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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen

Analyse und Bewertung der Potentiale zur dörfl ichen Innenentwicklung

erstellt im Auftrag der SPESSARTregional e.V. in Kooperation mit dem Main-Kinzig-Kreis

bearbeitet von:

Bededikt FleigeBjörn DannenbergDennis ElsholzHue Vanessa DinhGregor ZehrerJacqueline GriesbachJoana Arlene MöllerKader KayaKim ScharreMareike SchulzMoritz JerchowMoritz PohlmannNabila KilaniNesat Kaban

Projektleitung:

Prof. Alexander G. EichenlaubDipl.-Ing. Martin Eger

Layout:

Jacqueline GriesbachMareike SchulzMoritz Jerchow

@ 2010 Fachgebiet Entwerfen im Bestand / Denkmalpfl egeFachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität Kassel

SPESSARTregional

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Analyse und Bewertung der Potentiale

zur dörfl ichen Innenentwicklung

SPESSARTregional

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1.1 Leitbilder der Politik und Raumplanung 1.2 Demografi e im Wandel 1.3 Siedlungspolitische Problemstellung 1.4 Off ensive Flächenausweisung und Infrastrukturfalle 1.5 Trends der Wohnungsnachfrage in der Region

Aufgabenstellung, Methodik und Ablauf

Raumuntersuchung Spessart

3.1 Lagemerkmale, Gebietsabtrennung 3.2 Bevölkerungsstruktur und demographische Entwicklung 3.3 Arbeitsplatz- und Gewerbeentwicklung3.4 Infrastrukturangebot3.5 Verkehrsanbindung3.6 Ortsbild mit regional charakteristichen Bauformen und Freifl ächen3.7 Lage in der Landschaft3.8 Energieversorgung3.9 Ortsbindung der derzeitigen Bewohner3.10 Gebäudekonzepte für den Bestand / Schaff ung von wohungsnahen Freifl ächen

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen

4.1 Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Echardroth 4.2 Schlüchtern / Hutten4.3 Steinau an der Straße / Neustall4.4 Sinntal / Sterbfritz4.5 Sinntal / Altengronau4.6 Jossgrund / Oberndorf

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Szenarien künftiger Entwicklungen

5.1 Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Echardroth 5.2 Schlüchtern / Hutten5.3 Steinau an der Straße / Neustall5.4 Sinntal / Sterbfritz5.5 Sinntal / Altengronau5.6 Jossgrund / Oberndorf

Übertragbarkeit auf andere Regionen

Weiterführende Aspekte

Globalisierung, wie sie den ländlichen Raum prägt und welche Chancen sie ihm bietet

Einfl uss der Familie auf die Wahl des Wohnortes

Bioenergiedörfer - Chancen für den ländlichen Raum

Ökodörfer - Neue Wege und Identitäten

Sinus-Milieus als Hilfe bei der Entwicklungsplanung

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen

Die Notwendigkeit, über die Zukunft und die Entwicklungsmöglichkeiten der SPESSARTregion - dieser Begriff wird für die untersuchte Region überwiegend in diesem Text verwendet - nachzudenken und Entwicklungsperspektiven zu entwickeln, hat die Verbindung zur Universität Kassel und dem Fachgebiet

Entwerfen im Bestand/Denkmalpfl ege hergestellt. Unser Fachgebiet arbeitet seit Jahren für Kommunen im ländlichen Raum und unterstützt Gemeinden mit Analysen, Bewertungen und Planungen, wobei ein Schwerpunkt auf der Einbeziehung der Bevölkerung im Sinn des „bürgerschaftlichen Engagements“ liegt.

Als helfende Institution ist die Universität mit ihren überwiegend jungen Mitarbeitern in der Lage, Zukunfts-perspektiven für die Gesellschaft der nächsten Generation zu entwickeln und gleichzeitig die davon Betroff enen in den Prozess der Erstellung einzubeziehen. Außerdem wird dem Austausch von Informationen und Ansichten durch Befragung der Bürger Rechnung getragen, wobei die Schwellenangst, Auskunft bei einem Interview zu geben, gegenüber jüngeren Befragern deutlich geringer ist, zumal der Universität eine gewisse Loyalität in ihrer Rolle als „Entwicklungshelfer“ zugestanden wird. Dies führt zu realitätsnahen Ergebnissen.

Die Untersuchung beruht auf bereits erhobenen Daten und Zahlen und vergleicht mit eigenen Erhebungen

und Beobachtungen. Hinweise wurden aufgegriff en und verfolgt und dokumentiert. So ist das umfangreiche Leerstands- und Freifl ächenkataster entstanden, das ohne die Analyse und Bewertung allerdings nur zum Teil seinen Zweck erfüllt. Der andere Teil liegt in der Verwertung durch die Gemeinden, die zum Beispiel die Daten als Grundlage einer Immobilienbörse oder bei Anfragen benutzen können oder das Potential einer möglichen Bebauung innerorts ausloten können oder über die Freifl ä-chenkartierung mögliche Zuordnungen zu innerörtlichen Bauplätzen und damit einen Attraktivitätsgewinn erzielen können.

Die Untersuchung der Modellgemeinden erfolgte in Abstimmung mit SPESSARTre-gional e.V. ,wobei die Regionalmanagerin in Kontakt mit dem Main-Kinzig-Kreis stand und Begegnungen mit Kommunal-vertretern und Interessierten vermittelte. Zahlreiche Besuche und Recherchen vor Ort begleiteten die Arbeit und brachten oft überraschende Ergebnisse. Die anfängliche Skepsis gegenüber einer durch die demographische Veränderung geprägten Zukunft wich einer realistischen und von Entwicklungs-chancen getragenen Einschätzung.

SPESSARTregional Vorwort

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Ausschlaggebend waren dabei zuerst die Bereitschaft der kommunalen Vertreter zur Unterstützung, denen an dieser Stelle für ihre Mitwirkung gedankt wird und ganz besonders die Bereitschaft der befragten Bürger, die uns auf viele von uns noch nicht erkannte Umstände hingewiesen haben. Ihnen gebührt ein besonderer Dank!

Das kollegiale Verständnis mit der Regionalmanagerin und dem Main-Kinzig-Kreis hat eine unkomplizierte Zusammenarbeit ermöglicht, in der auch für die Projektgruppe wichtige Erfahrungen entstanden sind.

In der noch bevorstehenden Präsentation dieser Dokumentation, die für die Bürger in Plakaten und einer bildunterstützten Version aufbereitet wird, hoff en wir einen Beitrag zum Verständnis der Situation und zur realistischen Einschätzung der Entwicklungspotentiale des hessischen Spessart zu leisten.

Vorwort

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen

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Einleitung1.1 Leitbilder der Politik und Raumplanung

1.2 Demografi e im Wandel

1.3 Siedlungspolitische Problemstellung

1.4 Off ensive Flächenausweisung und Infrastrukturfalle

1.5 Trends der Wohnungsnachfrage in der Region

Einleitung

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen2

1.1 Leitbilder der Politik und Raumplanung

Seit dem Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen 1992 haben sich die Voraussetzungen In Deutschland und Europa entscheidend geändert und verschoben. So kann man diese Veränderungen an den vier wichtigsten Ansatzpunkten festmachen. Zum einen sind da die fortschreitende Globalisierung und der Wandel bei den staatlichen Gestaltungsmöglichkeiten, sowie auf der anderen Seite der Prozess der europäischen Integration und das allgegenwärtige Problem mit dem richtigen Umgang des demographischen Wandels. Im Zuge des fortschreitenden Globa-lisierungsprozesses verschärft sich der Wettbewerb der unterschiedli-chen Standorte und Regionen enorm. Vor allem im Hinblick auf zukünftige Investitionen und Arbeitsplatzange-bote. Dennoch muss man auch in diesem Prozess die Vorteile für den Staat erkennen. So bietet er die Möglichkeit eine neue zukunftsorientierte regionale und lokale Standortpolitik zu entwickeln und zu etablieren.Die staatlichen Gestaltungsmöglich-keiten haben sich verschoben und verringert. So wird dem globalen Trend zur fortschreitenden Liberalisierung

der Märkte, der Deregulierung und der zunehmenden Privatisierung Folge geleistet. Das hat für Deutschland engere Finanzspielräume auf dem bundesweiten Markt zur Folge. Aus diesem Grund wird zukünftig einer der Hauptansätze in diesem Punkt die Neuordnung bei der Gewährleistung von Diensten und Einrichtungen, gerade im Hinblick auf die Daseinsvorsorge, sein.(vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2006), S.1-5)Im Prozess der fortschreitenden europäischen Erweiterung wird die europäische Integration eine sich ständig ändernde und wechselnde Variable, die besondere, innovative und zukunftsori-entierte Maßnahmen benötigt. So gilt es die Weiterentwicklung, Präzisierung und letztlich auch die Umsetzung der Raum-entwicklungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene voranzutreiben. Hierbei muss man vor allem die geographischen und infrastrukturellen Lagevorteile erkennen und innerhalb der EU vertreten und vorantreiben.Neben all diesen Ansatzmöglichkeiten schwebt das Problem des richtigen Umgangs mit dem demographischen Wandel und beeinfl usst diese Prozesse in Deutschland enorm. Der erhebliche Anstieg des Anteils der älteren Bevölkerung und der gleichzeitige Rückgang bei den Jugendlichen

erschweren neue Ansatzmöglichkeiten und stellen den Bund, die Länder und auch die Gemeinden vor große Probleme. Hinzu kommt der stetige Anstieg des Anteils der Menschen mit Migrationshintergrund, der einen weiteren erschwerten Umgang mit dem Demographieproblem in Deutschland mit sich bringt. Dieser Prozess ist so einzuschätzen, dass seine Auswirkungen regional völlig unterschiedlich sein können, aber vor allem dünn besiedelte und periphere Region am stärksten betroff en sein werden. Auch hier wird das Hauptaugenmerk auf die Sicherung und Weiterentwicklung der öff entlichen Infrastruktur, sowie die Erhaltung und den Ausbau der Einrichtungen für die Daseinsvorsorge liegen. (vgl. Bundes-ministerium für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung (2006); Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2008), S. 5-21/S. 32-53; Bundesregierung zum Raumord-nungsbericht 2005)

Im Raumordnungsbericht 2005 des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung wurden die Untersuchungen und Trends für zukünftige Leitbilder gelegt. So entstanden die Leitbilder und Hand-lungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland (2006). Die veränderten räumlichen Rahmenbedingungen

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hatten die Entwicklung neuer Leitbilder für Bund und Länder zur Folge. In diesem Prozess wurde sich auf drei unterschied-liche Leitbilder mit dazugehörigen Handlungsansätzen geeignet:

• Wachstum und Innovation• Sicherung der Daseinsvorsorge• Ressourcen bewahren, Kultur landschaften sichern und gestalten

Die Hauptziele dieser Leitbilder sind das Beibehalten des Prinzips der Nachhaltigkeit, das gleichzeitige und gleichrangige Nebeneinander aller drei Leitbilder und das Erzielen von gleichwertigen Lebensverhältnissen. Der Begriff „Gleichwertigkeit“ darf jedoch nicht synonym mit „identischen Lebens-verhältnissen“ verstanden werden. Vielmehr steht er für den Zugang zu Daseinsvorsorgeeinrichtungen und Erwerbsmöglichkeiten und zudem für Standards bei der Infrastrukturausstat-tung und bei der Umweltqualität für alle Menschen in Deutschland und auch auf der europäischen Ebene. (vgl. Bundes-ministerium für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung (2006), S. 11-28)Diese Leitbilder umfassen alle Regionen von ländlich geprägten, peripheren Räumen bis hin zu großstädtischen Agglomerationsräumen auf Bundes- und Eu-Ebene. Die Handlungsstrategien sind

dem Subsidiaritätsprinzip unterworfen und beziehen sich in Wechselwirkung auf den Bund, die Länder, regionale Planungsträger und letztendlich auch auf die Gemeinden.

Deutschland besitzt ein historisch gewachsenes polyzentrisches Städtesystem. Die daraus resultierende Metropolisierung durch das europäische Städtesystem führt dazu, dass die wichtigsten und größten Agglomerationen ihre wirtschaftlichen Verfl echtungsräume deutlich vergrößert haben. Durch diese neu entstandene Struktur wird das bisherige System aus Oberzentren und zentralen Verfl ech-tungseinheiten überlagert, verändert und ergänzt. In diesem Rahmen wächst, zunehmend schneller, der Standortwett-bewerb nicht mehr nur zwischen Städten sondern auch zwischen Regionen. Aus diesem Grund muss eine regionale und grenzüberschreitende Bündelung der Kräfte erfolgen.In diesem Zusammenhang sind auch die sich verändernden Verkehrs- und Mobilitätsentwicklungen zu fi nden. So sind die Verkehrsinfrastruktur und die Erreichbarkeit zwei wichtige Faktoren auf dem generellen Markt. Der zunehmende Güterverkehr und der etablierte Tourismus zeichnen eine gefestigte Wirtschaftsstruktur mit internationaler

Arbeitsteilung aus. Gleichzeitig hat es aber zur Folge, dass die immer wichtiger werdenden Infrastruktureinrichtungen, die Belastungen für den Menschen und für die Natur immer belastender werden. Insbesondere in Agglomera-tionsregionen sind die Folgen dieser immer größer werdenden Versiegelung zu sehen. Gleichzeitig muss man die stetig steigenden Pendlerdistanzen bewältigen. Diese können in der heutigen Zeit nicht mehr allein der Stadt-Umland-Wanderung zugeschrieben werden sondern vielmehr dem stetigen Wegbrechen von potentiellen Arbeitsplätzen in ländlichen Räumen und peripheren Strukturen. In Zukunft muss daher mehr auf neue Verfl echtungen im Zusammenhang mit der Abstimmung der Mobilität gelegt werden und die Erreichbarkeit gesichert werden. Somit muss im Zuge der weiteren Infrastruk-turentwicklung zunehmend auf die Belastungen für die Umwelt geachtet werden, um die Versiegelung durch den Verkehr in einem angemessenen Rahmen zu halten und die Naturräume zu schonen.(vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2006), Bundesinstitut für Bevölkerungsfor-schung (2008))

Einleitung | Leitbilder der Politik und Raumplanung

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1.2 Demographie und Wandel

Der demografi sche Wandel beschreibt als einen wesentlichen Teil die Überschreitung der Sterberate gegenüber der Geburtenrate. In Deutschland ist dies seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eingetreten. Dadurch verliert die Bundesrepublik Deutschland insgesamt an Bevölkerung und die Zahl der älteren Personen nimmt zu. Gleichzeitig reduziert sich die Zahl der Kinder und jungen Menschen. Dies resultiert aus den niedrigen Geburtenzahlen. Seit 30 Jahren bekommt jede deutsche Frau im Schnitt nur noch 1,4 Kinder. Damit ist jede Kindergene-ration um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. Prognosen sagen aus, dass Deutschland bis 2030 ca. sieben Millionen Einwohner verlieren und damit nur noch ungefähr 74 Millionen Einwohner haben soll (vgl. www.bpb.de).Weil die bevorstehenden Veränderungen ohne historisches Bespiel sind und deshalb keine Erfahrungen mit den Auswirkungen und keine erprobten Konzepte zum Umgang mit diesen Veränderungen vorliegen, sind die Sorgen und der Respekt vor dieser Entwicklung groß.

Dass wir von diesem Geburtendefi zit

bisher relativ wenig gespürt haben, hat zwei Gründe: Zum einen ist die durchschnittliche Lebenserwartung seit 1970 um etwa 10 Jahre gestiegen, zum anderen leben heute ungefähr 14 Millionen Menschen mit Migrationshin-tergrund in Deutschland. So wurden die entstandenen Lücken bis jetzt ausgefüllt. Doch ab 2015 kommt die zwischen 1955 und 1969 geborene, große Gruppe der „Babyboomer“ ins Rentenalter. Wenn sie altern, wird die Zahl der Sterbefälle, die schon seit 1972 jene der Geborenen übersteigt, immer weiter anwachsen und kann durch eine realistische Zahl von Zuwanderern nicht mehr ausgeglichen werden (vgl. www.bpb.de).

Die Auswirkungen auf die einzelnen Bundesländer und Kommunen sind unterschiedlich, da sich der demografi sche Wandel auf unterschied-lichste Bereiche, wie Produkt-, Kapital-, Immobilien- und Dienstleistungsmärkte bezieht, aber auch auf die Finanz-, Bildungs-, Sozial- und Zuwanderungs-politik auswirkt.

Im Rahmen der Debatte um den demografi schen Wandel wird vor allem die Entwicklung zur älter werdenden Bevölkerung und die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt in den Vordergrund

In der weiteren nachhaltigen Raumentwicklung ist zudem die Bewahrung von schützenswerten Ressourcen von besonderer Wichtigkeit. Weiterführend geht es um die innovative und nachhaltige Gestaltung von unterschiedlichen landschaftlichen Potentialen. Vor allem werden hier neue Gestaltungs- und Nutzungsmöglich-keiten in städtisch-industriellen Räumen und in landwirtschaftlich intensiv genutzten Räumen angestrebt, um eine eff ektive Nachnutzung oder Umnutzung zu garantieren. Gleichzeitig ist es wichtig, die vorhandenen Kulturlandschaften im Sinne der Lebensqualität zu erhalten und zu schützen. Aus diesem Grund muss die Raumordnung und die Landschafts-planung in einen Prozess integriert werden und „die Region“ als Untersu-chungsebene für alle raumordnerischen Aktivitäten zu beachten.

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und die Wirtschaft gemildert werden.Zum Beispiel durch eine längere Lebensarbeitszeit. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in Deutschland das Alter bei Berufseintritt immer weiter nach hinten, das der Pensionierung aber eher nach vorn verlagert. Kürzere Ausbildungszeiten sowie ein späteres Renteneintrittsalter könnten die Folgen des demografi schen Wandels erheblich entschärfen. Vor allem aber braucht Deutschland eine moderne Familienpolitik. Vergleiche mit anderen westeuropäischen Ländern zeigen, dass sich höhere Kinderzahlen weniger durch hohes Kindergeld, sondern vielmehr durch Investitionen erreichen lassen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Partner ermöglichen: durch Kinderkrippen, Kindergärten, Ganztagsschulen, aber auch durch steuerliche Förderung der Dienste von Tagesmüttern oder Haushaltshilfen. Möglichkeiten für „Schwundregionen“ sind der Wohnungsrückbau, bis hin zur vollständigen Entsiedelung und Renaturierung einiger Regionen. Gerade in ostdeutschen Regionen scheint dies, durch den erheblichen Bevölkerungs-rückgang realistisch. Aller Erfahrung nach ist es sinnvoll, den Rückbau von den Stadträndern nach innen zu organisieren und kein Geld in die Sanierung von

Außenbezirken zu stecken. Um dabei Fehlplanungen zu verhindern und weil der demografi sche Wandel nicht vor Ländergrenzen halt macht, sollten die betroff enen Kommunen und Kreise länderübergreifend zusammenarbeiten (vgl. www.bpb.de). Die innerdeutsche Wanderungsbe-wegung zeigt, dass viele Städte in der Vergangenheit insbesondere für Familien massiv an Reiz verloren haben. Durch Wegzüge, zurückgehende Steuereinnahmen, leerstehende Wohnungen, Überalterung und sinkende Kaufkraft geraten schrumpfende Städte in eine verheerende Abwärtsspirale. Eine Möglichkeit, den Abstieg zu bremsen, besteht darin, die Städte attraktiver, das heißt, vor allem familien- und kinder-freundlicher zu gestalten. So lässt sich auch die ökologisch unerwünschte Zersiedelung im Umland der Städte bremsen. Die Wirksamkeit von öff entlichen und privaten Investitionen hängt ganz wesentlich von der demografi schen Zukunftsfähigkeit der betroff enen Regionen ab. Eine Regionalförderung nach dem Gießkannenprinzip ist eine Verschwendung von Ressourcen. Sie sollte sich vielmehr auf Regionen mit Zukunft konzentrieren. Subventionen sollten deshalb gestrichen werden, wo sie auf den

gestellt. Dafür ist sicherlich die Vorher-sehbarkeit dieser Entwicklung mitver-antwortlich. Bereits heute ist das Rentensystem, in dem die Erwerbstätigen mit ihren Beiträgen die Renten der Älteren zahlen, auf das Äußerste belastet. Denn es gibt zu wenige Einzahler. 80 Milliarden Euro müssen bereits jährlich aus Steuermitteln zugeschossen werden. Schuld daran ist noch nicht die demografi sche Entwicklung, sondern der geschwächte Zustand des deutschen Arbeitsmarktes. Das eigentliche demografi sche Problem der Rentenkassen steht noch bevor: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge etwa von 2015 an in den Ruhestand gehen, wird sich das Verhältnis von potenziellen Einzahlern zu Rentenemp-fängern, also das Verhältnis der 20- bis 60-Jährigen zu den Älteren, von heute etwa 100 zu 45 bis auf etwa 100 zu 80 im Jahr 2050 verändern. Zusätzlich wird es in einigen Berufszweigen an Nachwuchs und Know-How mangeln. So werden sich die regionalen Unterschiede weiter verstärken. Es wird „Schwundregionen“ und „Wachstumsinseln“ geben (vgl. www.bpb.de).

Auch wenn die Alterung der Bevölkerung nicht zu stoppen ist, können die negativen Folgen für die Gesellschaft

Einleitung | Leitbilder der Politik und Raumplanung | Demographie im Wandel

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen6

können bei bundesweit rückläufi gen Einwohnerzahlen nur solche Regionen weiter wachsen oder stabil bleiben, die attraktiv genug sind, um den weniger werdenden jungen Menschen eine Zukunft zu versprechen. Mit Wachstum rechnen können wichtige Metropolregi-onen wie München oder Hamburg, das Main-Neckar- und das Rhein-Main-Ge-biet (vgl. www.bpb.de).

Bezieht man diese Problematik auf den Spessart, kann man hier erkennen, dass wir eine älter werdende Bevölkerung haben werden. Die Geburtenrate ist auf ähnlichem Stand wie im deutschen Durchschnitt. Der demografi sche Wandel wird hier aber dadurch verstärkt, dass der Spessart für junge Menschen wenig Perspektiven bereit hält. Arbeitsplätze und Ausbildungsstellen werden von Jahr zu Jahr weniger und ein Hochschulstu-dium kann im gesamten Spessart nicht belegt werden. Somit ziehen viele junge Menschen weg, um sich anderswo eine Existenz aufzubauen. Zurück bleiben meist die Alten und Armen, die der Region kaum eine Perspektive geben können. Zunehmender Gebäudeleer-stand und eine rückläufi ge Infrastruktur werden auf lange Sicht das Ergebnis sein.

Erhalt unproduktiver Wirtschaftszweige abzielen (vgl. www.bpb.de).Während sich der jährliche Bevölkerungs-schwund auf nationaler Ebene noch nicht einmal im Promillebereich abspielt, ist der Rückgang auf regionaler Ebene längst Realität. Aufgrund des massiven Geburteneinbruchs in den neuen Bundesländern nach der Wende und der Abwanderung von über 1,5 Millionen, vorwiegend jungen Menschen, haben manche entlegenen und wirtschafts-schwachen Regionen im Osten bereits ein Viertel ihrer Bevölkerung verloren. Doch auch der Westen hat seine Schwundzonen. Vor allem verlieren solche Regionen Einwohner, in denen alte Industrien prägend waren. So im Ruhrgebiet, im Saarland, im südlichen Niedersachsen und im bayerischen Oberfranken. Aber auch in Gebieten fernab urbaner Zentren, wo sich eine moderne Dienstleistungswirtschaft kaum mehr ansiedelt, schrumpft die Bevölkerung. Wenn die Jungen auf der Suche nach Arbeit abwandern, bleiben, im Osten wie im Westen, eher die Älteren und sozial Schwachen zurück. Ein Umstand, der fast zwangsläufi g zu weiterem wirtschaftlichem und demografi schem Abstieg führt. Von der deutschen Völkerwanderung profi tieren vor allem die wirtschafts-starken Räume im Westen. In Zukunft

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Quelle: Bericht Demographische Entwicklung im Main-Kinzig-Kreis, 2009

Einleitung | Demographie im Wandel

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1.3 Siedlungspolitische Problemstellungen

Bevor es zu steuernden Eingriff en in der Siedlungspolitik kommen kann, müssen die anzugehenden Probleme erkannt werden. An dieser Stelle soll ein Überblick über die aktuell allgemeinen Problemfelder gegeben werden, damit diese in den Einzelfällen überprüft werden können.

Flächenverbrauch

In Deutschland werden täglich 93 ha (Stand 2003) Land für Siedlungsfl äche neu in Anspruch genommen. Dies führt im Zusammenhang mit der negativen Bevölkerungsentwicklung zu einem Rückgang der Bevölkerungsdichte. Problematisch ist hierbei, dass bei einer geringeren Dichte die Kosten für Infrastruktur steigen. Neben den Kosten, die für Haushalte und Gewerbe durch eine erforderte Mobilitätssteigerung entstehen, kommen auf die Kommunen und Anlieger höhere Ausgaben für Infra-strukturangebote wie Straßen, Nahver-kehrsangebote und Leitungssysteme zu (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Raumordnungsbericht 2005 - Kernaussagen, S. 21ff ).

Der demografi sche Wandel

Der allgemeine demografi sche Wandel in Deutschland zwingt uns, uns mit einer überalternden Bevölkerung auseinander zu setzen. In der kommunalen Sied-lungspolitik erfordert dies eine Ein- bzw. Umstellung auf die sich verändernden Bedürfnisse der Bevölkerung und die Leistungsfähigkeit derselben. Während die Anzahl der jungen Familien und Erwerbstätigen im Verhältnis stark abnimmt, muss auf der anderen Seite die Versorgung der steigenden Anzahl von älteren gesichert werden. Besonders in dünn besiedelten Regionen kann diese Entwicklung zu Finanzierungspro-blemen bei der Infrastrukturversorgung führen (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Raumordnungsbe-richt 2005 - Kernaussagen, S. 13ff ).

Konzentrierung von Einrichtungen

zur Daseinsvorsorge

Einrichtungen wie Schulen, Ärztehäuser und Lebensmittelhändler konzentrieren sich immer stärker auf Orte mit Zent-rumsfunktion. Das heißt, dass Funktionen die früher fl ächendeckend angeboten wurden mehr und mehr aus kleineren Gemeinden verschwinden und nur noch in den nächsten größeren Orten zu erreichen sind. Dies erfordert eine

höhere Mobilität der Einwohner, welche besonders für Kinder und Senioren nur schwer zu gewährleisten ist. Ohne einen eigenen PKW ist die Versorgung über das nächste Mittelzentrum kaum möglich (vgl. Baselt, Glatthaar, Hiege, Piesga, Rehyn, Modellvorhaben „Untersrützung von Gemeinden bei der Neuausrichtung ihrer Flächenpolitik im Rahmen der Regional entwicklung, S.4ff ).

Funktionsverluste im Kerngebiet

Die angesprochene Konzentration von Versorgungseinrichtungen in größeren Orten und/oder Randgebieten führt zu einem Funktionsverlust in den Kerngebieten. Wo früher Bäcker, Fleischer, Gemüsehändler, Schreibwa-renladen und weitere die Versorger-funktion erfüllten, entsteht heute durch die Discounterisierung ein Vakuum, das nicht gefüllt werden kann. Mit diesem Funktionsverlust geht nicht nur ein hoher Gewerbeleerstand, sondern auch ein Verlust der sozialen Funktion eines Zentrums einher (vgl. Baselt, Glatthaar, Hiege, Piesga, Rehyn, Modellvorhaben „Unterstützung von Gemeinden bei der Neuausrichtung ihrer Flächenpolitik im Rahmen der Regional Entwicklung, S.4ff ).

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1.4 Off ensive Flächenauswei-sung und Infrastrukturfalle

In den vergangenen Jahrzehnten hatten die Kernorte wenig Platz zur Verfügung um dem Bedarf einer wachsenden Gesellschaft mit hohem individuellen Platzbedarf gerecht zu werden. In dieser Zeit versuchte man dem Handlungsdruck mit off ensiven Flächenausweisungen am Rand der Orte und Städte zu begegnen. Die daraus entstehende Zersiedelung mit geringer Siedlungs- und Nutzungsdichte machte die Wege für Fußgänger und Radfahrer zu lang und eine fl ächendeckende Versorgung durch den ÖPNV unwirtschaftlich. Eine neu gewonnene Mobilität in Form des Autos wurde notwendig.

Heute geschieht diese expansive Flächenausweisung unter anderem Gesichtspunkt. In Zeiten des demographischen Wandels steht die interkommunale Konkurrenz um Einwohner an erster Stelle. Die Gemeinden versuchen durch die Ausweisung attraktiver Einfamilien-haus-Siedlungen junge Familien in ihre Gemeinde zu locken. Sie hoff en die Qualität zu liefern und somit den Bevöl-kerungsschwund stoppen zu können.

Leider passiert dies immer öfter ohne den Umgang mit dem Bestand geklärt zu haben. Zudem wurden die Flächen zunehmend auf Vorrat angelegt. Dies führt zum einen zu Leerstandsproblema-tiken in den Ortskernen und zum anderen

zu über viele Jahre brachliegenden Baufeldern.

Deshalb ist bei einer solchen expansiven Flächenausweisung Vorsicht geboten, denn sie ist teuer und birgt Folgekosten. Der Ausbau und Erhalt der Infrastruktur bringt hohe Kosten mit sich, auch wenn keine Bebauung erfolgt. Hinzu kommen die bereits vorhandenen Flächen in den alten Strukturen, die trotz Leerstand mitversorgt werden müssen.

Die Bundesregierung und die einzelnen Länder haben sich das Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch deutlich zu senken. Eine off ensive Wohnbaulandausweisung widerspricht diesem Flächensparziel.

Die kommunalen Handlungsoptionen kann man wie folgt typologisieren:

aktiv passiv

expansive Strategie Bestandspfl ege Schrumpfen planen Schrumpfen als

Teufelskreis

Ziel Randwanderung im Attraktivität und geordnetes ohne Ziele Stadtgebiet halten räumliche Strukturen Schrumpfen, erhalten Qualitäten entwickeln

Maßnahmen umfangreiche Bestandsentwicklung, Infrastruktur- Regionalplanungzum Beispiel Flächenausweisung zielgruppenorientierte anpassung und sollte restriktiver sein, im Ein- und Zwei- Programme -rückbau, Freifl ächen- kommunalen Finanz- familienhausbereich entwicklung ausgleich reformieren

Quelle: Kommunikative Steuerung des Stadtumbaus (2005), VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden S. 159

Einleitung | Siedlungspolitische Problemstellungen | Off ensive Fkächenausweisung und Infrastrukturfalle

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1.5 Trends der Wohnungs-nachfrage in der Region

Obwohl die Wohnungsnachfrage von der Bevölkerungsentwicklung, der Haushaltsentwicklung und auch vom Wohnbedarf abhängt, wird vor allem der demographische Wandel Einfl uss auf die zukünftige Struktur des Wohnungsmarktes haben. Dabei werden wie bisher Regionen mit einem Überangebot oder ausgeglichenem Angebot an Wohnungen Regionen mit hohem Wohnungsmangel entgegenstehen (vgl. Hess- Ministerium, 2007: S. 3 + 12).

Neben einer verhaltenen Mietentwicklung prägt vor allem auch der starke Rückgang der Bautätigkeit den Wohnmarkt. Vor allem der Osten Deutschlands ist hiervon und von hohem Leerstand betroff en. (vgl. Waltersbacher, 2006: S. 2)Für Gesamtdeutschland wird eine Zunahme von kleinen Haushalten im Seniorenalter und von kleinen Haushalten mittleren Alters prognostiziert. Mehr-personenhaushalte werden wie auch in den letzen Jahren weiter abnehmen. (vgl. Waltersbacher, 2006: S. 13) Auch in Zeiten des Bevölkerungsrückgangs nimmt die Zahl der Haushalte zu und dementsprechend die durchschnittliche

Haushaltsgröße ab. Dafür sind zum einen demographische Gründe, zum anderen die Veränderung der Lebensstile (s.a. „Sinus-Milieus“ a. a. O.) verantwortlich. (vgl. Hess- Ministerium, 2007: S. 13) So steigt auch die Zahl der Eigentümer sowie die Pro-Kopf-Wohnfl äche stetig. Eben diese beiden Faktoren werden in Zukunft den „Motor der Nachfrage“ darstellen. (vgl. Waltersbacher, 2006: S. 20 ff .)

Nach einem kontinuierlichen Anstieg existieren im Jahr 2005 in Hessen über 2,82 Millionen Wohnungen, von denen etwa 50 % auf Häuser mit drei und mehr Wohnungen entfallen. Am häufi gsten sind Wohnungen mit 3-Zimmern (28,1 %) vertreten, gefolgt von 2- und 4-Zim-mer-Wohnungen (jeweils knapp 20 %). (vgl. Hess- Ministerium, 2007: S. 5 f.)In Hessen hat die Bautätigkeit aufgrund enorm gestiegener Nachfrage nach Wohnraum in den 1990er Jahren zugenommen. Gefragt waren besonders Mehrfamilienhäuser mit mehr als 3 Wohneinheiten. Die Zahl der Ein- und Zweifamilienhäuser ist relativ konstant. Nachdem die Zunahme der Bautätigkeit Mitte der 1990er Jahre ihren Hochpunkt erreicht hatte, nimmt diese inzwischen immer mehr ab. So lag die Zahl der Bauge-nehmigungen im Jahr 2006 lediglich bei 17.202 Wohnungen, die Zahl der Baufer-

tigstellungen bei 16.348 Wohneinheiten. Auff ällig ist, dass im Gegensatz zu Nordhessen die südhessischen Landkreise eine überdurchschnitt-liche Bautätigkeit aufweisen, die der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main zugute kommt. (vgl. Hess- Ministerium, 2007: S. 7 f.)

Im Jahr 2005 lag die durchschnitt-liche Haushaltsgröße Hessens bei 2,12 Personen, im Jahr 1987 lag diese noch bei 2,33 Personen (vgl. Hess- Ministerium, 2007: S. 13). Im Main-Kinzig-Kreis gab es im Jahr 2006 insgesamt 185.913 Haushalte, von denen etwa 37 % auf Zwei-Personen-Haushalte und gut 32 % auf Ein-Personen-Haushalte entfallen. Bis 2030 wird eine Zunahme der Haushalte um 15.965 erwartet (von 2006 bis 2030). (vgl. Institut Wohnen und Umwelt, 2009: S. 75)Sowohl im Jahr 2006 als auch in der Prognose für 2030 wird die Wohn-raumversorgung im Main-Kinzig-Kreis bei leicht über 100 % liegen. Da die Wohnungsfertigstellungen pro Jahr bei ca. 1.200 Wohnungen liegen, ist kein akuter Wohnengpass zu erwarten. (vgl. Institut Wohnen und Umwelt, 2009: S. 23 + 29) Der Wohnungsbedarf liegt bis 2025 im Main-Kinzig-Kreis bei rund 34.000 Wohnungen, in Frankfurt am Main beispielsweise bei 91.000 Wohnungen

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(vgl. Günther, Hübl, 2009: S. 65). Zwar geht die Nachfrage nach Sozialwohnungen tendenziell zurück, doch bestehen immer noch viele Probleme für sozialwohnungsuchende Haushalte, vor allem für Ausländer, kinderreiche Familien und Alleinerzie-hende. Insbesondere im südhessischen Ballungsraumbesteht erheblicher Handlungsbedarf, um diese Gruppen mit angemessenem Wohnraum zu versorgen.Gerade in Südhessen jedoch wird in Zukunft die Nachfrage nach preiswertem Wohnungsraum für alle Haushalte schwierig bleiben. (vgl. Hess- Ministerium, 2007: S. 15 f.) Hierbei gilt weiterhin, dass urbane Orte gesucht werden, die gut an den ÖPNV und an das Verkehrsnetz angeschlossen sind (vgl. InWIS, 2009: S. 58).

Für Hessen insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die Wohnungsnachfrage nicht weiter sinkt (vgl. Hess- Ministerium, 2007: S. 19).

Neubau der 70er Jahre, Burgjoss

Einleitung | Trends der Wohnungsnachfrage in der Region

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen12

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Aufgabenstellung, Methodik und Ablauf

Aufgabenstellung, Methodik und Ablauf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen14

Analyse und Bewertung der Potentiale zur dörfl ichen Innen-entwicklung

Problematik und Ausgangslage

Aufgrund der demografi schen Entwicklung wird in den ländlichen Gemeinden und Städten der hessischen Spessartregion die Bevölkerungsent-wicklung rückläufi g sein. Entgegen der Entwicklung in den größeren Städten wird hiervon auch der Gebäudebestand direkter betroff en sein, da die Aneignung von mehr Wohnfl äche pro Einzelperson im ländlichen Bereich nicht im gleichen Umfang erfolgen wird.

Die Folge wird – wie bereits jetzt in besonders betroff enen Regionen bereits ablesbar – Leerstand von Gebäuden sein, die Ortsbild prägend und in viele Fällen denkmalwert sind. Mit dieser Entwicklung umzugehen, erfordert eine Sichtweise, die Perspektiven entwickelt und mit dem – in den einzelnen Orten unterschiedlichen - Bevölkerungs-verlust umgeht, ohne den Verlust der immer noch lesbaren Kulturlandschaft zu akzeptieren. Darüber hinaus sind die Lebensbedingungen für die Menschen in den betroff enen Regionen so zu gestalten, dass sowohl für jüngere wie auch – im Hinblick auf die erwartete

demografi sche Veränderung – für ältere Menschen Anreize geschaff en werden, im Ort oder in der Region zu bleiben oder sogar hierher zu ziehen, um von den Vorteilen des Orts oder der Region zu profi tieren, das erfordert eine Ordnung der sozialen Infrastruktur, die konzentriert, aber trotzdem für alle erreichbar ist.

In der Vergangenheit wurden Wege erprobt, die auf die Behandlung einzelner Problembereiche ausgerichtet waren (Strukturver-besserung und Sozialverhalten in ländlichen Gemeinden, Heidtmann, 1969; Landleben, Brockmann, 1977; Produktion und Lebensverhältnisse auf dem Land; Poppinga, 1979 u.a. mehr) Sie führen nur ansatzweise zu einem Erfolg und lassen ein Konzept, das sich mit Leerstand, Überalterung und dem Ausnutzen der vorhandenen Potentiale auseinandersetzt nicht erkennen.

Die notwendige Untersuchung des Entwicklungspotentials für die Spessartregion basiert auf einer gründlichen Bestandserhebung, einer Reihe von Diskursen über Probleme des ländlichen Raums, die den Verant-wortlichen in Politik und Verwaltung und den jetzt oder später betroff enen Bürgern die Lage bewusst machen

sollen. Dieser Prozess muss gleichzeitig mit der Suche nach Verbesserungen erfolgen, um während der in diesem Zeitraum stattfi ndenden Suche nach Lösungswegen einen Informations- und Meinungsaustausch über die Ziele zu erhalten.

Da in Zukunft nicht mehr alle Maßnahmen vom Staat, dem Land oder der Kommune übernommen werden können, wird dem Engagement der Bürger und deren Mitwirkung eine größere Rolle zukommen als bisher. Die Wege, die dabei beschritten werden, sind zum Teil neu, wie Kooperationen zwischen öff entlichen und privaten Partnern, um neue Lebensperspektiven für ältere und jüngere Menschen zu entwickeln, zum Teil bereits überfällig wie die stärkere Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements, wie Mobilitätskonzepte, wirtschaftliche Anreize, das Anstoßen von kulturellen und sozialen Initiativen, um dem Bedürfnis nach Identifi kation älterer Bürger, aber auch jüngerer Familien mit ihren Wohnorten entgegen zukommen.

Planerisches Ziel wird es sein, die Merkmale und Besonderheiten der einzelnen Kommunen zu stärken, um die Region konkurrenzfähiger zu machen. Am Beispiel der untersuchten

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Gemeinden sollen die Kriterien für eine städtebauliche Entwicklung, speziell einer Innenentwicklung mit dem Schwerpunkt auf Gebäudekonzepte und der Verbesserung der Wohnqualität herausgearbeitet werden.

Zielbeschreibung

In dieser Dokumentation wurden Kriterien entwickelt, die auf der Grundlage der Gebäudebestandserhebung, die durch die Gemeinden durchgeführt wurde, beruhen, zu den einzelnen Leerständen und innerörtlichen Freifl ächen in Leer-stands-Katasterblätter eingetragen wurden und zu einer Bewertung der Entwicklungspotentiale und Problembereiche sowohl einzelner Kommunen (anhand von Beispielkom-munen, die unterschiedliche Typen darstellen und eine Übertragbarkeit von Maßnahmen ermöglichen) wie auch der Teilregion SPESSARTregional führen.

Arbeitsschritte und Ergebnisse

Auf der Grundlage der bei den Kommunen gleichmäßig abgefragten Daten entstand ein Grundmuster der (Innen-)Entwicklungsfähigkeit, das – um die spezifi schen örtlichen, wirtschaftli-chen und kulturellen Bedingungen und Potentiale berücksichtigen zu können

– im Abgleich mit anderen Gemeinden zu einem strategischen Konzept für die Einzelgemeinde verarbeitet werden wird. Dieses Grundmuster ist aus den Komponenten ausgewählter Gemeinden des Bereichs SPESSARTregi-onal gebildet worden. Das Verfahren soll Hinweise auf die Anwendbarkeit und die auf die jeweiligen Besonderheiten der Gemeinden zugeschnittenen Empfehlungen/Maßnahmen erbringen. Die Gemeinden werden mit dem Verfahren in die Lage versetzt, ihre eigenen Entwicklungspotentiale zu erkennen, zu formulieren und gemeinsam mit Nach-bargemeinden zu einem Konzept zu verarbeiten. Dazu wird im Oktober 2010 ein gemeinsamer Zwischenschritt mit den Gemeinden eingeschaltet, in dem die vermuteten Potentiale vorgestellt und mit den Gemeindevertretern und der interessierten Bevölkerung diskutiert werden. Anregungen, Bedenken und Kritik können somit eingearbeitet werden.

Auf der Grundlage der von SPESSARTregi-onal mit Hilfe der Gemeinden erhobenen und zusammengestellten Daten und angereicherten Planunterlagen für die ausgewählten Gemeinden werden Kriterien zur Bewertung der (Innen-) Entwicklungsfähigkeit im Sinn einer „sparsamen Ökonomie“ erstellt. Diese

Kriterien (Grundmuster) werden an den ausgewählten Gemeinden von Bad Soden-Salmünster, Steinau an der Straße, Sinntal, Josgrund und Schlüchtern erprobt und danach angepasst bzw. verändert. Außerdem werden strategische Aspekte zur Entwicklung formuliert, wobei die Methoden zu ihrer Anwendung festgehalten werden.

