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Volkssolidarität Bundesverband e.V.

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Sozialreport 2012

Daten und Fakten zur sozialen Lage

in den neuen Bundesländern

Positionen der Bürgerinnen und Bürger der neuen Bundesländer

23. Welle der Erhebung „Leben in den neuen Bundesländern“

Studie des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums

Berlin-Brandenburg e.V.

im Auftrag der Volkssolidarität Bundesverband e .V.

September 2012

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Inhaltsverzeichnis:

0. Vorbemerkungen 4

Zusammenfassende Hauptaussagen 5

1. Zufriedenheiten und Erwartungen 9

1.1 Zufriedenheiten 9

1.1.1 Allgemeine Lebenszufriedenheit ..................................................................................... 9

1.1.2 Zufriedenheit nach Lebensbereichen ........................................................................... 13

1.2 Hoffnungen und Erwartungen 15

1.2.1 Die Erwartungen der Bürger ....................................................................................... 15

1.2.2 Erwartungen in den einzelnen Lebensbereichen .......................................................... 17

2. Lebenslagen im Vergleich 20

2.1 Wirtschaftliche Lage der Bürger 20

2.1.1 Bewertungen der wirtschaftlichen Lage 1990 bis 2012 ............................................... 20

2.1.2 Bedürfnisbefriedigung .................................................................................................. 24

2.1.3 Ausgaben/Ausstattung/Verbrauch ................................................................................ 25

2.1.4 Wirtschaftliche Erwartungen ....................................................................................... 31

2.2 Angleichung - Gewinne-Verluste 33

2.2.1 Angleichung am Ende? Ohne Ende? ............................................................................ 33

2.2.2 Deutsche Einheit - Gewinne-Verluste .......................................................................... 40

2.3 Einkommensentwicklungen 43

2.3.1 Individuelles Einkommen/Erwerbseinkommen ............................................................ 44

2.3.2 Haushaltseinkommen ................................................................................................... 47

2.3.3 Alterseinkommen .......................................................................................................... 50

2.3.4 Vermögen/Erbe ............................................................................................................. 54

2.3.5 Armutsentwicklung und Strukturen .............................................................................. 56

2.4 Arbeit 63

2.4.1 Wirtschaftliche Integration - Erwerbsstrukturen ......................................................... 63

2.4.2 Atypische Arbeitsverhältnisse ...................................................................................... 66

2.4.3 Rente mit 67 .................................................................................................................. 68

2.4.4 Arbeitslosigkeit ............................................................................................................. 71

2.5 Wohnen 73

2.5.1 Wohnbedingungen und Wohnzufriedenheit .................................................................. 73

2.5.2 Mietentwicklungen ....................................................................................................... 75

2.6 Erwartungen und Zufriedenheiten - Gesundheitswesen 76

3. Integration - Identifikation 79

3.1 Kulturelle Integration 79

3.1.1 Grundwerte - Freiheit vs. soziale Sicherheit? .............................................................. 79

3.1.2 Wertestrukturen ............................................................................................................ 81

3.1.3 Religiöse Bindungen ..................................................................................................... 82

3.1.4 Multikulturell - ausländerfeindlich? ............................................................................ 85

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3.2 Soziale und politische Integration 89

3.2.1 Bewertung der sozialen Entwicklung ........................................................................... 89

3.2.2 Qualifikationsstrukturen ............................................................................................... 90

3.2.3 Schichtstruktur ............................................................................................................. 92

3.3 Demokratie 94

3.3.1 Demokratieentwicklungen und -zufriedenheit .............................................................. 94

3.3.2 Politisches Interesse ..................................................................................................... 98

3.3.3 Bürgerschaftliches Engagement ................................................................................. 100

3.3.4 Parteien ...................................................................................................................... 102

3.4 Institutionenvertrauen 104

3.5 Identifikation 106

3.5.1 Identifikationen Ost und West .................................................................................... 106

3.5.2 Regionale Verbundenheiten ....................................................................................... 110

Methodik 113

Literaturverzeichnis

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0. Vorbemerkungen

Der vorliegende Report ist Ergebnis der Aufbereitung der 23. Welle der empirischen Erhebung „Leben

in den neuen Bundesländern“1 seit 1990, welche auf repräsentativen jährlichen Befragungen ost-

deutscher Bürger beruht, an denen insgesamt rd. 34.500 Bürger teilnahmen. Zugleich wurden darüber

hinaus in den Jahren seit 2010 zum Ost-West-Vergleich auch die Bewertungen von rd. 4.000 Bürgern

der alten Bundesländer bzw. einzelner Regionen zu den gleichen Sachverhalten erfasst, um nicht nur

bilanzartig die erfolgten positiven Veränderungen im Osten seit 1990, sondern auch die Ergebnisse der

Angleichung der Lebensverhältnisse, der vorhandenen Befindlichkeiten ebenso wie der Unterschied-

lichkeiten in den vorhandenen Chancen auf eine gleichwertige Lebensgestaltung und die Vielfalt des

Lebens darzustellen.

Es gehörte zu den ersten Ergebnissen der friedlichen Revolution, dass der Sozial- und Wohlfahrtsver-

band „Volkssolidarität“ 1990 in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten der DDR Lothar de

Maizière forderte, eine genaue Analyse der sozialen Lage der älteren Bürgerinnen und Bürger in der

DDR zu erarbeiten, um darauf aufbauend eine interessengeleitete Politik realisieren zu können.2 Seit-

dem stellt der Verband im jährlichen Wechsel den Sozialreport bezogen auf die Gesamtheit der Bürger

der neuen Bundesländer bzw. der ab 50. Lebensjahr der Öffentlichkeit vor.

Dabei bot die Volkssolidarität nicht nur Mithilfe an, sondern gab eine entsprechend Studie in Auftrag,

so dass Mitte 1990 der „Altenreport '90“ für das Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin-Ost er-

schien und seitdem seine Fortsetzung in entsprechenden regelmäßig erscheinenden Analysen und Pub-

likationen fand3.

Der vorliegenden Publikation liegt eine einmalige Datenbasis in Bezug auf die subjektiven Befind-

lichkeiten der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern zugrunde,4 da sie die jeweiligen

Ergebnisse der seit 1990 jährlich erfolgten Erhebungen und der entsprechenden Analysen gewisser-

maßen zusammenführt. Insofern reflektiert sie sowohl die Auffassungen und Positionen der Genera-

tionen, die seit 1990 bereits im Renten- bzw. Vorrentenalter waren/sind, als auch jener Jahrgänge,

welche inzwischen im Erwerbsalter sind und welche die künftigen Seniorengenerationen stellen wer-

den.

Die Analyse wurde - wie in den vergangenen Jahren auch - vom Sozialwissenschaftlichen For-

schungszentrum Berlin-Brandenburg e.V. im Auftrag des Bundesvorstandes der Volkssolidarität vor-

genommen.

1 Anfang 1990 wurde erstmalig die Befragung „Leben in der DDR - 1990“ zu sozialen Lebenslagen und Befindlichkeiten

ab 18-jähriger Bürger der DDR durch das Institut für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften der

DDR durchgeführt. Die Ergebnisse wurden als „Sozialreport - 1990“ einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Parallel dazu entstand 1990 im Auftrag der Volkssolidarität der „Altenreport '90“ für das Gebiet der DDR. Auf Grundla-

ge der seitdem jährlichen empirischen Erhebungen wurden seitdem 24 Reporte (Sozialreporte/Seniorenreporte) mit den

jeweils erhobenen Daten veröffentlicht. 2 Offener Brief der Außerordentlichen Zentralen Delegiertenkonferenz der Volkssolidarität an den Präsidenten der Volks-

kammer sowie den Ministerpräsidenten der DDR vom 27. Mai 1990. 3 Volkssolidarität e.V., Altenreport '90, Blätter der Wohlfahrtspflege Nr. 10+11, 1990 sowie in den Folgejahren als Alten-

reporte, Seniorenreporte, Sozialreporte 50+ veröffentlicht sowie durch spezielle Studien ergänzt. 4 Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-Brandenburg, empirische Erhebungsreihe „Leben in den neuen

Bundesländern“, 1. bis 23. Erhebungswelle (1990 bis 2012).

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Zusammenfassende Hauptaussagen

1. Zufriedenheiten und Erwartungen

1.1 Zufriedenheiten

1.1.1 Die Hälfte der Ostdeutschen ist mit ihrem Leben „sehr zufrieden“/„zufrieden“. „Die“ unzuf-

riedenen Ostdeutschen gibt es nicht. Erreichten „Wohlstandsgewinnen“ in den Jahren nach

1990 stehen im letzten Jahrzehnt „Wohlstandsverluste“ gegenüber. Die Zufriedenheit stabili-

siert sich in den letzten Jahren auf niedrigerem Niveau als vor den Sozialreformen. Die Le-

benslagedifferenzierungen zwischen zufriedenen und unzufriedenen Bürgern nehmen zu.

1.1.2 Die höchsten Zufriedenheiten weisen die Deutschen in Ost wie West auch 2012 für das Woh-

nen, die Freizeit und die Partnerschaft aus. Es sind jene Bereiche, welche der Einzelne relativ

selbstständig gestalten kann. Am Ende der Zufriedenheitsskala liegen Leben mit Kindern,

Demokratie, politischer Einfluss und die Einkommens-Preis-Verhältnisse.

1.2 Hoffnungen und Erwartungen

1.2.1 Leicht steigende Hoffnungen auf die Zukunft sind für die neuen Bundesländer charakteris-

tisch. Vor allem junge Ostdeutsche sehen optimistischer in die Zukunft, ältere Bürger gehen

zunehmend von sich verschlechternden Lebensverhältnissen in den nächsten Jahren aus.

1.2.2 Die Hoffnungen auf Verbesserungen sind insgesamt gering ausgeprägt und weisen zugleich

eine hohe Differenzierung nach einzelnen Lebensbereichen aus. Übereinstimmend in Ost und

West werden Verbesserungen vor allem hinsichtlich der Chancengleichheit im Erwerbsleben

und der Bildung angenommen, wie zum Teil mehr als die Hälfte der Bürger von Verschlech-

terungen bezogen auf soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, die Einkommensentwicklungen

und für die Alterssicherung ausgeht.

2. Lebenslagen im Vergleich

2.1 Wirtschaftliche Lage der Bürger

2.1.1 Die erfolgten Veränderungen der Lebensverhältnisse nach 1990 reflektieren sich zwischen

1990 und 2000 in einer ansteigenden positiven Wertung der individuellen wirtschaftlichen

Lage bei zunehmender sozialer Differenzierung. Die gestiegenen negativen Wertungen nach

2000 sind vor allem Auswirkungen der Sozialreformen, der Euro-Umstellung sowie des Aus-

setzens der Einkommensangleichungen.

2.1.2 Nur jeder dritte Haushalt in Deutschland kann mit dem im Haushalt erzielten Pro-Kopf-

Einkommen (Nettoäquivalenzeinkommen) seine vorhandenen Bedürfnisse im Großen und

Ganzen befriedigen, einem weiteren guten Drittel gelingt das nur mit Einschränkungen. In je-

dem vierten Haushalt ist es „zu knapp“.

2.1.3 Sowohl das monatlich den Haushalten zur Verfügung stehende Nettoeinkommen als auch die

Haushaltsausstattungen sind in den neuen Bundesländern seit 1991 beträchtlich gestiegen - ei-

ne Angleichung wurde insbesondere im Bereich moderner Kommunikationsmittel erreicht.

2.1.4 Die Annahmen der Bürger über ihre künftige wirtschaftliche Situation gehen in Ost wie West

im hohen Maße von Stagnation bzw. von Verschlechterungen aus. Vor allem Jüngere erwar-

ten Verbesserungen, Ältere überdurchschnittlich Verschlechterungen.

2.2 Angleichung - Gewinne-Verluste

2.2.1 Die Bewertungen wesentlicher sozialer Lebenslagen (Zufriedenheit, Erwartungen, wirtschaft-

liche Lage) unterliegen seit 1990 zunächst einer rasch steigenden Zunahme positiver Wertun-

gen, stabilisieren sich bis 2000 auf dem erreichten Niveau, um mit Einsetzen der „Reformpoli-

tik“ deutlich abzunehmen. Stagnation mit geringfügigen positiven Zunahmen charakterisiert

die letzten Jahre.

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Der Stand der Angleichung erreicht in wichtigen Parametern rd. 80 %. Die Bürger der neuen

Bundesländer haben durch berufliche und territoriale Mobilität eine historisch einmalige Ang-

leichungsleistung erbracht.

2.2.2 Fast die Hälfte der Bürger in Deutschland sieht sich eher als Gewinner wie als Verlierer der

Einheit, rd. jeder fünfte Bürger sieht für sich eher Verluste. In Ostdeutschland ist eine starke

Einkommensabhängigkeit für die Bewertung feststellbar. Ältere Bürger sehen sich immer we-

niger als „Gewinner“, Arbeitslose und Bürger mit geringem Einkommen in hohem Maße als

„Verlierer“.

2.3 Einkommensentwicklungen

2.3.1 Die Entwicklung des individuellen Nettoeinkommens hat sich in den neuen Bundesländern

zunächst rasch vollzogen, seit Mitte der 90er Jahre wurden keine weiteren wesentlichen Ang-

leichungsfortschritte erreicht. Zugleich haben soziale Differenzierungen in den Einkommen

zugenommen. Der Abstand zu den Einkommen im Westen ist insgesamt noch deutlich, z.T.

zunehmend.

2.3.2 Der Angleichungsprozess bei den Haushaltseinkommen ist weitgehend zum Erliegen gekom-

men. Die Einnahmestrukturen unterscheiden sich über Erwerbseinkommen und Pensionen hi-

naus vor allem bei Einnahmen aus Vermögen und nichtöffentlichen Transferzahlungen. Öf-

fentliche Transferzahlungen je Haushalt sind im Osten inzwischen geringer als im Westen.

2.3.3 Die Alterseinkommen trennen gegenwärtig Ost und West am meisten. Obwohl (noch) höhere

Renten gezahlt werden (bei abnehmender Tendenz), erreicht das Haushaltsnettoeinkommen

der Ost-Senioren nur 73 % der West-Senioren. Vergleichbare Lebensarbeitsleistungen werden

im Osten nach wie vor ungleich bewertet.

2.3.4 Die Vermögensschere Ost-West öffnet sich mit den kommenden Erbengenerationen weiter.

Insbesondere ältere Bürger und Selbstständige verfügen - wie Arbeiter - im Osten über deut-

lich geringeres Vermögen.

2.3.5 Zunehmende Armut ist eine der grundlegenden sozialen Entwicklungstendenzen des sozialen

Wandels in Deutschland. Sie reicht auch in den neuen Bundesländern inzwischen von Armut

in Familien mit Kindern, Armut trotz Erwerbsarbeit bis zu steigender Altersarmut. 2012 leben

25 % der ab 18-Jährigen im Bereich der Armutsrisikoschwelle.

2.4 Arbeit

2.4.1 Nach 1990 vollzog sich ein grundlegender Wandel in den Erwerbsstrukturen und Beschäfti-

gungsmöglichkeiten. Die Zahl der Erwerbstätigen entwickelt sich in Ost und West gegensätz-

lich. Die Erwerbsneigung ist im Osten nach wie vor hoch.

2.4.2 Atypische Arbeitsverhältnisse machen in Ost wie West mehr als ein Drittel aus bei rasch stei-

gender Tendenz. Die Auswirkungen auf die Lebenslage betreffen nicht nur die Gegenwart,

sondern führen zu sinkenden Ansprüchen in der Alterssicherung.

2.4.3 Die Rente mit 67 findet nach wie vor geringe Unterstützung. Von den Arbeitsmarktentwick-

lungen profitieren die über 50-Jährigen am wenigsten.

2.4.4 Der gespaltene Arbeitsmarkt - mit einer nach wie vor doppelt hohen Arbeitslosigkeit im Osten

- hat Langzeitwirkung bis zur künftigen Alterssicherung. In den neuen Bundesländern verfü-

gen 54 % aller 18- bis 65-Jährigen über eigene Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit. Rd. ein Drit-

tel der Erwerbstätigen im Osten lebt in sozialer Verunsicherung aufgrund empfundener Ar-

beitsplatzbedrohung.

2.5 Wohnen

2.5.1 Die in Deutschland lebenden Bürger sind mit ihren Wohnverhältnissen/Wohnbedingungen

zufrieden, nur 3 bis 4 % der Bürger sind unzufrieden. Das gilt inzwischen für Ost wie West.

Wohnen ist der Lebensbereich, der in den neuen Ländern den größten „Zugewinn“ erreicht

hat, nicht zuletzt aufgrund der qualitativen Fortschritte in der Wohnsubstanz und im Wohn-

komfort.

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2.5.2 Modernisierung und Neubau waren in den neuen Ländern zugleich mit bedeutenden Preis-

und Tarifentwicklungen verbunden - bei gleichzeitigem Wegfall von Sozialsubventionen. Der

Anteil der Mietbelastung stieg von 4 % des Einkommens auf 27 %.

2.6 Erwartungen und Zufriedenheiten - Gesundheitswesen

Gesundheit hat einen hohen Stellenwert - die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen ist

jedoch gering ausgeprägt, ebenso wie positive Erwartungen an dessen künftige Entwicklung.

Rd. ein Drittel der Bürger ist mit dem Gesundheitswesen unzufrieden und erwartet weitere

Verschlechterungen.

3. Integration - Identifikation

3.1 Kulturelle Integration

3.1.1 Die Grundwertestruktur in Deutschland unterscheidet sich vor allem hinsichtlich des Stellen-

wertes von Freiheit und sozialer Sicherheit zwischen Ost und West. Sozialisation und Alter

führen zu deutlich unterschiedlichen Bewertungen zwischen Ost und West.

3.1.2 Arbeit, ein dem Einkommen entsprechender Lebensstandard, Gesundheit und Wohnen stehen

im Zentrum der Wertehierarchie der Bürger in den neuen wie alten Bundesländern. Gravie-

render Wertewandel trat in den neuen Ländern beim Stellenwert von Kindern bei Jüngeren

und dem Leben in einer demokratischen Gesellschaft auf.

3.1.3 Die deutsche Vereinigung hat die weltanschaulichen Strukturen der Bevölkerung deutlich und

nachhaltig auch in dieser Hinsicht in zwei Regionen geteilt. Während im Osten 78 % keiner

Religionsgemeinschaft angehören, sind es im Westen inzwischen 38 %.

3.1.4 Zur Vielfalt des Lebens in Deutschland gehören auch das Zusammenleben mit Bürgern ande-

rer Nationalitäten und die damit verbundene Sprachenvielfalt, religiösen Unterschiede und das

multikulturelle Leben. Die Haltungen in Ost wie West sind nicht hinreichend ausländerfreund-

lich.

3.2 Soziale und politische Integration

3.2.1 Die Aussagen zu individuellem sozialen Auf- bzw. Abstieg weisen eine relativ hohe Über-

einstimmung in Ost wie West auf. Stagnierende Entwicklungen und die Politik der Sozialre-

formen haben in Ost wie West zu absinkenden Anteilen „sozialer Aufsteiger“ geführt.

3.2.2 Insbesondere das berufliche Qualifikationsniveau unterscheidet sich zwischen Ost und West

vor allem aufgrund der Unterschiedlichkeit des Niveaus vor 1990 besonders bei Frauen. Er-

werbsstrukturen haben sich bereits stärker angeglichen.

3.2.3 Die subjektiven Schichteinstufungen zwischen Ost und West reflektieren individuelle Lebens-

lagen ebenso wie unterschiedliche regionale Sozialisation. Prägend für den Osten sind die Un-

ter- und Arbeiterschicht, für den Westen (Niedersachsen) die Mittelschicht und obere Mittel-

schicht.

3.3 Demokratie

3.3.1 Charakteristisch ist eine wieder ansteigende Zustimmung zur Demokratie als Wert bei niedri-

ger Zufriedenheit hinsichtlich demokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten und geringer Erwar-

tungen an Verbesserungen. Positivere Zustimmungswerte im Westen. Geringe demokratische

Legitimation durch Wahlergebnisse.

3.3.2 Das politische Interesse bewegt sich stabil auf mittlerem Niveau, offensichtlich beeinflusst

durch politische Einbindung und Betroffenheit der Bürger von politischen Aktivitäten.

3.3.3 Die Vereinskultur ist insgesamt durch eine rückläufige Entwicklung in der Mitgliedschaft von

Parteien und großen Interessenverbänden gekennzeichnet. Zugleich gibt es in Ost wie West

ein keineswegs unbedeutendes Potenzial, das Interesse am bürgerschaftlichen Engagement

bekundet.

3.3.4 Die Parteienlandschaft in Deutschland hat sich nach 1990 durch Bildung neuer Parteien neu

strukturiert mit unterschiedlicher Akzeptanz in Ost und West.

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3.4 Institutionenvertrauen

Das Vertrauen in die gewählten Institutionen auf Bundes- und Landesebene ist in Deutschland

generell gering - wenig und kein Vertrauen sind dominant in der Meinung der Bürger. Polizei

und Gerichten wird demgegenüber ein höheres Vertrauen entgegengebracht. Die Vertrauens-

basis im Osten ist geringer als im Westen.

3.5 Identifikation

3.5.1 Seit Mitte der 90er Jahre entwickelt sich in den neuen Ländern zunehmend eine - vor allem

von den nachrückenden jüngeren Jahrgängen getragene - Identifikation mit der Bundesrepub-

lik Deutschland auf geringem Niveau.

3.5.2 Die gefühlsmäßige Verbundenheit der Bürger ist nach wie vor stark sozialisationsbedingt.

Ostdeutschland ist für die Bürger der neuen Bundesländer, die Bundesrepublik für Bürger des

früheren Bundesgebietes der Bezugspunkt. Das neue Europa wird in Ost wie West weitaus

weniger angenommen.

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

9

1. Zufriedenheiten und Erwartungen

1.1 Zufriedenheiten

1.1.1 Allgemeine Lebenszufriedenheit

Die Hälfte der Ostdeutschen ist mit ihrem Leben „sehr zufrieden“/„zufrieden“. „Die“ unzufriede-

nen Ostdeutschen gibt es nicht. Erreichten „Wohlstandsgewinnen“ in den Jahren nach 1990 stehen

im letzten Jahrzehnt „Wohlstandsverluste“ gegenüber. Die Zufriedenheit stabilisiert sich in den

letzten Jahren auf niedrigerem Niveau als vor den Sozialreformen. Die Lebenslagedifferenzierun-

gen zwischen zufriedenen und unzufriedenen Bürgern nehmen zu.

Tabelle 1.1: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig alles in allem mit Ihrem Leben?“ - neue Länder

und Berlin-Ost - 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost

Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

sehr zufrieden 2 7 7 5 7 7 11

zufrieden 31 50 51 42 44 43 47

teilweise zufrieden 50 36 34 33 33 37 31

unzufrieden 13 7 7 14 12 9 8

sehr unzufrieden 3 2 1 5 3 2 1

ohne Antwort 1 0 - 2 1 2 2

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Die allgemeine Lebenszufriedenheit in Ostdeutschland wird inzwischen von den Erfahrungen aus über

20 Jahren Bundesrepublik sowie bei einem abnehmenden Teil der Bevölkerung aus rd. 40 Jahren DDR

bzw. den gelebten Nachkriegs- und zum Teil Kriegsjahren beeinflusst. Gleichzeitig steigt der Anteil

von Bürgern, welche die DDR nicht mehr aus bewusstem eigenen Erleben kennen (rd. 25 bis 30 % der

ab 18-Jährigen). Die Lebenszufriedenheiten werden gleichermaßen durch sich zunehmend angleichen-

de, aber auch noch vorhandene, zum Teil auch zunehmend ungleiche Lebensbedingungen in Ost- und

Westdeutschland geprägt. Die 1989/90 vorhandenen hohen Erwartungshaltungen an Veränderungen in

allen Lebensbereichen haben sich inzwischen modifiziert, sowohl aufgrund der realen positiven Ver-

änderungen als auch der Erkenntnis der Nichtrealisierbarkeit von Idealvorstellungen.

2012 waren in den neuen Bundesländern 50 % der Bürger ab 18. Lebensjahr mit ihrem Leben „alles in

allem zufrieden“, 37 % „teilweise zufrieden“ und 11 % „unzufrieden“. In der Vergleichsregion Nie-

dersachsen sind die Bürger mit 58 % erkennbar „zufriedener“, 31 % sind „teilweise zufrieden“ und 9

% „unzufrieden“.

Im Vergleich über die Jahre seit 1990 ist für die neuen Bundesländer ein kontinuierlicher Anstieg von

33 % der „sehr Zufriedenen“/„Zufriedenen“ auf 60 % im Jahre 1999 ebenso charakteristisch wie die

deutlichen „Zufriedenheitsverluste“ in den Jahren 2002 und 2003 (Sozialreformdebatten und -wir-

kungen) in allen Bevölkerungsgruppen. Erst in den letzten Jahren treten scheinbar stabile „Zufrieden-

heitsgewinne“ auf. Trotzdem gilt insgesamt: „Die“ unzufriedenen Ostdeutschen gibt es nicht. Erreich-

ten Wohlstandsgewinnen in den Jahren nach 1990 stehen im letzten Jahrzehnt Wohlstandsverluste

gegenüber (Arbeitsmarkt, Verlangsamung des Angleichungsprozesses, Sozialabbau u.a.) ebenso wie

andererseits die Akzeptanz von staatlichen „Schutzschirmen“ für die unterschiedlichsten Lebenslagen

während der Finanzkrise (2008/2009), die Absicherung des Erwerbsstatus durch „Kurzarbeit“ oder die

Rentenerhöhungen seit 2010 - unabhängig von eingetretenen Kaufkraftverlusten - positiven Einfluss

auf die Bewertung haben.

Erkennbar ist (vgl. Abbildung 1.1), dass bei den 50- bis 60-Jährigen (wie bei den unter 60-Jährigen

generell) vor allem die Politik der Sozialreformen (insbes. Arbeitsmarktreform, Gesundheitsreform)

direkten Einfluss hatte, während bei den älteren Jahrgängen erst mit dem Wirksamwerden der Renten-

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

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reform (Nullrunden, Nachhaltigkeitsfaktor) und einseitigen Entwicklungen in der Pflegereform nega-

tivere Bewertungen erfolgten. Insbesondere bei älteren Bürgern sinkt die allgemeine Lebenszufrieden-

heit und nähert sich dem Durchschnitt der Allgemeinheit an.

Bezogen auf die Entwicklung seit 1990 sind charakteristisch und die Gesamtbewertung beeinflussend:

• eine relativ übereinstimmende Bewertung der allgemeinen Lebenszufriedenheit zwischen Frauen

und Männern;

• deutliche Zufriedenheitsverluste bei den Altersgruppen der Vorrentner zwischen 2000 und 2005

(Arbeitsmarktreform) und seit 2005 bei den Bürgern, welche im Rentenalter sind;

• ein deutlicher Rückgang der Zufriedenheit bei Arbeitslosen/in arbeitsmarktpolitischen Maßnah-

men Tätigen mit Wirksamwerden der Arbeitsmarktreform (Hartz) - Anstieg der Unzufriedenheit

auf 39 %;

• überdurchschnittlich bessere Bewertungen bei Hochschulabsolventen und Bürgern mit hohem

Familieneinkommen.

Die allgemeine Lebenszufriedenheit, die - wie bereits hervorgehoben - von der Gesamtheit der Le-

bensumstände beeinflusst wird, verweist jedoch in besonderem Maße auf den Zusammenhang zwi-

schen Zufriedenheit und sozialen Grundwerten. Das betrifft im Besonderen auch die Zufriedenheit mit

den Zukunftsaussichten sowie die Bewertung der Einkommenszufriedenheit.

Abbildung 1.1: Allgemeine Lebenszufriedenheit - nach ausgewählten Altersgruppen - neue Länder

- 1990 bis 2012 - in Prozent - (nur Antworten: „sehr zufrieden“/„zufrieden“)

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Insgesamt wird bei den getroffenen Aussagen (2012) deutlich, dass

Zufriedenheit und Unzufriedenheit - wie die in Tabelle 1.2 dargestellten Differenzierungen im

Einkommen, in den Wohnverhältnissen und der Qualifikation ausweisen - vor allem mit der wirt-

schaftlichen Situation (insbes. Einkommens-/Armutsverhältnissen) verbunden sind, aber letztlich

aus voneinander abhängigen Ungleichheiten in allen Lebensbereichen resultieren;

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 0

25

50

75

100

ab 18. Lebensjahr insg. 50-60 Jahre 60 Jahre und älter

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

11

Abbildung 1.2: Zufriedenheit nach Einkommensgruppen - neue Länder - 2012 - in Prozent* -

* Differenz zu 100 = ohne Antwort; Wertebereiche ohne Kennzeichnung = 1 Prozent ** Nettoäquivalenzeinkommen = Haushaltsnettoeinkommen unter Berücksichtigung der Anzahl der Haushaltsmitglieder und wirtschaft-

lich nicht selbstständiger Kinder unter 14 Jahren und ab 14 Jahre

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

gleiche Bewertungen zwischen Ost und West jedoch zugleich bestehende wirtschaftliche Un-

gleichheiten überdecken. Obwohl der Zusammenhang zwischen allgemeiner Lebenszufriedenheit

und sozialen Lebenslagen unbestritten ist, erweist sich, dass nicht nur die „Zufriedenen“, sondern

auch die „Unzufriedenen“ in Niedersachsen bessere materielle und finanzielle vergleichbarere Le-

benslagen reflektieren als in den neuen Ländern. Es ist im Osten Zufriedenheit/Unzufriedenheit

auf einem anderen Lebensniveau. So verfügen z.B. „zufriedene“ Ostdeutsche über deutlich niedri-

gere individuelle und Haushaltsnettoeinkommen sowie kleinere Wohnungen, aber auch geringeres

Vermögen (vgl. Abschnitt 2.3.4). In Ostdeutschland beeinflusst Erwerbstätigkeit das Maß der Zu-

friedenheit stärker als in Westdeutschland;

die Differenzierungen in den Lebenslagen inzwischen auch in den neuen Bundesländern zuneh-

men und abgegebene Bewertungen beeinflussen. Betrug 1990 die Einkommensdifferenz zwischen

Zufriedenen und Unzufriedenen 54 Euro, so erreicht sie inzwischen (vgl. Abbildung 1.3) rd. 689

Euro im Jahr 2012. Betrug das Einkommen der Zufriedenen gegenüber den Unzufriedenen

1990 das 1,1-Fache, so stieg es bis 2000 auf das 1,3-Fache und erreichte 2012 das

1,9-Fache. Trotz sinkender Einkommen nimmt die Differenz zu.

Ein Vergleich der Zufriedenheitsbewertung nach sozialen Hauptgruppen zeigt, dass Beamte (Ost und

West), Selbstständige (West) ebenso wie Hochschulabsolventen (Ost und West), Familien ohne Kin-

der und Rentner (West) sowie Angestellte (Ost und West) überdurchschnittlich positive Wertungen

abgeben.

insge- samt

unt. 500

Euro

500- 999

Euro

1.000- 1.499 Euro

1.500- 1.999 Euro

2.000 Euro u.dar.

ohne Ein-

komm.

unt. 750

Euro

750- 999

Euro

1.000- 1.499 Euro

1.500- 1.999 Euro

2.000 Euro u.dar.

0

20

40

60

80

100

-20

-40

-60

Nettoäquivalenzeinkommen** individuelles Nettoeinkommen

teilw. zufrieden

unzufrieden

sehr unzufrieden

5 23

8

17 21 12

3

9 2

9 2

20

40

60

3

37 42 36 24 22 26 41 42 38 33 21

17

13

66

6

62 47

7

38 22

5

64

14

62 46

9 7

31 24

43

7

15

9

39

6 3 7

4

12

48

31 zufrieden

sehr zufrieden

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

12

Abbildung 1.3: Differenz in den Einkommen je Haushaltsmitglied (Nettoäquivalenzeinkommen)

zwischen Zufriedenen und Unzufriedenen - neue Länder - 1990 bis 2012 - in Euro -

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Betrug der Unterschied in den Nettoäquivalenzeinkommen 1990 umgerechnet 54 Euro zwischen den

Zufriedenen und den Unzufriedenen, so liegt diese Differenz inzwischen im Jahr 2012 bei 689 Euro.

Noch extremer sind die Einkommensverhältnisse bei den „sehr Zufriedenen“ mit 1.514 Euro im indi-

viduellen Nettoeinkommen im Vergleich zu den „sehr Unzufriedenen“ mit 486 Euro, welche um über

das 3-Fache höher sind.

Während sich seit 1990 die Einkommen insgesamt verdreifachten, ist die Einkommensdifferenz auf

das über 12-Fache gestiegen.

Tabelle 1.2: Lebensstandardprofile - nach allgemeiner Lebenszufriedenheit - nach Regionen

- 2012 -

Indikator Maßeinheit neue Länder und Berlin-Ost Niedersachsen

zufrieden unzufrieden zufrieden unzufrieden

insgesamt % 50 11 58 9

individuelles Nettoeinkommen Euro 1.451 736 1.566 868

Haushaltsnettoeinkommen Euro 2.253 1.102 2.558 1.319

Äquivalenzeinkommen/Kopf Euro 1.447 758 1.687 915

Wohneigentum % v. zufrieden/unz. 39 22 45 22

Wohngröße qm 84 67 96 70

Fach-/Hochschulabschluss % v. zufrieden/unzufrieden 29 11 14 4

Hoffnungen % v. zufrieden/unzufrieden 22 1 21 0

wirtschaftliche Lage (gut) % v. zufrieden/unzufrieden 57 4 61 6

erwerbstätig % v. zufrieden/unzufrieden 58 48 49 45

arbeitslos % v. zufrieden/unzufrieden 1 22 1 32

alleinerziehend % v. zufrieden/unzufrieden 6 20 6 12

Armutsquote (<851 Euro) % v. zufrieden/unzufrieden 15 64 10 59

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

452

670 817

746 820 758

54

269

229

587

681 689

1990 1995 2000 2005 2010 2012 0

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1.600

Haushaltsnetto der Unzufriedenen Einkommensdifferenz Unzufriedene/Zufriedene

1.447

506

1.501

939

1.046

1.323 Haushaltsnetto der Zufriedenen

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

13

1.1.2 Zufriedenheit nach Lebensbereichen

Die höchsten Zufriedenheiten weisen die Deutschen in Ost wie West auch 2012 für das Wohnen,

die Freizeit und die Partnerschaft aus. Es sind jene Bereiche, welche der Einzelne relativ selbst-

ständig gestalten kann. Am Ende der Zufriedenheitsskala liegen Leben mit Kindern, Demokratie,

politischer Einfluss und die Einkommens-Preis-Verhältnisse.

Tabelle 1.3: Zufriedenheit nach Lebensbereichen - neue Länder und Berlin-Ost

- 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

(nur Antworten: „sehr zufrieden“/„zufrieden“)

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

Wohnung 63 74 82 78 79 82 82

Bildungsangebote 43 48 45 34 43 42 55

soziale Sicherheit 54 27 29 16 28 30 47

Arbeit (unter 60 Jahre) 60 49 51 46 54 54 58

Freizeit 38 67 67 62 61 64 66

Gesundheitswesen 29 63 41 19 23 32 37

Umwelt 3 26 31 22 22 19 22

Einkommens-Preis-Verhältnis 2 11 14 5 12 9 12

mit Kindern leben (unter 60 Jahre) 56 36 38 18 24 26 30

Demokratieentwicklung 8 18 15 7 16 16 32

persönlicher politischer Einfluss 12 12 10 6 10 10 14

jeweils höchster Wert in den neuen Ländern (+ Berlin-Ost) = grün unterlegt

jeweils niedrigster Wert in den neuen Ländern = braun unterlegt

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Eine Untersetzung der Bewertungen nach der Zufriedenheit in einzelnen Lebensbereichen über den

Zeitraum seit 1990 für die neuen Bundesländer bestätigt die Erkenntnis, dass Zufriedenheiten und

eingetretene Veränderungen übergreifend nach wie vor wie folgt zusammenfassbar sind:

• Bereiche, die der Einzelne eigenständig, (relativ) unabhängig von äußeren Einflüssen auf sein

Leben gestaltet, wie z.B. Partnerbeziehungen (67 % „sehr zufrieden“/„zufrieden“) oder das Woh-

nen (82 %) sowie die Freizeit (64 %). Insgesamt erweisen sich diese Bereiche der Privatsphäre als

stabile Elemente der Zufriedenheit, die sich über Jahre durch ein hohes Zufriedenheitsmaß aus-

zeichnen.

• Bereiche von Lebensverhältnissen, in denen 1989/1990 die Menschen grundlegende Veränderun-

gen erwarteten, die jedoch in unterschiedlichem Maße für den Einzelnen bzw. einzelne Gruppen

eingetreten sind. Das betrifft insbesondere Umwelt, Einkommensentwicklung und Realisierungs-

möglichkeiten sowie Bildung, aber auch die Demokratieentwicklung (40 % „unzufrieden“/„sehr

unzufrieden“) und den Bereich Einkommen/Preise (59 %), in denen vorhandene Unzufriedenhei-

ten nicht/kaum abgebaut wurden bzw. sich neu aufbauten.

• Bereiche, in denen nach einem Anstieg bis Mitte der 90er Jahre ab 1998/1999 ein rapider Zufrie-

denheitsabfall erfolgte und bei denen von der Mehrheit der Bürger mit der Vereinigung keine Ver-

änderungen angenommen wurden, sondern von einer (mehr oder weniger) kontinuierlichen Fort-

setzung der Entwicklung ausgegangen wurde. Inzwischen sind die Gegensätzlichkeiten der sozia-

len Sicherung für den Einzelnen direkt erlebbar und für große Teile der Bevölkerung auch spürbar.

Das betrifft insbesondere Unzufriedenheiten im Bereich des Gesundheitswesens und der Zu-

kunftserwartungen, aber auch der wirtschaftlichen Situation im Lande. Im Gegensatz dazu wirken

von der Koalition eingeleitete „Sozialpakete“ (Kurzarbeit, Rentenerhöhung, teilweiser Schutz vor

finanziellen Verlusten) auf die Zufriedenheitsbewertung positiv (z.B. soziale Sicherheit).

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

14

Im Vergleich der Zufriedenheiten in einzelnen Lebensbereichen zwischen Ost und West (Niedersach-

sen) ist eine in den Grundstrukturen weitgehend übereinstimmende Zufriedenheitsstruktur feststellbar

- auch in Niedersachsen sind die Zufriedenheiten im Bereich Wohnen (82 %) und Freizeit (66 %) am

höchsten und hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit (8 %) und der Einkommens-Preis-Verhältnisse

(12 %) am geringsten.

Deutlich über den Werten im Osten liegen in Niedersachsen Bildung (55 %), soziale Sicherheit (47 %)

sowie die Zufriedenheit mit der Demokratieentwicklung (32 %). Unzufriedenheiten sind im Osten vor

allem höher bezogen auf die wirtschaftliche Situation im Lande und die Zukunftssicherheit. Alles in

allem Wertungen, die mittels der west- und ostdeutschen Realitäten nachvollziehbar sind.

Der Erwerbsstatus und die damit verbundene Einkommenssituation wirken naturgemäß in Ost wie

West auf individuelle Zufriedenheiten. Dabei ist im Osten die Bewertung zwischen Erwerbstätigen

und Arbeitslosen stärker differenzierend als im Westen.

Abbildung 1.4: Zufriedenheit nach Lebensbereichen - neue Länder - 2012 - in Prozent* -

* Differenz zu 100 Prozent = ich weiß nicht/ohne Antwort/trifft nicht zu

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

7 10,5

3 15

10 16

19 20 19

24 24

22 12,5

19,5 18,5

13 14,5

12

82 64

67 55

54 42 35 33

30 22 20 20

26 18 16

10 8 10

7 10,5

3 15

10 16

19 20

19 24 24

22 12,5

19,5 18,5

13 14,5

12

3 10

5 12

12 10

24 25 27

23 28

27 23

40 40

59 59

39

Wohnung Freizeit

Partnerschaft persönliche Sicherheit

Arbeit (18-59 Jahre) Bildung

eig. Zukunftsaussichten Gesundheitswesen soziale Sicherheit

öffentliche Verwaltung Umwelt

Lebensbeding. f. Familien mit Kindern zu leben

wirtschaftliche Situation Demokratie

Verhältn. Einkom./Preise soziale Gerechtigkeit

pers.politischer Einfluss

0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100

sehr zufrieden/ zufrieden

unzufrieden/ sehr unzufrieden

teilweise zufrieden

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

15

1.2 Hoffnungen und Erwartungen

1.2.1 Die Erwartungen der Bürger

Leicht steigende Hoffnungen auf die Zukunft sind für die neuen Bundesländer charakteristisch.

Vor allem junge Ostdeutsche sehen optimistischer in die Zukunft, ältere Bürger gehen zunehmend

von sich verschlechternden Lebensverhältnissen in den nächsten Jahren aus.

Tabelle 1.4: „Wenn Sie an die Entwicklung in den nächsten Wochen denken, haben Sie dann ...?“

- neue Länder und Berlin-Ost - 1990 bis 2012 - (2012 Vergleich zu Niedersachsen)

- in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

vor allem Hoffnungen 26 33 31 12 13 15 15

vor allem Befürchtungen 5 16 15 32 27 22 17

sowohl Hoffnungen als auch

Befürchtungen 47 47 50 49 53 54 59

ich weiß nicht 4 4 4 3 5 5 5

ohne Antwort 19 1 1 4 2 4 5

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Die Möglichkeiten, mittels eigener Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten eine bessere Lebensqua-

lität erreichen bzw. den erreichten Standard halten zu können, werden in nicht unbedeutendem Maße

von den Rahmenbedingungen, welche die Gesellschaft, in der der Einzelne lebt, bestimmt. Der eigene

Einfluss kann weitgehend nur vorhandene Spielräume nutzen.

Als zum Jahreswechsel 1989/90 am Brandenburger Tor und in ganz Deutschland die erreichten Er-

gebnisse der friedlichen Revolution in der DDR und die sich abzeichnenden Schritte zur deutschen

Vereinigung gefeiert wurden, waren es überwiegend Hoffnungen auf eine andere Zukunft, welche die

16,4 Millionen Bürger der DDR damit verbanden.

Die Jahre ab 1990 unterliegen seitdem in den neuen Bundesländern einem Wechselspiel von steigen-

den Hoffnungen - insbesondere von 1991 bis 1994, von 1997 bis 2000 sowie 2009/2012 - und zuneh-

menden Befürchtungen (1994 bis 1997, 2000 bis 2003, 2007 bis 2008).

In den neuen Bundesländern äußerten 15 % der ab 18-jährigen Bürger im ersten Halbjahr 2012 vor

allem Hoffnungen hinsichtlich der weiteren Entwicklung, 22 % vor allem Befürchtungen und 54 %

sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen. Dabei ist das Bild in Ost und West durchaus unterschied-

lich. So äußerten in Niedersachsen zwar gleichfalls 15 % der Bürger vor allem Hoffnungen, aber nur

17 % vor allem Befürchtungen, und 59 % sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen.

Kennzeichnend ist insgesamt der hohe Anteil von Bürgern, welcher jeweils mit „sowohl als auch“

seine Erwartungen bewertet.

Hervorzuheben sind die positiven Aussagen bezüglich der künftigen Entwicklung seitens jüngerer

Bürger (bis 35. Lebensjahr), welche in den neuen Bundesländern in noch deutlicherem Maße hoff-

nungsvoll bewertet wird (30 %) als in Niedersachsen (20 %).

In Ost wie West sind die höheren Anteile Älterer bzw. von Bürgern ab 50. Lebensjahr, welche für sich

eher Befürchtungen annehmen (neue Länder 25 % - erstmals wieder mit steigender Tendenz), kenn-

zeichnend. Das gilt auch im Besonderen in den neuen Ländern für Arbeitslose, die vor allem ihre Be-

fürchtungen äußern (32 %).

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

16

Kennzeichnend für die Qualität einer Gesellschaft ist neben der realen Situation vor allem die Zufrie-

denheit mit den Zukunftsaussichten, d.h. die Vorstellungen des Einzelnen über seine Entwicklung und

die absehbaren Realisierungschancen. Insofern reflektieren sich vorhandene soziale Differenzierungen

vor allem auch in der Zufriedenheit mit den Zukunftsaussichten für den Einzelnen.

Bezogen auf die eigene künftige Situation gibt es ein relativ einheitliches Bild bzw. übereinstimmende

Vorstellungen zwischen Ost und West. Im Jahre 2012 waren 35 % der ab 18-jährigen Bürger der neu-

en Bundesländer mit ihren Zukunftsaussichten „zufrieden“, 38 % „teilweise zufrieden“ und 24 % „un-

zufrieden“, d.h. es gibt - grob betrachtet - eine Drittelung der Bewertung. In Niedersachsen geben

43 % an, zufrieden zu sein, 30 % teilweise und 20 % sind unzufrieden.

Abbildung 1.5: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Zukunftsaussichten?“ - neue Länder

- 1994 bis 2012 - in Prozent -

* Wertebereiche ohne Beschriftung = 1 Prozent

Datenbasis: sfz/leben 1994-2012 (gew.)

Insgesamt ist über die Jahre (vgl. Abbildung 1.5) für Ostdeutschland zwischen 2000 und 2006 ein

starker Abfall der Zukunftszufriedenheit zu verzeichnen, der sich seit 2006 wieder ins Positive um-

kehrt - offensichtlich Ergebnis sowohl der verschiedenen „Schutzschirme“, der seit 2010 wieder er-

folgten Rentenerhöhungen als auch der medial verbreiteten Informationen über Entwicklungen in

Deutschland im Vergleich zu sozialen Entwicklungen und vorgesehenem Sozialabbau in anderen

EU-Ländern.

Tabelle 1.5: „Wie wird sich Ihr Leben ganz allgemein in den nächsten fünf Jahren verändern?“

- nach Regionen - 2012 - in Prozent -

vermutlich

verbessern

so sein wie

heute

vermutlich

verschlechtern

ich weiß

nicht

ohne

Antwort

neue Länder/Berlin-Ost 15 39 27 17 3

Niedersachsen 23 37 22 16 1

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Für die allgemeinen Erwartungen an erfolgende Veränderungen des Lebens in den nächsten fünf Jah-

ren sind folgende Aussagen charakteristisch:

ein hoher Anteil von Bürgern mit Zukunftsunsicherheiten, was die im Vergleich zu anderen Be-

wertungen große Zahl von Bürgern belegt, welche dazu keine Aussage treffen können (17 % - ich

weiß nicht);

mehrheitlich wird von keinen Veränderungen ausgegangen (39 %) - ein grundlegender „Stim-

mungswandel“ konnte in den letzten Jahren nicht erreicht werden;

40 41 32 31 32

40 42 33

26 21 26

16 20 28 26 32 34 37 35

38 36 39

37 39

39 37

40

35 34 29

31

40 35 37

37 33 35 38

21 21 27

30 27 20 20

25

33 40 37

48

38 35 34 29 29 22 24

1 2 1

2 2 1 1 2

6 5 7 5 2 2 3 3 4 5 4

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 0%

20%

40%

60%

80%

100%

sehr zufrieden/zufrieden teilweise zufrieden unzufrieden/sehr unzufrieden trifft nicht zu/ohne Antwort

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

17

die Annahme auf eintretende Verschlechterungen (27 %) als auf Verbesserungen (15 %) ist im

Osten prägnanter als in der Vergleichsregion Niedersachsen (23 % Verbesserungen/22 % Ver-

schlechterungen);

rd. ein Drittel insbesondere jüngerer Bürger im Osten wie älterer in Ost wie West sieht für sich in

den kommenden Jahren Verschlechterungen der Lebensverhältnisse - in Niedersachsen gehen jun-

ge Bürger zu fast zwei Dritteln von Verbesserungen ihrer Lebenssituation aus.

