.Die in Bild 2 so auffallende D e p o t w i r k u n g derStra tosphäre für kleine Teilchen (0 < l jj.) resultiertaus dem Fehlen des Wasse rdampfes in ihr sowieihrer thermischen S tab i l i t ä t (geringer vertikalerAustausch). - In der Troposphäre dagegen, in der diestarke Abnahme der Temperatur mit der Höhe einenkräftigen Ver t ika laus tausch erzeugt, bewirken dieNiederschläge einen Transport aller Beimengungen zumErdboden (Rain-out). Zwischen beiden Sphären sperrtim Normalfall die T r o p o p a u s e mit ihrer Temperatur-umkehr weitgehend jeden vertikalen Massenaustausch ab.Aus den Erörterungen über den Haushalt von Ozon undWasserdampf ergab sich (Breiver 1949^ die Vorstellung

Seite 4(58 UMSCHAU 1961, Heft 15

eines in der Meridianebene verlaufenden Zi rku la t ions -rades zwischen Troposphäre und St ra tosphäreim Sinne von Bild 3a: Aufsteigen in tropischen Breiten,Absinken in polaren Breiten, polwärts gerichteter Trans-port in der Stratosphäre, äquatorwärts gerichteterTransport in der Troposphäre. Diese Vorstellung standjedoch im Widerspruch zu der Tatsache, daß die Stabili-tät der tropischen Stratosphäre - in der die Temperaturvon —70° bis —80 °C an der Tropopause (in 16 bis17 km Höhe) bis auf —35° in 35 km Höhe ansteigt -erheblich größer ist als in höheren Breiten, was mit einerim Mittel aufwärts gerichteten Bewegungskomponentekaum verträglich erscheint. Zweifellos spricht aber dasin Bild l gezeigte äquatoriale Minimum des Ausfallsbei gleichzeitig maximalen Niederschlägen dafür, daß inder Äquator ia lzone ein etwaiger Part ikeltransportaus der St ra tosphäre in die T roposphä re außer-ordentlich klein ist. Daß die äquatoriale Tropopausedurch Strahlungsvorgänge immer wieder in auf-steigender Troposphärenluft neu gebildet wird - woraufdie neuestem häufig gefundene Mehrfachbildung derTropopause hindeuten könnte -, ist eine zunächst nochunbewiesene Hypothese. Die Konzentration der Partikelin 18 bis 20 km Höhe (Bild 2), also knapp oberhalb dertropischen Tropopause, scheint eher für überwiegendesAbsinken zu sprechen, da die Injektionen in die Strato-sphäre sich bei allen eiiergiereichen Versuchen auf diegesamte Schicht bis 35 bis 40 km Höhe (Gipfelhöhe der„Pilzwolke") erstreckt haben (s. a. M. Hinzpeter, Bild 1).

Die neue ModellvorstellungUnseres Erachtens dürften die beobachteten Tatsacheneher für folgende Deutung sprechen: Als Folge des pol-wärts gerichteten Temperatur- und Druckgefalles derTroposphäre sowie der ablenkenden Kraft der Erd-rotation herrscht in der Breitenzone 20 bis 70° und in denHöhen 5 bis 18 km eine Westströmung vor, die inForm ausgedehnter Mäanderschwingungen abläuft: Zwi-

90°

Bild 1: Verteilung von Strontium-90 längs eines Meridiansnach amerikanischen und britischen Meßreihen.

a) Mittlere Breitenverteilung des radioaktiven Gehaltes derLuft, Februar 1961. (Nach US N EL, Project Nr. BB-004-02-41.)

b) Mittlere Breitenverteilung der abgelagerten Spaltprodukte1956. (Nach N. G. Stewart et alii, 1958.)

c) Mittlere Brtitenverteihmg des Badioaktivitätsgehaltes derNiederschläge 1955bisl957. (Nach N.G. Stewart et alii, 1958.)

km30

27-

24-

21-

18-

15-

12-

9-

6-

3-

10 , 12-10-|Curie/m3

Bild 2: Höhenverteilung von Strontium-90 in verschiedenenBreiten (nach Holland); Baiionmessungen, Mittel aus demZeitraum Juni 1907 bis Juni 195S.

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Sommer Winter

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Bild 3: Modelle des Massenaustausches zwischen Troposphäreund Stratosphäre, a = Tropopausenzirkidation (Breiver 1949),b = Horizontalaustausch (Flohn 1959), Ig = subtropischeStrahlströmung, 1p = Polarfront-Strahlströmung.

UMSCHAU 1961, Heft 15 Seite 469

5-

0 J90° 60° 30° 0°

N-Winter

30° 60° 90°

N- Sommer

ild 4: Verteilung der Streuimg der meridionalen Windkompo-nte (m/seo) über der Nordhalbkugel im Sommer und Winter

und in Abhängigkeit von Hohe und Breite (nach Flohn 1961).

sehen die einzelnen Zyklonenfamilien schieben sich dieAntizyklonen der Subtropen polwärts vor.In diese Westdrift eingelagert sind langgestreckteZonen maximaler Windgeschwindigkeit (bis gegen500 km/h), die als „Strahlströme" heute wegen ihrerBedeutung für den Luftverkehr viel erörtert werden. Siehäufen sich besonders in der Subtropenzone (30 bis35° Breite) und im Bereich der Polarfront, die zwischen35° und 70° Breite schwankt (Bild 3); die größte Wind-geschwindigkeit tritt meist in Höhen zwischen 10 und12 km ein. Im Bereich, dieser Strahlströme kommt es zuBeschleunigungen und Verzögerungen, die einen erlieb-lichen „ageostrophischen"4) Lufttransport zur Folge