Weiterhin werden die zur Strate-giebildung erforderlichen Daten ermittelt und bewertet (Erreichbarkeit, Angebot, Qualität, Zukunftsfähigkeit, Besonderheit/Einmaligkeit, sozialer Beitrag, Gemeinschaftsförderung etc.):

• Demografi sche Entwicklung und derzeit vorausgesagte Altersstruktur• Arbeitsplatz- und Gewerbeentwick-lung mit Bestand, verfügbaren Flächen und Brachfl ächen• Infrastrukturangebot mit Kinderbe -treuung, Schulen, Weiterbildung (lebenslanges Lernen), Gemeinschafts-einrichtungen der Gemeinden, Selbst-verwaltungsstrukturen, medizinische Versorgung und Angebote der Altenpfl ege, Einrichtungen des täglichen Bedarfs • ÖPNV-Anbindung und Anbindungsfä-higkeit, Erreichbarkeit und Entfernung von Arbeitsplätzen und Infrastruktur-einrichtungen im nächsten Unter- oder

Aufgabenstellung, Methodik und Ablauf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen16

Mittelzentrum, ruhender Verkehr • Ortsbindung der derzeitigen Bewohner, Engagement für unter-schiedliche Bereiche, in Vereinen und Initiativen, Verhältnis zu Älteren und Kindern, Beteiligung am Gemein-schaftsleben und Veranstaltungen, Einstellung zu Zugezogenen • Ortsbild mit regional charakteris-tischen Bauformen und Freifl ächen, Pfl egezustand der Gebäude, Übergang zur Landschaft, Unverwechsel-barkeit/Alleinstellungsmerkmale/Besonderheiten • Gebäudekonzepte für den Bestand einschließlich Überlegungen zur Schaff ung von wohnungsnahen Freifl ächen • Lage in der Landschaft, Landschaftsform/Kulturlandschafts-merkmale, Grad der Intaktheit und Belastung• Energieversorgung, Abhängigkeit, Konzepte oder Realisierungen autarker Systeme, Kosten

Weiteres Vorgehen

Die Bewertung erfolgt im internen Vergleich der Region, wobei für die Bewertungskenngrößen (sehr gut bis nicht vorhanden) Vorinformationen erfolgen, die eine gemeinsame Nutzung regional angebotener Leistungen mit

einschließt, um einen ersten Beitrag zu einem regionalen Verständnis zu leisten. Die Diskussion über die Bewertungs-kenngrößen schaff t eine Verbindlichkeit in der Einschätzung der Zukunftsfä-higkeit regionaler Zusammenhänge. Eine gemeinsame Arbeitssitzung sollte die Bedeutung dieser Einschätzung erhöhen.Durch die Bewertung zeigen sich die lokalen Stärken und Schwächen und können auf regionaler Ebene betrachtet und dementsprechend erhalten, verstärkt oder aufgegeben werden, um zu einer Zukunftsfähigkeit der „sparsamen Ökonomie“ zu kommen, ohne auf notwendige Leistungen gegenüber den Bürgern verzichten zu müssen.

Die zusammenfassende Bewertung soll in einer Bürgerversammlung vorgestellt, diskutiert und danach niedergeschrieben werden. Dieses Verfahren muss zuvor mit den einzelnen Gemeinden und der SPESSARTregional abgestimmt werden.

historisches Wirtschaftsgebäude, Walroth

religiöses Monument im öff entlichen Raum, Neustall

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Raumuntersuchung Spessart3.1 Lagemerkmale, Gebietsabtrennung

3.2 Bevölkerungsstruktur und demographische Entwicklung

3.3 Arbeitsplatz- und Gewerbeentwicklung

3.4 Infrastrukturangebot

3.5 Verkehrsanbindung

3.6 Ortsbild mit regional charakteristichen Bauformen und Freifl ächen

3.7 Lage in der Landschaft

3.8 Energieversorgung

3.9 Ortsbindung der derzeitigen Bewohner

3.10 Gebäudekonzepte für den Bestand / Schaff ung von wohungsnahen Freifl ächen

Aufgabenstellung, Methodik und Ablauf | Raumuntersuchung Spessart

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen18

3.1 Lagemerkmale / Gebietsab-grenzung

Der Spessart befi ndet sich nordöstlich des Rhein-Main-Gebietes und erstreckt sich in etwa zu gleichen Teilen über Südost-Hessen und den Nordwestlichen Zipfel Bayerns. Im Norden wird er durch den Lauf des Kinzigtals zwischen Hanau und Schlüchtern begrenzt (vgl. REK). Mit 12 Kommunen des Main-Kinzig-

Kreises bildet der hessische Spessart die Region SPESSARTregional. Der hessische Spessart setzt sich aus einem Zusammenschluss von zwölf Kommunen, den Gemeinden Schlüchtern, Sinntal/Sterbfritz, Steinau an der Straße, Bad Soden-Salmünster, Wächtersbach, Bad Orb, Gelnhausen, Biebergemünd/Kassel, Jossgrund/Oberndorf, Linsengericht/Altenhaßlau, Freigericht/Altenmittlau und Flörsbachtal/Lohrhaupten zusammen, deren Fläche rund 866 km2 beträgt. Der Main-Kinzig-Kreis liegt im nördlichsten Teil des Regierungsbezirkes Darmstadt und ist der bevölkerungsreichste Landkreis in Hessen (407.456 Einwohner). Flächenmäßig ist der Main-Kinzig-Kreis der viertgrößte Kreis in Hessen (1.397,56 km2). Dies ergibt eine Bevölkerungsverteilung von 292 Einwohner je km2 (vgl. Hessisches

Statistisches Landesamt, Main-Kinzig-Kreis – Statistik – 2008). Die Flächennutzung teilt sich wie folgend gemessen an der Gesamtfl äche auf:Anteil der Landwirtschaftsfl äche: 39,1 %Anteil der Waldfl äche: 43,3 %Anteil der Wasserfl äche: 1,3 %Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfl äche: 15,5 % (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt, Main-Kinzig-Kreis – Statistik - 2009). Die Kinzig durchfl ießt den Main-Kinzig-Kreis und mündet mit einer Länge von 82 km2 im Main. Die Region zeichnet sich durch einen Waldanteil von mehr als 50 % als eines der größten zusammenhän-genden Mischwaldgebiete Deutschlands und durch einen Anteil Dauergrünland von 65 % aus. Der Norden des hessischen Spessarts wird als eigenständiger Lebens- und Wirtschafsraum entwickelt, der nicht nur einer Wohnnutzung dienen soll. Der Süden des hessischen Spessarts konzentriert sich auf die Schaff ung von Arbeitsplatzangeboten und die Verbesserung der Wohn- und Umwelt-bedingungen. Durch die Erschließung mit der A 66 von Gelnhausen, Bad Orb/Wächtersbach, Bad Soden-Salmünster, Steinau und Schlüchtern nach Frankfurt und nach Fulda werden die Nahverkehrs-verbindungen gewährleistet. Regional sind die Bevölkerungsent-wicklung in den letzten Jahren konstant

geblieben, Unterschiede sind jedoch bezüglich der Bevölkerungsverluste und des demographischen Wandels zu lokalisieren. Mit dem Schwerpunkt auf medizinische und soziale Versorgung bieten einzelne Regionen zusammen mit einer Erholungs-funktion einen guten Versorgungsgrad. Die Angebote der Infrastrukturen und Dienstleistungen nehmen stetig ab, so dass die Grundversorgung unzureichend sichergestellt wird. Dem Off erieren regionaler Produkte wird kaum nachgegangen und die Verknüpfung von Landschaft und Tourismus erfolgt nur zu einem gewissen Maße. In dem Gebiet sind oftmals gut erschlossene Wander- und Radwege zu fi nden, die sich für Tagesbesucher und Kurzurlauber eignen.Um nachhaltig eine regionale Identität schaff en zu können, ist eine Zusammenarbeit des hessischen und bayrischen Spessarts erforderlich.

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3.2 Bevölkerungsstruktur und demografi sche Entwicklung

In SPESSARTregional leben rund 136.000 Einwohner. Die Bevölkerungs-dichte von etwa 205 Einwohnern pro km2 ist im Verhältnis zum Main-Kinzig-Kreis und zum Land Hessen mit 293 bzw. 289 Einwohnern pro km2 relativ niedrig. Die Verteilung in der Region ist jedoch sehr unterschiedlich, so dass es Konzentrationen in einigen Städten gibt und kleinere Gemeinden eine viel geringere Dichte haben als der Durchschnitt.Die Bevölkerungsentwicklung zeigt im Spessart noch immer einen Anstieg der Einwohnerzahlen. Vergleicht man allerdings die jährlichen Zuwächse von 1980 bis 2005, so erkennt man in den letzten zehn Jahren des Unter-suchungszeitraumes eine deutlich geringere Zunahme als in den Jahren zuvor. Auch hier gibt es wiederum große Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen. In einigen ist sogar eine negative Entwicklung zu beobachten.Ein ähnlicher Trend lässt sich in der Wanderungsbewegung erkennen. Zwar ist das Wanderungssaldo immer noch positiv, aber die Zuzüge nehmen immer weiter ab. Insbesondere bei den 15 bis 30-Jährigen lassen sich -wenn überhaupt- nur geringe Gewinne

zählen. Diese Entwicklung ist ein Indiz für fehlende Arbeits- und Ausbildungs-plätze in der Region, so dass die junge Generation abwandert. Die Altersstruktur in SPESSARTregional hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer immer älter werdenden Bevölkerung hin entwickelt. Während 1980 die unter 18-Jährigen noch 7,6 % mehr Anteil an der Gesamtbevölkerung stellten als die über 65-Jährigen, waren es 1990 nur noch 3,5 %. Im Jahr 2005 lag die Zahl der über 65-Jährigen sogar leicht über der der unter 18-Jährigen. Trotzdem liegt der Anteil der unter 18-Jährigen noch im Landesdurch-schnitt, im Gegensatz zu den Anteilen der Altersgruppen zwischen 25 und 50 Jahren, welche bereits darunter liegen.Für die Zukunft wird eine fortschreitende Zunahme des Altersdurchschnitts prognostiziert. Der Anteil der unter 18-Jährigen wird wahrscheinlich weiter im Landesdurchschnitt liegen, doch der Anteil der über 60-Jährigen steigt immer weiter an, so dass ihr Anteil in den nächsten 15 Jahren voraussichtlich um 7,2 % steigen wird.Zusätzlich zu der Überalterung wird auch Schrumpfung ein Problem der Region sein. Obwohl heute noch leichte Bevöl-kerungszuwächse zu erkennen sind, ist bis 2021 mit einer Abnahme zwischen 2,2 % und 6,8 % zu rechnen. Bis 2031 sind

es sogar zwischen 6,7 % und 13,1 %. Für die Gemeinden der Region ist es daher wichtig sich mit dem demographischen Wandel zu befassen und Maßnahmen und Konzepte für den Umgang mit Schrumpfung und Überalterung zu entwickeln. (REK S. 8ff .)

Schulkinder, Neustall

Raumuntersuchung Spessart | Lagemerkmale / Gebietsabgrenzung | Bevölkerungsstruktur und demographische Entwicklung

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen20

3.3 Arbeitsplatz- und Gewerbe-entwicklung

39% der sozialversicherungspfl ich-tigen Beschäftigten (ca.13.000) aus der Region von SPESSARTregional sind im produzierenden Gewerbe tätig. Hier dominiert die Metallerzeugung und -bearbeitung, gefolgt von der Produktion von Gummi- und Kunststoff waren, Büromaschinen, Elektrotechnik und Chemieerzeugnissen. Der größte Teil der Betriebe liegt in Gelnhausen (9 %).Des weiteren sind Handel, Gastgewerbe und die Verkehrsbranche von bedeutender Rolle. Dort sind ca. 7.300 Beschäftigte zu verzeichnen. Der größte Teil des Handwerks ist auch in Gelnhausen beheimatet. Flächen zur gewerblichen Expansion und Neugründungen sind in hohem Maß verfügbar (vgl. REK, S.12).Auch bedeutend ist das Gesundheits-wesen, wo ungefähr 5.600 Menschen angestellt sind.

Obwohl SPESSARTregional sehr ländlich geprägt ist, spielt die Land- und Forstwirtschaft eine sehr untergeordnete Rolle. Hier sind nur 1,2 % aller sozialversi-cherungspfl ichtigen Personen angestellt. Auff allend dabei ist jedoch, dass ca. 35 % der Fläche von SPESSARTregional (25.400 ha) durch sie genutzt wird. Von diesen 35% sind 65% als Dauergrünland und

22 % als Ackerbauland in Verwendung. Insgesamt existieren um die 1.000 Betriebe, welche zum großen Teil sehr kleinstrukturiert sind und sich in einem niedrigen Grad der Professionalisierung befi nden: Nur ca. 14 % der Betriebe sind dem Bereich der Haupterwerber zuzuordnen. Dominierend ist die Milchkuh- sowie die Schweinehaltung. 12 % der Betriebe sind Biohöfe und produzieren somit ökologisch, was eine sehr hohe Zahl darstellt. Die Zahl der Betriebe nimmt leider seit Jahren stetig ab, was Grund zur Sorge bereitet (vgl. REK, S.14f ).

Insgesamt waren 2006 ungefähr 33.580 Leute erwerbstätig. Davon arbeiteten 32,5 % in Gelnhausen. Von 2000 bis 2006 ist jedoch ein Rückgang von -5,1 % bei den sozialversicherungspfl ich-tigen Beschäftigten zu verzeichnen. Am stärksten zeichnet sich der Rückgang in Bad Orb ab. Eine offi zielle Arbeitsloen-quote liegt für SPESSARTregional nicht vor, sie soll aber bei ca.10 % liegen und wie schon erwähnt, in den letzten Jahren angestiegen sein.Im Gegensatz dazu, steigt die Zahl der Ausbildungsstellen leicht an. Hier hat nur das Handwerk Rückgänge zu verzeichnen.Zudem herrschen starke Pendlerbe-wegungen in der Region vor. Während

ungefähr 22.000 Einwohner in die Region zu ihrer Arbeit pendeln, fahren ganze 32.000 Menschen in andere Regionen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. (vgl. REK, S. 12f ).

Auch der Tourismus spielt nach wie vor eine große Rolle. Jährlich sind um die 860.000 Übernachtungen zu verzeichnen, was ungefähr 3,4 % der Übernachtungen in ganz Hessen entspricht. Es existieren rund 150 Betriebe mit 6.500 Betten. Hinzu kommen mehrere Kureinrich-tungen sowie Schullandheime.Aber auch hier ist ein Rückgang deutlich zu erkennen. Von 2001 bis 2006 sind 300.000 Übernachtungen weniger eingetragen worden. Jährlich ist ein Rückgang von ca. 50.000 Übernachtungen zu erkennen. Diese Entwicklung konnte seit 2007 abgebremst werden. Die beiden Kurorte Bad Orb und Bad Soden-Salmünster sind hierbei Hauptanziehungspunkt (Bad Orb: 420.000 Übernachtungen; Bad Soden-Salmünster: 340.000 Übernachtungen), aber auch die beiden Kommunen mit den größten Verlusten (insgesamt: 240.000 Übernachtungen). Die Region ist aber auch für ihre hohe Zahl von Tagesbesuchern bekannt (vgl. REK, S.16ff ).

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3.4 Infrastrukturangebot

Medizinische Versorgung

Das Gebiet von SPESSARTregional verfügt über eine sehr gute medizinische Versorgung. So zählt der Main-Kinzig-Kreis zu einem der medizinisch am besten versorgten Kreise Hessens. Auf mittelfristige Sicht ist hierbei auch keine Verschlechterung zu erwarten. Innerhalb von 15 Minuten ist per motorisiertem Individualverkehr für 98 % der Bevölkerung ein Krankenhaus zu erreichen. Die Arztdichte liegt im mittlerem Segment.Durch die beiden traditionellen Kurorte Bad Orb und Bad Soden-Salmünster gilt das Gebiet als Gesundheitsregion. Dies hat allerdings nur einen geringen Eff ekt auf die lokale Bevölkerung.

Der „tägliche Bedarf“

Die Versorgung der Gemeinden mit Gütern des täglichen Bedarfes wird von diesen unterschiedlich eingeschätzt. Es ist zu beobachten, dass zunehmend Händler schließen müssen. Dies wird bestärkt durch den teilweise vorhandenen Konkurrenzdruck der durch Angebote auf der „grünen Wiesen“ entsteht.

Nur größere Gemeinden können sich mit ihren Innenstädten noch als Einzel-handelsstandorte behaupten. Dies führt zu einer bereits teilweise vorhandenen Unterversorgung der ländlicheren Teile des Gebietes. Hier gibt es jedoch bereits erste Pilotprojekte von mobilen Angeboten, die diese Lücken schließen.

Betreuungsangebot für Kinder

Das Betreuungsangebot im Spessart ist weitestgehend als mangelhaft zu bewerten. In der Betreuung der unter 3 jährigen sind erhebliche Defi zite zu vermelden, da es in sechs Kommunen keine Angebote für diese Zielgruppe gibt. Zudem können nicht für alle Kommunen Ansprechpartner für ein Tagespfl egepro-gramm benannt werden. Lediglich im Bergwinkel wurde ein solches Tagespfl e-geprojekt für die Betreuung der Kinder geschaff en. Des Weiteren weisen acht Kommunen eine spezifi sche Strategie für Kinder-, Jugend- und Familienpolitik auf. Hierbei steht wiederholt das Betreu-ungsangebot für Kinder im Vordergrund. Wobei in drei Fällen Angaben zu besonderen Aktivitäten gemacht werden. Die Stadt Gelnhausen beteiligt sich u.a. an der sogenannten Bundesi-nitiative „Lokales Bündnis für Familien“. Auch die Gemeinde Freigericht hat ein Kinder- und Jugendparlament berufen.

Schulen

Die Situation im Schulbereich wird im Allgemeinen als gut eingeschätzt. Es gibt mit 41 Grundschulen ein fl ächen-deckendes Angebot in diesem Bereich. Im Bereich der weiterführenden Schulen bestehen 9 Haupt- und Realschulen, die teilweise als Ganztagesangebot, oder in Verbindung mit Grundschulen ausgebaut sind. Hinzu kommen drei Gesamtschulen als Ganztagesschulen und zwei Gymnasien. Der geringe Anteil des gymnasialen Angebotes deckt die Nachfrage in dieser Region. Zwar sind laut Bundesbildungsbericht 2006/2007 in Hessen 56 % der Fünftklässler Gymnasiasten, 19 % Gesamtschüler und nur 26 % Haupt- oder Realschüler, doch sind es im ländlichen Bereich nur 30 – 40 % der Fünftklässler die das Gymnasium besuchen. Hierbei sind Schüler des gymnasialen Gesamtschulbereiches bereits eingerechnet. Dieser Prozentsatz triff t auch auf den Main-Kinzig-Kreis zu.

Weiterbildung

Im Untersuchungsgebiet des hessischen Spessarts gibt es drei Berufsschulen mit unterschiedlichen Ausbildungs-richtungen. Ein Hochschulangebot gibt es jedoch nicht. Angeboten werden allerdings duale Studiengänge z.B. in

Raumuntersuchung Spessart | Arbeitsplatz- und Gewerbeentwicklung | Infrastrukturangebot

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen22

Kooperation mit der FH Gießen-Fried-berg. Zusätzlich gibt es Firmennetzwerke mit verschiedenen Universitäten, wie z.B. das Technologie-Transfer-Netzwerk. Unterstützend werden Programme wie „Lernende Regionen Main-Kinzig und Spessart“, das durch Bundesmittel fi nanziert wird und seinen Schwerpunkt im Übergangsmanagement zwischen den verschiedenen Ausbildungs- und Lebensabschnitten hat, angeboten.Ergänzend werden, initiiert durch den „Bildungspartner Main-Kinzig“, Angebote für lebenslanges Lernen durchgeführt.

Senioren

Deutlich schlechter sieht es in der Seniorenpolitik aus. Hier verfügen die Kommunen über keine spezifi schen Strategien. Lediglich fünf Kommunen weisen hierbei auf ihr Angebot hin. Diese bieten vielfach „klassische“ Seni-orennachmittage und Freizeitangebote an. Bad Soden-Salmünster hat eine Seniorenagenda erstellt. In Bad Orb haben sich Senioren in einem Verein organisiert. Auch in Linsengericht existiert eine Organisation mit dem Namen „Bürger für Bürger“. Die Gemeinde Sinntal hat einen Senioren-beauftragten sowie einen Förderverein. Auch im Bereich der Mobilität gibt es Bemühungen, etwas zu verändern. In

einzelnen Kommunen haben sich zur Verbesserung der Mobilität für ältere Menschen alternative Beförderungs-systeme entwickelt. Unter anderem kommt in Schlüchtern unregelmäßig ein Seniorenbus zum Einsatz. Zudem besteht in Steinau eine Mitnahmemöglichkeit für ältere Mitbürger im Kindergartenbus. Die Gemeinde Flörsbachtal hat nur für die Beförderung ein eigenes Fahrzeug angeschaff t. Außerdem existieren besondere Möglichkeiten die Dorfge-meinschaft zu stärken. Als besonders beispielhaft sind folgende Ziele der einzelnen Kommunen zu benennen. In Bad Soden-Salmünster-Ahl wird der Erhalt der Dorfgemeinschaft sowie die Schaff ung eines Kommunikationsortes gefördert.Auch die Gemeinde Jossgrund, Burgjoß versucht daran anzuknüpfen. Hier wird auf die Dorfmitte als Treff punkt gesetzt. Das „Miteinander aller Generationen“ wird verstärkt, um das soziale Miteinander zu fördern.(Quellen: Bildung in Deutschland 2008 (2008), W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld;REK)

Spielplatz, Steinau an der Straße

Hans-Elm-Schule, Altengronau

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3.5 Verkehrsanbindung

Allgemeine Defi nition

Der öff entliche Personennahverkehr dient der Beförderung von Personen im Berufs-, Ausbildungs-, Einkaufs- und sonstigen alltäglichen Verkehr mit Fahrzeugen des Straßen-, Schienen- und Schiff sverkehrs (Fähren) im Linienverkehr in einem räumlichen Bereich. Im Verbundgebiet SPESSARTregional, bezogen auf die ländlichen Räume, sind die Verkehrsarten des öff entlichen Verkehrs durch Bussen, Eisenbahnen im Nahverkehr (Berufs- und Schülerverkehr) und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr (gem. § 42 Personenbeförderungsgestz) gegeben. Der öff entliche Personennahverkehr gilt als öff entliche Aufgabe und wird dementsprechend durch Bund, Länder und Gemeinden bes. gefördert. Zum Bau von Nahverkehrsanlagen und zur besseren Verknüpfung des öff entlichen Personennahverkehrs (z.B. P+R-Plätze) sieht das Gemeindeverkehrsfi nanzie-rungsgesetz (GVFG) bessondere Investi-tionshilfen vor. Die im öff entlichen Perso-nennahverkehr tätigen Unternehmen erhalten Betriebszuschüsse als Abgeltungen von Mindereinnahmen in bestimmten Verkehren (Ausbildungsver-kehr, unentgeltliche Beförderung

von schwerbehinderten Menschen) und erfahren auf verschiedenen Gebieten steuerliche Entlastungen (z.B. Ermäßigung der Umsatzsteuer für Leistungen im öff entlichen Personen-nahverkehr, Wegfall der Kfz-Steuer für im öff entlichen Personennahverkehr eingesetzte Busse und Kraftomnibusse, in bestimmten Fällen Zurückerstat-tung der entrichteten Mineralölsteuer). (Quelle: www.wirtschaftslexikon.gabler.de)

ÖPNV in SPESSARTregional

Die Anbindung von SPESSARTregional ist für den ländlichen Raum gut ausgebaut. Die Bedienung mit öff entlichem Nahverkehr geschieht auf der Schiene durch Hauptverbindungen von Frankfurt (Main) und Fulda über Regionalexpresse. Die Hauptstationen im Untersuchungs-raum liegen in Schlüchtern, Steinau an der Straße, Wächtersbach und Bad Soden-Salmünster.

Quelle: googlemaps.com

Raumuntersuchung Spessart | Infrastrukturangebot | Verkehrsanbindung

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen24

Die Verkehrträger sind die Deutsche Bahn, der Rhein-Main-Verkehrsverbund und die Verkehrsgesellschaft Untermain.Die nähsten Flughäfen sind Frankfurt Main, Frankfurt-Hahn, Kassel-Calden und Nürnberg. Die Gemeinden Gelnhausen, Schlüchtern und Sinntal beschreiben ihre Anbindung als gut, schlechte Anbindungskonditi-onen weisen die Gemeinden Bad Soden-Salmünster, Flörsbachtal und Jossgrund auf.

Für die Modellkommune Neustall ist die Schülerversorgung gewährleistet, weitere Möglichkeiten der Linienbündelung sind unzureichend (mündl. Nüchter).Die Anbindung an die Autobahn wird über die Auf- und Abfahrt Steinau an der Straße und Schlüchtern bedient.

Alternativanbindungen sind gegeben durch Anruf-Sammeltaxis, Seniorenbusse, Mitnahmemöglichkeiten durch Nachbarn und Beteiligte, sowie durch eigene Fahrzeuge.

Busversorgung wird durch die Unternehmen des Main-Kinzig-Kreises und über die Verkehrsgesellschaft Region Fulda mbH (VGF) gewährleistet. Die Bedienung mit dem Bus ist für die ländlichen Gemeinden als Hauptverbindung zu bezeichnen. Die Buslinien haben mindestens eine Haltestelle je Ort. Die tägliche Verbindung ist für alle Orte gegeben (vgl. REK, S. 34ff ).

Auszug Linienbündel VGFKarte aus REK Quelle: REK SPESSARTregional Quelle: www.VGF.de, 2010

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3.6 Ortsbild mit regional charakteristischen Bauformen und Freifl ächen

Der Spessart befi ndet sich an der südlichen Grenze Hessens zu Bayern und beinhaltet eines der größten Misch-waldgebiete Deutschlands. Er war schon immer eine gut erschlossene Waldlandschaft, der nur durch ihre fl achen Kämme der Hügel und den dichten Waldbewuchs einen Eindruck der Einsamkeit vermittelte, da die Dörfer in den Tälern nur schlecht ersichtlich waren. Topographisch ist der Spessart sehr stark geprägt von Vulkangestein und Hügelketten, in deren Tälern die

Ortschaften liegen. Diese beeindruckende Landschaft, die heutzutage nur noch selten zu fi nden ist, ist auch gleichzeitig wohl eine der größten Chancen der Gegend. Die besonders erlebnisreichen Rad-, Wander- und Freizeitaktivitäten bieten noch sehr viel Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Der Abschnitt Jossa - Gemünden bildet die geographische Grenze zwischen Rhön und Spessart. Von der großen Sinn durchfl ossen, die am Kreuzberg in die Rhön entspringt und mit der Fränkischen Saale in den Main mündet, gibt es im

grünen Spessart wirklich allerhand zu erleben.Ein typisches Erkennungsmerkmal der Wohngegenden im Spessart sind die Holzschindelverkleidungen an vielen Hauswänden, welche in jedem Ort vorkommen. Besonders ist auch, dass viele der Ortschaften ursprünglich als Straßendörfer entstanden sind, welche sich an der Via Regia (einer antiken Handelsstraße zwischen Frankfurt am Main und Leipzig) ansiedelten.Der Spessart ist von mehreren wichtigen Handelsstraßen durchzogen. Diese Handelsstraßen waren früher sowie heute Ausgangspunkt gesellschaftlicher

HolzschindelverkleidungBasaltablagerungen oberhalb von Hutten

Via Regia in Steinau a. d. Straße

Raumuntersuchung Spessart | Verkehrsanbindung | Ortsbild mit regional charakteristischen Bauformen und Freifl ächen

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen26

Entwicklung. Ihnen hat der Spessart heute seine gute Erschließung zu verdanken.Als eine weitere regionale Besonderheit kann ebenfalls der geschichtliche Bezug der Gebrüder Grimm auf die Region Spessart erwähnt werden, da diese auch in ihren Märchen auf verschiedene Ortschaften eingehen, so z.B. in Steinau an der Straße, wo Jacob und Wilhelm Grimm ein Teil ihrer Kindheit verbracht haben. Aber nicht alles waren Märchen und Geschichten. Es gab auch reale Gefahren.

Noch heute treiben die berühmten Spessarträuber, die früher Handelska-ravanen ausraubten, ihr Unwesen im Spessart. Natürlich heutzutage nur noch in Form von Schauspielern und Vereinen, die „ahnungslose“ Wanderer entführen und sie Treue den Spessarträubern schwören lassen.

All diese Dinge, und natürlich noch vieles mehr, geben dem Spessart seinen regionalen hessisch/bayrischen Charakter und seine eigene Identität, die es gilt, auch in den nächsten Jahrzehnten aufrecht zu erhalten.

Wegweiser in Steinau a. d. Straße

Blick von Burg Schwarzenfels auf Mottgers

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Schutz. Von allen Natura 2000-Gebieten des Main-Kinzig-Kreis liegen 78 %, von den Naturschutzgebieten 72 % in der Region.

Im Rahmen des Natur- und Artenschutzes laufen derzeit viele verschiedene Projekte. So liegt ein besonderes Augenmerk auf der Schachblume und dem Biber. Erstere kommt in größeren Beständen im Sinntal vor und ist eine der beiden eltzten Standorte in ganz Deutschland. Der Biber konnte seit 1987 erfolgreich wieder im Mittelgebirge Spessart eingebürgert werden. Die Population von rund 240

3.7 Lage in der Landschaft

Auf einer Fläche von 1.397,52 km2 existieren im gesamten Main-Kingzig-Kreis insgesamt sieben verschiedene Landschaftstypen (vgl. REK: S. 30). Allein fünf sind im Verbandsgebiet SPESSAR-Tregional zu fi nden. Einer von diesen ist der Spessart und Büdinger Wald, welcher als eine der größten zusammen-hängenden Waldfl ächen Deutschland gilt und mit 24 Naturschutzgebieten als Erholungsgebiet bekannt ist. Dieses ist geprägt von Hainsimsem-Eichen-Buchenwälder sowie Nadelmischwäl-dern mit Fichten, Kiefern und Lärchen. Eine andere stellt der Vogelsberg dar, welcher von naturnahen Bachtälern, Grünlandfl ächen sowie Obstwiesen gezeichnet ist. Die zentrale Achse des Main-Kinzig-Kreis ist das breite Tal der Kinzig mit seiner vielfältigen Auenlandschaft. Sie bildet das Gelnhäuser und Steinauer Kinzigtal. In diesem liegen auch die wichtigen Verkehrstrassen SPESSARTregionals: die ICE-Bahnstrecke Frankfurt-Fulda und die Autobahn 66 (vgl. Kapitel 3.4). (vgl. Nitsche, 2002: S. 15 ff .)

Charakteristisch für den Naturraum SPESSARTregional ist der hohe Waldanteil. Auf die Gesamtfl äche von 866,14 km2 kommt eine Waldfl äche von

447,66 km2. Dies entspricht einem Anteil von 51,68 %. Der Durchschnitt des Main-Kinzig-Kreis liegt bei 43,30%, der Landes-durchschnitt hingegen bei 40,00 %. (vgl. REK: S. 96)Im gesamten Main-Kinzig-Kreis sind insgesamt 87 Naturschutzgebiete ausgewiesen. In Hessen ist dies die größte Anzahl pro Landkreis (vgl. Nitsche, 2002: S. 3). Ergänzt wird der Naturschutz durch zahlreiche und großfl ächige Natu-ra-2000-Gebieten, Naturwaldreservate, Landschafts- sowie Vogelschutzgebiete. In SPESSARTregional stehen letztlich sogar 90 % der Gesamtfl äche unter

Naturräume im Main-Kinzig-Kreis

Raumuntersuchung Spessart | Ortsbild mit regional charakteristischen Bauformen und Freifl ächen | Lage in der Landschaft

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen28

Ausblick über Felder

Gehölzfl äche

Tieren bewegt sich inzwischen bis nach Bayern und an den Main. Da der Biber eine Zeigerart für naturbelassene und naturnahe Auenlandschaften ist, spricht dies für die Auenlandschaften des Main-Kinzig-Kreis. (vgl. Nitsche, 2002: S. 48 ff .)

Da die Gesteine zum großen Teil aus nährstoff armen und säurereichen Mittleren und Unteren Buntsandstein gebildet werden, sind die natürlichen Vorraussetzungen für Landwirtschaft ungünstig (vgl. REK: S. 20). Die landwirt-schaftlich genutzte Fläche liegt bei einem Anteil von 35,10 % und so deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 42,60 % (vgl. REK: S. 96). Die Flächen werden zu gleichen Teilen als Dauergrünland und Ackerland genutzt. Besonders hoch ist dabei der Anteil der extensiv bewirtschaf-teten Grünlandfl ächen (vgl. www.statis-tik-hessen.de). Um diese nachhaltige Bewirtschaftungsform zu unterstützen und langfristig die Off enhaltung der Landschaft gewährleisten zu können, wurde das Projekt „GrünlandProjekt Spessart – Da ist Draußen drin“ ins Leben gerufen (vgl. Flyer des Grünland-Projektes Spessart: S. 1 f.). Dieses ist eines der Projekte, die sich um den Erhalt der Kulturlandschaft und der Mittelgebirgs-wiesen sowie dem Schutz der Talsohlen und der Flusslandschaften bemühen (vgl. REK S 30 ff .).

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3.8 Energieversorgung

Die Energieversorgung von SPESSARTregional wird zum überwiegenden Anteil durch die Kreiswerke Gelnhausen GmbH sichergestellt. Die nördliche Region ist an dem Netz der Überlandwerk Fulda AG angeschlossen. Mit 17 % ‚grünem‘ Stromanteil liegen die Kreiswerke über dem Bundesdurchschnitt von 9%. Für die Zukunft strebt der Main-Kinzig-Kreis (MKK) eine Versorgung von 300.000 Einwohnern mit ‚grünem‘ Strom an.In SPESSARTregional erfolgt die regenerative Energiegewinnung aus Wind, Wasser und Sonne. Der Betrieb von Windkraftanlagen konzentriert sich mit 17 Anlagen auf die Standorte in den Mittelgebirgslagen. Das Gemeindegebiet von Steinau bildet hier einen Schwerpunkt. Mit der gewonnenen Energie der insgesamt 38 Anlagen im MKK können über 70.000 Menschen versorgt werden. Der Regionalplan von 2007 bestimmt neue Vorzugsfl ächen (u.a. in Flörbachstal und Jossgrund) für Windenergie, sodass mit weiteren Anlagen zu rechnen ist. Die Wasserkraft wird derzeit in 45 Anlagen des MKK genutzt. Mit durchschnittlich 33 kW/Anlage werden 8.000 Menschen mit Strom versorgt. Einen Schwerpunkt bildet die Stromerzeugung am

Kinzigstausee.Die Neuerung des Erneuerbare–Energien-Gesetz (EnEV)motivierte die private und öff entliche Hand zu einem stärkerem Engagement im Bereich Photovoltaik. Zahlreiche Photovoltaikanlagen wurden seitdem installiert. Auf Dächern der Liegenschaften des MKK sind derzeit 14 Photovoltaikanlagen vorhanden, 11 zusätzliche Standorte sind in Planung. Darüber hinaus bestehen konkrete Umsetzungsvorschläge, die Flächen der Altdeponiestandorte Gelnhausen-Hailer sowie Schlüchtern-Hohenzell für die Stromproduktion mit Photovoltaikanlagen zu nutzen.Der Main-Kinzig-Kreis weist ein hohes Bioenergiepotential auf. Durch die umfangreichen Waldfl ächen liegt das größte Potential bei dem Energieträger Holz. Die Biomasseverwertung erfährt auch aktuell in der Region einen Aufschwung. In privaten Haushalten, im gewerblichen Bereich sowie bei öff entlichen Gebäuden werden Heizungsanlagen für die Verwertung von Holz zur Wärmeversorgung umgestellt. Beispielsweise wird in der Gemeinde Jossgrund auf Initiative der Bürger ein gemeinschaftliches zentrales Holzhackschnitzel-Kraftwerk zur

Energieversorgung von 110 Häusern gebaut. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Haushalte mit Wärmeenergie aus Holzhackschnitzeln versorgt werden. In Wächtersbach werden das Sicherheitszentrum, welches Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr beherbergt, und die Grundschule zusammen die Wärmelieferung aus einer Holzhackschnitzelanlage erhalten. Das Biomasseheizkraftwerk Steinau soll bald mit 20 Megawatt Wärmeleistungen Industrie und Gewerbe beliefern. Mit seiner elektrischen Leistung von über 5 MW könnte die Versorgung von ca. 50.000 Menschen mit Strom sichergestellt werden.Vier Biogasanlagen liegen in SPESSARTregional, drei davon im Gemeindegebiet von Steinau. Die Anlagen erzeugen zusammen 1.700 kW Strom, der für eine Grundversorgung von ca. 17.000 Menschen ausreicht. Weitere Anlagen sind in Planung, für diese könnte die erschlossene Biomassenutzung nicht ausreichen, sodass mehr Biomasse erzeugt oder in die Region geliefert werden müsste.(Quelle: REK, S.70ff ; www.jossgrund.de)

Raumuntersuchung Spessart | Lage in der Landschaft | Energieversorgung

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen30

3.9 Regionale Identitäten und Ortsbindungen

Die Region SPESSARTregional bezieht sich auf den hessischen Teil des Spessarts und ist in den Naturraum Spessart eingegliedert. Bei der Bestimmung der Grenzen wurden somit Verwal-tungsgrenzen und naturräumliche Grenzen miteinander gekoppelt. Bei den Gemeinden, die diese Region umfassen ist daher auch keine regionales Gemein-schaftsgefühl festzustellen. Dies hat mehrere Gründe, aber hauptsächlich liegt es daran, dass die verschiedenen Gemeinden sich nie als Bewohner einer Region verstanden haben.Die Gründe für dieses nichtvorhandene Denken sind bereits in der historischen Vergangenheit zu fi nden. Die hessische Spessartregion tauchte in der Vergangenheit nie als zusammenhän-gende Region auf, sodass ein Gemein-schaftsgefühl nie richtig entstanden sind. Zudem wechselten durch Neuordnungen nach dem Krieg und den hessischen Gebietsreformen in den 1970er Jahren vielfach die Besitzver-hältnisse, zusätzlich haben sich dadurch öfter Grenzen verschoben oder wurden neue bestimmt. Zusätzlich wird die Region geprägt von wegbrechenden, potentiellen Arbeitgebern und den fehlenden

Arbeitsplätze im tertiären Sektor. So wird die Region heute stark von Pendlern geprägt, was eine stärkere Verbindung mit der Heimatregion erschwert. Auff ällig ist hier die Gruppe der „Rhein-Main-Auswanderer“, welche aus dem Ballungsraum Frankfurt in die Region ziehen. Während sie die ruhige Wohnsituation suchen, wollen sie ihre bisherigen Arbeitsplätze halten, was dazu führt, dass sie nur einen geringen Teil ihrer Zeit in der Ortsgemeinschaft verbringen. Daraus resultiert eine geringe Teilnahme am sozialen Leben vor Ort. In Wechselwirkung werden diese Pendler von den alteingesessenen Bewohnern oft misstrauisch behandelt, was zu einer Spaltung innerhalb der Anwohnerschaft führt. Da die Neuankömmlinge häufi g in Neubaugebiete ziehen, kommt es zusätzlich auch zu einer räumlichen Trennung.Ein weiterer wichtiger Faktor, der einer Regionalen Identität entgegensteht ist die zweigeteilte Presselandschaft und die vielfach gegliederte Vereins- Verbandsebene. Auf der einen Seite gibt es die Fuldaer Zeitung, die sich auf die Nachrichten aus dem Schlüchterner Becken spezialisiert und den anderen Teil der Region SPESSARTregional kaum in ihre Berichterstattung miteinbezieht. Auf der anderen Seite gibt es das Gelnhäuser Tageblatt, welches ausschließlich über

die Regionen im SPESSARTregional-Ver-bund berichtet und das Schlüchterner Becken außen vorlässt. Dadurch gibt es keine Informationsüberschneidungen und jegliche Art von Informationsaus-tausch wird verhindert. Die Folgen für die Bewohner in dieser Region sind sehr gravierend, denn so erfahren teilweise Gemeinden nichts über Aktivitäten der Nachbargemeinden. Dieses hat zur Folge, dass auch auf der Kommunikati-onsebene wichtige soziale Erfahrungen nicht stattfi nden und einer Bildung eines Gemeinschaftsgefühls entgegenwirken. Auf der Ebene der Sportverbände ist die Situation ebenfalls in Ost und West unterteilt. So werden die Vereine im östlichen Teil von SPESSARTregional der Region Fulda zugeordnet und die Vereine ab Wächtersbach werden dem westlichen Teil der Region zugeteilt. So gibt es auf einer der wichtigsten sozialen Austauschebenen für Jugendliche und Erwachsene, dem Sport, keine Chance zur Kommunikation und zum Erfah-rungsaustausch. Dieses ist ein Einschnitt in vorhandene Netzwerke und teilt auf der sozialen Ebene eine Region, die eigentlich zusammen gehört. Auf beiden Ebenen ist der Austausch zur bayerischen Seite des Spessarts noch viel geringer und in einer noch schlechteren Situation.Generell muss man aber sagen, dass fast

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alle Gemeinden ein sehr intensives und ausgeprägtes Vereinsleben aufweisen. Verschiedene Landfrauenvereine, Karne-valsverbände oder Chorgruppen sind zahlreich in den einzelnen Gemeinden vertreten. Auf dieser Ebene fi ndet ein ausgeprägter Austausch statt, aber auf die Region SPESSARTregional bezogen ist dieser Austausch nur geringfügig vorhanden. Insgesamt fehlt der Region ein gemeinsamer Dachverband, um SPESSARTregional auch auf Vereins- und Presseebene zu vertreten und der Region bei einer Art Brückenbau zur Kommuni-kationserweiterung zu unterstützen. (Quellen: REK; mündl. Jennert)

Brüder-Grimm-Wiese, Steinau an der Straße Landschaftsraum, bei Hutten

Fachwerkhäuser, Steinau an der Straße

Raumuntersuchung Spessart | Regionale Identitäten und Ortsbindung

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen32

3.10 Gebäudekonzepte für den Bestand / Schaff ung von wohnungsnahe Freifl ächen

Das südliche Gebiet des Spessarts am

Rhein-Main ist städtisch geprägt. Das

nördliche Gebiet ist hingegen eher

ländlich strukturiert. Auch sind dort

viele Freifl ächen vorhanden, die oftmals

für den Tourismus genutzt werden.

Neben dem vorhandenen Erlebnispark

in Steinau sollen die Freifl ächen

hinsichtlich ihrer Erholungsfunktion

mit dem Handlungsfeld „Natur-

und Kulturlandschaft“ zukünftig

weiterentwickelt werden. Bad

Soden-Salmünster sieht eine

stärkere Durchgrünung und die

Schaff ung von Platzsituationen vor, in

Biebergemünd sollen die Freifl ächen

gestaltet werden und in Sinntal sollen

Begrünungsmaßnahmen durchgeführt

werden. In Wächtersbach soll generell

die Freizeitqualität verbessert werden,

in dem eine örtliche Grünstruktur

entwickelt wird sowie Platz- und

Straßenräume geschaff en werden.

Im Dorfkern Weichersbachs stehen

7 % der Wohngebäude leer, es wird

erwartet, dass weitere 85 Dörfer von

dem Leerstand betroff en sein werden.

Mit dem Handlungsfeld „Leben- und

Arbeitsort“ sollen die Defi zite in der

Innenentwicklung ausgebaut werden.

Neubauten sollen nur mit traditionellen

Vorgaben entstehen und der Abriss

nur dann zulässig sein, wenn dieser zur

Verbesserung des Wohnumfeldes führt.