Abbildung 1.6: „Können Sie sagen, wie sich Ihr Leben ganz allgemein in den nächsten fünf Jahren

verändern wird?“ - nach Regionen und Altersgruppen - 2012 - in Prozent* -

(nur Antworten: „verbessern“ bzw. „verschlechtern“)

* Differenz zu 100 = so bleiben wie heute/ich weiß nicht/ohne Antwort

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

1.2.2 Erwartungen in den einzelnen Lebensbereichen

Die Hoffnungen auf Verbesserungen sind insgesamt gering ausgeprägt und weisen zugleich eine

hohe Differenzierung nach einzelnen Lebensbereichen aus. Übereinstimmend in Ost und West

werden Verbesserungen vor allem hinsichtlich der Chancengleichheit im Erwerbsleben und der

Bildung angenommen, wie zum Teil mehr als die Hälfte der Bürger von Verschlechterungen bezo-

gen auf soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, die Einkommensentwicklungen und für die Alters-

sicherung ausgeht.

Die Daten des Jahres 2012 belegen, dass die Erwartungen an die weitere Entwicklung zwischen ein-

zelnen Lebensbereichen sehr differenziert ausgeprägt sind - wobei zwischen Ost und West bedingt

vergleichbare Strukturen sichtbar werden. Insgesamt sind die Hoffnungen auf Verbesserungen gering

ausgeprägt.

Erwartungen auf Verbesserungen werden vor allem bezogen auf Chancengleichheit von Frauen und

Männern im Erwerbsleben, in der Bildung und Qualifizierung ausgesprochen (vgl. Abbildungen 1.7).

In den Bereichen mit starken individuellen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten wie Wohnen,

Freizeit, Bildung erwartet die Mehrheit keine grundlegenden Veränderungen der dafür erforderlichen

gesellschaftlichen Bedingungen. Vor allem für Bereiche, die stärker den politischen Gestaltungspro-

zessen unterliegen, ist die Annahme von - weiteren - Verschlechterungen charakteristisch. Das betrifft

insbesondere Bereiche wie soziale Absicherung im Alter, die Lohn-Einkommens-Preisgestaltung, die

Möglichkeit, Arbeit zu haben, soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit sowie persönlichen Wohlstand.

Das gilt sowohl für die neuen Bundesländer wie für Niedersachsen - zum Teil mit Werten zwischen

15 23 43

30 16

7 2

61 46

18 20 5

-27 -22 -33

-13 -24

-33 -32

-7 -12

-21 -26

-33

neue Länder

Nieder- sachsen

unt. 25 Jahren

25-39 Jahre

40-49 Jahre

50-59 Jahre

60 Jahre u.ält.

unt. 25 Jahren

25-39 Jahre

40-49 Jahre

50-59 Jahre

60 Jahre u.ält.

0

20

40

60

80

-20

-40

-60

verbessern verschlechtern

neue Länder Niedersachsen

20

40

60

insgesamt

27 22 33

13 24

33 32

7 12 21 26

33

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

18

50 % bis 70 % der Bürger ab 18. Lebensjahr. Unterschiedliche Erwartungen zwischen Ost und West

treten im Besonderen hinsichtlich der Annahme auf Verbesserungen beim Wohnen und des Lebens

mit Kindern auf.

Abbildung 1.7: „Erwarten Sie in Bezug auf die Bedingungen ...?“ - nach Regionen - 2012

- in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Charakteristisch sind jedoch

• eine generell geringe Annahme auf künftige Verbesserungen,

• mehrheitlich eine Reflexion der Reformpolitik und der geringen Aussichten auf „Kursänderungen“

in einer Vielzahl der Bereiche (soziale Sicherheit, Einkommens-Preis-Entwicklung, Alterssiche-

rung, Realeinkommen, soziale Gerechtigkeit).

Am stabilsten sind die Meinungen im Bereich Partnerschaften - mehrheitlich wird von keinen Verän-

derungen ausgegangen. Offensichtlich ist, dass - da keine/kaum außerfamiliäre/-partnerschaftliche

Einflüsse wirksam werden - nur bei wenigen Bürgern Verbesserungen bzw. Verschlechterungen ange-

nommen werden.

28 29,5

31,5 29,5 30

23 24

26 24

19,5 20

26,5 25

22 23

16,5 13,5

7

19 17 12 14 13

20 15 9 11

15 14

7 8 10 7

6 6

7

28 29,5

31,5 29,5 30

23 24

26 24

19,5 20

26,5 25

22 23

16,5 13,5

7

19 18

9 17

21 26 28 27 34

37 39

32 34 39 39

58 59 75

für gleiche Chancen im Erw.leben um sich zu bilden/zu qualifizieren

für eine harmo. Partnerschaft für sinnvolle Freizeitgestalt.

zum Wohnen um ein gesundes Leben zu führen

um mit Kindern zu leben für demokr. Entwicklung

Lebensbed. f. Familien um überhaupt Arbeit zu haben

der natürlichen Umwelt die die persön. Sicherheit betreffen für allg. zwischenmenschl. Bezieh.

für persönlichen Wohlstand die zur soz. Sicherheit gehören

für soziale Gerechtigkeit der Lohn-Einkom.-Preisgestaltung

der fin. Absicherung im Alter

0 20 40 60 80 0 20 40 60 80

Verbesserungen keine Veränderungen Verschlechterungen neue Länder

24 26,5

23 30,5 31

20,5 29

27 27,5

24,5 27,5

18,5 21,5

18 21 19,5

14 8,5

33 22

23 15 14

24 9 11 10 13 9

18 14

13 9 8

7 10

24 26,5

23 30,5 31

20,5 29

27 27,5

24,5 27,5

18,5 21,5

18 21

19,5 14

8,5

14 17 25

17 11

26 25 27 30

32 29

40 35 44 41 48 59 70

für gleiche Chancen im Erw.leben um sich zu bilden/zu qualifizieren um ein gesundes Leben zu führen

für sinnvolle Freizeitgestalt. für eine harmo. Partnerschaft

um mit Kindern zu leben die die persön. Sicherheit betreffen

für demokr. Entwicklung zum Wohnen

Lebensbed. f. Familien für allg. zwischenmenschl. Bezieh.

um überhaupt Arbeit zu haben für persönlichen Wohlstand

der natürlichen Umwelt die zur soz. Sicherheit gehören

für soziale Gerechtigkeit der Lohn-Einkom.-Preisgestaltung

der fin. Absicherung im Alter

0 20 40 60 80 0 20 40 60 80

Niedersachsen

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1 Zufriedenheiten und Erwartungen

19

Abbildung 1.8: Erwartete Verschlechterungen in den nächsten Jahren - nach Lebensbereichen und

ausgewählten Altersgruppen - neue Bundesländer inkl. Berlin-Ost - 2012

- in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

finanz. Absicherung im Alter Gestaltung Einkommen/Preise

soziale Gerechtigkeit Erhöhung persönl. Wohlstand

soziale Sicherheit natürliche Umwelt

Arbeit zu haben Familien

zwischenmenschl. Beziehungen persönliche Sicherheit

mit Kindern leben demokratische Entwicklung

gesundes Leben zum Wohnen

Chancengleichheit Mann/Frau Bildung/Qualifizierung

sinnv. Freizeitbeschäftigung harmonische Partnerschaft

0 20 40 60 80

35-49 Jahre 60 Jahre u.ält. alle

74 59

56 39

39 39

37 34 34

32 28

27 26

21 19

18

9 17

finanz. Absicherung im Alter Gestaltung Einkommen/Preise

soziale Gerechtigkeit Erhöhung persönl. Wohlstand

soziale Sicherheit natürliche Umwelt

Arbeit zu haben Familien

zwischenmenschl. Beziehungen persönliche Sicherheit

mit Kindern leben demokratische Entwicklung

gesundes Leben zum Wohnen

Chancengleichheit Mann/Frau Bildung/Qualifizierung

sinnv. Freizeitbeschäftigung harmonische Partnerschaft

0 20 40 60 80

25-34 Jahre 50-59 Jahre alle

74 59

56 39

39 39

37 34 34

32 28

27 26

21 19

18

9 17

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2 Lebenslagen im Vergleich

20

2. Lebenslagen im Vergleich

2.1 Wirtschaftliche Lage der Bürger

2.1.1 Bewertungen der wirtschaftlichen Lage 1990 bis 2012

Die erfolgten Veränderungen der Lebensverhältnisse nach 1990 reflektieren sich zwischen 1990

und 2000 in einer ansteigenden positiven Wertung der individuellen wirtschaftlichen Lage bei zu-

nehmender sozialer Differenzierung. Die gestiegenen negativen Wertungen nach 2000 sind vor

allem Auswirkungen der Sozialreformen, der Euro-Umstellung sowie des Aussetzens der Einkom-

mensangleichungen.

Tabelle 2.1: „Wie bewerten Sie gegenwärtig Ihre eigene wirtschaftliche Lage?“ - neue Länder und

Berlin-Ost - 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

sehr gut 2 3 3 3 3 4 3

gut 38 44 44 32 33 32 39

teils gut/teils schlecht 43 43 40 36 42 43 41

schlecht 15 9 11 18 17 17 12

sehr schlecht 2 1 2 11 5 3 4

ohne Antwort 0 1 0 1 1 1 1

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Die Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Einzelnen bzw. seiner Familie ist keineswegs nur

einkommensabhängig, sondern reflektiert die Einkommenssituation des Einzelnen bzw. der Fami-

lienmitglieder ebenso wie die (soweit vorhanden) Vermögensentwicklungen, aber auch Besitz und

Ausstattung sowie die Möglichkeiten, aufgrund eigener Erwerbsarbeit in der Gegenwart oder Vergan-

genheit ein Einkommen zu erreichen, um mit diesem seine familiären und individuellen Bedürfnisse -

mehr oder weniger - befriedigen zu können.

Es ist unbestritten, dass die mit der Vereinigung erfolgten Einkommensentwicklungen in Ostdeutsch-

land - vor allem bis 2000 - und die sich bietenden Möglichkeiten eines Waren- und Dienstleistungsan-

gebotes, das in seiner quantitativen und qualitativen Struktur nahezu jeglichen dem Einkommen ent-

sprechenden Bedarf zu befriedigen in der Lage ist, zu den anerkannten Verbesserungen seit der Verei-

nigung gehören. Damit verbunden stieg der Anteil der Bürger, welche ihre wirtschaftliche Situation

mit „sehr gut“/„gut“ bewerten, von 40 % (1990) auf 47 % (1995/2000). Unbestritten auch, dass die

wirtschaftliche Situation der Bürger seit Wirken der Sozialreformen einer deutlich abwertenden Ent-

wicklung bis 2008 unterliegt (35 %) - das wird durch geringfügige positivere Bewertungen in den

Jahren 2009/2012 keineswegs aufgehoben.

Die erfolgten Veränderungen im Zeitverlauf (vgl. Abbildung 2.1) verweisen auf eine zunehmend ho-

mogenere Bewertung zwischen Erwerbstätigen und Rentnern - die prägend für die Gesamtbewertung

sind -, vor allem aber auf die deutlich unterschiedliche unterdurchschnittliche Bewertung der wirt-

schaftlichen Situation durch Arbeitslose und Erwerbstätige in atypischen Arbeitsverhältnissen.

Erkennbar ist ein Sprung in der Bewertung in der Umstellungsphase zum Euro (vgl. Abbildung 2.1).

Die Bewertung wirtschaftlich „gut“ geht von einem deutlich höheren Durchschnittseinkommen (nach

Euroumstellung) aus. Das gilt auch für die Bewertung „schlecht“ bereits im Vorfeld der Umstellung.

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2 Lebenslagen im Vergleich

21

Abbildung 2.1: „Wie beurteilen Sie heute Ihre eigene wirtschaftliche Lage?“ - neue Länder

- 1990 bis 2012 - in Prozent - (nur Antworten: „sehr gut“/„gut“)

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Im Ost-West-Vergleich ist festzustellen, dass die Bewertung der wirtschaftlichen Situation in den neu-

en Bundesländern mit 36 % („sehr gut“/„gut“) eindeutig unter den Werten der Vergleichsregion Nie-

dersachsen mit 42 % liegt, wie dementsprechend 20 % der Ostdeutschen ihre individuelle wirtschaftli-

che Situation als „schlecht“/„sehr schlecht“ bewerten - im Vergleich zu 16 % in Niedersachsen.

Es sind jedoch keineswegs allein die jeweiligen Anteile der Wertungen, sondern die den diesen Aus-

sagen zugrunde liegenden unterschiedlichen quantitativen und qualitativen Aussagen, welche einer

spezielleren Betrachtung bedürfen. Die grundlegenden Differenzierungen in den jeweiligen Bewertun-

gen sind vor allem Unterschiede in den Lebenslagen zwischen den Bürgern mit „guter“ und denen mit

„schlechter“ Bewertung als auch Ungleichheiten der Lebenslagebewertungen zwischen Ost und West.

Das bezieht sich auf Einkommen wie Vermögen, auf Wohnbedingungen und Wohnverhältnisse, auf

Bildung und Erwerbsstatus ebenso wie auf getroffene Aussagen zur Lebenszufriedenheit oder zu Zu-

kunftserwartungen.

Tabelle 2.2: Lebensstandardprofile - nach Beurteilung der eigenen wirtschaftlichen Lage

- nach Regionen - 2012 -

Indikator Maßeinheit neue Länder und Berlin-Ost Niedersachsen

sehr gut/

gut

schlecht/

sehr schlecht

sehr gut/

gut

schlecht/

sehr schlecht

insgesamt % 36 20 42 16

indiv. Nettoeinkommen Euro 1.628 759 1.767 834

Haushaltsnettoeinkommen Euro 2.595 1.315 2.817 1.278

Äquivalenzeinkommen/Kopf Euro 1.660 859 1.889 880

Wohneigentum % 43 28 54 17

Wohngröße qm 88 66 101 69

Fach-/Hochschulabschluss % 24 11 19 5

Hoffnungen % 23 8 21 4

erwerbstätig % 59 48 51 46

arbeitslos % 0,3 22 2 17

alleinerziehend % 3 13 5 16

Armutsquote (<851 Euro) % 8 54 5 48

allg. Zufriedenheit (gut) % 80 10 83 21

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 0

25

50

75

100

insgesamt Erwerbstätige Arbeitslose Rentner

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2 Lebenslagen im Vergleich

22

Die getroffenen Aussagen lassen erkennen:

Die Einkommensrelationen zwischen den Bürgern, welche ihre wirtschaftliche Lage mit „gut“/

„sehr gut“ bewerten, beträgt im Durchschnitt das Doppelte im Vergleich zu der mit „schlecht“/

„sehr schlecht“ bewerteten wirtschaftlichen Lage. Die Unterschiede sind im Osten geringer als in

Niedersachsen.

Bezogen auf die Differenz zwischen „sehr gut“ und „sehr schlecht“ (vgl. Abbildung 2.2) beträgt

die Einkommensdifferenzierung zwischen positivster und negativster Bewertung das 3,8-Fache in

Ost wie West - d.h., dass sich der Osten zunehmend den Ungleichheiten der alten Bundesländer

angepasst hat (wenn auch auf niedrigerem Niveau!).

Abbildung 2.2: Durchschnittliches individuelles Einkommen und Beurteilung der eigenen

wirtschaftlichen Lage - nach Regionen - 2012 - in Euro -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Hinsichtlich des Wohneigentums sind die Unterschiede in den neuen Ländern (zur Zeit noch) ge-

ringer. So verfügen die ihre wirtschaftliche Lage als gut kennzeichnenden Bürger zu 43 % über

Wohneigentum und die mit schlecht bewertete Wirtschaftslage zu 28 % über Wohneigentum - in

Niedersachsen gibt es hierbei eine deutlich größere Differenzierung (54 %/17 %).

24 % der Bürger, welche ihre wirtschaftliche Lage als gut bewerten, verfügen über einen Fach-/

Hochschulabschluss, aber auch 11 % der Bürger mit schlechter Bewertung sind Fach- und Hoch-

schulabsolventen.

Für Ost wie West gilt, dass von den ihre wirtschaftliche Lage mit schlecht bewertenden Bürgern

fast die Hälfte erwerbstätig sind (Ost 48 % - Niedersachsen 46 %) - eine Reflexion des insgesamt

zunehmenden Anteils von Bürgern in sog. atypischen Beschäftigungsverhältnissen (vgl. Abschnitt

2.4.2).

Rd. die Hälfte der Bürger mit individuell schlechter wirtschaftlicher Situation lebt in Haushalten,

welche nur über ein Nettoäquivalenzeinkommen (nach Familiengröße und Alter der Kinder) un-

terhalb der Armutsschwelle (unter 850 Euro) verfügen (Ost 42 %/Niedersachsen 38 %).

Die der Bewertung der individuellen wirtschaftlichen Situation zugrunde liegenden Haushaltsnetto-

einkommen (Pro-Kopf-Einkommen) zeigen in den neuen Bundesländern insgesamt einen steigenden

Verlauf. So stieg das Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf von 472 Euro im Jahr 1990 auf 1.278 Euro

im Jahr 2012. Die seit 1992 erhobene Bewertung der wirtschaftlichen Lage belegt im Zusammenhang

2.615

1.702

1.182 883

691

2.413

1.531

1.107 785

629

sehr gut gut teils/teils schlecht sehr schlecht 0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000 neue Länder Niedersachsen

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2 Lebenslagen im Vergleich

23

mit der Einkommensentwicklung insofern, dass gleichen Bewertungen in der Gegenwart in den neuen

Bundesländern deutlich höhere Durchschnittseinkommen zugrunde liegen als vor 10 oder 20 Jahren.

1992 bewerteten Bürger der neuen Bundesländer mit einem Einkommen von 742 Euro (umge-

rechnet von DM in Euro) ihre wirtschaftliche Lage als „sehr gut“/„gut“ - 2012 lagen dem im

Durchschnitt 1.660 Euro zugrunde. Der „Maßstab“ für eine positive Bewertung hat sich deutlich

nach oben verschoben - sicher auch teilweise ein Effekt der nicht in gleichem Maße gestiegenen

Realeinkommen aufgrund der Kaufkraftentwicklung.

Ein ansteigendes Haushaltseinkommen liegt sowohl einer „teils/teils“-Bewertung (1992 = 578

Euro - 2012 = 1.158 Euro) wie auch einer „schlechten“ Bewertung (1992 = 476 Euro - 2012 = 859

Euro) zugrunde - wenn auch in deutlich abgeschwächter Form.

Die der gleichen Bewertung der wirtschaftlichen Situation zugrunde liegenden Einkommen stie-

gen zwischen 1992 und 2012 von 100 % bei

• guter Bewertung auf 224 %,

• mittlerer Bewertung auf 200 %,

• schlechter Bewertung auf 180 %.

Der Maßstab für eine „schlechte“ Bewertung hat sich relativ „verschlechtert“.

Besondere Unterschiedlichkeiten zwischen einzelnen sozialen/demografischen Gruppen werden er-

kennbar:

in einer überdurchschnittlichen Bewertung seitens der Beamten (73 % Ost bzw. 61 % West) und

der Befragten mit Hochschulabschluss (61 % Ost - 73 % West - vgl. Abbildung 2.3) - dabei ist zu

beachten, dass bei geringeren Anteilen die Beamten-Ost deutlich besser gestellt sind aufgrund des

Fehlens einer historisch aus der Region entwickelten eigenständigen „Beamtenstruktur“.

Insbesondere Rentner/Pensionäre weichen zwischen Ost und West stark voneinander ab. So geben

52 % der in Niedersachsen lebenden Rentner/Pensionäre an, in „guten“ wirtschaftlichen Verhält-

nissen zu leben, während dies in den neuen Bundesländern nur 38 % der Rentner für sich feststel-

len. Auch Alleinerziehende im Osten nehmen eine deutlich geringere positive Bewertung vor

(13 %) als in Niedersachsen (27 %). Auch die ungleichen Bewertungen seitens der Arbeitslosen

reflektieren eindeutig das geringere „Niveau“ der materiellen/finanziellen Lebensverhältnisse im

Osten.

Abbildung 2.3: Anteil der ihre wirtschaftliche Lage als „sehr gut”/„gut” Kennzeichnenden - nach

sozialen Hauptgruppen und Regionen - 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

73 73

61 61

52 50

45 44 44

43 43

40 38

32 31

27 22

17 13

2

Beamte - Ost Hochschulabschl. - West

Beamte - West Hochschulabschl. - Ost

Rentner/Pens. - West Angestellte - West

Fam. mit Kindern - West Erwerbstätige - West

Angestellte - Ost Facharbeiter - West

Fam. mit Kindern - Ost Erwerbstätige - Ost

Rentner/Pens. - Ost Facharbeiter - Ost

ohne berufl. Abschl. - West Alleinerziehende - West

ohne berufl. Abschl. - Ost Arbeitslose - West

Alleinerziehende - Ost Arbeitslose - Ost

0 20 40 60 80

Niedersachsen neue Länder und Berlin-Ost

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2 Lebenslagen im Vergleich

24

Obwohl ohne Zweifel nicht der einzig wirkende Faktor, haben die Einkommen nach wie vor deutli-

ches Gewicht zur Beurteilung der eigenen wirtschaftlichen Situation. Wird dabei das sog. Nettoäqui-

valenzeinkommen herangezogen - welches der Anzahl der Erwachsenen sowie der Anzahl und dem

Alter der Kinder in einer Familie Rechnung trägt -, so verdeutlicht die nachfolgende Abbildung den

Einfluss der den Familienangehörigen zur Verfügung stehenden Mittel auf die vorgenommenen Be-

wertungen zur individuellen wirtschaftlichen Lage. Während 15 % der Familien mit einem Nettoäqui-

valenzeinkommen unter 1.000 Euro ihre wirtschaftliche Lage als „sehr gut“/„gut“ kennzeichnen, sind

es 91 % bei der Einkommensgruppe über 2.500 Euro - bei vergleichbaren Grundstrukturen Ost-West.

Abbildung 2.4: Bewertung der eigenen wirtschaftlichen Lage und Haushaltsnettoeinkommen

pro Kopf (OECD-Äquivalenzeinkommen) - nach Einkommensgruppen und

Regionen - 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

2.1.2 Bedürfnisbefriedigung

Nur jeder dritte Haushalt in Deutschland kann mit dem im Haushalt erzielten Pro-Kopf-

Einkommen (Nettoäquivalenzeinkommen) seine vorhandenen Bedürfnisse im Großen und Ganzen

befriedigen, einem weiteren guten Drittel gelingt das nur mit Einschränkungen. In jedem vierten

Haushalt ist es „zu knapp“.

Tabelle 2.3: „Ermöglicht Ihr monatliches Haushaltsnettoeinkommen im Großen und Ganzen die

Befriedigung Ihrer Bedürfnisse?“ - neue Länder und Berlin-Ost - 1990 bis 2012

(2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

ja 16 38 36 27 31 33 40

mit Einschränkungen 52 42 43 37 36 36 32

nein, es ist knapp 28 20 21 36 28 26 23

ohne Antwort 4 0 1 1 5 5 5

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

15

33

52

85 91

19 30

54

73 88

47

47

48

12 9

45

54

41

27 13

38

19

2

36

17 5

unt. 1.000 Euro

1.000- 1.500 Euro

1.500- 2.000 Euro

2.000- 2.500 Euro

2.500 Euro u.dar

unt. 1.000 Euro

1.000- 1.500 Euro

1.500- 2.000 Euro

2.000- 2.500 Euro

2.500 Euro u.dar

0%

20%

40%

60%

80%

100%

sehr gut/gut teils gut/teils schlecht schlecht/sehr schlecht

Niedersachsen neue Länder und Berlin-Ost

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2 Lebenslagen im Vergleich

25

In den neuen Bundesländern halten 33 % (2012) der Bürger ihr Haushaltsnettoeinkommen für ausrei-

chend (durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen dieser Gruppe = 2.520 Euro, um damit ihre Be-

dürfnisse befriedigen zu können, für 36 % wird das nur unter bestimmten Einschränkungen ermöglicht

(bei 1.956 Euro) und für 26 % ist es zu knapp (1.255 Euro).

In Niedersachsen liegt der Anteil der Haushalte mit einem ihre Bedürfnisse „befriedigenden“ Ein-

kommen bei 40 % (durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen 2.941 Euro). Der Anteil der Haus-

halte, für welche es zu knapp ist, beträgt 23 % (bei 1.321 Euro).

Wird den Aussagen das Nettoäquivalenzeinkommen (Pro-Kopf-Einkommen - gewichtet nach Perso-

nenzahl und Alter lt. OECD) zugrunde gelegt, so machen die Daten zugleich deutlich, dass die Ans-

prüche im Osten hinsichtlich der Bewertung der Bedürfnisbefriedigung erkennbar geringer sind als

gleiche positive Wertungen in Niedersachsen (Letzteren liegt im Durchschnitt ein um ca. 400 Euro

höheres Einkommen zugrunde), was der These von den „anspruchsvollen Ostdeutschen“ - zumindest

aus dieser Sicht - entgegensteht.

Abbildung 2.5: „Ermöglicht Ihr monatliches Haushaltsnettoeinkommen im Großen und Ganzen

die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse?“ - nach Regionen und Nettoäquivalenzein-

kommensgruppen (Pro-Kopf-Einkommen lt. OECD) - 2012 - in Prozent -

13 16

34

48

87

9 6

31

58

80

25

34

44

47

15

27

51

44

34

17

62

48

20

5

63

41

23

7 21 2 2 1 1

31

bis 750

Euro

750-

1.000

Euro

1.000-

1.500

Euro

1.500-

2.000

Euro

2.000

Euro

u. dar.

bis 750

Euro

750-

1.000

Euro

1.000-

1.500

Euro

1.500-

2.000

Euro

2.000

Euro

u. dar.

0%

20%

40%

60%

80%

100%

ja mit Einschränkungen nein ohne Antwort

neue Länder Niedersachsen

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Die Abbildung 2.5 verdeutlicht den bekannten Zusammenhang zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen

(Nettoäquivalenzeinkommen lt. OECD) und den damit gegebenen Möglichkeiten der Bedürfnisbefrie-

digung. Erst ein Pro-Kopf-Einkommen von über 1.500 Euro ermöglicht es der Hälfte und mehr dieser

Einkommensgruppen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, zwischen 750 Euro und 1.500 Euro zum gro-

ßen Teil nur „mit Einschränkungen“, unter 750 Euro überwiegt eine nicht hinreichende Bedürfnisbe-

friedigung.

2.1.3 Ausgaben/Ausstattung/Verbrauch

Sowohl das monatlich den Haushalten zur Verfügung stehende Nettoeinkommen als auch die

Haushaltsausstattungen sind in den neuen Bundesländern seit 1991 beträchtlich gestiegen - eine

Angleichung wurde insbesondere im Bereich moderner Kommunikationsmittel erreicht.

Die Losung „Wenn die DM nicht zu uns kommt, kommen wir zu ihr“ drückte Anfang 1990 einen we-

sentlichen Aspekt des Willens vieler Bürger aus, mittels der friedlichen Revolution nicht nur eine frei-

heitliche, demokratische Ordnung, sondern vor allem eine direkte Verbesserung der materiellen Le-

bensbedingungen zu erreichen. Für ein auf eigener Leistung beruhendes Arbeitseinkommen bzw. Al-

terseinkommen auch Waren und Leistungen den eigenen Bedürfnissen entsprechend erwerben zu kön-

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2 Lebenslagen im Vergleich

26

nen, Versorgungsdefizite zu überwinden und das Erreichen einer technisch höherwertigen Ausstattung

war ein keineswegs unbedeutender Faktor für die Menschen, auf Veränderungen des Wirtschaftssys-

tems bzw. einen Systemwechsel zu drängen.

Das Problem der Gegenwart ist nicht mehr, ob es etwas gibt, sondern ob man es sich leisten kann.

Inzwischen wird nicht selten auch ein „Überangebot“ als belastend empfunden. Erfolgte Veränderun-

gen sind auch jeden Tag beim Einkauf zu spüren, wenn sich die Preise zum Teil schneller erhöht ha-

ben als das Einkommen.

Die eingetretenen Veränderungen dokumentieren sich sowohl in den Ausgabenstrukturen der Haushal-

te als auch den Haushaltsausstattungen.

Private Konsumausgaben

Nach offiziellen statistischen Angaben stiegen die jährlichen privaten Konsumausgaben je Ein-

wohner in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) in den Jahren zwischen 1991 und 2009 von 6.618

auf 14.340 Euro (217 %), in den alten Bundesländern (inkl. Berlin) im gleichen Zeitraum von 11.981

Euro auf 17.779 Euro (148 %). Damit erfolgte eine Angleichung des Ostens auf bis 81 %. Die Haupt-

entwicklung vollzog sich in den neuen Ländern zwischen 1991 und 1995. Ab Mitte der 90er Jahre ist

ein abnehmendes Angleichungstempo zu verzeichnen, die absolute Differenz ist seit 2000 sogar ans-

teigend um rd. 400 Euro auf 3.439 Euro/Jahr.

Die privaten Konsumausgaben pro Kopf differieren (2009) in den neuen Ländern zwischen Mecklen-

burg-Vorpommern (13.919 Euro), Thüringen (14.106), Sachsen-Anhalt (14.201), Sachsen (14.495)

und Brandenburg (14.702 Euro) und liegen generell unter den alten Ländern. In Westdeutschland rei-

chen sie durchschnittlich von Rheinland-Pfalz (16.936 Euro) bis Hamburg (21.864 Euro). Für Berlin

werden 14.705 Euro ausgewiesen.5

Für 2010 vorliegende Daten für die Ausgaben nicht je Einwohner, sondern bezogen auf die monatli-

chen privaten Konsumausgaben je Haushalt ergeben:6

• Die privaten Konsumausgaben betrugen in Deutschland monatlich pro Haushalt - jeweils bezogen

auf den Haupteinkommensbezieher - insgesamt 2.168 Euro, in den neuen Bundesländern (inkl.

Berlin) 1.804 Euro, in den alten Bundesländern (ohne Berlin) 2.268 Euro - das entspricht einer

Angleichung auf 80 % bei einer monatlichen Differenz von 464 Euro.

• Die detaillierten Untersetzungen der Ausgabenstruktur für 2010 belegen, dass die höchsten priva-

ten Konsumausgaben je Haushalt in den alten wie neuen Bundesländern in den Altersgruppen der

35- bis 55-Jährigen7 getätigt werden. Während in den alten Bundesländern diese Altersgruppen

jeweils über 2.400 Euro/Monat ausgeben, gilt das in den neuen Ländern jedoch nicht in gleichem

Maße, hier liegen die Ausgaben bei den 35- bis 55-Jährigen bei rd. 1.100 Euro.

• Die Konsumausgaben weisen im Ost-West-Vergleich eine für alle sozialen Gruppen geringere

Ausgabenhöhe im Osten (inkl. Berlin) auf (vgl. Abbildung 2.6). Dabei sind die Unterschiede bei

Angestellten in den Osthaushalten zu vergleichbaren Westhaushalten am größten (541 Euro/Mo-

nat) und liegen bei Rentnerhaushalten bei 326 Euro, bei Arbeiterhaushalten bei 263 Euro. Wäh-

rend sich Arbeiterhaushalte auf niedrigem Niveau angleichen, erfolgt das bei Beamtenhaushalten

auf hohem Niveau.

5 Berechnet nach Materialien der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche

Gesamtrechnungen der Länder“, Private Konsumausgaben je Einwohner, 1991 bis 2009, Wiesbaden 2011. 6 Den Aussagen liegen Daten des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 15, Heft 1 - Einkommens- und Verbrauchsstich-

probe - Aufwendungen privater Haushalte für den Privaten Konsum - 2010, Wiesbaden 2012, Tab. Ü.2, zugrunde. 7 Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Heft 1 - Einkommens- und Verbrauchsstichprobe - Aufwendungen privater Haus-

halte für den Privaten Konsum - 2010, Wiesbaden 2012, Tab. D3 1.4 V.

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2 Lebenslagen im Vergleich

27

Abbildung 2.6: Private Konsumausgaben nach sozialer Stellung des Haupteinkommensbeziehers

- 2010 - Euro pro Monat je Haushalt -

1.8

04

2.0

01

2.1

39 2

.83

6

1.0

93

1.5

37

3.0

86

2.2

68

2.2

64

2.6

80

3.0

95

1.1

24 1

.86

3

3.1

16

insge-

samt

Arbeiter Angestellte Beamte Arbeits-

lose

Rent-

ner

Pen-

sionäre*

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

3.500

neue Länder und Berlin früheres Bundesgebiet

* Ostdeutschland geringe Fallzahl

Quelle: Statistisches Bundesamt: Laufende Wirtschaftsrechnung 2010, Fachserie 15, Reihe 1, Wiesbaden 2012, D3 1.2 V

Insgesamt erreichte 2010 ein Haushalt im Osten pro Monat im Durchschnitt ein Bruttoeinkommen von

2.996 Euro, Haushalte West erzielten ein Bruttoeinkommen von 3.970 Euro.

Nach Abzug insbesondere von Einkommens- und Kirchensteuern sowie Beiträgen der Sozialversiche-

rung verblieben im Osten ein Haushaltsnettoeinkommen von 2.368 Euro und im Westen von 3.075

Euro.

Für private Konsumausgaben wurden 2010 davon die bereits genannten Beträge in Höhe von 1.804

Euro im Osten und 2.268 Euro im Westen verwendet.

Darüber hinaus nutzten die Haushalte für sog. „andere Ausgaben“ die ihnen zur Verfügung stehenden

Einkommen/Einnahmen zur Bildung von Geldvermögen, welches im Osten 584 Euro pro Monat er-

reichte und im Westen 1.048 Euro/Monat bzw. um mittels freiwilliger Versicherungsbeiträge soziale

Risiken privat abzusichern (Ost 163 Euro/Monat - West 282 Euro).

Ostdeutschen Rentnerhaushalten standen im Vergleich zu den Rentnerhaushalten wie den Pensionärs-

haushalten insgesamt deutlich geringere Einnahmen und Ausgaben gegenüber. Das in Deutschland

geprägte Bild der reichen Alten wird maßgeblich durch westdeutsche Senioren geprägt und trägt zur

geringen Akzeptanz der Warnungen vor Altersarmut bei.

Die Abbildung 2.7 verdeutlicht, dass am geringsten die Unterschiede beim Verbrauch von Nahrungs-

mitteln, bei den Aufwendungen für Bekleidung, für Verkehr und Nachrichtenübermittlung sind, am

größten bei Ausgaben, welche für Gesundheitspflege sowie für Mieten/Energie aufgewendet worden

sind - Letzteres nicht vorrangig aufgrund höherer Kosten in den alten Bundesländern, sondern größe-

rer Wohnungen sowie höherer Anteile an Wohneigentum.

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2 Lebenslagen im Vergleich

28

Abbildung 2.7: Monatliche Ausgaben privater Haushalte von Rentnern/Pensionären

- nach Regionen - 2010 - in Euro -

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Reihe 1/2010, Wiesbaden 2012

Haushaltsausstattung

Neben den Veränderungen im unmittelbaren Verbrauch gehören aufgrund neuer Angebotsstrukturen

die quantitativen und qualitativen Veränderungen in den Haushaltsausstattungen zu den relativ rasch

vollzogenen „Angleichungen“. Bekanntlich verändern sich z.B. die Bedürfnisse zur Ausgestaltung der

Wohnungen sowohl im Lebensverlauf, aber auch in Abhängigkeit von den individuellen finanziellen

Möglichkeiten zu deren Befriedigung sowie den sich rasch verändernden technischen Standards

(Internet, iPhone u.a.). Die seit 1990 vorhandenen Möglichkeiten zum Erwerb langlebiger Gebrauchs-

güter wurden von allen Haushaltstypen für Modernisierung bzw. Neuausstattung genutzt. Ein Ver-

gleich zwischen den Ausstattungen der Haushalte mit langlebigen Gebrauchsgütern zwischen den

Jahren 1990 und 2010 verdeutlicht, in welcher Weise und in welchem Umfang eine Angleichung er-

folgte.

Betrachtet man in den neuen Bundesländern im Vergleich zu 1989 die gegenwärtige (2011) Ausstat-

tung im Einzelnen, so sind die erreichten Veränderungen unverkennbar - und sicher auch unumstritten.

Wesentlich war nach 1990 zunächst vor allem die flächendeckende Ausstattung mit Anschlussmög-

lichkeiten für Telefontechnik.

Insbesondere in Rentnerhaushalten stehen altersabhängig neuere technische Haushaltsgeräte wie Ge-

schirrspüler, Wäschetrockner oder PC und PKW ebenso wie moderne Kommunikationstechniken

(Internet) in geringerem Maße zur Verfügung als in den Haushalten insgesamt.

Die differenzierte Annahme technischer Ausstattungsgüter durch Rentnerhaushalte bzw. Haushalte mit

geringerem Einkommen hat verschiedene Ursachen, die sowohl in den teuren Anschaffungskosten,

aber auch z.B. bei älteren Senioren in den Schwierigkeiten bei der Handhabung neuer technischer

Gebrauchsgüter liegen - ein Fakt, der mit dem Nachrücken „Jüngerer“ ins Rentenalter zunehmend

abgebaut wird. Bei älteren Bürgern wird auch eine kostenaufwendige Modernisierung oft nicht als

vordringlich angesehen.

233 261 344 58 65 97

554 741

898 86 83

157

74 70

542

169

274

454

226

193

361

75

93

162

62

81

94

Rentner Ost Rentner West Pensionäre West 0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

3.500

Nahrungsmittel/Getränke Bekleidung/Schuhe Wohnen/Energie Möbel/Innenausst. Gesundheitspflege Verkehr/Nachrichten Freizeit Gastst./Beherbergung and. Waren/Dienstl.

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2 Lebenslagen im Vergleich

29

Tabelle 2.4: Entwicklung des Ausstattungsgrades von privaten Haushalten mit langlebigen Ge-

brauchsgütern - 1993 bis 2011 - neue Bundesländer und Berlin-Ost

- je 100 Haushalte -

DDR vor 2010 neue Bundesländer und Berlin-Ost

2011 neue Bundesländer und Berlin

früheres

Bundesge-

biet ohne

Berlin

1989 1993 1998 2003 2011 2011

Gebrauchsgüter des Verkehrs und der Nachrichtenübermittlung

Telefon 25 54 97 99 99,8 99,5

stationär

mobil

x

x

x

x

94

11

95

73

90

90

94

90

Personalcomputer 18 18 34 59 79 83

stationär

mobil

x

x

x

x

x

x

57

7

58

47

62

53

Internet x • 5 41 72 77

Personenkraftwagen 57 76 71 71 71 80

fabrikneu gekauft

gebraucht gekauft

x

x

x

x

37

40

37

41

33

42

37

48

Navigationsgerät x x x x 35 40

Gebrauchsgüter der Bildung und Kultur

Fernsehgerät (Farbe) 57 96 98 98 96 96

dar. Flachbildschirm 49 49

Fotoapparat x 85 85 82 88 88

Gebrauchsgüter für Haushaltsführung

Gefrierschrank/-truhe 48 64 80 79 46 60

Geschirrspülmaschine 3 26 44 61 69

Mikrowellengerät 19 41 60 73 72

Wäschetrockner 3 14 20 23 44

Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 15, Heft 1, Wirtschaftsrechnungen, EVS: Ausstattung privater Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgütern, div. Jahrgänge; Statistisches Jahrbuch der DDR 1990; Institut für Konsumklimaforschung 1993

Insgesamt ist der Ausstattungsgrad der ostdeutschen Haushalte seit 1989 beträchtlich gestiegen. Das

betrifft PKW (von 57 PKW auf 71), Farbfernseher (von 57 auf 96) sowie Telefone (stationär und mo-

bil von 25 auf 99,8). Insbesondere in den letzten Jahren hat der Anteil der Haushalte, die über einen

PC und Internetzugang verfügen, deutlich zugenommen. 79 % in den neuen Ländern und Berlin besit-

zen und nutzen einen PC, 72 % haben einen Internetzugang. Auch die Nutzung von Flachbildschirm-

fernsehgeräten ist rasch auf 49 % in Ost wie West gestiegen.

Kennzeichnend ist insgesamt eine starke einkommensabhängige Differenzierung im Ausstattungsgrad,

die im Ausstattungsbestand, d.h. unter Einbeziehung von Doppel- und Mehrfachausstattung (Zweit-

wagen, mehrere Fernseher usw.) noch deutlicher hervortritt.

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2 Lebenslagen im Vergleich

30

Abbildung 2.8: Vergleich der Ausstattung privater Haushalte mit langlebigen Gebrauchsgütern

- nach Regionen - 2011 - Ausstattungsgrad je 100 Haushalte

- nach Einkommensgruppen in Euro/Monat -

Zusammengestellt nach: Statistisches Bundesamt: Fachserie 15, Reihe 2, Ausstattungen privater Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgü-tern 2011, Wiesbaden 2012, D2 2.3 V

2011 hatten von 100 Haushalten in den neuen Bundesländern 71 % aller Haushalte mindestens einen

PKW (Ausstattungsgrad), verfügten aber insgesamt über 93 PKW (Ausstattungsbestand). Analog bet-

rug der Ausstattungsbestand von 100 Haushalten bei Fernsehern 157 davon 61 Flachbildfernseher, bei

PC 127 und bei Telefonen 259 (mobil und stationär), bei hoher Differenzierung nach sozialem Status

und damit verbundenem Einkommen (vgl. Abbildungen). In westdeutschen Haushalten bestimmt auch

die Einkommenslage die Ausstattung der Haushalte - das höhere Gesamteinkommen wird vor allem in

den Ausstattungsbeständen sichtbar - PKW 105, Fernseher 162 davon Flachbildfernseher 64, PC 150,

Telefon 286.8

8 Datenquelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 15, Reihe 2, Ausstattungen privater Haushalte mit ausgewählten Ge-

brauchsgütern 2011, Wiesbaden 2012.

39 34

56

39

67

47 60

46

66

48

75 75 71

55

80

53

86 88 88

55

93

62

97 95 94

63

97

68

99 99

Geschirr- spüler

Gefrier- schrank

Internet- anschluss

Flachbild- fernseher

Personal- computer

Personen- kraftwagen

0

20

40

60

80

100

neue Länder und Berlin

41 43 58

29

67

50 63

56 67

44

74 75 74 64

79

53

86 89 88 73

93

61

96 97 92

74

96

65

99 98

Geschirr- spüler

Gefrier- schrank

Internet- anschluss

Flachbild- fernseher

Personal- computer

Personen- kraftwagen

0

20

40

60

80

100

unter 1.300 1.300-1.700 1.700-2.600 2.600-3.600 3.600-5.000

früheres Bundesgebiet (ohne Berlin)

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2 Lebenslagen im Vergleich

31

Beim Ausstattungsbestand wird zugleich erkennbar, dass bei den eher haushaltsbezogenen Ausstat-

tungen (Gefrierschrank/Mikrowelle/Internetanschluss) im Wesentlichen mit einer erreichten Grund-

ausstattung der Bedarf abgedeckt ist. Bei den eher personenbezogenen Gebrauchsgütern (Telefon,

Computer, PKW) wirken die Einkommensbindungen stärker differenzierend.

Haushalte älterer Bürger lassen im Allgemeinen erkennen, dass Rentnerhaushalte in Ost wie West

nicht die Ausstattung der Haushalte in Deutschland insgesamt erreichen - im Gegensatz zu den Pen-

sionärshaushalten, die sich weitgehend an den Durchschnitt angleichen. Rentnerhaushalte in den

neuen Bundesländern reflektieren die insgesamt niedrigeren Alterseinkommen mit einem geringeren

Ausstattungsgrad bei vielen ausgewählten Gebrauchsgütern.

Abbildung 2.9: Vergleich der Ausstattung privater Haushalte mit langlebigen Gebrauchsgütern

- Rentner-/Pensionärshaushalte - 2011 - Ausstattungsgrad je 100 Haushalte

- in Prozent -

Zusammengestellt nach: Statistisches Bundesamt: Fachserie 15, Reihe 2, Ausstattungen privater Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgü-tern 2011, Wiesbaden 2012, D2 2.2 V/D3 2.2 V

2.1.4 Wirtschaftliche Erwartungen

Die Annahmen der Bürger über ihre künftige wirtschaftliche Situation gehen in Ost wie West im

hohen Maße von Stagnation bzw. von Verschlechterungen aus. Vor allem Jüngere erwarten Ver-

besserungen, Ältere überdurchschnittlich Verschlechterungen.

Tabelle 2.5: „Wie wird vermutlich Ihre wirtschaftliche Lage in fünf Jahren im Vergleich zu

heute sein?“ - neue Länder und Berlin-Ost - 2001 bis 2012 (2012 Vergleich zu

Niedersachsen) - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost

Nieder-

sachsen

2001 2004 2006 2008 2010 2012 2012

vermutlich besser 19 12 10 13 16 13 21

vermutlich wie heute 34 20 16 21 29 30 30

vermutlich schlechter 21 44 52 49 37 39 31

ich weiß nicht 25 19 12 9 11 10 10

ohne Antwort 1 5 9 8 6 8 8

Datenbasis: sfz/leben 2001-2012 (gew.)

49 47 47 59

49

23

63 61 63 53

62

42 27

72 76 74 78 84

50 45

93

Geschirr- spüler

Gefrier- schrank

Internet- anschluss

Personal- computer

Flachbild- fernseher

Navigations- gerät

Personen- kraftwagen

0

20

40

60

80

100

Rentner Ost Rentner West Pensionäre West

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2 Lebenslagen im Vergleich

32

Charakteristisch für die Bewertung der wirtschaftlichen Lage sind auch eine zunehmende wirtschaftli-

che Perspektivlosigkeit und Verunsicherung. Bezogen auf die vermutlich erwartete künftige wirt-

schaftliche Situation „in fünf Jahren“ (also im Jahre 2017) gehen nur 13 % der Bürger der neuen Bun-

desländer davon aus, dass sich ihre Lage verbessern wird, 30 % erwarten keine Veränderung und 39 %

nehmen Verschlechterungen an. Dabei sind die Erwartungen in Niedersachsen optimistischer, aller-

dings auch nur mit 21 % Erwartungen an Verbesserungen und 31 % vermuten Verschlechterungen.

Beachtenswert ist auch der hohe Anteil der Bürger, welcher mit „ich weiß nicht“ bzw. überhaupt nicht

antwortet, was auf eine relativ hohe Verunsicherung des Einzelnen verweist.

Die Annahme auf wirtschaftliche Verbesserungen wird in Ost wie West vor allem von den jüngeren

Bürgern getragen (rd. 50 % der unter 25-Jährigen im Osten und 70 % in Niedersachsen), ältere Bürger

ab 60. Lebensjahr gehen in Ost (53 %) wie West (42 %) von Verschlechterungen aus (hinzu kommen

in dieser Altersgruppe über 20 % ohne Antwort bzw. mit „ich weiß nicht“).

Verschlechterungen erwarten Arbeitslose in den neuen Bundesländern zu 66 % - aber nur 18 % in

Niedersachsen.

Bezogen auf den Vergleich zur wirtschaftlichen Situation des Einzelnen „vor fünf Jahren“ stellen

34 % der Bürger im Osten fest, dass es ihnen 2007 besser ging als 2012, zugleich sehen 47 % für sich

keine Veränderungen, und nur 17 % konstatieren, dass es ihnen vor 5 Jahren schlechter ging, d.h. in-

zwischen eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage eingetreten ist.