^haben, aber auch zur Auf lösung und Neubi ldung*der Tropopause , die hier eine Bruchstel le aufweist:

Hier überlagern sich eine tiefere (polare) und eine höhere(tropische) Tropopause. Durch diese Prozesse wird fort-während s t ra tosphär ische Polar luf t gegen t ropo-sphär ische Tropikluft ausgetauscht (Bild 3b), inannähernd horizontaler Richtung, genauer auf isen-tropen Flächen, auf denen der Massentransport keinezusätzliche Energie erfordert. Dieser Austausch konnteneuerdings quantitativ ermittelt werden: Er erfaßte überNordamerika in 36 Stunden nicht weniger als mindestens4.2 ( + 0.5) • l O14 kg Luft, gegenüber einer Masse dergesamten Atmosphäre von 5 • 1018 kg. Da ähnliche Vor-gänge oft gleichzeitig an 4 bis 5 Stellen jeder Halbkugelablaufen, läßt sich abschätzen, daß die gesamte Luf tder Stratosphäre im Durchschnitt alle l bis 2 Jahregegen t roposphärische Luft ausgetauscht wird.

Im Bereich dieser Strahlströme gelangen also zeitlich-örtlich begrenzte Pakete partikelreicher Stratosphären-luft in die Troposphäre, wo sie - infolge des erwähntenageostrophischen Masseiitransportes und der ihn beglei-tenden Vertikalbewegungen - vorwiegend auf derkal ten, polaren Seite durch Ausregnen herunter-gebracht werden. Damit erklären sich die breiten Ma-xima des Ausfal ls in mittleren Breiten. Daß in derSüdhalbkugel soviel weniger radioaktives Material aus-fällt, läßt sich sehr wahrscheinlich darauf zurückführen,daß in der Äqua to r i a l zone die seitliche Durch-mischung der Atmosphäre auf ein Minimum absinkt.Der meridioiiale Transport von Partikeln hängt haupt-sächlich von zwei Vorgängen ab : dem als Mittelwert überdie Zeit und ganze Breitenkreise definierten „mittlerenMeridionalzirkulat ionsrad", das in Bild 3 durchdie Pfeile angedeutet ist, und dem ungeordnetenHor izonta laus tausch durch wandernde (oder auchortsfeste) Störungen, Wellen, Zyklonen und Antizyklonen.Von diesen beiden Vorgängen spielt der erstgenannte nurin der Tropenzone (10 bis 20 °N) eine Rolle. Hier über-wiegt in Bodennähe die zum Äquator gerichtete Wiud-komponente des Passats mit l bis 2 m/sec; in rund12 km Höhe hält eine entgegengesetzt gerichtete Luft-strömung das Gleichgewicht. Diese kann jedoch - alsRestglied zahlreicher entgegengesetzt gerichteter Kom-ponenten - nur als zeitlich-räumlicher Mittelwert ausden Beobachtungen errechnet werden. In allen anderenBreiten, auch in der Äquatorialzone, ist dieses Zirku-lationsrad so schwach, daß eine einwandfreie Berech-nung noch aussteht.

*) Während die „gcostrophischc" Komponente des Windes parallel zn denIsobaren verläuft und ein strenges Gleichgewicht zwischen Wind- undDruckfeld voraussetzt, ist die (i. a. viel kleinere) „ageostroplüsche" Kom-ponente quer zu den Isobaren gerichtet.

Der ungeordne te Meridionalaustausch ist demgegen-über vielfach wirksamer; Bild 4 gibt die Streuungder meridionalen Windkomponente über der Nordhalb-kugel für die extremen Jahreszeiten in Abhängigkeit vonBreite und Höhe wieder. Ihre größten Werte werdengerade in den Gebieten der Tropopauseiilücke in mitt-leren Breiten und in 10 bis 12 km Höhe erreicht; amÄquator befindet sich (besonders im Nordsommer) einauffälliges Minimum. Recht unsymmetrisch ist die Ver-teilung der Streuung in der Stratosphäre oberhalb 70 mb(ca. 18 km) : sehr geringen Werten in der Tropenzone undüber der Sommerhalbkugel steht eine sehr erheblicheZunahme jenseits etwa 40° Breite im Winter gegenüber,wo der neu entdeckte „Polarnacht-Strahlstrom" aucheine große Veränderlichkeit der Winde mit sich bringt.Die Geschwindigkeit der Ausbreitung von Partikelndurch den Horizontalaustausch läßt sich aus dieserStreuung (bzw. der etwas kleineren, mittleren Veränder-lichkeit) und einer Zeitfuiiktion abschätzen.

Zweifellos befinden sich die Untersuchungen dieser Zu-sammenhänge noch in den ersten Anfängen, aber eszeichnet sich bereits ab, daß die „Tracer"-Technik eineReihe von bisher kaum angreifbaren Problemen zahlen-mäßig einer Lösung näher führen kann. Das gilt vorallem für die Meteorologie der Schichten oberhalb 25bis 30 km, in denen die Zahl der direkten Beobachtungenbisher keinesfalls ausreichend war. Besonders wichtig istdie Möglichkeit systematisch geplanter Experimente mitbisher noch nicht in der Atmosphäre vorhandenenNukliden, ebenso auch die Möglichkeit, den Massen-Austausch mit dem Kosmos quantitativ abzuschätzen.

DK 551. 510:539. 16

Seite 470 UMSCHAU 1961, Heft 15