Mit der Dorferneuerung in 35 Dörfern

bzw. 65 Ortsteilen soll die Lebensqualität

im ländlichen Raum nachhaltig erhöht

werden. In Steinau und Gelnhausen

wurde der Erhalt der Kerngebiete durch

die Stadterneuerung gewährleistet. Um

die Wohn- und Lebensqualität in den

Dörfern zu verbessern, wird des öfteren

die Dorfgemeinschaft gestärkt und

ein Austausch angeregt. Aus diesem

Grund soll in Bad Soden-Salmünster

eine Schule saniert und zukünftig als

Gemeinschaftszentrum genutzt werden,

genauso wie die Kapelle in Freigericht, die

für Vereinstätigkeiten umgenutzt werden

soll. In Biebergemünd soll die historische

Bausubstanz erhalten bleiben, sowie

Wohn- und Nebengebäude saniert und

umgebaut werden. Die neugestaltete

Dorfmitte in Jossgrund ist als Treff punkt

gedacht.

Auch für den gesamten Spessart-Raum

soll ein Spessart-Zentrum errichtet

werden, das die Bevölkerung und die

Besucher informiert und bildet, wodurch

ein Austausch zu Stande kommen soll.

Viele Projekte sind bisher nur in Planung,

einige wenige wurden schon realisiert.

So wurde zum Beispiel in Hintersteinau

durch die Beteiligung der Bürger das

Bürgerhaus erweitert.

Zusammenfassend ist also festzustellen,

dass die Belebung der Orts- und

Stadtkerne als soziale Mittelpunkte

im Vordergrund stehen und der

Innenbereich weiter ausgebaut

werden soll, um dem drohenden

Gebäudeleerstand entgegenzuwirken.

Gewässer mit Freifl ächen, Burgjoß

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Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen

Typologie und Bestandsaufnahme der Orte

4.1 Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

4.2 Schlüchtern / Hutten

4.3 Steinau an der Straße / Neustall

4.4 Sinntal / Sterbfritz

4.5 Sinntal / Altengronau

4.6 Jossgrund / Oberndorf

Raumuntersuchung Spessart | Gebäudekonzepte für den Bestand / Schaff ung von wohnungsnahen Freifl ächen

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen34

- Bedeutungswandel - Landwirtschaft - Wohnstandort -Bad Soden-Salmünster / Stadtteile Romsthal, Wahlert, Eckardroth

Für die Gemeinde Huttengrund ist eine zunehmende Konzentration der landwirtschaftlichen Flächen, der Verlust der Eigenstän-digkeit als Dorf als charakteristische Merkmale zu bennen. Es ist der Zusammenschluss zu einer Gemeinde geplant. Huttengrund entwickelt sich überwiegend zum Wohnstandort.

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4.1 Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

Huttengrund

Das Plangebiet wurde im September 2010 besichtigt. Grundlage der Erhebungen und Auswertungen sind eigene Recherchen, Befragungen vor Ort, Statistiken und amtliche Nachweise sowie eine Vorabkartierung der Realnutzung, Brachfl ächen und der Leerstände.Der Huttengrund liegt im Tal eines Ausläufers des Kinzigtals im Main-Kinzig-Kreis. Am 01.07.1974 schlossen sich die Gemeinden Salmünster und Bad Soden sowie die umliegenden Ortschaften zur Gesamtstadt „Bad Soden-Salmünster“ zusammen, der heute u. a. die untersuchten Modellgemeinden Romsthal, Eckardroth und Wahlert administrativ unterstehen. (vgl. www.huttengrund.de)Der Huttengrund ist von einer charakteristisch bewegten Landschaft umgeben und wird von der Salz durchfl ossen, die, aus dem Vogelsberg kommend, bei Salmünster in die Kinzig mündet. Ihre Bezeichnung wird mit Solequellen in Verbindung gebracht, die noch heute in Form thermaler Anwendungen durch Heilquellen und Thermen in Bad Sooden – Salmünster

genutzt werden.Die Ortschaften im Huttengrund sind siedlungsstrukturell eng mit einander verwachsen. Als ein gemeinsames landschaftliches Element verbindet der Fluss Salz die Orte Eckardroth, Wahlert und Romsthal. Charakteristisch sind die örtlich zahlreichen Gräben, Brunnen und Rinnen. Ehemals zur Wasser- und Energieversorgung angelegt, prägen sie das heutige Ortsbild. Die ehemaligen Dörfer gehen fast nahtlos ineinander über. Ihre historische Siedlungsstruktur lässt sich noch heute im öff entlichen Raum erkennen. Kleinteilige Parzellierungen, alte Straßenbezeichnungen, verwinkelte Zuwegungen und Grundstückszuschnitte und nicht zuletzt die alte Bausubstanz, zeugen von der Geschichtsträchtigkeit der Orte. Dem gegenüber stehen neuere Siedlungserweiterungen. Vor allem in Romsthal und Eckardroth. Ihre vorab parzellierten Grundstücke, Stich- und Ringerschließungen, Einfriedungen sowie die beinahe beliebige Architektur stehen im starken Kontrast zur historischen Substanz.Man hat schon früh die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit erkannt. Wirtschaftlich, aber vor allem kulturell gibt es enge Verbindungen. Die Vereinsphilosophie ist stark ausgeprägt. Die Bürger des Huttengrunds engagieren

Lage der Stadtteile

Mühlgraben

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen36

historische GrundstücksparzellierungBlick über den Huttengrund

Vereinsstruktur „Freiwillige Feuerwehr“Dorfbrunnen Romsthal

sich u. a. in einer Kirchengemeinde, einem Gesangsverein, einem Jagdverein sowie im lokalen Sportverein „SG Huttengrund“ und in der Freiweilligen Feuerwehr. Feste, wie Dorf- oder Brunnenfest, werden gemeinsam organisiert. In Romsthal steht die Huttengrundhalle für sportliche und kulturelle Aktivitäten zur Verfügung. In der landwirtschaftlichen Produktion wurde ein „Maschinenring“ gegründet. Teure, unrentable oder nicht häufi g benötigte Maschinen, wie Ballenwickler, Mulcher u. a., werden genossenschaftlich erworben und gepfl egt. Neben einen Bäcker in Eckardroth und Romsthal sowie einen Direktvermarkter und diversen Gaststätten gibt es keine lokale Nahversorgung. Wöchentlich verkehren Fahrende Händler, die Back- und Fleischwaren sowie Waren des täglichen Bedarfs verkaufen. Der Wocheneinkauf wird jedoch in Schlüchtern getätigt. Die medizinische Versorgungslage ist mäßig. Neben einem Facharzt in Eckardroth gibt es erst in Schlüchtern eine allgemeine ärztliche Versorgung, Krankenhäuser und Apotheken. Die Bildung und Betreuung von Jugendlichen und Kindern erfolgt in Romsthal im Kindergarten sowie in der Grundschule bis zum 4. Schuljahr. Weiterführende Schulen sind in Schlüchtern oder Salmünster. Vor Ort gibt es Schulbusse, die innergemeindlich, wie auch nach Salmünster verkehren.

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Romsthal

Romsthal verfügt über eine geschlossene Ortsstruktur, deren historischer Kern von Kirchstraße, Mühlbachstraße und Huttentalstaße umrahmt wird. Hier befi nden sich die Kirche und das in Privatbesitz befi ndliche ehemalige Herrenhaus der Hutten, das sogenannte Huttenschlösschen. Das Ortsbild Romsthals wird von Landwirtschaft und Bauernhöfen in umgebungs- und ortsbestimmender Lage geprägt. Im romsthaler Ortskern stehen vermehrt Neben- und Wirtschaftsgebäude leer. Auch Standorte aufgegebener

Handwerks- und Gewerbebetriebe sowie eine ehemalige Pizzeria sind vom Leerstand betroff en. Trotz des weitreichenden Leerstandes sind hier Potentiale für neue Wohnstandorte und/oder Freifl ächen ersichtlich. Am Mühlgraben befi ndet sich eine Gaststätte, die entweder nur momentan geschlossen oder auch gänzlich vom Leerstand betroff en ist. Ebenso unklar ist der Zustand des Lebensmittelladens „Am Kindergarten“; ob er noch im Betrieb ist, ist nicht ersichtlich. Diesem Schicksal sind bislang eine ortsansässige

Schmiede, ein Friseur und eine Autowerkstatt entgangen. Ein Bankservice wird noch angeboten.Für gemeinsame Veranstaltungen der Romsthaler Einwohner steht ein Dorfgemeinschaftshaus zur Verfügung. Ein konventioneller Kinderspielplatz ist zur Beschäftigung der Kinder angelegt. Das „Atelier Jeanette“ im neueren Wohngebiet am westlichen Ortsrand produziert und vertreibt Lederwaren. Am südlichen Ortsrand ist ein Baustoff unternehmen ansässig. An der Gemarkungsgrenze nach Wahlert liegt die historische Schlagmühle, die heute als Gaststätte bewirtschaftet wird. Sie bindet unmittelbar an einen Fuß - Wanderweg nach Salmünster an.Im Westen und Nordosten Romsthals ist ein Einfamilienhausgebiet ausgewiesen. Wie der Ortskern weist auch dieses Neubaugebiet viel ungenutzte Fläche auf. Etwa 30 Grundstücke im Westen und Norden des Gebietes sind (noch) unbebaut.

historischer HandwerksbetriebOrtsbild - Landwirtschaft - Wohnstandort

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen38

Platzgestaltung „Neue Dorfmitte“landwirtschaftliche Strukturen im Zentrum

Wahlert

Wahlert ist der kleinste der drei untersuchten Orte und liegt in einer topographisch bewegten Landschaft. Die Grenze des Wohnstandortes zum benachbarten Eckardroth verläuft nahtlos. Den Dorfmittelpunkt Wahlerts bildet ein neu gestalteter Platz. Dieser ist mit einem Briefkasten, einer Ortsinformationstafel sowie mit einem Brunnen und Sitzmöglichkeiten ausgestattet. Ein städtebauliches Zentrum lässt sich nur schwer ausmachen. Im Süden, an der Gemeindegrenze zu

Romsthal, liegen landwirtschaftliche Gehöfte. Sie konzentrieren sich im Bereich der Salzstraße. Die Aufteilung und der Zuschnitt der Grundstücke lassen auf den historisch ältesten Teil der Ortschaft schließen. Im Norden erstreckt sich an einem Südhang ein Wohngebiet mit Ein- und Mehrfamilienhäusern auf mäßig großen Grundstücken, die über Stich- und Ringstraßen erschlossen sind. Die Grundstücke haben eine attraktive Wohnlage aufgrund der charakteristisch topographischen Überformung und

Nord-Süd-Ausrichtung mit Blick über den Huttengrund. Am westlichen Ortsrand bietet die Gaststätte „Forellenhof“ Fischspezialitäten aus eigener Fischzucht an.

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Eckardroth

Urkundlich wurde Eckardroth bereits 1356 unter dem Namen Ekharterode erstmalig erwähnt. Der Name Ekhartrode geht auf den Namen „Ekhart“ und auf das „Roden““ zurück. 1805 wurde von der Kirchengemeinde Romsthal/Eckardroth die Barockkirche St. Franziskus gebaut, die 1905 erweitert und 1983 saniert wurde. Mit Hilfe von Spenden konnte das alte Deckengemälde der Kirche freigelegt werden. Das Kirchendach wurde mit Schiefern gedeckt. Einzig die Rundfenster über den Seitenaltären blieben im Zuge der Restaurierungsmaßnahmen in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten.Bis zum Dritten Reich prägte eine aktive jüdische Gemeine den Ort. Noch heute existiert der jüdische Friedhof. Er war, bis zur Anlegung eines eigenen Friedhofes in Salmünster, zentraler Friedhof für die umliegenden Gemeinden. Er befi ndet sich am östlichen Ortseingang, verdeckt durch Bäume und Häuser und umgeben von dem Fluss Salz inmitten des Ortes. Er ist nur durch einen schmalen Zugang zwischen Privathäusern zu erreichen. Der Friedhof wurde am 16. April 1940 aufgelassen und von der Gemeinde an einen Privatmann verkauft mit dem ausdrücklichen Recht, die Grabsteine zu entfernen und zu verwerten. Der neue Besitzer ließ den Friedhof jedoch nicht

abräumen und bewahrte ihn vor der Zerstörung. Heute sind 159 Gräber aus der festgestellten Belegzeit von 1747 bis 1934 erhalten. (vgl. www.alemannia-judaica.de)1836 wurde mit Kosten von 700 Gulden in Eckardroth eine Schule erbaut. Sie ging nach dem 2. Weltkrieg in den Besitz der Familie Schmitt über und wurde später abgerissen. Seit 1938 besuchen die Kinder des Huttengrunds die 1938 in Romsthal neu erbaute Schule.Die Ortsmitte, im Bereich der Oberen und Unteren Gasse an der Landesstraße L 3196, ist durch eine dichte Bebauungs-

Wohngebiet im Norden

struktur gekennzeichnet. Viele der Neben- und Wirtschaftsgebäude sind auff ällig sanierungsbedürftig, wenngleich der augenscheinliche Leerstand im Gegensatz zur Nachbargemeinde Romsthal gering ist. Im Ort gibt es zwei Gaststätten, einen Bäcker sowie einen Reiterhof mit Spielplatz am westlichen Ortsrand an der Gemeindegrenze zu Wahlert. Vor Ort gibt es einige Gewerbebetriebe wie ein Sanitärfachgeschäft, einen Holz verarbeitenden Betrieb und eine Zinkveredelung. Im Osten befi ndet sich der Sportplatz.

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen40

jüdischer Friedhof

Imprsessionen Jüdischer Friedhof

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Bevökerungsstruktur und

demographische Entwicklung

Bevölkerungszahlen

� 31.12.2008 31.12.2009

Nebenwohnsitze Hauptwohnsitze Nebenwohnsitze Hauptwohnsitze

Ahl 36 612 36 608

Alsberg 23 156 21 154

Bad Soden 289 3.969 282 3.960

Eckardroth 38 610 37 632

Kath. - Willenroth 12 242 14 238

Kerbersdorf 27 461 29 459

Mernes 50 819 56 796

Romsthal 44 774 38 791

Salmünster 226 5.525 232 5.547

Wahlert 23 372 22 368

Gesamtstadt 759 13.540 754 13.553

Quelle: www.badsoden-salmünster.de

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen42

Bevölkerungsentwicklung und

demographischer Wandel

Die Bevölkerungsentwicklung in den letzten 15 Jahren verlief für die Gemeinden im Kommunalgebiet Bad Sooden – Salmünster sehr schwankend. Ursache hierfür ist die disperse Siedlungsstruktur, die vom kleinen Dorf bis zum Mittelzentrum reicht. Entsprechend uneinheitlich sind die Bevölkerungsentwicklungen in den einzelnen Teilorten.In den Gemeinden des Huttengrundes leben 1.756 Einwohner. Dies entspricht 13 % der Gesamtstadt Bad Sooden – Salmünster. Wahlert, Romsthal und Eckardroth konnten gerade in den letzten 5 Jahren Bevölkerungsgewinne verzeichnen. Diese sind durch Migration Ortsfremder in die neu entstanden Siedlungslagen hervorgerufen. Auf Grund noch vorhandener Baugrundstücke sind weitere Bevölkerungszunahmen zu erwarten. Dem entgegen steht die natürliche Bevölkerungsentwicklung. Die Statistiken belegen einen Wandel in der Bevölkerungsstruktur. Während der Anteil der Kinder und Jugendlichen gesunken ist, stieg zugleich der Anteil der Älteren und vor allem der Hochbetagten. Auf Grund der niedrigen Geburtenzahlen ist diese Verschiebung der sozialen Gruppierungen als

nachhaltig anzusehen. Damit verbunden steht die Kommune vor neuen Aufgaben und muss sich den zunehmend verändernden Anforderungen ihrer Bevölkerung annehmen. (Quellen: vgl. REK; vgl.Raumordnungs-bericht BBR; www.demographiekonkret.de)

Quelle: eigene Aufnahmen

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Historie / Dorfchronik

Der Name Hutten geht auf ein altes fränkisches Adelsgeschlecht zurück. Er stammt vermutlich von dem gleichnamigen, schon 1140 erwähnten Dorf im Kreis Schlüchtern und leitet sich aus dem mittelhochdeutschen Wort huote / huot (Obhut, Behütung, Fürsorge) ab. Zweige der Familie bestehen bis heute. Die Bezeichnung „Hutten’scher Grund“ lässt Rückschluss auf die früheren Besitzungen der Herren von Hutten im Salztal zu, wozu auch Teile der Dörfer Kerbersdorf und Katholisch-Willenroth gehörten.Die Herren von Hutten gehörten gemeinsam mit den Herren von Thüngen zu den bedeutendsten Adelsgeschlech-tern im nördlichen Spessart. Das älteste sichere Zeugnis über das Geschlecht stammt aus dem Jahr 1274, in dem die Brüder Erkenbert, Hermann und Johann de Huten als Zeugen in einer Urkunde des Klosters Schlüchtern auftraten. Das Geschlecht spielte als Schutzmacht für die in der Region betriebene Salzgewinnung eine maßgebliche Rolle. Aus ihr sind bedeutende Persön-lichkeiten wie Ulrich von Hutten und mehrere Bischöfe hervorgegangen. Als Namenszusatz nahmen die verschiedenen Familienlinien die Namen späterer Herrschaftssitze auf. In Romsthal

fi ndet sich noch heute das 1749 erbaute historische „Huttenschlößchen“, das auch als Herrenhaus bekannt ist. Es geht 1972 nach mehrmaligem Wechsel in den Besitz von Herrn Graf von Roedern über und wurde von Grund auf renoviert. Von der Burgmühle, die erstmals um das Jahr 1757 erwähnt wurde und zum „Hutten-schlösschen“ gehörte, ist heute nichts mehr vorhanden.Im Mittelalter gehörten die Dörfer des Huttischen Grundes zur Burg Soden und zum ehemaligen Reichsgericht Salmünster. Zu dieser Zeit wurde Eckardroth von umherstreunenden Räuberbanden als Unterschlupf und als Ausgangspunkt zur Flucht aus dem Huttischem Patrimonialgericht ins „Ausland“ genutzt.Das nachhaltigste Ereignis in der Geschichte des Huttischen Grundes ist die Gründung des Schwesternhauses am 21.10.1884. Trotz beginnender Industrie-alisierung herrschte im Gebiet noch tiefes soziales Elend. Die Kindersterblichkeit war groß und gegen die Tuberkulose gab es noch kein Heilmittel. Damals bildete die Kreisverwaltung Schlüchtern eine Kommission zur Fürsorge mittelloser Kranker. Christlich sozial eingestellte Menschen engagierten sich für tätige Hilfe. Der damalige Bürgermeister und

Landwirt Jöckel stellte seinen Besitz als Stiftung zur Verfügung, um eine Schwesternstation einzurichten. Geplant waren eine Kinderbewahr-anstalt und die Übernahme der ambulanten Krankenpfl ege. Dies wurde genehmigt und am 28.10.1884 konnten in einer denkwürdigen Feier die ersten Schwestern hier eingeführt werden. Nach dem Ausbau einiger Zimmer in 1889 richtete man hier das erste Krankenhaus der Gegend ein. Heute läuft das Haus unter der Albert-Schweitzer-Stiftung. Auf dem Gelände befi ndet sich eine über 100 Jahre alte Lourdes-Grotte.Die Gemarkungsfl äche, auf der sich heute Eckardroth befi ndet, war schon um 900 n. Chr. Teil der Mark Salz und wurde dem Kloster Fulda übergeben. Urkundlich wird Eckardroth jedoch erst 1356 unter dem Namen Ekharterode erstmalig erwähnt. 1805 baute die Kirchengemeinde Romsthal/Eckardroth die große Barockkirche St. Franziskus, die 1905 erweitert wurde. Bis zum Dritten Reich hat eine aktive jüdische Gemeine den Huttengrund geprägt. Noch heute existiert ein jüdischer Friedhof am Ortseingang von Eckardroth. Die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde kann bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgt werden, da in dieser Zeit

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der jüdische Friedhof angelegt wurden ist. Nachweise durch Geburtsurkunden liegen seit der Zeit um 1760 vor. Die jüdischen Familien lebten vor allem vom Handel mit Vieh, Landesprodukten, Ellenwaren und Altkleidern und prägten im 19. Jahrhundert sowohl durch handwerkliche als auch kaufmännische Tätigkeiten die Region. In Eckardroth gab es eine Synagoge mit etwa 50 Sitzplätzen. Sie befand sich in einem kleinen Gebäude nahe dem jüdischen Friedhof. Das Haus wurde 1936 verkauft, später abgebrochen. Des Weiteren gab es ein rituelles Bad (Mikwe) sowie eine Religionsschule, in der zeitweise ein eigener Lehrer, Vorbeter und Schochet angestellt war. Um 1924 waren im Huttengrund noch 31 jüdische Einwohner verzeichnet. Die jüdische Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk in Hanau. Bis 1925/26 hatten fast alle jüdischen Einwohner den Ort verlassen. 1933 lebten noch etwa 20 jüdische Personen in Romsthal. In den folgenden Jahren sind mehrere der jüdischen Gemeindemitglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert.(Quellen: vgl. Zeitreise durch den Spessart, Schumacher; www.huttengrund.de)

„Huttenschlösschen“, Romsthal

historische Ortsmitte Romsthal

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Stärken - Schwächen - Analyse

Die folgende Analyse benennt die wesentlichen Stärken und Schwächen im Bestand und bildet damit eine Grundlage für die Erarbeitung von Lösungsansätzen im Rahmen der Untersuchung. Die aufgezeigten Potentiale können Aufschluss darüber bringen, in welchen Zustand sich das untersuchte Gebiet befi ndet und welche Stärken es besitzt. Diese gilt es weiter auszubauen und wenn möglich zu verbessern. Die untersuchten Defi zite sind nicht als Kritik zu verstehen. Es gilt viel mehr diese als Entwicklungspotential zu verstehen, mit denen zukünftige Entwicklungen ausgelöst werden können.

Potentiale

Als Stärke des untersuchten Huttengrunds ist die räumliche Konzentrierung der drei Dörfer sowie die unmittelbare Nähe zu den Mittelzentren Bad Sooden-Salmünster und Steinau a. d. Straße zu werten. Deren Innenstädte ergänzen mit ihren vielfältigen Einrichtungen das Nutzungs- und Versorgungsangebot für die nur spezifi sche Angebotsstruktur der Region und sind zugleich attraktive Arbeitgeberstandorte. Der hohe Anteil an verfügbarem Bauland, ob privat oder kommunal, bietet ein langfristiges

Potential für Wohnraumsuchende. Vor allem die Wohnlagen in Wahlert und Eckardroth vermitteln durch die topographischen Gegebenheiten und Sichtbeziehungen, in Teils historischer Dorfstruktur, hohe Lebens- und Wohnqualitäten. Die Salz sowie die das Siedlungsgebiet durchziehenden Wassergräben tragen zum Abwechslungsreichtum des Landschaftsraumes bei.Die vom Leerstand betroff enen Gebäude beeinträchtigen nicht nur das Ortsbild, sondern sind auch als Entwicklungsreservoir zu verstehen. Ihre Reaktivierung durch Sanierung, Umbau oder Umnutzung könnte für Investoren bzw. Interessenten ansprechend sein, die Wert auf eine geschichtsträchtige Immobilie legen oder den Wunsch haben, sich durch Eigenumbau von den vielerorts beliebigen Retortenhäusern abzuheben. Diesbezüglich erscheint Romsthal besonders attraktiv. Im Ortskern, zwischen Kirchstraße, Mühlbachstraße und Huttentalstaße, ist ein hoher Anteil an (ehemaligen) Landwirtschaftsgebäuden zu verzeichnen, deren Neben- und Wirtschaftsgebäude ungenutzt sind oder sich in einen baulich schlechten Zustand befi nden. Durch Abriss / Rückbau

gezielt ausgewählter Nebengebäude könnten neue Freifl ächen auf den zum Teil hoch verdichteten Grundstücken hinzugewonnen werden. Die Attraktivität würde somit vor allem für Familien mit Kindern gesteigert werden, die Wert auf private und geschützte Freiräume legen. Eine Vorabbegehung und Einschätzung der Sachlage sollte mit Hilfe des zuständigen Bezirkskonservators und der Bauaufsichtsbehörde erfolgen.Die Nutzungsvielfalt der im Huttengrund bereits vereinigten Sport-, Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie eine Vielzahl gastronomischer Angebote bereichern den Erholungs- und Freizeitwert. Ihre administrative Zusammenlegung erleichtert die Organisation und Gestaltung und hilft zudem fi nanzielle Ausgaben einzusparen. Die gemeinsame Ausrichtung lokaler Aktivitäten (Feuerwehr, Dorff est, Brunnenfest, Kirche, Karneval u.a.) der drei Stadtteile Romsthal, Eckardroth und Wahlert stärkt die Bindung untereinander und fördert das soziale Zusammengehörigkeitsgefühl. Über Jahrzehnte hinweg, historisch bedingt und gefördert, entwickelten sich ein Heimatgefühl und eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Ort, wodurch der Geist einer regionalen

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Identität, einer Zugehörigkeit zum Huttengrund, entstand. Wünschenswert und Vorbild für viele andere Kommunen und Regionen im Main-Kinzig-Kreis!

Defi zite

Die lokale Versorgung mit frischen Lebensmitteln ist nur unzureichend. Neben den privaten Nutzgärten oder Erzeugnissen aus der Landwirtschaft steht für den Huttengrund lediglich eine Bäckerei in Eckardroth zur Verfügung. Die mobilen Versorgungsdienste sind hilfreich und stützen die Versorgungslage der Region, können aber in der Regel durch ihr eingeschränktes Warenangebot sowie auf Grund der zeitlich festgelegten Fahrtrouten der Nachfrage nicht gerecht werden. Vor allem die Einwohner der neueren Siedlungserweiterungen in den Ein- und Mehrfamilienhausge-bieten versorgen sich außerorts. Viele von ihnen wohnen im Huttengrund, arbeiten jedoch im nahe gelegen Salmünster, Steinau a. d. Straße etc. Befragungen zeigten, dass diese in dortigen Discountern und Vollsortimen-tern einkaufen; meist in Kombination mit dem ohnehin notwendigen Arbeitsweg.Die vergangene Siedlungsentwicklung an den Randlagen, vor allem in Wahlert

und Eckardroth, ist zukünftig als kritisch zu sehen. Während in den Ortskernen der Leerstand zunimmt und durch mangelnde Nachfrage die lokale Ökonomie geschwächt ist, off enbaren sich die Neubaugebiete als „Schlafstädte“ mit einer zukünftig fragwürdig erscheinenden Tragbarkeit der für sie benötigten Infrastruktur. Die Bewohnerschaft der Neubaugebiete ist zudem überwiegend durch Hinzugezogene charakterisiert. Auf Grund mangelnder Arbeitsplätze am Ort pendeln sie ins Umland. Ihre sozialen Kontakte pfl egen sie mit Ihrem Heimatort bzw. an ihrer Arbeitsstätte. Folge dessen ist eine oftmals nur unzureichende Ortskenntnis sowie eine oberfl ächliche Integration in das soziale Gefüge „Dorf“. Auf die Frage nach der Lage des jüdischen Friedhofs in Eckardroth konnte keiner der Befragten Auskunft geben. Der Friedhof liegt versteckt hinter Privathäusern. Seine Zuwegung erfolgt durch ein schmales Tor über einen Vorplatz. Er ist von der Straße aus nicht ersichtlich. Das direkte Umfeld sowie die Friedhofsmauer machen einen ungepfl egten Eindruck. Es lagert privater Unrat, Holz und Sonstiges. Das Friedhofstor ist verschlossen. Ein Hinweisschild verweist auf den Bauhof in Salmünster, der den Torschlüssel

aufbewahrt. Eine Besichtigung des Friedhofs ist daher nur unter hohem organisatorischem Aufwand möglich.

Die infrastrukturelle Ausstattung des Huttengrunds ist unzureichend. Ärztehaus, Apotheke, Bank oder Post fehlen. Die schulische Weiterbildung (nach der Grundschule) kann nur außerhalb erfolgen. Das private KfZ, oder der Zweitwagen ist somit fast obligatorisch.

jüdischer FriedhofDefi zit Beschäftigungsverlust in der Landwirtschaft

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jüdischer Friedhof

Potenzial Wohnumfeld

Defi zit Leerstand Potenzial Wasser

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen48

Mutterkuh - Hofbetrieb

Die Landwirtschaft in ihrer bisherigen Form wird zukünftig nur in Einzelfällen weiterbestehen können. Nach Auskunft von Herrn C. Jöckel, Landwirt in Wahlert, sind alle Landwirte in der Nachbarschaft bereits im fortgeschrittenen Alter. Die demographischen Statistiken der Region belegen diesen generellen Trend der „Überalterung“ der Gesellschaft. Die Nachfolge am Hof ist oftmals ungeklärt. Die tradierte Vorstellung der Übernahme durch Sohn oder Tochter ist durch die zunehmende Individua-lisierung nicht mehr allgemein gültig. Die Arbeit als Landwirt / Landwirtin ist sehr stark einvernehmend. Besonders die Viehhaltung erfordert ein großes Engagement und die Bereitschaft zur Arbeit außerhalb festgesetzter Wochenstunden. Die Landwirtschaft ist an kalendarischen Zyklen orientiert und lässt nur wenig Spielraum für spontanen Urlaub oder zur Gestaltung der Freizeit. Die Kinder haben eigene Perspektiven, deren Verwirklichung durch staatliche Förderungen oder private Initiativen einfacher umzusetzen ist, als noch vor einigen Jahrzehnten. Die soziale Abhängigkeit von der Familie und die Notwendigkeit der Arbeit am Hofe wurden somit in Teilen aufgelöst. Auch die ökonomische Situation in der Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Die Milchpreise

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Als Ergebnis ist seit Jahren der Trend zur Ausrichtung der Bewirtschaftung der Felder mit förderfähigem Saatgut zu verzeichnen. Die Finanzmittel werden knapper und die Förderung der lokalen Landwirtschaft, ist vor allem im globalen Kontext freier Märkte, langfristig fragwürdig. Eine Diversifi zierung scheint unausweichlich und ist in Teilen bereits erfolgt. Ökologisch, biologisch, Biomasse, regenerative Energien sind hierzu einige Schlagworte.Die Zukunft der Höfe bleibt ungewiss. (mündl. Jöckel)

werden von den großen Handelsunter-nehmen im Wettbewerb stark gedrückt. Für eine rentable Milcherzeugung werden Größenordnungen von mehr als 120 Kühen benötigt, deren Platz- und Futterbedarf nur in Ausnahmefällen vorhanden ist. Die Bewirtschaftung von Feldern ist nur in größeren Dimensionen ertragreich, für die jedoch der Einsatz von teuren Maschinen und Technik notwendig ist. Ohne staatliche Subven-tionierung könnten die meisten Betriebe am freien Markt nicht bestehen.Die europäische Landwirtschaft wird im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik gefördert, damit sie ihre vielfältigen, über die Nahrungsmittel- und Rohstoff -produktion hinausgehenden Aufgaben für die Gesellschaft unter Weltmarkt-bedingungen erfüllen können. Die Förderung im Agrarbereich erstreckt sich von Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Einführung von Innovationen über die Unterstützung besonders umwelt- und tiergerechter Produktionsverfahren, Ausgleichszahlungen für die von der Natur benachteiligten Regionen, u. a. zur Erhaltung eines attraktiven Landschafts-bildes für die einheimische Bevölkerung und den Tourismus, bis hin zu Fördermaßnahmen zur Dorferneuerung und -entwicklung sowie zum Schutz und der Erhaltung des ländlichen Kulturerbes.

innerörtliche Landwirtschaft

„Eine Kuh macht: MUH - viele Kühe machen: MÜHE“

(Autor unbekannt)

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- Bedeutungsverlust durch nachlassenden Tourismus -Schlüchtern / Ortsteil Hutten

Mit unter 1.000 Einwohnern und einer historisch bedingten Abhängigkeit vom Tourismus und von der Wirtschaftskraft der Touristen hat Hutten eine besondere Funktion. Bedingt durch den Verfall der großen touristischen Einrichtung sind negative Auswirkungen auf die Infrastruktur des gesamten Ortes gegeben.

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Die Stadt Schlüchtern mit den zwölf eingegliederten Gemeinden liegt am äußersten Nord-Ost-Rand des Main- Kinzig-Kreises an dem Entwicklungs-band Frankfurt-Hanau-Fulda. Trotz des Verlustes der Kreisfunktion 1974 konnte sich Schlüchtern seine Mittelpunktbe-deutung für einen Mittelbereich von über 34.000 Einwohnern, besonders durch die vorhandene kulturelle und soziale Infra-strukturausstattung, erhalten. Auch durch die diff erenzierte Gewerbe- und Arbeitsplatzstruktur ist die zentralörtliche Funktion eines Mittelzentrums entstanden, was durch die Ausweisung als gewerblicher Entwick-lungsschwerpunkt im Regionalen Raumordnungsplan und Zugehörigkeit zur Zonenrandförderung bestärkt wird. Außerdem ist eine erhebliche Fremdenverkehrs- und Erholungsfunk-tion entstanden. Diese Funktionen haben sich trotz- möglicherweise auch wegen- der Randlage des Raumes und der vergleichsweise mäßigen Verkehrs-anbindung an der ständig überlasteten B 40 (Hanau-Fulda) relativ stabilisiert und können sich mit der A 66 verstärken.Der Stadtteil Hutten, der etwas abseits ungestört im Elmtal liegt, hat keinerlei zentralörtliche Bedeutung.Die Gemarkung Hutten gehört zum Naturpark Hessischer Spessart und liegt naturräumlich im sogenannten

Bergwinkel. Dieser ist der Schnittpunkt dreier naturräumlicher Einheiten: Sand-steinspessart, unterer Vogelsberg und Südrhön. Zum Dorfkern gehört das ca. 500 m entfernte Freizeitgelände „Am Heiligenborn“ mit 28 Ferienwohn-häusern, 30 Wochenendhäusern, 50 Campingplätzen mit einer Gaststätte, dem beheiztem Freibad, ausgebauten Wanderwegen und einer Schützhütte mit Grillplatz. Das Ferienhausgebiet wird heute nicht mehr genutzt und ist von der endgültigen Schließung bedroht. Die Ortschaft, die für ein familienfreundli-ches Wohnen bekannt gewesen ist, wird nur noch einseitig genutzt. Der bisherige Besitzer, die Brauerei Wiese, steht in Verhandlung mit einem momentan noch unbekannten Interessenten. Ein örtlicher Laden deckt die Bedürfnisse der Bewohner mit Gütern des täglichen Bedarfs.

4.2 Schlüchtern / Hutten

Lage im Raum

Lage im Raum

Luftbild Ortsschilder

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen52

www.schluechtern.de) Die Ortser-schließung an Schlüchtern erfolgte vom Südwesten. Die Siedlung hat sich nicht kontinuierlich konzentrisch, sondern an dem Elmbach, entwickelt. Die spätere Erweiterung geschah linear entlang der östlichen Rhönstraße. Aus dieser Entwicklung ist kein eindeutiger Ortsmittelpunkt erkennbar, zumal auch die Kirche schon immer am Ortsrand gelegen war. Mit der Haupterschließung L 3329 von Huttengrund wurde die Ortsmitte eindeutiger ortsgeographisch lokalisiert,

die heute jedoch durch die Bebauung und der Freifl ächengestaltung nicht wahrzunehmen ist.

Bevölkerungsstruktur

Die Bevölkerungsentwicklung ist seit Jahren stabil. Der Anteil Huttens an der Bevölkerung der Stadt Schlüchtern beträgt etwa 5,5 %. Bis auf 53 Bewohner ist Hutten der Hauptwohnsitz von 876 Einwohnern. Der Anteil an männlichen und weiblichen Bewohnern ist dabei relativ ausgeglichen. Auch das Verhältnis der Menschen bis 18 Jahren und den Menschen über 65 Jahre ist nahezu homogen. 18 Bewohner mit Migrationshintergrund sind in Hutten angesiedelt, davon sind keine jugendlichen Alters. Für die 594 Protestanten ist eine entsprechende Kirche vorhanden, für die 159 Katholiken jedoch nicht. (vgl. www.dorf-hutten.de)Größere Abwanderungen sind bisher ausgeblieben, da für ausreichend Bauland gesorgt ist.

Wirtschaftsstruktur

Hutten zeichnet sich durch ungünstige natürliche Standortbedingungen, mit einer geringen Bodengüte und starken Hangneigungen, aus. Die Erwerbsstruktur ist durch den Rückgang

der Erwerbstätigkeiten insgesamt und insbesondere in der Landwirtschaft, zugunsten der Erwerbstätigkeit in dem Gewerbe und in der Industrie, geprägt. Dennoch ist die landwirtschaftliche Tätigkeit, die oftmals als Nebenerwerb stattfi ndet, noch relativ hoch. Die Anzahl der Betriebe hat sich zwar stark

verringert, jedoch haben sich die größeren Anlagen oftmals erweitert. Dies stellt auch die Landschaftspfl ege sicher und verhindert Brachfl ächen. Die landwirtschaftliche Nutzung ist hauptsächlich mit der Entfernung zum Ballungsraum und der geringen Ausstattung an gewerblichen Arbeitsplätzen zu erklären. Aufgrund der geringen Einwohnerzahl und des geringen Einzugsbereichs konnten sich keine größeren gewerblichen Betriebe ansiedeln. Zu fi nden sind der „Gebrauchtmöbel- &

Historie / Dorfchronik

Hutten wurde 1137 erstmalig urkundlich erwähnt und war ursprünglich ummauert, wovon aber keine Spuren vorhanden sind. Der ursprüngliche Siedlungskern entwickelte sich zwischen der Hinterburg- und Rhönstraße. (vgl.

Huttens Wappen Kfz-Werkstatt

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Second-Hand-Markt“, der „Montage & Hausmeisterservice“ und die Kfz-Werkstatt „Auto Schäfer“. Da am Ort sonst kaum Arbeitsplätze vorhanden sind, ist der Auspendleranteil mit über 80 % sehr hoch, womit zugleich die individuelle Mobilität zunimmt. Die meisten Bewohner pendeln in die Stadt Schlüchtern, viele jedoch auch in den Ballungsraum Rhein-Main, weniger nach Fulda.

Infrastruktur

Für die Einwohner in Hutten sind vielfältige Einrichtungen zu fi nden.

• das Lebensmittelgeschäft,• die Gaststätte,• die evangelische Kirche,• das Dorfgemeinschaftshaus mit Garage für die Feuerwehr, • das Deutsche Rote Kreuz,• die Gewerbebetriebe,• der Sportplatz,• das Schwimmbad,• der Kaninchenzuchtverein,• die Kindertagesstätte und • der Kinderspielplatz

sind zufällig über das Gebiet verteilt und ergeben keinen funktionalen Ortsmittelpunkt.

Gaststätte

Evangelische Kirche

Dorfgemeinschaftshaus

Freibad

Kindertagesstätte

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Die Grundschule befi ndet sich in der angrenzenden Gemeinde Elm und weiterführende Schulen in der Stadt Schlüchtern. Der Nachbarschaftsladen am Ortsrand stellt mit einem umfassenden Sortiment die Grundversorgung des täglichen Bedarfs sicher. Ein Hausarzt ist in Hutten ansässig, seine Praxis befi ndet sich allerdings in Schlüchtern. Ansätze für eine Fremdenverkehrs-entwicklung in Hutten sind durch die bestehenden Einrichtungen mit dem Ferienhaus- und Wochenendhausgebiet, dem Campingplatz und dem Freibad vorhanden. Das Feriendorf kann als vielfältige Fami-lienerholung in naturnaher Umgebung fungieren. Die Entwicklung des örtlichen

Einzelhandels hier anzustreben, ist nicht notwendig, da sich die Urlauber weitestgehend selbst versorgen. Allein in diesem Bereich sind langfristige Entwicklungschancen zu sehen, die die vorhandene Struktur stützen und ergänzen könnten. Die wöchentlich stattfi ndenden Wanderführungen des örtlichen Wandervereins werden vorwiegend von den ansässigen Bewohnern wahrgenommen. Eine Ausweitung des Freizeitange-bots wäre langfristig möglich, wenn die Bettenkapazität entsprechend ausgebaut und die örtliche Gastronomie verbessert wird. Der Bedarf an Fremdenzimmer ist

momentan allerdings nicht gegeben.

Verkehrsanbindung

Mit der Landesstraße L 3329, die direkt von der Ortsmitte Huttens führt, wird die Erreichbarkeit zur naheliegenden Stadt Schlüchtern gewährleistet. Dort befi ndet sich der Bahnhof mit Anschluss an Geln-hausen-Hanau-Frankfurt/Fulda und Hannover-Würzburg. Die Landesstraße L 3141 verläuft durch Hutten und stellt die Verbindung zu der Gemeinde Rückers dar. Über die weiterführende Bundesstraße B 40 gelangt man schließlich auf die Autobahn A 66 oder nach Gundhelm. Die Überbrückung von Hutten nach Schlüchtern mit einer

Idyllisches Hutten

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Entfernung von 12 km geschieht über den Nahverkehr. Der Bus MKK 92 fungiert hierbei auch als Schulbus. Der Bus fährt werktags neun Mal nach Schlüchtern, jedoch insgesamt nur vier Mal, wenn Schulferien sind. Am Samstag reduziert sich die Anzahl der Fahrten auf zwei, am Sonntag auf eine. Nach Hutten fährt der letzte Bus abends um 18 Uhr, so dass vor allem die Jugendlichen auf andere Transportmittel angewiesen sind. Mit dem öff entlichen Personennahverkehr wird eine Fahrzeit von etwa 20 Minuten, mit dem Auto 5 -7 Minuten, benötigt. Die Bushaltestelle an der Rhönstraße, die von Schlüchtern aus angefahren wird, ist unvorteilhaft platziert: sie befi ndet sich an einer der meist befahrenen Straße Huttens, direkt hinter einer Straßenab-biegung. Zusätzlich wird die Sicht auf die unmittelbare Umgebung durch ein Eckgebäude beeinträchtigt. (vgl. Kommunale Planung Gesellschaft für Stadtplanung und Kommunalberatung: Stadt Schlüchtern, Dorfentwicklung Hutten, Erläuterungsbericht, Frankfurt a.M., 1985)

Städtebauliche Struktur

Hutten ist ein ländlicher Wohnort mit einer landwirtschaftlichen Prägung. Im Regionalen Raumordnungsplan (RROP) ist Hutten im Süden als Frem-

denverkehrsort und im Norden als Vorranggebiet für die Wasserwirtschaft ausgewiesen. Natur- und Landschafts-schutzgebiete sind keine vorhanden, jedoch bestehen einige Naturdenkmäler, die Blocksteine zwischen dem Campingplatz und dem Feriendorf.

Landwirtschaft, ortsversorgendes Gewerbe und zentrale Einrichtungen ausgewiesen werden. Weit außerhalb der Ortslage befi nden sich die Freizeit- und Erholungseinrichtungen, die jedoch auf die Dorfentwicklungen kaum Auswirkungen haben.