Im Gegensatz zu den Aussagen bezüglich der künftigen Entwicklungen gibt es hinsichtlich der in den

vergangenen Jahren erfolgten Veränderungen eine relativ hohe Übereinstimmung:

• zwischen Ost und West (Ost 34 % ging es besser/Niedersachsen 32 %),

• zwischen Männern und Frauen,

• zwischen den einzelnen Altersgruppen,

• bei der Gruppe der Arbeitslosen, die in Ost (43 %) wie in Niedersachsen (49 %) eine Verschlech-

terung ihrer wirtschaftlichen Situation im Vergleich zur Gegenwart feststellen.

Abbildung 2.10: Bewertung der wirtschaftlichen Situation in fünf bzw. vor fünf Jahren in

Abhängigkeit von der Gegenwartsbewertung - nach Regionen - 2012

- in Prozent der gegenwärtigen Bewertung der wirtschaftlichen Lage -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

15 25

43 58

53

12 16

41 49

57

19 24 38 41

27

5 16

41 49

73

sehr gut gut teil/teils schlecht sehr schlecht

sehr gut gut teil/teils schlecht sehr schlecht

0

20

40

60

80

100

neue Länder Niedersachsen

In fünf Jahren wird es mir vermutlich schlechter gehen.

Vor fünf Jahren ging es mir besser.

Bewertung 2012

meine gegenwärtige wirtschaftliche

Lage ist ...

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2 Lebenslagen im Vergleich

33

Die Abbildung 2.10 verweist grafisch auf den Zusammenhang zwischen vergangener, gegenwärtiger

und angenommener künftiger wirtschaftlicher Lage. So wird deutlich, dass jene Bürger, welche ihre

wirtschaftliche Lage mit „sehr gut“ bewerten, auch nur zu 15 % davon ausgehen, dass es ihnen in fünf

Jahren schlechter gehen wird - im Gegensatz dazu nehmen 53 % derer, die ihre Situation als „sehr

schlecht“ bewerten, an, dass es ihnen in fünf Jahren noch schlechter gehen wird.

Es verstärken sich mit den dargestellten Entwicklungen zugleich Tendenzen, dass sich über die Jahre

„Karrieren“ bei Bürgern herausbilden, deren soziale Lage sich stabil im unteren, mittleren bzw. oberen

Bereich der vorgenommenen Bewertungen befindet.

2.2 Angleichung - Gewinne-Verluste

2.2.1 Angleichung am Ende? Ohne Ende?

Die Bewertungen wesentlicher sozialer Lebenslagen (Zufriedenheit, Erwartungen, wirtschaftliche

Lage) unterliegen seit 1990 zunächst einer rasch steigenden Zunahme positiver Wertungen, stabili-

sieren sich bis 2000 auf dem erreichten Niveau, um mit Einsetzen der „Reformpolitik“ deutlich

abzunehmen. Stagnation mit geringfügigen positiven Zunahmen charakterisiert die letzten Jahre.

Der Stand der Angleichung erreicht in wichtigen Parametern rd. 80 %. Die Bürger der neuen Bun-

desländer haben durch berufliche und territoriale Mobilität eine historisch einmalige Anglei-

chungsleistung erbracht.

Die Mehrheit der Bürger in den neuen Bundesländern anerkennt die spürbare Anhebung des Lebens-

niveaus ebenso wie sie nicht übersieht, dass dies mit einer zunehmenden Differenzierung in den Le-

benslagen, mit Polarisierungen, welche zur Herausbildung neuer - bis 1990 in den neuen Bundeslän-

dern unbekannter - „Großgruppen“ (Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger u.a.) geführt haben, verbunden

ist. Unverkennbar auch, dass der Angleichungsprozess seit gut einem Jahrzehnt im hohen Maße stag-

niert bzw. einem steten Auf und Ab unterliegt.

Abbildung 2.11: Hauptaussagen zur sozialen Lage - neue Länder - Durchschnittswerte 1990 bis

2012 -

Durchschnittswerte:

Zufriedenheit: 3 = zufrieden, 2 = teilweise zufrieden, 1 = unzufrieden

wirt. Lage: 3 = gut, 2 = teils gut/teils schlecht, 1 = schlecht Hoffnungen: 3 = Hoffnungen, 2 = sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen, 1 = Befürchtungen

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 1

2

3

allgemeine Zufriedenheit

Angleichung Stabilisierung Abschwung Stagnation Krisenbe- wältigung

ab 18. Lebensjahr

individuelle wirtschaftliche Situation Hoffnungen

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2 Lebenslagen im Vergleich

34

Insgesamt sind die Entwicklungen in Ostdeutschland durch unterschiedliche - zum Teil gegensätzliche

- Trends charakterisiert. Neben Bevölkerungsrückgang stehen Einkommenszuwächse (besonders bis

2000), neben steigender Lebenserwartung und verlängertem Seniorendasein sinkende Rentenzahlbe-

träge der Neurentner, neben sinkenden Schülerzahlen steigende Zahlen von Hochschulabsolventen

usw. Wenn jedoch bilanziert wird, dann darf sich das nicht auf Wirtschaft und Einkommen begrenzen,

sondern muss die seit 1989/90 bewirkten Aktivitäten, die den Vereinigungsprozess letztlich ermög-

lichten, ebenso wie die erfolgten Umstellungs- und Anpassungsprozesse einschließen.

Dabei wird offensichtlich, dass die Reflexion sozialer Entwicklungen für den Zeitraum 1990 bis 2012

im Wesentlichen fünf unterschiedliche Phasen aufweist:

Angleichungsphase 1990 bis 1995

Starker Zugewinn an sozialer Zufriedenheit - d.h. allgemeiner Lebenszufriedenheit - steigende

Hoffnungen und Zunahme positiver Bewertung der individuellen wirtschaftlichen Lage beruhend

auf den raschen, spürbaren Veränderungen des täglichen Lebens. Überwindung der Arbeitslosig-

keit und noch nicht erreichte völlige Angleichung der Lebensverhältnisse werden als kurzzeitig zu

überwindende Entwicklungen angesehen.

Stabilisierungsphase 1996 bis 1999

Relative Stabilisierung der sozialen Entwicklungen und erfolgten Bewertungen auf dem bis 1995

erreichten Niveau und damit verbundenen sinkenden Hoffnungen auf rasche Angleichung.

Abschwungphase 2000 bis 2003

Im Zuge des von der rot-grünen Koalition in Gang gesetzten „Reformwerkes“ (Agenda 2010, Ge-

sundheits-, Renten-, Arbeitsmarktreformen) sowie der Euro-Umstellung erfolgt eine rasche Ab-

nahme sozialer Zufriedenheit gepaart mit steigenden Befürchtungen auf die Zukunft.

Stagnationsphase 2004 bis 2008

Nach 2003 folgen wechselnde, jeweils gering zunehmende bzw. abnehmende Bewertungen sozia-

ler Entwicklungen mit einem insgesamt stagnierenden, zum Teil vorhandene Ungleichheiten er-

weiternden Angleichungsprozess.

Krisenbewältigung seit 2009

Seit 2009 erfolgt durch Einsatz von Milliarden von Steuermitteln eine Politik der Krisenbewälti-

gung, die durchaus positiv auf die Bewertung der Lebensverhältnisse seitens der Bürger - zumin-

dest für Deutschland - wirkt. Schaffung von Arbeitsplätzen (wenn auch durch Zunahme atypischer

Beschäftigungsverhältnisse), Rentenerhöhung 2009/2012, zusätzliche Familienleistungen und das

medial verbreitete Bild „stabiler“ Verhältnisse in Deutschland, tragen zur positiven Bewertung

bei. Auch Veränderungen hinsichtlich der Nutzung von Atomenergie und die steigenden Aktivitä-

ten von Bürgerbewegungen (Stuttgart/Gorleben/Schönefeld) verstärken positive Entwicklungsbe-

wertungen.

Es ist unbestritten, dass alle zeitlichen „Angleichungsvorstellungen“ der ersten Jahre nach der Verei-

nigung nicht eingehalten werden konnten, ebenso wenig wie Veranlassung besteht, das Erreichte klein

zu reden (vgl. Tabelle 2.6). Gleichzeitig nimmt der berechtigte Unmut über stetig veränderte Zielstellun-

gen zu.

Einschränkende Bemerkungen zur Angleichung - speziell Ost-West - wie z.B. „nicht jedes Dorf

braucht ein Theater“, sind natürlich richtig, aber unsinnig, da das niemand erwartet bzw. solche Forde-

rungen erhebt. Aber eine flächendeckende „Entsorgung“ sozialer und kultureller Infrastrukturen bis in

die Kreisstädte - auch in erreichbarer Entfernung der mittleren „Zentren“ - schafft Ungleichheiten,

welche nicht nur mit regionaler Unterschiedlichkeit erklärbar sind9.

9 Vgl. Winkler, Gunnar: Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse - 1990 bis 2012 - wie aus Veteranen Senioren

wurden, SFZ, Berlin 2012, S. 126 ff.

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2 Lebenslagen im Vergleich

35

Tabelle 2.6: Angleichung der Lebensverhältnisse - DDR/neue Länder/früheres Bundesgebiet/

alte Länder -

Angleichungsfeld ME 1989/1990/1991 derzeitiger Stand

Jahr Ost West Ost/

West %

Jahr Ost West Ost/West

%

Bevölkerung

Einwohner in Millionen 1989 16,4 62,7 26,2 2011 14,2 67,6 21,0

durchschn. Geburtenziffer Kinder/Frau 1990 1,52 1,45 104,8 2010 1,46 1,39 105,1

Lebenserwartung - Männer

- Frauen

M Jahre

F Jahre

1989

1989

70,1

76,4

72,7

79,0

96,4

96,7

2008/10

2008/10

76,4

82,5

77,8

82,6

98,2

99,9

Altenquotient über 60-Jährige % 1990 18,8 20,8 90,4 2011’ 29,1 25,6 113,7

Ausländeranteil Prozent 1991 0,8 8,0 10,0 2011 2,5 10,2 24,5

Wirtschaft

BIP je Einwohner Euro 1989 12.516 22.550 55,5 2011* 22.234 32.365 68,7

BIP je Erwerbstätige Euro 1989 21.334 47.678 44,7 2011* 49.212 65.008 75,7

Volkseink. (Erwerbs-/

Verm.eink.) Euro/Einw./Jahr 1991 6.708 16.902 39,7 2009 15.562 23.395 66,5

Lebensverhältnisse

Bruttolöhne/Gehälter* Euro/Jahr/Arb.n. 1991 11.097 21.763 51,0 2011 23.802 30.300 78,6

vereinbarte Arbeitszeit Stunden/Woche 1990 40,2 38,4 104,7 2010 39,5 38,2 102,1

Rentenzahlbetrag (Alters-

rente/Neuzugang) Euro 1989 230 581 40,0 2011 760 665 114,3

Haushaltsnettoeinkommen Euro/Monat 1990 835 1.343 62,2 2010** 2.368 3.075 77,0

verfügbares HH-Eink.* Euro/Einw. 1991 7.145 13.779 51,9 2009 15.777 19.783 79,7

Sparquote* Prozent 1989 4,8 12,4 38,7 2009 10,0 11,4 87,7

Wohneigentum Prozent 1989 27 39,3 68,7 2008 33 46 71,7

Wohnungsgröße qm/Wohnung 1990 64 86 74,4 2011** 73,6 90,6 81,2

Haushaltsausstattung/PKW Grad/100 Hh b) 1988 48 76,1 63,1 2011** 71 89 88,8

Telefon Grad/100 Hh b) 1988 17,2 96,8 17,8 2011** 99,8 99,5 100,3

subjektive Schichteinstufung Mittelschicht % 1993 42 58 72,4 2010 41 52 78,8

Arbeitsmarkt

Erwerbstätige

Arbeitnehmer

in 1000

in 1000

1991 6.759

6.451

30.153

27.098

22,5

23,8

2011 5.794

5.142

33.598

29.942

17,2

17,2

Arbeitslosenquote Prozent (abhängige

ziv. Erw.Pers.)

1990 10,3 6,3 163,5 2011 12,6 6,7 188,1

Infrastrukturen

Kinderbetr. (Kita 0 bis 7 J.)

unter 3 J.

3 bis 6 J.

Prozent

Prozent

1989***

86

35

246

2011

2011

47,3

95,6

20,0

93,6

236,5

102,1

Krankenhausbetten je 100.000 Einw. 1989 980 1.079 91 2010 657 607 c) 108,2 Arztdichte Einw./Arzt 1989 409 333 123 2011 269 234 c) 115,0 Kultur

Abitur Prozent (ab 15 J.) 1990 11,7 16,4 71,3 2010** 25,7 27,2 94,5

Facharbeiter Prozent (ab 15 J.) 1991 76,1 60,6 125,6 2010** 54,3 49,5 109,7

Mitglieder in Organisationen Prozent erw. Bev. 1992 53 63 84,1 2010 48 55 87,3

Ehrenamt in Vereinen Prozent 1990 27 27 100 2009 31 36 86,1

Mitglieder in Sportvereinen Prozent 1988 21,9 29,4 74,5 2011 14,2 33,9 41,9

Religion - konfessionslos Prozent 1991 73 11 664 2010 78 31 252

* ohne Berlin ** neue Länder und Gesamtberlin *** FBG geschätzt

a) FBG = 1987 b) je 1.000 Einwohner c) FBG und Berlin-Ost d) Bevölkerung ab 15 Jahre

Übernommen und aktualisiert von Gunnar Winkler: 20 Jahre später - 1989 bis 2009 - Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse - neue Bundesländer, SFZ, Berlin 2009, S. 280/281

Quellen: Statistisches Bundesamt, div. Fachserien/VGRDL; Fachstatistiken der Bundesministerien/Arbeitsagentur;

empirische Erhebungen: SOEP/Freiwilligensurvey/Leben 1990-2012; Statistiken von Verbänden/Vereinen/Hesske: Gesamtrechnungen

Unzufriedenheit mit der noch nicht erreichten Angleichung kann mehrheitlich auch nicht generell mit

allgemeiner Lebensunzufriedenheit verbunden oder als „Ostalgie“ oder „ostdeutsche Larmoyanz“

gekennzeichnet werden. Unzufriedenheit entsteht vor allem dann, wenn Möglichkeiten der Bürger,

eine Verbesserung der Lebensverhältnisse durch eigenes Handeln erreichen zu können (Chancen-

gleichheit), begrenzt werden. Entweder weil vor allem Arbeit fehlt und damit die Voraussetzung für

ein der eigenen Leistung entsprechendes Einkommen, oder weil - z.B. bei Senioren und künftigen

Rentnern - eine fehlende hinreichende Alterssicherung nicht mehr rückwirkend erreicht werden kann.

Eine ausschließlich marktwirtschaftliche Orientierung sozialer und kultureller Infrastrukturen, welche

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2 Lebenslagen im Vergleich

36

nur an Einkommensentwicklungen gemessen wird und zunehmend Bürger ausgrenzt anstelle sie ein-

zubinden, entkleidet sich selbst des Anspruchs, „soziale Marktwirtschaft“ zu sein.

Eine detailliertere Betrachtung lässt erkennen, dass für die Bewertung des inzwischen erfolgten „Ver-

einigungsprozesses“ im Sinne veränderter Lebensverhältnisse der Bürger in der Gesellschaft auch die

jeweiligen „Politikvorgaben“ einen entsprechenden Platz einnehmen. Bereits 1994 wurde aus „Wah-

rung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“,

offensichtlich der Erkenntnis folgend, dass einheitliche Lebensverhältnisse nicht mehr/nicht wieder

herstellbar waren. Bis in die letzten Jahre wurden entsprechende Zielstellungen mehrfach geändert

bzw. angepasst.10

Mit der Koalitionsvereinbarung der CDU-CSU-FDP vom Oktober 2009 ist die Diskussion um Gleich-

heit/Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik neu belebt worden und hat mit der

dort enthaltenen Aussage - „Wir halten an der Zielsetzung fest, die Lebensverhältnisse in Deutschland

bis 2019 bundesweit weitgehend anzugleichen.“11

- neue Impulse erhalten.

Die offiziellen Daten (vgl. Tabelle 2.6) belegen, dass mehrheitlich eine 80 %ige Angleichung erreicht

wurde, sie belegen aber auch, dass die einzelnen Sichten unterschiedlich sein mögen bzw. jeweils nur

einen einzelnen Bereich der Angleichung betreffen. Es wird immer offensichtlicher, dass es differen-

zierterer Strategien bedarf, welche Richtung, Zeitpunkt und Wege zur Herstellung gleichwertiger Le-

bensverhältnisse festlegen bzw. existente Unterschiede anerkennen. Pauschal zu fordern „Ost muss

werden wie West“ ist kein Programm.

Das Tableau kann im Einzelnen durchgegangen werden und belegt, dass jeder Indikator einer eigenen

Interpretation bedarf. Daraus folgt aber auch, dass es differenzierender Festlegungen über den weite-

ren Integrationsprozess bedarf. Insofern ist denen zuzustimmen, die sich für einen Rahmenplan der

Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse aussprechen12 - im Gegensatz zur seinerzeitigen Bun-

desregierung, die feststellte: „Die Erarbeitung eines Stufenplanes zur Erreichung gleichwertiger Le-

bensverhältnisse erachtet die Bundesregierung als nicht sinnvoll.“13 Die Notwendigkeit ergibt sich

gerade aus einer differenzierten Betrachtung einzelner Lebensbereiche und Einzelgebiete.

Im Vergleich seit 1989/1990 lässt sich feststellen:

Am markantesten und mit de facto erreichter Angleichung hat sich der Vereinigungsprozess bei

den Umweltbelastungen (vor allem bedingt durch die Deindustrialisierung im Osten) vollzogen, in

der Angleichung der Lebenserwartung sowie bei vielen Haushaltsausstattungsmerkmalen. Hier

kann auch in den nächsten Jahren von einer gleichlaufenden Entwicklung ausgegangen werden.

Bei der Mehrzahl der an die ökonomische Entwicklung gebundenen Indikatoren wie Bruttoin-

landsprodukt (BIP), Löhne bzw. Alterseinkommen, Haushaltseinkommen, Wohneigentum und

Wohnungsgröße ist von einer zwischen 40- bis 60-prozentigen Ost-West-Relation (1989) inzwi-

schen mehrheitlich ein Angleichungsniveau von 70 bis 80 % erreicht.

Eine von den ökonomischen Veränderungen verursachte, aber in den Niveauunterschieden kaum

veränderte Entwicklung erfolgte in den Bereichen der Arbeitslosigkeit und der Angleichung tarif-

licher Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Tariflöhne). Nur im Ergebnis grundlegender Neustruktu-

rierungen des Arbeitsmarktes und des verstärkten Einflusses der Gewerkschaften als Tarifpartner

sind hier „gleiche“ Verhältnisse herstellbar.

Charakteristisch für viele Bereiche ist eine rückläufige Entwicklung in den neuen Bundesländern

und damit z.T. erreichter „Negativ-Angleichung“, wie z.B. bei der Kinderbetreuung und im Ge-

10 Vgl. Winkler, Gunnar: Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse, a.a.O., S. 127/128. 11 Vgl. Koalitionsvereinbarung CDU-CSU-FDP: Wachstum, Bildung, Zusammenhalt, Berlin 26. Oktober 2009, S. 56. 12 Vgl. hierzu auch bezogen auf ökonomische Parameter: Busch, Ullrich/Kühn, Wolfgang/Steinitz, Klaus: Entwicklung und

Schrumpfung in Ostdeutschland, VSA-Verlag 2009, S. 129/130. 13 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Zum Stand der Deutschen Einheit

und der perspektivischen Entwicklung bis 2020“, Drucksache 17/5418/2006, S. 4.

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2 Lebenslagen im Vergleich

37

sundheitsbereich, in der beruflichen Bildung (wo es eher um eine West-Ost-Angleichung gehen

sollte) sowie beim Rückgang der Geburtenhäufigkeit.

Aber auch Aspekte des bürgerschaftlichen Engagements - wie der aktiven Betätigung in Vereinen

und Verbänden - belegen einerseits die Beseitigung erfolgter Verwerfungen zu DDR-Zeiten, wie

inzwischen finanziell begrenzte Möglichkeiten (z.B. Sport/Kultur) von Aktivitäten andererseits.

Tabelle 2.6 ist der Versuch,14

die erreichten Ergebnisse - soweit möglich gemessen am Ausgangspunkt

1989 - aber auch deren Differenziertheit in den verschiedensten Lebensbereichen darzustellen. Dabei

ist hervorzuheben, dass

• in einigen Bereichen hinter geringen „Angleichungsquoten“ ein enormer Gewinn an Lebensquali-

tät steht - so z.B. in der Lebenserwartung, welche in den neuen Bundesländern um 5 Jahre gestie-

gen ist, obwohl sich die Angleichungsquote nur gering veränderte;

• die enorme, aber nicht hinreichende Verdoppelung des BIP je Erwerbstätigen - wird sie auf die

Bevölkerung bezogen - geringer ausfällt aufgrund der Abwanderung und Alterung;

• der Ausbau des Kommunikationsnetzes den Ausstattungsgrad mit Telefonen so steigerte, dass

keine Unterschiede mehr bestehen usw.

Es sollte auch vermieden werden, summierende Berechnungen vorzunehmen, bei denen unterschied-

lichste Indikatoren zusammengefasst werden. Eine gute Kindergartenbetreuung kann und darf nicht

zum Ausgleich mit Negativ-Zahlen der Arbeitslosigkeit dienen, fehlende Infrastrukturen nicht mit

höheren Einkommen ausgeglichen werden usw. Unterschiede sind zu erfassen und zu bewerten und

sollten nicht von einem allgemeinen Durchschnitt verdeckt werden.

Je exakter Ziele, Zeitpunkt, Richtung und Wege zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse

bestimmt werden, umso wirkungsvoller die Ergebnisse und eine möglich Kontrolle der gesetzten Vor-

gaben.

Zusammenfassend sei nochmals hervorgehoben: Vieles ist erreicht, vieles ist noch zu bewältigen. Je

effektiver sich der Einzelne dabei einbringen kann und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen

geschaffen werden, umso eher vollendet sich auch die „innere Einheit“ Deutschlands.

Andererseits reflektieren Differenzierungen auch kulturelle Unterschiede, die zu überwinden bzw.

anzugleichen auch Vielfalt eliminieren würden - so z.B. in weltanschaulichen Positionen oder Haltun-

gen von Müttern und Vätern zur Vereinbarkeit von familiärer Erziehung und beruflicher Tätigkeit.

Die nicht hinreichende Angleichung haben in nicht unbedeutendem Maße vor allem junge Menschen

für sich durch die Abstimmung mit den Füßen, d.h. durch Abwanderung, geregelt. Ein Land nicht

verlassen zu dürfen, ist - ebenso wie in ein anderes Land nicht umsiedeln/übersiedeln zu dürfen - im-

mer eine Begrenzung individueller Freiheiten. Aber auch ein Land oder eine Region verlassen zu müs-

sen, weil grundlegende Rechte - wie das Recht auf Arbeit und damit die Möglichkeit, ein auf eigener

Arbeitsleistung beruhendes Einkommen zu erhalten - nicht erzielbar sind, sind mehrheitlich immer

durch äußere Zwänge verursachte „Freiheitsgewinne“ und verdecken defizitäre Bedingungen in der

Herkunftsregion.

14 Vgl. hierzu auch bezogen auf ökonomische Parameter: Busch, Ullrich/Kühn, Wolfgang/Steinitz, Klaus: Entwicklung und

Schrumpfung in Ostdeutschland, VSA-Verlag, Hamburg 2009, S. 129/130.

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2 Lebenslagen im Vergleich

38

Abbildung 2.12: Ost-West-Wanderung - 1949 bis 2010 - in 1000 Personen -

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 1.2, div. Jahrgänge/Das Parlament, Nr. 31-34 2011, S. 4

Seit 1991 haben bis 2010 rd. 3,0 Millionen Bürger der neuen Länder und Berlins ihren Wohnsitz Rich-

tung Westen verlassen, in umgekehrter Richtung übersiedelten 1,8 Millionen Bürger der alten Länder

in die neuen Länder. Das entspricht einem Wanderungsverlust von rd. 1,2 Millionen Bürgern. Die

Wanderung zwischen Ost und West ist zugleich mit deutlichen Veränderungen in den Strukturen ver-

bunden, da insbesondere Frauen (53 % der Abwandernden waren 2010 Frauen zwischen 18 und 30

Jahren) den Hauptanteil der Abwandernden ausmachen. Die Jugend - vor allem weiblich - ging, das

„Mittelalter“ kam - zum Teil als Rückkehrer, zum Teil als neue Eliten. Während die Abwanderung

flächendeckend und noch eher aus ländlichen Gebieten stattfand, erfolgte die Zuwanderung in hohem

Maße in sog. Inseln (Leipzig, Potsdam, Rostock)15

.

Insgesamt haben sich in den neuen Ländern die Motive seit 1989 und 1990 zum Teil geändert - das

Hauptmotiv: Wanderung aufgrund ungleicher Arbeits- und Lebenschancen ist geblieben.

Die 2012 begonnene Diskussion um die Rückkehrabsichten von rd. 75 % der in den alten Bundeslän-

dern lebenden ehemaligen Ostdeutschen aus Gründen der Heimatverbundenheit16

ist nicht nur frag-

würdig, sondern würde - wäre sie auch nur annähernd real - eine Rückkehrwelle von über 2 Millionen

Bürgern im besten Erwerbsalter (plus der inzwischen hinzugekommenen Familienmitglieder) bedeu-

ten und wirtschaftlich nicht zu bewältigende Folgen mit sich bringen. Nicht zu übersehen aber auch,

dass Überlegungen zur „potenziellen Rückwanderung“ (wenn auch nicht in der angegebenen Größen-

ordnung) ihre Ursachen auch in der Ungleichheit der Lebensbedingungen - insbesondere Einkommen -

haben.

2010 in Westdeutschland lebende Bürger, welche 1989 ihren Wohnsitz in der DDR (inkl. Berlin-Ost)

hatten und seitdem in die alten Bundesländer übersiedelten, erzielten 2010 nur ein individuelles Netto-

einkommen von durchschnittlich 962 Euro und lagen damit nicht nur im Vergleich zu den Alt-

Westdeutschen deutlich unter deren Einkommen, sondern auch z.T. zu den heute in den neuen Län-

dern lebenden Bürgern (vorrangig Ergebnis der Zuordnung zu Erwerbstätigkeiten mit geringerer Be-

zahlung sowie doppelt hoher Arbeitslosigkeit). Umgekehrt erzielen ehemalige Westdeutsche in den

neuen Bundesländern ein ebenso deutlich über dem Durchschnitt liegendes Einkommen (1.761 Euro) -

offensichtlich vorrangig Ergebnis des Elite-Transfers West-Ost.

15 Vgl. Winkler, Gunnar: Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse, a.a.O., S. 91-95. 16 Leibniz-Institut für Länderkunde: Ostdeutsche zieht es zurück in die Heimat, Leipzig, Pressemitteilung vom 25.7.2012.

1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 0

100

200

300

400

500 Fortzüge Zuzüge

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2 Lebenslagen im Vergleich

39

Abbildung 2.13: Individuelles Nettoeinkommen 2010 nach Wohnort Ende 1989 - 2010 - in Euro -

Datenbasis: sfz/leben 2010 (gew.)

Die Bürger der neuen Länder haben zugleich in den vergangenen 22 Jahren insgesamt durch eine ein-

malige berufliche und territoriale Mobilität den Versuch unternommen, die ungleichwertigen Lebens-

verhältnisse zwischen Ost und West individuell zu mindern bzw. zu überwinden. Nur ein gutes Drittel

der 18- bis 65-jährigen Ostdeutschen ist noch im erlernten Beruf tätig (37 %) - in der Altersgruppe 40

bis 50 Jahre nur 30 % und bei den 50- bis 60-Jährigen 32 %. In Niedersachsen sind es insbesondere im

Vergleich der 40- bis 50-Jährigen 49 %. Über ein Viertel der ab 40-Jährigen in den neuen Ländern

musste etwas „völlig Neues“ lernen - im Vergleich in Niedersachsen 7 bis 8 %. Rd. jeder dritte er-

werbstätige Ostdeutsche konnte sein erlerntes berufliches Wissen für die gegenwärtige Tätigkeit zu-

mindest nutzen.

Abbildung 2.14: „Entspricht Ihre jetzige Tätigkeit Ihrem zuerst erlernten Beruf?“ - Erwerbstätige

nach ausgewählten Altersgruppen und Regionen - 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

962

1.150

1.517

1.751

nach Westdeutschland übersiedelte Ostdeutsche

Ostdeutsche

Westdeutsche

nach Ostdeutschland übersiedelte Westdeutsche

0 500 1.000 1.500 2.000

46 43

49

37

7 7 7 8

37

47

30 32

22 16

26 28

insges. (18-65 Jahre)

25-39 Jahre

40-49 Jahre

50-59 Jahre

insges. (18-65 Jahre)

25-39 Jahre

40-49 Jahre

50-59 Jahre

0

10

20

30

40

50

60

neue Länder Niedersachsen

im erlernten Beruf tätig etwas völlig Neues gelernt

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2 Lebenslagen im Vergleich

40

2.2.2 Deutsche Einheit - Gewinne-Verluste

Fast die Hälfte der Bürger in Deutschland sieht sich eher als Gewinner wie als Verlierer der Eiheit,

rd. jeder fünfte Bürger sieht für sich eher Verluste. In Ostdeutschland ist eine starke Einkommens-

abhängigkeit für die Bewertung feststellbar. Ältere Bürger sehen sich immer weniger als „Gewin-

ner“, Arbeitslose und Bürger mit geringem Einkommen in hohem Maße als „Verlierer“.17

Tabelle 2.7: „Sind die Jahre seit der deutschen Einheit für Sie insgesamt ...?“ - neue Länder und

Berlin-Ost - 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

neue Bundesländer und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

vor allem Gewinn

nicht

erhoben

16 19 13 19 22 24

mehr Gewinn als Verlust 28 22 31 23 23 24

Gewinn/Verlust sind gleich groß 41 41 26 27 28 23

mehr Verlust als Gewinn 12 15 27 18 16 14

vor allem Verlust 3 2 9 6 5 4

trifft nicht zu/ohne Antwort - - 5 6 6 11

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Die deutsche Einheit erbrachte den Beweis, dass Bürger eines Landes auch auf friedlichem Wege

nicht nur Regierungen abwählen und durch neue parteipolitische Zusammensetzungen ersetzen kön-

nen, sondern dass auch Systemveränderungen möglich sind, sie brachte zugleich für die Mehrheit der

Bürger der neuen Bundesländer anerkannte und spürbare Verbesserungen der Lebensverhältnisse mit

sich, die in vielen Bereichen bis heute nachhaltige Wirkungen zeigen.

Zugleich zeichnet sich aber von Anbeginn an ab, dass die Bürger der neuen Bundesländer an den Er-

gebnissen der Einheit zum Teil in sehr unterschiedlichem Maße partizipieren - insbesondere durch die

gegebenen/nicht gegebenen Möglichkeiten der Teilnahme am Erwerbsleben, da die Veränderungen in

den ökonomischen Strukturen eine Nutzung der Angleichungschancen aus eigener Kraft in hohem

Maße begrenzten und noch immer begrenzen. Zugleich führten/führen bekanntermaßen die in den

Jahren 2002/2003 in Gang gesetzten Reformen in den neuen Bundesländern in besonderem Maße zu

negativen Wirkungen.

Es gibt im Vereinigungsprozess keine Gruppe, die sich nur als „Gewinner“ oder „Verlierer“ sieht -

ohne vorhandene Differenzierungen zu ignorieren. Einzelne Gruppen konnten in den ersten Jahren

zunächst mehr Gewinne als andere für sich feststellen (Rentner-Ost), die jedoch im Verlaufe der Jahre

im Schwinden sind.

Betrachtet man die Gesamtentwicklung in Ostdeutschland - begrenzt auf den Teil der Bevölkerung,

der 1989/1990 20 Jahre und älter war (Jahrgang 1970 und älter) - so ergibt sich, dass die Gewinn-

Verlust-Bewertung seit 1990 einem Wandel unterliegt:

a) Während die Zahl derer, welche für sich die mit der Vereinigung erzielten Wirkungen positiv be-

werten, weitgehend stabil ist, ist der Anteil jener gestiegen, welche für sich stärker Verluste sehen,

nach 2000 deutlich gestiegen und hat trotz gegenläufiger Bewertungen auch 2011 noch nicht wie-

der das Niveau um die Jahrtausendwende erreicht (Reformpolitik).

b) Der Vergleich in den ersten Jahren bezog sich fast ausschließlich auf die Veränderungen der

überwundenen Lebensverhältnisse in der DDR und noch nicht auf die nachhaltig wirkenden neuen

sozialen Strukturen (Arbeitslosigkeit).

17 Detailliertere Aussagen zur Bewertung der deutschen Einheit im Ost-West-Vergleich (2010) siehe: Sozialreport 2010

(Langfassung), SFZ im Auftrag des Bundesvorstandes der Volkssolidarität, Berlin 2010, S. 18 ff.

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2 Lebenslagen im Vergleich

41

c) Ab Ende der 90er Jahre werden sowohl der DDR-Vergleich als auch zunehmend die inzwischen

eingeleiteten - ursprünglich nicht für möglich gehaltenen - sozialen Einschnitte bewertet und die

damit verbundene stagnierende Angleichung insbesondere der Einkommensentwicklungen.

Abbildung 2.15: „Sind die Jahre seit der Vereinigung für Sie insgesamt gesehen ...?“ - neue Länder

- 1994 bis 2012 - in Prozent* -

* Wertebereiche ohne Beschriftung = 1 Prozent

Datenbasis: sfz/leben 1994-2012 (gew.)

Für die neuen Länder sind insgesamt seit 1994 (erstmalige Erhebung) weitgehend stabile Gewinn- und

Verlustbewertungen typisch - mit einer kritischeren Bewertung in den Jahren der Diskussion um und

Einführung grundlegender Elemente der Sozialreformen (Rente, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Pflege).

Insbesondere die hohen Gewinnbewertungen seitens der älteren Bürger trugen bislang maßgeblich zur

Gesamtbewertung in den neuen Ländern bei. Die altersabhängigen Bewertungen wirken einerseits

aufgrund einer wachsenden aufrückenden Anzahl der Jüngeren positiv, wie beim Nachrücken der heu-

te 50- bis 65-Jährigen sich z.T. eher negative Wirkungen aufgrund der gemachten Erfahrungen z.B.

mit der Arbeitslosigkeit und der zu erwartenden geringer werdenden Altersrenten kennzeichnend sind.

Die getroffenen Aussagen verdeutlichen zugleich eine nicht nur noch vorhandene Unterschiedlichkeit

der Bewertung zwischen Ost und West, sondern vor allem innerhalb der neuen Bundesländer. Wäh-

rend im Osten 45 % der Bürger für sich eher Gewinne sehen, sind das in Niedersachsen 48 %, im Ge-

gensatz zu den Verlusten, welche für sich 21 % der Ostdeutschen sowie 18 % der Westdeutschen

(Niedersachsen) feststellen.

Überdurchschnittlich werden in den neuen Bundesländern Gewinne für sich hervorgehoben von:

• Hochschulabsolventen (75 %) im Vergleich zu Facharbeitern (39 %) bzw. Bürgern ohne berufli-

chen Abschluss (31 %),

• Männern (49 %) im Vergleich zu Frauen (41 %),

• Beamten (67 %), Selbstständigen (57 %) und Angestellten (53 %) im Vergleich zu Arbeitern

(30 %),

• Familien mit höherem Nettoäquivalenzeinkommen (Pro-Kopf-Einkommen) mit 80 % im Ver-

gleich zu unteren Einkommensgruppen (22 %).

19 16 13 13 11 16 19 15 11 11 10 13 12 16 16 18 19 25 22

24 28 24 21 22

27 22 23

24 25 24 21 21 24 23 20 23

24 23

39 41 45

45 43

42 41 42

37 30 33 26 32

32 30 30 27

25 28

16 12 15 17 19 12 15 17

20 23 24

27 23

19 21 18 18 13 16

2 3 3 4 3 3 2 3 5 7 6

9 8 7 7 5 6 5 5

1 1 4 3 3 5 4 3 5 8 6 8 6

1994 1995

1996 1997

1998 1999

2000 2001

2002 2003

2004 2005

2006 2007

2008 2009

2010 2011

2012 0%

20%

40%

60%

80%

100%

vor allem Gewinn mehr Gewinn als Verlust Gewinn/Verlust sind gleich mehr Verlust vor allem Verlust o.Antw./trifft nicht zu

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2 Lebenslagen im Vergleich

42

Eine überdurchschnittliche Verlustbewertung nehmen vor allem vor:

• Jüngere Bürger der neuen Bundesländer sehen trotz positiver Gesamtwertung z.T. auch Verluste

(27 %), während in Niedersachsen junge Menschen überhaupt keine Bewertung vornehmen (sie

sehen für sich keinen Zusammenhang). Bei jüngeren Ostdeutschen reflektieren sich vorhandene

Ungleichheiten zwischen Ost und West sowohl hinsichtlich des Arbeitsmarktes, der Ausbil-

dungsmöglichkeiten, der Einkommensbedingungen bis zu Freizeitstrukturen und werden als exis-

tente Folgewirkungen einer immer noch nicht vollendeten Vereinigung empfunden. Im Gegensatz

dazu sind es bei 50- bis 60-Jährigen die eigenen Vereinigungserfahrungen, welche dazu führen,

dass 31 % für sich eher Verluste sehen.

• Arbeitslose (77 %) im Vergleich zu Erwerbstätigen (16 %);

• untere Einkommensgruppen (43 %) - wie insgesamt eine starke Einkommensabhängigkeit der

„Einheitsbewertung“ vom Einkommen feststellbar ist.

Abbildung 2.16: „Sind die Jahre seit der Vereinigung für Sie ...?“ - neue Länder - 2012 - in Prozent -

(nur Antworten: „vor allem Gewinn“/„mehr Gewinn als Verlust“)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Die unterschiedlichen Aspekte der Ost-West-Bewertung seien noch erweitert um:

• die subjektive Schichteinstufung, nach der sich in Ostdeutschland 82 % der oberen Mittel-

schicht/Oberschicht als Gewinner der Vereinigung sehen, ebenso wie die sich der Mittelschicht

Zuordnenden mit 60 % sich noch deutlich als Gewinner bewerten. Die sich der unteren Mittel-

schicht (Arbeiterschicht) Zuordnenden sehen sich zu 39 % als Gewinner und die sich der Unter-

schicht Zuordnenden nur zu 18 %.

• Im Osten ist der Zusammenhang von „sozialem Aufstieg/Abstieg“ mit der Einheit ausgeprägt.

68 % derer, welche ihre Entwicklung der letzten Jahre als „sozialen Aufstieg“ sehen, kennzeich-

nen ihre persönlichen Veränderungen „als Gewinn“, im Vergleich zu 25 % derer, die ihre Ent-

wicklung vor allem als „sozialen Abstieg“ sehen.

Anfang des Jahrzehnts vorgenommene Analysen bezüglich einzelner Lebensbereiche sehen bei Ost-

deutschen auf der Gewinnseite vor allem die Bereiche Wohnen, Reisen und Kennenlernen fremder

Kulturen, Vielfalt der Vereinstätigkeit, Waren- und Dienstleistungsangebot, persönliche Freiheit. Ver-

luste werden vor allem gesehen in den Bereichen Arbeit, soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und

Solidarität.18

18 Vgl. Winkler, Gunnar: Leben in den neuen Bundesländern, in: Sozialreport 2001 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in

den neuen Bundesländern, Berlin 2001, S. 57-61.

45 50

15

43

22 34

50 58

80

insge- samt

Erwerbs- tätige

Arbeits- lose

Rentner bis 750

Euro

750- 1.000 Euro

1.000- 1.500 Euro

1.500- 2.000 Euro

2.000 Euro u.dar.

0

20

40

60

80

100

Haushaltsnettoeinkommen (Äquivalenzeinkommen)

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2 Lebenslagen im Vergleich

43

2.3 Einkommensentwicklungen

Kennzeichnend für die Bewertung der Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern ist,

dass19

in den Jahren unmittelbar nach der Vereinigung noch rd. 75 % davon ausgingen, dass es gelingen

würde, die Einkommen innerhalb der nächsten 10 Jahre - also bis rd. 2005 - anzugleichen. Dass

dies überhaupt nicht passieren könnte, nahmen nur 5 % an.

Seit dem Einsetzen der Sozialreformen in allen wichtigen Lebensbereichen sinkt der Glaube an

Einkommensangleichungen deutlich ab und erreicht relativ stabile Niedrigwerte. 2012 hoffen in

den neuen Ländern nur noch 13 % auf die nächsten 10 Jahre, 34 % gehen von mehr als 10 Jahren

aus und Vier von Zehn der ab 18-Jährigen (40 %) glauben nicht mehr daran, 14 % trauen sich eine

Aussage nicht zu bzw. antworten mit „ich weiß es nicht“.

Im Gegensatz dazu ist die Hoffnung in westlichen Bundesländern (Niedersachsen) wesentlich

größer, da 34 % auf die nächsten 10 Jahre vertrauen und nur 18 % nicht daran glauben bzw. keine

Antwort darauf wissen bzw. geben (23 %).

Mit einer durchschnittlich erwarteten Angleichungsdauer von 37 Jahren im Osten und 20 Jahren in

Niedersachsen trennen die Regionen in ihren Annahmen doch etliche Jahre. Die durchschnittlich

erwartete Angleichung im Osten liegt z.B. außerhalb der Erlebenswahrscheinlichkeit selbst der

„jungen“ Senioren.

Abbildung 2.17: „Was meinen Sie, in wie viel Jahren werden die Einkommen angeglichen sein?“

- neue Länder und Berlin-Ost/Niedersachsen - 1994 bis 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 1994-2012 (gew.)

Insgesamt ist das geringe Vertrauen an eine Einkommensangleichung Ost-West charakteristisch, d.h.

dass vier von zehn Ostdeutschen davon ausgehen, dass die Umsetzung des deutschen Einigungsvertra-

ges für nicht mehr möglich und erfüllbar gehalten wird. Es ist sicher eher eine deutliche Kritik an der

Innenpolitik der Bundesregierung als an den Ergebnissen der Tarifverhandlungen.

19 Vgl. hierzu ausführlicher: Sozialreport 50+ 2011, a.a.O., S. 51 ff.

36 23

9 11 5 2 4 3 3 3

10

39

34

29 31

25 16 14 13 16

10

24

5

7

11 9

9

8 7 7 4

6

8

3

7

16 17

24

21 22 21 27

28

16

5

12 17 15 24

40 39 43 37

40 18

12 16

20 18 13 12 14 13 13 14 23

1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2012 Niedersachsen

0%

20%

40%

60%

80%

100%

in 5 Jahren in 6-10 Jahren in 11-15 Jahren in 16 Jahren u.d. überhaupt nicht iwn/o.Antw.

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2 Lebenslagen im Vergleich

44

2.3.1 Individuelles Einkommen/Erwerbseinkommen

Die Entwicklung des individuellen Nettoeinkommens hat sich in den neuen Bundesländern zu-

nächst rasch vollzogen, seit Mitte der 90er Jahre wurden keine weiteren wesentlichen Anglei-

chungsfortschritte erreicht. Zugleich haben soziale Differenzierungen in den Einkommen zuge-

nommen. Der Abstand zu den Einkommen im Westen ist insgesamt noch deutlich, z.T. zunehmend.

Die Entwicklungen und Rahmenbedingungen der Arbeitseinkommen waren ein für die friedliche Re-

volution keineswegs gering zu schätzender Faktor. Im Besonderen die in der DDR unzureichende

leistungsabhängige Differenzierung der Arbeitseinkommen zwischen Ungelernten, Facharbeitern und

Hochschulabsolventen führte zu Benachteiligungen von Werktätigen mit höheren beruflichen Ab-

schlüssen, die zum Teil durch ungleiche ungerechtfertigte Besteuerungen noch erhöht wurden. Ent-

scheidend war allerdings, dass in allen Einkommensgruppen dem erzielten Arbeitseinkommen kein

entsprechendes Warenangebot gegenüberstand, welches eine Realisierung der erarbeiteten Einkom-

men entsprechend den Bedürfnissen der Bürger ermöglichte.

Mit der Währungs- und Wirtschaftsunion traten grundlegende Wandlungen auch in den Einkommens-

bereichen ein. Es gab ab 1990 zunächst eine stetige - wenn auch zunehmend geringere - Zunahme des

Bruttodurchschnittslohnes sowie der Renten (vgl. Abschnitt 2.3.3).

Seit Mitte der 90er Jahre ist keine weitere grundlegende Angleichung in den Einkommen erzielt wor-

den - im Gegenteil: die Schere in den Bruttolöhnen zwischen Ost und West hat sich weiter geöffnet.

Während die Angleichungsquote bereits 1996 bei 75,0 % und 2000 bei 76,9 % lag - was einer absolu-

ten Differenz von 501 Euro/Monat entsprach -, lag die Quote 2011 bei 78,6 % und trotz sich gering

erhöhender Einkommen bei einer gestiegenen absoluten Differenz von 539 Euro/Monat (vgl. Abbil-

dung 2.18) - mit Auswirkungen auf die entsprechenden Ersatzleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit

ebenso wie auf die Alterseinkommen.

Abbildung 2.18: Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (Inland)

- 1991 bis 2011 - in Euro -

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe 1, Bd. 2, Statistisches Landesamt

Baden-Württemberg, Stuttgart 2012

Die Nettolohnentwicklung der abhängig Beschäftigten vollzog sich in Deutschland in den vergange-

nen Jahren im Vergleich zu den Bruttolöhnen verlangsamt, da Sozialbeiträge und Steuern deutlich

angehoben wurden. Die Beitragssätze der Arbeitnehmer betrugen 1991 rd. 17,7 % und stiegen bis

2012 auf 19,6 %, was die den Bürgern zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen schmälerte. 2010

51,3 62 69,1 72,2 74,5 75 75,4 75,6 76,4 76,9 77 77,1 77,3 77,5 78 78,2 78,1 77,2 78,4 78,4 78,6

1991 1992

1993 1994

1995 1996

1997 1998

1999 2000

2001 2002

2003 2004

2005 2006

2007 2008

2009 2010

2011 0

5

10

15

20

25

30

35 Tausend

0

50

100

150

200

Brutto/AN/Ost Brutto/AN/West+Berlin Verdienst-Angleichungsquote

62,0 75,0 77,0 78,0

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2 Lebenslagen im Vergleich

45

zahlte jeder Haushalt in Deutschland im Durchschnitt 865 Euro an Einkommens- und Kirchensteuer

sowie Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung (inkl. Beiträge zur privaten Krankenversicherung und

freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung)20

.

Die Lohn-/Gehaltsabstände zwischen Ost und West werden in erster Linie nicht durch die unterschied-

lichen Tarifabschlüsse hervorgerufen, sondern durch die unterschiedliche Tarifbindung, durch weit

hinter den tarifvertraglich vereinbarten Löhnen zurückbleibenden Effektivlöhne, eine unterschiedliche

Verbreitung der außertariflichen Zahlung sowie die höheren Anteile bei Gewinn- und Kapitalbeteili-

gung der Beschäftigten in westdeutschen Betrieben. So liegt der Anteil der Beschäftigten mit tarifli-

cher Bindung (2011) bei 61 % in den alten Bundesländern und bei 49 % in den neuen Ländern.21

Entsprechende Analysen machen seit Jahren darauf aufmerksam22

, dass es eine starke Differenzierung

nach Branchen ebenso gibt wie nach Betriebsgrößenklassen und Eigentumsverhältnissen. Sowohl eine

Wirtschaftsstruktur zu Gunsten von Branchen mit geringeren Einkommen als auch das Fehlen entspre-

chender Anteile in höher bezahlten Lohngruppen lassen kurzfristige Änderungen nicht erwarten. Die

Daten weisen aber auch auf die bedeutenden „Einkommensverluste“ hin, die Arbeitnehmer in ostdeut-

schen kleinen und mittleren Betrieben bis 20 Beschäftigte hinnehmen müssen. Hinzu kommt, dass in

diesen Betriebsgrößen fast keine tariflichen Bindungen bestehen, ebenso wenig wie Sonderleistungen

(z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld) gezahlt werden.

Abbildung 2.19: Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer - 2011 - in Euro -

25.000 bis 27.500

27.500 bis 30.000

30.000 bis 32.500

unter 25.000

32.500 u.dar.

Quelle: Statistische Ämter der Länder, volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Bd. 2, Wiesbaden 2012

Wenn auch eine Einkommensentwicklung bei Arbeitnehmern insgesamt zu verzeichnen ist, darf das

nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Deutschland insgesamt zugleich der Anteil von Beschäftigten

im Niedriglohnbereich gestiegen ist. Parallel dazu sanken über die Jahre die Leistungen für Arbeitslo-

sigkeit sowie der Anteil der Nettorenten im Verhältnis zum Bruttoeinkommen.

20 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Heft 1 - Einkommens- und Verbrauchsstichprobe - Aufwendungen privater

Haushalte für den Privaten Konsum - 2010, Wiesbaden 2012, Tab. Ü.1. 21 Dahms, Vera et. al.: Betriebspanel Ost - 16. Welle, MDI, Berlin 2012, S. 91. 22 Vgl. Wahse, Jürgen/Bellman, Lutz/Dahms, Vera: Betriebspanel Ost, div. Jahrgänge bis 2010 (15. Welle).

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2 Lebenslagen im Vergleich

46

Tabelle 2.8: Individuelles Nettoeinkommen nach Einkommensgruppen - neue Länder und Berlin-

Ost - 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent - (nur Befragte

mit Einkommensangaben)

neue Länder und Berlin-Ost

Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

bis 500 Euro 81 30 34 13 12 7 12

500 bis 1.000 Euro 18 47 38 34 34 35 20

1.000 bis 1.500 Euro 1 18 22 31 31 30 23

1.500 bis 2.000 Euro 3 5 13 12 14 20

2.000 Euro und darüber 2 2 9 11 14 25

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Der Vergleich der individuellen Nettoeinkommen zwischen 1990 und 2012 nach Einkommensgruppen

in den neuen Bundesländern (vgl. auch Tabelle 2.8) lässt erkennen:

• die Überwindung der niedrigen und homogenen Einkommensstrukturen (Erwerbseinkommen und

Renten) in der DDR mit einem für heutige Verhältnisse umgerechneten Anteil von 81 % der Bür-

ger, welche unter 500 Euro (netto) erzielten (so betrug 1988 das Bruttoeinkommen in der DDR für

Produktionsarbeiter 1.100 Mark der DDR und für Fach- und Hochschulabsolventen 1.477 Mark.

Dabei sind zugleich die geringen Steuern, Sozialabgaben, ein anderes Preisniveau sowie Sozial-

leistungsstrukturen zu berücksichtigen);

• die sich über Jahre langsam verändernden Einkommensstrukturen mit einem Anteil von 42 % der

ab 18-jährigen Bürger, welche ein individuelles Einkommen (netto) unter 1.000 Euro ausweisen

(Rentner, Auszubildende, prekäre Arbeitsverhältnisse), bei einem nach wie vor geringen Anteil

von 28 % aller Bürger mit einem Nettoeinkommen von über 1.500 Euro;

• die unterschiedlichen Einkommensstrukturen zwischen Ost und West (Niedersachsen) vor allem in

den höheren Einkommenssegmenten. So weisen in Niedersachsen 32 % ein individuelles Netto-

einkommen von unter 1.000 Euro aus und 45 % ein Nettoeinkommen mit 1.500 und mehr Euro.

Der Vergleich der individuellen Nettoeinkommen zwischen Ost und West lässt gleiche Strukturen

auf ungleichem Niveau erkennen (wobei zu vermerken ist, dass lt. offizieller Statistik Niedersach-

sen bezogen auf das Arbeitnehmereinkommen im Jahr 2011 in den alten Bundesländern den vor-

letzten Platz einnimmt).

Der Vergleich der individuellen Nettoeinkommen nach sozialen Gruppen macht - trotz des niedrigen

Niveaus Niedersachsens beim Einkommen innerhalb der alten Bundesländer - die im Wesentlichen

generell höheren Einkommen gegenüber den neuen Bundesländern deutlich. Die Ausnahme der Beam-

ten entspringt der spezifischen Beamtenstruktur (Fehlen einer traditionell entstandenen Beamten-

schicht) im Osten Deutschlands im Vergleich zu den alten Bundesländern.

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2 Lebenslagen im Vergleich

47

Abbildung 2.20: Individuelles Nettoeinkommen - nach sozialen Gruppen und Regionen - 2012

- in Euro -

703 1

.159 1

.713

945 1

.329

2.3

90

1.4

13

1.5

25

535

966

758

1.4

14

2.5

17

1.1

36 1

.606 2

.144

1.4

12 1.7

43

641

1.4

42

ohne

Ab-

schluss

Fach-

arb.-

abschl.

Hoch-

schul-

abschl.

Arbei-

ter

Ange-

stellte

Be-

amte

Selbst-

stän-

dige

Erw.-

täti-

ge

Ar-

beits-

lose

Rent-

ner/

Pens.

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

neue Länder Niedersachsen

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

2.3.2 Haushaltseinkommen

Der Angleichungsprozess bei den Haushaltseinkommen ist weitgehend zum Erliegen gekommen.

Die Einnahmestrukturen unterscheiden sich über Erwerbseinkommen und Pensionen hinaus vor

allem bei Einnahmen aus Vermögen und nichtöffentlichen Transferzahlungen. Öffentliche Trans-

ferzahlungen je Haushalt sind im Osten inzwischen geringer als im Westen.

Weder in den alten noch in den neuen Bundesländern verfügt die Mehrheit der Haushalt ausschließlich

über Erwerbs- bzw. Renteneinkommen, sondern auch über zusätzliche finanzielle Mittel z.B. aus So-

zialtransfers oder Zinsen (soweit Sparguthaben und andere Finanzanlagen vorhanden sind). Die letzten

Veröffentlichungen23

der offiziellen Statistik (für das Jahr 2010) weisen aus, dass das „verfügbare

Einkommen“ der Privathaushalte (ausgabefähiges Einkommen) im Jahr 2010 in Deutschland bei

2.981 Euro lag. Es betrug in den neuen Bundesländern (und Berlin) 2.406 Euro und in den alten Bun-

desländern 3.140 Euro, das entspricht einer Angleichungsquote von 77 % bei einer absoluten Diffe-

renz von 734 Euro pro Haushalt je Monat.

Legt man der Analyse der verfügbaren Einkommen nicht die Haushalte, sondern die Einwohner zu-

grunde, so ergibt sich für den Zeitraum 1991 bis 2009 (2010 lag noch nicht vor)24

:

a) Das verfügbare Einkommen ist seit 1991 in Deutschland insgesamt um 6.474 Euro/Jahr gestiegen,

d.h. auf 152 % (1991 = 12.509 Euro/2009 = 18.983).

b) Der Angleichungsprozess hat sich nach einer Phase der raschen Angleichung bis zum Jahr 2000

relativ schnell von 52 % des Westniveaus auf 79 % angenähert, verbunden mit einem deutlichen

Anstieg der absoluten Summe des zur Verfügung stehenden Einkommens.

c) Seit Beginn des neuen Jahrtausends wurde der Angleichungsprozess jedoch weitgehend ausgesetzt

und verharrt bei 79/80 %. Die absolute Differenz zwischen alten und neuen Bundesländern hat da-

durch in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen.

23 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Heft 1 - Einkommens- und Verbrauchsstichprobe - Aufwendungen privater

Haushalte für den Privaten Konsum - 2010, Wiesbaden 2012, Tab. Ü.2. 24 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, VGRL, „Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandspro-

dukts in den Ländern und Ost-West-Großraumregionen Deutschlands 1991 bis 2010“, Reihe 1, Band 5, Wiesbaden 2012.

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2 Lebenslagen im Vergleich

48

Abbildung 2.21: Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner - Deutschland

- 1991 bis 2009 - in Euro -

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, VGRL, „Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den

Ländern und Ost-West-Großraumregionen Deutschlands 1991 bis 2010“, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 2011

Das gegenwärtige Niveau wird im Osten wie im Westen durch bedeutende Transferzahlungen ge-

stützt, die z.B. bei Bürgern im Erwerbsalter aufgrund unzureichender bzw. fehlender Möglichkeiten

für eine entsprechend bezahlte Tätigkeit beruhen, aber auch auf notwendigen Transferzahlungen für

ältere Bürger. Die zu erwartende Vergrößerung der Anzahl der Rentner mit deutlich sinkenden Ren-

tenzahlbeträgen wird diese Prozesse - soweit nicht gegengesteuert wird - noch verstärken (vgl. Ab-

schnitt 2.3.3).

Nicht zu übersehen aber auch, dass die den Haushalten monatlich zufließenden öffentlichen Transfer-

leistungen, welche noch 2003 im Osten 957 Euro/Haushalt und im Westen 945 Euro betrugen, inzwi-

schen (2010) im Osten mit 895 Euro geringer sind als im Westen (907 Euro).25

Die im Auftrag der Volkssolidarität durchgeführten empirischen Erhebungen machen strukturelle Ver-

änderungen in der Entwicklung des Haushaltsnettoeinkommens in den neuen Ländern zwischen 1990

und 2012 (vgl. Tabelle 2.10) deutlich, dass insbesondere nach 2000 in den unteren Einkommensseg-

menten ein deutlicher Rückgang erfolgte, während gleichzeitig eine anteilige Zunahme in den oberen

Segmenten stattfand. Im Ost-West-Vergleich werden die Unterschiede gerade in den Segmenten ab

1.500 Euro zwischen den neuen Bundesländern und der Vergleichsregion Niedersachsen sichtbar und

machen 6 Prozentpunkte aus (61 % Ost/67 % West) - auch hier ist darauf zu verweisen, dass bei den

Haushaltseinkommen lt. offizieller Statistik Niedersachsen unter dem Durchschnitt Westdeutschlands

liegt und den letzten Platz einnimmt (bei Arbeitseinkommen den vorletzten Platz).

25 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Heft 1 - Einkommens- und Verbrauchsstichprobe - Aufwendungen privater

Haushalte für den Privaten Konsum - 2010, Wiesbaden 2012, Tab. Ü.2.

52,12 59,55 66,67 70,25 74,44 77,39 77,88 78,18 79,71 79,92 79,64 80,33 80,39 80,25 79,2 79,07 78,82 78,44 80,55

1991 1992

1993 1994

1995 1996

1997 1998

1999 2000

2001 2002

2003 2004

2005 2006

2007 2008

2009 0

500

1000

1500

2000

0

50

100

150

200

neue Länder (o. Berlin) alte Länder (+ Berlin) Angleichungsquote

79,0

Euro % Angleichung

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2 Lebenslagen im Vergleich

49

Tabelle 2.9: Haushaltsnettoeinkommen nach Einkommensgruppen - neue Länder und Berlin-Ost

- 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent - (nur Befragte mit

Einkommensangaben)

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

bis 500 Euro 20 23 28 15 5 4 5

500 bis 1.000 Euro 54 18 15 13 14 14 9

1.000 bis 1.500 Euro 20 26 20 18 22 21 20

1.500 bis 2.000 Euro 6 19 21 21 22 16 18

2.000 Euro und darüber 1 15 16 32 38 45 49

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Die empirischen Ergebnisse 2012 ergaben ein durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen in den

neuen Bundesländern und Berlin-Ost von 1.917 Euro und in Niedersachsen von 2.186 Euro. Das ent-

spricht einem Angleichungsniveau von 87 % und der bereits für 2009 ausgewiesenen offiziellen Ang-

leichungsquote von 86 %.

Unter Beachtung der unterschiedlichen Aufwendungen in Abhängigkeit von der Haushaltsgröße und

der Anzahl der Kinder unter und über 14 Jahren erreicht 2012 das Pro-Kopf-Einkommen der privaten

Haushalte (Nettoäquivalenzeinkommen lt. OECD) 1.278 Euro in den neuen Ländern und in Nieder-

sachsen 1.469 Euro, was gleichfalls einem Angleichungsquotienten von 87 % entspricht.

Tabelle 2.10: Nettoäquivalenzeinkommen (Pro-Kopf-Einkommen lt. OECD) - neue Länder und

Berlin-Ost - 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

bis unter 750 Euro 93 36 28 23 22 17 15

750 bis 1.000 Euro 6 33 28 19 15 17 12

1.000 bis 1.500 Euro 0 26 35 39 38 37 31

1.500 bis 2.000 Euro 0 3 7 11 15 18 19

2.000 Euro und darüber 0 1 2 8 10 11 23

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Die Unterschiede innerhalb der neuen Länder sind nach wie vor besonders deutlich zwischen

• Haushalten von Hochschulabsolventen (1.809 Euro) und Facharbeiterhaushalten (1.207 Euro),

• Haushalten von Beamten (2.098 Euro), Angestellten (1.381 Euro) und Arbeitern (985 Euro).

Hinsichtlich der Ost-West-Strukturen unterscheiden sich die Haushaltseinkommen beider Regionen -

über Einkommensunterschiede in den Erwerbseinkommen und Rentenzahlbeträgen hinaus - vor allem

auch aufgrund der Einnahmen aus Vermögen und nichtöffentlichen Transferzahlungen.

So erzielte 2010 in den alten Bundesländern jeder private Haushalt monatlich Einnahmen aus Vermö-

gen in Höhe von 412 Euro (Ostdeutschland = 186 Euro) und aus nichtöffentlichen Transferzahlungen

219 Euro im Westen und 119 Euro im Osten (insbes. Betriebsrenten, Leistungen privater Versicherun-

gen, Unterstützung privater Haushalte).

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2 Lebenslagen im Vergleich

50

2.3.3 Alterseinkommen26

Die Alterseinkommen trennen gegenwärtig Ost und West am meisten. Obwohl (noch) höhere Ren-

ten gezahlt werden (bei abnehmender Tendenz), erreicht das Haushaltsnettoeinkommen der Ost-

Senioren nur 73 % der West-Senioren. Vergleichbare Lebensarbeitsleistungen werden im Osten

nach wie vor ungleich bewertet.

Das Alterseinkommen bezogen auf das Haushaltsnettoeinkommen in den neuen Bundesländern liegt -

wie nachfolgende Tabelle anhand offizieller Zahlen belegt - mit 1.780 Euro im Vergleich zu Rentner-

haushalten West mit 2.203 Euro bei 81 % (2010). Folgt man dem allgemein in der Politik und vielen

Medien üblichen Muster des ausschließlichen Vergleichs der Renten der gesetzlichen Rentenversiche-

rung, so erreichen die Renten im Osten 114 % der Rentnerhaushalte West, vor allem aufgrund der

höheren Frauenrenten - dabei bleiben allerdings im Westen sowohl Betriebsrenten und Pensionen mit

ihren keineswegs unbedeutenden Leistungen unberücksichtigt. Werden diese Leistungen einbezogen,

liegen die Haushaltsnettoeinkommen der Rentner Ost (da die Zahl der pensionierten Beamten äußerst

gering ist) bei 73 % der Westhaushalte von Senioren (Rentner und Pensionäre) mit 2.429 Euro.

Tabelle 2.11: Einkommen und Einnahmen privater Haushalte 2010 - Rentner- und

Pensionärshaushalte - nach Gebietsständen -

früheres Bundesgebiet

(ohne Berlin)

neue

Länder

und

Berlin

Ost-West-Relation

Rentner Ost

zu …

Rentner Pensio-

näre

Senioren Rentner Rentner

West

Senioren

West

Euro Euro Euro Euro % %

Bruttoeinkommen aus unselbstständiger und

selbstständiger Arbeit 150 240 162 70 47 43

Einnahmen aus Vermögen 433 552 449 148 34 33

Einkommen aus öffentlichen Transferzahlungen 1.577 3.360 1.822 1.659 105 91

dar. (Brutto)Renten der gesetzlichen Renten-

versicherung (Brutto)Pensionen

1.360 (35)

282 2.641

1.212 394

1.548 -

114 0

128 0

Einkommen aus nichtöffentlichen Transferzahlungen 269 326 277 78 29 28

dar. (Brutto) Werks- und Betriebsrenten Unterstützung von privaten Haushalten

155 81

(14) (65)

136 79

(22) (39)

14 48

16 50

Haushaltsbruttoeinkommen 2.437 4.497 2.720 1.956 80 72

dar. abzüglich:

Einkommens-, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag 33 312 71 (6) 18 8

Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung 207 345 226 173 84 77

Haushaltsnettoeinkommen 2.203 3.848 2.429 1.780 81 73

Datenbasis: Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Reihe 1, Laufende Wirtschaftsrechnungen - Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte

2010, Wiesbaden, August 2012; Eigenberechnungen: Senioren West und Angleichung anhand Glied.nr. Ü1-D3 2.2 V/D2 2.2 V

Bezogen auf das Alterseinkommen werden die Unterschiede Ost-West besonders deutlich, da in den

neuen Bundesländern die (Brutto)Rente 87 % des Haushaltsnettoeinkommens ausmacht, während in

Rentnerhaushalten aus den alten Bundesländern die gesetzliche/Brutto)Rente nur 62 % des Haushalts-

nettoeinkommens begründet, da - wie bereits festgestellt - Betriebsrenten, Beamtenpensionen, Zusatz-

versorgungen des öffentlichen Dienstes und Vermögenseinkommen eine untergeordnete Rolle spielen.

26 Die nachfolgenden Abschnitte stützen sich auf: Winkler, Gunnar: Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse - 1990

bis 2012 - wie aus Veteranen Senioren wurden, SFZ, Berlin 2012, S. 152 ff.

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2 Lebenslagen im Vergleich

51

Die empirische Erhebung im Jahr 2012 ergibt (personenbezogen) folgende Ergebnisse:

Das individuell bezogene Nettoeinkommen von Rentnern betrug danach in den neuen Ländern

(inkl. Berlin-Ost) 958 Euro (Frauen 875 Euro/Männer 1.047 Euro) und in Niedersachsen für Rent-

ner 1.266 Euro (Frauen 1.078 Euro/Männer 1.466 Euro) sowie für Pensionäre 2.235 Euro.

Das Haushaltsnettoeinkommen lag (2012) für Rentner im Osten bei 1.555 Euro und in Nieder-

sachsen für Rentner bei 1.692 sowie für Pensionäre bei 2.713 Euro.

Das Nettoäquivalenzeinkommen (Pro-Kopf-Einkommen lt. OECD) erreichte im Osten bei Rent-

nern 1.136 Euro, in Niedersachsen bei Rentnern 1.368 Euro und bei Pensionären 1.938 Euro.

Die Einkommensdebatte für Senioren in den neuen Bundesländern ist seit 1990 geprägt durch

die Anerkennung der Rentenumstellung auf bundesdeutsches Rentenrecht und ein damit verbun-

denes, zunächst rasch ansteigendes Renteneinkommen - auch aufgrund von „Sonderleistungen“ im

Sinne des Bestandsschutzes (Auffüllbeträge);

die nach wie vor existenten zwei Rechtsgebiete im Rentenrecht, welche auf Grundlage unter-

schiedlicher aktueller Rentenwerte (ARW) zur Ungleichbehandlung bei gleichen Lebensarbeits-

leistungen führen und im Osten gegenwärtig 88,8 % des Rentenwertes West sichern (ab Juli 2012

ARW-Ost 24,92/ARW-West 28,07);

die einseitigen Debatten seitens der Politik und der Medien über „höhere GRV-Renten“ im Osten,

welche nicht alle Elemente der Alterssicherung einbeziehen und den Vergleich der Alterseinkom-

men auf die gesetzliche Rente reduzieren.

Abbildung 2.22: Entwicklung des aktuellen Rentenwertes - Deutschland - 1991 bis 2012 - in Euro* -

* Die Umrechnung für die Jahre vor 2002 erfolgte zum amtlich festgelegten Umrechnungskurs 1 Euro = 1,95583 DM.

Berechnet nach: Rentenversicherung in Zeitreihen 2011, Hrsg.: DRV, Berlin 2011, S. 244/Bundesrat v. 15.06.2012/DS 221-12

Insgesamt entwickelten sich die Renten langsamer als die Erwerbseinkommen. So stiegen allein von

2000 bis 2011 die Bruttolöhne Ost/West auf 119 bzw. 116 %, allerdings mit einem Niveauunterschied

von rd. 6.500 Euro, d.h. von rd. 540 Euro pro Monat (2011). Die Renten stiegen im gleichen Zeitraum

langsamer auf 109 bzw. 106 % bei schneller steigendem aktuellen Rentenwert (113 bzw. 111 %).

Die Rentenerhöhung 2012 mit 2,26 % im Osten und 2,18 % im Westen wurde mit einer Angleichung

des aktuellen Rentenwertes verbunden, welcher das Rentenniveau bei vergleichbarer Rentenbiografie

um 0,1 % auf 88,8 % anhebt. Die absolute Differenz für einen der Rentenberechnung zugrunde lie-

genden Entgeltpunkt zwischen Ost und West erhöht sich damit von 3,10 Euro auf 3,15 Euro zugunsten

56,9 62,3 72,3 75,0 78,6 82,2 85,4 85,8 87,0 87,0 87,2 87,8 87,9 87,9 87,9 87,9 87,9 87,9 88,7 88,7 88,7 88,8

1991 Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul Jul 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12

0,00

10,00

20,00

30,00

0,0

50,0

100,0

150,0

200,0

neue Bundesländer alte Bundesländer Angleichungsquote

Euro % Angleichung

voraus- sichtl.

200

150

100

50

0

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2 Lebenslagen im Vergleich

52

der Westrenten. Es ist kein Schritt zur erforderlichen Angleichung - im Gegenteil eher ein Signal, dass

noch viele Jahre der Angleichung vorgesehen sind. Eine generelle Lösung ist nach wie vor nicht in

Sicht.

Entscheidend für die Alterssicherung in Ost wie West ist der erfolgte generelle Paradigmenwechsel

bezogen auf den Abbau der Lebensstandardsicherung, die Einführung geförderter „privater“ Vorsorge

und die Heraufsetzung der Renteneintrittsaltersgrenzen - u.a. durch Wegfall der vorzeitigen Berentung

bei Arbeitslosigkeit und für Frauen sowie die Einführung der Rente mit 67 - begleitet von zunehmen-

den staatlichen Eingriffen in das Rentensystem (Nullrunden, Nachholfaktor, Rentensicherung).

Auch mit den seit 1996/87 eingeführten Rentenabschlägen bei vorzeitigem Renteneintritt werden zu-

nehmend die Renten der Neuzugänge abgesenkt.

Abbildung 2.23: Abschläge im Rentenzugang - Altersrenten - nach Regionen und Geschlecht

- 1998 bis 2011 - in Prozent -

Quelle: Rentenversicherung in Zeitreihen 2012, Berlin 2012, aertMF

Die Zahl der älteren Bürger, welche bundesweit mit Abschlägen in die Altersrente gehen, ist in den

Jahren seit 1998 deutlich gestiegen. Waren es seinerzeit 12.006 Versicherte27

, welche freiwillig (mehr

oder weniger) mit Eintritt in die Rente diese Möglichkeit nutzten, so stieg bis 2011 deren Anzahl auf

rd. 337.00028

- das ist eine Steigerung auf das 28-Fache. Die dabei erfolgte durchschnittliche Renten-

minderung - welche 1998 noch 49,00 Euro pro Monat betrug - stieg bis 2011 auf 109 Euro pro Monat

(brutto), was einer Steigerung auf 222 % entspricht.

Das heißt, dass 48,2 % aller Rentenneuzugänge bei Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung

im Jahr 2011 sich für vorzeitigen Rentenzugang mit Rentenabschlägen auf Lebenszeit entschieden

haben (bzw. entscheiden mussten). Bei einer durchschnittlichen Rentenlaufzeit von 18,5 Jahren bedeu-

tet das eine Einkommensminderung von rd. 24.200 Euro.

Dabei werden insgesamt deutliche Differenzierungen zwischen Ost und West sichtbar. Die Inans-

pruchnahme von Abschlägen betraf mit 82 % insbesondere Frauen in den neuen Bundesländern, was

entsprechend der durchschnittlichen Höhe der Rentenminderung und der Rentenlaufzeit insgesamt für

Frauen Ost eine Einkommensminderung von 30.800 Euro ausmacht.

27 Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenversicherung in Zeitreihen 2012, aertMF. 28 Ebenda.

2,6 0,1 4,9 0

11,9 16 15 17,6 27,3 28,2

42,1

64,6

35,8 29,6

60 68,7

40,9 31,1

64,6 69

42,4 42,5

59,3

77,4

40,5 45,1 59

79,1

40,9 45,4

62,7

82

Männer Frauen Männer Frauen 0

20

40

60

80

100

1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2011

alte Bundesländer neue Bundesländer

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2 Lebenslagen im Vergleich

53

Tabelle 2.12: Abschläge im Rentenzugang - Altersrenten - nach Regionen und Geschlecht - 2011 -

insgesamt alte Bundesländer neue Bundesländer

Männer Frauen Männer Frauen

Versichertenrenten insgesamt 698.753 273.695 312.864 47.758 64.438

Versichertenrenten mit Abschlag 336.856 111.932 142.175 29.929 52.820

Anteil in Prozent 48,2 40,9 45,4 62,7 82,0

durchschn. Anzahl Abschlagsmonate 36,25 28,15 40,83 29,92 44,66

durchschn. Höhe der Rentenminderung

wegen Abschlägen (brutto) in Euro 109,15 110,89 97,60 93,19 114,68

durchschn. Rentenzahlbetrag (Eu-

ro/Monat) nach Abschlägen 810,97 1.090,92 634,46 852,94 669,03

durchschn. Zahlbetrag (Euro/Monat)

Bestandsrenten/Altersrenten 743 987 495 1.058 711

Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenversicherung in Zeitreihen, Rentenzugang, Berlin 2012, aertMF/Rentenbestand

ZLBT VSRT RV F + M'!A1

Die Motive für einen vorzeitigen, mit Abschlägen verbundenen Renteneintritt sind sicher unterschied-

lich. Der Vergleich lässt aber erkennen, dass in den alten Bundesländern nach Abzug der Abschläge

der verbleibende Rentenzahlbetrag bei Männern mit 1.091 Euro über dem Durchschnitt aller männli-

chen West-Renten liegt (987 Euro), ebenso wie bei Frauen (634 Euro nach Abschlag bei einem Durch-

schnitt für alle Rentnerinnen von 495 Euro). Im Gegensatz dazu erreichen die Rentenzugänge im Os-

ten durch die Inkaufnahme der Abschläge bei Männern deutlich nicht den allgemeinen Durchschnitt

und auch Frauen liegen (wenn auch geringfügiger) darunter. So erhalten im Osten Männer 853 Euro

nach Abschlag bei einem Durchschnitt von 1.058 Euro und Frauen 669 Euro bei 711 Euro für alle

Rentnerinnen. Dieser Vergleich verweist darauf, dass im Osten der Hauptanteil der Neuzugänge mit

Abschlag diese Lösung für sich in Anspruch nimmt, weil der Rentenzahlbetrag über dem sonst noch

möglich zu erzielenden Einkommen liegt bzw. aufgrund von Festlegungen mit der Arbeitsagentur

erfolgen musste. In den alten Bundesländern sind es eher Neurentner, welche es sich „leisten“ können,

zeitiger in die Rente zu gehen und Abschläge in Kauf zu nehmen.

Aufgrund steigender Preise (119 %) sowie steigender Beiträge zur Sozialversicherung (z.B. für Rent-

ner von 7,64 % auf 10,15 %) ergab sich insgesamt ein deutlicher Kaufkraftverlust von knapp 16 %.

Es bleibt festzuhalten, dass das Ziel einer raschen Angleichung der Einkommen zwischen Ost und

West nicht erreicht wurde. Es existieren nach wie vor zwei Rentenrechtsgebiete mit unterschiedlichen,

den Berechnungen zugrunde liegenden Rentenwerten (aktueller Rentenwert/Arbeitnehmerentgelte).

Die Angleichung hinsichtlich der Einkommen stagniert weitgehend. Die eingeleiteten Entwicklungen

verstärken die Tendenzen steigender Altersarmut.

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2 Lebenslagen im Vergleich

54

2.3.4 Vermögen/Erbe

Die Vermögensschere Ost-West öffnet sich mit den kommenden Erbengenerationen weiter. Insbe-

sondere ältere Bürger und Selbstständige verfügen - wie Arbeiter - im Osten über deutlich geringe-

res Vermögen.

Seit 1990 sind die Vermögen auch in den neuen Bundesländern gestiegen. Das in Deutschland vor-

handene Nettogesamtvermögen von privaten Haushalten - in seiner Summe von Spar- und Bauspargu-

thaben, Wertpapieren, Versicherungen, Immobilien zum Verkehrswert - abzüglich der gemachten

Schulden - betrug 2008 rd. 118 Tsd. Euro je Haushalt. Das waren in den neuen Bundesländern und

Berlin-Ost rd. 55 Tsd. Euro und in den alten Bundesländern (inkl. Berlin-West) rd. 132 Tsd. Euro.

Trotz eines erreichten Anstiegs der Nettovermögen seit 1993 auf über 120 %, beträgt die absolute Ost-

West-Differenz immer noch knapp 80 Tsd. Euro je Haushalt. Insgesamt erreichen die neuen Länder im

Vergleich zu den alten Ländern einen Anteil von rd. 40 %.29

Zu vergleichbaren Ergebnissen - bezogen auf Geldvermögen - kommen die Untersuchungen des SFZ

(2012), die besonders auf die altersabhängigen Unterschiede zwischen Ost und West, aber auch inner-

halb Westdeutschlands - am Beispiel Niedersachsen - verweisen. Grundlegende Unterschiede werden

insbesondere bei den Selbstständigen deutlich, welche im Osten in der Vermögensbildung im Wesent-

lichen im Durchschnitt liegen, während sich Selbstständige in Niedersachsen deutlich abheben. Ana-

loges gilt für Rentner, deren Vermögen im Westen eine Ursache dafür sein mag, dass nicht nur Jünge-

re, sondern auch viele Politiker einfach verallgemeinernd von den „reichen Alten“ sprechen und ihre

Politik darauf einseitig einstellen.

Abbildung 2.24: Durchschnittliches Geldvermögen - nach sozialen Gruppen und Regionen - 2012

- in Euro je Haushalt -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Hinsichtlich des Immobilienvermögens ist hervorzuheben, dass die Erweiterung/der Erwerb von priva-

tem Wohneigentum vor allem älteren Bürgern nach 1990 in den neuen Bundesländern in hohem Maße

verschlossen blieb, so dass auch in den nächsten Jahren von einer weiter zunehmenden Differenz aus-

gegangen werden kann. Gerade der Besitz an Wohnungseigentum ist ein differenzierender Indikator.

29 Datenbasis: Statistisches Bundesamt, Wirtschaftsrechnungen, Reihe 15, Bd. 2, Wiesbaden 2009, Tab. Ü 2.1.

41.600

28.300

41.900 47.600

74.100

53.500

30.100

16.700

36.200 46.800

31.700 32.700

insgesamt Arbeiter Angestellte Beamte Selbstständige Rentner 0

20.000

40.000

60.000

80.000

neue Länder Niedersachsen

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2 Lebenslagen im Vergleich

55

Die offizielle Statistik weist für 2008 in Ostdeutschland 39 % und für Westdeutschland 50 % an Haus-

halten mit Haus- und Grundbesitz aus. Das sind in Berlin 25 %, Brandenburg 49 %, Mecklenburg-

Vorpommern 41 %, Sachsen 39 %, Sachsen-Anhalt 44 % und Thüringen 49 %. Niedersachsen weist

53 % aus.30

In den neuen Ländern und Berlin-Ost verfügen 29 % der Haushalte über Einfamilienhäu-

ser (29 %) und Eigentumswohnungen (5 %), im früheren Bundesgebiet besitzen 30 % der Haushalte

ein Einfamilienhaus und 25 % eine Eigentumswohnung.

Der durchschnittliche Verkehrswert der Immobilien in den Haushalten, die über Haus- und Grundbe-

sitz in den neuen Ländern verfügten, betrug rd. 128.000 Euro. In den alten Bundesländern war der

vergleichbare Verkehrswert 255.000 Euro. Die damit verbundenen Restschulden belaufen sich in den

neuen Ländern auf 58 % des Verkehrswertes, im früheren Bundesgebiet auf 40 % - was sowohl mit

den absolvierten Laufzeiten als auch den Einkommensverhältnissen verbunden ist.

Insbesondere in der Altersgruppe 50 bis 60 Jahre ist in den vergangenen Jahren eine deutliche Zunah-

me von Kreditaufnahmen (Konsumentenkredite/Hypotheken) erfolgt, welche in den neuen Ländern je

Haushalt, welcher solche beansprucht/Angaben dazu macht, 7.300 Euro Konsumentenkredite und rd.

74.000 Euro an Hypothekenrestschulden ausmachen.

Während in den neuen Ländern 36 % der ab 18-Jährigen einen Kredit abzahlen, sind das in Nieder-

sachsen 43 % - von den 40- bis 60-Jährigen sind das rd. 50 % im Osten und 60 % in Niedersachsen.

Abbildung 2.25: „Zahlen Sie in Ihrem Haushalt einen Kredit ab?“ - nach Altersgruppen und

Regionen - 2012 - in Prozent - (nur Antwort: „ja“)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Trotz gestiegener, den Haushalten zur Verfügung stehender finanzieller Mittel lag die durchschnittli-

che Sparquote in den neuen Ländern im Jahr 2009 mit 10 % unter den westlichen Bundesländern mit

11,3 % (Niedersachsen 10,3 %).

Folgt man einem großen Teil der Literatur zu Vermögensverhältnissen, so sind die heute 50- bis

60-Jährigen über kurz oder lang als Erben im Besitz eines umfangreichen Vermögens. Die im Voran-

gegangenen belegten deutlichen Vermögensdifferenzierungen zwischen Ost und West werden sich in

der sog. „Erbengeneration“ zusätzlich vertiefen. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Höhe des

Vermögens, sondern auch wegen der höheren Anteile von Familien mit mehreren Kindern und einer

höheren Geschwisterzahl. Damit verteilt sich ein ohnehin geringeres Vermögen auf mehrere Erben.

30 Ebenda, Tab. Ü 5.2.

38

50 47

33

12

37

61 60

38

14

unt. 40 Jahre

40-50 Jahre

50-60 Jahre

60-70 Jahre

70 Jahre u.ält.

0

10

20

30

40

50

60

70 neue Länder Niedersachsen

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2 Lebenslagen im Vergleich

56

2.3.5 Armutsentwicklung und Strukturen

Zunehmende Armut ist eine der grundlegenden sozialen Entwicklungstendenzen des sozialen Wan-

dels in Deutschland. Sie reicht auch in den neuen Bundesländern inzwischen von Armut in Fami-

lien mit Kindern, Armut trotz Erwerbsarbeit bis zu steigender Altersarmut. 2012 leben 25 % der ab

18-Jährigen im Bereich der Armutsrisikoschwelle.

Armutsdiskussionen rufen in Deutschland - gleich ob Ost oder West - sofort konträre Positionen her-

vor. Auf der einen Seite stehen jene, die generalisierend Armut - ob erkennbar oder nicht - mit „Aso-

zialität“, Leistungsunwilligkeit oder persönlichem Versagen verbinden, ebenso wie jene, welche dar-

auf verweisen, dass Menschen in den Ländern Afrikas, Asiens oder Südamerikas noch viel schlechter

leben, und auf der anderen Seite stehen jene, die generalisierend die Ursachen für Armut ausschließ-

lich als systembedingt werten. Die Positionen Ersterer sind eher abhängig davon, ob der Einzelne

schon einmal Betroffener war oder nicht und ob sein Lebensniveau weit über allen Armutsgrenzen

liegt, die zweite Position ist eher dem politischen Standort des Einzelnen zuzuordnen. Fest steht: Ar-

mut als gesellschaftliches Phänomen ist systembedingt zu werten, sie als „Persönlichkeitsmerkmal“ zu

deklarieren, trifft in diesem oder jenem Einzelfall unbestrittenermaßen zu, erklärt aber keine Armut

und Armutsrisiken im Massenumfang.

Armutsdiskussionen konzentrieren sich zunehmend auf Altersarmut in den neuen Bundesländern31

,

wenn auch gegenwärtig noch Familien mit Kindern und geringem Einkommen sowie Menschen in

längerfristig auftretenden Notlagen - z.B. bei Arbeitslosen, Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz, Al-

leinerziehenden, Arbeitnehmern in prekärer Beschäftigung, Hartz IV-Empfängern - die Armutsquote

(noch) höher ist.

Vorliegende Ausarbeitungen zur Armut (sowohl allgemein als auch speziell) sind relativ umfangreich.

Bereits Ende der 80er Jahre legte der DPWV unter dem Titel „... wessen wir uns schämen müssen in

einem reichen Land ...“ seinen ersten Armutsbericht vor32, welcher in Kooperation mit der Hans-

Böckler-Stiftung zum 1. Gemeinsamen Armutsbericht33 fortentwickelt wurde. Erstmalig wurden in

diesem Bericht auch die spezifischen Probleme der neuen Bundesländer durch Mitarbeiterinnen des

Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg e.V. dargestellt. Inzwischen gibt es

eine, den veränderten Rahmenbedingungen zum Jahrtausendwechsel und danach Rechnung tragende

Literatur34 bis hin zu jüngsten Veröffentlichungen der Hans-Böckler-Stiftung35 sowie einzelner Sozial-

verbände36.

Entsprechend den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes 2010 ergibt sich für die Bundesrepublik

eine Armutsgefährdungsquote von 14,5 %, für die neuen Bundesländer (inkl. Berlin) von 19,0 % und

für das frühere Bundesgebiet (ohne Berlin) von 13,3 %.

31 Vergleichsdaten zur DDR siehe: Winkler, Gunnar: Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse, a.a.O., S. 162 ff. 32 „... wessen wir uns schämen müssen in einem reichen Land ...“, Blätter der Wohlfahrtspflege 11+12/1989. 33 Hanesch, Walter et. al.: Armut in Deutschland, hrsg. vom DGB und DPWV in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-

Stiftung, rororo, Reinbek bei Hamburg 1994. 34 So u.a. Butterwegge, Christoph et.al.: Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland. 2. Monitoringbericht des Netzwerkes

für eine gerechte Rente, Rente mit 67 - Erhöhtes Risiko von Einkommenseinbußen und Altersarmut, Berlin 2010. 35 Schwerpunktheft Armut, Reichtum und Sozialstaat, WSI-Mitteilungen - Monatszeitschrift des Wirtschafts- und Sozial-

wissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 3/2008. 36 „Armut in Deutschland - Ursachen, Wirkungen, Gegenstrategien“, Fachgespräch der Volkssolidarität vom 1. April 2008,

Protokollband. 10 Forderungen des SoVD zur Verhinderung der Altersarmut, SoVD, Berlin 2007. DPWV: Thesen zur

Entwicklung der Altersarmut, Berlin, November 2006. DPWV, 2. Paritätischer Armutsatlas 2011 - von Verhärtungen und

neuen Trends, Berlin 2011; Rentenentwicklung und Altersarmut, Studie des SFZ im Auftrag der Volkssolidarität Bun-

desverband e.V., Berlin 2011.

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2 Lebenslagen im Vergleich

57

15,0 bis 17,4

17,5 bis 19,9

20 u.dar.

- 50 bis unter 65 Jahre -

12,5 bis 14,9

bis 12,4

Abbildung 2.26: Armutsgefährdungsquote nach Bundesländern - gemessen am Bundesmedian

- 2011 - in Prozent -

15,0 bis 17,4

17,5 bis 19,9

20 u.dar.

12,5 bis 14,9

bis 12,4

- Bevölkerung insgesamt -

Quelle: Statistisches Bundesamt, Amtliche Sozialberichterstattung, Wiesbaden 2012, Tab. A.1.1

Der offizielle Ausweis von Armutsgefährdungsschwellen nach soziodemografischen Gruppen belegt

(2011), dass mehrheitlich der Anteil armutsgefährdeter Bürger in fast allen Gruppen in den neuen

Bundesländern (inkl. Berlin) höher ist als in den westlichen Bundesländern - bei einer im Wesentli-

chen vergleichbaren Grundstruktur, was heißt, dass Arbeitslosigkeit, Niedrigeinkommen, allein lebend

und ausländische Herkunft die am meisten betroffenen Gruppen in Ost wie West sind. Wenn Alters-

armut (noch) vergleichbar niedriger ist - darf die sich beschleunigende steigende Tendenz nicht über-

sehen werden, insbesondere wenn die heutige Altersgruppe der 50- bis 65-Jährigen dabei in Betracht

gezogen wird.

Die auch für die einzelnen Länder vorliegenden Armutsgefährdungsschwellen sind an das jeweilige

Einkommensniveau des Landes gebunden und passen automatisch die Armutsquoten in den Bundes-

ländern dem jeweiligen Einkommensniveau an - im Klartext heißt das, dass „Armut“ in Baden-

Württemberg ein höheres Euro-Niveau zugrunde liegt. Der Armutsbezug auf den bundesrepublikani-

schen Durchschnitt (Bundesmedian) schafft im Vergleich dazu einen einheitlichen Maßstab.

Die Bewertung der „staatlichen Armutsberichterstattung“ lässt folgende Aussagen zu:

• Zunehmende Armut ist eine der grundlegenden sozialen Entwicklungstendenzen des sozialen

Wandels in Deutschland;37

• Anzahl und Ausmaß der von Armut betroffenen soziodemografischen Gruppen sind steigend;

• Altersarmut38

wird aufgrund des radikalen Umbaus der sozialen Leistungssysteme zu einem zen-

tralen Problem der Lebensverhältnisse/Lebensqualität einer zunehmenden Zahl älterer Menschen

der künftigen Seniorengenerationen in Deutschland - das gilt im Besonderen für Ostdeutschland.

37 Winkler, Gunnar: Altersarmut verhindern - Wege und Perspektiven - Positionen der Volkssolidarität zur Bekämpfung

von Altersarmut, Vortrag am 19. April 2011, Sozialpolitisches Fachgespräch der Volkssolidarität. 38 Winkler, Gunnar: Altersarmut - Bewertungen und Erwartungen in den neuen Bundesländern, SFZ, Umbruch - Beiträge

zur sozialen Transformation, Heft 23, Berlin 2008.

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2 Lebenslagen im Vergleich

58

Abbildung 2.27: Armutsgefährdungsquoten - nach Bundesländern - 2011 - in Prozent* -

* bezogen auf 60 % des Bundesmedians des Äquivalenzeinkommens der Bevölkerung in privaten Haushalten

Quelle: Statistisches Bundesamt, Amtliche Sozialberichterstattung, Wiesbaden 2012, Tab. A.1.1

Entsprechend den Definitionen zur Armutsgefährdungserhebung werden als arm bekanntlich all jene

Menschen bezeichnet, denen pro Monat weniger als 60 % des Nettoäquivalenzeinkommens der Be-

völkerung (Pro-Kopf-Einkommen je Haushaltsmitglied) zur Verfügung stehen39

(Armutsgefährdungs-

schwelle), in „Armut im strengen Sinne“ leben Bürger, welche über weniger als 40 % des Nettoäqui-

valenzeinkommens verfügen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Dezember 2011 lag

das durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen im Jahre 2011 bei über 1.400 Euro pro Monat.40

Bei

einer Höhe von 60 % des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens ist die Armutsgefährdungs-

schwelle erreicht. Das waren 2009 801 Euro und 2011 betrug diese 848 Euro.

Auf Grundlage dieser Größenordnung (850 Euro) ergibt sich anhand der Erhebungen des SFZ für

2012 (Bürger ab 18. Lebensjahr):

In Ostdeutschland (neue Länder und Berlin-Ost) leben 2012 rd. 25 % der ab 18-jährigen Bürger im

Bereich des Armutsgefährdungsschwelle (60 % des Nettoäquivalenzeinkommens - 850 Euro und

darunter) - das sind in westdeutschen Ländern - Beispiel Niedersachsen - 19 %. Von den 50- bis

60-Jährigen betrifft das 39 % im Osten und 19 % in Niedersachsen.

In Armut im „strengen“ Sinne leben (40 % des Medians - 569 Euro) zum gleichen Zeitpunkt im

Osten Deutschlands 9 % und in Niedersachsen 7 %.

Besondere Betroffenheit liegt - bezogen auf die Armutsgefährdungsschwelle - nach wie vor (2012)

bei:

• Arbeitslosen in den neuen Bundesländern 59 %, in Niedersachsen 69 %;

• Alleinerziehenden in den neuen Bundesländern 39 %, Niedersachsen 16 %;

• Familien mit einem Kind oder mehr wirtschaftlich unselbstständigen Kindern in den neuen Län-

dern 20 %, Niedersachsen 18 %.

39 Das Nettoäquivalenzeinkommen ist ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen je Haushaltsmitglied, das ermittelt

wird, indem das Haushaltsnettoeinkommen durch die Summe der Bedarfsgewichte der im Haushalt lebenden Personen

geteilt wird. Nach EU-Standard wird zur Bedarfsgewichtung die neue OECD-Skala verwendet. Danach wird der ersten

erwachsenen Person im Haushalt das Bedarfsgewicht 1 zugeordnet, für die weiteren Haushaltsmitglieder werden Ge-

wichte von < 1 eingesetzt (0,5 für weitere Personen im Alter von 14 und mehr Jahren und 0,3 für jedes Kind im Alter von

unter 14 Jahren), weil angenommen wird, dass sich durch gemeinsames Wirtschaften Einsparungen erreichen lassen. 40 Statistisches Bundesamt: Amtliche Sozialberichterstattung, Wiesbaden, September 2012, Tab. A.1.1.

22,3 22,2

21,1 20,5

19,6 16,9 16,7 16,6

15,7 15,6

15,1 15,1

14,7 13,8

12,7 11,3 11,2

Bremen Mecklenburg-Vorpommern

Berlin Sachsen-Anhalt

Sachsen Brandenburg

Thüringen Nordrhein-Westfalen

Niedersachsen Saarland

Rheinland-Pfalz Deutschland

Hamburg Schleswig-Holstein

Hessen Bayern

Baden-Württemberg

0 5 10 15 20 25

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2 Lebenslagen im Vergleich

59

Ergänzend ist festzustellen, dass sich Bürger mit hohen Einkommen in Ost wie West auf Beamte und

Hochschulabsolventen konzentrieren sowie in Großstädten Lebende.

Tabelle 2.13: Armuts-/Reichtumsprofile - 2012 - nach Regionen - in Prozent -

(Median = 1.416 Euro) bis 40 %

Median

bis 569 Euro

40 bis 60 %

570 - 850

Euro

60 bis 80 %

851 - 1.133

Euro

80 bis 120 %

1.134 - 1.700

Euro

120 bis 200%

1.701 - 2.831

Euro

200 % u.dar.