Schwarzplan vom Dorf

Aufteilung Huttens

Hinweisschilder

Die Baugrundlagen bilden der Flächennutzungsplan (FNP) und der Bebauungsplan (B-Plan). Der FNP legt für den größten Teil des Dorfkerns „Gemischte Baufl ächen“, für das Neubaugebiet „Wohnfl ächen“ und das Feriendorf als „Sondergebiet, die der Erholung dienen“ fest. Für Hutten wurden bisher vier B-Pläne angefertigt. „Im Dorf“ wird die „Wohnbaufl äche“, „Im Flur“ das „Mischgebiet“, „Am Klößchen“ und „Heiligenborn“ jeweils das „Sondergebiet“ ermöglicht. Das gesamte Gebiet ist funktionell ein Dorfgebiet (MD), in dem Wohnnutzung,

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen56

Ungenutzte landwirtschaftliche Wirtschafts- und Nebengebäude sind vorhanden, sie sind aber punktuell über das Gebiet verteilt, so dass keine Ballung entsteht.Das Gebiet ist fast vollständig zweigeschossig bebaut. Ausnahmen bilden dabei die eingeschossigen Wirtschafts- und Nebengebäude, deren Zustände aufgrund der verschiedenen Nutzungsintensität sehr unterschiedlich sind. Die Bebauung mit landschaftsty-pischen Gehöftformen von Wohnen, Stall und Scheune unter einem Dach, sind noch weitestgehend vorhanden. Vorherrschend sind die Fachwerkgebäude vom 17.- 19. Jahrhundert. Einige spätere Bauten und alle Neubauten sind im Mauerwerk-Mas-sivbau errichtet worden. Hutten weist insgesamt dreizehn Leerstände auf, die sich hauptsächlich im Dorfkern befi nden. Die Hauptgebäude mit einer mäßigen bis schlechten Erhaltung tragen durch ihren Standort zum wenig befriedigen Zustand der Ortsmitte bei. Die Mehrzahl der Mängel beschränkt sich auf den Fassadenbereich sowie Fenster, Türen und Eingänge. Viele Leerstände weisen bereits einen Zerfallsprozess auf und befi nden sich daher in einem baulich mangelhaften Zustand. Die Neubauten hingegen weisen keine baulichen Mängel auf. Bei

Infrastruktureinrichtungen

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Ungenutzes Ferienhaus DorfplatzBlick auf die Gemeinde

zukünftigen Um- und Sanierungsar-beiten sollte mit dem Bestand gearbeitet werden. Nur dadurch kann gewährleistet werden, dass sich die Gebäude an das Ortsgefüge anpassen und diesen strukturieren. Mit der Zuweisung neuer Nutzungen von leerstehenden Gebäuden kann sich zusätzlich die Qualität des Dorfes erhöhen. Durch die Höhenstaff elung der Gebäude ist überall für eine ausreichende Belichtung und Besonnung gesichert. Insgesamt sind 23 Freifl ächen in Hutten festzustellen, die sich durch eine fehlende zugewiesene Nutzung auszeichnen. Sie sind punktuell über das gesamte Gebiet verteilt, sodass keine Konzentration der vorhandenen Freifl ächen vorliegt. Bei vielen dieser Freifl ächen handelt es sich um Baulücken, die ein unvollständiges Ortsbild entstehen lassen. Diese Grundstücke können baulich geschlossen und für eine zukünftige Entwicklung

vorrangig überplant werden. Als eine Schwierigkeit könnten sich hierbei die oftmals höher gelegenen Grundstücke erweisen. Sollte absehbar die Nachfrage an Wohnbaufl ächen steigen, so können auf die bisher fest eingeplanten weitläufi gen Freiräume zurückgegriff en werden.

Stärken-Schwächen-Analyse

Hutten zeichnet sich durch eine gute Dorfgemeinschaft aus. Der Anteil der über 65-Jährigen und die der bis 18-Jährigen ist relativ ausgeglichen und ein Austausch zwischen den verschiedenen Altersgruppen durch das Angebot an zahlreichen Vereinen gewährleistet, dass auch positiv angenommen wird. Diese Vereine geben ausreichend Möglichkeiten, sich sozial zu engagieren. Neben dem Dorf-gemeinschaftshaus werden zu diesem

Zweck verschiedene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Durch die im Dorf zentral liegende Gaststätte und dem gut sortierten Lebensmittelladen kann die Nachfrage der Bewohner an alltäglichen Bedürfnissen überwiegend gedeckt werden. Hutten kann sich folglich zum Teil selbst versorgen und ist nicht von der größeren Stadt Schlüchtern abhängig. Für die Kleinkinder bietet neben dem eigenen privaten, oft großzügig gestalteten Hausgarten der Spielplatz in der Dorfmitte mit unterschiedlichem Mobiliar genügend Freiraum. Der Ort weist recht viele Grünfl ächen auf, das landschaftlich idyllische Bild stellt eine weitere Stärke Huttens dar. Fest eingeplante Freiräume, die sich wie ein Band um Hutten anordnen, stellen die Freizeit- und Erholungsfunktion in Hutten sicher. Auch mit dem Angebot des Feriengeländes einschließlich

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen58

Campingplatz und Freibad soll der Bedarf gedeckt werden.Eine große Schwäche zeigt sich in der Wahrnehmung Huttens. Die Versor-gungsinfrastrukur scheint trotz ausreichendem Sortiment bei den Bewohnern nicht die gewünschte Resonanz zu erzielen und die Gaststätte scheint durch die Lage in der Nähe einer Hundeschule, nicht attraktiv genug zu sein. Die Trennung zwischen den zwei Bereichen Dorf und Freizeitanlage ist nicht nur räumlich gegeben, sondern wird zudem noch von einer Nicht-Nutzung der Ferienwohnungen verstärkt. Eine mangelnde städtebauliche Qualität zeichnet sich heute für die Ferienwohnung aus. Auch eine fehlende Einheit in der Gestaltung erschwert eine Zugehörigkeit der beiden Räume. Ein weiterer Punkt sind die verschiedenen Freizeitnutzungen, die zwar zahlreich angeboten werden, sich jedoch auf eine bestimmte Zielgruppe, meist Kinder, beschränken. Außerdem verzeichnet Hutten ein großes Defi zit im Bereich Kultur- und Freizeiterlebnis. Hier fehlen attraktive Räumlichkeiten zum Verweilen. Des Weiteren ist eine zentrale Dorfmitte, z.B. in Form eines Platzes, nicht wahrnehmbar, so dass ein Treff punkt zur Kommunikation gänzlich fehlt. Das Vereinsleben zeichnet sich durch Vielfältigkeit aus und soll den

Kleiner Bachlauf

Bewohnern ein Zusammengehörigkeits-gefühl geben. Diese Möglichkeit wird jedoch von den Bewohnern nicht aktiv genutzt.

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Stärken

• gehört zu SPESSARTregional und ist ein klar umgrenzter geografi scher Teil des Naturraums Spessart• Nähe zu Schlüchtern• ländlicher Raum mit hoher Lebensqualität• stabile Bevölkerungsentwicklung• zentrale Lage in Deutschland mit guter überregionaler Verkehrsanbindung• gutes Angebot an Bauland• umfassendes Sortiment an Lebensmitteln• umfangreiche Freizeitangebote• vielfältiges Angebot an Vereinen• hohe räumliche Ausstattung

Schwächen

• ÖPNV objektiv unzureichend• Defi zite in der medizinischen Versorgung• keine Schulen vorhanden• keine attraktiven Einzelhandelsstandorte• vernachlässigte „Innenentwicklung“ mit Leerstand zur Folge• öff entliches Bewusstsein zum demo- grafi schen Wandel wenig ausgeprägt• keine Dorfmitte als Kommunikationsort• anhaltend starker Rückgang der landwirt- schaftlichen Betriebe• zu schwache Verknüpfung der natur- und kulturhistorischen Angebote mit dem Tourismus

Chancen

• Nähe zur Metropolregion wie Schlüchtern und Fulda• ländlicher Raum mit hoher Lebensqualität• Stärkung der Innenentwicklung der Dörfer als Wohn- und Freizeitstandort• Verknüpfung von Landwirtschaft mit Tourismus• Nutzung der naturräumlichen Potentiale

Risiken

• Bevölkerungsrückgang mit Abbau des Infrastruktur- und Dienstleistungsangebot• Mangelhafte Kooperationsbereitschaft der Bewohner

Stärken - Schwächen - Analyse

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Schlüchtern / Hutten

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen60

Unterstützung von „Unser Laden“

In folgenden werden die von uns erstellten Fragebögen ausgewertet. Es wurde ein Frageraster zu den Lebensumständen der Bewohner in Hutten erstellt. Die insgesamt 90 erstellten Fragebögen wurden persönlich in „Unser Laden“ mit der Mithilfe der Mitarbeiter verteilt. Des Weiteren wurde versucht, die Fragebögen bei der Ortsbegehung persönlich zu verteilen sowie in Briefkästen eingesteckt. Die Bewohner, die persönlich einen Fragebogen erhielten, haben den Sinn und Zweck der Untersuchchung im Vorfeld erläutert bekommen. Außerdem wurde dies auch zu Beginn des Fragebogens schriftlich dargelegt. Von den erstellten 90 Fragebögen wurden lediglich sieben in „Unser Laden“ zurückgegeben. Eine Mitarbeiterin hat uns diese dann postalisch zukommen lassen. Die geringe Beteiligung wurde von einer Verkäuferin in „Unser Laden“ vorhergesehen. Die Beteiligungsquote, bei einer Verteilung von 90 Fragebögen liegt bei lediglich 8 %. Die von den Bewohnern ausgewerteten Fragebögen sind zur Ansicht im Anhang zu fi nden.

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In folgenden werden die von uns erstellten Fragebögen zusammen-gestellt. Es wurde ein Frageraster zu den Lebensumständen der Bewohner in Hutten erstellt. Die insgesamt 90 erstellten Fragebögen wurden persönlich in „Unser Laden“ mit der Mithilfe der Mitarbeiter verteilt. Des Weiteren wurde versucht, die Fragebögen bei der Ortsbegehung persönlich zu verteilen sowie in Briefkästen eingesteckt. Die Bewohner, die persönlich einen Fragebogen erhielten, haben den Sinn und Zweck der Untersuchchung im Vorfeld erläutert bekommen. Dennoch wurde dies auch zu Beginn des Fragebogens schriftlich dargelegt. Von den erstellten 90 Fragebögen wurden lediglich sieben in „Unser Laden“ zurückgegeben. Eine Mitarbeiterin hat uns diese dann postalisch zukommen lassen. Die geringe Beteiligung wurde von vornerein von einer Verkäuferin in „Unser Laden“ vorhergesehen. Die Betei-ligungsquote, bei einer Verteilung von 90 Fragebögen, liegt bei lediglich 8%. Die von den Bewohnern ausgewerteten Fragebögen sind zur Ansicht im Anhang zu fi nden.

Auswertung der Frageböden

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Schlüchtern / Hutten

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen62

Auswertung der Frageböden

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63

Fazit

Die Bestandsituation Huttens wurde durch mehrfache intensive Ortsbegehung textlich bildlich zusammengefasst. Die Bestandsun-tersuchung dient als Grundlage eines umfassenden Dorfentwicklungskon-zeptes, das die wesentlichen Aspekte der Planung berücksichtigt. Des Weiteren wurden in Einzelgesprä-chen mit den Ortsansässigen und den Vertretern auf negative und positive Aspekte eingegangen sowie Ziele und Möglichkeiten diskutiert. Die Szenarien Funktionsverlust (Null-Variante), Entwicklung des Dorfkerns (Sanierung) sowie Tourismus und Naherholung (Modernisierung) stehen für verschiedene Entwicklungs-möglichkeiten. Anhand des erfassten Bestandes und des Sachverhaltes muss für die Gemeinde Hutten ein langfristiges Konzept entwickelt werden, welches den jetzigen Zustand und die Zukunftsperspektive sichert. Es muss versucht werden, die off ensichtlichen Mängel zu beseitigen und die positiven Tendenzen zu stärken, um möglichst andere negative Erschei-nungsbilder zu verhindern. Hierbei kann der demographische Wandel eine Chance für einen gesellschaftlichen Innovationsschub sein. Wie sich Hutten

als ländlicher Raum zukünftig entwickeln kann, kann sicherlich nur eingeschränkt beurteilt werden. Gleichwohl vermögen Entwicklungsszenarien unter der Annahme plausibler Rahmenbedin-gungen wertvolle Hinweise auf mögliche Entwicklungsverläufe und künftige Handlungserfordernisse geben.

Eingang Feriendorf

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Schlüchtern / Hutten

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen64

- Schwach besiedelter Landschaftsraum -Steinauan der Straße / Ortsteil Neustall

Die Siedlungsstruktur Neustalls ist an der historischen Lage der landwirtschaftlichen Betriebe orientiert. Da die Höfe zum Teil mehrere Kilometer auseinander liegen, ist auch die übrige Bebauung sehr zerrissen. Die Milchwirtschaft ist die bestimmende Agrarfunktion. Der Ort lässt sich grob in vier Siedlungsbereiche gliedern. In keinem dieser Bereiche lässt sich ein eindeutiger Dorfkern ausmachen.

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schaftlichen Betrieben und einem Holzbau-Betrieb vor allem Wohnhäuser jüngeren Baualters gibt. Dieser Bereich streckt sich entlang zweier Straßen. Eine dieser beiden Straßen führt nach Oberulrichsberg. Dieser Siedlungsbe-reich besteht aus mehreren Wohnhäu

meisten leerstehenden Wirtschaftsge-bäude zu fi nden sind. Noch heute ist oder war fast jedes zweite Haus Bestandteil eines solchen Betriebes.Abgegrenzt durch die Landesstraße schließt sich Unterulrichsberg an, in welchem es neben zwei landwirt-

4.3. Steinau an der Straße / Neustall

Lagemerkmale, Gebietsabgrenzung,

Ortsbild, Ortsbindung

Als ein Stadtteil der Gemeinde Steinau an der Straße liegt Neustall direkt an der nördlichen Grenze des Main-Kin-zig-Kreises. Im Süd-Osten grenzt der Stadtteil Uerzell mit 383 Einwohnern und im Nord-Osten der Stadtteil Hintersteinau mit 829 Einwohnern an Neustall. Die nächstgrößeren Städte sind das Unterzentrum Steinau an der Straße und das Mittelzentrum Schlüchtern. Diese liegen etwa 11 km von Neustall entfernt. (vgl. www.steinau.eu)

Das Dorf lässt sich grob in vier Siedlungs-bereiche unterteilen, die durch teilweise weite Grünfl ächen voneinander getrennt sind. Zudem führt die L 3178, welche die deutsche Märchenstraße darstellt, als teilendes Element durch den Ort.Augenscheinlich ist das Hauptdorf der älteste Teil Neustalls und die größte Ansammlung von Gebäuden. Hier besteht ansatzweise ein Dorfkern. Verglichen mit den anderen drei Sied-lungsbereichen befi nden sich hier die meisten landwirtschafl ichten Betriebe, von denen ein großer Teil jedoch bereits aufgegeben wurde, so dass hier die

Hauptdorf

Unterulrichsberg

Oberulrichsberg

Siedlung

Siedlungsbereiche Neustall

L 3178

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen66

sern und inzwischen nur noch zwei landwirtschaftlichen Nebenerwerbs-betrieben (mündl. Hau, Fritz). Eine größere Wiese teilt diesen Bereich. Südlich von Oberulrichsberg existieren einige Ferienhäuser, die jedoch keine nennenswerte Auswirkung auf die Dorfentwicklung oder das Dorfl eben haben. Die andere Straße führt von Unterul-richsberg zur „Siedlung“. Diese ist eine ehemalige Barackensiedlung, die nach dem zweiten Weltkrieg gebaut wurde. In zwei parallel zueinander verlaufenden Straßen stehen dort einige Einfamilien-häuser jüngeren Baualters.

Nördlich des Hauptdorfes stehen seit einigen Jahren mehrere Windkraftan-lagen. Ursprünglich war geplant, 60 Stück bis hin nach Marborn zu bauen. Dieses Vorhaben wurde aber sowohl von der Bevölkerung als auch von der Stadt Steinau an der Straße abgelehnt. (mündl. Hau, Fritz; mündl. Hiestermann/Amt Steinau)

Historie / Dorfchronik

Der Name „Neustall“ leitet sich von der Bezeichnung „Neue Stelle“ ab (vgl. www.steinau.eu). Hier siedelten sich bereits im 16. bis 17. Jahrhundert einzelne Gehöfte an, die zum Teil über 2 km voneinander

getrennt lagen. In den nachfolgenden Jahrzehnten sammelten sich um diese weitere Höfe und Wohnhäuser an, die noch heute das Ortsbild prägen (mündl. Hau, Fritz). Da sich die Dorfentwicklung an der Lage der einzelnen Höfe orientierte, gibt es keinen eindeutigen Dorfkern. Wie viele andere Orte des hessischen Spessarts gehörte Neustall in seiner Geschichte zu verschiedenen Hoheitsgebieten. Zwei der Gebiete können noch heute im Ortsemblem gefunden werden: die Oberhoheit des Bistums Fulda (in Form ihres Wappens) sowie das Geschlecht von Mörle (in Form der gelben Rose). Im Nachbardorf Uerzell fi nden sich noch heute Reste der Wasserburg, die dem Mörleschen Geschlecht als Sitz diente. Die restlichen Symbole des Emblems stellen landwirt-

schaftliche Geräte sowie ein Bündel Ähren dar und spiegeln die jahrhunder-telange agrarische Nutzung des Ortes wider. (vgl. www.steinau.eu)In den Jahren 1952 bis 1961 gab es eine Flurbereinigung in Neustall. (mündl. Hau, Fritz)Bis zur Gebietsreform zwischen 1970 und 1974 gehörte Neustall als eigenständige Landgemeinde zum Großkreis Schlüchtern (vgl. Schwarz, 1992). Im Rahmen dieser Reform wurde Neustall als Ortsteil in die Stadt Steinau an der Straße eingemeindet und verlor so seine politische Selbstständigkeit (mündl. Hau, Fritz).

Bevölkerungsstruktur und

demografi sche Entwicklung

Seit mehreren Jahrhunderten steigt die Einwohnerzahl leicht an, obwohl es immer wieder zu leichten Einbrüchen kommt. Durch ein starkes Wachstum

Wappen Neustall

Bevölkerungsentwicklung Neustall

160

180

200

220

80

100

120

140

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in den 1970er Jahren erreichte die Einwohnerzahl im Jahr 1980 ihren Höchststand.Seitdem gibt es einen rapiden Abfall, so dass Neustall inzwischen schrumpft. Heute leben in Neustall 159 Einwohner .(Daten: Amt Steinau) Viele der ansässigen Familien leben bereits seit Generationen im Dorf, da schon ihre Vorfahren als Landwirte in Neustall arbeiteten und die Höfe traditionell an die Nachkommen weitergegeben wurden. Heutzutage ist jedoch oft kein Interesse an der Übernahme des elterlichen Betriebes vorhanden oder die Landwirtschaft ist nicht mehr rentabel. Durch das geringe Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen ziehen daher viele junge Menschen aus dem Ort weg in die nächst größeren Städte. Die älteren Menschen sind in den meisten Fällen ortsverbundener und bleiben auch im Alter im Dorf wohnen. Zuzüge sind ebenfalls wegen der schlechten Arbeitssituation vor allem im Hauptdorf eher selten (mündl. Hau, Fritz; mündl. Eppert).Vergleicht man die Bevölkerungsstruk-turen der Jahre 1999 und 2009, ist zu erkennen, dass sich die Altersstruktur Neustalls während der letzten zehn Jahre verschoben hat. 1999 noch waren die Altersgruppen von 0 bis 44 relativ gleichmäßig vertreten, erst beiAltersstruktur Neustall

70 – 74

75 – 79

Über 79

40 44

45 – 49

50 – 54

55 – 59

60 – 64

65 – 69

12 – 17

18 – 24

25 – 29

30 – 34

35 – 39

40 – 44

0 5 10 15 20

0 – 05

06 – 11

6 69

70 – 74

75 – 79

Über 79

40 – 44

45 – 49

50 – 54

55 – 59

60 – 64

65 – 69

12 – 17

18 – 24

25 – 29

30 – 34

35 – 39

40 – 44

0 5 10 15 20

0 – 05

06 – 11

1999

2009

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen68

den älteren Jahrgängen ab 45 Jahren nahmen die Anteile an der Bevölkerung ab. Die Geburtenjahrgänge waren also verhältnismäßig konstant und es gab wenige Fortzüge.2009 bildet sich eine deutliche Spitze bei den 40 bis 54-Jährigen ab. Obwohl die Zahl der Kinder von 0 bis 11 sich zu den Werten von 1999 nicht stark unterscheiden und so von einer etwa gleichbleibenden Geburtenrate ausgegangen werden kann, sind die Jahrgänge der 12 bis 17-Jährigen bis hin zu den 35 – 39-Jährigen stark zurückgegangen. Dies ist ein Indiz für den Wegzug der jungen Generation aus dem Dorf. Eine ungewöhnliche Ausnahme bildet die Gruppe der 18 bis 24-Jährigen. Im Vergleich zu 1999 ist zwar auch diese Gruppe geschrumpft, doch ist sie im Verhältnis zu den jeweils benachbarten Altersgruppen sehr groß. Diese unerwartet hohe Zahl ist nur dadurch erklärbar, dass viele dieser jungen Leute noch an der Adresse ihrer Eltern gemeldet sind, während sie in anderen Städten studieren oder Ausbildungen machen.Der Anteil der Menschen über 65 ist in den vergangenen zehn Jahren nicht größer geworden. Betrachtet man aber die gesamte Altersentwicklung, so kann davon ausgegangen werden, dass sich die Zahl der jungen Leute im Dorf

weiter dezimiert, während die Gruppe, die jetzt die 40 bis 54-Jährigen bildet, weiter im Dorf bleibt. So kann von einem zukünftigen Wachstum der Gruppe der über 65-Jährigen ausgegangen werden, ohne dass jüngere Generationen nachkommen. (Daten: Amt Steinau)

Wirtschaftsstruktur / Arbeitsplatz-

und Gewerbeangebot

Neustall ist trotz vieler Betriebssauf-gaben in den letzten 20 Jahren immer noch von der Landwirtschaft geprägt. Offi ziell gibt es noch 11 Höfe im Dorf. Allerdings ist dies die Anzahl der beim Amt gemeldeten landwirtschaftlichen Betriebe und nicht die tatsächliche Zahl. Wirklich aktiv werden nur noch fünf Vollerwerbsbetriebe geführt. Die verbleibenden Betriebe haben ihre Flächen an andere Landwirte aus dem Dorf oder den Nachbarorten verpachtet und führen ihren eigenen Hof nur noch als Nebenerwerbsbetrieb oder nutzen bloß das Wohngebäude. (mündl. Hau, Fritz) Dass sie nicht abgemeldet werden, liegt an der höheren Grundsteuer im Falle einer Umschreibung von landwirtschaft-lich genutzten Flächen zu Wohnfl ächen. Außerdem bleiben so die komplizierten bürokratischen Vorgänge erspart, falls sich später doch noch jemand fi ndet,

der den Hof übernimmt. (tel. Finanzamt MKK, Gelnhausen)Die Betriebe sind, wie in der gesamten Region, alle auf die Milchviehhaltung spezialisiert und besitzen pro Hof zwischen 60 und 120 Tiere. Allerdings wird die Milchviehhaltung durch sinkende Milchpreise immer unrentabler. Zudem kommt häufi g das Problem der fehlenden Hoferben. Zwar haben die meisten Landwirte Kinder, diese sind aber oft nicht bereit die zeitintensive und anstrengende Arbeit auf sich zu nehmen, vor allem bei der unsicheren Zukunftsperspektive. Ein weiterer Faktor, der die Landwirtschaft erschwert, ist die begrenzte Menge an Flächen. Zurzeit stehen keine Flächen zur Verfügung, die gepachtet oder gekauft werden könnten, so dass eine Vergrößerung der Betriebe zur Gewinn-steigerung nicht möglich ist. Eine andere Spezialisierung des Hofes als die Milch-viehhaltung ist nur schwer umzusetzen. Zwar gibt es in der Umgebung einige Bauern, die sich auf die Biomassepro-duktion umgestellt haben, doch ist dies sehr fl ächenintensiv. Die Haltung von Schlachtvieh, also Schweinen und Rindern, die bis vor etwa 30 Jahren im Ort vorherrschend war, ist heute aufgrund des Fehlens eines Schlachtereibetriebes in der Nähe nicht mehr möglich. (mündl. Hau, Fritz)

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Hauptdorf

Unterulrichsberg

Oberulrichsberg

Siedlung

landwirtschaftliche Betriebe

ehemalige landwirtschaftliche Betriebe

Grundstücksgrößen der gemelde-ten landwirtschaftlichen Betriebe in Neustall – Jahr 2009 (in ha)

1. 17

2. 19

3. 21

4. 22

5. 22,5

6. 36

7. 41

8. 57

9. 57,5

10. 100

11. 111

Gesamt: 504

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen70

Der größte Gewerbebetrieb im Ort ist ALSA, ein Hersteller von Schuhboden-teilen. Dieser befi ndet sich seit 1948 in Neustall und ist mit 330 Mitarbeitern ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Früher arbeiteten hier viele Landwirte und ihre Frauen als Schichtarbeiter, sodass nebenbei noch der Hof geführt werden konnte. Heute sind fast alle der Angestellten voll beschäftigt. Zwar kommen immer noch viele Mitarbeiter aus der Umgebung, doch gibt es auch viele Pendler von weiter weg, vor allem aus der Richtung Vogelsberg. Obwohl gegenüber des jetzigen Betriebsge-ländes eine Fläche zur Erweiterung des Betriebes vorgesehen ist, gibt es momentan keinerlei Pläne einer baulichen Vergrößerung. (vgl. Schwarz, 1992: S.63; tel. Schöppner, ALSA)Seine starke fi nanzielle Bedeutung für den Ort hat ALSA mit der Eingemeindung nach Steinau an der Straße verloren.

Während vorher durch die Einnahmen an Gewerbesteuer Infrastukturmaßnahmen in Neustall fi nanziert werden konnten, wandern diese Steuern heute in den Finanzhaushalt der gesamten Gemeinde Steinau. (mündl. Hau, Fritz)Eine Besonderheit Neustalls ist das „Kamelstübchen“. Zu dem Café, das im Sommer 2008 eröff net wurde, gehören mehrere Weiden mit drei Kamelen sowie einigen Ponys und Ziegen. Die Betreiber sind ein Ehepaar, das, auf der Suche nach Platz für ihre Pferde, 2004 nach Neustall zog. Durch ihre Erfahrung in der Tierpfl ege und betriebswirtschaftliches Wissen war die Eröff nung des eigenen kleinen Unternehmens möglich. Seit diesem Sommer bieten die Besitzer auch Ferien für Kinder an. Da die Kamele zurzeit noch zu jung sind, um Erwachsene zu tragen und daher bislang nur Reiten für Kinder möglich ist, soll in naher Zukunft ein weiteres ausgewachsenes Tier

angeschaff t werden. Außerdem besteht die Überlegung, ein leerstehendes Gebäude, das auf dem Grundstück neben dem Café steht, zu nutzen und als Stall auszubauen, so dass Platz für weitere Tiere vorhanden ist. Zurzeit ist das junge Unternehmen noch im Aufbau, doch steigt der Bekanntheitsgrad und die Zahl der Gäste immer weiter an. (mündl. Eppert; vgl. www.kamele-erleben.de)Insgesamt gibt es in Neustall 16 gemeldete Gewerbebetriebe (vgl. www.steinau.eu). Dazu gehören unter anderem ein Vertrieb für Nutzfahrzeuge, ein Schreiner, eine Zimmerei und ein Friseur. Die meisten Betriebe befi nden sich auf den privaten Grundstücken der Besitzer, oftmals direkt ins Wohngebäude integriert oder daran angeschlossen. Die meisten Bewohner Neustalls arbeiten nicht im Ort selbst, sondern pendeln in die nächst größeren Städte auch über die Gemeindegrenze hinaus.

ALSA Bürogebäude Holzbau GmbH HergenröderVertrieb für Nutzfahrzeuge

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Neustall

Schlüchtern

Steinau

Birstein

Freiensteinau

HintersteinauFlieden

Grebenhain

Hosenfeld

Bad Soden

Gedern

D

Vollsortimenter

Discounter

V

Bad D

V VVD

VVD

V

V

N

VD

Nahversorgung

5 km

10 km

15 km

Infrastrukturangebot

Nahversorgung

Im Dorf selbst gibt es keinerlei Versor-gungseinrichtungen. Vor 20 - 30 Jahren gab es noch einen typischen „Tante-Emma-Laden“, der von Elfriede Kost geführt wurde. Wie viele andere kleine Dorfl äden hat sich dieser nicht mehr rentiert und konnte letztlich den heutigen Anforderungen von Kühlketten nicht gerecht werden. Noch heute hängt das alte Schild des Ladens an der

Hauswand, welches sich an der Einfahrt zum Hauptdorfes befi ndet. (mündl. Hau, Fritz) Im Nachbardorf Freiensteinau befi ndet sich eine Filiale des Vollsortimenters Tegut. Andere Vollsortimenter wie REWE oder EDEKA sind erst in einer Entfernung von 10 km anzutreff en. Ebenso verhält es sich mich den Discountern wie Aldi und Lidl. Überwiegend werden die Einkäufe in Steinau an der Straße und Schlüchtern erledigt, da die meisten Bewohner ihre

Lebensmittel auf dem Weg zur Arbeit oder auf anderen Fahrten kaufen und diese häufi g durch einen der beiden Orte führen.

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen72

Medizinische Versorgung

Der am nähsten gelegene Arzt ist ein Zahnarzt im Nachbardorf Freiensteinau. Im nord-östlichen Main-Kinzig-Kreis sowie auch im Vogelsbergkreis lassen sich ausreichend Haus- und Zahnärzte sowie Apotheken fi nden. Zudem gibt es sowohl in Schlüchtern als auch in Steinau an der Straße weitere Fachärzte, wie Kinder-, Frauen- oder Hautarzt. Patienten mit schwerwiegenderen Krankheiten oder Problemen können sowohl im Kreiskrankenhaus in

Schlüchtern wie auch in diversen Fachkliniken in Bad Orb oder Salmünster behandelt werden. Die Fahrt dahin liegt bei 15 bzw. 30 km.

KK

HA

FA

ZA

Hausarzt

Zahnarzt

Fachärzte

Kreiskrankenhaus

Neustall

Schlüchtern

Steinau

Birstein

Freiensteinau

HintersteinauFlieden

Grebenhain

Hosenfeld

Bad Soden

Gedern

KK

HA

FA KKK

ZA

HA ZA

HA

FA

ZA

Neust

ZA

HA

FA BadZA

HA ZA

HA FAFZA

HA

FA

ZA

HA

FA

ZA

Medizinische Versorgung

5 km

10 km

15 km

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73

Fachhochschulreife erlangt werden kann.

Bildung

Von Neustall aus sind viele verschiedene Schulen und Kindergärten zu erreichen. In der Grafi k sind die wichtigsten eingetragen. In Ulmbach (4,5 km Entfernung) befi ndet sich eine Kinder-tagesstätte und in Hintersteinau ein Kindergarten (6 km Entfernung). Die am nähsten gelegene Grundschule ist eine kleine Schule im Nachbardorf Uerzell mit einer Klassenstärke von teilweise nur 3 Schülern (mündl. Eppert). Größere Grundschulen und weiterführende

Neustall

Schlüchtern

Steinau

Birstein

Freiensteinau

HintersteinauFlieden

Grebenhain

Hosenfeld

Bad Soden

Gedern

G S

G S W S

G S W S G S W S

B S

G SG S

ustallNeu

W S

W S

G S W S

G S W S

G S W S

Bad SG S

W S weiterführende Schulen

G S Grundschule

B S berufl iches Schulzentrum

Bildungseinrichtungen

����

10 km

15 km

Schulen sind in den umliegenden Städten zu fi nden. So ist in Birstein beispielsweise eine Haupt- und Realschule.Zudem liegt in 19,8 km Entfernung eine Sprachheilschule (Sterbfritz) sowie zwei Förderschulen in Schlüchtern. Wichtig hervorzuheben ist das Berufl iche Schulzentrum Main-Kinzig-Kreis in Schlüchtern. In dem Zentrum gibt es neben einem berufl ichen Gymnasium auch mehrere Berufsfachschulen sowie Fachoberschulen, in welchen auch die

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen74

Freizeit

Der Nachbarort Uerzell ist ein wichtiger Teil des sozialen Lebens der Bewohner Neustalls. Neben dem Gesangsverein und dem gemeinsamen Wahllokal wird die Feuerwehr mit viel Engagement unterstützt. So nehmen sowohl die freiwillige Jugendfeuerwehr als auch die Feuerwehr erfolgreich an Wettbewerben teil. Wichtig ist auch das Gemeinschafts-haus von Uerzell und Neustall, welches neben der Schule am Ortseingang Uerzells steht. In diesem fi nden

verschiedene Veranstaltungen statt wie Kameradschaftsabende oder Jubiläen. (mündl. Hau, Fritz)Vereine und Verbände existieren in hoher Zahl, sodass die meisten Interessen abgedeckt werden. So gibt es z.B. in Birstein einen Briefmarken-verein, in Gedern einen Segelfl ieger-verein, in Flieden einen Angelverein sowie in Hintersteinau einen Freizeit- und Wanderverein. In Ulmbach (4,5 km Entfernung) liegt der nächstgelegene

Sport-, Imker- sowie Landfrauenverein.Die Karte zeigt, dass Feuerwehr und Schützenvereine einen wichtigen Freizeitwert für die Region haben, da fast jede/s zweite Stadt bzw. Dorf einen eigenen Verein hat. Bei Sport, Musik- und Gesangsvereinen verhält es sich ähnlich, da auch diese Beschäftigung in der Freizeit weit verbreitet ist. Bei den Musik- und Gesangsvereinen fallen besonders die Gesangsgruppen und Chöre ins Gewicht.

Neustall

Schlüchtern

Steinau

Birstein

Freiensteinau

HintersteinauFlieden

Grebenhain

Hosenfeld

Bad Soden

Gedern

Vereine

5 km

10 km

15 km

Sport

freiwillige Feuerwehr

Musik/Gesang

Schützenverein

Bad

Steinau

Ne alleusta

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75

Verbindungen sind speziell für Pendlern ausgelegt, die mit dem ÖPNV zu ihrer weit gelegenen Arbeitsstelle fahren. Um 17:17, 19:04 sowie 19:50 fährt der Bus in entgegengesetzte Richtung und bringt die Pendler wieder in ihre Wohnorte. Die Stadt Steinau an der Straße ist über den ÖPNV schwer zu erreichen, da die Busse nur umliegende Dörfer anfahren, nicht aber die Stadt selbst. So muss der Businsasse mindestens einmal umsteigen. Dies erfordert einen so hohen Zeit-aufwand, dass die Fahrt mit

Verkehrsanbindung / ÖPNV

Durch Neustall führt die Landesstraße 3178 – die deutsche Märchenstraße. Dem südlichen Verlauf folgend wird nach ca. 10 km Steinau an der Straße erreicht. Von dort aus kann problemlos auf die Bundesautobahn 66, die Hanau und Fulda miteinander verbindet, gefahren werden. Alternativ kann auch die Auff ahrt „Schlüchtern“ genutzt werden, die sich in etwa ähnlicher Erreichbarkeit von Neustall befi ndet. Der Bus hält in Neustall an der Haltestelle

„Fleschenbacher Straße“. Diese befi ndet sich direkt an der Hauptstraße zwischen dem Hauptdorf und Unterulrichsberg. In Neustall halten am Tag 12 Busse (vgl. Haltestellenfahrplan „Fleschenbacher Straße“). Davon enden 5 in dem Nachbarort Freiensteinau. Die restlichen Busse fahren weiter nach Schlüchtern. Auff ällig sind der Bus um 04:31, der die Businsassen zum Bahnhof Bad Soden-Salmünster bringt, sowie die Busse um 05:47 und 06:53, die zum Bahnhof nach Schlüchtern fahren. Diese drei

Neustall

Schlüchtern

Steinau

Birstein

Freiensteinau

HintersteinauFlieden

Grebenhain

Hosenfeld

Bad Soden

Gedern

Flughafen

BahnhofVerkehrsanbindung

5 km

10 km

15 km

Bad

L 3178

L 3179

A 66

A 66Frankfurt

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Steinau an der Straße / Neustall

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen76

dem Pkw sowohl zeit- als auch kostensparend ist.Die dichtesten Bahnstationen sind in Steinau an der Straße und Schlüchtern. Von Steinau an der Straße und Schlüchtern fährt die Regionalbahn 27 bzw. 21 Minuten nach Fulda sowie 31 bzw. 37 Minuten nach Hanau. So kann durchschnittlich innerhalb einer halben Stunde der nächste ICE-Bahnhof erreicht werden. In beide Richtungen fährt stündlich eine Regionalbahn. Zwischen 15.00 und 19.00 Uhr fährt die Bahn nach Fulda sogar zweimal die Stunde, um die große Anzahl der Fahrtgäste zu transportieren. Andere Bahnhöfe, die von Neustall aus innerhalb von 15 km erreichbar sind, sind in Bad Soden-Sal-münster und Flieden. (vgl. www.db.de)Hingegen weiter entfernt liegen die nächsten Flughäfen. So ist die Distanz zum Flughafen in Frankfurt am Main 89,2 km Fahrtstrecke (71,3 km Luftlinie). Der Flughafen Frankfurt Hahn liegt 202 km Fahrt entfernt (159,1 km Luftlinie). Beide Flughäfen sind gut über die A 66 zu erreichen.

Städtebauliche Strukturen

Neustall liegt inmitten zweier Land-schaftsschutzgebiete: dem „Vogelsberg, hessischer Spessart“ und dem „Auenverbund Kinzig“. Zudem ist

der durch den Ort fl ießende Bach FFH-Gebiet. Die Flächen nördlich des Hauptdorfes und zwischen Ober- und Unterulrichsberg sind Wasserschutzge-biete der Zonen 2 und 3. Das Hauptdorf ist im Flächennutzungsplan als Mischgebiet ausgeschrieben, wie auch die Siedlung und Oberulrichsberg. In Unterulrichsberg gibt es zum Teil Misch-, zum Teil Wohnbaufl ächen. Gegenüber des Holzbaubetriebes besteht eine noch unbebaute Mischfl äche, die für eine mögliche Erweiterung des Betriebes ausgeschrieben wurde. Im Süden gibt es eine große Gewerbefl äche. Dies ist das Grundstück der Schuhfabrik ALSA. Auch ihr gegenüber liegt eine potentielle Erweiterungsfl äche, die sich aber bereits in der Gemarkung Uerzell befi ndet. (vgl. FNP Stenau an der Straße)Bebauungspläne gibt es für Neustall nicht und es wird voraussichtlich auch keine Neuausschreibungen von

Wohnbaufl ächen im Ort geben. Zum einen wird daran kein Bedarf gesehen, zum anderen wurde im Nachbarort Uerzell gerade der neue Bebauungsplan „Herrnwiese“ für ein Wohngebiet ausgewiesen. (mündl. Hiestermann, Amt Steinau)Brachfl ächen, auf denen noch gebaut werden kann, gibt es nur wenige im Dorf. Eine dieser Flächen liegt im Hauptdorf. Auf ihr befi ndet sich ein verfallener Schuppen, außerdem ist sie stark zugewuchert. Sie ist das Grundstück eines ehemaligen Hofes, der nach einem Brand nicht an gleicher Stelle wieder aufgebaut wurde. Das Grundstück wurde zwar durch einen auswärtigen Käufer erworben, aber bis heute nicht neu bebaut. (mündl. Hau, Fritz)Eine weitere Fläche gibt es in der Mitte Oberulrichsbergs, sie scheint aber, trotz ihrer Ausschreibung als Mischfl äche, noch eine landwirtschaftliche Nutzung

Neubau in Unterulrichsberg Wohnhaus im Hauptdorf

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zu haben. Beide Flächen sind in Privatbesitz und stehen daher nicht direkt zur Bebauung frei.Einschränkungen für Neu- oder Umbauten bestehen im Ort nicht, da es weder Boden-, Kultur- noch Baudenkmäler gibt. tel. Buchhold, Denk-malpfl egeamt MKK)Die Gebäude in Neustall weisen keinen einheitlichen Stil auf. Die Fassaden reichen von Fachwerk, über Backstein bis zu Kunststoff paneelen. Auch das Alter und der Zustand der Gebäude variieren stark. Einige Wohngebäude scheinen erst vor kurzem erbaut oder restauriert worden zu sein, an anderen ist augenscheinlich seit längerem nichts erneuert worden. Dabei lässt sich auch nach Dorfteilen kaum eine Einteilung treff en. Einzig die „Siedlung“ weist durch die einheitliche Haustypologie aus Einfamilienhäusern und durch ähnliches Gebäudealter ein homogenes Bild auf. In

den übrigen Dorfteilen sind besonders die leerstehenden Wirtschaftsgebäude der aufgegebenen landwirtschaftlichen Betriebe in schlechtem Zustand. Sie werden aus steuerlichen Gründen nicht abgerissen, haben aber auch keinen Nutzen mehr und verfallen daher mit der Zeit immer weiter. Diese Wirtschafts-gebäude stellen in Neustall den einzigen Leerstand dar. Die Wohngebäude werden alle noch genutzt, auch die der aufgegebenen Betriebe.Stärken:

- Mit seinen 16 gewerblichen Betrieben hat Neustall für einen Ort dieser Größe eine verhältnismäßig gut ausgebaute Wirtschaftsstruktur. Die meisten Betriebe sind aber sehr klein und bieten keine große Zahl an Arbeitsplätzen. ALSA bildet hier die Ausnahme als wichtiger Arbeitgeber der ganzen Region. - Durch die Städte Steinau an der Straße und Schlüchtern besteht ein relativ gutes Nahversorgungsangebot für den täglichen Bedarf.- Für einen ländlichen Raum ist ein gutes medizinisches und schulisches Angebot vorhanden.- Den Einwohnern steht eine breite Auswahl an Vereinen zur Verfügung. Vor allem in der freiwilligen Feuerwehr in Uerzell wird sich gern engagiert.- Die Lage inmitten geschützter

Landschaft schaff t eine idyllische Umgebung.- Das Kamelstübchen ist eine besondere Attraktion für Besucher.

Schwächen:

- Die Siedlungsstruktur des Ortes ist stark zerrissen, zum einen durch die Landesstraße, zum anderen durch die Weitläufi gkeit der Siedlungsbereiche. Dadurch fehlt ein eindeutiger Dorfkern. Zudem besteht eine unterbewusste Trennung zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen. - Die stark frequentierte Landesstraße schaff t ein unnötiges Gefahrenpoten-tial sowohl für Pkw-Fahrer als auch für ÖPNV-Nutzer, da die Bushaltestelle relativ uneinsichtig in einer Kurve liegt und es keine gesonderte Parkbucht für den Bus gibt. - Die Landesstraße birgt eine hohe Gefahr, da keinerlei Fuß- oder Radwege zwischen Uerzell und Neustall vorhanden sind.- Der Ausbau des ÖPNV ist unzureichend. Daher besteht eine hohe Abhängigkeit vom eigenen Pkw.- Durch den Zustand der Dorfstraßen und teilweise den der Bausubstanz sinkt die Attraktivität des Dorfbildes.- Die Betriebsausrichtung auf Milch-viehwirtschaft ist einseitig orientiert. - Es besteht ein hoher Bedarf an Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Nähe.

leerstehendes Wirtschaftsgebäude im Hauptdorf

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Steinau an der Straße / Neustall

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen78

- Unterzentrum mit größerem Einzugsgebiet -Sinntal / Ortsteil Sterbfritz

Sterbfritz ist ein Unterzentrum, welches die Versorgung der Gemeinde Sinntal sicherstellt und eine zentrale Funktion im ländlichen Raum mit einem weiten Einzugsbereich aufgrund der vorhandenen Arbeits- und Ausbildungsplätze und stabile Entwicklungs-chancen besitzt.