über

2.832 Euro

strenge

Armut

Armutsrisi-

koschwelle

untere Ein-

kommen

mittlere

Einkommen

höhere Ein-

kommen

hohe Ein-

kommen

neue Länder

insgesamt 9 16 18 39 15 2

Alter

18 bis 39 Jahre

40 bis 49 Jahre

50 bis 59 Jahre

60 Jahre und älter

9

13

12

6

14

12

27

14

16

14

10

28

47

33

25

46

14

22

25

6

1

6

2

1

Erwerbsstatus

erwerbstätig

arbeitslos

4

41

12

18

15

6

42

35

24

-

3

-

familiärer Status

Fam. mit Kind/ern

Fam. ohne Kind/er

alleinerziehend

alleinlebend

8

5

8

15

12

8

31

26

16

19

33

16

40

48

21

32

18

20

6

11

6

1

-

0

Niedersachsen

insgesamt 7 12 18 33 26 4

Alter

18 bis 39 Jahre

40 bis 49 Jahre

50 bis 59 Jahre

60 Jahre und älter

10

9

9 4

15

15

10 10

16

23

8 21

32

26

32 40

26

24

37 22

2

5

5 5

Erwerbsstatus

erwerbstätig

arbeitslos

4

53

10

16

14

9

33

22

34

-

5

-

familiärer Status

Fam. mit Kind/ern

Fam. ohne Kind/er

alleinerziehend

alleinlebend

8

1

7

10

10

8

9

18

22

15

47

11

33

40

21

30

23

29

16

29

4

9

-

2

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Armutsentwicklungen im Alter waren in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund eines gut funktionie-

renden Systems der GRV nur marginale Themen der Sozialpolitik. Insbesondere demografische Sze-

narien wurden jedoch genutzt, um den größten Sozialumbau der Alterssicherungssysteme in Gang zu

setzen mit dem Ergebnis, dass Altersarmut heute wieder ein Thema der sozialpolitischen Diskussion

ist.

Vor zehn Jahren stellte die Volkssolidarität bereits fest: „Wir sehen die Gefahr, dass die gesetzliche

Rente für viele Menschen in den neuen Bundesländern keine lebensstandardsichernde Funktion mehr

gewährleisten kann und die Altersarmut wachsen wird. Die Gefahr einer wachsenden neuen Altersar-

mut ist gerade für die ostdeutschen RentnerInnen besonders gegeben.“41

Wenn Altersarmut im Osten erst gegenwärtig zu einem zunehmenden sozialen Problem wird, so nicht

zuletzt deshalb, weil die Überführung der ostdeutschen Renten nach 1990 sich zunächst im Rahmen

41 Winkler, Gunnar: Statement Pressekonferenz 28.08.2002.

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2 Lebenslagen im Vergleich

60

der solidarischen Rentenversicherung vollziehen konnte und einen drastischen Anstieg der Altersar-

mut verhinderte.

Die heute zu verzeichnende Altersarmut darf jedoch insgesamt nicht klein geredet werden. So hieß es

noch im 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung im Jahre 2008: „Altersarmut ist kein

aktuelles Problem“. Und an anderer Stelle: „Das Armutsrisiko Älterer hat trotz schwieriger wirtschaft-

licher Rahmenbedingungen nicht zugenommen…“ Gleichzeitig wird jedoch auf das Risiko niedriger

Alterseinkommen bei Personengruppen hingewiesen, die längere Phasen selbstständiger Tätigkeit mit

geringem Einkommen, geringfügiger Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in ihren Erwerbsbiografien

aufweisen.42

Abbildung 2.28: Annahmen zur Bruttorentenentwicklung - Ost- und Westdeutschland - nach

Regionen, Geschlecht und Altersgruppen - in Euro - Status-Quo-Analyse -

Datenbasis: Eigenberechnung auf Grundlage der Daten des DIW-Wochenberichtes Nr. 23.2012 (J. Simson et al.)

Das DIW hat neueste Berechnungen vorgelegt43

, welche die voraussichtliche Einkommenssituation

der heutigen „Vorrentnergeneration“ im Rentenalter ausweisen - bezogen auf die Einkommen aus der

gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei wird deutlich, dass

1. vor allem im Osten die Brutto-Rente der Männer dramatisch absinkt und in den Geburts-

jahrgängen 1956 bis 1965 nur noch 812 Euro (Mittelwert) erreichen wird. Berücksichtigt man den

Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung (8,2 %), so beträgt die mittlere Nettorente dann

745 Euro - d.h. 50 % aller Rentner im Osten erhalten damit einen unterhalb der Armutsgrenze lie-

genden Betrag.

2. Erstmalig erreichen Frauen und Männer in Ostdeutschland aufgrund der Rentenentwicklung bei

Männern ein gleiches Rentenniveau auf niedrigstem Niveau. Während Frauen West die Nachfol-

gen einer familienzentrierten Beschäftigungspolitik sowie der Einkommensungleichheit Frauen-

Männer (-23 %) bis in die Alterssicherung zu spüren bekommen, können Frauen im Osten die ne-

gativen Auswirkungen des nach 1990 vollzogenen Umbruchs und Sozialabbaus durch das erreich-

te Maß der realisierten Vereinbarkeit z.T. (wenn auch immer weniger) abfedern.

42 Lebenslagen in Deutschland - Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2008, Seiten XXI und 32 ff. 43

Simonson, Julia/Kelle, Nadiya/Romeu Gordo, Laura/Grabka Markus M./Rasner, Anika und Westermeier, Christian:

„Ostdeutsche Männer um 50 müssen mit geringeren Renten rechnen“, DIW Wochenbericht Nr. 23/2012.

1.398 1.328 1.333

657 629 671

1.067 937

812 842 770 805

1.121 1.121

1.263 1.263

1936- 1945

1946- 1955

1956- 1965

1936- 1945

1946- 1955

1956- 1965

1936- 1945

1946- 1955

1956- 1965

1936- 1945

1946- 1955

1956- 1965

0

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1.600

Standardeckrente (45 Entgeltpunkte)

Westdeutschland Ostdeutschland

Männer Männer Frauen Frauen

Jahr- gänge:

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2 Lebenslagen im Vergleich

61

Die Ursachen für den drastischen Rückgang sind vielfältig und liegen sowohl im veränderten Renten-

recht aufgrund der Preisgabe eines den Lebensstandard sichernden Rentenniveaus als auch den zu-

nehmenden Zwängen zur Privatisierung der Altersvorsorge.

Sie liegen gleichermaßen im sinkenden Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung für

Langzeitarbeitslose und Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen, welche nur geringe Chancen

auf Leistungen aus der betrieblichen und privaten Altersvorsorge haben. Zugleich haben die Entwick-

lungen nach 1990 im Osten zu einer Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur geführt (Kleinst- und

Kleinbetriebe, Fehlen oberer Einkommensgruppen, niedrigere Tarife im Osten), welche nur in weni-

gen Fällen über der Beitragsbemessungsgrenze liegen.

Nicht zuletzt wird auch voraussichtlich noch in 10 bis 15 Jahren der Rentenwert Ost unter dem Ren-

tenwert West liegen (aktuell Ost 24,92/West 28,07), da der politische Wille zur Vereinheitlichung

auch 22 Jahre nach der Einheit nicht erkennbar ist44

. Allein die Anhebung des Rentenwertes Ost auf

Westniveau würde zu einer der Lebensarbeitsleistung entsprechenden gleichwertigen Rente zwischen

Ost und West beitragen.

Die Diskussion um die „Zuschussrente“ hat die Altersarmutsdebatte neu belebt. Entsprechend den

vorliegenden Daten des Rentenzugangs für 2011 erhielten in Deutschland 68,4 % aller Rentner und

Rentnerinnen eine Rente von unter 850 Euro. In den neuen Bundesländern und Berlin-Ost erhielten

65,9 % aller Neurentner eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung unter 850 Euro45

, und in

den alten Bundesländern und Berlin-West erhielten 66,5 % im Jahr 2011 als Neurentner 850 Euro und

weniger.

Dabei ist insgesamt zu beachten, dass für Rentner in den neuen Bundesländern die Rente aus der ge-

setzlichen Rentenversicherung zu rd. 90 % die einzige Einnahmequelle für den Lebensunterhalt im

Alter ist, und nur in geringem Maße zusätzliche Einkommen - z.B. durch Betriebsrenten oder Pensio-

nen sowie aus Vermögen - zur Verfügung stehen (für Westdeutschland betrifft das rd. 50 % aller

Rentnerinnen und Rentner).

Tabelle 2.14: Anteil von Altersrenten mit einem Zahlbetrag unter 850 Euro nach Regionen,

Geschlecht, Rentenzugang und Rentenbestand 2011 - in Prozent -

Rentenzugang 2011 Rentenbestand 2011

Deutschland neue Länder

und Berlin-

Ost

urspr. Bun-

desgebiet

Deutschland neue Länder

und Berlin-

Ost

urspr. Bun-

desgebiet

insgesamt 66,4 65,9 66,5 61,4 55,2 63,0

Frauen 83,1 76,8 84,4 83,9 77,3 85,6

Männer 46,9 51,2 46,1 33,0 23,4 35,2

Datenquelle: Forschungsportal der Deutschen Rentenversicherung - Statistik - Rente - Rentenzugang/Rentenbestand - 2011 - Rente nach SGB VI wegen Alters

In der Rentenstatistik für den Westteil werden auch Auslandsrenten erfasst, welche auf erworbenen

Ansprüchen von zeitweilig in Deutschland arbeitenden Ausländern beruhen und vor allem Männer und

Geringverdiener betreffen. Aber auch Beamte und Selbstständige, welche nur wenige Jahre in die ge-

setzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, fließen in den „Durchschnitt“ für Bestands- wie Neu-

rentner ein und erhöhen den Anteil der Niedrigrentner, die sich mehrheitlich (rechnerisch) im Bereich

des Armutsrisikos bewegen.

44 Vgl. hierzu Materialien des Bündnisses für eine gerechte Rente. 45 Berechnet nach: Forschungsportal der Deutschen Rentenversicherung - Statistik - Rente - Rentenzugang/Rentenbestand -

2011 - Rente nach SGB VI wegen Alters.

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2 Lebenslagen im Vergleich

62

Das betrifft auch viele Frauen in den alten Bundesländern, welche auf nur wenige Jahre Berufstätig-

keit verweisen können. So beträgt die Anzahl der Versicherungsjahre für Neurentnerinnen im Osten

42,3 Jahre und im Westen 28,8 Jahre. Die der Rente zugrunde liegenden Entgeltpunkte erreichten für

Frauen im Osten 33,84, im Westen 20,04 - daraus resultieren hohe Anteile von Renten unter 850 Euro

im Westen.

All das zusammengenommen macht einen formalen Vergleich der unter 850-Euro-Rentenbezieher de

facto unmöglich, trotzdem gilt auch für Westdeutschland, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bür-

ger im Rentenalter ohne zusätzliche Einkommen auskommen muss und damit gleichlaufenden Prozes-

sen wie Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern, d.h. einem zunehmenden Armutsrisiko, un-

terliegen.

Die Daten über mehrere Jahre belegen - unabhängig von o.g. Faktoren -, dass sich insgesamt das Ein-

kommensniveau immer weiter verschlechtert und der Anteil derer, die Zahlbeträge unterhalb des Ar-

mutsrisikos empfangen, deutlich zunimmt, was sowohl auf den veränderten Erwerbsbiografien (weni-

ger Arbeits- und Versicherungsjahre, hoher Anteil von Jahren in Arbeitslosigkeit mit verringerten

bzw. keinen Versicherungsleistungen) als auch eingetretenen Änderungen im Rentenrecht (Anerken-

nung von Ausbildungszeiten, Heraufsetzung des Renteneintrittsalters z.B. für Frauen, steigende Antei-

le von Rentenabschlägen usw.) geschuldet ist.

Die wichtigsten Ansatzpunkte gegen Altersarmut liegen nach wie vor

• in der Erwerbsphase durch: Vollbeschäftigung, Überwindung prekärer Beschäftigung, Einführung

eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes, Lohnangleichung Ost;

• in der Re-Reformierung des Rentenrechts: mit Beseitigung aller erfolgten Eingriffe, Orientierung

an der Lebensstandardsicherung, Einbeziehung aller Beschäftigten in eine Erwerbstätigenversiche-

rung;

• in der Überwindung der Rentenungleichheit Ost-West durch Angleichung des aktuellen Renten-

werts ohne Preisgabe der Höherwertung aufgrund unterschiedlicher Tarifniveaus.

Altersarmut ist jedoch nicht auf Einkommensarmut zu begrenzen, sondern durch die Gesamtheit von

Lebensbedingungen gekennzeichnet, welche keine ausreichende Gewähr für die Sicherung des physi-

schen Existenzminimums und für die gesellschaftliche Teilhabe im Alter ermöglichen.

Das schließt die Bedingungen für Bildung und kulturelle Teilhabe, für Mobilität und Kommunikation,

für eine bedarfsgerechte und altersgemäße gesundheitliche und pflegerische Versorgung, für Wohnen

im Alter ebenso ein wie für die Mitwirkung an gesellschaftlichen Angelegenheiten.

In Armut Lebende verfügen über kleinere Wohnungen, leben überwiegend in Mietwohnungen mit

einem deutlich unter dem Durchschnitt liegenden Anteil an Wohneigentum (vgl. Abbildung 2.20).

Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass Armut immer Einschränkungen für ein selbstbestimmtes

Leben bedeutet und nicht vereinbar mit einem Anspruch auf Würde im Lebensvollzug ist. Insofern

stehen Armut von Kindern in Familien, Armut trotz Arbeit ebenso wie Altersarmut im Kontrast zum

sozial-kulturellen Anspruch einer an sich reichen Gesellschaft, aber auch im Gegensatz zum Anspruch

des Grundgesetzes auf die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ (Artikel 2, Abs. 1).

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2 Lebenslagen im Vergleich

63

Abbildung 2.29: Wohnungsgröße in Abhängigkeit von Einkommensprofilen - nach Regionen - 2012

- in Quadratmeter -

62 6675

8498

115

6176

83 86

106120

stre

nge A

rmut

Arm

utsri

sikos

chw

elle

untere

s Ein

komm

en

mitt

lere

s Ein

komm

en

höher

es E

inkom

men

hohes

Ein

komm

en

stre

nge A

rmut

Arm

utsri

sikos

chw

elle

untere

s Ein

komm

en

mitt

lere

s Ein

komm

en

höher

es E

inkom

men

hohes

Ein

komm

en

0

20

40

60

80

100

120

140

neue Länder

(inkl. Berlin-Ost)

Niedersachsen

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

2.4 Arbeit

2.4.1 Wirtschaftliche Integration - Erwerbsstrukturen

Nach 1990 vollzog sich ein grundlegender Wandel in den Erwerbsstrukturen und Beschäftigungs-

möglichkeiten. Die Zahl der Erwerbstätigen entwickelt sich in Ost und West gegensätzlich. Die Er-

werbsneigung ist im Osten nach wie vor hoch.

Tabelle 2.15: Erwerbstätigenstruktur - nach Regionen - 1991 bis 2011 -

Erwerbs-

tätige

davon

Arbeiter Angestellte Beamte Selbstständige/mit-

helf. Familienangeh.

Anzahl

(1.000) in Prozent zu Erwerbstätigen

neue Länder und Berlin

1991 8.789 44,0 48,8 2,0 5,1

2000 7.463 38,8 47,1 4,7 9,3

2011 7.820 30,7 53,2 4,2 11,9

früheres Bundesgebiet (ohne Berlin)

1991 29.657 37,3 43,7 8,1 10,8

2000

2011

29.140

32.049

33,6

25,2

48,5

57,8

6,7

5,5

11,2

11,6

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 4.1.1, Mikrozensus, Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland, Wies-

baden 2012, Tab. 5.6

Die Anzahl der Erwerbstätigen hat seit 1989/1990 in Deutschland unterschiedliche Entwicklungsten-

denzen, sank sie in den neuen Bundesländern (inkl. Berlin) zwischen 1991 und 2011 von 8,8 Millio-

nen auf 7.8 Millionen, so stieg sie im gleichen Zeitraum in den alten Bundesländern (ohne Berlin) von

rd. 29,7 Millionen auf rd. 32,1 Millionen. Die Zahl der Arbeitnehmer veränderte sich noch deutlicher,

in den alten Bundesländern (ohne Berlin) von 27,1 Millionen (1991) auf 29,9 Millionen (2011) - in

den neuen Bundesländern (inkl. Berlin) gegenläufig von 8,0 Millionen (1991) auf 6,6 Millionen

(2011).46

46 Datenbasis: Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung 2012.

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2 Lebenslagen im Vergleich

64

Es ging den Bürgern der neuen Länder 1990 und danach vor allem darum, einer Erwerbsarbeit nach-

gehen zu können, die es dem Einzelnen und seiner Familie ermöglicht, ein auf eigener Leistung erziel-

tes Einkommen zu realisieren und mit der eigenen Arbeit ein soziales Sicherungssystem zu stützen,

das entsprechend dem Generationenvertrag, der Solidarität und auf paritätischer Grundlage soziale

Sicherungen bei Krankheit und Arbeitslosigkeit sowie im Alter gewährleistet. Die Entwicklung der

vergangenen mehr als 20 Jahre hat einer keineswegs unbedeutenden Zahl von Bürgern gewünschte

Veränderungen gebracht, jedoch für eine ebenfalls nicht unbedeutende Anzahl zu nicht befriedigenden

Entwicklungen in Beschäftigung und Einkommen geführt.

Abbildung 2.30: Entwicklung der Arbeitnehmerzahlen in Deutschland - 1991 bis 2011 (1991 = 100)

sowie des Anteils der Arbeitnehmer Ost (ohne Berlin) an Deutschland

- in Prozent* -

* ab 2008 Umstellung der Berechnungsmethodik

Datenbasis: Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung 2012, Arbeitnehmer/-innen (am Arbeitsort) in Deutschland 1991 bis 2011 nach Ländern

Charakteristisch für die vollzogenen Entwicklungen ist:

Erstens: Erwerbsarbeit in Deutschland ist nach wie vor durch unterschiedliches Erwerbsverhalten in

Ost und West aufgrund unterschiedlicher Wertvorstellungen und Leitbilder insbesondere zur Rolle der

Frau in Beruf und Familie, aber auch jahrzehntelange Ungleichheiten in den Bedingungen der sozialen

Infrastruktur geprägt, die allerdings langsam zu Ungunsten des Ostens angeglichen werden.

Tabelle 2.16: „Wie wichtig ist/war Ihnen Arbeit in Ihrem Leben?“ - nach Altersgruppen und

Regionen - 2012 - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost Niedersachsen

insge-

samt

unter 40

Jahren

40 bis 60

Jahre

60 Jahre

u. älter

insge-

samt

unter 40

Jahren

40 bis 60

Jahre

60 Jahre

u. älter

sehr wichtig 70 68 68 74 65 59 70 66

wichtig 24 26 27 18 27 31 26 24

in mittlerem Maße

wichtig 3 5 2 2 3 5 3 2

weniger wichtig/

unwichtig 3 - 3 5 3 4 1 3

ohne Antwort 1 2 1 2 2 1 0 5

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

1991 1992

1992 1993

1994 1995

1997 1998

1999 2000

2001 2002

2003 2004

2005 2006

2007 2008

2009 2010

2011 0

20

40

60

80

100

120

0

10

20

30

40

50

Arbeitnehmer West Arbeitnehmer Ost Arbeitnehmeranteil Ost an Deutschland

18,9 16,8 16,5 16,9 17,2 17,1 16,9 16,8 16,7 16,3 16,1 15,9 15,9 15,8 15,6 15,6 15,7 14,3 14,3 14,2 14,1

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2 Lebenslagen im Vergleich

65

Zweitens: In den vergangenen 20 Jahren erfolgte zunächst eine weitgehende Angleichung der Er-

werbsstrukturen an die Branchenstruktur - verbunden mit einer Phase der Deindustrialisierung im Os-

ten, die im Wesentlichen abgeschlossen ist. Damit verbunden erfolgt eine Angleichung der Erwerbstä-

tigenstrukturen (vgl. Tabelle 2.14) in Bezug auf die Relationen Arbeiter, Angestellte, Beamte sowie

Selbstständige und mithelfende Familienangehörige. Bei einem deutlichen Rückgang des Anteils der

Arbeiter entwickelten sich die Anteile von Angestellten, Beamten und Selbstständigen/mithelfenden

Familienangehörigen (Selbstständige allerdings nicht zuletzt durch einen hohen Anteil von

„Ich-AG’s“ und „Solo-Selbstständigen“).

Drittens: Es erfolgte ein enormer Anstieg von atypischen Beschäftigungsverhältnissen, deren Anteil

inzwischen im Osten 36 % und im Westen 35 % erreicht hat47

- analog stiegen die sog. prekären Ar-

beitsverhältnisse. Immer mehr Erwerbstätige können von ihrem Erwerbseinkommen nicht mehr leben,

so dass diese durch Sozialleistungen „aufgestockt“ werden müssen.

Viertens: In den letzten Jahren ist einerseits eine deutlich stärkere Erwerbsbeteiligung von Eltern mit

Kindern - insbesondere Müttern mit Kindern in Westdeutschland - unübersehbar - so stieg deren Er-

werbstätigenquote zwischen 1996 und 2010 von 50 auf 64 %48

. Andererseits sank im Osten (neue

Länder und Berlin) diese seit 1990 von fast 90 % auf 67 %. Ein realer „Angleichungsprozess“, der

jedoch nicht den Interessen vieler Mütter (und Väter) in den ostdeutschen Bundesländern entspricht.

Nur langsam beginnt sich in den alten Bundesländern eine veränderte Haltung zur Vereinbarkeit von

Erwerbsarbeit und familiären Pflichten durchzusetzen - obwohl nach wie vor der Versuch unternom-

men wird, das traditionelle Rollenmuster (z.B. durch das sog. „Betreuungsgeld“) zu erhalten - gleich-

zeitig ist ebenfalls ein langsames Anpassen von Frauen der neuen Bundesländer an das traditionelle

westliche Leitbild des Erwerbsverhaltens erkennbar.

Insgesamt ist das Erwerbsverhalten in Partnerhaushalten zwischen Ost und West jedoch noch deutlich

unterschiedlich. Während (2012) im Osten in 61 % und in Niedersachsen in 57 % der Haushalte beide

Partner erwerbstätig waren, betrug der Anteil mit doppelter Arbeitslosigkeit im Osten 2 % (im Westen

1 %). Unterschiedlich der Anteil eines erwerbstätigen und eines nicht erwerbstätigen Partners, dem im

Osten 19 % (vorrangig vorzeitige bzw. normale Berentung), im Westen 22 % (vorrangig Nichter-

werbstätigkeit von Frauen) zuzuordnen sind.

Abbildung 2.31: Erwerbsstrukturen in Partnerhaushalten - nach Regionen - 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

47 IAB Betriebspanel Ostdeutschland - Ergebnisse der 16. Welle 2011, ausgewertet von Vera Dahms, Marek Frei, Monika

Putzing, SOESTRA GmbH Berlin, - herausgegeben vom Ministerium des Innern, Juni 2012, S. 6. 48 BMFSFJ, Ausgeübte Erwerbstätigkeit von Müttern - 2010, Berlin 2012.

beide erwerbstätig

beide arbeitslos

beide nichterwt erwt

alo alo

nichterwt

erwt nichterwt

61

2 8

8 2

19

beide erwerbstätig

beide arbeitslos

beide nichterwt

erwt alo alo

nichterwt

erwt nichterwt

57

1 6

10 4

22

beide nicht erw.tätig erw.tätig/

arbeitslos arb.los/nicht

erw.tätig

erw.tätig/ nicht

erw.tätig

erw.tätig/ nicht

erw.tätig arb.los/nicht

erw.tätig erw.tätig/ arbeitslos

beide nicht erw.tätig

beide arb.los

neue Länder Niedersachsen

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2 Lebenslagen im Vergleich

66

2.4.2 Atypische Arbeitsverhältnisse

Atypische Arbeitsverhältnisse machen in Ost wie West mehr als ein Drittel aus bei rasch steigender

Tendenz. Die Auswirkungen auf die Lebenslage betreffen nicht nur die Gegenwart, sondern führen

zu sinkenden Ansprüchen in der Alterssicherung.

Abbildung 2.32: Entwicklung atypischer Beschäftigungsformen in Ostdeutschland 1996 bis 2011

- Anteil an Beschäftigten insgesamt - in Prozent -

Quelle und Datenbasis: IAB Betriebspanel Ost - Ergebnisse der 16. Welle 2011 - herausgegeben vom Ministerium des Innern, ausgewertet von Vera Dahms et.al., SOESTRA GmbH Berlin, Juni 2012, S. 33

Die Ergebnisse der 16. Welle des IAB-Betriebspanels Ost für 201149

weisen längerfristig eine abneh-

mende Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses für Ost- wie Westdeutschland aus.

Gleichzeitig wächst der Stellenwert von atypischen Beschäftigungsverhältnissen, welche vielfach die

Merkmale von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen aufweisen. Das betrifft im Besonderen die

Beschäftigungsstabilität - speziell die Arbeitsplatzsicherheit -, die gesetzliche bzw. tarifliche soziale

Absicherung (Arbeitslosen-, Kranken-, Rentenversicherung), die Einkommenshöhe sowie die Teilha-

bechancen im Erwerbsleben (z.B. Zugang zu beruflicher Weiterbildung, Aufstiegschancen)50

.

Atypische Beschäftigungsverhältnisse haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Bedeutung ge-

wonnen, insbesondere mit dem Ziel einer verbesserten Anpassungsfähigkeit des Arbeitseinsatzes so-

wie in der Senkung der anfallenden Arbeitskosten.

Der Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse hat sich in Ostdeutschland in den vergangenen

16 Jahren fast verdoppelt. Zählte 1996 noch etwa jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis zu den atypi-

schen (20 Prozent), war es 2011 mit 36 % bereits mehr als jedes dritte (Westdeutschland 35 %) - bei

Zunahme der Vielfalt atypischer Beschäftigungsformen in diesem Zeitraum.

Das betrifft insgesamt die

• Teilzeitarbeit einschließlich geringfügiger Beschäftigung (Mini-Jobs, Teilzeit-Midi-Jobs, „klassi-

sche“ Teilzeit),

• befristeten Beschäftigungsverhältnisse (ungeförderte und geförderte),

• Leiharbeit.

49 Auszugsweise entnommen aus: IAB Betriebspanel Ost - Ergebnisse der 16. Welle 2011 - herausgegeben vom Ministe-

rium des Innern, ausgewertet von Vera Dahms et.al., SOESTRA GmbH Berlin, Juni 2012, S. 31-42. 50 Ebenda, S. 31/32.

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 0

10

20

30

40

Mini-Jobs

“klassische” Teilzeit

Midi-Jobs

befristete Beschäftigung

Leiharbeit

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2 Lebenslagen im Vergleich

67

Die wichtigsten Ergebnisse des entsprechenden Abschnitts des Betriebspanels 2011 lassen sich zu-

sammenfassend wie folgt darstellen:

Teilzeitarbeit wurde Mitte 2011 in Ostdeutschland von knapp 1,6 Millionen Teilzeitbeschäftigten (da-

von 460 Tsd. Mini-Jobs (29 %), 235 Tsd. Teilzeit-Midi-Jobs (13 %) sowie 880 Tsd. Beschäftigten in

„klassischer“ Teilzeit (58 %) ausgeübt. Damit beläuft sich der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den

Beschäftigten insgesamt auf 25 %.

Teilzeitarbeit wird nach wie vor überwiegend von Frauen ausgeübt. Fast 80 % der Teilzeitbeschäftig-

ten in den neuen Ländern sind Frauen - vorrangig aufgrund des Fehlens von Vollzeitarbeitsplätzen.

Die durchschnittliche Länge einer Teilzeitbeschäftigung betrug 2011 in Ostdeutschland 22 Stunden je

Woche, damit deutlich mehr als in Westdeutschland (18 Stunden).

Geringfügige Beschäftigung in Form der Mini-Jobs (mehrheitlich bis 400 Euro) gab es Mitte 2011 in

37 % der Betriebe - im Dienstleistungsbereich 56 %. In ostdeutschen Betrieben gibt es rd. 460 Tsd.

geringfügig Beschäftigte.

Midi-Jobs (zwischen 400 und 800 Euro) gab es 2011 in den ostdeutschen Betrieben insgesamt ca. in

235 Tsd. Fällen. Sie werden überwiegend in Form einer Teilzeitbeschäftigung ausgeübt (86 % aller

Midi-Jobs) und von ca. 200 Tsd. Beschäftigten als Teilzeitjob.

In 24 % der ostdeutschen Betriebe gibt es heute Midi-Jobs (Westdeutschland gleichfalls 24 %).

„Klassische Teilzeittätigkeit“ als dauerhaft kürzere Wochenarbeitszeit wird traditionell vor allem von

Frauen genutzt - aus Tradition, um Erwerbsarbeit und familiäre Pflichten besser zu vereinbaren bzw.

wegen fehlender Vollzeitstellen.

Mitte 2011 waren in Ostdeutschland rd. 880 Tsd. Personen im Rahmen einer „klassischen Teilzeitbe-

schäftigung“ tätig. Das entspricht 14 % aller Beschäftigungsverhältnisse (Westdeutschland 11 %).

Auf befristete Beschäftigung greifen ostdeutsche Betriebe lt. Betriebspanel Mitte 2011 in knapp

600 Tsd. Fällen zurück. Der Anteil dieser Beschäftigungsform an den Beschäftigten insgesamt liegt

2011 bei 9 % (Westdeutschland 7 %).

Mitte 2011 wurden 15 % aller befristeten Beschäftigungsverhältnisse in Ostdeutschland öffentlich

gefördert (Westdeutschland 3 %).

Leiharbeit hat seit Mitte dieses Jahrzehnts eine Zunahme zu verzeichnen. Insbesondere zwischen 2004

und 2006 hat es, gemessen am Anteil der Leiharbeiter an den Beschäftigten insgesamt, eine Verdoppe-

lung gegeben. 2011 waren rd. 110 Tsd. (1,8 %) der ostdeutschen Beschäftigten gezwungen, als Leih-

arbeitskräfte tätig zu sein.

Zusätzlich zu den Aussagen des vorliegenden „Betriebspanels Ost 2011“ wäre hervorzuheben, dass

atypische Beschäftigungsverhältnisse für die Mehrheit der Arbeitnehmer zu geringeren Möglichkeiten

für den Aufbau von Rentenanwartschaften führen (Entgeltpunkte/private Altersvorsorge) und damit zu

geringeren Alterseinkommen als bei „normaler“ Beschäftigung. Sicher sind atypische Arbeitsverhält-

nisse nicht generell als prekär zu kennzeichnen, aber - bezogen auf die Alterseinkommen - bedeuten

sie - gewollt oder ungewollt - eine für die Rentenjahre „lebenslange“ weitere finanzielle Einbuße, die

Tendenzen der Altersarmut bei Betroffenen befördern kann/wird.

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2 Lebenslagen im Vergleich

68

Tabelle 2.17: Entwicklung atypischer Beschäftigungsformen - nach Regionen - 1996 bis 2011

- in Prozent an allen Beschäftigten -

Ostdeutschland Westdeutschland

1996 2003 2011 1996 2003 2011

insgesamt 20 28 36 27 29 35

befristet Beschäftigte 6 7 9 4 5 7

Leiharbeit 0,6 0,7 1,8 0,7 0,8 1,8

Teilzeit 14 20 24 22 23 26

dar. klassische Teilzeit 10 12 14 - 10 11

geringfügig (Mini-Jobs) 3 6 7 12 11 12

Midi-Jobs - 4 4 - 3 3

Quelle: Zusammengestellt nach IAB Betriebspanel Ost - Ergebnisse der 16. Welle 2011 - herausgegeben vom Ministerium des Innern,

ausgewertet von Vera Dahms et.al., SOESTRA GmbH Berlin, Juni 2012, S. 31-42

2.4.3 Rente mit 67

Die Rente mit 67 findet nach wie vor geringe Unterstützung. Von den Arbeitsmarktentwicklungen

profitieren die über 50-Jährigen am wenigsten.

Unter dem Motto „Platz für Jüngere“ sollte in der Bundesrepublik Ende der 80er Jahre der geförderte

Vorruhestand dazu animieren, die Erwerbsphase vorzeitig zu beenden bzw. durch verlängertes Ar-

beitslosengeld für Ältere ab 58. Lebensjahr den Übergang zu erleichtern. „Frühausgliederung“ und

„Entberuflichung des Alters“ waren arbeitsmarktpolitische Instrumentarien, um die Arbeitslosigkeit

älterer Bürger niedrig zu halten.51

Für Ostdeutsche wurde - weniger mit Blick auf Jüngere, sondern im

Interesse der Veränderung der Wirtschaftsstrukturen - nach der deutschen Vereinigung das „Alters-

übergangsgeld“ ab 55. Lebensjahr eingeführt, was de facto zur kurzfristigen Entlastung des Arbeits-

marktes um rd. 2,5 Millionen Personen führte.52

Inzwischen werden seit der Rentenreform 1998 und der Agenda 2010 mit den Hartz-Reformen die

Stellschrauben wieder in Richtung Verlängerung des Arbeitslebens - z.B. Rente mit 67 - gedreht. Seit

dem 1. Januar 2012 erfolgt - im Gegensatz zu allen Erkenntnissen und Realitäten die schrittweise He-

raufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre.

Was für heutige Senioren vielfach noch freiwillig war, wird für kommende Generationen zur Pflicht

werden. Mit dem Start der Anhebung des Renteneintrittsalters beginnt seitens führender Ökonomen

bereits die Diskussion darüber, dass die Lebensarbeitszeit langfristig um weitere zwei Jahre erhöht

werden müsste, auf 69 Jahre. Nach Ansicht des Rates der Wirtschaftsweisen muss die Rente mit 67

langfristig in eine „Rente mit 69“ übergehen. „Der Sachverständigenrat geht davon aus, dass die wei-

ter steigende Lebenserwartung etwa ab dem Jahr 2045 ein gesetzliches Renteneintrittsalter von 68

Jahren und im Jahr 2060 von 69 Jahren erforderlich macht“, sagte der Chef des Rates, Prof. Wolfgang

Franz.53

Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Analysen, Untersuchungen und Empfehlungen begleitete in den

letzten Jahren den Wechsel von der gewünschten „Frühverrentung“ zur „Rente mit 67“ - sachlich-

kritisch, wie der a-periodisch erscheinende „Altersübergangsreport“54

sowie die erarbeiteten „Monito-

51 Vgl. Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland (Gerhard Bäcker u.a.), VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesba-

den 2008, Bd. II, S. 370. 52 Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsmarktberichte, div. Jahrgänge. 53 Süddeutsche.de vom 3.1.2012. 54 Altersübergangsreport, gemeinsames Projekt von Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, Forschungsnetzwerk Alterssiche-

rung, Berlin, Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), Universität Duisburg-Essen, erscheint seit 2004.

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2 Lebenslagen im Vergleich

69

ring-Berichte zur Rente mit 67“.55

Vor allem in den von der Volkssolidarität initiierten Monitoring-

Berichten wird eine umfassende Analyse der erreichten, erreichbaren und fehlenden Bedingungen für

die „Rente mit 67“ vorgenommen.

Die Positionen der Bürger sind - auch im Vergleich zu 2010 - eindeutig: nur 5 % der 18- bis

64-Jährigen aus den neuen Ländern sprachen sich 2010 für das Modell „Rente mit 67“ aus, 2012 war-

en es 4 %. Die getroffenen Aussagen zwischen Ost und West sind nur bedingt übereinstimmend, so

waren es 2010 im Westen 11 % (früheres Bundesgebiet) und 2012 (nur Niedersachsen) 9 %.

Abbildung 2.33: „Mit welchem Alter sollte der allgemeine Renteneintritt erfolgen?“ - neue Länder

und Berlin-Ost - früheres Bundesgebiet/Niedersachsen - 2010/2012 - nur Befragte

von 18 bis 65 Jahren - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2010/2012 (gew.)

Die getroffenen Aussagen lassen eine stärkere Unterstützung der „Rente mit 67“ im Westen erkennen.

Generell ist festzustellen:

• Frauen in Ost wie West treten eher für eine vorzeitige Berentung ein;

• Jüngere in Ost wie West unterstützen den regulären Eintritt mit 65 Jahren;

• Arbeitslose in den alten Bundesländern unterstützen in hohem Maße die Rente mit 65 Jahren;

• in den alten Bundesländern findet das Modell „Rente mit 67“ eine moderate höhere Zustimmung

im Besonderen bei Männern.

Im Vergleich 2010/2012 zeigen sich keine grundlegenden Veränderungen in den Einstellungen der

Bürger.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass in den neuen Ländern Hochschulabsolventen die „Rente mit 67“

überdurchschnittlich (14 %) unterstützen, was sicher weniger der besseren Einsicht, sondern den güns-

tigeren Arbeitsbedingungen geschuldet sein dürfte. Unterstützung erfolgt auch von Selbstständigen

(13 %) sowie den höheren Einkommensgruppen (13 %).

Für die Einführung der „Rente mit 67“ sind gegenwärtig nach wie vor keine Voraussetzungen gege-

ben.56

Die Anzahl der arbeitslosen Bürger ab 50 Jahre ist seit 2004/2005 durchgängig angestiegen und

lag Mitte 2012 bei 900 Tsd. Bürgern bei einer Arbeitslosenquote von rd. 7,4 %. Im Durchschnitt war-

55 Vgl. hierzu die Monitoring-Berichte des „Netzwerks für eine gerechte Rente“, Nr. 1 bis 4, Berlin 2008 bis 2010. 56 Vgl. Winkler, Gunnar: 20 Jahre später - 1989 bis 2009 - Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse, a.a.O., S. 131 ff.

51 50 44 46

14 12

14 12

29 32

31 33

5 4 11 9 1 3 1 1

2010 neue Länder

2012 neue Länder

2010 früheres Bundesgebiet

2012 Niedersachsen

0%

20%

40%

60%

80%

100%

vor 65 J. ohne Abschläge vor 65 J. mit Abschlägen mit 65 J. mit 67 J. ohne Antwort

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2 Lebenslagen im Vergleich

70

en in den alten Bundesländern 6,8 % und den neuen Ländern 11,7 % der älteren Bürger arbeitslos - das

sind jeweils die höchsten Quoten aller Altersgruppen. 31,3 % aller Arbeitslosen sind 50 Jahre und älter

- im Osten 33,7 % und im Westen 30,2 % - bei steigender Tendenz.57

Hinzu kommt, dass der Anteil

prekärer Beschäftigung in diesen Altersgruppen gleichfalls zugenommen hat.

Tabelle 2.18: Arbeitsmarktdaten für Ältere - Juli 2011/Juli 2009

Arbeitslose Arbeitslosenanteil Arbeitslosenquote

insgesamt 50-65

Jahre

55-65

Jahre

50-65

Jahre

55-65

Jahre

50-65

Jahre

55-65

Jahre

ME 1.000 1.000 1.000 % % % %

Juli 2012

Deutschland 2.875 900 536 31,3 18,6 7,4 7,9

Westdeutschland 2.006 607 362 30,2 18.0 6,3 6,8

Ostdeutschland 870 293 174 33,7 20,0 11,3 11,7

Juli 2009

Deutschland 3.462 907 494 26,2 14,3 8,4 8,5

Westdeutschland 2.368 591 321 24,9 13,5 7,0 7,0

Ostdeutschland 1.094 317 317 28,9 15,8 13,7 14,1

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland - Juli 2012/Juli 2009

Gegenwärtig und in naher Zukunft ist das Heraufsetzen des Renteneintrittsalters ein Schritt zur weite-

ren Rentenkürzung und Altersarmut. Das belegen bereits gegenwärtig die Entwicklungen im Renten-

zugang. Auch die Daten über eine steigende Beschäftigung älterer Bürger über 65 Jahre sind kein Be-

leg für einen bereits erreichten Wandel, da neben zunehmender prekärer Beschäftigung vor allem

Selbstständige und Freiberufliche sowie spezifische Beschäftigungsgruppen über das offizielle Ren-

teneintrittsalter hinaus arbeiten.

Das „Netzwerk für eine gerechte Rente“58

stellte fest, dass59

• nach wie vor die arbeitsmarktpolitischen Voraussetzungen für die „Rente mit 67“ (noch) nicht

gegeben sind, da nicht einmal jeder 10. Arbeitnehmer derzeit bis 65 Jahre erwerbstätig ist/sein

kann. Das Fehlen entsprechender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bedeutet, dass die

„Rente mit 67“ ein reines Rentenkürzungsprogramm darstellt;

• die Ungleichheit zwischen Arbeitnehmern, welche das gesetzliche Renteneintrittsalter erreichen,

und denen, die vorzeitig ihr Beschäftigungsverhältnis beenden müssen, zunimmt, die Tendenzen

zur Altersarmut verschärfen sich;

• andere sozial verträgliche Lösungen möglich sind durch steigende Produktivitätsentwicklungen,

verbesserte Bildung/Ausbildung für junge Menschen, altersgerechte Arbeitsbedingungen und eine

verbesserte Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und familiären Verpflichtungen.

57 Vgl. Bundesagentur für Arbeit: Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland - Juli 2012/2009. 58 Das Netzwerk vereint „Katholische Arbeitnehmerbewegung“, „Paritätischen Wohlfahrtsverband“, „Sozialverband

Deutschland“, „Sozialverband VdK Deutschland“, „Volkssolidarität Bundesverband e.V.“, „Deutscher Gewerkschafts-

bund“. 59 Vgl. 4. Monitoring-Bericht des Netzwerkes für eine gerechte Rente, Berlin 2010, S. 51 ff.

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2 Lebenslagen im Vergleich

71

2.4.4 Arbeitslosigkeit

Der gespaltene Arbeitsmarkt - mit einer nach wie vor doppelt hohen Arbeitslosigkeit im Osten - hat

Langzeitwirkung bis zur künftigen Alterssicherung. In den neuen Bundesländern verfügen 54 %

aller 18- bis 65-Jährigen über eigene Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit. Rd. ein Drittel der Erwerbs-

tätigen im Osten lebt in sozialer Verunsicherung aufgrund empfundener Arbeitsplatzbedrohung.

Es gibt keinen Lebensbereich, der seit 1990 das Leben der Bürger in den neuen Bundesländern so

nachhaltig beeinflusst hat wie die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt - Arbeitslosigkeit, Ersatzbe-

schäftigung, fehlende Ausbildungsplätze, Ausgrenzung von Frauen und Älteren und damit verbundene

Folgen beeinflussen soziale Situationen und Positionen.

Der einerseits erfreuliche Rückgang der Arbeitslosenquote in den neuen Ländern ist neben wirt-

schaftsstrukturellen Wirkungen andererseits auch auf die abnehmende Zahl der Bürger im Erwerbsal-

ter, einem nach Auslaufen von Sonderregelungen folgenden „Zwang“ auf Weiterbeschäftigung, aber

auch „statistischen Bereinigungen“ geschuldet („Entlassung aus der Arbeitslosenstatistik“) sowie nicht

zuletzt durch Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse bedingt.

Nach wie vor spaltet der Arbeitsmarkt Deutschland. Die Arbeitslosigkeit hat sich - insbesondere in

den neuen Bundesländern - trotz erreichter Veränderungen auf doppelt hohem Niveau, im Vergleich

zu den alten Ländern, stabilisiert. Die Arbeitslosenquote - bezogen auf abhängige Zivilpersonen - bet-

rug 2012 (Juli) in Deutschland 6,8 %, in Westdeutschland 5,9 % und in Ostdeutschland 10,3 %. Das

führt nicht nur zu Unterschiedlichkeiten in Bezug auf gegenwärtige Lebenslagen (Einkommen bis

soziale Kommunikation) der Betroffenen und ihrer Familienangehörigen, sondern auch zu Langzeit-

wirkungen in Bezug auf die Alterssicherung.

Abbildung 2.34: Entwicklung der Arbeitslosenquoten - nach Regionen und Geschlecht

- 1991 bis 2012 - in Prozent der abhängig zivilen Erwerbspersonen -

Quelle: Arbeitsmarktberichte der Arbeitsagentur Nürnberg

Die Arbeitsmarktsituation wird in den neuen wie alten Bundesländern über die Arbeitslosigkeit hinaus

zusätzlich durch ein hohes Maß an Unterbeschäftigung bzw. nicht erwünschter Nicht-Beschäftigung

geprägt, welche die Arbeitslosigkeit um rd. 50 % erhöht. Hinzu kommen vorzeitige Berentungen, Ab-

wanderungen wegen fehlender Arbeits- und Ausbildungsplätze im Osten sowie Ost-West-Pendler.

Trotz leichten Beschäftigungsaufschwungs sind vor allem die Bedrohlichkeit und Verunsicherung

eines großen Teils derer, die noch im Arbeitsprozess stehen, geblieben.

1991 1992

1993 1994

1995 1996

1997 1998

1999 2000

2001 2002

2003 2004

2005 2006

2007 2008

2009 2010

2011 7/2012

0

5

10

15

20

25

Frauen Ost

Männer Ost

Frauen West

Männer West

Juli 2012

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2 Lebenslagen im Vergleich

72

Rd. ein Drittel aller im Erwerbsleben stehenden Bürger in den neuen Bundesländern geht davon aus,

dass sie in der nächsten Zeit arbeitslos werden - 10 % sind sich dessen relativ sicher, 24 % geben

„vielleicht“ an. Im Vergleich dazu geht in Niedersachsen nur rd. ein Viertel der Erwerbstätigen davon

aus, möglicherweise (16 %) bzw. sicher (8 %) in der nächsten Zeit arbeitslos zu werden - eine geringe-

re, aber immer noch hinreichende Bedrohlichkeit. Nicht zuletzt führen neueste Entwicklung in den

ostdeutschen Werften und der Solarindustrie, in den Opel-Werken, bei Schlecker und anderen zum

Gefühl, dass Banken eher unterstützt werden als Betriebe, dass Bankverluste höher bewertet werden

als der Verlust von Arbeitsplätzen.

Insbesondere in Familien - mit Kindern und ohne Kinder - sowie in kleineren Gemeinden werden

überdurchschnittlich Befürchtungen geäußert.

Tabelle 2.19: „Befürchten Sie, in der nächsten Zeit arbeitslos zu werden?“ - nach Regionen - 2012

- in Prozent - (nur Erwerbstätige)

ja vielleicht nein betrifft mich

nicht

ohne Antwort

neue Länder 10 24 58 4 4

Niedersachsen 8 16 68 4 4

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

In den neuen Bundesländern verfügen 54 % aller 18- bis 65-Jährigen (2012) über eigene Erfahrungen

mit Arbeitslosigkeit - wenn auch mit unterschiedlicher Dauer. Dabei waren Männer in den neuen Län-

dern mit 53 % und Frauen mit 55 % betroffen - das gilt analog, auf fast gleichem Niveau, auch für

Niedersachsen.

Besonders hervorzuheben ist, dass es - inzwischen auch in den neuen Bundesländern - einen nicht

unbedeutenden Teil an Bürgern gibt, welche Arbeitslosigkeit vorrangig als individuelles Versagen,

Leistungsunwilligkeit und Ausnutzung der sozialen Leistungssysteme sehen.

Abbildung 2.35: Dauer der Gesamtarbeitslosigkeit - nach Regionen - 2012 - in Prozent -

(18 bis 65 Jahre)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

So gehen (2012) rd. 43 % der 18- bis 65-jährigen Bürger Ostdeutschlands davon aus, dass „wer arbei-

ten will, auch arbeiten kann“ - Niedersachsen 55 %. Insbesondere jüngere Ostdeutsche (55 %) und

höhere Einkommensbezieher (55 %) haben sich angepasst. Obwohl in Deutschland nicht nur Arbeits-

plätze fehlen, sondern vor allem die Möglichkeiten der Kinderbetreuung gerade in den alten Bundes-

45

45

47

43

18

18

23

25

9

12

8

13

14

12

7

8

14

14

15

11

neue Länder und Berlin-Ost

Niedersachsen

neue Länder und Berlin-Ost

Niedersachsen

0% 20% 40% 60% 80% 100%

noch nie unter 6 Monaten 7-12 Monate 13-24 Monate mehr als 2 Jahre

Frauen

Männer

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2 Lebenslagen im Vergleich

73

ländern begrenzt sind, obwohl die Zahl der „Missbrauchsfälle“ bei Hartz IV offiziell nur mit 2 % an-

gegeben wird - werden von einzelnen Medien zelebrierte Einzelfälle zu einem „Gesamtbild“ verdich-

tet, welches individuelles Verschulden und fehlendes Interesse zu arbeiten ebenso vermittelt wie „So-

zialschmarotzertum“.

2.5 Wohnen

2.5.1 Wohnbedingungen und Wohnzufriedenheit

Die in Deutschland lebenden Bürger sind mit ihren Wohnverhältnissen/Wohnbedingungen zufrie-

den, nur 3 bis 4 % der Bürger sind unzufrieden. Das gilt inzwischen für Ost wie West. Wohnen ist

der Lebensbereich, der in den neuen Ländern den größten „Zugewinn“ erreicht hat, nicht zuletzt

aufgrund der qualitativen Fortschritte in der Wohnsubstanz und im Wohnkomfort.

Tabelle 2.20: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Wohnung?“ - neue Länder und Berlin-Ost

- 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

sehr zufrieden 17 20 24 26 26 27 33

zufrieden 46 54 58 52 54 55 49

teilweise zufrieden 16 18 14 14 14 13 11

unzufrieden 7 6 3 3 4 2 3

sehr unzufrieden 9 2 1 1 1 1 2

ohne Antwort/trifft nicht zu 5 1 1 4 2 2 2

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Generell gilt für Bürger in den neuen Bundesländern, dass sich die Wohnzufriedenheit seit 1990 auf-

grund der erzielten Veränderungen deutlich erhöht hat. Nach anfänglich sozialen Verunsicherungen -

nicht zuletzt durch Mietentwicklungen, die zum Teil ohne Veränderung der qualitativen Standards

erfolgten - hat sich seit Beginn des Jahrtausends doch eine stabile Wohnzufriedenheit mit insgesamt

äußerst geringer Unzufriedenheit herausgebildet. Der Anteil der Unzufriedenen liegt bei 3 % bis 5 %,

was einen ausgesprochen niedrigen Wert darstellt.60

Differenzierungen liegen für alle Altersgruppen (2012) vor allem zwischen Wohnungseigentümern

(Zufriedenheit Ost 91 %/Niedersachsen 92 %) und privaten Mietwohnungen (76 % neue Länder/60 % in

Niedersachsen).

Insgesamt ist festzustellen, dass in den neuen Ländern Wohnräume und Wohnfläche in den vergange-

nen Jahren deutlich zugenommen haben, der Abstand zu Westdeutschland hat sich bezogen auf den

einzelnen Einwohner verringert. Die durchschnittliche Wohnfläche der Haushalte der Bürger liegt in

Ostdeutschland lt. offizieller Statistik61

Ende 2011 bei 73,6 qm je Wohnung, im früheren Bundesgebiet

bei 90,6 qm, (Niedersachsen 95,8 qm) und in Deutschland insgesamt bei 86,9 qm. Bezogen auf die

Wohnfläche je Einwohner stehen in Deutschland jedem 43,0 qm zur Verfügung, in Ostdeutschland

40,1 qm und im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) 43,7 qm. Wurde zu DDR-Zeiten in der Regel der

Wohnraum als zu klein empfunden - vor allem mit steigender Familiengröße -, so ist inzwischen die

Finanzierbarkeit des Wohnens zum entscheidenden Kriterium geworden.

Die Chancen auf den Erwerb von Wohneigentum, auf etwas „Eigenes“, nutzten nach 1990 nicht weni-

ge Bürger, insbesondere jene, die zunächst noch nicht im Rentenalter standen und durch die Annahme

gesicherter Einkommensverhältnisse kreditwürdig waren.

60 Vgl. dazu detaillierter: Winkler, Gunnar: Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse, a.a.O., S. 201 ff. 61 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 5, Reihe 1, Bestand an Wohnungen 31.12.2011, Wiesbaden 2012.

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2 Lebenslagen im Vergleich

74

Tabelle 2.21: „Ist die Wohnung, in der Sie wohnen, eine …?“ - nach Altersgruppen und Regionen

- 2012 - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost Niedersachsen

insge-

samt

18 bis 40

Jahre

40 bis 60

Jahre

60 Jahre

u. älter

insge-

samt

18 bis 40

Jahre

40 bis 60

Jahre

60 Jahre

u. älter

Mietwohnung -privat

27 41 30 12 35 46 33 27

Mietwohnung -

kommunal 22 21 20 25 10 21 4 6

Genossen-

schaftswohnung 16 14 11 23 11 12 10 12

Eigentum 34 23 37 39 41 17 50 53

ohne Antwort 1 2 2 1 3 4 3 3

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Es leben von den ab 18-jährigen Bürgern (von denen rd. 4 % noch in der elterlichen Wohnung leben)

nach eigenen Angaben inzwischen 34 % in Wohneigentum, bei den 40- bis 60-Jährigen 37 %, bei den

inzwischen 60- bis 70-Jährigen sind es sogar 46 %, was insbesondere auf die neu gegebenen Möglich-

keiten zum Erwerb privaten Eigentums seit 1990 zurückzuführen ist. Kennzeichnend für Ostdeutsch-

land ist auch der hohe Anteil älterer Bürger in Genossenschaftswohnungen. Das Wohnen in selbstge-

nutztem Eigentum ist in Niedersachsen deutlich höher - vor allem ab 40. Lebensjahr mit über 50 %.

Der Neubau im Osten vollzog sich im Wesentlichen62

über den Bau von Ein- und Zweifamilienhäu-

sern und Errichtung von Mehrfamilienhäusern im Umland der großen Städte. Die Bebauung erfolgte

mehrheitlich in Form sogenannter „Wohnparks“ und „Gartenstädte“ auf der grünen Wiese. Dies war

teilweise mit einer Zersiedelung und enger Bebauung des Umlandes der großen Städte, fehlender so-

zial-kultureller Infrastruktur bzw. deren „Abwicklung“, einer großflächigen Versiegelung des Bodens

und anderen ökologischen Nachteilen verbunden.

Abbildung 2.36: Wohnfläche je Einwohner nach Bundesländern - 31.12.2011 - in Quadratmetern -

bis 42,5

42,6 bis 44,0

45,6 u. dar.

44,1 bis 45,5

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 5, Reihe 3, Bestand an Wohnungen 31.12.2011, Wiesbaden 2012

62 Vgl. hierzu auch: Hinrichs, Wilhelm: Entwicklung der Wohnverhältnisse in Ostdeutschland 1990-1998, in: Sozialreport

1999: Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern (hrsg. vom Sozialwissenschaftlichen Forschungs-

zentrum Berlin-Brandenburg e.V. durch G. Winkler), Berlin 1999, S. 237 ff.

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2 Lebenslagen im Vergleich

75

2.5.2 Mietentwicklungen

Modernisierung und Neubau waren in den neuen Ländern zugleich mit bedeutenden Preis- und

Tarifentwicklungen verbunden - bei gleichzeitigem Wegfall von Sozialsubventionen. Der Anteil der

Mietbelastung stieg von 4 % des Einkommens auf 27 %.

Tabelle 2.22: Mietentwicklungen - neue Länder - 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen)

- in Prozent - (nur Mieterhaushalte inkl. Genossenschaftswohnungen)

unter 25

Euro

25-50

Euro

50-150

Euro

150-250

Euro

250-350

Euro

350-500

Euro

500 Euro

u. dar.

1990 60 34 6 - - - -

1991 29 56 15 1 - - -

1993 1 1 24 40 28 5 1

1997 - - 9 23 32 28 8

2000 - - 5 18 29 32 16

2004 - - 1 8 19 38 35

2008 - - 1 9 20 35 33

2012 - - 0 3 19 46 32

2012 - Nieder-

sachsen - - 1 11 40 48

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Die hohe Zufriedenheit mit den verbesserten Wohnbedingungen erfolgte nicht unabhängig vom wach-

senden Anteil der Mieten am Haushaltsnettoeinkommen. Insgesamt stiegen die Mieten seit 1990 vor

allem im Zeitraum ab 1991 verbunden mit Modernisierung, Sanierungen und Renovierungen sowie

Umzug in Wohnhäuser mit besserem Komfort und besserer Lage deutlich an.

In Ostdeutschland betrugen die Mieten der befragten Bürger im Jahr 2012 bei privaten Vermietern im

Durchschnitt 502 Euro (Niedersachsen = 541 Euro), bei kommunalen Vermietern 425 Euro (Nieder-

sachsen = 482 Euro) und in Genossenschaften 395 (Niedersachsen = 471 Euro). Die Mietbelastung lag

in den neuen Bundesländern 2012 bei 27,4 % des Haushaltsnettoeinkommens, in Niedersachsen bei

29,5 %.

Rund 4,5 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland werden vom Staat finanziell unterstützt, damit sie

sozial abgesichert wohnen können. Das entspricht 21 % aller Mieterhaushalte. In den westdeutschen

Bundesländern ist diese Quote etwas niedriger und liegt bei 19 %. In den ostdeutschen Bundesländern

erhalten dagegen 26 % der Haushalte eine solche staatliche Unterstützung.63

Aufgrund der 2005 wirksam gewordenen Änderung des Sozialrechts wurde in Deutschland der Anteil

der Wohngeld empfangenden Haushalte deutlich reduziert. 3,6 % der Haushalte in den neuen Ländern

erhielten Ende 2009 - vor allem aufgrund nicht hinreichender eigener Einkommen - Wohngeld. Das

betraf rd. 240.000 Familien in den neuen Ländern (ohne Berlin) und 340.000 Haushalte in den alten

Ländern (1,5 %) (Berlin = 30.000 - 1,3 %). Während im Osten die Anzahl der Wohngeld empfangen-

den Haushalte steigende Tendenz hat, ist die Zahl im Westen sinkend.64

Im Durchschnitt wurden in

den neuen Ländern 14 Euro pro Einwohner für die Wohngeld empfangenden Haushalte ausgegeben,

im Westen 8 Euro/Einwohner.

Obwohl Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt gehört, ist die existente Wohnungslosigkeit

keineswegs unbedeutend. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. gibt - aufgrund

des Fehlens einer bundeseinheitlichen Statistik - die Anzahl der Wohnungslosen für 2010 mit 248.000

63 Jahrespressekonferenz des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW) vom

18.06.2012. 64 Vorliegende Ergebnisse einer Anfrage der Fraktion DIE LINKE durch den parlamentarischen Staatssekretär Jan Mücke

(FDP).

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2 Lebenslagen im Vergleich

76

an, darunter 64.000 Frauen sowie 30.000 ostdeutsche Frauen und Männer.65

Der relativ geringe Anteil

im Osten ist auch dem hohen Wohnungsleerstand geschuldet. Die Zahl der von Wohnungslosigkeit

Bedrohten wird mit 106.000 angegeben.

Als Ursachen für die steigende Wohnungslosigkeit werden von der Bundesarbeitsgemeinschaft Woh-

nungslosenhilfe genannt:

• Ansteigen der Mietpreise insbes. in Ballungsgebieten,

• zunehmende Verarmung,

• sozialpolitische Fehlentscheidungen (z.B. für Hartz IV-Empfänger).

Abbildung 2.37: Mietbelastung von Mieterhaushalten - neue Länder - 1990 bis 2012 -

(Privat - Kommunen - Genossenschaften)

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

2.6 Erwartungen und Zufriedenheiten - Gesundheitswesen

Gesundheit hat einen hohen Stellenwert - die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen ist jedoch

gering ausgeprägt, ebenso wie positive Erwartungen an dessen künftige Entwicklung. Rd. ein Drit-

tel der Bürger ist mit dem Gesundheitswesen unzufrieden und erwartet weitere Verschlechterungen.

Tabelle 2.23: Bewertungen Gesundheitswesen - neue Länder und Berlin-Ost - 1990 bis 2012 (2012

Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent* -

neue Länder und Berlin-Ost

Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

Zufriedenheit mit Gesundheitswesen

sehr zufrieden/zufrieden 29 63 41 19 24 30 28

teilweise zufrieden 34 27 41 37 41 36 37

unzufrieden/sehr unzufrieden 34 8 18 42 33 32 32

Erwartungen an Gesundheitsentwicklung

Verbesserungen 52 32 23 11 19 22 21

keine Veränderung 33 55 55 44 45 48 47

Verschlechterungen 6 11 19 34 29 27 28

* Differenz zu 100 = ohne Antwort

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

65 Siehe hierzu. www.bag-wohnungslosenhilfe.de

3,1 4,1 13,9 16,8 17,5 19,5 21,7 23,7 25,8 26,6 26,3 26,5 25,2 29

28 28,2 28,7 28,7 28,9 28,3 27,5 28,2 27,4

1990 1991

1992 1993

1994 1995

1996 1997

1998 1999

2000 2001

2002 2003

2004 2005

2006 2007

2008 2009

2010 2011

2012 0

500

1000

1500

2000

0

20

40

60

80

100

Miete (Euro) Haushaltsnetto (Euro) Mietbelastung (%)

29,0 28,0

3,1 4,1

Euro Prozent

13,9

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2 Lebenslagen im Vergleich

77

Gesundheit hat bei den Bürgern insgesamt einen hohen Stellenwert. 2012 hielten 54 % aller ab

18-jährigen Bürger der neuen Bundesländer sie in ihrem Leben für „sehr wichtig“, in Niedersachsen

59 % - wird die Aussage um die Antwort „wichtig“ erweitert, erreichen Ost wie West rd. 95 %. Im

Gegensatz dazu gibt es hinsichtlich der Zufriedenheitswerte sowie der Erwartungen an die weitere

Entwicklung im Gesundheitswesen mit 30 % Zufriedenen in den neuen Ländern und 28 % in Nieder-

sachsen ein vergleichbares, niedriges Bewertungsniveau. Auch nur rd. jeder fünfte Bürger (22 %) aus

Ost wie West geht in der Zukunft von Verbesserungen aus, aber 28 % von Verschlechterungen. Am

höchsten ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen bei Familien mit einem Pro-Kopf-Ein-

kommen von über 2.000 Euro (46 %), Hochschulabsolventen (43 %) und Großstädtern (38 %). Die

geringste Zufriedenheit weisen aus: Einwohner kleiner Gemeinden (23 %), Arbeitslose (23 %) sowie

die Altersgruppe der 25- bis 39-Jährigen.

Vor allem in den neuen Ländern verweist die Entwicklung der Umfragewerte zur Zufriedenheit mit

dem Gesundheitswesen auf:

• den raschen Anstieg positiver Wertungen bis Mitte der 90er Jahre (von 29 % auf 63 % „zufrie-

den“) im Ergebnis insbesondere des verbesserten Zugangs zu qualitativ hochwertigerer Medizin-

technik sowie eines breiteren Arznei- und Hilfsmittelangebots;

• die deutliche Abnahme der Zufriedenheitswerte bis in die Mitte des neuen Jahrzehnts (19 %) im

Verlauf der Umsetzung der „Gesundheitsreform“-Maßnahmen. Zunächst vorhandene kurzzeitige

Hoffnungen auf Veränderungen mit dem Regierungswechsel zu „Rot-Grün“ (1998) verflogen

rasch;

• die Stabilisierung der Zufriedenheitswerte auf niedrigem Niveau mit Beginn der großen Koalition

- nicht zuletzt vor dem Hintergrund sich ständig widerstreitender Positionen zum „Gesundheits-

fonds“ sowie der „Kopfpauschale“ („einkommensunabhängige Gesundheitsprämie“).

Die geringen Vorstellungen auf Verbesserungen im Gesundheitsbereich reflektieren die seit Jahren

praktizierten Eingriffe in Finanzierung und Leistungen zu Ungunsten der Bürger in Verbindung mit

einer sich entwickelnden Zwei-Klassen-Medizin (Verteuerung medizinischer Leistungen sowie der

zunehmenden „Patienten-Beteiligung“ - Arztgebühren/höhere Zuzahlungen/Sonderbeiträge der Ar-

beitnehmer usw.).

Der seit Beginn des neuen Jahrzehnts realisierte Umbau in Richtung zunehmender Privatisierung der

Krankenversicherung mit unterschiedlichen Beitrags- und Leistungsbedingungen führt zu einer weite-

ren Entsolidarisierung. 8 % der ab 18-jährigen Bürger waren 2012 nach ihren Angaben im Osten pri-

vat versichert (14 % in Niedersachsen) - bundesweit wird für Deutschland der Anteil der Privatversi-

cherten (alle Altersgruppen) für 2011 mit 11,7 % angegeben66

. Der Anteil der selbst Versicherten be-

trägt 77,2 %, der mitversicherten Familienangehörigen 22,0 % - zu den selbst Versicherten gehören

Pflichtversicherte (61,5 %), freiwillig in der GKV Versicherte (4,1 %) sowie privat Versicherte

(11,7 %).

Die Unterschiede werden noch deutlicher, betrachtet man nur die GKV-Versicherten. In den neuen

Bundesländern waren im Juli 2012 von den in der GKV Erfassten rd. 46 % Pflichtmitglieder, 5 %

freiwillige Mitglieder, 31 % Rentner und 18 % als Familienmitglieder versichert (alte Länder und Ber-

lin 42 % - 8 % - 23 % - 27 %). Insbesondere durch die auf Berufstätigkeit beruhende eigene Mitglied-

schaft von Frauen in den neuen Ländern ist der Anteil weiblicher Pflichtversicherter höher (43 %) als

in den alten Bundesländern (39 %) ebenso wie bei den Rentnerinnen67

mit 35 % im Osten und 25 %

im Westen (inkl. Berlin) - während bei Frauen in den alten Bundesländern der Anteil von mitversi-

cherten Familienangehörigen bei 31 % liegt, beträgt er im Osten nur 19 %. Auch das ist ein spezifi-

scher Beitrag des Ostens in die solidarisch finanzierten Krankenkassen.

66 Vgl. Daten des Gesundheitswesens 2012, Berlin 2012, S. 112, www.bundesgesundheitsministerium.de 67 Eigenberechnung nach BGM - Mitgliederstatistik der GKV - KM6-2012.

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2 Lebenslagen im Vergleich

78

Während in den alten Bundesländern mit dem Alter der Anteil der Privatversicherten ansteigt, gilt das

für die neuen Länder aufgrund der historischen Entwicklung bis 1990 nicht - im Gegenteil. Einkom-

mensentwicklungen und soziale Strukturen führen zu einem erhöhten Anteil der Pflichtversicherten im

Osten. Das durchschnittliche individuelle Einkommen der privat Versicherten lag in Niedersachsen bei

rd. 3.170 Euro, in den neuen Bundesländern bei 3.100 Euro deutlich über dem jeweiligen Durchschnitt

der gesetzlich Versicherten (Ost = 1.848 Euro/Niedersachsen = 2.016 Euro).

Abbildung 2.38: Versicherte der GKV - Juli 2012 - in Prozent -

Quelle: Eigenberechnung nach BMG - Mitgliederstatistik der GKV - KM6-2012

Bis in die Gegenwart gibt es auch noch Unterschiede hinsichtlich der Kassen-Struktur der Versicher-

ten in der GKV. Traditionelle Bindungen zu einzelnen Kassenarten oder -zweigen konnten im Osten

zunächst nicht existieren, so dass die Ortskrankenkassen, aber auch die sog. Ersatzkassen (z.B. für

Angestellte die BARMER Ersatzkasse - heute BARMER GEK) den höchsten Mitgliederzugang hat-

ten. Innungskrankenkassen spielten eine eher nachgeordnete Rolle. Demzufolge waren Anfang der

90er Jahre über 62 % der Versicherten (bzw. als Familienangehörige) über die Ortskrankenkassen

versichert und zunächst fast 36 % in den Ersatzkassen für Angestellte bzw. Arbeiter.

Im Verlaufe der Jahre erfolgte eine zunehmende Angleichung der neuen Bundesländer an die Struktu-

ren Westdeutschlands, insbesondere durch die erfolgte Kassen-Wahlfreiheit. Bis 2011 reduzierte sich

der Anteil der in den Ortskrankenkassen Organisierten auf rd. 38 % zugunsten der Ersatzkassen

(33 %) sowie der Innungs- (13 %) und Betriebskrankenkassen (12 %). Auch bei Rentnern erfolgte

zunächst die „automatische“ Übernahme durch die AOK, bei Erwerbstätigen waren vor allem die

Werber einzelner Kassen (z.B. BARMER Ersatzkasse) besonders erfolgreich.

Pflichtmit- glieder

freiwillig Versicherte

Rentner

Familienan- gehörige

46

5

31 18

Pflichtmit- glieder

freiwillig Versicherte

Rentner Familienan-

gehörige

42

7,5

23 27

neue Bundesländer alte Bundesländer und Berlin

8

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3 Integration - Identifikation

79

3. Integration - Identifikation

3.1 Kulturelle Integration

3.1.1 Grundwerte - Freiheit vs. soziale Sicherheit?

Die Grundwertestruktur in Deutschland unterscheidet sich vor allem hinsichtlich des Stellenwertes

von Freiheit und sozialer Sicherheit zwischen Ost und West. Sozialisation und Alter führen zu deut-

lich unterschiedlichen Bewertungen zwischen Ost und West.

Tabelle 3.1: „Welcher der nachfolgenden Werte ist Ihnen der wichtigste (Platz 1), wichtig (Platz 2)

... am wenigsten wichtig (Platz 5)?“ - nach Regionen - 2012 - in Prozent -

Platz 1

(sehr

wichtig)

Platz 2

(wichtig)

Platz 3

(in mittle-

rem Maße

wichtig)

Platz 4

(weniger

wichtig)

Platz 5

(am wenigs-

ten wichtig)

Durchschnitt

neue Länder

soziale Sicherheit 44 21 17 12 7 2,18

Freiheit 41 17 18 13 11 2,25

Gerechtigkeit 37 33 20 7 3 2,07

Gleichheit 15 17 16 21 31 3,28

Solidarität 13 13 17 27 31 3,51

Niedersachsen

Freiheit 63 17 11 4 5 1,7

Gerechtigkeit 35 40 15 5 4 2,03

soziale Sicherheit 27 15 30 16 12 2,70

Gleichheit 12 17 18 19 34 3,47

Solidarität 10 13 14 34 29 3,61

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

1990 wurde angenommen, dass sich die Wertestrukturen Ost- und Westdeutschlands rasch angleichen

würden, was hieß, dass die Wertestrukturen der Bürger der neuen Bundesländer sich denen der alten

„anpassen“. Inzwischen haben sich seit 1993/94 relativ stabile Wertestrukturen herausgebildet, die

denen der alten Länder keineswegs generell gleichen bzw. in allen Bereichen angeglichen sind.

Untersuchungen belegen über viele Jahre, dass die Bürger der neuen Bundesländer soziale Sicherheit,

Gerechtigkeit und Freiheit in gleich hohem Maße in ihrem Leben für „sehr wichtig“/„wichtig“ halten.

Solidarität und Gleichheit nehmen - im Vergleich dazu - einen nachrangigen Platz ein. Die Auffas-

sung, dass die Ostdeutschen generell der Gleichheit den Vorrang vor der Freiheit gäben, ist mit über

Jahre vorliegenden Untersuchungen nicht nachweisbar.

Im Einzelnen werden von den Bürgern in Ost und West (2012) an die Spitze der Bewertungen gesetzt:

In Ostdeutschland liegt bei den ab 18-jährigen Bürgern soziale Sicherheit mit 44 % an vorderster

Stelle, ebenso wie Freiheit mit 41 %, Gerechtigkeit mit 37 %, Gleichheit mit 15 % und Solidarität

mit 13 % folgen nach.

In Niedersachsen hat Freiheit mit deutlichem Abstand den vorrangigen ersten Platz (63 %), gefolgt

von Gerechtigkeit (35 %) sowie sozialer Sicherheit (27 %), Gleichheit (12 %) und Solidarität

(10 %). Hervorzuheben sind für die neuen Länder und den Vergleich mit Niedersachsen:

• der hohe Stellenwert von Freiheit in den alten Bundesländern, den in hohem Maße sozialisations-

bedingt auch die Bürger aus Niedersachsen ausweisen, ebenso wie der geringere Stellenwert so-

zialer Sicherheit - im Gegensatz zu den neuen Bundesländern. Wenn soziale Sicherheit in der Be-

wertung der Grundrechte der Bürger in den neuen Ländern - insbesondere ab 40. Lebensjahr - ei-

nen zentralen Platz einnimmt, dann nicht zuletzt aufgrund von Erfahrungen mit ungleichen Le-

bensverhältnissen, die es dem Einzelnen versagen, sein Leben durch gesicherte Arbeit und ein ent-

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3 Integration - Identifikation

80

sprechendes Einkommen so zu gestalten, dass mehrheitlich keine sozialen Ängste und Zukunfts-

unsicherheiten auftreten.

• Ostdeutsche stellen die Freiheit der Gerechtigkeit oder sozialen Sicherheit nicht gegenüber, ebenso

wenig wie sie ein „anstelle von“ akzeptieren. Es gibt keine soziale Sicherheit ohne Freiheit, das

belegen die Erfahrungen der DDR. Es gibt aber auch keine Freiheit ohne soziale Sicherheit und

Gerechtigkeit.

• In Ost wie West ist ein geringer Stellenwert bei Grundwerten in den „jüngeren“ Jahrgängen fest-

zustellen, ebenso wie ein zunehmender Stellenwert generell im höheren Lebensalter. Der

„Sprung“ in der Bewertung im Osten im Alter von 50 Jahren (siehe Abbildung 3.1) wird offen-

sichtlich von den jeweils geringeren/höheren Anteilen der Sozialisationsjahre im vereinigten

Deutschland bzw. der DDR beeinflusst, und den damit verbundenen vermittelten „Leitbildern“.

• Insbesondere die Höhe des individuellen Nettoeinkommens, Erwerbsstatus und berufliche Qualifi-

kation führen zu Differenzierungen in der Bewertung zwischen Freiheit und sozialer Sicherheit in

den neuen Ländern.

• Im Vergleich der letzten Jahren zeichnet sich eine sich wenig verändernde Grundwertestruktur in

den neuen Bundesländern ab. Insgesamt steigt bei Jüngeren der Stellenwert der Freiheit und

nimmt der Stellenwert von Solidarität in allen Altersgruppen ab.

• Wenn auch Solidarität für ältere Menschen einen höheren Stellenwert als für junge Menschen hat,

so ist insgesamt eine weitgehende Entsolidarisierung generell und insbesondere bei Jüngeren un-

verkennbar.

Abbildung 3.1: Ausgewählte Grundwerte nach Altersgruppen und Regionen - 2012 - in Prozent -

(nur Antwort: „sehr wichtig“)

28

53

4136

4649

29 3128

5552

55

3126

23

4146

53

11 128

1418

29

9 95

9

19

26

unt. 30

Jah

ren

30-3

9 Ja

hre

40-4

9 Ja

hre

50-5

9 Ja

hre

60-6

9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

unt. 30

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hre

40-4

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hre

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hre

70 J

ahre

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lt.

unt. 30

Jah

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30-3

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hre

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hre

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9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

unt. 30

Jah

ren

30-3

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hre

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hre

50-5

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9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

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40-4

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hre

50-5

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9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

0

20

40

60

80Freiheit soziale Sicherheit Gerechtigkeit Gleichheit Solidarität

neue Länder und Berlin-Ost

5561

5863

68

75

14

26 24 24

3440 40

2427

31

41

50

2 4

12 12

19 21

17

14

6

16 17

unt. 30

Jah

ren

30-3

9 Ja

hre

40-4

9 Ja

hre

50-5

9 Ja

hre

60-6

9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

unt. 30

Jah

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9 Ja

hre

40-4

9 Ja

hre

50-5

9 Ja

hre

60-6

9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

unt. 30

Jah

ren

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hre

40-4

9 Ja

hre

50-5

9 Ja

hre

60-6

9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

unt. 30

Jah

ren

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40-4

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hre

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60-6

9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

unt. 30

Jah

ren

30-3

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hre

40-4

9 Ja

hre

50-5

9 Ja

hre

60-6

9 Ja

hre

70 J

ahre

u.ä

lt.

0

20

40

60

80Freiheit soziale Sicherheit Gerechtigkeit Gleichheit Solidarität

Niedersachsen

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

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3 Integration - Identifikation

81

3.1.2 Wertestrukturen

Arbeit, ein dem Einkommen entsprechender Lebensstandard, Gesundheit und Wohnen stehen im

Zentrum der Wertehierarchie der Bürger in den neuen wie alten Bundesländern. Gravierender

Wertewandel trat in den neuen Ländern beim Stellenwert von Kindern bei Jüngeren und dem Le-

ben in einer demokratischen Gesellschaft auf.

Tabelle 3.2: Wertestrukturen - neue Länder - 1990 bis 2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen)

- in Prozent - (nur Antwort: „... ist für mich sehr wichtig“)

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

Bildung und Wissen 39 42 46 56 58 58 61

Arbeit (18 bis 60 Jahre) 73 84 82 82 73 68 65

Partnerschaft 62 61 60 58 62 54 57

Kinder 49 55 55 53 56 55 47

Einkommen, das der

Leistung entspricht 83 64 60 56 66 70 58

persönliche Sicherheit 75 74 66 56 56 60 51

intakte Umwelt 82 64 51 43 48 50 58

Freizeit 43 28 29 22 28 34 31

sich gesund zu erhalten 63 66 61 56 59 54 61

bezahlbare Wohnung 66* 69 58 63 58 63 59

Religion 4** 4 3 4 6 6 8

in demokratischer Gesell-

schaft zu leben 54 16 13 24 27 26 41

zwischenmenschliche

Beziehungen 35 34* 32 36 37 36 35

Familie n.e n.e. n.e. 69 71 71 64

* 1993 ** 1992 n.e. = nicht erhoben

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Bei Betrachtung der getroffenen Aussagen seit 1990 ist festzustellen, dass Familie, Arbeit, ein dem

Einkommen entsprechender Lebensstandard und Wohnen nach wie vor im Zentrum der Wertehierar-

chie der Bürger in den neuen Bundesländern stehen, ebenso wie Bildung, Partnerschaft, Kinder und

Gesundheit. Für 71 % der Bürger der neuen Bundesländer (2012) ist/war Familie in ihrem Leben „sehr

wichtig“ und nimmt den ersten Platz in der Wertehierarchie ein. Es ist insgesamt hervorzuheben, dass

Werten wie Familie und Kindern im Osten ein hoher Stellenwert zugemessen wird.

Extrem ist der Stellenwert von Kindern in der Altersgruppe der 25- bis 39-Jährigen von 74 % („sehr

wichtig“) im Jahr 1991 auf 55 % gesunken (2012) - der Vergleichswert in Niedersachsen liegt bei

50 %. Offensichtlich reflektieren sich darin sowohl die aktuelle Situation vieler Bürger dieser Alters-

gruppe, gepaart mit einem keineswegs durchgängig „kinderfreundlichen“ Klima, als auch vorhandene

Zukunftsverunsicherungen.

Der Stellenwert der Arbeit ist in den neuen Ländern - trotz jahrzehntelanger hoher Arbeitslosigkeit

und der zunächst völlig neuen Erfahrungen mit Ersatzbeschäftigung in befristeten und Billigarbeits-

plätzen, fehlenden Arbeitsplätzen für Jugendliche, Frauen und Behinderte und damit der Sorge um

einen zumutbaren Lebensstandard - nach wie vor hoch und hat seit 1990 mit den Defiziten an und in

der Erwerbsarbeit sogar zugenommen.

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3 Integration - Identifikation

82

Insgesamt ist im Ost-West-Vergleich eine weitgehend in ihren Grundstrukturen übereinstimmende

Wertestruktur erkennbar. Spezifisch ist hervorzuheben:

• der höhere Stellenwert von Einkommen (12 Prozentpunkte), persönlicher Sicherheit (9 PP) sowie

Familie (7 PP) in den neuen Ländern im Vergleich zu Niedersachsen;

• im Gegensatz dazu ist der Stellenwert von Demokratie (15 Prozentpunkte), Umwelt (8 PP) und

Gesundheit in Niedersachsen höher. Es handelt sich dabei um jene Bereiche, in denen inzwischen

stabile Veränderungen eingetreten sind, welche z.B. im Bereich der Umwelt verbunden waren mit

einer Deindustrialisierung, die gewissermaßen „automatisch“ Verbesserungen der Umwelt, aber

zugleich hohe Arbeitsmarktrisiken mit sich brachten.

Demokratie ist gepaart mit den als nicht hinreichend empfundenen Mitwirkungsmöglichkeiten in

den neuen Bundesländern und der Einsicht, dass alleine demokratische Wahlen für die Ausgestal-

tung einer Demokratie nicht ausreichen.

Bemerkenswert der geringe Stellenwert, den Religion auch in Niedersachsen hat.

Abbildung 3.2: Wertestrukturen im Ost-West-Vergleich - 2012 - in Prozent -

(nur Antwort: „... ist für mich sehr wichtig“)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

3.1.3 Religiöse Bindungen

Die deutsche Vereinigung hat die weltanschaulichen Strukturen der Bevölkerung deutlich und

nachhaltig auch in dieser Hinsicht in zwei Regionen geteilt. Während im Osten 78 % keiner Religi-

onsgemeinschaft angehören, sind es im Westen inzwischen 38 %.

Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik hat nicht zuletzt die weltanschaulichen Strukturen der Be-

völkerung nachhaltig in zwei Regionen geteilt. So erhöhte sich der Anteil der konfessionsfreien Bür-

ger mit der Vereinigung 1990 von 11,4 % auf 22,4 %, stieg aber seitdem - vor allem durch die Ent-

kirchlichung in den alten Bundesländern - auf 37,6 % im Jahr 2011 an.68

Bezogen auf Deutschland

wird für 2011 von 29,0 % der Bürger ausgegangen, welche der katholischen und 29,0 %, welche der

68

Datenquelle: Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), Religionszugehörigkeit in Deutschland,

www.fowid.de, 2012.

71

70

70

63

60

58

55

54

54

50

36

34

26

6

64

58

65

59

51

61

47

57

61

58

35

31

41

8

Familie

Einkommen

Arbeit

Wohnung

pers. Sicherheit

Bildung

Kinder

Partnerschaft

Gesundheit

Umwelt

zw.-menschl. Bez.

Freizeit

Demokratie

Religion

0 20 40 60 80

neue Länder Niedersachsen

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3 Integration - Identifikation

83

evangelischen Kirche zuzuordnen sind, 2,3 % sind muslimisch, 2,1 % gehören anderen Religionen an

und 37,6 % sind konfessionslos69

. Kein Zweifel herrscht unter Fachleuten - auch kirchlichen - darüber,

dass etwa um 2025 die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung keiner der beiden großen Kirchen

mehr angehören wird.70

Abbildung 3.3: Religionszugehörigkeit - Deutschland - 2011 - Hochrechnung -

Quelle: www.fowid.de (Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland), 2012

Ergebnisse empirischer Erhebungen belegen das hohe Maß an konfessionsfreien Bürgern insbesondere

im Osten Deutschlands, ebenso wie die Konzentration der Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche. So

trugen71

die strikte Trennung von Kirche und Schule, die Trennung von Staat und Kirche durch gerin-

ge Staatsleistungen (z.B. für objektbezogene Sanierung ausgewählter Kirchen), aber auch die Abschaf-

fung einer vom Staat organisierten Abführung der Kirchen„steuer“ maßgeblich zur „Entkirchlichung“

bei. Die Zahl der Kirchenmitglieder ging in der DDR stark zurück. Sie lag 1950 noch bei 81 % für

Mitglieder der evangelischen Kirche und 11 % für die katholische Kirche, 8 % ohne religiöse Bin-

dung.72

1964 waren noch 67 % der Bürger Kirchenmitglieder, 1990 waren 72 % der Bürger konfes-

sionslos. Inzwischen sind es bereits 78 % der ab 18-Jährigen (2010/2011).

Die erwartete Zuwendung zu den Kirchen im Osten ist nach 1990 nicht eingetreten, was ein Grund

dafür sein mag, dass bis in die jüngste Gegenwart immer wieder der Versuch von Einzelpersonen un-

ternommen wird73

, die erfolgte „Entkirchlichung“ in der DDR für die heutige Situation im Osten ver-

antwortlich zu machen. Der Rückgang der christlichen Religion in Ostdeutschland hat allerdings lange

vor der DDR begonnen74

. Die Religionsgeschichte in Ostdeutschland ist anders als in anderen osteu-

ropäischen Ländern verlaufen, da „sie im Erbe Preußens stehe… Es gab in Preußen seit dem 18. Jahr-

hundert einen die Kirche aushöhlenden Prozess.“75

„Deutschland war immer ein geteiltes Land. ...

Tatsächlich laufen unsere heutigen religiösen Grenzen teilweise an den alten römischen Militärgren-

zen entlang. Im Osten gab es schon vor der Reformation einen antirömischen Affekt, den Luther dann

verstärkte.“76

69

Ebenda. 70

Fowid 2012. 71

Vgl. Winkler, Gunnar: Die friedliche Revolution und ihre Ergebnisse, a.a.O., S. 251-254. 72

Vgl. Weichert, Brigitte: Kirchen, in: Sozialreport 1990: Daten und Fakten zur sozialen Lage in der DDR (Hrsg.:

G. Winkler), Verlag Die Wirtschaft/Bonn Aktuell, Berlin/Bonn 1990, S. 308. 73 Vgl. Schönbohm, J. (ehemaliger Innenminister Land Brandenburg) im August 2009. 74 Mosebach, Martin: Christentum war im Osten schon vor der DDR schwach, Pro-Christliches Medienmagazin, April

2012. 75

Ebenda. 76

Ebenda.

evangelisch

katholisch

muslimisch andere

konfessionslos

29,0

29,0

2,3 2,1

37,6

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3 Integration - Identifikation

84

„Religionsausübung und Mitgliedschaft in einer Kirche waren in der DDR zwar geduldet, aber staat-

lich nicht gern gesehen, bei völliger Trennung von Staat und Kirche. Die lediglich formale Religions-

freiheit und begrenzte Billigung bis zur Behinderung kirchlicher Aktivitäten und die ideologischen

Auseinandersetzungen haben in der DDR-Bevölkerung zu einer abnehmenden Akzeptanz christlichen

Glaubens, sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen und geringer Aktivität in der Religionsausübung

und im kirchlichen Leben geführt.“77

Andererseits waren die Kirchen insbesondere Ende der 80er Jah-

re für die DDR-Opposition ein „schützendes Dach“ und weniger „Heimat des Glaubens“.78

Die

1989/1990 erreichte „moralische Führungsrolle“ der Kirchen ging mit den „Runden Tischen“ und der

Emanzipation der DDR-Opposition vom „kirchlichen Asyl“ verloren.79

Unmittelbar nach der Wende wurde mehrheitlich erwartet, dass die gesellschaftskritische Haltung der

Kirche in der DDR, ihre besonders aktive Rolle in der Umbruchsphase und das starke Engagement

kirchlicher Kreise im Prozess des gesellschaftlichen Neuaufbaus zu einem Bedeutungszuwachs der

Kirchen führen würden. Obwohl sich durch die verstärkte Einführung von Religionsunterricht, Chris-

tenlehre und anderen Formen der Unterweisung in christlicher Lehre die Umstände für das Wirken der

Kirchen in Ostdeutschland nachhaltig gewandelt haben und sich auch die finanzielle Situation der

Kirchen, u.a. durch die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat, verbessert hat, ist die ange-

nommene und erwartete Re-Entkirchlichung nicht eingetreten.

Abbildung 3.4: Zugehörigkeit zu Religions-/Glaubensgemeinschaften - nach Regionen - 2012

- in Prozent - (ab 18. Lebensjahr)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Die Veränderungen der Wirkungsmöglichkeiten der Kirche in den neuen Bundesländern, ihre erreichte

Bewegungsfreiheit und gewachsene Einflussnahme in der Gesellschaft haben - so zeigen die Daten -

bisher zu keiner generellen Änderung in der Haltung der Ostdeutschen zu den Kirchen und Religionen

geführt. Dabei ist im Ost-West-Vergleich festzustellen, dass es sowohl im Osten als auch im Westen

eine deutliche altersabhängige Zunahme der Bürger gibt, welche keiner Religionsgemeinschaft ange-

hören.80

2012 geben in den neuen Ländern und Berlin-Ost 75 % der ab 18-jährigen Bürger an, keiner Reli-

gionsgemeinschaft anzugehören, 20 % sind Mitglieder der evangelischen Kirche, 2 % der katholischen

Kirche, 1 % gibt andere Religionsgemeinschaften an (2 % ohne Antwort). In Niedersachsen gehören

34 % keiner Religionsgemeinschaft an, 47 % der evangelischen Kirche, 17 % der katholischen Kirche

77

Priller, Eckhard: Religion und Religionsausübung, in: Sozialreport 1999: Daten und Fakten zur sozialen Lage in den

neuen Bundesländern (Hrsg.: G. Winkler), Verlag am Turm, Berlin 1999, S. 370. 78

Sterr, Martin: Kirche und Kirchlichkeit, in: Der Bürger im Staat, Landeszentrale für politische Bildung Baden-

Württemberg, Heft 4/2000, Deutschland Ost - Deutschland West, S. 218-224. 79

Ebenda. 80 Vgl. Eicken, Joachim/Schmitz-Veltin, Ansgar: Die Entwicklung der Kirchenmitglieder in Deutschland, Statistisches

Bundesamt - Wirtschaft und Statistik 6/2010, S. 576 ff.

evange- lisch

katho- lisch andere

keine

ohne Antw.

20 2 1

75

2

evange- lisch

katho- lisch

andere keine

ohne Antw.

47

17

2 34

0,5

Niedersachsen neue Länder

1

andere katho- lisch

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3 Integration - Identifikation

85

und 2 % anderen Religionsgemeinschaften (1 % ohne Antwort). Der niedrige Anteil anderer Religio-

nen ist sicher auch Reflexion des geringen Anteils ausländischer Bürger bzw. von Bürgern mit Migra-

tionshintergrund in den neuen Bundesländern, ebenso wie davon auszugehen ist, dass der Anteil ande-

rer Religionen im Westen höher als in der Befragung ausgewiesen ist, da ein großer Teil aufgrund von

Sprachbarrieren und generellen Vorbehalten sich Befragungen entzieht.

Betrachtet man speziell die 18- bis 30-Jährigen, so sind es in den neuen Bundesländern 81 %, welche

sich keiner Religionsgemeinschaft zuordnen, und in Niedersachsen inzwischen 37 %. Frauen ab

18. Lebensjahr sind in Ost wie West in geringerem Maße religionslos - Ostdeutschland 73 % (Männer

78 %), Niedersachsen 27 % (Männer 41 %).

Dabei ist hervorzuheben, dass für die Mehrheit der im Osten nicht religiös Gebundenen und ihren

Umgang mit den Kirchen/Religionen die Feststellung zutreffend ist: „Die ostdeutsche Religionslosig-

keit ist nicht aggressiv, antikirchlich oder antireligiös.“81

So wie Religionsbekenntnisse sich zwischen Ost und West in bedeutendem Maße unterscheiden, sind

damit auch traditionelle Unterschiede in Zeremonien und Feierlichkeiten verbunden - beginnend bei

der Geburt, dem Eintritt ins Erwachsenenleben, über Hochzeit bis schließlich zum Tod. In den neuen

Bundesländern werden diese Anlässe mehrheitlich auf die standesamtliche Zeremonie begrenzt bzw.

weltanschaulich nicht gebunden ausgestaltet (z.B. Jugendweihen).

3.1.4 Multikulturell - ausländerfeindlich?

Zur Vielfalt des Lebens in Deutschland gehören auch das Zusammenleben mit Bürgern anderer

Nationalitäten und die damit verbundene Sprachenvielfalt, religiösen Unterschiede und das multi-

kulturelle Leben. Die Haltungen in Ost wie West sind nicht hinreichend ausländerfreundlich.

Tabelle 3.3: Anteile ausländischer Bürger (2011) und von Bürgern mit Migrationshintergrund

(2010) - Deutschland -

Bevölkerung ausländische Bürger Bürger mit

Migrationshintergrund

2011 2011 2010

1.000 1.000 % 1.000 %

Deutschland 81.830 7.370 9,0 15.746 19,3

früheres Bundesgebiet (inkl. Berlin) 69.018 7.050 10,2 15.156 22,0

neue Länder (ohne Berlin) 12.812 320 2,5 590 4,6

Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 1, Reihe 2 - Ausländische Bürger 2011 - Wiesbaden 2012, Fachserie 1, Reihe 2.2 - Bevölkerung

mit Migrationshintergrund 2010, Wiesbaden 2011

Zur Vielfalt des Lebens in Deutschland gehören - in Westdeutschland aufgrund der Einwanderungspo-

litik der 50er und 60er Jahre nicht vergleichbar mit dem Osten - das Zusammenleben mit Bürgern

anderer Nationalitäten, Staatsangehörigkeiten und ethnischen Gruppen, die damit verbundene Spra-

chenvielfalt, religiösen Unterschiede und Kulturen. Bis in die Gegenwart ist die Haltung zu Auslän-

dern beliebtes Spielfeld für politische Auseinandersetzungen, die sich mit der deutschen Einheit ver-

stärkt haben.

Im Verlaufe der friedlichen Revolution wandelten sich die Losungen rasch von „Wir sind das Volk“

in „Wir sind ein Volk“ und folgten damit - aus Sicht der Akteure unbewusst - einer Diktion, die - unter

Einschluss der hohen Ausländeranteile - nicht „Wir sind eine Bevölkerung“ forderten, sondern auf

„deutsch sein“ setzten und der Anfang einer „neuen Ausgrenzung“ ausländischer Bürger war. 20 Jahre

81 Schröder, Richard: Die Gesellschaft im Osten ist atheistisch, in: R. Schröder: Die wichtigsten Irrtümer über die deutsche

Einheit, Verlag Herder, Freiburg i.B. 2007, S. 215.

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3 Integration - Identifikation

86

5 bis 14,9 %

15 bis 19,9 %

20 bis 24,9 %

unter 5 %

25 % u.dar.

Anteil der Bevölkerung mit

Migrationshintergrund - 2010

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 , Reihe 2 .2 , Bevö lkerung und Erwerbstätigkeit,

Bevö lkerung mit Migrationsh in terg rund , Ergebn isse des Mikrozensus 2010 , W iesbaden 2011

Anteil ausländischer Bevölkerung

an der Bevölkerung - 2011

3 bis 7,4 %

7,5 bis 9,9 %

10 bis 12,4 %

unter 3 %

12,5 % u.dar.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2, Ausländische

Bevölkerung 2011, Wiesbaden 2012

später werden diese Bürger - vor allem in den alten Bundesländern Beheimateten - feststellen82

, dass

die von ihnen erbrachten Leistungen für die Bundesrepublik abgewertet werden, dass aus der alten

ethnisch-sozialen Konstellation (Westdeutsche - Ausländer) plötzlich eine Dreierkonstellation gewor-

den ist (Westdeutsche - Ostdeutsche - Ausländer). So wie Ausländer in der alten Bundesrepublik ge-

nutzt wurden, um Druck auf deutsche Arbeiter zu machen, werden jetzt die Ostdeutschen genutzt, um

Druck zu machen (gegen Ausländer und Westdeutsche)83

. Ausländer werden wieder als eine keines-

wegs unbedeutende Ursache für fehlende Arbeitsplätze, für niedrige Löhne, für die sozialen Probleme

charakterisiert. Letztendlich führte das dazu, dass schon integrierte Ausländer sich wieder ihrer natio-

nalen Herkunft besinnen und ethnische Aspekte für sie an Gewicht gewinnen, wie auf der anderen

Seite die neu entstandene Ostidentität sich sowohl an den Westdeutschen reibt, wie sie sich zugleich

gegenüber Ausländern „überhebt“. Obwohl eigene Erfahrungen im Umgang mit Ausländern weitge-

hend fehlen, werden sie als eine Ursache für soziale Probleme im Osten angesehen.84

Deutschland ist sowohl

• durch den realen Anteil an ausländischer Bevölkerung,

• den Anteil an Bürgern mit Migrationshintergrund als auch

• die Haltung zum Zusammenleben mit ausländischen Bürgern

in Ost und West gespalten.