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4.4 Sinntal / Sterbfritz

Historie / Dorfchronik

Unter den Namen Starcfrideshuson wurde im Jahre 815 der Ort Sterbfritz erstmals urkundlich erwähnt. In den folgenden Jahrhunderten änderte sich der Name noch mehrmals von Starcfri-deshuson zu Starcfrides (um 900) über Stercfriedes (1167) und Sterpfrids (1303) bis hin zu Sterpfritz (1543), woraus dann letztendlich das heutige Sterbfritz entstand. (vgl. www.sinntal.de)

Zur Bildung des Ortsnamens gibt es auch eine Entstehungsgeschichte, in der ein

Fahrensmann mit seinem Pferd namens Fritz nach einer langen Reise über die Täler der Vorder-Rhön zog. In der Gegend heutigen Sterbfritz angekommen war das Pferd so erschöpft, dass der Fahrensmann sich von seinem Pferd mit den Worten „Sterb Fritz“ verabschiedete.(vgl. www.sinntal.de)Von 1295 bis 1575 bestand in Sterbfritz auch ein herrschaftlicher Hof, auf dem die Herren von Sterbfritz, Angehörige des niederen Adels, ansässig waren.Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert gehörte der Ort zur Grafschaft Hanau und wurde im Jahr 1643 an die Landgrafschaft, dem späteren Kurfürstentum Hessen-Cassel, verpfändet. (vgl. www.sinntal.de)

Sterbfritz blieb von Umbrüchen und Kriegen weitgehend verschont. Jedoch machte auch der Glaubenskrieg keinen Halt vor dem Ort und so versuchte ein reformierter Prediger die Bevölkerung zum calvinistischen Glauben zu zwingen. Das 1167 errichtete Gotteshaus wurde zerstört und an gleicher Stelle entstand im Jahre 1792 das neue Gebäude der evangelischen Kirche. (vgl. www.aleman-nia-judaica.de)

Zudem bestand seit 1665 eine rege jüdische Gemeinde in Sterbfritz, welche neben einer Synagoge auch eine Mikwe besaß. Die Beisetzung der Verstorbenen

erfolgte auf dem jüdischen Friedhof in Altengronau. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 lebten noch 92 jüdische Einwohner in Sterbfritz. Nach und nach wurden Geschäfte und Einrichtungen geschlossen und viele emigrierten ins Ausland. Mit Ausbruch des Krieges 1939 befanden sich noch 21 Personen jüdischer Herkunft im Ort, welche bis August 1942 alle in Konzentrationslager deportiert wurden. Auf dem Friedhof in Altengronau befi ndet sich ein Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Einwohner von Sterbfritz. (vgl. www.alemannia-judaica.de)

Blick auf Sterbfritz Evangelische Kirche Sterbfritz

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Sterbfritz

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen80

Städtebauliche Struktur

Anhand von Fotos, Gesprächen und Notizen bei unseren Ortsbesichtigungen haben wir Sterbfritz in fünf Bereiche unterteilt. Im historischen Kern befi nden sich eine Vielzahl von Fachwerkhäusern und auch Häuser mit der für die Gegend typischen Holzschindelverzierung. Durchtrennt durch die Bahnstrecke Flie-den–Gemünden erstreckt sich der Ort auf der anderen Seite der Trasse weiter. Dort befi nden sich einige Gebäude aus der Zeit der Industrialisierung, wie z.B. eine alte Fabrik, welche früher im 2. Weltkrieg für die DEGUSSA Filtermaterial

1972 wurde die Gemeinde Sinntal gegründet und Sterbfritz fungiert seitdem als Sitz der Gemeindever-waltung. Die Größe des Ortes beträgt 1,2km2 auf denen 2.087 Einwohner leben. Es liegt am Anfang des Kinzigtals und kurz vor dem Ort befi ndet sich auch die Kinzigquelle, welche den Ursprung der Kinzig markiert, welche bei Hanau in den Main mündet. Sterbfritz selbst liegt nur teilweise im Spessart und so ist der Ort in Rhön und Spessart geteilt. (vgl. www.sinntal.de)

Lagemerkmale, Gebietsabgrenzung,

Ortsbild, Ortsbindung

Der Ort Sterbfritz liegt in einer Talsenke, doch durch die Ausbreitung des Ortes in den letzten Jahrhunderten hat er sich auch auf die umliegenden Hanglagen ausgeweitet. Umgeben von Feldern und Wiesen erstrecken sich im Norden und Süden des Ortes ausgedehnte Waldfl ächen, welche zum Teil als Natur- und Vogelschutzgebiete ausgewiesen sind. (vgl. sinntal broschüre)

Das Ortsbild ist im Zentrum stark durch historische Gebäude geprägt, welche oftmals die für den Spessart typische Holzschindelverkleidung an den Hauswänden aufweist. Der Zustand der Gebäude ist wie im restlichen Ort auch,

größtenteils sehr gut. Es gibt kaum restaurierungsbedürftige Gebäude und wenn, sind dies nur Einzelfälle, welche dann auch oft so stark verfallen sind, dass ein Abriss die kostengünstigste Lösung wäre.So hat sich zum Beispiel auch schon Herr Kremer (Ortsvorsteher) zu vereinzelten Gebäuden geäußert, welche entweder leerstehen oder schon soweit dem Verfall ausgesetzt waren, dass sie nur noch abgerissen werden sollten. Die Struktur und das Ortsbild wird weiter noch unter dem Punkt „Städtebauliche Struktur“ erläutert.

Industrialisierung

30er Jahre Siedlungsbau

Neubaugebiet I

Neubaugebiet II

Neubaugebiet III - aktuell

Historischer Stadtkern

Siedlungsfelderentwicklung

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hergestellt hat und heute als Seifenmit-telfabrik dient. Etwas nördlich der Fabrik ist eine kleine Siedlung entstanden, welche über eigene Nutzgärten verfügen, die zur Selbstversorgung der Bewohner dienen. Auch in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg ist der Ort weiter gewachsen. So befi nden sich besonders im Osten und Süd-Osten des Ortes mehrere Neubaugebiete, in denen auch momentan noch weiter gebaut wird. Wir haben versucht die Neubaugebiete in Epochen zu unterteilen und sie auch grob auf unserer Siedlungsfelderkarte zu markieren. (vgl. www.sinntal.de)

Bevölkerungsstruktur und

demografi sche Entwicklung

Wie oben bei der städtebaulichen Struktur schon erwähnt, entstehen in Sterbfritz in den Randlagen immer noch neue Wohnhäuser, welche oftmals auch eine sehr moderne Architektur aufweisen. Jedoch nimmt laut dem Ortsvorsteher von Sterbfritz, Herr Christoph Kremer, die Bevölkerung immer weiter ab. Die Gründe dafür haben vielerlei Hintergrund. Bis auf das Faurecia Werk im Norden des Ortes, welches Stoßfänger für Mercedes Benz fertigt, und vereinzelte Einzelhandelsbe-triebe, gibt es in Sterbfritz kaum Erwerbs-

möglichkeiten für die Einwohner. Die Folgen davon sind, dass viele Einwohner pendeln oder gar ganz wegziehen. So ist die Bevölkerungsanzahl in Sterbfritz von 2.121 im Jahr 2005 auf 2.087 im Jahr 2006 gesunken. (vgl. sinntal broschüre)Für die Jugendlichen ist dies auch ein unhaltbarer Zustand, da diese (laut der Tochter von Herrn Kremer) keine Einrichtungen zum Treff en oder zur Unterhaltung haben. Als Treff punkt am Nachmittag dienen nur zwei Plätze und das sind der Bahnhof und die „Alte Post“.

Eine weitere Problematik ist das Wegsterben der älteren Bevölke-rungsschichten des Ortes, wie uns ein Anwohner erzählte. Gegenüber des Ärztehauses steht ein mehrgeschos-siges Wohnhaus, welches mehreren Schwestern gehört hat und zurzeit leersteht, da das Haus altersbedingt an eine Maklerfi rma abgegeben wurde. Laut Herrn Kremer kauft so ein Haus auch keiner, da es von mehreren Generationen bewohnt wurde und zu groß für eine Einzelfamilie sei. Zudem sei es auch aufgrund der negativen Entwicklung von Sterbfritz schwer, einen Käufer zu locken. Schon bei unserer Ortsbesichtigung fi el uns dieses Haus auf und wir haben nach dem Gespräch mit Herrn Kremer Umnutzungsideen für das Gebäude

ausgearbeitet.

Was uns nach dem Gespräch mit Herrn Kremer und auch schon bei unseren Ortsbesichtigungen sehr verwundert hat, ist dass Sterbfritz über ein breites Gewerbeangebot verfügt. Um diese Konstellation genauer zu untersuchen, führten wir daher eine Einzugsgebiets-analyse durch, welche uns ein Ergebnis lieferte, das wir bereits vermutet hatten: Sterbfritz mag zwar ein kleiner Ort sein, aber er fungiert trotzdem als Versor-gungszentrum für die umliegenden Orte der Gemeinde Sinntal und auch über deren Grenzen hinaus.

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Sterbfritz

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen82

Wirtschaftsstruktur / Arbeitsplatz-

und Gewerbeangebot

Mit der Funktion des Versorgungszent-rums bietet Sterbfritz trotz seiner Größe eine Vielzahl von Gewerbeangeboten. Bei unseren Ortsbesichtigungen haben wir folgende Gewerbe- und Wirtschafts-einrichtungen kartiert:

Avia Tankstelle, zwei Apotheken, Autohaus, Bäcker, Blumenladen, Buchhandlung, Dönerhaus, Elektronik Partner, Esso Tankstelle, Fachärztehaus, Metzgerei, Nahkauf, Optiker, Penny Markt, Raiff eisen Bank, Rewe, Schlecker, Sparkasse, Sportfabrik (Fitnessstudio) Schreinerei, Zahnarzt (Gemeinschafts-parxis) und diverse Lokalitäten.Air Sonic Gesellschaft (Luftreinigung), Display & More, Karl-Heinz Hölzer Kommunikation, Lohmann Kunststoff GmbH, Faurecia GmbH, Rohm & Werner GmbH, Schimmel-Sachverständiger Merx

Trotz diesem breiten Angebot reichen diese Einrichtungen nicht aus, um genug Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. So haben wir von Herrn Kremer auch erfahren, dass der Großteil der arbeitenden Bevölkerung aus Pendlern besteht, welche unter anderen bis nach Frankfurt im Westen oder auch

Hammelburg in Süden zur Arbeit fahren. (vgl. sinntal broschüre)

Infrastrukturangebot

Das Bildungsangebot in Sterbfritz ist, anders als das Gewerbe, sehr gering. So befi nden sich im Ort der Kindergarten „Rappelkiste“ mit mehreren im Ort verteilten Spielgruppen und die Mittel-punktschule Kinzigquelle, welche aber laut der Tochter des Ortsvorsteher kurz vor der Schließung steht, wonach die Kinder und Jugendlichen dann entweder

nach Altengronau in die Grund-, Haupt- und Realschule oder nach Schlüchtern fahren müssten, wo eine Förderschule, eine Grundschule, ein Gymnasium und eine Haupt- und Realschule die Schulausbildung sichern.

Der Freizeitgestaltung kommen ebenfalls wenige Auswahlmöglich-keiten zugute, da neben einem Freibad, einem Tennisverein und anderen Spor-teinrichtungen weiter keine Auswahl besteht. So bleiben den Jugendlichen wenige Möglichkeiten sich ihre Zeit zu

RamholzAhlersbach

Hohenzell

Schlüchtern

Lindenberg

Bellings

Niederzell

Güntershof

Schwarzenfels

Weichersbach

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Oberzell

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Wernarz

Eckarts

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Trübenbrunn

Weißenbach

Roßbach

Zeitlofs

Altengronau

Drittenbrunnhof

Barackenhöfe

Marjoß

Jossa

Neuengronau

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HerolzHeeg

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Gesamte Einzugsgebietsanalyse der Ortschaft Sterbfritz im Sinntal

Dauer der Umfrage: 1 Woche

Ab 130 Personen

Ab 40 Personen

Bis 40 Personen

Bis 20 Personen

>10 Personen

Haupteinzugsgebiet Sterbfritz

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vertreiben. Dies sei aber laut Herrn Kremer schon immer so gewesen, wie er uns bei unserem Gespräch aus seiner Jugend berichtete. Der Gemeinde fehle das Geld, um den Jugendlichen eine entsprechende Einrichtung zu schaff en

und so bleiben ihnen wie schon erwähnt nur der Bahnhof oder die „Alte Post“ zum treff en. Mit der Nahversorgung hat Sterbfritz sich seinen Titel als Versor-gungszentrum für die Gemeinde Sinntal gesichert. Der Rewe, der Penny Markt und die einzelnen kleinen Einrichtungen bieten eine optimale Nahversorgung für die Bevölkerung und wer spezielle Dinge benötigt, der fährt auch bis nach

Schlüchtern, wie uns einige Einwohner berichtet haben. Das Fachärztehaus in bietet mit Ärzten im Bereich der inneren und der Allgemein-medizin eine gute ärztliche Versorgung für die Einwohner von Sterbfritz und den umliegenden Orten. Unsere Einzugsgebietsanalyse hat zudem ergeben, dass sich nicht nur Patienten aus der Gemeinde Sinntal, sondern auch über deren Grenzen hinaus im Ärztehaus behandeln lassen. Verkehrsanbindung / ÖPNv

Von der Verkehrsanbindung her hat Sterbfritz eine sehr gute Lage, da der Ort im Westen Anschluss an die Bundesautobahn 66 und im Osten an die Bundesautobahn 7 hat.Durch den Ort selbst führen die Landstraße 2304, welche aus Richtung Oberzell die Anbindung an die Bundesautobahn 7 bildet, der Landstraße 3180 aus Richtung Schlüchtern, welche die Anbindung an die Bundesautobahn 66 bildet und die Umgehungsstraße K 943, welche in die Landstraße 3371 in Richtung Altengronau übergeht.

Zudem verfügt Sterbfritz mit dem Bahnhof über eine Anbindung an den Regionalverkehr mit der Strecke Strecke Fulda – Würzburg, auf der stündlich ein

Zug fährt. Aus unserem Gespräch mit Herrn Kremer ging jedoch hervor, dass sich die Einwohner einen Umbau des Bahnhofs wünschen und dass dieser auch stärker frequentiert werden sollte.

Der öff entliche Personennahverkehr wird durch den Rhein-Main-Verkehrs-bund geregelt.Für die Strecke Sterbfritz – Schlüchtern zum Beispiel frequentieren zwischen 4 Uhr – 19 Uhr die Busse unterschiedlich im halbstündlichen und stündlichen Takt. (vgl. sinntal broschüre)

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Sterbfritz

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen84

Einzugsgebietserhebung für verschiedene Versorgungsein-richtungen in Sterbfritz

Zielsetzung

Da schon bei der ersten Ortsbegehung eine für die Größe des Ortes hohe Dichte an Versorgungseinrichtungen auffi el, vermuteten wir, dass Sterbfritz als kleineres Versorgungszentrum für die umliegenden Orte fungiert. Zu untersuchen war nun inwieweit dieses zutriff t, wie groß der entsprechende Radius ist und welchen Anteil die Nutzer aus anderen Orten ausmachen.

Vorgehensweise

Auswahl der untersuchten

Einrichtungen

Untersucht werden sollen Einrichtungen die zur Versorgung im Bereich Einzelhandel und Gesundheit beitragen. Im Einzelhandel sind hier der REWE- und der Penny-Markt die größten Versorger im Ort und waren somit unsere ersten Ansprechpartner. Aus verwaltungs-technischen Gründen war es nicht möglich kurzfristig eine Genehmigung für eine Durchführung der Erhebung im Penny-Markt zu bekommen. Als weitere Vertreter des Einzelhandels

wählten wir die Esso-Tankstelle an der Hauptstraße und den „Euronics“-Elek-trohandel im Zentrum, da der größere Elektrohandel „Electronic Partner“ nicht an der Erhebung teilnehmen wollte. Den Bereich der Gesundheitlichen Versorgung deckten wir durch das Ärztehaus und die Apotheke an der Hauptstraße ab.

Methodik der Erhebung

In den ausgewählten Einrichtungen wurde für eine Woche (Montag bis Sonntag) eine vereinfachte Karte der Region um Sterbfritz angebracht. Auf dieser konnten die Kunden/Patienten auf freiwilliger Basis mit Stecknadeln ihren Herkunftsort markieren.

Problematik der Vorgehensweise

Wie schon erwähnt, waren wir bei dieser Methode auf die Mitarbeit der Versorgungseinrichtungen angewiesen. Da diese aus unterschiedlichen Gründen teilweise nicht zustande kam, beziehungsweise nicht möglich war entfallen für die Erhebung wichtige Einrichtungen.Auch bei den teilnehmenden Versorgern können Probleme auftreten, die sich zum Beispiel aus der Platzierung der Karten, der möglicherweise unterschiedlichen

Unterstützung durch das Personal, die durchschnittliche Besuchsfrequenz* und äußere Einfl üsse wie das Wetter ergeben.

*Den Supermarkt besucht man ca. 1-2 mal in der Woche, den Elektrohandel oder den Arzt deutlich seltener. So ist die Wahrscheinlichkeit einen repräsentativen Durchschnitt zu erhalten, unterschiedlich groß.

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Darstellung der Ergebnisse

Zusammengefasste Ergebnisse aller

untersuchten Versorger

Fasst man die Ergebnisse aller Versorger zusammen, zeigt sich dass 75% der Kunden/Patienten keine Ortsansässigen sind. Als Haupteinzugsgebiet stellt sich ein Umkreis von 6-8 km um Sterbfritz heraus. Dieser stellt (Sterbfritz eingeschlossen) 41% des Gesamtanteils. Auf die weiter außerhalb liegenden Ortschaften mit vereinzelten Nennungen fallen so 59%.

RamholzAhlersbach

Hohenzell

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Altengronau

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Barackenhöfe

Marjoß

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HerolzHeeg

GerlingsmühleVollmerz

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Bis 20 Personen

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Haupteinzugsgebiet Sterbfritz

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Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Sterbfritz

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen86

Ergebnisse „REWE-Markt“

Laut den Ergebnissen aus dem REWE-Markt sind hier 78% der Kunden keine Ortsansässigen. Auf den von uns anhand der Gesamtergebnisse festgelegten Haupteinzugsbereich fallen hier 55%, auf die weiter außerhalb liegenden Ortschaften 45%.

RamholzAhlersbach

Hohenzell

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Bis 30 Personen

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Ergebnisse „Tankstelle“

Den unter den untersuchten Einrichtungen geringsten Anteil von nicht Ortsansässigen Kunden hat die Tankstelle mit 54%. Auf den Hauptein-zugsbereich fallen hier 80 %, auf die weiter außerhalb liegenden Ortschaften 20%..

RamholzAhlersbach

Hohenzell

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Altengronau

Drittenbrunnhof

Barackenhöfe

Marjoß

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Neuengronau

Ziegelhütte

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Willingshof

HerolzHeeg

GerlingsmühleVollmerz

Hinkelhof

Dreibrüderhof

Sannerz

Mottgers

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7,8km

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Bis 30 Personen

Bis 20 Personen

Bis 10 Personen

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Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Sterbfritz

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen88

Ergebnisse „Apotheke“

Die Apotheke hat mit 82% einen leicht überdurchschnittlichen Anteil an nicht Ortsansässigen . Auf den Haupteinzugs-bereich fallen hier 59%, auf die weiter außerhalb liegenden Ortschaften 41%.Anmerkung: Die Apotheke hat mit nur 17 Gesamtnennungen einen extrem geringen Beteiligungsfaktor. Bedenkt man dass die Gesundheitsversorger zusätzlich eine geringe Besuchsfrequenz aufweisen, muss die Aussagekraft dieser Statistik in Frage gestellt werden.

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Zu geringer Beteiligungsfaktor

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89

Ergebnisse „Ärztehaus“

Das Ärztehaus hat mit 82%, wie die Apotheke, einen leicht überdurchschnitt-lichen Anteil an nicht Ortsansässigen . Auf den Haupteinzugsbereich fallen hier 63%, auf die weiter außerhalb liegenden Ortschaften 37%.Anmerkung: Auch wenn die Beteiligung im Vergleich zur Apotheke deutlich höher ausfällt, muss hier die geringe Besuchsfrequenz bedacht werden, die zu Verfälschung der Ergebnisse geführt haben könnte.

RamholzAhlersbach

Hohenzell

Schlüchtern

Lindenberg

Bellings

Niederzell

Güntershof

Schwarzenfels

Weichersbach

Geisberg

Oberzell

Züntersbach

Wernarz

Eckarts

Rupboden

Trübenbrunn

Weißenbach

Roßbach

Zeitlofs

Altengronau

Drittenbrunnhof

Barackenhöfe

Marjoß

Jossa

Neuengronau

Ziegelhütte

Weiperz

Breunings

Willingshof

HerolzHeeg

GerlingsmühleVollmerz

Hinkelhof

Dreibrüderhof

Sannerz

Mottgers

Sterbfritz

7,8km

6,8km

3,4km

3,5km

4,3km

3,0km

4,2km

6,7

km

9,3

km

9,4

km

8,6

km

8,6km

4,2km

2,0km

2,2km

2,2

km

3,3

km

5,9km

7,7km

8,6km

6,2km

8,4km

3,8

km

7,8km

Bis 30 Personen

Bis 20 Personen

Bis 10 Personen

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Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Sterbfritz

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen90

Ergebnisse „Euronics“

Der Euronics-Elektrohandel liegt mit 73% nicht Ortsansässiger Kunden sehr nah am Gesamtdurchschnitt. Auf den Haupteinzugsbereich fallen hier 63%, auf die weiter außerhalb liegenden Ortschaften 37%.

Anmerkung: Der Euronics-Elektro-handel hat wie die Gesundheitsver-sorger eine geringere Besuchsfrequenz als die anderen Versorger. Zusätzlich gibt es mit dem Electronic Partner an der Hauptstraße eine große Konkurrenz im Ort.

RamholzAhlersbach

Hohenzell

Schlüchtern

Lindenberg

Bellings

Niederzell

Güntershof

Schwarzenfels

Weichersbach

Geisberg

Oberzell

Züntersbach

Wernarz

Eckarts

Rupboden

Trübenbrunn

Weißenbach

Roßbach

Zeitlofs

Altengronau

Drittenbrunnhof

Barackenhöfe

Marjoß

Jossa

Neuengronau

Ziegelhütte

Weiperz

Breunings

Willingshof

HerolzHeeg

GerlingsmühleVollmerz

Hinkelhof

Dreibrüderhof

Sannerz

Mottgers

Sterbfritz

7,8km

4,3km

3,0km

6,7

km

8,6

km

7,0

km

5,0

km

4,2km

2,7

km

2,0km

2,2km

5,9km

8,6km

6,2km

Bis 30 Personen

Bis 20 Personen

Bis 10 Personen

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91

Ergebnisse

Haupteinzugsgebiet von Sterbfritz und Rolle als Versorger für andere Orte:Als Haupteinzugsgebiet von Sterbfritz kann ein Umkreis von 6-8 km gesehen werden. Dieser stellt einen Anteil von 69% aller Nennungen. Sterbfritz erfüllt in diesem Bereich die Funktion als Hauptversorger im Einzelhandels und Gesundheitsbereich.Außerhalb dieses Gebiets traten nur noch vereinzelte Nennungen auf. Diese Bereiche markieren das Übergangsgebiet zu den nächsten größeren Orten mit Versorgungsfunk-tion für ihre Umgebung. Dies sind zum einen Schlüchtern im Norden, sowie andererseits Bad Brückenau (Bayern) im Süden.

Bedeutung der auswärtigen Kunden/Patienten für die Einrichtungen in Sterbfritz:Sieht man sich das Verhältnis zwischen Kunden/Patienten aus Sterbfritz und von außerhalb an, wird klar dass die Versorger wirtschaftlich stark von den auswärtigen abhängig sind. Mit Ausnahme der Tankstelle, welche mit 54% einen deutlich unterdurchschnittli-chen Anteil an auswärtigen hat, kommen knapp über 2/3 aller Kunden/Patienten nicht aus Sterbfritz.

Die Attraktivität für den Einzelhandel generiert sich folglich nicht aus dem Ort Sterbfritz an sich, sondern durch seine Funktion als Zentrum für die Umgebung.

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Sterbfritz

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen92

- Stabiler Ort mit Gesundschrumpfung im Kernbereich -Sinntal / Ortsteil Altengronau

Altengronau ist ein traditionelles Straßendorf, das seine Entwicklung entlang einer historischen Wegverbindung nahm. Die Zentralität an der Frankfurter Straße ist stark zurückgegangen. Zentrale Nutzungen wurden an den Ortsrand ausgelagert und bestimmen eine neue Ortsmitte in suburbaner Lage. Der Ort besteht aus drei Ortsteilen, die jeweils durch die Ströme Sinn und Gronau und deren Auen voneinander getrennt sind. Durch die expansive Ausweisung neuer Flächen in Ortsrandlagen ist ein hoher Leerstand mit teilweise stark Bausubstanz geschädigten Gebäuden im Dorfkern zu verzeichnen. Die Bevölkerungs- und Infrastruktur ist als stabil zu bezeichnen und besonders die Dorfgemeinschaft verleiht dem Ort seine Attraktivität und Qualität.

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93

4.5 Sinntal / Altengronau

Lagemerkmale, Gebietsabgrenzung

Die Gemeinde Sinntal ist mitten in Deutschland gelegen. Sie wird durch die Ausläufer der beiden Mittelgebirge Rhön und Spessart geprägt. Geographisch liegt die Gemeinde im Quellgebiet der Kinzig und im Bereich des gleichnamigen Sinntales (vgl. www.sinntal.de). Sinntal hat eine Fläche von 111,84 km2 (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt, Main-Kinzig-Kreis – Statistik – 2009). Die Flächennutzung verteilt sich wie folgend gemessen an der Gesamtfl äche auf:Anteil der Landwirtschaftsfl äche: 43,7 %Anteil der Waldfl äche: 42,9 %Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfl äche: 11,2 % (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt, Main-Kinzig-Kreis – Statistik – 2009). Die Einwohnerzahl beträgt insgesamt 9.352, wobei nur eine geringe Dichte von 84 Einwohnern je km² herrscht. Es besteht eine homogene Verteilung der Bevölkerung auf männliche und weibliche Einwohner (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt, Main-Kinzig-Kreis – Statistik – 2009).

Die Prognose für die Bevölkerungsentwicklung wird mit einem stetigen Rückgang dargestellt. Für das Jahr 2025 werden ca. 8.599 Einwohner prognostiziert (vgl. Bertelsmann-Stiftung, Sinntal – Prognose – 2009). Mit seinen 12 Ortsteilen Altengronau, Breunings, Mottgers, Neuengronau, Oberzell, Sannerz, Schwarzenfels, Sterbfritz, Weichersbach, Weiperz und den beiden staatlich anerkannten Erholungsorten Jossa und Züntersbach gehört Sinntal, betrachtet man dessen Ausdehnung, zu den größten Gemeinden Hessens.

Lage Land Hessen

- Main-Kinzig-Kreis

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen94

Charakteristisch für Sinntal sind die dörfl ich geprägten Strukturen mit einem hohen Anteil an landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Gemeinde Altengronau ist geographisch gesehen im südlichen Bereich nahe der bayrischen Grenze in Sinntal einzuordnen. In Altengronau mündet die Gronau in die Sinn. Die Nachbargemeinden sind im Norden Neuengronau, östlich Mottgers und Zeitlofs, südlich Obersinn und Richtung Westen Jossa. Die Gesamtfl äche der Gemeinde beträgt 1.187 ha (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt – Sinntal – Statistik – 2005). Altengronau hat eine Bevölkerungszahl von 1.309 im Jahr 2009 (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt, Altengronau – Statistik – 2009). Altengronau ist nach Sterbfritz der zweitgrößte Ortsteil Sinntals.

Dorfchronik

Das Dorf Altengronau , erstmals im Jahr 780 urkundlich unter den Namen Gronhaa erwähnt, entstand allmählich durch die Ansiedlungen um die Burg Gronau und wurde daher auch früher Burggronau genannt. 907 kam Altengronau durch Tausch zwischen den Klöstern Echternach und Fulda in den Besitz des Klosters Fulda, welches Altengronau den Herren von Hutten zu Lehen gab. Soweit

bekannt, waren die ersten Besitzer der früher bestehenden Burgen und Gebiete die beiden Familien von Hutten und von Thüngen. In historischer Zeit (ca. 1300 bis 1648) wurden die Geschicke des Ortes maßgeblich durch das alte fränkische Rittergeschlecht der Herren von Hutten bestimmt. Diese errichteten in Altengronau insgesamt vier Burganlagen, von denen zwei bis heute erhalten sind. Ludwig von Hutten, der in der aus dem Jahr 1300 ausgestellten Urkunde erwähnt wird, erhielt das Lehen und alle seine Besitzungen bildeten ein eigenes Amt und Gericht bis zur Aufl ösung im Jahre 1821. Im Jahr 1648 wurden die im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Besitzungen der Herren von Hutten an die Landgrafen von Hessen-Kassel verkauft. Damit endete die seit dem 13. Jahrhundert währende Herrschaft der Herren von Hutten in Altengronau (vgl. www.sinntal.de). Noch heute besteht die Burganlage im Ortsinneren. Diese wurde durch einen Nachfahren von Hutten wieder erworben und zum Jubiläum des Ortes saniert. Dieses Gebäude dient heute als Wohngebäude. Die erste Burganlage, welche als erster Wohnsitz von Ludwig von Hutten vermutet wird, befi ndet sich als Ruine im Wald am Frauenberg im Norden des Ortes (mündl. Michna).

Lage Gemeinde Sinntal - Ortsteil Altengronau

Ortsbild Altengronau

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95

Bevölkerungsstruktur und

demographische Entwicklung

Altengronau hat eine Bevölkerungszahl von 1.309 im Jahr 2009 (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt, Altengronau – Statistik – 2009). Die Bevölkerungsentwicklung ist ab 1990 steigend gewesen, ihren Höchststand hat die Bevölkerungszahl im Jahr 2000 mit 1.390 Einwohnern, jedoch ist die Entwicklung in den letzten Jahren um 5,7 % rückläufi g gewesen. (vgl. Hessisches Statistisches Landesamt, Altengronau – Statistik – 2009). Wie für den Main-Kinzig-Kreis prognostiziert, ist auch für die Gemeinde Altengronau mit einem stetigen Bevölkerungsrückgang zu rechnen. Trotzdem ist Altengronau als stabiler Ortsteil mit ausgewogener Bevölkerungsstruktur zu bezeichnen. Mit der neuen Kindertagesstätte und dem Schulkomplex sind wichtige Voraussetzungen für ein kinderfreundliches Ortsbild gegeben.

Wirtschaftsstruktur / Arbeitsplatz-

und Gewerbeangebot

In Altengronau gibt es eine Tankstelle, zwei Bäckereien, eine Bank, zwei Ärzte und vier Gastwirtschaften. Im Mischgebiet „Am Aspenweg“ haben sich mehrere Unternehmen angesiedelt.

Im Gewerbegebiet im Südwesten des Siedlungsbereiches ist das Transportunternehmen Briney Trucking entstanden, welches auch in Zukunft expandieren möchte. Hinzu kommen weitere kleine Dienstleistungs- und Einzelhandelsunternehmen. Doch seit der Schließung des großen Marmorwerkes sind die Beschäftigungsmöglichkeiten in Altengronau begrenzt. Nur wenige Betriebe sind in Altengronau ansässig, welche das lokale Arbeitsplatzbedürfniss nicht decken können. Die Bevölkerung arbeitet in den nahegelegenen Ortschaften und größeren Städten wie Gelnhausen, Hanau und Fulda, und muss somit oft längere Fahrtzeiten als Pendler auf sich nehmen. In Sterbfritz sind Arbeitsplätze durch die Firma Plastal gegeben. In Mottgers ist es Tabbert, welches allerdings bereits zu Jahresbeginn 2009 die Beschäftigungsplätze um die Hälfte der einst 400 Arbeitsplätze reduzieren musste. (vgl. Artikel in Kinzigtal Nachrichten, Altengronau: Dorfgemeinschaft wird großgeschrieben, 19.08.2009)

Infrastruktur

Altengronau ist im Bildungsbereich vergleichsweise gut aufgestellt. Mit der Hans-Elm-Schule, die neben Grund-

und Haupt- auch einen Realschulzweig anbietet, hat Altengronau das umfangreichste Bildungsangebot in der Gemeinde Sinntal. Der Besuch des gymnasialen Zweigs ist in Schlüchtern möglich. Ein Angebot an berufsvorbereitender und akademischer Bildung besteht in Gemeinde ebenfalls nicht.Vorbereitend auf die Schullaufbahn gibt es mit der neuen Kindertagesstätte „Sonnenschein“ ein gleichfalls überörtlich wichtiges Angebot.Im Ort gibt es einen Zahn- und einen Allgemeinmediziner. Diese werden durch verschiedene physiotherapeutische Angebote ergänzt. Ein Krankenhaus gibt es in Schlüchtern. Das Rote Kreuz betreibt aber eine Ortsvereinigung in Altengronau, welche eine Art Schnelleingriff sgruppe darstellt. Eine Apotheke ist nur in Jossa zu fi nden.Die Polizeistation für die Gemeinde befi ndet sich in Schlüchtern. Beide christlichen Konfessionen sind mit einer Kirche, aber ohne Pfarramt vertreten. In Altengronau fi ndet man ein umfangreiches Sport- und Freizeitangebot vor. Am Aspenweg gibt es ein beheiztes Freischwimmbad, Tennisplätze, ein Fußballfeld und eine Kneipp-Anlage. Zusätzlich gibt es im Ort eine Schießsportanlage. Auch die

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen96

Hans-Elm-Schule

Gewerbegebiet „Am Aspenweg“ Gewerbegebiet „Elmacker“

KiTa „Sonnenschein“

Schulturnhalle wird für außerschulische Angebote genutzt. Im Ort gibt es ein kleines, aber umfangreiches Angebot an Einkaufsmöglichkeiten. Kernpunkt ist der Nahkauf an der Frankfurter Straße. Dieser Nahversorger hat ebenfalls eine Bäckerei und Fleischerei integriert. Größere Versorgermärkte gibt es zum Beispiel in Sterbfritz. Tatsächliche Einkaufsinnenstädte bieten aber nur die weiter entfernten Städte Schlüchtern und Bad Brückenau. (vgl. SINNTAL (Main Kinzig Kreis) (2006), WEKA info verlag (gmbh), Mering)

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97

Verkehr / ÖPNV

Der Ort Altengronau ist durch die quer

durch den Ort führende Landesstraße

L 2304 an das überörtliche Straßennetz

angeschlossen. Über sie erreicht man

die nächst größeren Zentren Sterbfritz,

Schlüchtern und Bad Brückenau (Bayern).

Autobahnanschluss besteht westlich an

die BAB 7 über die Anschlussstelle Bad

Brückenau (ca. 20 km) und östlich an

die BAB 66 über die Anschlussstelle Bad

Soden Salmünster (ca. 25 km). Hanau

ist über diese Verbindung in 50 min;

Frankfurt in ca. 1 Stunde zu erreichen.

Mit öff entlichen Verkehrsmitteln ist

der Ort nur per Bus zu erreichen.

Die Eisenbahnstrecke Schlüchtern -

Gemünden streift den Ort zwar direkt,

aber eine Zustiegsmöglichkeit gibt

es nur entweder in Sterbfritz oder in

Jossa. Der Personenverkehr auf dieser

Strecke ist nur unregelmäßig in großen

Abständen nutzbar. Leider stellt diese

durch den Personenverkehr schwach

belegte Strecke dennoch eine hohe

Lärmbelastung dar, da sie Teil der

Hauptgüterverkehrspange von Nord

nach Süd ist. Hier verkehren in den

Stoßzeiten bis zu 12 Güterzüge pro

Stunde pro Richtung. Die ca. 80 Züge

pro Tag und Richtung verteilen sich auf

Tages und Nachtzeiten (tel. Hartmann, DB

NETZ, Regionales Kundenmanagement).

Zuganbindung an das

Fernverkehrsnetz erhält man über

eine Regionalexpressanbindung

in Schlüchtern, welche die Städte

Frankfurt und Fulda verbindet. Zustieg

zum Fernverkehr wird dann in Fulda,

Hanau/Frankfurt angeboten. Die

Hochgeschwindigkeitstrasse Hannover

– Würzburg tangiert den Ort östlich.

Die Busanbindung des Ortes ist

über mehrere Haltestellen gegeben.

Zentraler Punkt ist dabei die Haltestelle

„Kreissparkasse“. Der Ort wird durch die

Linien des RMV MKK 91 (Schlüchtern –

Jossa) und MKK 97 (verbindet

Bushaltestelle „Sparkasse“

Ortsteile von Sinntal) relativ regelmäßig

angebunden. Hinzu kommen die Linien

MKK 74 und MKK 96, die nur vereinzelt

fahren. Von bayrischer Seite wird dies

durch die regelmäßig verkehrende Linie

8056 (Bad Brückenau – Jossa) ergänzt. Die

Fahrtzeiten aller Linien sind allerdings

auf die üblichen Arbeits- und Schulzeiten

begrenzt. Letzte Möglichkeiten zum An-

und Wegkommen gibt es um 19.00 Uhr

(www.VGF.de; www.mkk.de).

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen98

Städtebauliche Strukturen / rechtliche

Grundlagen

FNP

Der Flächennutzungsplan defi niert die Flächen entlang der Frankfurter und der Neuengronauer Straße, sowie die Flächen „Am Aspenweg“ als gemischte Baufl ächen. Im Osten, hinführend zu Sportplatz und Freibad sind die Flächen als gewerbliche Baufl ächen „Am Aspenweg“ ausgezeichnet. Das größte Gewerbegebiet „Elmacker“ befi ndet sich am südwestlichen Ortseingang südlich der Bahntrasse. Wohnbaufl ächen sind am nordwestlichen Ortsrand und nördlich „Am Ziegenberg“ ausgeschrieben. Im östlichen Bereich, südlich des Flusses Gronau sind die Flächen als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Naturschutzgebiete sind die Struth von Altengronau (fl oristisch und ornithologisch geschützt), sowie die Sinnwiesen von Altengronau (fl oristisch und ornithologisch geschützt). Im Südosten an das Siedlungsgebiet angrenzend ist eine Fläche mit Gewässerschutzzone II und III ausgewiesen.Kulturdenkmäler nach § 2 Abs. 1 HDSchG (Hessisches Denkmalschutzgesetzt) befi nden sich an der Alten Brücke 2, Burgstraße 8 (Burghaus, Huttenburg),

Frankfurter Straße 2, 3 und 14, Im Schloss 2 (ehem. Wasserschloss), Sinnbrücke von 1752, Ulrich-von-Hutten-Straße/An der alten Brücke 1 (Ev. Kirche), Ulrich-von-Hutten-Straße / An der alten Brücke (Brunnenhaus) und Außerhalb im Wald (Jüdischer Friedhof mit Kapelle). (Buchhold, Main-Kinzig-Kreis, Kreisentwicklung, Denkmalpfl ege und Wohnungsbauförderung)

Bebauungspläne

In Altengronau bestehen drei Bebbauungspläne. Für das Gewerbegebiet „Elmacker“ ist der

Bebauungsplan „Elmacker“ der Gemeinde Sinntal Ortsteil Altengronau vom 25.09.1996, geändert durch die erste vereinfachte Änderung gemäß § 13 BauGB vom 24.11.1997, gültig. Der Teil-Bebauungsplan der Gemeinde Altengronau für das Gebiet „Im Streckstal“ ist nach amtlicher Bekanntmachung vom 06. 04. 1966 rechtsverbindlich. Der Bebauungsplan „Am Ziegenberg – Die Säuheeg“ ist für den nördlichen Siedlungsbereich in Kraft. (Karg , Gemeinde Sinntal, Bauamt)

Auszug Flächennutzungsplan

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Leerstand / Freifl ächen

Die Untersuchung des Leerstandes hat ergeben, dass ein Großteil der Leerstände in den alten Dorfstrukturen, vor allem aber entlang der Frankfurter Straße zu fi nden ist. Zu begründen ist dies sicher durch die hohe Lärmbelastung die an dieser Straße entsteht. Zudem ist es den traditionellen Besitzverhältnissen geschuldet, dass Gebäude leer fallen. Bewohner, welche eine Immobilie im historischen Zentrum besitzen, spekulieren darauf, dass diese innerhalb der familiären Strukturen weitervererbt und bewohnt wird. Problematisch ist dies zu betrachten, wenn die jungen Familienmitglieder abwandern oder selbst ein Eigenheim besitzen. Diese Gebäude werden von den Angehörigen meist nicht direkt zu den marktangepassten Konditionen veräußert, in Erwartung in einigen Jahren einen höheren Immobilienpreis zu erzielen, und verbleiben in Besitz ohne dass in jedem Fall eine zeitgemäße Sanierung und Modernisierung stattfi ndet. So sind Gebäude, besonders Nebenanlagen und Wirtschaftsgebäude, in einem schlechten baulichen Zustand und fallen brach.Aber auch die höhere Qualität, die durch die expansive Ausweisung neuer Flächen in Ortsrandlagen gegeben ist, bestärkt diesen Trend.

Viele der leerstehenden Gebäude stellen alte Bausubstanz in Verbindung mit wenig Freifl ächenangebot dar und sind somit wenig attraktiv. Einen wesentlichen Teil des Leerstandes stellen aber auch Wirtschafts- und Nebengebäude dar, die auf Grund des Wandels der ehemaligen bäuerlichen Strukturen nicht mehr benötigt werden. Nicht zu unterschlagen ist hierbei auch die Brache des ehemaligen Marmorwerkes, die einen großfl ächigen Leerstand in Ortsrandlage darstellt.Dem Leerstand steht allerdings ein hohes Angebot an Freifl ächen in Ortsrandlagen gegenüber. Diese größtenteils voll erschlossenen Baufelder stehen dabei in Konkurrenz zu den innerörtlichen Freifl ächen und Leerständen. Sowohl Wohnbau- als auch Gewerbebaufl ächen befi nden sich im westlichen und nördlichen Teil des Ortes und stehen in hoher Anzahl zur Verfügung. Innerhalb der alten Strukturen gibt es teilweise großfl ächige Gartenanlagen die Potenzial zur Nachverdichtung liefern. Viele der Leerstände im historischen Ortskern bieten theoretisch Potenzial um dort neue Nutzungen anzusiedeln. Die Konkurrenz mit den Ortsrandlagen lässt allerdings befürchten, dass es in absehbarer Zeit zu keinen

Entwicklungen an diesen Stellen kommen wird. Ein weiteres Ausweisen von Flächen zum Beispiel am Gerbach würde das Aussterben des Ortskernbereich bestärken und die Gemeinde auf Grund der vielen freien Baufelder in die Infrastrukturkostenfalle laufen lassen. Denn ungenutzte Baufelder und leerstehende Flächen stellen nicht nur beim Ausbau sondern auch während des Bestandes einen erheblichen Kostenfaktor für die Gemeinde dar.

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen100

Stärkung

• gute Infrastruktur (Kirchen, Bildung, Nahversorgung etc.)• starke Vereinsstruktur• umfangreiches Freizeitangebot• heterogene Altersstruktur• histor. Ortsbild nachvollziehbar• charakteristischer Naturraum• Wander- und Radtourismus

Schwächen

• Verkehrsbelastung• geografi sch zerstückelte Ortsteile• geringe öff entl. Aufenthaltsqualität• geringes Arbeitsplatzangebot• hoher Leerstand entlang des historischen Straßendorfes• hoher Brachfl ächenanteil• Dezentralisierung neuer Attraktionen

Chancen

• Raum für neue Entwicklungen• zentraler Raum an Frankfurter Straße• länderübergreifende Kooperation / Tourismusausbau• Indentitätsbildung über soziale Struktur• ursprüngliche landwirtschaftliche Strukturen

Risiken

• zunehmender Leerstand• Verkehrsproblematik• Strukturschwächen der Region• junge Generation ohne Perspektive

Stärken - Schwächen - Analyse

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101

Fazit

Altengronau ist als stabiler Ort zu beschreiben. Die Bereiche der sozialen Infrastruktur und Nahversorgung ermöglichen eine Ortsentwicklung mit nachhaltigem Charakter. Das Ortsbild ist besonders in den historischen Zügen des alten Straßendorfes gut nachvollziehbar, wird jedoch durch die Auslagerung von wichtigen Einrichtungen an den Ortsrand überformt. Besonders der öff entliche Raum ist nur unzureichend ausgestaltet und bietet kaum Aufenthaltsmöglichkeiten. Besonders Mängelbelastet ist die zentrale Frankfurter Straße, welche mit Überdimensionierung im Straßenschnitt, einer hohen Frequentierung, Funktionsverlusten und einem hohen Leerstandsaufkommen belastet ist.Die hohe Leerstandsrate im Bereich der Ortsmitte führt zu starken Funktionsverlusten. Wohn- und Arbeitsort im Zentrum sind durch die Dezentralisierung dieser Nutzungen stark geschwächt. Die hohen Freifl ächen in den Neubaugebieten, sowie die Neuausweisung weiterer Baufl ächen im suburbanen Raum bedingen eine Abwanderung aus der Ortsmitte und Flächenverbrauch am Ortsrand.Die Wirtschaftsstruktur ist als unzureichend zu bezeichnen.

Es fehlt ein mittelständiger Betrieb, der zusätzlich Arbeits- und Ausbildungsplätze bereit stellt. Das touristische Potenzial ist nur begrenzt ausgeschöpft. Die Nachbarschaft zu Bayern stellt eine hohe Wirkungsfähigkeit im Bereich des Wander- und Radtourismus dar. Besonders die Schachbrettblumenwiesen weisen Altengronau als Ort mit einzigartigen Charakter im gesamten Sinntal und Deutschland aus. Im Ort gibt es ein begrenztes Übernachtungsangebot, das allerdings im Moment ausreichend ist.

Frankfurter Straße

Brachfl äche Gewerbegebiet „Elmacker“

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen102

Bilderdokumentation

Huttenburg

Sportplatz

Gronau Fluss

Gewerbegebiet „Am Aspenweg“

Frankfurter Straße

Wohngebiet „Am Aspenweg“

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103

Wohngebiet „Am Ziegenberg“

Kirche im Ortskern

Wohngebiet „Im Streckstal“

typisches Wohnhaus mit Nebengebäudenortstypische Straße

Ortsansicht

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen104

- Verlust der Ortsmitte im Gemeindezentrum -

Jossgrund / Ortsteil Oberndorf

In Oberndorf lässt sich vermehrt ein zunehmender Leerstand sowie ein Verfall von Häusern in der Ortsmitte feststellen. Junge Familien ziehen fast ausschließlich in die Randlagen, um dort ihr Eigenheim zu errichten und scheinen die Ortsmitte nicht mehr als attraktiven Wohnraum zu begreifen. Auch Dienstleistungsfunktionen, wie Apotheke, Fahrschule oder Ärzte befi nden sich nun in diesen Randgebieten.Die überwiegend ältere Bevölkerung im Ortskern lässt darauf schließen, dass sich die Entleerung auch in den nächsten Jahren vergrößern wird, wenn sich die Attraktivität der Ortsmitte nicht wieder steigert.

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105

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4.6 Jossgrund / Oberndorf

Lagemerkmale, Ortscharaktristik

Die Gemeinde Jossgrund liegt im hessischen Teil des Spessarts, im Landkreis Main-Kinzig, an dem Fluss Jossa und an der Grenze zum bayerischen Landkreis Main-Spessart. Im Norden grenzt Jossgrund an die Städte Bad Orb und Bad Soden-Salmünster, östlich ist das gemeindefreie Gebiet Forst Aura gelegen. Im Süden und Westen grenzen die beiden Gemeinden Flörsbachtal und Biebergemünd an Jossgrund. Die Gemeinde Jossgrund befi ndet sich in einer Schneise, die von waldreichen Hügeln umgeben ist. Sie besteht aus vier Ortsteilen Burgjoss, Oberndorf, Pfaff enhausen und Lettgenbrunn. Zusammen sind hier ca. 3600 Einwohner beheimatet. Die Verwaltungshoheit der Gemeinde liegt in Oberndorf und bildet mit dem Bürgermeister das Verwaltungs-zentrum. Die nächstgelegene Stadt ist Bad Orb, die zwischen acht und fünfzehn Kilometern von den einzelnen Ortsteilen entfernt liegt und den Einzelhandelsmit-telpunkt für Jossgrund bildet. Oberndorf hat ca. 1650 Einwohner und liegt zwischen den Ortsteilen Burgjoss und Pfaff enhausen in Jossgrund. Der Ort lässt sich in vier unterschiedliche Gebietskategorien teilen. Zuerst ist das

Bildunterschriftalte Dorfzentrum zu erwähnen, welches sich an der Hauptstraße Frankfurter Straße/Lohrer Straße und entlang der des Flusses Jossa befi ndet. In diesem Gebiet befi nden sich noch sehr viele ortstypische Häuser, die teilweise saniert sind. Zwei reine ältere Wohngebiete befi nden sich im Westen und Nord-Westen des Dorfes. Östlich und im Norden befi nden sich reine Wohngebiete, die noch relativ neu sind, sich teilweise noch in der Bauphase befi nden oder noch relativ viele Baulücken aufweisen. Vor allem im nördlichen Baugebiet befi nden sich fast ausschließlich Einfamilienhäuser, die in vielen verschiedenen Baustilen entstanden sind. Dadurch entsteht ein eher ortsuntypischer Eindruck und keine Eingliederung in das

Übersichtskarte Jossgrund

Blick auf Oberndorf

Bürgerhaus Oberndorf

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Jossgrund / Oberndorf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen106

Dorfstruktur Oberndorf

Denkmalgeschütztes Gebäude im Zentrum

Einzelhaus im nördlichen Wohngebiet

Wirtschaftsgebäude im Zentrum

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dörfl iche Gesamtbild. Im Süden hingegen befi ndet sich ein Mischgebiet, welches neben der Wohnnutzung auch gewerbliche und größere handwerkliche Betriebe aufweist. Jossgrund, vor allem aber Oberndorf zeichnet sich durch eine gefestigte Dorfstruktur aus, die sich auch in dem bürgerlichen Engagement widerspiegelt (mündl. Schreiber). Der Ort zeichnet sich durch großen Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung aber auch mit einem guten Verhältnis zur Verwaltung aus. Sogar die jungen Familien, die in den Randlagen beispielsweise im Norden, ihr neues individuelles Eigenheim erschaff en haben sind voll in das Dorfl eben integriert und bilden eine große Gemeinschaft mit sehr großem Zusammenhalt (mündl. Schreiber). Hier bildet lediglich Lettgenbrunn eine kleine Ausnahme, denn dieser Ortsteil ist noch nicht komplett in Jossgrund integriert. Die Gründe dafür sind einerseits an der Lage zu den drei anderen Ortsteilen zu erklären (am weitesten entfernt) und andererseits auch historisch, da Lettgenbrunn erst 1974 im Zuge der hessischen Gebietsreform in die Gemeinde eingegliedert wurde (vgl. www.jossgrund.de).

Historie/ Dorfchronik

Der Ort Burgjoss wurde als erster der vier Orte im Jahr 850 urkundlich erwähnt Pfaff enhausen folgte im Jahr 907. Die beiden Orte Lettgenbrunn und Oberndorf sind erst 1313 beziehungsweise 1444 urkundlich in Erscheinung getreten. Das Gebiet aller vier Orte wurde ab 1540 dem Kurfürstentum Mainz zugeordnet. In der Hochphase der Pest 1634/35 starb fast die komplette Bevölkerung im Jossgrund, lediglich 15 Haushalte blieben erhalten. Nach den Verhandlungen im Wiener Kongress 1814 wurde Jossgrund dem Königreich Bayern zugeschrieben. Im Jahr 1866 wurde Jossgrund nach der Kriegsniederlage von Österreich wieder dem preußischen Hoheitsgebiet zugeordnet, da Bayern an der Seite von Österreich gekämpft hatte (vgl. www.jossgrund.de). Fast 30 Jahre später, im Jahr 1904, wurde der heute noch existierende Kirchturm erbaut. In den folgenden Jahren wurde noch eine Schule gebaut und das erste elektrische Licht in Oberndorf installiert (1912/13). Die erste Volkszählung 1925 im Kreis Gelnhausen ergab eine Einwohnerzahl von 693 in Oberndorf.Nach dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 gehört Oberndorf zum Land Hessen und wird dem Regierungsbezirk Darmstadt

Kirche

zugeordnet. Die Aufbauarbeiten in Oberndorf hatten den Bau eines neugestalteten Kriegerdenkmales (1955), die äußerliche Renovierung der Kirche und den Bau einer Dorfge-meinschaftsschule (1968/69) für den gesamten Jossgrund zur Folge (vgl. www.jossgrund.de). Im Zuge der hessischen Gebietsreform 1972-1977 wurden der Kreis Gelnhausen, die Landkreise Hanau und Schlüchtern sowie die Stadt Hanau dem Main-Kin-zig-Kreis zugeordnet. Am 31. Dezember 1971 wurde aus den Gemeinden Burgjoss, Oberndorf und Pfaff enhausen die Gemeinde Jossatal gegründet. Im

Kriegerdenknal

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen108

Arbeitsplatz-/Gewerbesituation

Die Gewerbestruktur in Oberndorf ist

sehr kleinstrukturiert und wird von

kleineren und mittelgroßen Handwerks-

betrieben aller Art dominiert. Größere

Firmen existieren nicht.

Es gibt zwei Schlossereien, eine

KFZ-Reparatur, einige technische Betriebe

und zwei Baumschulen. Auch einige

Ingenieure und Architekten arbeiten

in Oberndorf sowie Steuerberater und

Finanzdienstleister.

Hinzu kommen dorftypische Geschäfte,

wie ein Supermarkt, eine Fleischerei, zwei

Bäckereien, einige Frisöre, Kosmetik-

Wandels. Zum einen zeigt die Bewoh-

nerstruktur im Zentrum eindeutig,

dass hier die älteren Generationen

überwiegen. Zum anderen ziehen

die jüngeren Generationen in die

attraktiveren Randlagen des Ortes,

was eine beginnende Entleerung des

Zentrums zur Folge hat. Dennoch kann

man generell noch von einer sehr

stabilen Bevölkerungsstruktur sprechen,

da auch viele jüngere Generationen zwar

innerhalb des Dorfes den Wohnplatz

wechseln, aber dennoch im ortsinternen

Gefüge bleiben. Das ist eindeutig ein

Zeichen für die gewachsene Struktur

des Ortes und ein positives Signal im

Umgang mit dem demographischen

Wandel. Dennoch muss man auch die

prognostizierten Trendzahlen beachten,

die den Bevölkerungsrückgang in den

nächsten 20 Jahren mit 21,7% betiteln

(vgl. Protokoll Bürgerversammlung,

2010). Diese Zahlen sind aber vor allem

der Tatsache geschuldet, dass Jossgrund

eine der kleinsten Gemeinden in Hessen

ist und die allgemeine Annahme ist, dass

sich der demographische Wandel zuerst

in kleineren peripheren Strukturen

auswirkt (vgl. Bundesministerium für

Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,

2006, S. 5-10). Trotz dieser Trendzahlen

wird aber die Situation aufgrund der

guten Ortsstruktur aktuell mit einer

akzeptablen Schrumpfung bewertet.

Verlauf weiterer Reformen wurden am

1. Juli 1974 die Gemeinden Jossatal

und Lettgenbrunn zu der Gemeinde

Jossgrund zusammengeschlossen (vgl.

www.jossgrund.de).

Dem Abriss des alten Schulgebäudes/

Rathauses im Jahr 1988 folgte dann 1991

die Einweihung des neuen Bürgerhauses

Jossgrund in Oberndorf.

Bevölkerungsstruktur

In der Gemeinde Jossgrund leben

insgesamt 3600 Menschen, die sich auf

vier Ortsteile verteilen. Die Bevölke-

rungsdichte beträgt 71 Einwohner pro

km², wobei der Anteil der Männer und

Frauen relativ ausgeglichen ist (1740

Frauen, 1860 Männer).

Oberndorf weist dabei mit seinen 1650

Einwohnern den größten Anteil auf. In

Oberndorf spürt man mittlerweile die

ersten Folgen des demographischen

Gewerbebetrieb Nahkauf im Zentrum

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und Fußpfl egedienste, eine Eisdiele und

mehrere Restaurants sowie Bistros (vgl.

www.jossgrund.de).

Es gibt für Oberndorf keine offi zielle

Arbeitslosenquote, jedoch sollte sie sehr

gering sein und ähnlich wie die vom

gesamten Jossgrund deutlich unter 5%

liegen.

In Oberndorf herrschen, wie in der

gesamten Region, starke Pendlerbe-

wegungen vor. Durch die geringe Zahl

an Arbeitsplätzen, gerade aber auch

an höher qualifi zierten Arbeitsplätzen,

sind viele Menschen gezwungen

in die Ballungsräume um Frankfurt,

Gelnhausen und Hanau zu pendeln,

um ihren Lebensunterhalt zu verdienen

(mündl. Schreiber).

Infrastruktur

Die Infrastruktur in Oberndorf ist, für

ein Dorf dieser Größe (1650 Ew.) und

für die sehr periphere Lage, sehr gut

ausgeprägt.

Die Nahversorgung ist durch einen kleinen

Supermarkt, durch zwei Bäckereien und

eine Fleischerei gesichert und wird von

der Bevölkerung gut angenommen. Die

Einkäufe für den täglichen Bedarf sind so

auf jeden Fall gesichert. Größere Einkäufe

müssen allerdings in umliegenden

Städten, wie beispielsweise Bad Orb,

getätigt werden.

Die medizinische Infrastruktur besteht

aus einem Haus- und einem Zahnarzt,

einem Pfl egedienst, einer Apotheke,

einer Hebamme und einem Physio-

therapeuten. Das nächstgelegene

Krankenhaus ist in Bad Orb und ist somit

ca. 13 Kilometer entfernt (vgl. www.

jossgrund.de).

In Oberndorf gibt es zahlreiche

freizeitliche Angebote, welche

auch sehr stark genutzt werden.

Spielplatz Sozialstation

Jugendhaus

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen110

Das Angebot erstreckt sich von der

freiwilligen Feuerwehr, über Gesangs-,

Musik-, Theater- und Tanzvereinen

bis hin zum örtlichen Fußballverein.

Der Fußballverein kooperiert in der

Jugendarbeit mit den anderen Ortsteilen,

um ausreichend Spieler für eine Jugend-

mannschaft zu melden.

Besonderheit in Oberndorf ist der Skilift

und mehrere Langlaufl oipen, die in den

Wintermonaten Besucher aus der ganzen

Region anziehen (vgl. www. jossgrund.

de).

Die Bildungssituation in Oberndorf

ist grundsätzlich abgedeckt. Es gibt

einen katholischen Kindergarten sowie

die Jossaschule, die als Grund- und

Hauptschule dient. Um sein Kind auf einen

evangelischen Kindergarten zu schicken

oder eine höhere schulische Bildung zu

erlangen, müssen die Kinder allerdings in

eines der umliegenden Dörfer gebracht

werden, beziehungsweise für den Besuch

eines Gymnasiums in das ungefähr

20 Kilometer entfernte Wächtersbach

fahren (vgl. www.jossgrund.de).

Besonderheit in Oberndorf ist zudem

der Sitz der Gemeindeverwaltung und

des Rathauses von Jossgrund.

Verkehr

Die Bahnhöfe Wächtersbach und

Bad Soden Salmünster sind ca. 15-20

„Perlen an der Jossa“

Kilometer von Oberndorf entfernt und

bilden für Jossgrund den Anschluss an

das überregionale Netz der deutschen

Regionalbahn.

Gleichzeitig stellt die Anschlussstelle

Bad Orb/Wächtersbach in 20 Kilometern

Entfernung einen Anschluss an die

Autobahn A 66 her. Der regionale

ÖPNV-Verkehr ist mit Bussen organisiert,

gestaltet sich aber schwer, da die unter-

schiedlichen Haltestellen sehr selten

angefahren werden und dadurch

eine sehr geringe Nutzung resultiert.

Lediglich Kinder und Jugendliche ohne

Führerschein nutzen die öff entlichen

Verkehrsmittel um zu ihren Bildungsein-

richtungen zu gelangen. Ab dem führer-

scheinfähigen Alter besitzt in Oberndorf

nahezu jeder Bürger ein Auto, um den

rückständigen ÖPNV zu kompensieren.

Dennoch ist die Bildung von Fahrge-

meinschaften, gerade bei jungen Leuten,

in der Region sehr beliebt.

Für den Touristenverkehr verläuft die

deutsche Ferienroute Alpen-Ostsee

durch Pfaff enhausen und Lettgenbrunn

sowie die Spessart-Höhenstraße

durch Lettgenbrunn. Seit 2007 gibt es

außerdem den europäischen Kulturrad-

und Wanderweg „Perlen an der Jossa“,

der sich über alle vier Ortsteile erstreckt

und bis zur Gemeinde Jossa führt.

freier Flusslauf Jossa

Hauptstraße undparallel Jossa

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Städtebauliche Strukturen

Oberndorf hat sich aus einem klassisches

Straßendorf entwickelt. Das heißt,

dass sich der Ursprung des Dorfes an

einer durch den Ort laufenden Straße,

in diesem Fall die heutige Frankfurter,

beziehungsweise Löhrer Straße,

orientiert hat. Dadurch, dass Oberndorf

in einer Art Schneise zwischen Hügeln

liegt, ist es in den vergangenen Jahren

nicht organisch, sondern immer in die

Bereiche, die aufgrund der Topographie

noch bebaubar waren, gewachsen .

Ganz Oberndorf ist rechtlich als

Innenbereich festgelegt. Also

existieren für alle bebauten Gebiete

Bebauungspläne. Insgesamt sind das

sechs Pläne, die sich in ihrer Nutzungs-

bestimmung unterscheiden. Im

Dorfkern ist ein Mischgebiet festgelegt,

in den Randlagen sind Wohngebiete

festgesetzt.

Der dominierende Hausertyp in

Oberndorf ist das Einfamilienhaus.

Zudem existieren einige Mehrfamilien-

häuser. Große Mehrfamilienhäuser oder

gar Hochhäuser sind nicht zu fi nden.

Die Bausubstanz der bewohnten

Häuser ist zum größten Teil als sehr

gut zu beurteilen. Nur vereinzelt und

sehr selten erkennt man bewohnte

Häuser, deren Bausubstanz als schlecht

angesehen werden muss. Im Dorfkern

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Aufgenommener Leerstand in Oberndorf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen112

gibt es einige leerstehende Häuser,

Schuppen und Lagerhallen, die deutliche

Anzeichen der Baufälligkeit aufzeigen.

Besonders prägnant ist dabei ein

ehemaliges Wohnhaus, bei dem schon

ein behördlicher Beschluss zum Abriss

ausgestellt wurde.

In den neuen Baugebieten in den

Randlagen existieren fast ausschließlich

Einfamilienhäuser, die alle einen sehr

„individuellen Baustil“ aufweisen.

Die Substanz ist hier natürlich noch

durchgehend als sehr gut zu beurteilen.

Um einen Überblick über die Gebäude-

leerstände und Baulücken in Oberndorf

zu erhalten, wurde je Kategorie ein

Kataster mit Übersichtskarten angelegt.

Dort fi ndet man alle Baulücken sowie

Freifl ächen Oberndorfs vor. Die Kataster

dienen zum einen dem Überblick und

der Veranschaulichung der Probleme,

zum anderen werden sie in dem Kataster

auch bewertet und kategorisiert.

Leerstand herrscht ausschließlich im

Dorfkern vor. Hier ist vor allem die

Martinusstraße, parallel zur Hauptstraße

(Frankfurter Straße) hinter dem Rathaus,

betroff en. Die vornehmlich alten und

heruntergekommenen Gebäude

vermitteln keinen positiven Eindruck

und verschlechtern das Dorfbild.

Das Leerstandskataster zeigt nur die

Gebäude auf, die von jeder Nutzung

befreit sind. In Oberndorf existieren

viele Gebäude, die nur noch halbherzig

oder temporär genutzt werden. Dies

sind überwiegend alte Agrargebäude,

in denen keine aktive Nutzung mehr

stattfi ndet, jedoch noch Geräte für die

Landwirtschaft gelagert werden, die

allerdings auch nicht mehr genutzt

werden. Aus diesem Grund wurde

lediglich acht Leerstände aufgenommen.

Darunter befi nden sich sowohl Wohn- als

auch Agrargebäudeleerstände.

Beim Leerstand gab es große

qualitative Unterschiede zwischen den

vorhandenen Gebäuden. Zum einen

gab es Wohnhäuser, die noch in einem

Zustand waren, dass eine Umnutzung

möglich wäre, andere sind so alt und

heruntergekommen, dass sie eigentlich

abgerissen werden müssten. Auf der

anderen Seite gibt es Gebäude, die noch

in einem akzeptablen Zustand sind, aber

aufgrund ihrer Bedeutsamkeit in die

Hände von Immobilienmaklern gegeben

wurden. Diese setzten sie auf den aktuell

schlechten Immobilienmarkt, wo sie bis

heute aufgrund des hohen Preises nicht

zu verkaufen waren.

Die Zahl der aufgenommenen Baulücken

ist mit 44 ausgesprochen hoch.Diese

sind zu ca. 95 % in privater Hand.

In Oberndorf gibt es hauptsächlich zwei

verschiedene Arten von potentiellen

Abrisspfl ichtiges Haus im Dorfkern

Halbseitiger Leerstand im Zentrum

Leerstand im Zentrum

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Aufgenommene Baulücken in Oberndorf

Ortstypische Baulücke

Ortstypische Baulücke

Baufl ächen im Norden

Potenzielle Baufl äche

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen114

bleiben, sich aber gleichzeitig den Traum

vom individuellen Eigenheim zu erfüllen

mit einer schönen weitläufi gen Land-

schaftskulisse vor dem Fenster. Dieses

Problem der Außenentwicklung ist aber

erkannt worden und die Baufl ächen-

entwicklung gestoppt worden. Denn

laut Aussagen der Verwaltung werden

keine weiteren Baufl ächen ausgewiesen

um dem Problem entgegenzuwirken

und dem selbsternannten Ziel „Innen-

entwicklung vor Außenentwicklung“

gerecht werden zu können.

Stärken - Schwächen - Analyse

Stärken

Oberndorf liegt in einer sehr reizvollen,

abwechslungsreichen Landschaft, mit

unmittelbarer Nähe zu weitläufi gen

Wiesen, Wasser und Wäldern. Das triff t

aber auf nahezu alle Gemeinden von

SPESSARTregional zu.

Baufl ächen. Zum einen die neu

ausgewiesenen Baufl ächen in den

Ortsrandlagen und zum anderen die

vereinzeltvorkommenden Flächen in

den älteren Wohngebieten.

Die Flächen in den älteren Wohngebieten

sind oft durch Vererbung in der Familie

geblieben, wurden aber bis heute nicht

bebaut. Gründe dafür sind zum einen der

teilweise Abzug jüngerer Generationen

um dem heutigen Anspruch eines

besseren Arbeitsplatzzugangs gerecht

zu werden. Ein anderer Teil benutzt die

leeren Parzellen für einen gut angelegten

Garten, einen Aufbewahrungsort für Holz

oder einfach als Park- und Abstellfl äche.

Wieder andere jüngere Generationen

kaufen ihre Grundstücke lieber in den

attraktiveren Randlagen, um die Vorteile

des Naturraums des hessischen Spessarts

genießen zu können.

Die Folgen aller drei Verhaltensweisen

sind für eine nachhaltige Dorfentwicklung

nicht von Vorteil. Zum einen gibt es

leere Flächen in den Dorfi nnenberei-

chen, welche teilweise gemäht oder

eher rudimentär und vereinzelt genutzt

werden und damit einem geschlossenen

Ortsbild entgegenwirken. Ebenso wird

die potentielle Baufl ächenentwick-

lung in den Randlagen vorangetrieben

und ausgeweitet. Dennoch muss man

die Bewohner verstehen, die eine

Möglichkeit sehen, in ihrer Heimat zu

Was in Oberndorf jedoch deutlicher

als in anderen Gemeinden zutriff t, ist

das große Zusammengehörigkeitsge-

fühl, eine große Kooperationsgemein-

schaft mit SPESSARTregional sowie ein

sich entwickelndes Bewusstsein zum

demographischen Wandel und dessen

Folgen. Dazu hat die Stadtverwaltung

schon eine Bürgerversammlung

abgehalten, welche auf reges Interesse

gestoßen ist.

Zudem ist die Infrastruktur vor Ort, für ein

so kleines Dorf sehr gut ausgeprägt. Es

gibt zwei Bankdienstleister, ausreichend

Restaurants und Bistros. Durch diese

Faktoren und den Sitz der Gemeinde-

verwaltung Jossgrund in Oberndorf,

übernimmt Oberndorf bereits einige

Zentrumsfunktionen im Jossgrund.

Oberndorf verfügt des weiteren über

zwei Arztpraxen sowie eine Grund-

und Hauptschule, einen Kindergarten,

eine Sporthalle und einen Fußballplatz,

Apotheke

Jossagalerie

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wordurch die grundlegende

medizinische, schulische und sportliche

Ausbildung garantiert ist.

Im Ortskern herrscht zwar vermehrt

Leerstand vor, jedoch dient die

Jossagalerie als Treff punkt und Zentrum,

welches erstaunlich stark frequentiert

wird.

Schwächen

Die Schwächen des Dorfes lassen

sich an der momentanen Art

der Dorfentwicklung sowie am

demographischen Wandel festmachen.

In Oberndorf leben sehr viele alte

Menschen, konzentriert im Dorfkern.

Durch die zunehmende Alterung werden

dort vermehrt Wohnhäuser frei, die

dann ungenutzt bleiben und langsam

zerfallen.

Junge Familien ziehen überwiegend in

die in den Randgebieten ausgeschrie-

benen Neubaugebiete und errichten dort

ein Eigenheim nach ihren Wünschen.

Bis zuletzt stand die Außenentwicklung

stets vor der Innenentwicklung.

Zum Leerstand im Dorfkern kommen

noch zahlreiche freie Baufl ächen hinzu,

die zu 95% in privaten Händen, oftmals

in komplizierten Besitzverhältnissen,

liegen. Ähnlich wie für die leerstehenden

Häuser, existiert selten eine Nutzung

hierfür.

Zu diesen Problemen kommt

eine miserable Situation im ÖPNV

hinzu, der Oberndorf selten und in

unregelmäßigen Abständen frequentiert

und eine Verbindung mit öff entlichen

Verkehrsmitteln in andere Dörfer kaum

garantiert.

Das Pendleraufkommen von Oberndorf

in die nächstgelegenen größeren Städte

ist ausgesprochen hoch, da es in

Oberndorf nur kleinstrukturierte Betriebe

gibt, die nicht genügend Arbeitsplätze

bieten (vgl. REK, S.13).

Schwerpunktanalysen beteiligter Modellkommunen | Jossgrund / Oberndorf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen116

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Szenarien künftiger Entwicklungen

5.1 Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

5.2 Schlüchtern / Hutten

5.3 Steinau an der Straße / Neustall

5.4 Sinntal / Sterbfritz

5.5 Sinntal / Altengronau

5.6 Jossgrund / Oberndorf

Szenarien künftiger Entwicklungen

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen118

5.1 Huttengrund / Romsthal, Walhert, Eckardroth

Übersicht über Entwicklung

Übergeordnete Maßnahmen

Die Zusammenarbeit der Gemeinden Eckardroth, Romsthal und Wahlert ist bereits in Teilen vollzogen. Der Gesangs-, Sport- und Jagdverein agiert längst auf interkommunaler Ebene. Die freiwillige Feuerwehr gewährt die Hilfsfristen für alle drei Ortsteile und der Maschinenring koordiniert Belange der Landwirte. Feste werden gemeinsam gefeiert und die Kirchengemeinde in Romsthal steht für alle off en. Diese, auch historisch begründete, Kooperation ist das größte Potential der Region. Durch Bündelung gemeinsamer Interessen können organisatorische Aufwände einfacher und oftmals kostengünstiger bewältigt werden. Dies festigt die Wettbewerbsfähigkeit und hilft somit zur Stabilisierung der ökonomischen Lage der Region. Eine politisch administrative Zusammenarbeit steht in der öff entlichen Diskussion. Sie scheint zukünftig, im Hinblick auf fi nanzarme Kommunen, unausweichlich. Zugleich bietet sie die Chance als „Huttengrund“ besser wahrgenommen zu werden, als dies z.T. den Einzelgemeinden

gelingen mag. Die Zusammenarbeit der Ortsteile sollte zukünftig gestützt und weitergetrieben werden. So könnte auch die Landwirtschaft langfristig profi tieren. In ihrer bisherigen Form ist sie von staatlichen Fördermittel und Subventionen abhängig, um wettbe-werbsfähig produzieren zu können.In der jüngeren Vergangenheit ist eine Diversifi zierung (Auff ächerung, Vielfalt, Spezialisierung auf mehrere Bereiche) der landwirtschaftlichen Produktion zu verzeichnen. Ein Klassiker sind die Biohöfe, die durch Neuausrichtung in Produktion und Vermarktung ihrer ökologisch hergestellten Waren dem Trend zum extensiven Anbau entgegensteuern. Eine Strategie, die auch für den hessischen Spessart sinnvoll erscheint. Notwendig ist jedoch eine gezielte Schulung, die in Form einer „Akademie“ oder Fortbil-dungsmaßnahmen angeboten werden müsste. Ausbildung, Anbau, Produktion, Vermarktung und Vertrieb könnte im Spessart erfolgen: Eine Wertschöp-fungskette für die gesamte Region. Die Einführung eines gemeinsamen Warenzeichens würde den Bekannt-heitsgrad steigern, die Außendar-stellung professionalisieren und das Marketing erleichtern. Die Einbindung der Landwirte stärkt die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl, auch über administrative oder historisch emotional

bedingte Grenzen hinweg. Der Verkauf der ökologisch frisch erzeugten Waren sollte hierbei vorrangig in der Region stattfi nden. Ansätze, wie lokale Dorfl äden, gibt es bereits. Sie stärken die lokale Ökonomie, binden Kaufkraft und bieten Arbeits- und Ausbildungsplätze. Eine Grundversorgung der Einwohner wäre gewährleistet. Die Etablierung und Entwicklung eines solchen Verkaufsladens sollte im Ortskern erfolgen. Ziel muss die Konzentration örtlicher Versorger und Dienstleister sein, um eine weiteren Zersiedelung entgegenzuwirken. Vor Neubau sollte daher auch die Reaktivierung bzw. Sanierung und Umnutzung bestehender Immobilien am Standort in Betracht gezogen werden. Eine diesbezüglich kommunale Förderung könnte darüber hinaus helfen, den Leerstand am Ort zu begegnen.Als weiterer ausbaufähiger Bereich der Landwirtschaft ist der Anbau von Pfl anzen als Energieträger zu sehen. Sie könnten als Ersatz für die Lebens-mittelproduktion in Folge benötigter Fruchtwechsel auf den Feldern, oder in Form einer spezialisierten Produktion von Biomasse / Biogas zum Einsatz und Aufweitung der agrikulturellen Tätigkeiten hinzugezogen werden. Die Diversifi zierung der Landwirtschaft kann zukünftig ihre Wettbewerbsfähigkeit

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aufrecht erhalten und in Verbindung mit regionalen Wertschöpfungsketten Arbeitsplätze sowie die räumliche Verbundenheit sichern. Die Bewahrung der Kulturlandschaft wäre durch die Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion weiterhin gegeben.Die Sesshaftigkeit für nicht ortsgebundene Unternehmen ist vor allen in ländlichen Räumen stark gefährdet. Die Wahl eines bestimmten Standortes legt in der Regel langfristig die Erfolgschancen eines Unternehmens fest. Daher spielen harte Standortfak-toren, wie z.B. Verkehrsverbindungen, vorrätiger Grund und Boden oder die Verfügbarkeit von Energie und Rohstoff en nach wie vor eine gewichtige Rolle. Mit fortschreitender Entwicklung zur Dienstleistungs- und Wissensgesell-schaft rücken jedoch absatzorientierte (oder output-bezogenen) Standortfak-toren zunehmend in den Vordergrund. Hierzu zählen Absatzmarkt (-nähe und -intensität), Absatzkontakte, Konkurrenz (-ferne und -intensität), Renommee u. ä. Unter Ausnutzung der regionalen Kapazitäten und mit der Etablierung einer Spessartmarke könnte die Region nachhaltig als Standort für Unternehmen im Bereich regenerativer Energien, biologischer Anbau, Pfl egedienste/Wellness etc. an Attraktivität hinzugewinnen.

Freiwillige Feuerwehr, Eckardroth

Landwirtschftshof, Romsthal

Szenarien künftiger Entwicklungen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen120

überdacht und neu organisiert werden. Denkbar wären beispielhaft Stipendien für Studiengänge der Medizin mit der Verpfl ichtung als Landarzt für einen begrenzten Zeitraum in der Region tätig zu sein. Neben einer bildungspolitischen Förderung fi nanziell Benachteiligter könnte somit gleichzeitig ein Abzug vor Ort qualifi zierter Arbeitskräfte in scheinbar lukrativere Regionen vermieden werden. Eine Reinvestition der kommunalen Aufwendungen für die Ausbildung junger, qualifi zierter Arbeitskräfte für die Region!

Mobilität

Neben Maßnahmen zur Verbesserung und Sicherung der Versorgungslage vor Ort sollte auch die Anbindung an die Kernstädte ausgebaut werden. So kann die Situation der Teilorte durch eine bessere Erreichbarkeit mit ÖPNV oder alternativer Mobilitätsangebote verbessert werden. Problematisch ist hierbei die Finanzierung des ÖPNV im dünn besiedelten Raum. Alternative Lösungsansätze sind vor Ort bereits in Teilen, in Form privat organisierter Mitfahrgelegenheiten, vorhanden. Denkbar wäre zudem ein Kleinbuss-service oder Anruf-Sammeltaxis in genossenschaftlich geführter Form. Mit fi nanzieller Unterstützung der

Siedlungsstrukturelle Maßnahmen

Die Statistiken zur demografi schen Lage der Region prognostizieren weitere Bevölkerungszuwächse. Diese migra-tionsbedingten Zunahmen sind auf Grund der noch zahlreich vorhandenen Baugrundstücke – vor allem in Romsthal und Wahlert – auch mittelfristig anzunehmen. Die attraktive Wohnlage im Huttengrund sowie die räumliche Nähe zur Gesamtstadt Bad Sooden – Salmünster ist im besonderen Maße für Familien mit Kindern anziehend. Sie schätzen die „Ruhe“ auf dem Dorf und nehmen ein Pendeln zur Arbeitsstätte im Tausch für das eigene, individuelle Heim mit hohen Lebensqualitäten in Kauf. Der Megatrend „Demografi scher Wandel“ wird jedoch langfristig durch die einhergehenden strukturellen Veränderungen einwirken.

Durch den Trend zur Überalterung wird zukünftig ein erhöhter Bedarf an einer medizinischen Grundversorgung bestehen. Diese ist bereits heute sehr stark eingeschränkt. Die vermeintliche Mobilität durch das private Kfz erscheint im Hinblick steigender Lebenser-wartungen von mehr als 90 Jahre fragwürdig. Eine Versorgung vor Ort wird daher zukünftig notwendiger als heute wünschenswert. Sie muss

Einfamilienhaus, Eckardroth

Schulbus, Wahlert

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Gemeinde und durch Sponsoring lokaler Unternehmen könnte ein Gemeindebus angeschaff t werden. Arbeitssuchende oder bereits in Ruhestand befi ndliche Bürger, die eventuell sogar eine entsprechende berufl iche Qualifi zierung (P-Schein) haben oder hatten, könnten ehrenamtlich, oder wenn möglich gegen Bezahlung, als Fahrer eintreten. Dies hätte das Potential, die zunehmend älter werdende Bevölkerung durch ihr soziales Engagement zu beschäftigen und ihr eine Perspektive, auch im „Ruhestand“, zu bieten.

Leerstand

Von Leerstand betroff ene Gebäude sollten in einem Leerstandskataster aufgenommen und durch geeignetes Fachpersonal beschrieben und qualifi ziert sowie grafi sch dargestellt werden. Durch eine konsequente Fortschreibung eines solchen Katasters kann die Entwicklung der Leerstände besser beobachtet werden (vgl. Das Baulandkataster, Schmidt-Eichstaedt). Es schaff t die erforderliche Transparenz um Maßnahmen abzustimmen und wirksame Ziele zu entwickeln. Die Ergebnisse müssen in ein kommunales Datenbanksystem eingepfl egt werden. Die Angebote und Möglichkeiten sollten der Öff entlichkeit zugänglich gemacht

werden, um Leerstände und auch unbebaute Grundstücke an Bauwillige und Interessenten zu vermitteln. Beispielhaft auf der gemeindeeigenen Homepage; besser jedoch auf einer regionalen Spessartebene, um die Informationen an möglichst viele Interessenten streuen zu können. Zur Reaktivierung leer stehender Immobilien kann auch das zuständige Bauamt mit Hilfe von kostenlosen off ensiven Beratungen agieren. Oftmals herrscht ein Angstklima vorm Bauen im Bestand. Eine fachliche Aufklärung über die z. B. notwendigen baulichen Maßnahmen, zu stellenden Anträgen oder zu erwartenden Kosten könnte

dem entgegensteuern und Interesse an historischen Immobilien wecken. Die frühzeitige Einbindung des Bezirkskon-servators schaff t hierbei Klarheit über eventuell bestehende Denkmalschutz-aufl agen. Auch eine diesbezügliche Befreiung sollte in Betracht gezogen werden. Auch durch Rückbau denkmal-geschützter Neben- und Wirtschaftsge-bäude in den alten Ortslagen könnten Freiräume hinzugewonnen werden, die den Reiz an einem Bestandsgebäude erhöhen können.Als weiterer Aspekt ist die zunehmende Erbausschlagung in Betracht zu ziehen. Erben scheuen zunehmend Nachlässe von alten sanierungsbedürftigen oder

Hof, Romsthal

Szenarien künftiger Entwicklungen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen122

Selbstversorgergarten, Romsthal

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denkmalgeschützten Gebäuden. Die Gemeinde könnte Eigentum an Boden und Gebäude übernehmen und durch Verkauf des Baugrunds in andere Bereiche reinvestitieren.

Kommunikationsdienste

Der Ausbau des Kommunikationsnetzes mit schnellen Datenleitungen muss voran getrieben werden. Das Internet fungiert zunehmend als Kommunika-tionsportal und der Zugang wird von den heute jüngeren Generationen als Standard gesetzt und gefordert. Es bietet Raum für ortsungebundene Aktivitäten und ist mittlerweile Voraussetzung für den Arbeitsplatz zu Hause - eine Alternative für den überschaubaren Arbeitsmarkt im ländlichen Raum. Es bietet zudem Potentiale, Alternativen von den langfristig fi nanziell nur schwer tragbaren sozialen Infrastrukturen anzubieten. Die Kommunikation mit Fachärzten und Behörden vom eigenen Heim aus, Briefverkehr und Online-Banking, E-Learning oder die Bestellung von Waren; das Internet bietet zahlreiche denkbare Möglichkeiten.

Selbstbestimmtheit im Alter

Auf Grund der stetig steigenden Lebenserwartung nimmt die Bedeutung der Gestaltung des Alltags im Alter deutlich zu. Mit dem Rückzug aus der berufl ichen Beschäftigung und dem Eintritt in den Ruhestand werden zukünftige Generationen noch weitere Jahrzehnte verleben können. Dem-entsprechend steigt die Bedeutung der eigenen Freizeitgestaltung und die Wohnfunktion im eigenen Heim tritt stärker in den Vordergrund.

Freizeit ist eine Lebenszeit, in der wir selbst über unsere Aktivitäten bestimmen können und nicht festgelegt sind durch Verpfl ichtungen und Arbeit für den Lebensunterhalt. Sie ist als Massenphänomen aus dem Wandel der Industriegesellschaft hervorgegangen, und steht im steten Wandel, gekoppelt an gesellschaftliche Ansprüche und neue Orientierungen. Neue kulturelle Veranstaltungen in Museen, Theater, und vielen anderen Bereichen werden Veränderungen in der alltäglichen Freizeitkultur des Wohnumfeldes ergeben. Hier verbringen wir die meiste Zeit. Alterung, Schrumpfung und Inter-nationalisierung prägen und verändern die Kultur vor Ort. Es geht dabei um Teilhabe am kulturellen Leben von unter-

schiedlichen Altersgruppen, ganz aktuell von Jung und Alt. Ebenso ist aber auch eine gerechte Balance von notwendigen Tätigkeiten und Freiräumen für eine individuelle Entfaltung über verschiedene Alterskohorten hinweg ein entscheidendes Zukunftsthema.Mit der Beschreibung der strukturbil-denden Dynamik der Freizeit in der modernen Industriegesellschaft wächst auch das Interesse an der Freizeit von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. „Alter und Freizeit“ wird zu einem Thema, dem es nachzugehen lohnt. Die Freizeit im Alter galt es von einem Stigma zu befreien, dass mit Defi ziten, Benachteiligung und Einschränkungen assoziiert wurde. Aktive Freizeit im Alter musste erst selbstverständlich werden. Die Vorstellung, dass eigentlich kein großer Unterschied im Freizeit-verhalten und bei den Freizeitange-boten gemacht werden muss, ist für viele neu. Alte Menschen wollen und können zunehmend noch viel erleben, möchten etwas Neues erfahren und leistungsfähig sein. Die Gruppe der Älteren diff erenziert sich dabei weiter aus. Sie ist nicht homogen, sie wird zunehmend bunter. Die Erwartungen, Wünsche und Lebensvorstellungen von Senioren und Seniorinnen sind bereits heute so vielseitig wie die der jungen Generationen.