Abbildung 3.5: Anteil ausländischer Bevölkerung (2011) und der Bevölkerung mit

Migrationshintergrund in Deutschland (2010) - in Prozent -

Insgesamt beträgt der Anteil von ausländischen Bürgern (2011) rd. 9,0 %, darunter in Westdeutsch-

land 10,2 % und in Ostdeutschland 2,5 %. Aufgrund der jahrzehntelangen Immigration und Integration

von Bürgern überwiegend mit ausländischer Herkunft - zumindest in Westdeutschland - betrug der

Anteil der Bürger mit Migrationshintergrund im Jahr 2010 rd. 19,3 % in Deutschland, darunter 22,0 %

in Westdeutschland und 4,6 % in Ostdeutschland (ohne Berlin). Das heißt, im Osten lebten im Jahr

2011 nur 4,5 % aller in Deutschland lebenden Ausländer, und 2010 waren es 3,7 % aller Bürger mit

Migrationshintergrund.

82 Vgl. hierzu detaillierter: Cil, Nevim: Türkische Migranten und der Mauerfall, APuZ, 21-22-2009, S. 40 ff. 83 Vgl. ebenda, S. 43. 84 Vgl. hierzu detaillierter: Winkler, Gunnar: Einstellungen zu Ausländern und rechtsextremistische Auffassungen in den

neuen Bundesländern, Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 133, Düsseldorf 2007.

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3 Integration - Identifikation

87

Über den Zeitraum seit 1992 hat sich in den neuen Ländern und Berlin-Ost insgesamt eine generelle

Reduzierung der ausländerunfreundlichen Haltung - bezogen auf die Frage „gibt es zu viele Ausländer

in Deutschland“ - in allen Altersgruppen ergeben.

Abbildung 3.6: Es gibt in Deutschland zu viele Ausländer - nach Altersgruppen - neue Bundeslän-

der und Berlin-Ost - 1992 bis 2012 - in Prozent - (nur Antwort: „trifft voll zu”)

Datenbasis: sfz/leben 1992-2012 (gew.)

Dabei ist aber auch erkennbar, wie z.B. in einer Periode steigender Jugendarbeitslosigkeit - 2002 mit

rd. 1/2 Million in Deutschland lebenden unter 25-jährigen Arbeitslosen bei einer Quote in Ostdeutsch-

land von 40 % - ausländerunfreundliche Positionen steigen. Das gilt z.B. auch für Nullrunden und

Durststrecken in der Rentenpolitik (ältere Bürger 2007) oder die Jahrgänge 1947 bis 1961 in der Phase

um 1997 als Hauptbetroffene der neuen Arbeitsmarktpolitik.

Nach wie vor ist jedoch die Haltung zu Ausländern hinsichtlich positiver und negativer Einflüsse von

ausländischen Bürgern in Deutschland zweigeteilt zwischen Ost und West. Diese sind insgesamt ge-

prägt von

der Forderung, dass sich Ausländer den hiesigen Gegebenheiten mehr anpassen. Diese Position

wird im Osten von 69 % unterstützt, in Niedersachsen von 62 % - nur ein geringer Bevölkerungs-

teil verneint diese Forderung.

Charakteristischer sind negative Bewertungen zur Rolle und zum „Verhalten“ ausländischer Mit-

bürger. So stimmen 36 % der Bürger in den neuen Ländern und 27 % in Niedersachsen der Auf-

fassung voll zu, dass es „zu viele Ausländer“ in Deutschland gäbe und „ihre Zahl in den nächsten

Jahren reduziert werden müsse“, zwischen 30 % (Ost) und 35 % (Niedersachsen) stimmen dem

teilweise und nur 25 % (Ost) bzw. 32 % aus Niedersachsen stimmen dem nicht zu. Analoge Aus-

sagen werden von den Befragten dazu getroffen, dass „Ausländer viele soziale Probleme ver-

schärften“ (34 % Ost/28 % Niedersachsen geben dieser Aussage volle Zustimmung). Der Auffas-

sung, dass Ausländer „unsere“ sozialen Leistungen ausnutzen und auf „unsere“ Kosten leben, ge-

ben 30 % im Osten und 21 % in Niedersachsen ihre volle Zustimmung.

Positive Wertungen hinsichtlich des Zusammenlebens mit ausländischen Bürgern und ihrer Inte-

gration in die Gesellschaft werden nur in geringem Maße getroffen. Dass sie das Leben berei-

chern, sehen nur 16 % im Osten und 21 % in Niedersachsen, bzw. zum Wohlstand in Deutschland

beitragen nur 17 % (Ost) bzw. 24 % in Niedersachsen.

53 44

59 67

51 42

58 52

47 50 47 44 43 38

43 49

36 40 41 35

insgesamt 18-30 Jahre 50-65 Jahre 65 Jahre u.ält. 0

10

20

30

40

50

60

70

1992 1997 2002 2007 2012

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3 Integration - Identifikation

88

Dass Deutschland aufgrund des Elends in vielen Teilen der Welt mehr Ausländer aufnehmen soll-

te, unterstützen nur 4 % der Ostdeutschen - im Gegensatz zu 7 % aus Niedersachsen (was auch

schon nicht viele sind) voll.

Tabelle 3.4: Positionen zu ausländischen Bürgern in Deutschland - nach Altersgruppen

und Regionen - 2012 - in Prozent - (nur Antwort: „stimme ich voll zu“)

neue Länder und Berlin-Ost Niedersachsen

insge-

samt

18 bis 40

Jahre

40 bis 60

Jahre

60 Jahre

u. ält.

insge-

samt

18 bis 40

Jahre

40 bis 60

Jahre

60 Jahre

u. ält.

Ausländer sollten sich den

hiesigen Lebensgewohn- heiten mehr anpassen.

69 62 70 74 62 58 61 67

In Deutschland leben zu

viele Ausländer. Ihre Zahl sollte in den nächsten

Jahren kleiner werden.

36 37 34 39 27 29 25 27

Ausländer verschärfen

viele soziale Probleme. 34 34 34 34 28 32 25 27

Ausländer nutzen unsere sozialen Leistungen aus

und leben auf unsere

Kosten.

30 28 31 31 21 24 20 19

Ausländer tragen durch

ihre Arbeit zu unserem

Wohlstand bei.

17 13 21 17 24 23 28 22

Ausländer bereichern

unser Leben. 16 20 16 12 21 23 25 14

Aufgrund des Elends in vielen Teilen der Welt

muss Deutschland mehr

Ausländer aufnehmen.

4 4 3 4 7 11 6 5

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Die Untersuchungen belegen, dass generell die Haltung jüngerer Menschen zu Ausländern sowohl in

den neuen Bundesländern, vor allem aber in Niedersachsen freundlicher ist als die älterer Menschen -

obwohl auch sie nicht hinreichend integrativ ist. Das verbreitete Klischee von einer Jugend, die sich -

im Gegensatz zu den „Älteren“ - stärker gegen Ausländer in der Bundesrepublik wendet, ist nicht zu

belegen.

Insgesamt ist die Haltung der Bürger - der neuen wie der alten Bundesländer - nicht ausländerfeind-

lich, aber auch nicht hinreichend ausländerfreundlich - ohne Extremhaltungen leugnen oder rechtferti-

gen zu wollen.

Das tritt in den Ablehnungen zu vorhandenen Auffassungen (stimme nicht zu - vgl. Abbildung 3.7)

noch deutlicher hervor. Die Aufnahme von weiteren Ausländern aufgrund des Elends in der Welt leh-

nen 69 % im Osten ab (Niedersachsen = 59 %), dass Ausländer auch mit zu unserem Wohlstand bei-

tragen, verneint jeder vierte Bürger im Osten und jeder dritte in Niedersachsen.

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3 Integration - Identifikation

89

Abbildung 3.7: Positionen zu ausländischen Bürgern in Deutschland - nach Regionen - 2012

- in Prozent - (nur Antwort: „stimme ich nicht zu“)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

3.2 Soziale und politische Integration

3.2.1 Bewertung der sozialen Entwicklung

Die Aussagen zu individuellem sozialen Auf- bzw. Abstieg weisen eine relativ hohe Übereinstim-

mung in Ost wie West auf. Stagnierende Entwicklungen und die Politik der Sozialreformen haben

in Ost wie West zu absinkenden Anteilen „sozialer Aufsteiger“ geführt.

Tabelle 3.5: „Wie bewerten Sie Ihre eigene Entwicklung in den letzten fünf Jahren?“

- nach Regionen - 2012 - in Prozent -

als sozialen

Aufstieg

eher als sozia-

len Abstieg

weder/noch trifft

nicht zu

ohne

Antwort

neue Länder 18 19 53 8 2

Niedersachsen 21 20 49 8 2

neue Länder

Geschlecht

weiblich

männlich

17

19

18

19

54

52

8

8

2

2

Alter

25 bis 39 Jahre

40 bis 49 Jahre

50 bis 59 Jahre 60 Jahre und älter

34

20

11 7

12

18

29 21

47

49

55 56

4

10

5 13

3

3

- 3

Erwerbsstatus

erwerbstätig

arbeitslos/apM

26

8

14

42

55

42

5

7

1

-

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Die Aussagen zu individuellem sozialen Auf- bzw. Abstieg weisen - bezogen auf alle Bürger ab

18. Lebensjahre - eine relativ hohe Übereinstimmung in Ost wie West auf. Im Vergleich der letzten

5 Jahre sehen für sich 18 % in Ostdeutschland und 21 % in Niedersachsen die Entwicklung als sozia-

len Aufstieg an, 19 % in Ostdeutschland und 20 % in Niedersachsen bewerten ihre Entwicklung vor-

59

32

19

16

17

21

3

69

25

25

19

13

12

2

0 10 20 30 40 50 60 70 80

neue Länder Niedersachsen

Deutschland sollte aufgrund des Elends in der Welt mehr Ausländer aufnehmen

Ausländer tragen durch ihre Arbeit zu unserem Wohlstand bei

Ausländer bereichern unser Leben

Ausländer nutzen unsere soz. Leistungen aus und leben auf unsere Kosten

in Deutschland leben zu viele Ausländer, ihre Zahl sollte kleiner werden

Ausländer verschärfen viele soziale Probleme

Ausländer sollten sich den hiesigen Gewohnheiten mehr anpassen

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3 Integration - Identifikation

90

rangig als sozialen Abstieg - mehrheitlich wird die Aussage „weder/noch“ getroffen (Ost = 53 %, Nie-

dersachsen = 49 %).

Bei den getroffenen Aussagen einzelner sozialer Gruppen hinsichtlich ihres sozialen Aufstiegs sind die

Unterschiede z.T. deutlich. Das betrifft z.B. (vgl. Abbildung 3.8) die überdurchschnittliche Bewertung

der höheren Einkommensgruppen im Osten, der Selbstständigen sowie der Erwerbstätigen, welche

offensichtlich bereits ihren Status mit sozialem Aufstieg gleichsetzen.

Der soziale Abstieg überwiegt in der Bewertung ihrer Entwicklung gegenüber dem Aufstieg vor allem

in Ost wie West (Niedersachsen) bei: Arbeitslosen (42 % Ost/47 % Niedersachsen), Bürgern im Alter

zwischen 50 und 60 Jahren (29 % Ost/33 % Niedersachsen), in kleinen Gemeinden Lebenden (25 %

Ost/30 % Niedersachsen) sowie unteren Einkommensgruppen (im Bereich der Armutsrisikoschwelle -

31% Ost/31 % Niedersachsen) und Alleinerziehenden (28 % Ost/31 % Niedersachsen). Die Unter-

schiedlichkeit der Bewertung zwischen Ost und West ist bei den sich als „Absteiger“ Fühlenden wei-

taus geringer als Differenzierungen beim sozialen Aufstieg.

Abbildung 3.8: „Wie bewerten Sie Ihre Entwicklung in den letzten fünf Jahren?“ - nach Regionen

- 2012 - in Prozent - (nur Antwort: „als Aufstieg“)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

3.2.2 Qualifikationsstrukturen

Insbesondere das berufliche Qualifikationsniveau unterscheidet sich zwischen Ost und West vor

allem aufgrund der Unterschiedlichkeit des Niveaus vor 1990 besonders bei Frauen. Erwerbsstruk-

turen haben sich bereits stärker angeglichen.

Bildungsstrukturen

Während bei der schulischen Bildung eher Unterschiede in den Schulstrukturen und deren Bezeich-

nung liegen, treten bei den beruflichen Qualifikationen deutlichere Unterschiede zwischen Ost und

West hervor. Das berufliche Ausbildungsniveau in Deutschland ist (2011) nach wie vor gespalten. So

beträgt lt. offizieller Statistik der Anteil der Bürger ab 15. Lebensjahr mit beruflichem Abschluss in

den neuen Ländern und Berlin-Ost rd. 82 %, in den alten Bundesländern und Berlin-West rd. 70 %.85

85 Datenbasis: Statistisches Bundesamt, Bildungsstand der Bevölkerung, Wiesbaden 2011, Tab. 3.2.2.

34

34

32

32 31

26 26

25

24 24

23 22

22

12 10

3

indiv. Eink über 2.000 - Ost 25-39 Jahre - Ost

25-39 Jahre - West

Bevölk. von Großstädten - West Selbstständige - Ost

indiv. Einkom. über 2.000 - West

Erwerbstätige - Ost Beamte - Ost

Hochschulabschluss - Ost Bevölk. von Großstädten - Ost

Hochschulabschluss - West Selbstständige - West

Erwererbstätige - West

Arbeitslose - West Beamte - West

Arbeitslose - Ost

0 5 10 15 20 25 30 35 40

neue Länder Niedersachsen

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3 Integration - Identifikation

91

Eine detaillierte Analyse verweist dabei auf Folgendes86

:

Insbesondere ab 40. Lebensjahr werden zwischen Ost und West unterschiedliche Strukturen sich-

tbar, welche nachhaltig wirken - durch generell geringere Anteile von Bürgern ohne beruflichen

Abschluss im Osten bei höheren Anteilen mit Berufsausbildung - das sind insbesondere „Nach-

wirkungen“ der „Bildungsexpansion in der DDR, die von Anfang an auch Frauen einbezogen

hat“87

.

Dabei gilt für den Osten wie den Westen, dass Männer nicht nur über höhere Ausbildungsquoten

verfügen, sondern auch über einen größeren Anteil an höher Qualifizierten - aber bei wesentlich

geringeren Unterschieden im Vergleich zu den Frauen in den neuen Ländern (inkl. Berlin). So ver-

fügen im Osten nur 16 % der Männer und 20 % der Frauen über keinerlei beruflichen Abschluss -

dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um alle Altersgruppen ab 15. Lebensjahr handelt. Die

Vergleichswerte für die alten Bundesländer liegen für Frauen bei 34 % und für Männer bei 24 %.

Der Anfang der 90er Jahre gepriesene „Gleichstellungsvorsprung“ der Frauen im Osten88

(trotz

patriarchalischer Grundstrukturen) wurde allerdings bis in die Gegenwart schrittweise abgebaut.

Trotzdem haben Arbeit und Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und familiären Aufgaben für Frauen

im Osten noch einen hohen/höheren Stellenwert.

Mit der Übernahme marktwirtschaftlicher Strukturen wird die allgemeine berufliche Bildung im

Osten zu einem Auslaufmodell durch Anpassung. Vor allem die Altersgruppen ab 50. Lebensjahr

weisen in den neuen Ländern nur geringe Anteile von Bürgern ohne jeglichen beruflichen

Abschluss auf. Das betrifft bei Frauen z.B. in der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen 8 % der

Frauen und 5 % der Männer - im Vergleich im früheren Bundesgebiet: 24 % der Frauen und 12 %

der Männer.

Kennzeichnend ist aufgrund der spezifischen Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung darüber

hinaus, dass eine Vielzahl von Frauen und Männern in den neuen Ländern nach 1990 eine andere

neue bzw. zweite berufliche Laufbahn einschlagen musste (über 50 % aller Erwerbstätigen) und

demzufolge in vielen Fällen eine Doppel- bzw. Mehrfachqualifikation vorliegt.

Abbildung 3.9: Bevölkerung nach beruflichem Abschluss - ab 15. Lebensjahr - 2011 - in Prozent -

Datenbasis: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 4.1.2, Wiesbaden 2012, Tabelle 3.2.2 - Mikrozensus Bevölkerung und Erwerbstä-tigkeit 2011/Eigenberechnung nach MZ_11_BAA 1-1

86 Den Aussagen liegen Eigenberechnungen auf Daten des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 1, Reihe 4.1.2, Mikrozen-

sus Bevölkerung und Erwerbstätigkeit 2011, Wiesbaden 2012, Tabelle 1.1 zugrunde. 87 Entwurf 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung - September 2012, S. 371. 88 Geißler, Reiner: Soziale Ungleichheit zwischen Frauen und Männern im geteilten und vereinten Deutschland, APuZ

14-15/1991, S. 23.

54,5

13,2 4,9 9,1

18,3

49,5

7,7 4,9

8,2 29,7

Berufsausbildung Fachschule Fachhochschule Hochschule/Promotion ohne Abschluss

früheres Bundesgebiet ohne Berlin

neue Länder und Berlin

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3 Integration - Identifikation

92

Die Entwicklung zwischen 1990 und 2000 war gleichermaßen mit einer Deindustrialisierung des Os-

tens und einer Entkollektivierung in der Landwirtschaft verbunden, bei Entwicklung der Dienstleis-

tungssphäre und der mit dem politischen System verbundenen Strukturen (vgl. Abschnitt 2.4.1 - Ta-

belle. 2.16).

Kennzeichnend dafür ist der Rückgang des Anteils an Arbeitern, Anstieg der Angestellten und He-

rausbildung einer neuen, die Sozialstruktur prägenden Angestellten-/Beamtenschicht sowie Auswei-

tung des Anteils an Selbstständigen (oft Soloselbstständige) und Freiberuflichen, Rückgang der in der

Landwirtschaft Beschäftigten von 7 % (1991) auf 2 % (neue Bundesländer ohne Berlin).

Der Anteil Selbstständiger stieg - in vielen Fällen jedoch Solo-Selbstständige mit Arbeitsförderungsin-

strumenten. Einheimische Eliten - vorrangig in den alten Ländern konzentriert auf die 50- bis

65-Jährigen - in der Wirtschaft, in der Kultur und Wissenschaft, ganz abgesehen von Staat, Justiz und

Bundeswehr sowie analogen Sicherheitsorganen, fehlen im Osten fast völlig - darüber können weder

ein Bundespräsident noch eine Bundeskanzlerin hinwegtäuschen.

3.2.3 Schichtstruktur

Die subjektiven Schichteinstufungen zwischen Ost und West reflektieren individuelle Lebenslagen

ebenso wie unterschiedliche regionale Sozialisation. Prägend für den Osten sind die Unter- und

Arbeiterschicht, für den Westen (Niedersachsen) die Mittelschicht und obere Mittelschicht.

Tabelle 3.6: Subjektive Schichtzuordnung - neue Länder und Berlin-Ost - 1992 bis 2012

(2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

neue Länder und Berlin-Ost

Nieder-

sachsen

1992 1994 2001 2005 2010 2012 2012

Unterschicht 4 2 6 11 13 11 7

Arbeiterschicht (untere Mittel-

schicht) 57 57 53 44 38 42 29

Mittelschicht 37 38 39 37 41 40 50

obere Mittelschicht/Oberschicht 2 4 3 8 8 7 14

Datenbasis: sfz/leben 1992-2012 (gew.)

Der soziale Status, den der Einzelne aufgrund seiner Position in der Gesellschaft einnimmt, die Rang-

ordnung, in die er sich selbst einordnet, sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die vor allem

aus der Position im Erwerbsprozess (Arbeiter, Angestellte, Beamte, Selbstständige), der erworbenen

Qualifikation und ihrer möglichen Nutzung für die eigene Lebensgestaltung, dem erworbenen/ererbten

Einkommen/Vermögen sowie der biografischen Entwicklung des Einzelnen (inkl. der sozialen Verän-

derungen des Einzelnen vor und nach 1990) resultieren.

Insgesamt ordnen sich 2012 in Ostdeutschland 11 % der ab 18-jährigen Bürger der Unterschicht89

zu,

42 % der Arbeiterschicht (untere Mittelschicht), 40 % der Mittelschicht und 7 % der oberen Mittel-

schicht bzw. Oberschicht (ein gesonderter Ausweis der Oberschicht scheitert an deren geringer Beset-

zung aufgrund des Fehlens einer einheimischen Oberschicht im Osten).

In Niedersachsen betragen die analogen Zuordnungen: 7 % Unterschicht, 29 % Arbeiterschicht (untere

Mittelschicht), 50 % Mittelschicht, 14 % obere Mittelschicht/Oberschicht. Die unterschiedliche Struk-

tur ist auch Ausgangspunkt der steten „Sorge“ der Politik um „die Mittelschicht“, welcher sich z.B. in

Niedersachsen die Hälfte der Bürger ab 18. Lebensjahr zuordnet (50 %) - im Gegensatz zu Ost-

deutschland, wo Unter- und Arbeiter-/untere Mittelschicht dominieren (53 %).

89 Die Gliederung der Gesellschaft in Unter-, Mittel-, Oberschicht entspricht einem Gesellschaftsmodell, welches aus Ver-

gleichsgründen zu anderen Untersuchungen übernommen wurde.

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3 Integration - Identifikation

93

Kennzeichnend für die neuen Länder ist seit 1992 sowohl der Anstieg der sich der Unterschicht Zu-

ordnenden (Stagnation der Lebenslageentwicklung und des Angleichungsprozesses bei zunehmenden

Anteilen von Bürgern in „prekären“ Arbeitsverhältnissen - insbesondere seit Beginn des letzten Jahr-

zehnts) als auch der Mittelschicht (vor allem Jüngere ordnen sich hier zunehmend ein, so wie auch

Studenten z.B. bereits der oberen Mittelschicht). Die Bürger in Ostdeutschland folgen in ihren Bewer-

tungen keineswegs nur einem aus früheren Jahren übernommenen Klassen- und Schichtmodell (Arbei-

ter und Angestellte), sondern orientieren sich durchaus an „neuen“ Strukturen und Leitbildern, aber

auch an neuen Ungleichheiten. Trotzdem gilt noch immer: „Das Bild einer durch die Klassenzugehö-

rigkeit bestimmten Lebenslage und in Klassen gespaltenen Gesellschaft (ist) in der ostdeutschen Be-

völkerung sehr viel verbreiteter als in der westdeutschen.“90

Besonders im Vergleich zu den alten Bundesländern gilt, dass der Anteil der Bürger mit einem „Kar-

riereknick“, d.h. einer zum Teil völligen Neuorientierung im beruflichen Leben, unvergleichlich höher

ist.

Abbildung 3.10: Subjektive Schichtzuordnung - nach Regionen - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 1992/2012 (gew.)

Die Daten verweisen insgesamt in Ost wie West auf beträchtliche Differenzierungen nicht nur in den

Einkommensrelationen, sondern auch in den Wohnverhältnissen (Wohnungsgröße, Eigentumsanteile)

sowie den armutsgefährdenden Anteilen an der jeweiligen Schicht.

Wenn auch die individuelle subjektive Schichtzuordnung mit entsprechend steigenden Einkommen

verbunden ist (vgl. Abbildung 3.11), so verweisen auch andere Sozialindikatoren auf unterschiedliche

Zuordnungen. Ost und West unterscheiden sich insofern nicht einfach hinsichtlich ihrer jeweiligen

„Anteile“ an den einzelnen Strukturen, sondern durch die jeweiligen „Sachverhalte“, die den Bewer-

tungen zugrunde liegen:

• so u.a. größere Wohnungen und ein höherer Eigentumsanteil an Wohnraum;

• Beamte im Westen ordnen sich anteilig eher der oberen Mittelschicht zu als im Osten;

• Facharbeiter ordnen sich im Osten stark der Arbeiter-/unteren Mittelschicht zu (51 % - Nieder-

sachsen 22 %), Hochschulabsolventen der oberen Mittelschicht/Oberschicht (im Ost zu 26 %,

Niedersachsen 49 %).

90 Vgl. Noll, H.H.: Wahrnehmung und Rechtfertigung sozialer Ungleichheit 1991-1996, in: H. Meulemann (Hrsg.): Werte

und nationale Identitäten im vereinten Deutschland, Opladen 1998, S. 67.

Arbeiterschicht/ untere Mittelschicht

Mittelschicht

obere Mittelschicht bzw. Oberschicht

neue Länder Niedersachsen

1992 2012 2012

57

2 14

4 11 7

7

42 29

Unterschicht

37 50 40

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3 Integration - Identifikation

94

Abbildung 3.11: Subjektive Schichtzuordnung und Haushaltsnettoeinkommen - nach Regionen

- 2012 - in Euro -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

3.3 Demokratie

3.3.1 Demokratieentwicklungen und -zufriedenheit

Charakteristisch ist eine wieder ansteigende Zustimmung zur Demokratie als Wert bei niedriger

Zufriedenheit hinsichtlich demokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten und geringer Erwartungen

an Verbesserungen. Positivere Zustimmungswerte im Westen. Geringe demokratische Legitimation

durch Wahlergebnisse.

Tabelle 3.7: Demokratiebewertungen - neue Länder und Berlin-Ost - 1990 bis 2012 (2012 Ver-

gleich zu Niedersachsen) - in Prozent* -

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

Wert Demokratie

sehr wichtig/wichtig 88 66 60 62 69 71 78

in mittlerem Maße 6 23 29 23 20 19 14

unwichtig/sehr unwichtig 3 11 11 13 8 8 4

Zufriedenheit mit Demokratie

sehr zufrieden/zufrieden 8 17 15 8 16 16 32

teilweise zufrieden 41 48 52 31 33 37 37

unzufrieden/sehr unzufrieden 46 31 30 54 45 40 25

Erwartungen an Demokratie

Verbesserungen 60 19 10 4 7 9 11

keine Veränderung 13 46 48 38 46 52 54

Verschlechterungen 6 23 26 39 39 27 27

* Differenz zu 100 = ohne Antwort

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

1.125

1.651

2.357

3.374

5.209

1.303 1.677

2.277

3.316

5.085

Unter- schicht

Arbeiter-/untere Mittelschicht

Mittel- schicht

obere Mittelschicht

Ober- schicht

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000 neue Länder und Berlin-Ost Niedersachsen

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3 Integration - Identifikation

95

Große Teile der Bürger der neuen Bundesländer verfügen über Kenntnisse und Erfahrungen hinsich-

tlich der hohen Wirksamkeit von friedlichen Massenprotesten - als Form basisdemokratischer Aktio-

nen - zum Erreichen eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels sowie einer von Kompetenz und

nicht parteipolitischen Orientierungen getragenen Sacharbeit in der Zeit des gesellschaftlichen Um-

bruchs 1989/90, z.B. im Rahmen der „Runden Tische“. Zugleich erlebten sie seit 1990 die politische

Übernahme durch ein repräsentativ-demokratisches System, welches sich selbst vor allem über den

Wählerwillen als freiheitlich-demokratisch definiert. Formen außerparlamentarischer Demokratie ha-

ben - zumindest auf Bundesebene - mit Unterschieden zwischen den einzelnen Bundesländern aus

Sicht der Bürger nur einen geringen Stellenwert.

Nach 1990 gab es zunächst eine hohe Zustimmung der Ostdeutschen zur Demokratie als Grundwert

(88 %), die sich jedoch in den folgenden Jahren deutlich rückläufig entwickelte (vgl. Abbildung 3.12).

Erst mit dem Regierungswechsel 1998 erfolgte ein Aufwärtstrend, jedoch auch ein Abfall im Ergebnis

der Sozialreformdebatten auf einen Wert von 62 % (2002), mit erneutem kontinuierlichen Anstieg auf

71 % (2012).

Im Gegensatz dazu ist die Zufriedenheit mit dem Stand der Demokratieentwicklung - im Trend - auf

äußerst niedrigem Niveau (16 %) relativ stabil. Charakteristisch ist ein hohes Maß an Unzufriedenheit,

welches vor allem am Ende der rot-grünen Koalition auf 57 % anstieg - seitdem wieder abfallend auf

40 %.

Gleichfalls niedrig - wenn auch mit geringfügig steigendem Trend - sind die Erwartungen an Verbes-

serungen, vorherrschend ist die Annahme darauf, dass keine Veränderungen erfolgen.

Die politische Integration der Bürger der neuen Bundesländer ist dabei durchaus unterschiedlich -

sowohl aus Sicht einzelner sozialer Gruppen als auch der unterschiedlichen Ebenen - zu bewerten. So

ist der Bezug zum politischen System auf der Ebene der Gemeinden und Kommunen wesentlich aus-

geprägter als auf der Ebene der Bundesländer und de facto gering auf Bundesebene. Nicht zuletzt er-

hebt sich auch nach mehr als zwei Jahrzehnten immer „noch die Frage, ob die Bürger in den neuen

Bundesländern in vergleichbarer Weise wie die alten Bundesländer politisch integriert sind und in

ähnlicher Weise Zugang zum politischen Willensbildungsprozess suchen.“91

Der Vergleich der Daten 2012 zwischen den neuen Ländern und Niedersachsen ergibt:

• Demokratie hat in Niedersachsen einen höheren Stellenwert als im Osten - ohne Zweifel Ergebnis

der lebenslangen Sozialisation aller Altersgruppen. Der für den Osten ansteigende Wert reflektiert

die zunehmenden basisdemokratischen Aktionen (wenn auch mit geringem Erfolg) ebenso wie die

stete Konfrontation mit undemokratischen Entwicklungen im näheren und Nahen Osten sowie an-

deren nichteuropäischen Ländern.

• Auch die Zufriedenheit mit dem Stand der Demokratieentwicklung ist in Niedersachsen deutlich

höher als im Osten - allerdings auch hier auf einem relativ niedrigen Niveau (32 % in Niedersach-

sen - 16 % im Osten).

• In Ost wie West werden mehrheitlich keine grundlegenden Änderungen erwartet - Verbesserungen

nehmen 11 % in Niedersachsen an, 9 % im Osten.

Insgesamt erweist sich, dass eine einseitige - sich von sozialen Interessen abwendende Politik - ebenso

wie eine sich über die Interessen der Bürger und zunehmend selbst des Bundestages hinwegsetzende

Politik der Regierungskoalitionen nicht mit den Vorstellungen und Erwartungen der Bürger überein-

stimmt.

91 Vgl. Datenreport 2006, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006, S. 635.

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3 Integration - Identifikation

96

Abbildung 3.12: Stellenwert politischer Grundwerte und Zufriedenheiten - neue Länder und

Berlin-Ost - 1990 bis 2012 - in Prozent - (nur Antworten: Wert von Demokratie: „sehr wichtig“/„wichtig“

Zufriedenheit mit demokratischer Entwicklung: „sehr zufrieden“/„zufrieden“

Zufriedenheit mit eigenem politischen Einfluss: „sehr zufrieden“/„zufrieden“

Erwartung an demokratische Entwicklung: „Verbesserung“)

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012 (gew.)

Zum Inbegriff der Mehrheit der Ostdeutschen für Demokratie gehörten 1989 die grundlegenden For-

derungen der Bürger der DDR, das System der Wahlen neu zu gestalten und eine prinzipielle Neuord-

nung der Bürgerbeteiligung am gesellschaftlichen Leben zu organisieren.

Die Bürger der neuen Bundesländer haben inzwischen ihre Wahlgläubigkeit in hohem Maße abgelegt

und treten für eine deutliche Verstärkung plebiszitärer Elemente, so durch Volksentscheide und di-

rektdemokratische Elemente, ein. 2010 waren 20 % der ab 18-jährigen Bürger in Deutschland der

Auffassung, dass es reicht, alle vier bis fünf Jahre zur Wahl zu gehen - in Westdeutschland waren das

19 %, in Ostdeutschland 24 %. In Ost wie West sind es die jungen und älteren Bürger, die - wenn auch

auf niedrigem Niveau - noch die höchste Wahlgläubigkeit ausweisen.

Die abnehmende Wahlbeteiligung in den letzten Jahren ebenso wie das zunehmende Zusammenwir-

ken von Bürgern in Bündnissen und Netzwerken zeigt, dass das etablierte Parteiensystem - gleich in

welchen Koalitionsbündnissen - an Glaubwürdigkeit verloren hat. Die „demokratische“ Basis der je-

weils herrschenden Koalition ist immer geringer geworden (vgl. Abbildung 3.13).

„Die Bundesrepublik Deutschland ist eine repräsentative Demokratie“, heißt es in der Selbstdarstel-

lung des Deutschen Bundestages im Internet.

Die (nur vom deutschen) Volk gewählten Abgeordneten im Deutschen Bundestag repräsentieren das

(deutsche) Volk und treffen alle grundlegenden politischen Entscheidungen für die in Deutschland

lebenden und wohnenden Bürger, unabhängig von nationaler Herkunft. Eine direkte Demokratie im

Sinne der unmittelbaren Mitbestimmung der Bürger bzw. der Wohnbevölkerung ab einer bestimmten

Altersgruppe ist auf Bundesebene in Deutschland (z.Zt. noch) nicht vorgesehen.

1990 1991

1992 1993

1994 1995

1996 1997

1998 1999

2000 2001

2002 2003

2004 2005

2006 2007

2008 2009

2010 2011

2012 0

20

40

60

80

100

Wert, in einer demokratischen Gesellschaft zu leben

Erwartung an demokratische Entwicklung

Zufriedenheit mit Demokratieentwicklung

Zufriedenheit mit eigenem politischen Einfluss

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3 Integration - Identifikation

97

Abbildung 3.13: Anteile der Wähler-/Nichtwählergruppen und Regierungskoalitionen begründenden

Wähler - 1990/1998/2009 - in Prozent -

Quelle: Statistisches Bundesamt/Election.de/Eigenberechnungen

Damit verbunden ist:

1. Wahlberechtigt für den Deutschen Bundestag ist jeder Deutsche, der am Wahltag das

18. Lebensjahr vollendet hat und irgendwann nach dem 23. Mai 1949 mindestens drei Monate

lang ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Deutschen Demokratischen

Republik gelebt hat. Das heißt, dass insbesondere in Deutschland auch langjährig lebende Nich-

tdeutsche keine Wahlberechtigung haben - das waren 2009 rd. 5,8 Millionen in Deutschland le-

bende ausländische Bürger ab 18. Lebensjahr. Die Wahlberechtigten zum Bundestag repräsentie-

ren insgesamt nur rd. 91 % der in Deutschland 2009 lebenden 68 Millionen Bürger ab 18. Lebens-

jahr. Hervorzuheben ist, dass der Anteil der Nicht-Wahlberechtigten seit 1990 von etwas über 6 %

auf über 9,4 % angestiegen ist.

2. Die Zahl der Wahlberechtigten in Deutschland ist von 1990 bis 2009 in Deutschland von 60,4

Millionen auf 62,2 Millionen gestiegen.

3. Die Wahlbeteiligung, welche in den Jahren vor 1990 bei über 80 % lag, hat sich zwischen 1990

und 2005 auf 77 bis 79 % eingepegelt (Ausnahme 1998 mit 82,2 %) und erreichte 2009 erstmalig

nur noch einen Wert im 70 %-Bereich von 70,8 %. Bezogen auf die in Deutschland lebenden ab

18-Jährigen gingen 2009 nur 64 % zur Wahl.

4. Haupttrend seit 1990 besteht in der abnehmenden Zahl der Bürger, welche die jeweiligen Regie-

rungskoalitionen gewählt haben, was dazu führt, dass Abgeordnete der Regierungsparteien z.B.

nur noch von knapp 31 % der Bürger gewählt wurden, um repräsentativ Politik in Deutschland zu

gestalten. Im Klartext heißt das, dass

a) noch 1990 fast 40 % der Bürger die schwarz-gelbe Koalition wählten, welche die ersten Jahre

der deutschen Vereinigung gestaltete;

b) die Reform-Politik der „Agenda 20“ der rot-grünen Koalition von 1998 sich auf 35 % der in

Deutschland lebenden ab 18-Jährigen gründete und mit der „Agenda 20“ die Ausgangspunkte

für eine Hartz IV-Politik des Sozialabbaus setzte;

c) die schwarz-gelbe Koalition von 2009 noch vom Willen von rd. 31 % der Bürger getragen

wurde und den 1998 begonnenen Sozialabbau zu Lasten immer breiter werdender Schichten

weiter durchsetzte.

39,6 35,4 30,6

33,4 39,9

33,6

20,9 16,3 26,5

6,2 8,3 9,4

1990 Schwarz-Gelb 1998 Rot-Grün 2009 Schwarz-Gelb 0%

20%

40%

60%

80%

100%

Wähler-Regierungsparteien Wähler anderer Parteien Nicht-Wähler Nicht-Wahlberechtigte

Bürger ab 18. Lebensjahr

Wahlberechtigte

Wähler

Wähler der jew. Regierungskoalitionen

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3 Integration - Identifikation

98

Insgesamt stützen sich die Macht ausübenden „repräsentativen“ Koalitionen auf abnehmende, durch

Wahlen gerechtfertigte Ergebnisse und repräsentieren eine schrumpfende Bürgerminderheit.

Die Ursachen dafür liegen nicht nur im System der Ausgrenzung von (zumindest) langjährig in

Deutschland lebenden und arbeitenden ausländischen Bürgern, sondern auch im abnehmenden Ver-

trauen in die Politik.

Trotzdem bleibt: Nicht zu wählen, ist immer der völlige individuelle Verzicht auf eine - wenn auch

nur begrenzt wirkende - Mitwirkung des/der einzelnen Bürgers bzw. Bürgerin.

Tabelle 3.8: Statistik der Wahlen 1990/1998/2009

1990 1998 2009 1990 1998 2009

in 1000 in Prozent

Bevölkerung 79.753 82.037 81.802

Bevölkerung ab 18 Jahre 64.409 66.293 68.621 100 100 100

Nichtwahlberechtigte 3.972 5.530 6.453 6,2 8,3 9,4

deutsche Wahlberechtigte 60.437 60.763 62.168 93,8 91,7 90,6

Nichtwähler 13.441 10.816 18.162 20,9 16,3 26,5

Wähler 46.996 49.947 44.006 73,0 75,3 64,1

Wähler Nichtregierungsparteien 21.515 26.464 23.032 33,4 39,9 33,6

Wähler Regierungsparteien 25.481 23.483 20.974 39,6 35,4 30,6

Quellen: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011, S. 42/www.election.de/Eigenberechnungen

3.3.2 Politisches Interesse

Das politische Interesse bewegt sich stabil auf mittlerem Niveau, offensichtlich beeinflusst durch

politische Einbindung und Betroffenheit der Bürger von politischen Aktivitäten.

Abbildung 3.14: Entwicklung des politischen Interesses - nach Regionen - 1993 bis 2012

- in Prozent -

* Wertebereiche ohne Beschriftung = 1 Prozent

Datenbasis: sfz/leben 1993-2012 (gew.)

26 24 26 26 27 26 24 21 22 37 43 44 49

38 41 36 36 36 36 36 35

41 41 41 38 34 40 39

38 39

38 39 37

37

40 37 35 36 39 35 35 38

34 34 34 36 39 34 37 42 39

24 18 18 13 21 21

29 27 25 27 29 27

1 1 1 1 2 1 1 1 1 2 2 1

1993 1994

1995 1996

1997 1998

1999 2000

2001 2002

2003 2004

2005 2006

2007 2008

2009 2010

2011 2012

2012 0%

20%

40%

60%

80%

100%

sehr stark/stark mittel wenig/kein ohne Antwort

Nieder- sachsen

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3 Integration - Identifikation

99

Hervorhebenswert ist das seit 2000/2001 zunächst bis 2005 stark ansteigende politische Interesse der

Bürger der neuen Bundesländer - im Vergleich zu vorangegangenen Jahren (vgl. Abbildung 3.14), das

offensichtlich vor allem Reaktion auf die zunehmenden politischen Eingriffe in soziale Sicherungssys-

teme war (Arbeitsmarkt, Rente, Gesundheitswesen) sowie der erkennbare fehlende Willen, vorhande-

ne Probleme im Interesse von Mehrheiten lösen zu wollen. Das stärkere politische Interesse ist sicher

auch durch eine Politisierung des gesamten Lebens, durch den Terrorismus seit September 2001 und

die Art und Weise der Terrorismusbekämpfung beeinflusst worden, wie durch die Euro-Umstellung

und die Konfrontation gerade der Bürger der neuen Bundesländer mit dem „neuen Europa“. Mit der

großen Koalition sinkt das politische Interesse wieder ab - möglicherweise Reaktion auf eine Politik,

die mehr „verkündet“ anstatt zu begründen und einzubeziehen und dadurch Demokratie als defizitär

empfinden lässt.

Gleichzeitig ist erkennbar, dass Politikinteresse auch an die „Politikträchtigkeit“ der jeweiligen Jahre

gebunden ist (hohes Politikinteresse z.B. in den Jahren 2004 bis 2007 - offensichtlich mit der Betrof-

fenheit fast jedes Bundesbürgers durch Maßnahmen des Sozialabbaus verbunden), während bis 2000

ein geringeres politisches Interesse artikuliert wurde. Es waren Jahre, in denen nach raschem Anglei-

chungstempo eine gewisse Stabilisierung, aber noch kein Abbau eintrat.

Ohne in den Fehler pauschaler Akzeptanz von Kritik und Systemverbundenheit von „guten“ Bürgern

und „schlechten“ Bürgern92

zu verfallen, kann zumindest für die neuen Bundesländer (und das gilt

sicher analog auch für die alten Bundesländer) festgestellt werden:

Insgesamt ist ein ausgeglichenes starkes und mittleres politisches Interesse charakteristisch. Es sind in

beiden Regionen 36 % bzw. 35 % (Niedersachsen) der ab 18-Jährigen, welche angeben, sich „sehr

stark“/„stark“ für Politik zu interessieren, ebenso wie 35 % bzw. 38 % ein mittleres Interesse zum

Ausdruck bringen. „Wenig“ bzw. überhaupt kein Interesse äußern 29 % (Ost) bzw. 18 % (Niedersach-

sen). Das stärkste politische Interesse (sehr starkes/starkes Interesse) bringen für sich in den neuen

Bundesländern zum Ausdruck (Daten für Niedersachsen in Klammern):

• Selbstständige 61 % (51 %),

• Hochschulabsolventen 56 % (57 %),

• individuelles Netto über 2.000 Euro 51 % (51 %),

• Männer 48 % (46 %).

Am geringsten ist das politische Interesse (wenig/kein Interesse):

• bei unter 25-Jährigen 49 % (48 %),

• bei Alleinerziehenden 47 % (46 %),

• bei Arbeitslosen 46 % (34 %),

• bei unteren Einkommensgruppen unter 1.000 Euro 35 % (44 %).

Die Mitglieder von Parteien artikulieren ein überdurchschnittlich starkes politisches Interesse (70 %

Ost - 68 % Niedersachsen), Gewerkschaften (45 % in Ost wie West) und Sozialverbänden (39 % im

Osten und 47 % in Niedersachsen).

Frauen in Ost wie West sind - ihren eigenen Wertungen entsprechend - weniger stark an Politik inter-

essiert als gleichaltrige Männer (Frauen-Ost 23 %, Frauen-Niedersachsen 25 %).

Dass in Ostdeutschland sowohl im Erwerbsleben Stehende als auch Arbeitslose ein geringeres politi-

sches Interesse haben als in Niedersachsen mag sowohl mit dem geringen Organisationsgrad - insbe-

sondere Gewerkschaften - als auch einer Betriebsgrößenstruktur (viel Kleinbetriebe) und Interessen-

vertretungsstruktur (Betriebsräte) zusammenhängen, aber vor allem mit den spezifischen Erfahrungen

von z.B. Arbeitslosen in den neuen Bundesländern, dass Förderungen immer weiter zurückgefahren

wurden und keine echte Interessenvertretung wirksam geworden ist.

92 Geißel, Brigitte: Kritische Bürgerinnen und Bürger - eine Gefahr für Demokratien?, APuZ 12/2006, S. 5.

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3 Integration - Identifikation

100

Sicher spielt - wie bereits hervorgehoben - auch die stringente Politik des Sozialab- und -umbaus z.B.

in den Jahren seit Beginn des neuen Jahrtausends eine außerordentlich große Rolle. Es ist offensich-

tlich, dass mit der Betroffenheit von fast jedem Bundesbürger durch Maßnahmen des Sozialabbaus

aufgrund politischer Eingriffe in soziale Sicherungssysteme (Arbeitsmarkt, Rente, Gesundheitswesen)

zunächst ein steigendes Politikinteresse entstand, welches mit der Erkenntnis der geringen Einfluss-

chancen wieder versiegte.

3.3.3 Bürgerschaftliches Engagement

Die Vereinskultur ist insgesamt durch eine rückläufige Entwicklung in der Mitgliedschaft von Par-

teien und großen Interessenverbänden gekennzeichnet. Zugleich gibt es in Ost wie West ein keines-

wegs unbedeutendes Potenzial, das Interesse am bürgerschaftlichen Engagement bekundet.

Tabelle 3.9: Mitgliedschaften - neue Länder und Berlin-Ost - 1992 bis 2012 (2012 Vergleich zu

Niedersachsen) - in Prozent* - (ab 18. Lebensjahr) - Mehrfachnennungen vorhanden -

Mitgliedschaften

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1992 1995 2000 2005 2010 2012 2012

Parteien 6 5 5 4 4 3 8

Gewerkschaften 36 19 18 16 13 12 19

Wohlfahrtsverband n.e. 10*** 15 17 17 15 18

andere Vereine 25 21 32 41 37 39 43

Religionsgemeinschaften 29** 27 25 21 21 23 66

nirgends Mitglied 56 61 53 37 35 32 13

* die Zwischenjahre sind den jeweiligen Sozialreports zu entnehmen ** 1991 *** 1997 n.e. = nicht erhoben

Datenbasis: sfz/leben 1992-2012 (gew.)

Die bundesdeutsche Landschaft ist seit 1990 hinsichtlich des politischen und bürgerschaftlichen Enga-

gements durch deutliche Unterschiede geteilt.

Während die Mitgliedschaften in Parteien und großen Verbänden (Gewerkschaften, Sozialverbänden

sowie Religionsgemeinschaften) über den Gesamtzeitraum rückgängig sind, ist bei Vereinen insge-

samt vor allem in den neuen Ländern ein Anstieg unübersehbar. Nach 1990 setzte ein Gründungsboom

an Organisationen und Vereinen ein, der bis Ende des vorigen Jahrhunderts zu einer Vereinsdichte von

650 Vereinen je 100.000 Einwohner führte93

. Es wird von rd. 80.000 bis 100.000 Vereinen in den

neuen Bundesländern ausgegangen. Die Vielzahl von Gründungen von Vereinen nach 1990 reflektiert

Erbe und Defizite der DDR gleichermaßen wie eine neue, sich dem Westen angleichende „Vereinskul-

tur und -tätigkeit“.

Nach wie vor treten aber insbesondere im Sport- und Freizeitbereich zwischen Ost und West deutlich

unterschiedliche Mitgliedschaftsanteile auf - das gilt auch für Mitgliedschaften in Kleingartenverei-

nen, die insbesondere in den letzten Jahren z.T. sogar rückläufig sind, bei zunehmendem Leerstand/

Unvermietbarkeit.