Szenarien künftiger Entwicklungen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen124

Die Erwartung an zukünftige Rentner-generationen ist nicht nach Spanien zu übersiedeln, sondern hier zu bleiben, Lebensqualität für alle mit zu gestalten und das Gemeinwesen zu erhalten. Damit dies auch nach einem langen Berufsleben nicht als ungerechte Zumutung der Gesellschaft empfunden wird, müsste es gekoppelt sein mit Gestaltungsmöglichkeiten, Spielräumen für eigene Interessen und Bedürfnisse sowie einem individuellen Mehrwert im Sinne von Anerkennung und Lebens-zufriedenheit. Die Freizeit der Alten wird nicht nur Erholung und Ausruhen sein können, sondern mehr als heute auch Tätig sein in irgendeiner Weise umfassen. Hier zeichnet sich eine neue Herausforderung für eine gemeinwesen-orientierte Freizeitarbeit ab. Freiwilliges Engagement auf Zeit gilt es zu stützen und Strukturen zu schaff en, die Selbst-bestimmung und Mitgestaltungsmög-lichkeiten eröff nen. (vgl. Altern und Zeit, Meyer; vgl. Stadtquartiere auf Zeit, Peter)

Bereits in den 80er Jahren entstanden als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesell-schaft Modelle für eine Tätigkeitsgesell-schaft. Freiwillige Arbeit in der Freizeit war eine Antwort auf den Sinnverlust durch eine zwangsweise Ausgrenzung aus dem Erwerbsleben. Dies könnte im Zuge des demographischen Wandels noch eine ganz andere Bedeutung bekommen. Viele Strukturen im öff entlichen Sektor, gerade im ländlichen Raum, sind in Zukunft vielleicht nicht mehr zu halten. Aufgrund des Bevölkerungsschwundes gibt es manchmal nicht einmal einen Laden, eine Kneipe oder ein Kulturhaus. Die Untersuchung im Huttengrund kann dies nur belegen. Der Direktvermarkter in Romsthal wird kaum noch genutzt; die Ausbildung an der Schule kann nur bis zum 4. Schuljahr erfolgen und die medizinische Versorgung vor Ort sowie die Anbindung durch ÖPNV ist bereits heute schlecht. Jugendeinrichtungen sind auf gewerblicher Basis nicht mehr tragbar, da der Anteil der jüngeren Bevölkerung weiter abnehmen wird. Die Kommune kann es aufgrund sinkender Steuereinnahmen aber auch nicht übernehmen. Ein Verlust an Freizeitinfra-struktur droht, wenn nicht neue Lösungen unter Einbeziehung von Bürgeraktivi-täten gefunden werden. Ähnlich ließe sich über Kulturangebote, Treff punkte für Jung und Alt oder Denkmalschutz

von historischen Gebäuden sprechen. Tätig sein in der Freizeit in selbstorga-nisierten Strukturen könnte der lokalen Gemeinschaft zu neuem Leben verhelfen. Auch die individuelle Freizeit bekommt einen neuen Sinn. Eigenarbeit, Ehrenamt und Selbstorganisation bekommt einen neuen lebensnotwendigen Charakter, um Lebensqualität und gesellschaftliche Strukturen zu erhalten.

Graben in Romsthal

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125Szenarien künftiger Entwicklungen | Bad Soden-Salmünster / Romsthal, Wahlert, Eckardroth

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen126

Wie sich Hutten als ländlicher Raum zukünftig entwickeln kann, kann sicherlich nur eingeschränkt beurteilt werden. Funktionsverluste und umfangreiche Leerstände kennzeichnen einen potenziellen Verfall Huttens. Neben ehemaligen landwirtschaft-lichen Hofstellen, Gaststätten sowie Infrastruktureinrichtungen stehen auch zunehmend Wohngebäude leer. Die Verödung des Feriendorfs kann den Ortskern beeinträchtigen und fördert eher in negativer Weise die Ökonomie der Gemeinde. Die Identifi kation der

Bewohner mit der Ferienanlage ist hier nicht mehr gegeben. In Folge des negativen Prozesses ergibt sich im gesamten Raum eine mangelhafte städtebauliche Qualität. Zudem sind im Feriengebiet eine Verschlechte-rung der Aufenthaltsräume und eine unbefriedigende ästhetische Gestaltung zu erwarten.

Der Funktionsverlust in Hutten entsteht durch ökonomische und persönliche Gründe, die in den verschiedenen Altersstufen der Bewohner Hutten szu fi nden sind. Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Gemeinde sind kaum vorhanden, wodurch es zu einem Bevölkerungsrückgang durch die Abwanderung in ökonomisch interessantere Gebiete und einer Überalterung in der Gemeinde kommt. Die vorhandenen Arbeitsplätze in der Gastwirtschaft, in der Landwirtschaft und in dem Nachbarschaftsladen „Unser Laden“ werden meist von Generation zu Generation weitergegeben. Daraus ergibt sich, dass man Ausbildungs- und Arbeitsplätze in anderen Orten suchen und annehmen muss. Häufi g muss man dadurch auch seinen Wohnsitz ändern, dieses wiederum bedeutet eine emotionale Veränderung für die betroff enen Personen, da sie häufi g aus einer Gemeinschaft herausgerissen

werden und sich räumlich verändern müssen. Außerdem ist in Hutten kein Treff punkt für die Dorfbewohner vorhanden, den sie als „Informationsbörse“ und „Kommu-nikationsort“ wahrnehmen können. Dieser Verlust triff t alle Bewohner. Wo nichts mehr geblieben ist, in einem Ort, wo man sich zufällig, ohne Aufwand und Planung „über den Weg läuft“, kommt es auch zu sozialer Entfl echtung und schließlich zum Identitätsverlust.Ökonomisch steht die Gemeinde auf einem relativ konstanten Punkt. Die Anzahl der Betriebe hat sich stark verringert, die vorhandenen haben aber einen gesicherten Standort. Außer der Landwirtschaft haben sich in Hutten wegen der geringen Einwohnerzahl, des geringen Einzugsbereiches und der abseitigen Verkehrslage keine größeren gewerblichen Betriebe entwickeln können. Der vorhandene Lebensmittelladen „Unser Laden“ in Hutten wird nicht mehr viel von den Bewohnern aufgesucht bzw. unterstützt, da sich die Versor-gungsfunktion in den Dörfern geändert hat. Die Einkäufe werden in großen, besser sortierten Supermärkten in größeren Gemeinden oder Städten, wie Schlüchtern, getätigt.Außerdem ist die Fremdenverkehrs-entwicklung in Hutten rückläufi g, da

5.2 Schlüchtern / Hutten

Funktionsverlust (Szenario 1)

Schwarzplan

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u.a. das vorhandene Feriendorf seit Jahren nicht mehr im Betrieb ist. Die leer stehenden Häuser verwahrlosen und das gesamte Feriendorf bietet einen unan-gemessenen Anblick. Eine Komplettsanierung könnte den ökonomischen Fortschritt für die Gemeinde bedeuten. Die persönliche wirtschaftliche Lage von Anwohnern der Gemeinde führt zu Leerständen im Ortskern und zu fehlenden oder Teilsanierungen von Gebäuden. Informationen über Förderprogramme könnten diesem stetig vorschreitenden Prozess entgegenwirken und somit das dörfl iche Leben erhalten.Der demographische Wandel trägt ebenso zur Abnahme der Bewohnerzahl bei, wodurch die Anzahl der leer stehenden Wohnungen und Häuser ansteigt. Sollten in der Gemeinde Hutten keine infrastrukturellen Veränderungen stattfi nden, kommt es zu einem Funk-tionsverlust. Der Raum würde für die Bewohner und die Besucher mehr und mehr an Attraktivität verlieren. Wirtschaftliche Verluste entstehen, Häuser und Gehöfte verfallen, Bewohner suchen sich andere Wohnsitze und das gesellschaftliche Leben entwickelt sich nicht weiter.

Der Naturraum, die landwirtschaft-liche Struktur sowie die Nähe zur Stadt Schlüchtern und zum Naturpark Hessischer Spessart bieten in Hutten eine vielfältigen Landschaftsraum. Für die Menschen in Hutten bedeutet dies eine hohe Lebensqualität, die es zu erhalten gilt. Durch beispielhafte Lösungen für Um- und Nachnutzungen von bestehenden Leerständen und architektonisch angemessene Neubauten kann die Identität und Funktionalität des Ortzentrums gesichert werden. Eine Innenentwicklung in der Gemeinde

Hutten könnte die Mobilisierung von Nutzungspotenzial voranbringen, indem die bauliche Verdichtung des Siedlungsraumes gestärkt wird und die Suburbanisierung gebremst wird. Hierzu sollte in Hutten versucht werden, die absehbaren Leerstände durch Sanierungs- und Modernisierungsmaß-nahmen wieder zu reaktivieren. Die Baulücken sollten geschlossen werden, sodass ein besseres und modernes Erscheinungsbild der Gemeinde Hutten zustande kommt. Die Grundversorgung in Hutten ist durch einen Lebensmittelladen „Unser Laden“, der am 5. September 1991 in Betrieb genommen wurde, gewährleistet. Die Versorgung mit Frischwaren (Obst, Gemüse, Milchprodukte, Backwaren etc.) und Zeitschriften, sowie Schreibwaren für den Schulbedarf sind somit abgedeckt. So haben diejenigen, die nicht aktiv am Individualverkehr teilnehmen können, weil sie zu jung, zu alt, zu krank oder zu arm sind, die Möglichkeit ihre notwendigen Bedürfnisse innerhalb des Ortes zu erledigen. Um die Präsenz des Lebensmittella-dens zu erhöhen, sollte eine räumliche Veränderung erfolgen. Der Laden sollte in den bestehenden Leerstand, Rhönstraße 6, der sich im Ortskern befi ndet, einziehen.Die Gründe dafür wären, dass der

Entwicklung des Dorfkerns

(Szenario 2)

Schwarzplan

Szenarien künftiger Entwicklungen | Schlüchtern / Hutten

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen128

Laden gleich neben der vorhandenen Gaststätte stünde und die bestehende Freifl äche neben dem Leerstand als Parkplätze sowohl für die Besucher des Ladens als auch für die Besucher der Gaststätte genutzt werden könnte. Da der Leerstand über 3 Geschosse geht, könnte das Kellergeschoss als Lager, das Erdgeschoss als Verkaufsfl äche und das Obergeschoss eventuell als Wohnsitz genutzt werden. Durch seinen jetzigen Standort im Ortskern würde der Laden mehr Interesse und Zulauf bei den Bewohnern wecken. Der alte Standort des Ladens könnte in ein Einfamilienhaus umgebaut werden. Dieses Haus besitzt eine Garage und einen Vorgarten.Durch eine Befragung der Bewohner Huttens vor Ort (am 14 Juni 2010) hat sich herausgestellt, dass die bestehende Gaststätte wegen der Hundeschule, die sich gleich daneben befi ndet, an Attraktivität verloren hat und nicht mehr so genutzt wird wie früher. Viele Personen haben Angst, fühlen sich gestört durch den Geruch und das Gebell der Hunde. Problemlösung wäre eine Verlegung der Hundeschule in das leer stehende Lager, das sich am Ortsrand befi ndet. Die Bewohner und die Besucher der Gaststätte würden somit in Zukunft nicht mehr gestört. Die Gaststätte würde wieder an Anziehungskraft für Besucher und für Bewohner des Ortes gewinnen.

Ein weiterer Aspekt für die Entwicklung des Dorfkerns ist, dass man in Hutten mehr Freizeitangebote sowohl für Ältere als auch Jüngere schaff en sollte. Hierzu könnte man u.a. den bestehenden Spielplatz modernisieren, vergrößern und das Gesamtkonzept in die Umgestaltung des Dorfkerns mit einbinden. Ziel ist es, den Kindern mehr Spielraum und Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten sowie generationsübergrei-fend Veränderungen anzustreben. Der Dorfplatz, dessen Standort unmittelbar neben dem Kinderspielplatz liegt, könnte in ein Gesamtkonzept zur Umgestaltung des Ortskerns integriert werden. Spiel- und Freizeitmöglichkeiten der Kinder könnten von Erholungspunkten der Senioren umschlossen sein, die Zeit mit der jüngeren Generation verbringen könnten. Ein altersübergreifendes, angeleitetes Gestaltungsprogramm an einem Nachmittag in der Woche könnte genera-tionsübergreifend Gewinn bringen. Der Zusammenhalt der Gesellschaft würde gefördert werden und zu einem Gemein-schaftsgefühl bei tragen, der sozialen Isolation von älteren Menschen würde entgegen gewirkt und die Möglichkeit geben, den kleinen Kindern Kontakte mit verschiedenen Altersschichten knüpfen zu lassen. Für die Senioren könnte man zudem

einmal im Monat ein Treff en im Dorf-gemeinschaftshaus organisieren, bei dem neben der Geselligkeit und dem Austausch von alltäglichen Themen z.B. bei Kaff ee und Kuchen auch von Zeit zu Zeit Themenvorträge stattfi nden, die sich mit Problematiken der Senioren beschäftigen. Ebenso könnte der Dorfplatz ein Treff punkt für die Bewohner des Ortes sein, der als „Informationsbörse“ und „Kommunikationsort“ das soziale und kulturelle Leben in den Dörfern entscheidend prägt. Der gesamte Ortskern müsste ökologisch aufgewertet werden. Ein angemessenes Gestaltungsprogramm zur Begrünung des Ortes und eine ansprechende Umgestaltung durch Bäume und Pfl anzen des Ortes insbesondere des Dorfplatzes tragen maßgeblich hierzu bei. Das bestehende Verkehrsanbindungs-system ist unzureichend ausgebaut. Besorgungen, die über den täglichen Bedarf hinaus gehen, müssen außerhalb des Ortes getätigt werden. Personen, die keinen eigenen PKW haben, sind auf öff entliche Verkehrsmittel oder auf Nachbarschaftshilfe angewiesen. Eine bessere Anbindung in das Verkehrsan-bindungssystems würde die Attraktivität des Ortes verbessern.

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Die Präsenz des Ortes Hutten sollte in der Öff entlichkeit aktiviert werden, um die Vorzüge des Ortes in den Vordergrund zu stellen. Daher wäre ein Internetauf-tritt wünschenswert, da ohne die neuen Medien eine eff ektive Öff entlichkeitsar-beit nicht mehr möglich ist.

Tourismus- und Naherholung

(Szenario 3)

Infolge rückläufi ger Übernachtungs-

zahlen und nachlassender Attraktivität der Häuser im Feriendorf Hutten ging die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus zurück. Seit über 10 Jahren wird das Feriendorf nicht mehr genutzt. Für den Ort Hutten, der landschaftlich im

Schwarzplan

Naturpark Hessischer Spessart liegt und eine vielfältige Landschaft bietet, würde eine Reaktivierung des Feriendorfes einen wirtschaftlichen Aufschwung bedeuten. In diesem Szenario werden Möglichkeiten der Umsetzung bzw. der Reaktivierung des Feriendorfes dargestellt. Grundlage der Umsetzung ist hierfür die im Szenario 2 umgesetzte Entwicklung des Dorfkerns, die parallel zur Sanierung bzw. Modernisierung des Feriendorfes stattfi nden sollte, da nur so die eff ektive Aktivierung des Ortes als Gesamtbild vonstattengeht.Der Dorfkern Hutten steht in vielfältig enger Verfl echtung zu dem Feriendorf. Eine nachhaltige Entwicklung ist jedoch nur dann möglich, wenn ein Konzept angefertigt werden kann, indem der Tourismus langfristig wiederkehrt. Hier stehen u.a. die zielgruppenorien-tierte Angebotsentwicklung mit Natur-erlebnissen und vielfältigen Sportarten, Kulturangebote sowie ein gemeinsames Marketing mit klarer Funktions- und Rollenaufteilung im Vordergrund. Die Umsetzung konkreter Veranstaltungen steht hier vor der eigentlichen Infrastruktur. Eine Initiative und Durchführung von räumlichen Verän-derungsprozessen und deren Planung kann von den Bürgern selbst ergriff en bzw. getragen werden. Damit dauerhaft tragfähige Konzepte entwickelt werden

können, müssen Netzwerke in Form von Eigeninitiativen aufgebaut werden. Denkbar wäre auch eine positive Entwicklung des Feriendorfes unter der Mitwirkung von Investoren.Die Sanierung und die Modernisierung des Feriendorfes müssen konzeptionell sicher geplant und umgesetzt werden. Eingebunden in einem Modernisie-rungskonzept muss die Sanierung der Häuser und des Geländes modernen Ansprüchen von Erholungssuchenden insbesondere von Familien und Vereinen entsprechen, um mögliche Adressaten zielgerichtet ansprechen zu können und deren Bedürfnissen zu entsprechen. Häufi g suchen Personen zielgerichtet einen besonderen Urlaubsort, der neben der Erholung auch kulturelle, sportliche und kulinarische Angebote bereit halten muss. Neben den funktionalen Einrichtungen der Häuser muss das Modernisierungs-konzept ausreichend Freizeit und Entspannungs- bzw. Erholungsmöglich-keiten anbieten. Das Konzept für das Feriendorf soll so aufgebaut sein, dass vielfältige Interessen und unterschiedliche Altersgruppen angesprochen werden. Eine Spiel-, Erholungs- und Freizeitland-schaft dient der groben Orientierung.

Szenarien künftiger Entwicklungen | Schlüchtern / Hutten

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen130

Das Konzept für das Lebensmittelge-

schäft „Unser Laden“

Dieses Konzept kann in die Szenarien zwei und drei miteinfl ießen.

Das Lebensmittelgeschäft „Unser Laden“ befi ndet sich in der Rhönstr. 6, in unmittelbarer Nähe zum Dorfge-meinschaftshaus und wird von sechs Angestellten, selbst Einwohner Huttens, betrieben. Er befi ndet sich in einem Gebäude welches im Jahre 1842 erbaut worden ist. Bei dem Gebäude handelt es sich um das ehemalige Schulgebäude der Gemeinde. Der Nachbarschafts-laden erstreckt sich auf zwei Stockwerke, wobei das obere Geschoss als Wohnraum dient.

Das Angebot deckt zwar die grundsätzlichen Bedürfnisse der Dorfbewohner, allerdings sollte das Angebot an Lebensmitteln erweitert werden. Die Räumlichkeiten des Ladens sind dafür jedoch viel zu beschränkt. So sind die Einkaufsgänge eng und überfüllt, die Fleisch- und Käsetheke wahllos platziert, Regale versperren den Weg zu anderen Verkaufsprodukten. Es sollte genügend Raum gefunden werden, der für die akkurate Aufteilung der Lebensmittel genutzt werden kann. Des Weiteren wird momentan

„Unser Laden“

eine Garage als Lager genutzt. Für eine optimale Sortimenterweite-rung muss ein ebenso ausreichender Lagerraum gefunden werden. Bei einer entsprechenden Vergrößerung des Ladens ist eine verbesserte Parkraumsitu-ation notwendig, auch hier muss Abhilfe geleistet werden, um motorisierten Kunden einen angenehmen Einkauf bieten zu können.

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Breites Sortiment

Obst- und Gemüsebereich

Konzept- „Unser Laden“ zieht um!Bei einer entsprechenden Vergrößerung des Ladens muss gewährleistet werden, dass es sich um eine erwünschte

Veränderung der Bewohner handelt. Die Kunden sind auch hier König und sollen bei der Wahl des Standortes aber auch bei der Sortimentauswahl Mitspracherecht bekommen. Es muss Öff entlichkeitsar-beit geleistet werden, um den Aufbau des neuen Konzepts zu unterstützen.

Eine Plattform bietet eine rege Diskussion zu den positiven und negativen Aspekten des Ladens und verspricht ein neuorientiertes und zukunftswei-sendes Konzept. In den Gesprächen können außerdem das Dienstleistungs-angebot, die Öff nungszeiten und das Sortimentauswahl diskutiert werden. Bei der Kartierung in Hutten hat sich gezeigt, dass im Ortskern das Gebäude an der Rhönstraße 6 leer steht. Dieses Gebäude bietet auf den ersten Blick eine optimale Lage und Größe. In dem großen Gebäude, welches sich auf zwei Ebenen erstreckt, könnte ein vielfältiges Angebot geschaff en werden. Außerdem bietet der anliegende Freiraum genug Platz für Kundenparkplätze. Ein kleiner Anbau im hinteren Bereich kann als Lager fungieren.Da sich jedoch gegenüber der neuen Räumlichkeit eine Hundeschule befi ndet und nach einigen Aussagen der Bewohner sie sich von dem entstehenden Lärm gestört fühlen, sollte die Hundeschule aus der Ortsmitte verlegt werden. Der Ortskern wird durch eine enganliegende Infrastruktur, wie zum Beispiel Gastronomie und Lebensmit-telhandel gewährleistet, wodurch der Ortskern belebt und attraktiver wird.

Was passiert nach dem Umzug von „Unser Laden“?Der künftige Laden war früher eine Wohnung. Nach Umbau und Abriss vieler Wände wurde im Inneren Platz geschaff en, um dort ihre Produkte anzubieten. Im oberen Geschoss befi ndet sich weiterhin eine Wohnung, die bewohnt wird. Nach dem Umzug kann der frei gestaltbare Raum in eine schöne Wohnung ausgebaut werden. Auch die Garage kann wieder ihre entsprechende Funktion einnehmen.

Wo kommt die Hundeschule hin?Die Hundeschule fi ndet ihren Platz nicht mehr im Ortskern sondern am Ortsrand. So sinkt der Lärmpegel. Die Kartierung hat gezeigt, dass sich ein Leerstand an der Rückerser Straße 2 gut für die Hundeschule eignet. Sie bietet im vorderen Bereich viel Platz und Grünfl äche für den Auslauf der Hunde. Das Training der Hunde kann nun dort stattfi nden, ohne die Gastronomie und die Bewohnern zu stören.

Was wird im neuen „Unser Laden“ angeboten?Die neuen Räumlichkeiten bieten viel Platz, um weitere Produkte und Dienst-leistungen anzubieten. Nach Umfragen wurden Produkte ermittelt, die nicht in „Unser Laden“ angeboten wurden. Da

Szenarien künftiger Entwicklungen | Schlüchtern / Hutten

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durch kann die Produktpalette erweitert werden, wodurch verhindert wird, dass potenzielle Kunden nach Schlüchtern fahren müssen.Die Gänge im Laden und die Produkte werden so angeboten, dass sich jeder Kunde wohl fühlen kann.Der Umsatz steigt, die Nachfrage wird größer, dadurch können weitere Arbeitsplätze geschaff en werden.Auch im Bereich Dienstleistungen kann etwas getan werden. In Hutten gibt es keine Poststelle und keine Bank. Eine Bäckerei wird in Hutten ebenfalls vergebens gesucht. All diese Dienst-leistungen kann man in „Unser Laden“ integrieren, sodass er sich zu einer multi-funktionalen Räumlichkeit entwickelt.Ein Bankterminal kann mit Absprache einer Bank errichtet werden, an deren Automaten die Bewohner ihre Überweisungen und Kontoauszüge erledigen können. An der Kasse des Ladens sollte auch EC-Cash angeboten werden. So wäre die Fahrt nach Schlüchtern wegen der Bank erspart.

Deckt der Laden die Bedürfnisse der Bewohner ab? Hierfür wurden drei Plakate ausgehängt, in denen die Bewohner bzw. die Kunden von „Unser Laden“, die Gelegenheit bekamen, sich dazu zu äußern. Diese wurden in dem Laden aufgehängt und nach einer Woche an uns zugesendet. Es sollte in der Kategorie „Deckt „Unser Laden“ ihre Bedürfnisse ab?“, mit ja oder nein geantwortet werden. Zudem sollten die Kunden Vorschläge bzw. Kritik äußern. Leider war die Teilnahme sehr schwach. Es wurde nur ein Bogen ausgefüllt. Lediglich sieben Personen haben sich positiv zum Laden geäußert und fühlen sich durch ihn ausreichend versorgt. Wohingegen keine negative Nennungen verzeichnet wurden. Der Laden wurde als „wichtig“ bezeichnet und eine andere Person gab an, „überaus zufrieden“ mit dem Personal zu sein.

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133Szenarien künftiger Entwicklungen | Schlüchtern / Hutten

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen134

Dorfbildes wird sich auch negativ auf das „Kamelstübchen“ auswirken. Obwohl die Zahl der Kunden momentan zunimmt und es bereits einige Stammkunden gibt, ist es für einen kleinen Betrieb in dieser Lage schwer zu bestehen. Für Neukunden zählt der erste Eindruck, auch der der Umgebung. Dieser ist derzeit geprägt durch marode Wirtschaftsgebäude, zum Teil sanierungsbedürftige Fassaden der Wohnhäuser und die sich in schlechtem Zustand befi ndende Straße. Doch nicht nur das Dorf, sondern auch das „Kamelstübchen“ selbst muss sich optisch wandeln, um attraktiv zu bleiben. Zwar ist der Gastronomie-bereich ansprechend gestaltet, aber befi ndet sich auf der rückwärtigen Seite des Gebäudes. Die Vorderseite macht durch wilde Bepfl anzung und kaputte Zäune keinen guten Eindruck. Für das Café und den Reitbetrieb ist zu vermuten, dass sie nur dann bestehen können, wenn ein Ausbau sowie eine Umgestaltung des Geländes erfolgen und das Angebot erweitert wird. Zudem muss ein besseres Marketing betrieben werden. So kann das „Kamelstübchen „sowohl seinen Kundenkreis als auch seinen Einzugsbereich vergrößern.Der Zustand der Straße ist nicht nur optisch ein Problem. Für PKW und land-wirtschaftliche Maschinen stellt er eine hohe Belastung dar, so dass die Fahrzeuge

ein zunehmender Leerstand und auf lange Sicht ein fortschreitender Verfall der Bausubstanz zu erwarten.In den vergangenen 20 Jahren wurden über die Hälfte der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe im Ort aufgegeben. Aus diesem Grund stehen viele Wirt-schaftsgebäude leer. Eine Instandhaltung oder Sanierung ist für die Besitzer nicht mehr rentabel, aber auch der Abriss verursacht hohe Kosten. Die Gebäude werden daher einfach sich selbst überlassen und verkommen immer mehr. Die Attraktivität des Dorfes sinkt, was sich wiederum negativ auf das Finden von Kaufi nteressenten für die Wohngebäude auswirken wird. Langfristig gesehen können die zerfallenden Gebäude auch eine Gefahr darstellen, wenn lose Ziegel oder Holzteile auf die Straße fallen.Die abnehmende Attraktivität des

5.3 Steinau an der Straße / Neustall

Szenario – Status Quo

Neustall ist negativ vom demografi schen Wandel betroff en. Wie in vielen Orten sind wenig Arbeitsmöglichkeiten und Ausbildungsplätze vorhanden, so dass junge Menschen oft keine Perspektive sehen und den ländlichen Raum verlassen. Dadurch nimmt zum einen die Bevölkerung insgesamt ab, zum anderen wird das Durchschnittsalter voraussichtlich ansteigen. Die älteren Generation bleibt meistens im Dorf wohnen, da sie sehr ortsverbunden ist und im eigenen Haus bleiben möchte. Für viele wird es mit zunehmendem Alter aber immer schwieriger, sich um das Haus zu kümmern, so dass die Instandhaltung des Gebäudes nicht mehr gewährleistet werden kann. Die Kinder, die das Dorf in der Jugend verlassen, kommen selten zurück und können so nicht ihre Eltern und deren Haus betreuen. Auch wird es immer unwahrscheinlicher, dass sie die Häuser oder auch Höfe weiterführen. Da es zudem nur wenige externe Kaufi nter-essenten gibt, ist für die Zukunft fraglich, ob sich jemand fi nden wird, die Gebäude zu übernehmen. Obwohl derzeit noch alle Wohngebäude genutzt werden, ist daher für die Zukunft

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auf Dauer Schaden nehmen. Zusätzlich sind die Landwirte gezwungen, besonders langsam zu fahren, was zu einem Verlust an Arbeitszeit führt. Wird die Straße nicht saniert, werden sich die Straßenschäden verschlimmern und so auch die Fahrbedingungen.Obwohl das Dorf traditionell durch die Landwirtschaft geprägt ist, wird es für die Landwirte immer schwieriger ihre Betriebe zu halten. Dies zeigt schon die Entwicklung der letzten 20 Jahre. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Betriebe sind alle, wie für den Spessart typisch, auf Milchviehhaltung spezialisiert. Die Milchpreise sind aber in letzter Zeit immer weiter gesunken und so ist diese Betriebsausrichtung zunehmend unrentabler. Eine Umorientierung des Betriebes ist aber nur schwer oder gar nicht umsetzbar. Der Anbau

von Biomasse für eine Biogasanlage wäre eine Möglichkeit, doch sind die anfänglichen Investitionskosten trotz Förderung für eine solche Anlage sehr hoch. Auch ist der Anbau von Biomasse sehr fl ächenintensiv und lässt sich parallel zur Milchviehhaltung mit gleich bleibender Flächengröße des Betriebes nicht vereinbaren. Diese müsste dann komplett aufgegeben werden. Vor knapp drei Jahrzehnten hielten die Landwirte noch Schlachtvieh, doch wegen zu vieler Aufl agen musste der nächstgelegene Schlachter schließen. So konnten die Landwirte ihr Vieh nicht mehr vermarkten und mussten sich letztlich umorientieren. Bis heute gibt es keinen Schlachthof in der Nähe und der Transport zu weiter entfernten Betrieben ist teuer und eine Strapaze für die Tiere. Auch Hausschlachtungen sind mit etlichen Aufl agen verbunden und die Einrichtung der Schlacht- und Lagerräume birgt hohe Kosten. So ist eine Wiederaufnahme dieser Betriebs-ausrichtung nicht möglich.Um die Betriebe dennoch rentabler zu machen, wäre eine Vergrößerung nötig. In der Umgebung werden aber alle Flächen bewirtschaftet, so dass es für eine Ausweitung der Betriebe keinen Raum gibt.Ein großes Problem für die Landwirte ist aber nicht nur die wirtschaftliche Lage

ihrer Höfe, sondern auch die fragliche Hofnachfolge. Durch die geringer werdenden Gewinne sowie zeitintensive und körperlich anstrengende Arbeit sind die Kinder der Landwirte oft nicht bereit, den Hof zu übernehmen. Aber auch andere Interessenten gibt es kaum, da diese Höfe mit einer größeren Betriebsfl äche bevorzugen. So ist wahrscheinlich, dass sich der Trend der letzten 20 Jahre fortsetzt und noch mehr Landwirte ihre Höfe aufgeben müssen. Dies fördert wiederum den Leerstand im Dorf und den Verfall des Dorfbildes. Die einzige positive Entwicklung von Betriebsaufgaben ist, dass Flächen zur Verpachtung frei werden und sich dadurch die wenigen übrigen Höfe etwas vergrößern können. So haben wenigstens einige der Betriebe eine Chance, bestehen zu bleiben und auch

Szenarien künftiger Entwicklungen | Steinau an der Straße / Neustall

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen136

in Zukunft rentabel Gewinne zu erarbeiten.Die negativen Entwicklungen werden wahrscheinlich das Hauptdorf am stärksten betreff en, da hier die meisten Landwirte und alteingesessenen Bürger wohnen. In Ober- und Unterulrichsberg sind vor allem die landwirtschaftlichen Betriebe betroff en. Die übrigen Häuser sind relativ neu oder saniert und daher zunächst nicht gefährdet. Die holz-verarbeitenden Betriebe werden sich vermutlich länger halten können als die landwirtschaftlichen. Die Siedlung wird am wenigsten betroff en sein, da es hier nur freistehende Wohnhäuser gibt und diese eher einen Käufer fi nden als ein ganzes Gehöft.

Szenario – behutsamer Rückbau

Kurzfristig

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe wird sich voraussichtlich verringern. Werden Höfe aufgegeben, ist anzustreben, die frei werdenden Äcker und Wiesen in erster Linie an Landwirte aus der Umgebung zu verkaufen oder zu verpachten, anstatt den gesamten Betrieb an einen neuen Landwirt zu übergeben. Auf diese Weise wird dem Flächenmangel der noch ansässigen Landwirte entgegengewirkt und die landwirtschaftlichen Flächen weiterhin

bewirtschaftet. Eine schnelle Weitergabe der Flächen garantiert eine Off enhaltung der Kulturlandschaft.Wie bereits in Szenario 1 beschrieben, ist durch Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung ein zunehmender Leerstand zu erwarten. Damit dieser das Dorfbild nicht unnötig belastet, soll der Abriss dieser Gebäude, vor allem der der leerstehenden Wirtschaftsge-bäude, subventioniert werden. Derzeit wird von den Besitzern auf einen Abriss verzichtet, da er sehr kostenintensiv ist. Ein anderer Grund ist, dass bei Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes und dessen Gebäuden das Grundstück zu Wohnfl äche umgeschrieben werden könnte und sich die Grundsteuer um mehrere hundert Euro erhöhen kann. Um einen zusätzlichen Anreiz zum Abriss zu schaff en, sollte die Gemeinde anbieten,

freie Grundstücke anders zu versteuern. Die Kamelfarm wird in nächster Zeit ihren Kundenkreis wahrscheinlich erweitern können und vom Rückbau nur bedingt beeinfl usst werden. Der Abriss wird vor allem positive Auswirkungen haben, da der verfallene Eindruck des Dorfes weicht. Mit zunehmendem Alter wird das Leben im Dorf immer beschwerlicher, da sich die Versorgung ohne fremde Hilfe schwierig gestaltet. Kann zunächst noch eine Nachbarin oder ggf. eine nahe Verwandte bei täglichen Besorgungen oder bei der Haushaltsführung helfen, wird dies langfristig immer problematischer. Nach und nach entstehen immer mehr Kosten beispielsweise für einen ambulanten Pfl egedienst oder eine Haushaltshilfe. Zwangsläufi g kommt ein Punkt, an dem das Wohnen im eigenen Haus nicht mehr funktioniert und es notwendig wird, in eine altengerechtere Umgebung zu ziehen. Doch gerade dies ist eine schwere Entscheidung, da die ältere Generation durch das jahrelange Wohnen im Ort stark an das Dorf und dessen Bewohner gebunden ist. Wichtig ist, den Aufwand des Wohnortwechsels bestmöglich zu minimieren und so die Entscheidung zu erleichtern. Eine Maßnahme ist das Altenwohnen in den nahe gelegenen Städten Steinau an der Straße und Schlüchtern zu fördern. Hilfreich ist

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Infrastruktur abgebaut werden und die Gemeinde ihre Ausgaben, insbesondere die für Straßen und Kanalisation, minimieren.Die Fläche des ehemaligen Dorfes kann so der Natur zurückgeführt werden. Zum einen ist eine Nutzung dieser Flächen durch Landwirte als Äcker und Grünland denkbar, zum anderen können diese in das bestehende Netz aus Schutzgebieten, Natura-2000-Flächen und / oder FFH-Habitat eingegliedert werden.

übrigen Bewohner umgelegt. An diesem Punkt sollte von der Gemeinde angedacht werden, die zusätzlich anfallenden Kosten für technische Infrastruktur zu übernehmen oder zumindest auf kosten-günstigere Varianten umzusteigen. Nach Aufgabe einiger landwirtschaft-licher Betriebe werden Flächen zur Bewirtschaftung frei. Sollten für diese Flächen keine Pächter bzw. Käufer zu fi nden sein, kann die Gemeinde auch zu der Möglichkeit greifen, diese Flächen aufzukaufen und ggf. an Landschafts-pfl eger zu übergeben. Da auch im Dorf immer mehr Grundstücke frei werden, ist es sinnvoll, diese brachliegenden Flächen, die zum Teil bereits an landwirt-schaftliche Flächen grenzen, ebenfalls an diese anzuschließen oder sie durch einen Landschaftspfl eger zu betreuen.

Langfristig

Insbesondere das Hauptdorf wird von Schrumpfung betroff en sein, da in diesem Siedlungsbereich die meisten landwirtschaftlichen oder ehemals land-wirtschaftlichen Betriebe vorhanden sind und hier viele Rentner wohnen. Es ist daher auf lange Sicht anzustreben, diesen Siedlungsbereich nach und nach rückzubauen und die Flächen in Gemeindebesitz zu bringen. Auf diese Weise kann nach dem Fortgehen der Bewohner auch die technische

auch die Vermittlung von Umzugs-unternehmen und die Betreuung des Umzugs, um eine Haushaltsaufl ösung auch ohne die eigenen Nachkommen durchführen zu können. So verlassen die „pfl egedürftigen“ Menschen zwar ihr Zuhause, aber nicht ihre Heimat.

Mittelfristig

Das Dorf ist immer mehr von Schrumpfung betroff en. Viele ältere Bewohner sind inzwischen verstorben oder in eine altengerechte Umgebung gezogen, ohne dass ihre Nachfahren den Hof bzw. das Wohnhaus übernommen haben oder pfl egen. Durch den Wegfall dieser Bewohner wird das kommunale Abwassersystem und andere technische Infrastruktur von immer weniger Haushalten genutzt. Die dadurch steigenden Kosten werden auf die

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struktur abgebaut werden und dieeinde ihre Ausgaben insbesondere

Szenarien künftiger Entwicklungen | Steinau an der Straße / Neustall

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Allgemein

Unterulrichsberg ist bis auf die beiden Gehöfte als baulich jüngerer Teil Neustalls von negativen Entwicklungen weniger betroff en. Durch die neue Bausubstanz lassen sich eher Käufer fi nden als in den anderen Teilen. Das gleiche gilt für Oberulrichsberg. Zwar wäre eine Option, zuerst Oberulrichsberg rückzubauen, um das Dorf und die Infrastruktur räumlich zu konzentrieren, jedoch entspricht dies nicht der zu erwartenden Entwicklung.Der Rückbau des Hauptdorfes scheint am sinnvollsten, denn gerade die Gebäude mit alter Bausubstanz sind schwieriger zu vermarkten und kostenintensiv in ihrer Unterhaltung. Zudem sind gerade hier die meisten leerstehende Wirtschaftsge-bäude zu fi nden, die zusätzliche Unter-haltungskosten erfordern.Die kleinen nicht landwirtschaftli-chen Betriebe werden voraussichtlich bis zur Rente der derzeitigen Besitzer weiterlaufen, eine Übernahme durch nicht Familien- oder Betriebsinterne ist jedoch fraglich. Eine Ansiedlung neuer Betriebe ist unwahrscheinlich.

Szenario – Stabilisierung

Kurzfristig

Die Straßen in Neustall sind zum Teil in einem sehr schlechten Zustand. Vor allem die durch das Hauptdorf

und nach Oberulrichsberg führenden Straßen sind stark sanierungsbedürftig. So sinkt zum einen die Attraktivität des Dorfes, zum anderen nehmen Pkws und landwirtschaftliche Maschinen auf Dauer Schaden. Da der Eigenanteil zur Ausbesserung der Straßen für die Anwohner kaum aufzubringen ist, ist noch keine bauliche Maßnahme durchgeführt worden. Dies kann sich nur ändern, wenn die Gemeinde diese Eigenanteile kürzt und so selbst einen größeren fi nanziellen Beitrag übernimmt. Mit einer gut ausgebauten Straße wird das Dorfbild verbessert und letztlich auch die Wohnzufriedenheit der Bewohner gesteigert werden. Zudem könnte durch diesen Anreiz die Motivation entstehen, seinen eigenen Besitz zu verschönern und regelmäßig zu pfl egen sowie sich in Eigenleistung für weitere

Maßnahmen und Verbesserungen im Dorf zu engagieren. Diese Motivation ist wichtig, um langfristig das Dorfbild zu erhalten und die Wohnzufriedenheit zu verbessern. Letztlich können dadurch auch Wohninteressenten vom Zuzug überzeugt werden und eine attraktive touristische Atmosphäre für Besucher des Kamelstübchens geschaff en werden. Das „Kamelstübchen“ ist ein überregionales Aushängeschild für Neustall. Zum einen kommen durch dieses Besucher nach Neustall, zum anderen stellt es einen der wenigen nicht privaten Aufenthaltsorte im Dorf dar. Um diese Funktion zu stärken und den Bekanntheitsgrad des Kamelstübchens zu fördern, sollte eine stärkere Werbung erfolgen. Derzeit besteht diese lediglich aus Aushängen im Tourismusbüro der Stadt Steinau an der Straße sowie der eigenen Website im Internet. Stattdessen sollte ein Marketingkonzept erarbeitet werden, zu welchem neben Flyern und Plakaten auch ein attraktives und auff älligeres Hinweisschild an der Landesstraße gehört.Um das touristische Angebot zu ergänzen, wäre es sinnvoll, Neustall an das vorhandene Rad- und Wanderwegenetz anzuschließen. Dieses würde ein Erleben der direkt angrenzenden Landschafts-schutzgebiete ermöglichen. Denkbar ist auch, dass in Uerzell in einem der

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beiden Schreinereien) wäre hierbei wünschenswert. Neuversiegelungen und die Ausdehnung des Dorfes sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Besteht der Bedarf nach neuem Bauland, sollten daher vor allem die Baulücke im Hauptdorf, die neu entstehenden Lücken durch abgerissene Wirtschaftsgebäude und die großfl ächige Wiese in der Mitte Oberulrichsbergs genutzt werden. Auf eine weitere Ausweisung von Bauland ist grundsätzlich zu verzichten, vor allem da auch in Uerzell das neue Wohngebiet „Herrnwiese“ entsteht.Der älteren Generationen sollte ermöglicht werden, weiterhin in ihrer Heimat leben zu bleiben. So könnte beispielsweise eine „Senioren-Wohn-gemeinschaft“ entstehen, die sich gegenseitig unterstützt und Gesellschaft leistet.

wieder rentabel zu bewirtschaften. Die Gemeinde sollte an dieser Stelle unterstützend eingreifen und den Umbau oder die Modernisierung des Betriebes subventionieren. Dadurch wären beispielsweise der Anbau von Bioprodukten oder Biomasse möglich. Um auch die Möglichkeit der Schlacht-viehhaltung wieder herzustellen, wäre denkbar, einen mobilen Schlachthof einzuführen. Mit diesen vielfältigen Möglichkeiten der Betriebsausrichtung können landwirtschaftliche Betriebe auf Dauer als ein Teil Neustalls bestehen bleiben.Leerstehende und verfallende Wirt-schaftsgebäude bereits aufgegebener Höfe belasten unnötig das Dorfbild, sodass hier ein Abriss geprüft werden muss. Da ein Abriss Kosten für den Besitzer bedeuten, sollte auch an dieser Stelle eine Subventionierung der Abrisskosten oder eine Grundsteuervergünstigung erfolgen. Es sollte hierbei eine Aufl age geben, Teile des hierdurch gesparten Geldes in die Pfl ege des Grundstücks und die übrige Bausubstanz fl ießen zu lassen. So wird gleich von mehreren Seiten das Dorfbild verschönert.Bei Neubauten oder Umbauten vorhandener Gebäude sollte darauf geachtet werden, dass diese der Erhaltung des Dorfbildes dienen. Die Unterstützung von lokalen Bauunternehmen (wie die

Gasthöfe ein oder zwei Fremdenzimmer eingerichtet werden, sodass hier eine Station für Wanderer entsteht.