Während in den alten Bundesländern für die Mitgliedschaft z.B. in den Gewerkschaften insbesondere

bei hohen Einkommen eine geringere Mitgliedschaft kennzeichnend ist, kann in den neuen Bundes-

ländern ein solcher Zusammenhang nicht festgestellt werden. Im Gegensatz dazu sind in den neuen

93 Vgl. Priller, Eckhard/Winkler, Gunnar: Struktur und Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Ostdeutsch-

land, in: Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“, Schriftenreihe, Bd. 6, Verlag Leske+ Bud-

rich, Opladen 2002, S. 47.

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3 Integration - Identifikation

101

Bundesländern in den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden die oberen Einkommensgruppen weniger

präsent - im Westen deutlich höher94

.

Unter Einschluss der Mitgliedschaft in Kirchen/religiösen Gemeinschaften ist der Anteil der Bürger,

welche keinem/keiner Verband/Verein/Partei angehören, in den neuen Ländern mit 32 % deutlich

größer als in Niedersachsen mit 13 %. Während Bürger im Osten, die einem Verein, Verband, einer

Religionsgemeinschaft angehören, zugleich 2,4-faches Mitglied sind, wird für Niedersachsen eine

3,2-fache Mitgliedschaft ausgewiesen (nicht zuletzt aufgrund des Anteils von Kirchenmitgliedern).

Unabhängig davon gibt es in Ost wie West ein keineswegs unbedeutendes Potenzial, welches Interesse

an bürgerschaftlichem Engagement bekundet (vgl. Abbildung 3.15). Die Bereitschaft zur Mitarbeit in

Organisationen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen hat sich von 1992 bis 2012 hinsichtlich der

Präferenzen für einzelne Bereiche nicht grundlegend verändert.

Rund 60 % der ab 18-jährigen Bürger sind bereit, sich in unterschiedlichsten Formen bei unterschied-

lichsten Zielstellungen sozial, kulturell, politisch zu betätigen - das gilt für Ost wie West gleicherma-

ßen. Drei bis vier von zehn Ostdeutschen bzw. Niedersachsen sind bereit, in Organisationen mit sozia-

ler Ausrichtung mitzuarbeiten (35 %/40 %). Das trifft fast in gleichem Maße für Freizeitorganisatio-

nen zu (28 %/31 %). Mit 19 bzw. 21 % besteht die Bereitschaft zur Mitwirkung in Organisationen zur

Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen und zu 15 % in Organisationen, welche Fraueninteressen

vertreten (gilt für Ost wie West). Deutlich geringer ist hingegen die Bereitschaft zur Mitarbeit im

Rahmen allgemeiner politischer Interessenvertretung (11 %/10 %) und in Vereinigungen mit religiö-

sen Zielstellungen (5 %/9 %).

Abbildung 3.15: „Sind Sie zur Mitarbeit in einer Organisation mit nachfolgenden Zielen bereit ...?“

- nach Regionen - 2012 - in Prozent - (nur Antwort: „ja“)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

94 Im Auftrag der Volkssolidarität Bundesverband e.V. wurde 2012 eine spezielle Studie zum Wirken der Sozial- und

Wohlfahrtsverbände durch das SFZ erarbeitet.

35

11

28

19

5

15

40

10

31

21

9

15

soziale Aufgaben

pol. Interessenvertr.

Freizeitinteressen

Arb.nehmerinteressen

religiöse Ziele

Fraueninteressen

0 10 20 30 40 50

neue Länder Niedersachsen

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3 Integration - Identifikation

102

3.3.4 Parteien

Die Parteienlandschaft in Deutschland hat sich nach 1990 durch Bildung neuer Parteien neu

strukturiert mit unterschiedlicher Akzeptanz in Ost und West.

Tabelle 3.10: Mitglieder und Sympathisanten der Parteien - neue Länder und Berlin-Ost - 1990 bis

2012 (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent - (Mehrfachantworten möglich)

Mitglieder und Sympathisanten

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1990 1995 2000 2005 2010 2012 2012

CDU 11 24 20 25 27 24 29

SPD 46 36 26 25 27 36 45

FDP 9 5 7 13 14 7 9

B90/Die Grünen 22 32 12 17 27 25 36

DIE LINKE 14 20 25 31 38 27 9

Piraten - - - - - 16 17

Rechte 2* 1 3 7 6 6 3

* 1991

Datenbasis: sfz/leben 1990-2012

Mit der deutschen Vereinigung veränderte sich die (alt-)bundesdeutsche Parteienlandschaft grundle-

gend. Kennzeichnend ist seitdem ein durchgängiger Rückgang der Mitgliedschaften aller Parteien seit

1990 bis 2011 auf 65 %. Das betrifft bei der CDU/CSU einen Rückgang auf 65 %, der SPD auf 51 %,

der FDP auf 38 %, der Partei DIE LINKE auf 25 %. Nur Bündnis 90/Die Grünen erhöhte die Mitglie-

derzahlen auf fast 60.000 (144 %) sowie die Piratenpartei auf rd. 30.000 Mitglieder. Zugleich erhöhte

sich der weibliche politisch engagierte Teil (Frauenanteil 2010: Bündnis 90/Die Grünen 37 %, DIE

LINKE 37 %, SPD 31 %, CDU 26 %, FDP 23 %, CSU 19 %)95

.

Abbildung 3.16: Entwicklung von Mitgliedschaften der Parteien in Deutschland - 1990 bis 2011

- in 1000 -

Quelle: Niedermayer, Oskar: Parteimitglieder in Deutschland: Version 2011, Arbeitshefte aus dem Otto-Stammer-Zentrum, Nr. 18, FU

Berlin 2011, S. 4-13 sowie neueste Informationen

95 Datenbasis für Eigenberechnung: Niedermayer, Oskar: Parteimitglieder in Deutschland: Version 1/2011, Arbeitshefte aus

dem Otto-Stammer-Zentrum, Freie Universität Berlin, Nr. 19 sowie www.statista.com

790

485

186

154

943

485

168

63

41

59

281

69 30

1990

2011

Christlich Demokratische Union Christlich Soziale Union Sozialdemokratische Partei Deutschlands Freie Demokratische Partei Bündnis 90/Die Grünen DIE LINKE Piratenpartei Deutschland

30

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3 Integration - Identifikation

103

Charakteristisch sind insgesamt:

• die entstandene 6-Parteienlandschaft zunächst aufgrund der Etablierung der Partei DIE LINKE

(bzw. PDS) als drittstärkste Partei in Deutschland mit 69.000 Mitgliedern und zweitstärkste Kraft

im Osten (35.000), insbesondere nach Ausweitung der DIE LINKE im Westen durch die Vereini-

gung von PDS und WASG sowie die Etablierung der Piratenpartei in Landesparlamenten seit

2010;

• eine zunehmende Vielfalt von Regierungsbündnissen unterschiedlichster Koalitionen auf Landes-

ebene sowie die Akzeptanz der Partei DIE LINKE auch als Verantwortungsträger z.B. in Regie-

rungsverantwortung auf Landesebene (Brandenburg, zeitweise Berlin, Mecklenburg-Vorpom-

mern);

• Erstarken nicht parteienorientierter/-gebundener „Bürgerbewegungen“ vor allem auf kommunaler

Ebene.

Die Bewertung nach dem Einsatz der Parteien für grundlegende Probleme Deutschlands aus der Sicht

der Bürger lässt hinsichtlich der Ost-West-Bewertungen folgende grundlegende Kompetenzzuordnun-

gen erkennen (jeweils die Partei, welche an erste Stelle gesetzt wurde):

• eine relativ hohe übereinstimmende Zuordnung von Kompetenz der CDU für wirtschaftlichen

Aufbau (Ost 34 %/Niedersachsen 42 %);

• generell anerkennende Kompetenzzuordnung von breiten Teilen der Bevölkerung an die SPD in

Bezug auf Abbau von Arbeitslosigkeit (29 % Ost/35 % Niedersachsen) und Wahrnehmung von

Familieninteressen (23 % Ost/32 % Niedersachsen);

• Zuordnung der Sozialkompetenz an die SPD im Westen (soziale Gerechtigkeit 41 %/Umbau der

sozialen Sicherungssysteme 35 %) und DIE LINKE im Osten bezogen auf soziale Gerechtigkeit

(24 %), während die Kompetenz für den Sozialumbau im Osten auch auf die SPD fällt (25 %);

• FDP und Bündnis 90/Die Grünen werden hinsichtlich ihrer Kompetenz seitens der Bürger in Ost

wie West eher nachgeordnet;

• über den Zeitraum seit 2000 sind für den Osten (Westdaten liegen nicht vor) zum Teil gegenläufi-

ge Entwicklungen feststellbar - während die wirtschaftliche CDU-Kompetenz seit 2000 aus Sicht

der Bürger zugenommen hat, nimmt die Kompetenz der SPD parallel dazu ab;

• eine starke an der jeweiligen Partei orientierte Bewertung seitens der jeweiligen Stamm-

Sympathisanten der Befragten, d.h. der SPD-Stamm hält die SPD für kompetent, der CDU-Stamm

die CDU usw.

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3 Integration - Identifikation

104

3.4 Institutionenvertrauen

Das Vertrauen in die gewählten Institutionen auf Bundes- und Landesebene ist in Deutschland

generell gering - wenig und kein Vertrauen sind dominant in der Meinung der Bürger. Polizei und

Gerichten wird demgegenüber ein höheres Vertrauen entgegengebracht. Die Vertrauensbasis im

Osten ist geringer als im Westen.

Tabelle 3.11: „Wie viel Vertrauen haben Sie in nachfolgende Institutionen?“ - nach Regionen - 2012

- in Prozent -

volles

Vertrauen

viel

Vertrauen

etwas

Vertrauen

sehr wenig

Vertrauen

überhaupt

kein Ver-

trauen

ohne Ant-

wort

neue Länder

Bundespräsident 10 27 32 15 12 5

Bundestag 1 12 33 32 17 4

Bundesregierung 1 17 31 32 16 3

Landesregierung 2 17 42 24 11 4

Stadt-/Gemeindeverwaltung 4 26 43 16 8 4

Polizei 8 38 38 12 4 1

Gerichte 5 27 37 20 9 4

Jahn-(Birthler-/Gauck-)

Behörde 3 18 24 14 18 23

Niedersachsen

Bundespräsident 19 34 26 11 7 4

Bundestag 4 18 36 24 12 6

Bundesregierung 6 20 32 24 14 4

Landesregierung 4 20 40 21 10 5

Stadt-/Gemeindeverwaltung 5 29 41 13 7 5

Polizei 19 47 20 7 4 3

Gerichte 12 42 24 12 5 4

Jahn-(Birthler-/Gauck-)

Behörde 6 22 23 11 5 33

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Institutionenvertrauen reflektiert naturgemäß die eigenen Erfahrungen und die anhand der individuel-

len Erwartungen vorgenommene Bewertung der Tätigkeit von überwiegend staatlichen bzw. im Auf-

trag des Staates handelnden Institutionen ebenso wie das dazu über Medien vermittelte Bild (auch in

Abhängigkeit, an welchen Medien sich der Einzelne orientiert).

Kennzeichnend für die Positionen der Bürger der neuen Bundesländer wie für Niedersachsen ist:

• Eine relativ geringe Zahl von Bürgern hat „volles“ oder „viel Vertrauen“ in die jeweiligen Institu-

tionen (Ausnahme: Polizei/Gerichte), sondern eher „etwas“, „wenig“ und fehlendes Institutionen-

vertrauen. Die Vertrauensbasis in Niedersachsen ist höher als in den neuen Ländern.

• In den Bundestag haben „volles“/„viel Vertrauen“ 13 % der Ostdeutschen und 22 % der Nieder-

sachsen - „wenig“/„kein Vertrauen“ haben 49 % der Ostdeutschen bzw. 36 % der Niedersachsen.

• Die Bundesregierung besitzt das Vertrauen von 18 % (Ost) und 26 % (Niedersachsen) - „wenig“/

„kein Vertrauen“ zu ihr haben 48 % (Ost) und 38 % in Niedersachsen.

• Der Bundespräsident besitzt das Vertrauen von 53 % der Bürger in Niedersachsen und 37 % im

Osten.

• 19 % der Landesregierungen-Ost und 24 % der Landesregierung Niedersachsen besitzen das „vol-

le“/„viel“ Vertrauen ihrer Bürger.

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3 Integration - Identifikation

105

Oft wurde den Ostdeutschen eine tief verinnerlichte Institutionenskepsis zugeschrieben, die mit der

Überpolitisierung gesellschaftlicher Verhältnisse in der DDR begründet wird. Die Aussagen in Ost

und West verweisen darauf, dass die mit Wahlen an die Politik gestellten Erwartungen und die danach

nicht eingelösten Versprechen einerseits sowie die radikalen Eingriffe in das soziale Sicherungssystem

und nicht gelöste Arbeitsmarktprobleme andererseits die kritische und auf Distanz gehende Haltung

vertieft haben.

Fest steht, dass der Bürgerwille sich mehr und mehr in entsprechenden neuen und alten Formen

(Volksabstimmungen, Netzwerke, Bürgervereinigungen, Interessenverbände) durchzusetzen beginnt.

Am höchsten ist das Vertrauen in die Arbeit der Polizei (Ost 46 %/Niedersachsen 66 %) und Gerichte

(Ost 32 %/ Niedersachsen 54 %) - mit deutlichen Unterschieden positiver Bewertungen in Niedersach-

sen.

Die Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen - im Allgemeinen als Jahn-Behörde (vormals Gauck-

bzw. Birthler-Behörde) bezeichnet - genießt bei rd. 21 % im Osten und 28 % im Westen (Niedersach-

sen) „volles“ bzw. „viel Vertrauen“. Kennzeichnend ist hier eine hohe „Enthaltungsrate“, indem 23 %

im Osten bzw. 33 % in Niedersachsen überhaupt nicht antworten - im Osten haben darüber hinaus

32 % zur Jahn-Behörde „wenig“/„kein“ Vertrauen.

Die Haltung zu politischen Institutionen, im Besonderen der Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen, ist

überdurchschnittlich geringes Vertrauen - offensichtlich jene Altersgruppe mit der höchsten „Betrof-

fenheitsquote“ der div. Sozialreformen. Andere ältere Bürger vor allem in den neuen Bundesländern

reflektieren gemachte Erfahrungen der letzten Jahre, während in den alten Bundesländern die Älteren

eine überdurchschnittlich hohe Vertrauensquote ausweisen.

Über die Jahre seit 1990 ist nach einem Ansteigen vor allem im Zusammenhang mit der Finanz- und

Bankenkrise 2012 ein abnehmendes Vertrauen in zentrale Institutionen feststellbar.

Abbildung 3.17: Vertrauen in Institutionen - neue Länder - 1995 bis 2012 - in Prozent -

(nur Antworten: „volles Vertrauen“/„viel Vertrauen“)

* 1995 nicht erhoben

Datenbasis: sfz/leben 1995-2012 (gew.)

13 18 19

30

46

32

21 15

20 20

30

48

36

16

6 9 15

21

39

26

18

8 10

20 23 26 19

10 16

24 24 23 18

11

Bundestag* Bundes- regierung

Landes- regierungen

kommunale Behörden

Polizei Gerichte Bundesbehörde Stasi-Unterlagen

0

10

20

30

40

50

1995 2000 2005 2010 2012

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3 Integration - Identifikation

106

Insbesondere mit einer zunehmenden Macht der Medien in Bezug auf verbesserte Informationen wie

auch „Enthüllungsjournalismus“ gewinnen gedruckte und elektronische Informationsübermittlungen

an Gewicht. Hierbei werden zwei Schnittpunkte deutlich:

ein gleichfalls geringes Vertrauen in Printmedien im Osten (20 bis 25 % - in Niedersachsen

10 Prozentpunkte höher) - was sicherlich auch mit der geringen Leserquote im Osten zusammen-

hängen mag;

eine höhere Vertrauensquote in TV-Nachrichtensendungen sowohl im Osten (42 %) als auch in

Niedersachsen mit über der Hälfte der Bürger (52 %). Neuere Untersuchungen belegen die Einsei-

tigkeit von Nachrichtensendungen im öffentlich-rechtlichen wie privaten Fernsehen zugunsten der

Regierungskoalitionen96

.

3.5 Identifikation

3.5.1 Identifikationen Ost und West

Seit Mitte der 90er Jahre entwickelt sich in den neuen Ländern zunehmend eine - vor allem von

den nachrückenden jüngeren Jahrgängen getragene - Identifikation mit der Bundesrepublik

Deutschland auf geringem Niveau.

Tabelle 3.12: „Seit der Einheit sind ... Jahre vergangen. Welche Aussage trifft für Sie am ehesten

zu?“ - neue Länder und Berlin-Ost - 1997 bis 2012 - in Prozent -

1997 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

fühle mich als richtiger Bundesbürger 16 21 20 17 21 22 25 31

möchte am liebsten die DDR wiederhaben 10 6 10 13 14 11 9 8

ich möchte weder die DDR wiederhaben

noch fühle ich mich in der Bundesrepublik

schon richtig wohl

68 65 67 64 60 62 59 51

trifft nicht zu/ohne Antwort 6 8 3 6 5 5 7 10

Datenbasis: sfz/leben 1997-2012 (gew.)

Eine „neue“ gesamtdeutsche Identität hat sich weder in den neuen noch den alten Bundesländern au-

tomatisch mit der deutschen Einheit hergestellt. Die vierzigjährige Existenz zweier deutscher Staaten

bis 1990 ist eine historische Komponente, die auch noch nach mehr als 20 Jahren nach der Vereini-

gung Haltungen der lebenden Generationen in Deutschland beeinflusst. Sie reflektiert auch im Jahr

2012, dass - wie W. Brandt 1989 formulierte - immer noch zusammenwachsen muss, was zusammen-

gehört.97

Ost-/Westidentität ist nicht die spezifische Beschreibung für regionale Besonderheiten zwischen Län-

dern, die es zwischen Schleswig-Holstein und Bayern ebenso gibt wie zwischen Mecklenburg-

Vorpommern und Sachsen, sondern reflektiert die Gleich- und Ungleichheit der politischen, ökonomi-

schen und sozialen Entwicklung in den beiden Teilgesellschaften im vereinigten Deutschland. Es ist

„kein regionaler Folklorismus“98

, sondern es bestanden/bestehen - wie bereits darauf verwiesen - be-

trächtliche Unterschiede im Verhältnis zur Arbeit, zur Vereinbarkeit von Arbeit und familiären Ver-

pflichtungen, zur Religion und zur Demokratie (nicht im Sinne von Demokratieakzeptanz und dem

Stellenwert von Demokratie, sondern von Demokratieverständnis99

).

96 Vgl. „Info-Monitor 2011: Fernsehnachrichten bei ARD, ZDF, RTL und SAT 1“, Studie des IFEM Köln, in: media-

perspektiven Heft 2/2012. 97 Brandt, Willy: Rede in Berlin am 10. November 1989. 98 Greiffenhagen, Martin/Greiffenhagen, Sylvia: Zwei politische Kulturen, in: Der Bürger im Staat, Landeszentrale für

politische Bildung BW, Heft 4/2000, S. 179. 99 Kaase, Max/Bauer-Kaase, Petra: Deutsche Vereinigung und innere Einheit 1990-1997, in: Meulemann, Heiner (Hrsg.):

Werte und nationale Identität im vereinten Deutschland, Verlag Leske+Budrich, Opladen 1998, S. 252.

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3 Integration - Identifikation

107

Die sich erst nach 1990 entwickelnde Ostidentität ist Aneignung neuer Werte- und Verhaltensstruktu-

ren ebenso wie eine spezifische Form von Besitzstandswahrung im Sinne von progressiven, vom Ein-

zelnen erworbenen Denk- und Verhaltensweisen. Es ist gleichermaßen Besinnung auf frühere und

gegenwärtige, als positiv empfundene Verhältnisse und Zustände wie Einsicht in fehlerhafte, falsche

und zum Teil Menschenrechten entgegenstehende Entwicklungen. Es ist Akzeptanz erreichter Verän-

derungen nach 1990 ebenso wie Erleben von Ungleichbehandlungen, die als ungerechtfertigt gegenü-

ber einer Region aufgrund ihrer Vergangenheit betrachtet werden.

Insgesamt ist in den neuen Ländern eine relativ stabil zunehmende - Identifikation „als richtiger Bun-

desbürger“ feststellbar (1995 = 9 %/2010 = 25 %/2012 = 31 %). Vor allem in der Altersgruppe der

25- bis 35-Jährigen gibt es eine im Zeitverlauf ansteigende Bindung (2012 = 48 %), die sich von älte-

ren Altersgruppen (ab 60-Jährige 2012 = 27 %) eindeutig abhebt. Die geringe Bindung der bis

25-Jährigen mag ihre Ursache im hohen Anteil an Arbeitslosen in dieser Altersgruppe (21 % der Be-

fragten) sowie auch den „Nichterwerbstätigen“ (55 %) haben - zu berücksichtigen auch, dass rd.

100.000 dieser Altersgruppe Ostdeutschland Richtung Westen verlassen haben aufgrund fehlender

Ausbildungsplätze und ungleicher Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen.

Die Identifikation mit der Bundesrepublik ist keinesfalls eine ausschließlich traditionell historische

Komponente, sondern wird von den realen Lebensverhältnissen einschließlich der existierenden Un-

terschiede zu den alten Bundesländern beeinflusst. Höhere Einkommensgruppen fühlen sich der Bun-

desrepublik deutlich verbundener (48 %) als niedrige (22 %), ebenso wie sich Hochschulabsolventen

zu 42 % bereits als Bundesbürger fühlen (Integrationseffekt). Großstädter fühlen sich verbundener

(40 %) als Bewohner kleiner Gemeinden (16 % - „Entleerungseffekt“). Sich der der oberen Mittel-

schicht Zuordnende sehen sich zu 57 %, sich der Unterschicht Zuordnende zu 11 % als Bundesbürger.

Häufig wird Verwunderung darüber geäußert, dass sich so wenig Bürger der neuen Bundesländer

schon richtig integriert, sondern mehrheitlich als „weder - noch“ betrachten - das stellten 2012 rd.

51 % der ab 18-jährigen Bürger für sich fest. Aber Fühlen als Bundesbürger ist nicht nur Identifika-

tion mit dem Grundgesetz, sondern auch Identifikation mit den realen sozialen und ökonomischen

Verhältnissen, ist Zurechtfinden in Lebensverhältnissen mit nach 1990 veränderten, anderen Lebens-

zielen und Wertvorstellungen, ist auch Anerkennung des eigenen Lebensvollzugs durch die andere

Teilgesellschaft. Empirische Ergebnisse belegen die These, dass Ostidentität mehrheitlich weder eine

die bundesrepublikanischen Verhältnisse generell ablehnende noch eine auf Restauration alter DDR-

Verhältnisse gerichtete Bewertung einschließt.

Auch die Position, „die DDR wiederhaben zu wollen“ (liegt seit Jahren um die 10 %), ist weniger eine

pauschale Forderung an Systemwiederherstellung noch „Restposten“ von DDR-Bewusstsein. Das wird

nicht zuletzt dadurch belegt, dass diese Äußerungen vor allem an den Erwerbsstatus gebunden sind.

Mit 47 % der Arbeitslosen sowie 40 % bei Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen liegen über-

durchschnittliche Werte für „die DDR wiederhaben zu wollen“ vor, die darauf verweisen, dass die

Aussage vor allem in den gegenwärtigen sozialen Verhältnissen wurzelt und nicht in allgemeinen

„nostalgischen“ Betrachtungen. Es geht nicht um das DDR-System, sondern um eine Erwerbstätigkeit

mit entsprechendem Einkommen. Die Aussagen dokumentieren damit zugleich, dass der Teil von

Bürgern, welcher die DDR wiederhaben will, sich deutlich reduzieren würde, wenn bestimmte Le-

bensbedingungen verändert würden - z.B. durch weitere Reduzierung der Arbeitslosigkeit und von

prekären Arbeitsverhältnissen.

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3 Integration - Identifikation

108

Abbildung 3.18: „Nach mehr als 20 Jahren deutscher Einheit fühle ich mich als richtiger

Bundesbürger.“ - neue Länder und Berlin-Ost - 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Im Vergleich zu den neuen Bundesländern wollen 2012 in den alten Bundesländern (Vergleichsregion

Niedersachsen) 7 % der Bürger am liebsten die Mauer wiederhaben und 4 % der Niedersachsen fühlen

sich in der jetzigen Bundesrepublik nicht mehr richtig wohl. Charakteristisch ist für die alten Bundes-

länder, dass sich 48 % seit der Vereinigung nicht anders fühlen als vorher, d.h. die Vereinigung als

wenig bedeutend für ihre Identifikation bewerten, 26 % fühlen sich wohler bzw. jetzt erst wohl.

Tabelle 3.13: „Seit der Einheit sind mehr als 20 Jahre vergangen. Welche Aussage trifft für Sie am

ehesten zu?“ - Niedersachsen - 2012 - in Prozent -

ich möchte

am liebsten

die Mauer

wiederha-

ben

ich fühle

mich nicht

mehr richtig

wohl

ich fühle

mich nicht

anders als

vorher

ich fühle

mich

wohler

ich fühle

mich jetzt

als richtiger

Deutscher

trifft nicht

zu/ohne

Antwort

insgesamt 7 4 48 18 8 15

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Während die Antwort, dass rd. 8 % der Bürger der neuen Bundesländer die DDR wiederhaben wollen,

immer wieder für Negativ-Schlagzeilen sorgt, wird übersehen/übergangen, dass auch in den alten

Bundesländern14 (2012) 7 % der Bürger aus Niedersachsen am liebsten die Mauer wiederhaben möch-

ten und sich 4 % von ihnen in der heutigen Bundesrepublik auch nicht/nicht mehr richtig wohlfühlen.

Es sind auch in Niedersachsen vor allem die Arbeitslosen, von denen 23 % die Mauer wiederhaben

wollen. Es sind auch in Niedersachsen die Bewohner kleiner Gemeinden, welche überdurchschnittlich

(15 %) die Mauer wiederhaben wollen.

Aber es gilt auch für den Westen: Mehrheitlich will man nicht die Mauer wiederhaben, sondern eine

Wohlstandsentwicklung wie vor 1990. Ein Teil der heutigen veränderten Lebensumstände wird ein-

fach der „Vereinigung“ - im Kleinen mit der DDR und im Großen mit der Osterweiterung der EU -

angelastet und damit „Schuld“ nicht dem gegenwärtigen, sondern den vergangenen Systemen zu-

geordnet.

Die Vorstellungen des Einzelnen über die mit der deutschen Einheit zu erreichenden Veränderungen

in den gesellschaftlichen und individuellen Lebensverhältnissen waren ohne Zweifel unterschiedlich -

28 34

16

48 41

26 27 22

34 38

48

weib- lich

männ- lich

unt. 25 Jahren

25-39 Jahre

40-49 Jahre

50-59 Jahre

60 Jahre u.ält.

unt. 1.000 Euro

1.000- 1.500 Euro

1.500- 2.000 Euro

2.000 Euro u.dar.

0

20

40

60

Geschlecht Haushaltsnettoeinkommen (äquivalenzgewichtet)

insgesamt 31 %

Alter Haushaltsnettoeinkommen (äquivalenzgewichtet)

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3 Integration - Identifikation

109

das gilt im Besonderen zwischen Ost und West. So war im Osten ein relativ breites Spektrum an Vor-

stellungen zur Veränderung vorhanden - wie der Wunsch auf verbesserte Möglichkeiten, um für das

durch gute Arbeit erworbene Geld auch entsprechend dem Bedarf Waren und Leistungen zu erhalten,

um ungehindert reisen und sich politisch betätigen zu können, auf verbesserte Umweltbedingungen,

eine qualitativ bessere medizinische und gesundheitliche Betreuung usw. Im Gegensatz dazu gingen

die westdeutschen Bürger mehrheitlich davon aus, dass sich für sie nichts verändern würde. In Ost wie

West ging jedoch kaum jemand davon aus, dass grundlegende negative Einschnitte in die Lebensver-

hältnisse erfolgen würden, dass es auch Bereiche des Lebens geben könnte, in denen man hinter das

bereits 1990 vorhandene Niveau zurückfallen (z.B. Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und familiären

Verpflichtungen) und auch nach über 20 Jahren noch mit „Spätfolgen“ der Vereinigung zu tun haben

würde (z.B. im Rentenrecht).100

Abbildung 3.19: „Mehr als 20 Jahre deutsche Einheit - welche Aussage trifft Ihre Meinung am bes-

ten?“ - nach Regionen - 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

100 Vgl. Sozialreport DDR 1990 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in der DDR (Hrsg. G. Winkler), Verlag die Wirt-

schaft, Berlin 1990, Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart/München/Landsberg 1990.

31

8

51

10

7 4

48

8

18

15

neue Länder Niedersachsen 0%

20%

40%

60%

80%

100%

Als Ostdeutscher ... fühle ich mich nach 20 Jahren bereits als richtiger Bundesbürger. möchte ich am liebsten die DDR wiederhaben. möchte ich weder die DDR wiederhaben noch fühle ich mich in der Bundesrepublik schon richtig wohl. trifft nicht zu/ohne Antwort

Als Westdeutscher ... möchte ich am liebsten die Mauer wiederhaben. fühle ich mich in der jetzigen Bundesrepublik nicht mehr richtig wohl. fühle ich mich nach der Wiedervereinigung nicht anders als vorher. fühle ich mich nach der Vereinigung wohler. fühle ich mich erst nach der Wiedervereinigung richtig als Deutscher. trifft nicht zu/ohne Antwort

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3 Integration - Identifikation

110

3.5.2 Regionale Verbundenheiten

Die gefühlsmäßige Verbundenheit der Bürger ist nach wie vor stark sozialisationsbedingt. Ost-

deutschland ist für die Bürger der neuen Bundesländer, die Bundesrepublik für Bürger des frühe-

ren Bundesgebietes der Bezugspunkt. Das neue Europa wird in Ost wie West weitaus weniger an-

genommen.

Tabelle 3.14: „Wie stark fühlen Sie sich verbunden mit...?“ - neue Länder und Berlin-Ost

- 1992 bis 2012 - (2012 Vergleich zu Niedersachsen) - in Prozent -

(nur Antworten: „stark“/„ziemlich stark“)

neue Länder und Berlin-Ost Nieder-

sachsen

1992 1997 2000 2005 2010 2012 2012

Ihrer Gemeinde 74 73 74 61 63 66 63

Ihrem Bundesland 67 67 63 53 54 58 56

Ostdeutschland n.e. 80 77 67 72 70 26

Bundesrepublik 65 45 45 39 46 58 72

Europäische Union 25 20 16 18 16 22 28

* Verbundenheit mit früherem Bundesgebiet n.e. = nicht erhoben

Datenbasis: sfz/leben 1992-2012 (gew.)

Es ist ein charakteristisches Merkmal, dass sich die individuelle (territoriale/regionale) Verbundenheit

mehr am örtlichen Gemeinwesen, an der die Menschen verbindenden relativen Gleichheit der Lebens-

verhältnisse und am (regional) gemeinsam verbrachten Leben orientiert als an übergreifenden politi-

schen Strukturen (Bundesrepublik, Europa). Dabei gilt für westdeutsche Bürger (Beispiel Niedersach-

sen), dass für sie der grundlegende Bezug die „Bundesrepublik“ ist, und nicht „Westdeutschland“, sie

sind in der Bundesrepublik groß geworden und nicht im Westen, während für den Bürger der neuen

Länder der Bezug zu Ostdeutschland die Region ist, in der man groß geworden ist, gelernt, gearbeitet,

geheiratet usw. hat.

Die Bürger in den neuen Bundesländern fühlen sich - fasst man „stark verbunden“ und „ziemlich ver-

bunden“ zusammen - nach wie vor insbesondere mit Ostdeutschland verbunden (70 % aller Befragten

ab 18. Lebensjahr) - in etwa deckungsgleich mit den Bürgern der alten Bundesländer, die sich zu 72 %

mit der Bundesrepublik verbunden fühlen. Die Verbundenheit zum „Sozialisationsgebiet“ ist im Prin-

zip gleich und liegt in Ost wie West an vorderster Stelle. Wenn das Verhältnis der Ostdeutschen zur

Bundesrepublik mit 58 %iger Verbundenheit geringer ausfällt, reflektieren das aus spezifischer Sicht

die noch nicht durchgängig erreichte Integration und Identifikation.

In Ost wie West hat die „gefühlte“ Nähe zur jeweiligen Gemeinde einen hohen Stellenwert. So geben

66 % der Ostdeutschen und 63 % der Niedersachsen an, sich mit ihrer Gemeinde/Stadt stark verbun-

den zu fühlen. Auch mit dem jeweiligen Bundesland gibt es noch eine starke Verbundenheit (58 %

Ostdeutschland/56 % Niedersachsen). Die Verbundenheit mit Europa ist im Vergleich dazu deutlich

niedriger - wenn auch in Niedersachsen mit 28 % höher als im Osten (22 %) - auch Ergebnis der feh-

lenden Einbindung in den Entstehungsprozess im Osten und damit teilweise Reflexion der historischen

Entwicklung.

Es ist als „normal“ zu werten, dass die jeweilige Verbundenheit zur anderen Region gering ausfällt -

so fühlen sich Ostdeutsche zu 24 % mit Westdeutschland und Niedersachsen zu 26 % mit Ostdeutsch-

land verbunden - in etwa gleichwertig jeweils mit den anderen europäischen Ländern - d.h. die andere

„Teilgesellschaft“ wird analog wie „befreundetes Ausland“ bewertet.

Altersabhängigkeiten bestimmen vor allem die Verbundenheit der Ostdeutschen mit ihrer Region.

Während 78 % der ab 70-Jährigen sich mit Ostdeutschland stark verbunden fühlen (2012), geben das

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3 Integration - Identifikation

111

nur 63 % der unter 25-Jährigen an. Eine ganz normale Bewertung, wenn man davon ausgeht, dass

diese Altersgruppe zu DDR-Zeiten im Vorschulalter bzw. noch nicht geboren war. Trotzdem führen

die ungünstigen/ungleichen Lebensverhältnisse für einen nicht geringen Teil junger Menschen in den

neuen Ländern zu einer engen Verbundenheit zum Osten - bei Wegzug derer, welche aus unterschied-

lichsten Gründen (insbes. Ausbildungs- und Arbeitsplatz) - die neuen Länder verlassen. Auch in alten

Bundesländern (Niedersachsen) ist die Verbundenheit der unter 25-Jährigen mit der Bundesrepublik

mit 64 % deutlich niedriger als bei den ab 70-Jährigen mit 83 %.

Abbildung 3.20: „Wie fühlen Sie sich verbunden mit …?“ - nach Altersgruppen - neue Länder

- 2012 - in Prozent - (nur Antworten: „stark“/„ziemlich stark“)

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Seit der Vereinigung haben sich deutliche Veränderungen im Osten vollzogen. Während einerseits die

Verbundenheit zu Ostdeutschland trotz Rückläufigkeit nach wie vor sehr hoch ist, gibt es bezogen auf

Gemeinden und das jeweilige Bundesland doch erkennbare langfristige rückläufige Entwicklungen,

die trotz teilweiser Gegenläufigkeit den Verlust an Verbundenheit noch nicht wieder wettmachen

konnten (vgl. Abbildung 3.21). Im Gegensatz dazu sank die Verbundenheit mit der Bundesrepublik

unmittelbar nach 1990 (65 %) gegen Mitte der 90er Jahre deutlich, um zunächst weitgehend stabil

niedrig zu bleiben. Der Anstieg 2012 mag vor allem Ausdruck der Art und Weise des Umgangs der

Bundesregierung mit der Finanz- und Bankenkrise sein - nicht zuletzt durch die Vermittlung des „Un-

fähigkeitspotenzials“ in anderen europäischen Staaten (Griechenland/Italien/Spanien) und der Vermitt-

lung der „Erfolge“ der Bundesregierung in Bezug auf „Schutz“ der Bürger. Das führt auch zu einer

steigenden Verbundenheit zu Europa, im Sinne des Begreifens der gegenseitigen Abhängigkeiten.

63 65 62 71 74 78

70 65

59 52 54

60 67 64

57 57 57 56

bis 25

Jahre

25- 34

Jahre

35- 44

Jahre

45- 59

Jahre

60- 69

Jahre

70 Jahre u.ält.

bis 25

Jahre

25- 34

Jahre

35- 44

Jahre

45- 59

Jahre

60- 69

Jahre

70 Jahre u.ält.

bis 25

Jahre

25- 34

Jahre

35- 44

Jahre

45- 59

Jahre

60- 69

Jahre

70 Jahre u.ält.

0

20

40

60

80

100 Ostdeutschland Bundesrepublik Bundesland

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3 Integration - Identifikation

112

Abbildung 3.21: Verbundenheit mit der Region …. - neue Länder - 1992 bis 2012 - in Prozent

(nur Antworten: „ziemlich stark“/„stark“)

7477

7467 65

59 61 6366 67 67

63 6156 56 57

5458

80 79 77 7873

6670 72 70

65

4245

48

40 41 43 46

58

25

17 16

2522

19 1916

22

1992

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

1992

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

1992

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

1992

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

1992

1998

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

0

20

40

60

80

100Gemeinde/Stadt Bundesland Ostdeutschland Bundesrepublik Europa

Datenbasis: sfz/leben 1992-2012 (gew.)

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113

Methodik

Die Befragung erfolgte postalisch, nach einem der Bevölkerungsgröße entsprechenden Anteil in den

einzelnen Bundesländern (Random-Route-Verfahren nach Gemeindegröße repräsentativ ausgewählter

Land-/ Stadtkreise). Verteilt wurden jeweils 10.000 Fragebogen in den neuen Bundesländern und Ost-

berlin sowie der Vergleichsregion Niedersachsen. Es erfolgte ein Rücklauf von 1.668 Fragebogen

(8,3 %), von denen 1.627 Fragebogen als auswertbar in die Gesamtdatei eingegeben wurden (8,1 %),

wurde ein erwartetes Ergebnis erzielt. Die Daten wurden sowohl für die neuen Bundesländer wie für

Niedersachsen separat aufbereitet. Soweit nicht anders vermerkt werden im Material „neue Länder“

unter Einschluss von Berlin-Ost verstanden.

Befragtenstruktur - nach Regionen - 2012 - in Prozent -

neue Länder (inkl. Berlin-Ost) Niedersachsen

Gesamtprobanden 900 727

n = % 100 100

Geschlecht

weiblich

männlich

52

48

51

49

Alter

18 bis 25 Jahre

25 bis 35 Jahre

35 bis 45 Jahre

45 bis 60 Jahre 60 Jahre und älter

9

13

16

28 34

10

13

19

26 33

beruflicher Abschluss

ohne Abschluss

Facharbeiter

Fachschul-/Hochschulabschluss

16

62

22

27

61

12

Daten der Erhebung: sfz/leben 2012 (gew.)

Zugleich wurde die regionale Herkunft der Befragten erhoben und ergab, dass 1989

• von den heute in den neuen Ländern (inkl. Berlin-Ost) lebenden Befragten

- 90 % in der DDR lebten (inkl. Berlin-Ost),

- 4 % in der BRD (inkl. Berlin-West),

- 1 % im Ausland,

- 5 % seit 1989 geboren wurden,

• von den in Niedersachsen lebenden Befragten

- 84 % in der BRD (inkl. Berlin-West) lebten,

- 6 % in der DDR (inkl. Berlin-Ost),

- 4 % im Ausland,

- 6 % 1989 und später geboren.

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114

Abbildung: „Wo haben Sie 1989 gelebt?“ - nach Regionen - 2012 - in Prozent -

Datenbasis: sfz/leben 2012 (gew.)

Entsprechend eigenen Angaben besaßen in den neuen Bundesländern 1,4 % einen Migrationshinter-

grund, in Niedersachsen 4 % und liegen damit vor allem in Niedersachsen deutlich unter dem real

vorhandenem Niveau (2010 = 16,8 % insgesamt ab 1. Lebensjahr101

). Die Ursache hierfür mag sowohl

in einem nicht hinreichend vermittelten Verständnis für die Form der Befragung als auch - zumindest

bei älteren Migranten an nicht hinreichenden Kenntnissen der deutschen Schriftsprache liegen. Unzu-

reichende Integration ist ohne Zweifel auch eine Ursache.

Die Auswahl Niedersachsens als Vergleichsland ging nicht zuletzt davon aus, dass Niedersachsen im

sog. „Ranking“ in vielen Positionen den neuen Bundesländern mit am nächsten kommt und unter den

alten Bundesländern den letzten/vorletzten Platz einnimmt - wenn auch deutlich über den neuen Län-

dern. Das betrifft u.a. das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, die Bruttolöhne je Einwohner, das ver-

fügbare Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner.

Für die Tabellen gelten folgende Zeichen:

- nichts vorhanden

0 Zahlenwert größer als null, aber kleiner als die Hälfte der verwendeten Einheit

/ keine Angaben, da Zahlenwert nicht sicher genug

(n) Aussagewert eingeschränkt, da zu geringe Antworten

• keine Daten verfügbar

X nicht zutreffend

X(n) die Daten sind in einer anderen Spalte/Zeile mit enthalten.

Durch Rundungen der Daten können Abweichungen bei der Summenbildung auf 100 % entstehen

(99/101).

Im Interesse einer knappen Darstellung wurde weitgehend auf die gesonderte feminisierte Schreibwei-

se verzichtet, was nicht für den notwendigen gesonderten Ausweis der Ungleichheit von Lebensver-

hältnissen von Frauen gilt.

101 Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 2.2, Wiesbaden 2011.

90

4 1 5

84

6 4

5,5

neue Länder Niedersachsen

DDR

früh. Bund.- gebiet

Ausland

früheres Bundes- gebiet

nach 1989 geboren

nach 1989 geboren

Ausland

DDR

6

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Anlage

Im Auftrag der Volkssolidarität (Bundesverband/Landesverbände) vom Sozialwissenschaft-

lichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg herausgegebene Reports:

Seniorenreports:

Altenreport 1990 - Zur sozialen Lage von Altersrentnerinnen und Altersrentnern in der DDR, Blätter der Wohl-

fahrtspflege 10+11 1990, Stuttgart 1990

Altenreport 1992 - Zur sozialen Lage und Lebensweise älterer Menschen in den neuen Bundesländern, Morgen-

buch-Verlag, Berlin 1993

Seniorenreport 1994 - Daten und Fakten zur sozialen Lage älterer Bürger in den neuen Bundesländern, GSFP -

Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Forschung und Publizistik, Berlin 1994

Sozialreport 50+ 1996 - Daten und Fakten zur sozialen Lage von Bürgern ab dem 50. Lebensjahr in den neuen

Bundesländern, Verlag am Turm GmbH, Berlin 1996

Sozialreport 50+ 1998 - Daten und Fakten zur sozialen Lage von Bürgern ab 50 Jahre in den neuen Bundeslän-

dern, Verlag am Turm GmbH, Berlin 1998

Sozialreport 50+ 2000 - Daten und Fakten zur sozialen Lage von Bürgern ab 50 Jahre in den neuen Bundeslän-

dern, Verlag am Turm GmbH, Berlin 2000

Sozialreport 50+ 2002 - Daten und Fakten zur sozialen Lage von Bürgern ab 50 Jahre in den neuen Bundeslän-

dern, trafo Verlag, Berlin 2002

Sozialreport 50+ 2005 - Daten und Fakten zur sozialen Lage 50- bis unter 65-Jähriger in den neuen Bundeslän-

dern, trafo Verlag, Berlin 2005

Sozialreport 50+ 2007 - Daten und Fakten zur sozialen Lage von Bürgern ab 50 Jahre in den neuen Bundeslän-

dern, Berlin 2007

Sozialreport 50+ 2009 - Daten und Fakten zur sozialen Lage von Bürgern ab 50 Jahre in den neuen Bundeslän-

dern, Berlin 2009

Sozialreport 50+ 2011 - Daten und Fakten zur sozialen Lage von Bürgern ab 50 Jahre in den neuen Bundeslän-

dern, Berlin 2011

Sozialreports:

Sozialreport DDR 1990 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in der DDR, Verlag Die Wirtschaft, Berlin/Verlag

Bonn Aktuell, Stuttgart/München/Landsberg 1990

Sozialreport DDR 1992 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Morgenbuch-Verlag,

Berlin 1993

Sozialreport 1994 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, GSFP – Gesellschaft für

sozialwissenschaftliche Forschung und Publizistik, Berlin 1994

Sozialreport 1995 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, GSFP – Gesellschaft für

sozialwissenschaftliche Forschung und Publizistik, Berlin 1995

Sozialreport 1997 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Verlag am Turm GmbH,

Berlin 1997

Sozialreport 1999 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Verlag am Turm GmbH,

Berlin 1999

Sozialreport 2001 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, trafo Verlag, Berlin 2001

Sozialreport 2002 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, trafo Verlag, Berlin 2002

Sozialreport 2004 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, trafo Verlag, Berlin 2004

Sozialreport 2006 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Berlin 2006

Sozialreport 2008 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Berlin 2008

Sozialreport 2010 - Die deutsche Vereinigung - 1990 bis 2010 - Positionen der Bürgerinnen und Bürger, Berlin

2010

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Länderreports:

Sozialreport 50+ - Analyse der sozialen Lage und subjektiven Befindlichkeiten der älteren Generation in Meck-

lenburg-Vorpommern, Berlin 2000

Dokumentation: Renteneinkommen in Mecklenburg-Vorpommern 2004, Berlin 2006

Sozialreport Mecklenburg-Vorpommern 2007 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in Mecklenburg-

Vorpommern, Berlin 2007

Sozialreport Sachsen-Anhalt 2007 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in Sachsen-Anhalt , Berlin 2007

Rentenreport Mecklenburg-Vorpommern 2007 - Berlin 2008

Dokumentation: Renteneinkommen in Sachsen-Anhalt 2007, Berlin 2009

Sozialreport Sachsen 2008 - Daten und Fakten zur sozialen Lage im Freistaat Sachsen, Berlin 2008

Sozialreport Land Brandenburg 2008 - Daten und Fakten zur sozialen Lage in Brandenburg, Berlin 2008

Sozialreport Sachsen-Anhalt 2009, Berlin 2009

Publikationen/Studien:

Behinderte Menschen über 50, Berlin 1993

Informationsmaterial zur Mitgliederbefragung der Volkssolidarität, Berlin 1996

Sichere Renten für die Zukunft, Verlag am Turm, Berlin 1999

Ehrenamt in der Volkssolidarität, Berlin 2001

Potenziale der Sozial- und Wohlfahrtsarbeit - Motivation - Rahmenbedingungen - Erwartungen, Berlin 2006

Alterseinkommen - Altersarmut, Berlin 2007

Solidarität leben statt Altersarmut - sichere Renten für die Zukunft, VSA-Verlag, Hamburg 2008

Volkssolidarität gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit, Berlin 2008

Potentiale der Sozial- und Wohlfahrtsarbeit, Berlin 2008

Sozialreform und soziale Sicherungsziele, Berlin 2008

Ehrenamt in der Volkssolidarität, Berlin 2008

Rentenentwicklung und Altersarmut - Probleme und Tendenzen, Berlin 2011

Älter werden und Altsein - Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger, Berlin 2011

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Sozialreport 2012

Daten und Fakten zur sozialen Lage

in den neuen Bundesländern

Positionen der Bürgerinnen und Bürger

der neuen Bundesländer

Im Auftrag der Volkssolidarität Bundesverband e.V.

erarbeitet vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg e.V.

Titelgestaltung: Reinhard Liebscher

Gestaltung und Bearbeitung: Heidemarie Wille

Druck: City-Print Gera

Alle Rechte vorbehalten

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