Mittelfristig

Der dörfl iche Charakter Neustalls wird stark durch die landwirtschaftlichen Betriebe geprägt. Weitere Betriebsauf-gaben müssen daher nach Möglichkeit verhindert werden. Problematisch ist vor allem die Übernahme der Höfe durch Hoferben oder Pächter. Diesen ist oft der fi nanzielle Aufwand zu hoch und das Leben eines Landwirtes scheint ihnen nicht attraktiv. Häufi g kommt es gerade zwischen „Jungbauern“ und „Altbauern“ zu großen Meinungsverschiedenheiten, was die Führung und Orientierung des Hofes angeht. Doch gerade moderne Einsatzmittel und Maschinen erlauben es dem „Jungbauern“, einen Hof

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Langfristig

Sollten sich Interessenten fi nden, ein leerstehendes Wirtschaftsgebäude umzunutzen, ist dies einem Abriss vorzuziehen und ebenfalls von Seiten der Gemeinde zu unterstützen. Denkbar wäre hierbei z.B. der Umbau einer Scheune zu einem Wohnhaus. Eine weitere Möglichkeit ist die Einrichtung eines Heuhotels. Dieses könnte das derzeitige Angebot des Kamelstübchens ergänzen oder auch eigenständig funktionieren. Möglich wäre auch, dieses im Rahmen des „Bauernhof- und Landurlaub in Hessen e.V.“ aufzubauen. Zwar ist für ein solches Unternehmen viel Zeit und ein kinder- und familienge-rechter Hof nötig, würde aber Neustall in seiner Entwicklung positiv beeinfl ussen.

Allgemein

Baulücken, attraktive leerstehende Wirt-schaftsgebäude und leerstehenden Wohngebäude können in einem Internetportal vermarktet werden, wie es in Sinntal schon in Ansätzen der Fall ist. Für Neustall allein lohnt sich keine eigene Vermarktung. Daher bietet sich ein regionales Portal an, in dem alle kleineren Dörfer und Städte zusammengefasst werden können. Dieses würde auch die Handhabung und die Wartung vereinfachen.Die geplante Qualitätsmarke

„Grünlandprojekt Spessart - Da ist draußen drinnen“ vom hessischen Bauernverband (in Kooperation mit dem bayrischen Verband) wird bei den ansässigen Landwirten auf Interesse stoßen. Neben dieser Marke gibt es allerdings andere attraktive Angebote auch auf überregionaler Ebene, wie beispielsweise das vom Bundesverband deutscher Milchviehhalter eingeführte Produkt „faire Milch“. Inwieweit Landwirte sich bei diesem Projekt beteiligen werden, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab – hierbei spielt der Milchpreis die entscheidende Rolle. Durch den Verzicht auf Qualitätskriterien beim Grünlandprojekt Spessart können zwar mehr Landwirte in das Projekt aufgenommen werden, allerdings wird die Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Verkäufl ichkeit des Produktes dadurch gering sein. Da heutzutage immer mehr Käufer, vor allem Städter, auf Qualitätskriterien wie biologischen Anbau achten, ist die Herkunft aus dem Spessart nicht Grund genug zum Kauf.

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141Szenarien künftiger Entwicklungen | Steinau an der Straße / Neustall

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5.4 Sinntal / Sterbfritz

SZENARIEN KÜNFTIGER ENTWICKLUNG

„Nullszenario“

Die Entwicklungen des Ortes sind nicht sicher vorauszusagen. Dieses Szenario soll anhand der wahrschein-lichen Entwicklung des Ortes, im Falle des Ausbleibens jeglicher Eingriff e, die Problem- und Handlungsfelder aufzeigen.

Da die Standortgarantie des Faurecia Werks aktuell nur bis 2012 ausgesprochen

wurde, muss langfristig weiterhin mit einer Schließung gerechnet werden. In diesem Fall muss die Gemeinde erhebliche Einbußen der Gewerbesteuer hinnehmen, was einen geringeren fi nanziellen Spielraum der Kommune mit sich bringt. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass ein Großteil der zur Zeit bei der Faurecia beschäftigten entweder auf längere Sicht arbeitslos wird, oder für einen neuen Job aus Sterbfritz wegziehen muss.

Durch die Wegzüge entsteht weiterer Leerstand, der ohne eine Attraktivitäts-steigerung des Ortes durch Zuzüge nicht aufzufangen sein wird. Verstärkt werden wird diese Entwicklung zum einen durch die allgemeine demografi sche Entwicklung, zum anderen durch die schwindenden berufl ichen Perspektiven für ortsansässige Schulabgänger, die diese dazu zwingt, in strukturstärkere Gegenden umzuziehen, um Arbeit oder eine Ausbildung zu fi nden. Geht diese Gruppe der jungen Erwachsenen verloren, verringert sich damit auch die Anzahl von Familien-gründungen und somit die der Kinder.

Schon jetzt ist abzusehen, dass die Hauptschule im Ort in den nächsten Jahren schließen wird, was dazu führt,

dass auch diese Schüler nach Schlüchtern ausweichen müssen. Dadurch verringert sich die Bindung der Jugendlichen zum Ort noch weiter, da die Schule als großer sozialer Bezugspunkt dient.

Die aktuell noch hohe Attraktivität des Ortes für ältere Bewohner wird sich in der Folge aufl ösen, wenn durch die Abwanderung die Wirtschaftlichkeit für die zahlreichen Versorgungseinrich-tungen nicht mehr gegeben ist und diese sich auf den nächstgrößeren Ort mit Zentrenfunktionen konzentrieren.

So entsteht ein Kreislauf, in dessen Folge das Angebot an Arbeits- und Ausbil-

Eingangsbereich Faurecia Werk

Leerstand in der Kurt-Schumacher-Straße

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Pfl ege schaff t somit eine gewisse Anzahl von Arbeitsplätzen.

Der Ort und die Gemeinde dürfen sich nicht auf einen Bevölkerungszuwachs in den nächsten Jahren verlassen. Sie müssen eher mit einem Rückgang der Bevölkerung rechnen, und den damit verbundenen sozialen und infrastruktu-rellen Auswirkungen begegnen.

Bei einer sinkenden Einwohnerzahl stellen sich früher oder später die Frage, wie man zum Beispiel mit dem anfallenden Leerstand umgehen soll. Bei einer solchen Entwicklung kann der anfallende Leerstand evtl. auf der einen Seite für gemeinschaftliche und auf der anderen für Fortbildungszwecke

dungsplätzen sowie Versorgungseinrich-tungen und die Anzahl der (besonders jungen) Einwohner sinkt während in Wechselwirkung der Leerstand und Verfall steigt.

Szenario „Ältere Generationen in

Sterbfritz“

Der Demographische Wandel ist in fast allen Teilen Deutschlands deutlich spürbar. Besonders die ländlichen Regionen sind davon sehr stark betroff en. Die Gemeinde Sinntal, insbesondere der Ort Sterbfritz, gilt in diesem Szenario als Modellkommune wie man zukünftig mit einer solchen sozialen Veränderung

umzugehen hat.Das neue Pfl egezentrum, welches im Herbst 2011 in Sterbfritz eröff net wird, bildet hierbei den Ausgangspunkt. Mit 60 Pfl egeplätzen, Rettungswache, Cafeteria, Beratungsstellen und einem Bürger-Service Point ist das Pfl egezentrum beinahe einmalig in Hessen. Mit dem neuen Pfl egezentrum wird eine hervorragende Versorgung in mehreren Bereichen garantiert, die Sterbfritz zu einem attraktiven Standort machen könnten. Es spiegelt die ersten Reaktionen der Gemeinde wieder sich dem neuen Lebens- und Strukturwandel anzupassen. Dieser Wandel soll an dieser Stelle fortgeführt werden. Deshalb beschäftigt sich dieses Szenario mit dem Ausbau weiterer Beschäftigungs- und Versor-gungsanlagen speziell für Senioren.

Zum größten Teil werden in etwa 30 Jahren Menschen im Alter zwischen 60 und 90 Jahren in Sterbfritz wohnen, wovon viele im Alltag Hilfe benötigen werden. Nicht alle dieser Menschen können in dem Pfl egezentrum unterkommen. Deswegen bildet dieser Fakt eine optimale Grundlage, dass sich an dieser Stelle private Pfl ege und Versorgungsdienste etablieren. Junge Menschen könnten hier in ihr Berufsleben starten. Die Versorgung und

Zukünftiges Gesundheits- und Pfl egezentrum

3D Modell des zukünftigen Pfl egezentrums

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Sterbfritz

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genutzt werden. Eine leerstehende Schule im Norden von Sterbfritze kann unter Umständen in Zusammenhang mit dem Pfl egezentrum als Aus- und Fort-bildungscenter genutzt werden. Dieser Aspekt würde auch Anreize schaff en das jüngere Leute die Gemeinde nicht sofort nach Beendigung der schulischen Ausbildung verlassen.Der starke Bezug und die Nähe zum landschaftlichen Raum unterstützen dieses Szenario. Die Region Spessart bietet eine hohe natürliche Vielfalt in der es sich anbietet Wanderungen oder Spaziergänge zu unternehmen. Ein Ziel dabei ist der Ausbau und die bessere

Vermarktung der Rad- und Wanderwege in der Region. Bei einer intensiveren Nutzung der Wege könnten Leerstands-gebäude als Fahrrad- und Wanderhotels, bzw. Pensionen genutzt werden.

Durch die ruhige Lage und den nahen Bezug zum landschaftlichen Raum kann ein angenehmes Wohnen ohne Störungen gewährleistet werden. Egal wie es kommt und was passiert, die Gemeinde Sinntal muss sich auf eine Umstellung ihres bisherigen alltäglichen Lebens einstellen. Die Anwohner müssen diesen Strukturwandel akzeptieren und versuchen mit ihm zu arbeiten.

Nur so kann eine positive Entwicklung der ländlichen Räume in Deutschland gesichert werden.

Szenario „Raum für die Jugend“

Die Jugendlichen in Sterbfritz haben keine Räumlichkeiten, die sie für sich beanspruchen können. So gibt es keinen überdachten Ort, wo sie sich treff en und zurückziehen können. Laut der Tochter des Ortsvorstehers Christoph Kremer treff en sich Jugendliche am Bahnhof oder an der „alten Post“ und vertreiben sich die Zeit im Freien.

Das Szenario sieht mehrere Anpassungen im Ort vor, die den Jugendlichen einen Ort für sich geben. Dabei werden den Jugendlichen auch bestimmte Aufgaben übertragen. Bei der Planung und Ausführung sollen die Jugendlichen ihre Wünsche und Ideen mit einbringen können, um eine starke Identifi kation mit den neuen Vorhaben zu erreichen.Unser Szenario sieht ein Raum oder Haus vor, in dem sich die Jugendlichen rund um die Uhr aufhalten können. Eine Zustimmung der direkt betroff enen Anwohner ist erforderlich, damit sie sich später nicht in irgendeiner Weise belästigt fühlen. So können im Vorfeld bestimmte Regeln aufgestellt werden, wann und wie lange es zu lauten

Wanderkarte des Rhönklubs Sterbfritz

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Lärmeinfl üssen kommen darf.Die Jugendlichen verkaufen in Eigenregie in einem kleinen Shop Snacks und Getränke. Dabei kümmern sie sich um die Auswahl, Beschaff ung und Verkauf der Waren. Verschiedene Dienste, wie Verkauf, Reinigung, und ähnliches werden unter den Jugendlichen aufgeteilt. Ihnen wird ein hohes Maß Verantwortung übertragen um eine größere Bindung an den neuen Treff punkt zu erreichen und Vandalismus oder Diebstahl zu vermeiden.

Standortwahl

Ein Vorschlag ist die Unterbringung

der Jugendlichen in dem aktuellen Ärztehaus, welches mit der Fertigstellung des Pfl egezentrums leersteht. Denn die zurzeit ansässige Gemeinschaft-spraxis wird dorthin umziehen. Das Haus eignet sich aufgrund seiner Größe für Veranstaltungen und Treff en jeder Art. Es könnten Freizeitveranstaltungen auch für ältere Generationen stattfi nden.. Eine Art „Generationenhaus“ könnte entstehen.

Hierzu müsste der Besitzer, die Gemein-deverwaltung und die benachbarten Bewohner für eine eventuelle Umsetzung kontaktiert werden. Der Kauf durch die Gemeinde, oder die partielle Anmietung von verschiedenen Etagen im dem Haus ist denkbar, falls noch keine andere Nachnutzung geplant ist.

Eine intakte Jugendgemeinschaft ist das Ziel. Diese soll auch die die Jugendlichen der Nachbardörfer mit einbeziehen, sodass zusammen Veranstaltungen geplant und durchgeführt werden. Die Jugendlichen sollen selbst einen „Chill- und Grillplatz“ an einer Stelle inner- oder außerhalb des Ortes entwerfen. Dieser soll von den Jugendlichen in Eigenregie gebaut werden. Vor Ort ansässige Handwerker unterstützen sie dabei mit Rat und Tat und weisen sie an. Dies kann auch in Zusammenarbeit mit verschiedenen

Bahnhof Sterbfritz EIngangsbereich Ärztehaus

Ärztehaus Außenansicht

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Sterbfritz

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Vereinen geschehen. Denn die Vereine plagen Nachwuchssorgen, sodass sie für sich werben können und die Begeisterung der Kindern- und Jugendlichen wecken. Das mangelnde Engagement der Jugendlichen und die Nachwuchssorgen der Vereine könnten so durch Synergieeff ekte aufgebessert werden.

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147Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Sterbfritz

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5.5 - Stabiler Ort mit Gesundschrumpfung im Kernbereich -Sinntal / Ortsteil Altengronau

Für den Ort Altengronau wurden über die Bestandsaufnahme und -analyse Bearbeitungsschwerpunkte für die Strategieentwick-lung für den ländlichen Raum herausgestellt. Besonders charakteristisch ist der zentrale Raum an der Frankfurter Straße. Die markanten Straßendimensionierungen, die den heutigen Bedürfnissen nicht mehr angepasst erscheinen, die hohe Leerstandsrate und der Funktionsverlust sind Probleme die sich bennen lassen. Ein gestalterischer Eingriff mit Augenmerk auf die Aufwertung des öff entlichen Raums trägt zur Attraktivierung des Straßenbildes und somit auch des Wohn- und Arbeitsumfeldes bei. Des Weiteren ist geplant, das Zentrum des Ortes wieder zu stärken und die Funktion als Ortmitte zurück zu gewinnen.Ortsbildprägend sind die zahlreichen Leerstände und Freifl ächen. Diese Räume bieten Potenzial für neue Entwicklungen. Um den Besitzern und Besitzerinnen Möglichkeiten zur Vermarktung zu geben, sind Ansätze für eine regionale Vermarktungsstra-tegie aufbereitet worden.Das touristische Potenzial von Altengronau, und dem Sinntal, soll durch länderübergreifende Tourismusangebote gestärkt werden. Besonderes Augenmerk ist auf die Kooperation im länderübergreifenden Kontext gelegt. Es wurde geplant einen Sternwanderweg von Altengronau, als Ausgangspunkt, anzulegen und somit die Wirtschaftskraft zu stärken. Hinzu kommt eine steigerung der Bedeutung des Ortes im Sinntal und überregional.

Schwarzplan Altengronau

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Szenario IZentrales Leben in Altengronau

Ausgangssituation

Altengronau ist ein traditionelles Straßendorf, das seine Entwicklung entlang einer historischen Wegeverbindung nahm. Diese Straße war Grundlage zur Entstehung des Ortes und seiner Entwicklung. Dort spielte sich das Leben ab und man profi tierte von der Durchfahrt Auswärtiger. Noch heute kann man diese Struktur erkennen. Entlang der Frankfurter Straße ballen sich die funktionalen Einrichtungen des Ortes. An der Straße fi ndet man den Nahversorger des Ortes, verschiedene Gastronomieeinrichtungen, die Sparkasse und die Kirche. Einzige große Ausnahme dazu spielt der im 20. Jahrhundert entstandene Schulkomplex nördlich davon. Mit zunehmender Mobilität ist allerdings zum einen das Verkehrsaufkommen enorm gestiegen, was zum automobilfreundlichen Ausbau der Straße führte, und zum anderen entwickelte sich der Ort zunehmend von dieser zentralen Achse weg. Die hohe Funktionsdichte täuscht allerdings über den hohen Leerstand hinweg, der sich im Ort hauptsächlich an dieser Straße und in den historischen Strukturen abzeichnet.

Das erschreckende Bild ist der hohen Belastung, die inzwischen durch die Straße entsteht, geschuldet. Dieser Raum ist längst nicht mehr der Raum zu denen es die Menschen hinzieht. Der Ausbau der Straße ist auf einem Stand, der dem Automobilverkehr ein rasches Durchfahren ermöglicht und es dem innerörtlich fußläufi gen Verkehr schwer macht. Die Straße ist auf einheitlicher Breite mit aller Konsequenz durch den Ort geführt, setzt Maßstäbe in punkto Fahrdynamik und verfügt über keinerlei verkehrsberuhigende Elemente. Man kann beobachten, dass eine Vielzahl der Autofahrer dieses Angebot annimmt und mit hoher Geschwindigkeit den Ort passiert. Die Fußgängerbereiche sind hingegen entsprechend begrenzt ausgebaut. Auf der ca. 1,5 km Langen Ortsdurchfahrt gibt einzig zwei Querungen. Hinzu kommt, dass ruhender Verkehr entlang der Straße keine offi ziellen Stellplatzangebote erhält abgesehen von separat angelegten Parkplätzen, die über Einfahrten zu erreichen sind und bei der Durchfahrt nicht als solche wahrgenommen werden. Der öff entliche Bereich weist in den zentralen Bereichen wenig gestalterische Qualität auf.

Frankfurter Straße mit Busbuchten

Frankfurter Straße im Bereich des Dorfplatzes

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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Lage Land Hessen - Main-Kinzig-Kreis

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Grafi k Frankfurter Straße

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Konzept

Es ist zu befürchten, dass auf Grund der beschriebenen Situation an der Frankfurter Straße der gesamte Ort an Attraktivität verliert. Das zunehmende Zurückziehen aus diesem zentralen Bereich lässt möglicherweise auch die zentralen Funktionen an diesem aussterben (Beispiel Volksbank). Diese Entwicklung würde nachhaltig die Attraktivität des Ortes schädigen und eine negative Entwicklung herbeiführen.Unser Konzept sieht vor diesen Raum zu stärken, neue Qualität in ihn zu bringen und ihn wieder als belebtes angesehenes Zentrum zu etablieren. Grundlegende Elemente dieses Konzeptes sind:

• das Defi nieren von zentralen Bereichen („Perlenkettenstruktur“), • das Betonen wichtiger Wegever-bindungen,• das Schaff en neuer Parkmöglichkeiten für kurze und längere Haltezeiten und• das etablieren neuer gemeinschaftli- cher Strukturen und Funktionen in leerstehenden Gebäuden.

Ein Beispiel zur Gestaltung liefert uns die Umgestaltung der Ortsstraße in Hohengehren, einem ähnlich großen Ort mit vergleichbarer städtebaulicher Struktur.

Hohengehren liegt in Baden Württemberg südöstlich von Stuttgart. Der Ort ist Ortsteil von Baltmannsweiler im Landkreis Esslingen. Die Hauptstraße zieht sich quer durch den Ort und zentrale Funktionen ballen sich daran. Jedoch gibt es die völlig abweichende Situation, dass vor einigen Jahren eine Ortsumgehungsstraße eröff net wurde. Nun rollt der überörtliche Verkehr am Ortskern vorbei. Die nun völlig überdimensionierte Straße war Anlass um den Straßenraum im Ortskernbereich umfassend zu sanieren und umzubauen.

Die Kosten dieses Umbaues belaufen sich auf insgesamt 2,76 Mio EUR. Die Umbaumaßnahme wurde im Dezember 2009 fertig gestellt.Deshalb wurde auch erheblich auf Verkehrsberuhigung gesetzt. Nur was wirklich nötig war, wurde angewendet. So gibt es in Bereichen, in denen Linienverkehr verkehrt auch noch Fahrbahnbreiten bis 5,50 bzw. 6,50 m. Der Beginn des neuen zentralen Bereiches wurde durch extreme Verengungen und andere Hindernisse markiert und bremst den Straßenverkehr auf die höchstens

Ausschnitt Umgestaltung Hauptstraße - Hohengehren

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ausgestaltet werden. Viele kleine Details sind übertragbar. Eine Abbildung zeigt den Entwurf für den zentralsten Bereich an Rathaus und Volksbank. Aus diesem Beispiel ist zum einen die Betonung der Hauptstraße durch Fortführen des Gehwegmaterials entlang dieser, über abbiegende Erschließungsstraßen hinweg, übertragbar. Zum anderen ist es die Organisation des Straßenraumes, die den Bus nicht in einer Bucht halten lässt und so einen vier Meter breiten Gehsteig ermöglicht und das Ordnen des ruhenden Verkehrs durch Parallelparken. Man hat aus kommunaler

zulässigen 30 km/h. Zudem wurde Wert auf Aufenthaltsqualität gelegt. Investitionen fl ossen nicht nur in reine Straßenumgestaltung, sondern auch in Außenbereichsgestaltung und städtische Gebäude. Shared Space-Lösungen, Straßenquerschnittverengung auf teilweise nur noch 4 Meter und punktuelle Verengungen auf nur eine Fahrspur sind nur auf Grund des Funktionsverlust der Straße umsetzbar.

Viele dieser progressiven Veränderung können auf Grund der überörtlichen Relevanz der Frankfurter Straße in Altengronau nicht in dem gleichen Maße

Umgestaltung Hauptstraße - Hohengehren

Kasse investiert um Aufenthaltsqualität vor dem Rathaus zu schaff en. Aus dem Plan nicht erkenntlich ist, dass an dieser Stelle noch ein Sonnensegel und Sitzmöglichkeiten errichtet wurden (http://www.baltmannsweiler.de).Hierzu wollen wir Gestaltungsbeispiele geben und diese auf drei zentrale Bereiche detaillieren. Wichtig ist uns, dass es sich nicht um ein umfassendes Konzept, sondern eher um einzelne Projekte handelt, die auch mit geringem Finanzaufwand in Schritten perspektivisch umgesetzt werden können.

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Ausschnitt Umgestaltung Hauptstraße - Hohengehren

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen154

Lage Land Hessen - Main-Kinzig-Kreis

Den ersten kleinen Bereich von Ost nach West stellt der öff entliche Raum vor dem „Büdche“ dar. Diese Lokalität bietet neben einem Treff punkt für die Anwohner nach Arbeitschluss und am Abend, einen Kioskbetrieb für Lotto, Zeitschriften und Tabakwaren und eine öff entliche Toilette. Wir konnten an dieser Stelle ein erhebliche Kurzparknutzung, hervorgerufen durch diese Lokalität und die Nähe zur Friedhofsanlage, beobachten. Besonders auff ällig war das Fehlen von Stellplätzen und der große Verlust von öff entlichem Raum durch eine unnötig fahrdynamische Straßenausprägung an der Einfahrt zum Gronauweg. Etwas westlich befi ndet sich zudem die Hauptzufahrt zum nördlich gelegenen Neubaugebiet und der Schule, die Schulstraße.

Hier sind die konzeptionellen Ansätze; ein zum kurzen Halt ideales parallel angeordnetes Parken zu etablieren, neue Flächen durch Einmündungsver-spitzung zu schaff en und die Einfahrt in die Schulstraße deutlicher für Autofahrer und Fußgänger zu präsentieren.Im Detail äußert sich dies durch das Setzen von Bäumen, die visuell die Einbiegung verdeutlichen und parallel der Straße eine Abschirmung des Vorbereiches und somit mehr Aufent-haltsqualität schaff en. Der Gronauweg

triff t nun im rechten Winkel auf die Frankfurter Straße, was zusätzliche Flächen schaff t. Diese werden mit den bereits beschriebenen Pfl anzungen, drei Parallelstellplätzen und Auslagerungen der Gastronomie belegt.Im weiteren Verlauf kann man außerhalb unserer drei zentralen Bereiche ebenfalls immer wieder vereinzelt neue Parallelstellplätze fi nden. Unwichtige Einbiegungen und Erschließungsstraßen werden entgegen der genannten Betonung so zusagen „enttont“ indem die Gehwege in ihrer Materialität über die Einfahrtsbereiche gezogen werden.

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Lage Land Hessen - Main-Kinzig-Kreis

Detailentwurf 1 - „Büdche“

• Reduzierung Kreuzungsdimension• Herstellung neuer Flächenressourcen• Umrahmung durch Bäume• Bereitstellung Stellplatzangebot• Visuelle Markierung der Einfahrt „Schulstraße“

Detailentwurf 2 - „Zentralpunkt“

• neue Übergänge mit Mittelinseln• Wegfall der überdimensionierten Busbuchten • neuer Raum zum Aufenthalt• neue Parkmöglichkeiten

Detailentwurf 3 - „Dorfplatz“

• zwei Übergänge mit Verkehrsinseln • wichtige Einfahrten betonen• Wegbeziehung zu neuen Nutzungen

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Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen156

Lage Land Hessen - Main-Kinzig-Kreis

Der zweite Bereich ist der wichtigste im ganzen Ort, denn dort befi ndet sich neben der zentralen Bushaltestelle, die Sparkasse, der Nahversorger mit Fleischerei und Bäcker, und weitere Geschäfte. Die Brache vor einer leerstehenden Gewerbehalle wird als wilder Parkplatz für den Nahkauf genutzt. Neben der Sparkasse befi ndet sich die leerstehende Filiale der Volksbank. Die Bushaltestelle ist zentraler Anlaufpunkt für die Schüler und Anwohner. Sie ist durch zwei überdimensionierte Busbuchten gekennzeichnet, die den Verkehrsraum unnötig vergrößern. Die anschließende Fläche vor dem Haushaltswarenge-schäft zeigt sich als schlichter Betonplatz ohne Gestaltungselemente. An dieser Stelle gibt es eine Fußgängerampel zur Querung.

Konzeptionell ist unser Ansatz zum einen die wilde Parkfl äche zu defi nieren und einfach zugänglich zu machen. zum anderen soll auch hier mehr Fläche zum Beispiel durch entfernen der Busbuchten für öff entliches Leben geschaff en werden. Das ehemalige Gebäude der Volksbank eignet sich, in seinem guten baulichen Zustand, perfekt als neues Dorf-, Vereins- oder Gemeinschaftshaus. Hier könnte z.B. ein Landfrauencafé einmal pro Woche öff nen und den

neu gewonnenen Platz vor der dem Haus als Außenfl äche nutzen. Der Platz vor dem Haushaltsladen kann durch neue Möblierung ein idealer Platz zum Verweilen und Treff en werden.

Der Detailentwurf nimmt dies auf indem er die Straßenfl äche auf ihrer Breite fortsetzt und das Halten der Busse nun im Straßenbereich geschieht. östlich und westlich des Bereiches sind zwei Mittelinseln installiert, die den Verkehr visuell auf den zentralen Bereich hinweisen sollen und durch das Verschwingen der Fahrbahn die Geschwindigkeit beschränken soll. Im dem Nahversorger gegenüberliegendem Bereich sind neue Stellplätze angeordnet. Die zur Straße orientierten können dabei direkt von dort aus angefahren werden. Es wurde nur ein Teil der Fläche überplant, da dieses Grundstück evtl. auch eine Entwicklungsfl äche darstellen könnte. Zudem gibt es zwischen Sparkasse und ehemaliger Volksbank ein zusätzliches Angebot. Die Einfahrt an dieser Stelle wird durch eine Baumreihe betont die den neuen öff entlichen Bereich vor dem Haushaltswarengeschäft begrenzt. Hier wird es in der Mitte eine Grünfl äche mit zusätzlichen Bäumen, wie auch Sitz-möglichkeiten geben. Auf der anderen Straßenseite stellen zwei Bänke unter einem Baumdach den Wartebereich

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der Bushaltestelle dar. Die durch das Wegfallen der Busbuchten gewonnenen Flächen können z.B. vor dem neuen „Bürgerhaus“ als Außengastronomie genutzt werden.

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Der Dritte und östlichste Bereich ist jener um den schon einmal erneuerten Dorfplatz an der alten Kirche. Hier gibt es gleich zwei wichtige Zufahrten. Die eine führt in Richtung Oberdorf und die andere über die Sinn in den Ortsteil „Am Aspenweg“, wo sich viele gewerbliche und Freizeiteinrichtungen befi nden. Der Dorfplatz wirkt, trotz neuer Gestaltung, etwas verlassen und hat auf Grund fehlender Attraktionen und seiner topographischen Lage keine Anziehung im Ort. An dieser Stelle gibt es einen Zebrastreifen zur Querung der Straße. Vier der wenigen denkmalge-schützten Gebäude des Ortes liegen direkt an diesem Platz; zwei von ihnen stehen leer und bilden Potenzial für neue Nutzungen. Da an dieser Stelle viele Wanderwege eintreff en und es den historischen Kern des Ortes bildet, wäre z.B. das Gebäude Frankfurter Straße 2 perfekt geeignet, um als Tourismusstation zu dienen. Das alte Gasthofgebäude könnte unter dieser Aufwertung und Belebung evtl. zu einem neuen Nutzen kommen oder wieder eröff net werden. Dazu ist neben der Betonung der wichtigen Wegeverbin-dungen die Querungsfreundlichkeit für Wanderer und Passanten herzustellen. Im Detail gestaltet es sich so, dass vor dem potenziellen Gebäude und am Platzabgang direkt Überquerungsmög-

lichkeiten geschaff en werden. Diese sollen ähnlich derer aus Bereich 2 gestaltet sein und die gleiche Funktion erfüllen. Neu gesetzte Baumreihen betonen auch hier die wichtigen Einfahrten. Wenn möglich soll auch an dieser Stelle Parallelparken entstehen. An der Dorf-platzsituation sieht der Entwurf keinen Änderungsbedarf. Da gerade an dieser Stelle viele Gebäude leer stehen, ist über neue Nutzungen nachzudenken. Im Entwurf wird dies durch eine mögliche Garage für den kleinen Gebrauchtwa-genhändler angedeutet die in in dem ehemaligen Scheunengebäude Platz fi nden könnte.

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Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen158

Fazit / Umsetzung

Mit der Umgestaltung dieses lokalen Bereiches kann der Grundstein gelegt werden, um eine nach innen gerichtete Entwicklung zu implizieren. Das Ziel der Schaff ung eines attraktiven Ortes ist allerdings mit einer rein baulichen Umstrukturierung nicht gegeben. Das Augenmerk muss zusätzlich darauf gelegt werden, dass die vorhandenen Nutzungen gestärkt und beibehalten, und das eventuell neue Nutzungen zentral angeordnet werden können. Als schlechtes Beispiel dafür kann das Ansiedeln von wichtigen städtischen Funktionen wie des Kita Angebotes am Ende des Aspenweges gesehen werden. Auf der einen Seite ist eine Qualitätvolle Gestaltung als Umfeld Grundlage für attraktive Nutzungen, aber auf der anderen Seite wäre diese Gestaltung ohne die attraktiven Angebote auch nur ein geringer Zugewinn (siehe wenig genutzter Dorfplatz an der Kirche).

Da die Kommunen nur ein beschränktes fi nanzielles Budget haben, ist ein Vorgehen in Etappen notwendig. Die Priorität sollte dabei nicht in der gestalterischen Umsetzung liegen, sondern als Endziel gesehen werden. Primär ist eine Aktivierung der Bevölkerung ein sinnvoller Anfang.

Die Vermittlung der grundlegenden Idee und das Erwecken bürgerlichen Engagements ist die Grundlage für einen Prozess der Reaktivierung als Ortskern. Aus diesem Engagement könnten ohne großen Aufwand die vorgeschlagenen Nutzungen in der ehemaligen Volksbank und der potenziellen Touristeninformation entstehen. Dies in Begleitung von kleineren gestalterischen Maßnahmen kann der Grundstein sein um den Revitalisierungsprozess je nach Bedarf umzusetzen. Beispielsweise könnte aus dem Eröff nen des Vereinshaus/Bürgercafé der Bedarf nach mehr Außenfl äche entstehen, der dann als gestalterische Maßnahme den Umbau der Bushaltestelle mit sich bringt.

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Szenario IILeben und Arbeiten in Altengronau

Ausgangssituation

In Altengronau zeigt sich insbesondere im Zentrumsbreich eine überdurchschnittlich hohe Leerstandsrate. Besonders im Bereich der Frankfurter Straße sind Gebäude mit ortsbildprägendem Charakter von Leerstand und allmählichem Verfall bedroht. Leerstand im Zentrum, der sich weiter verstetigt und teilweise zunimmt, hat bestimmte Gründe. Diese sind in den Besitzverhältnissen zu fi nden. Die ländlichen Strukturen sind geprägt von Familien die über Generationen die Besitze weiter geben. Familien mit unklaren Bedingungen in der Nachnutzung durch jüngere Familienmitglieder und -generationen sind nicht gewillt ihren Besitz zu veräußern und rufen dadurch eine ungewissen Umgang mit ihren baulichen Anlagen hervor. Häufi g fallen Gebäude nach einem Todesfall des letzten Bewohners leer, wenn keine Nachfolge besteht. Diese Gebäude werden durch Nichtgebrauch in ihrer Bausubstanz, und dementsprechend auch in ihrer Nutzbarkeit, eingeschränkt.

Ein weiterer Grund für den Leerstand und Verfall von innerörtlichen Gebäuden sind die historisch überlieferten Grundstückszuschnitte. Die Parzellierung ist durch schmale, teilweise verwinkelten und meist in die Länge gezogenen Grundstücke im innerörtlichen Bereich geprägt. Bei den leerstandsbetroff enen Gebäuden sind Untersuchungen und Abschätzungen zu den baulichen Verhältnissen, Grundrisszuschnitten und Grundstücksgrößen zu treff en, um mögliche Abrisse und Neuordnungsbedürfnisse für Grundrisse und Grundstücke zu begründen und durchzuführen. Besonders die durch den Denkmalschutz betroff enen Gebäude sind auf ihre Wichtigkeit für das Ortsbild und ihre Möglichkeiten der Nach- und Umnutzung zu bewerten.

Die angrenzenden Wohngebiete im Norden und Westen zeichnen sich durch eine hohe Flächenverfügbarkeit für Wohnbebauung aus. Die ehemalig gut genutzten Gewerbefl ächen im Süden des Siedlungsbereiches sind durch Leerstand und Brachen gekennzeichnet.

Die ländlichen Gemeinden müssen sich stärker bewusst werden, die Innenentwicklung der Ortschaften zu begünstigen. Die Außenentwicklung

ist bei einem steten Zuwachs des Siedlungsgefüges, im Zusammenhang mit dem Ausbau des infrastrukturellen, kulturellen und wirtschaftlichen Angebotes voran zu treiben. Dies ist ein Prozess der einer nachhaltigen Entwicklung untersteht.

Das Konzept „Wohnen und Arbeiten in Altengronau“ sieht vor, die Flächenressourcen zu bündeln und somit ein Entwicklungspotenzial für den Ort zu schaff en.

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen160

Auszug Leerstandskataster

Viele der Neben- und Wirtschaftsgebäude stehen in den ländlichen Gemeinden leer oder sind unzureichend genutzt. Diese Gebäude sind durch Vernachlässigung häufi g in ihrer Bausubstanz geschädigt. Der fi nanzielle Aufwand für die Sanierung und Modernisierung ist für die meisten Besitzer und Besitzerinnen nicht zu tragen. Des Weiteren stehen die Besitzverhältnisse einer Nachnutzung, Umnutzung oder Zwischennutzung im Weg. Die Gebäude sind in ihrer Wichtigkeit einzustufen und ein geplanter Umgang zu fi nden.

Auszug Leerstandskataster

Ortsbildprägende Gebäude im Ortskern stehen aufgrund der hohen Flächenausweisung am Ortsrand und der damit einher gehenden Umsiedlung von Funktionen leer. Die innerörtlichen Gebäude sind in ihrer historisch gewachsenen Struktur, wie in diesem Beispiel der fast vollkommenen versiegelten und bebauten Grundstücksfl äche, schwer einer neuen Nutzung zuzuführen. Es muss angestrebt werden, gerade diese wichtigen Gebäude in städtischen Konzepten einzubinden und zu reaktivieren.

Auszug Leerstandskataster

Wohngebäude im Siedlungsbereich sind aufgrund ihrer Lage und Substanz, sowie den meist traditionellen Besitzverhältnissen durch Leerstand betroff en. Häufi g ist auch ein Teilleerstand im innerörtlichen Bereich vorzufi nden. Der Vorrang der Planung für ländliche Kommunen ist auf die Innenentwicklung zu legen. Auf Grundlage einer Bauanalyse ist zu bewerten, ob und wie Gebäude und Grundstücke einer neuen und verträglichen Nutzung zugeführt werden können.

Wohngebäudeehemaliger Gastbetrieb im OrtskernWirtschaftsgebäude

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Auszug Freifl ächenkataster

Die Flächenausweisung am Ortsrand ist in Altengronau stark betrieben worden. Viele der Flächen in den Ortsrandlagen bieten eine attraktive Wohnlage mit guten Verkehrsanbindungen. Jedoch ist mit weiteren Ausweisungen von Flächen in Ortsrandlagen vorsichtig umzugehen. Einer Zersiedelung des Dorfes und einem Ausfransen in die Landschaft hinein muss in Zukunft entgegen gewirkt werden.

Auszug Freifl ächenkataster

Innerörtliche Freifl ächen bestehen besonders im Bereich der reinen Wohngebiete in Altengronau. Diese Flächen gilt es zu veräußern, um einen fl ächendeckenden Siedlungsraum entstehen zu lassen. Die meisten Freifl ächen befi nden sich in Privatbesitz. Ein regionales Vermarktungssystem mit konkreten Ansprechpartnern und Beratern ermöglicht den Besitzern und Besitzerinnen einen gezielten Umgang mit ihren Flächen und besonders mit ihrem Ort.

Auszug Freifl ächenkataster

Freifl ächen für gewerbliche Nutzungen sind in den ausgewiesenen Gewerbegebieten vorhanden. Eine Erweiterung der Gewerbegebiete durch Neuansiedlung ist zu erstreben. Dies führt zu zusätzlichen Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Ort und zu einer stärkeren regionalen Bedeutung. Jedoch ist dies im Hinblick auf die vorhanden Brachfl ächen als Ziel zu setzen. Besonders im ländlichen Raum sind zusätzliche Flächenversiegelungen zu unterbinden, wenn sich alternative Bereiche für eine Nutzung anbieten.

gewerbliche Freifl ächeinnerörtliche Freifl ächeFreifl äche am Ortsrand

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen162

Konzept

Die Flächen für Wohn- und Gewerbezwecke wurden erhoben, analysiert und bewertet. Grundlage war die Entwicklung eines Bewertungskataloges, welcher die Standortvorteile und Nutzungsspek-tren untersucht. Der Katalog wird an die Gemeinde Sinntal gegeben, welche diesen stetig fortschreibt. Mit den erhobenen Daten der potenziellen Entwicklungsfl ächen wurde ein Wohn- und Gewerbekataster erstellt. Dieses ist, wie im Schema, auf eine Inter-netplattform zu übertragen. Der Ansatz liegt in einem regionalen Konsens. Für die Region SPESSARTre-gional wird durch ein koordiniertes Flächenangebot mit einem öff entlich-keitsrepräsentativen Internetauftritt die Strategie für eine gezielte Wohn- und Gewerbefl ächenentwicklung gegeben. Der Interessent / Nutzer kann durch einfache Handhabung nach potenziellen Wohnbau- und Gewerbefl ächen im gesamten hessischen Spessart suchen. Über die Intenetmaske sind die Flächen nach Bedarfsstruktur auszuwählen und im Ergebnis werden die potenziellen Flächen im Katalogauszug dargestellt. Für eine integrative Entwicklung bedarf es weiterer Handlungsschritte, wie z.B.

die Kontaktaufnahme zu Eigentümern.

ImmoStudie 2009

Immobilienportale im Internet sind der meist genutzte und wichtigste Kanal zur professionellen Immobilienvermark-tung. Die Immobilienportale führen zu den meisten Vertragsabschlüssen und haben eine gute Effi zienz.

Zeitungen werden zwar (noch) häufi g genutzt, zeichnen sich aktuell aber durch hohe Kosten bei gleichzeitig durch-schnittlichen Vermarktungserfolg aus.

In der Effi zienz der Internetportale lässt sich feststellen, dass diese im Vergleich zu Zeitungen in der Imagebildung und dem Markenaufbau erfolgreicher sind. In der untenstehenden Grafi k ist ersichtlich, dass Immobilienportale (IP) gegenüber Zeitungen (Z) in neun von zehn Dimensionen im Vorteil sind. Beim Erreichen einer regionalen Zielgruppe ist der Abstand Gering (Mittelwerte IP: 4,07 vs. Z: 3,93). Die ImmoStudie 2009 ist als Auswahlgrundlage für die Verwendung eines Internetportales für eine Vermarktung der Flächen und Gebäude herangezogen worden.

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163Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen164

Internetauftritt

Ziel ist bei diesem Szenario das Herstellen einer Vermarktungsplattform für Flächen und Immobilien im gesamten Spessart / Main-Kinzig-Kreis. Ohne Einschränkungen auf Eigentümer sollte diese für Bürger und Unternehmen aus dem Gebiet, aber auch für von außerhalb einen umfangreichen Marktüberblick geben. Hierzu ist es nötig alle Leerstände und Freifl ächen aufzunehmen und Gemein-deübergreifend in eine digitale Form zu bringen. Beispielhaft wurde dies durch die Bearbeiter für Altengronau durchgeführt. Allein in diesem Ort gibt es 34 leerstehende Gebäude und 56 Freifl ächen, die als mögliche Baufelder in Frage kommen. Gemeindeübergreifend sollte dabei eine einheitliche Vorgabe gegeben werden, die dann wie bereits teilweise geschehen durch Ortsvorsteher aufbereitet werden könnte. Im Anschluss müsste diese durch Absprache mit den Eigentümern aussortiert werden, um letztendlich in eine zugängliche Plattform integriert zu werden.Nach der Aufnahme und qualifi zierten Digitalisierung des zu vermarktenden Bestandes an Immobilien und Flächen, ist eine Vermarktungsplattform zu schaff en. Diese muss, um ohne großen Aufwand angenommen zu werden,

auf einer bereits genutzten, schnell fi ndbaren und möglichst öff entlichen Plattform präsentiert werden. An dieser Stelle bietet sich die Internetseite des Main-Kinzig-Kreises an. Diese wird bereits von den Bürgern genutzt und repräsentiert die Region offi ziell nach außen. Im Folgenden ist ein grafi scher Entwurf einer Suchmaske auf dieser Seite dargestellt.

Eingeordnet könnte diese Maske in der Rubrik „Ihr Kreis“ werden. Möglichst übersichtlich können hier Angaben zur gesuchten Fläche / Immobilie gemacht werden. Eingeteilt nach den sechs Punkten Nutzung, Art, Größe, Ort, Lage und Gesamtpreisvorstellung werden am Ende die im PDF-Format ausgegebenen Treff er dargestellt und zum Download angeboten. Die Punkte werden einzeln nacheinander, je nach Auswahl, eingeblendet. Im Anhang fi nden Sie dazu vier Beispiele möglicher Ergebnisse. Hierauf fi ndet der Nutzer auch den möglichen Ansprechpartner.Den Sortierungsprozess kann man im Diagramm auf der voran gegangenen Seite nachvollziehen.

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165Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen166

Fazit

Die Aufstellung eines Internetpor-tales für die regionale Vermarktung von Immobilien und Freifl ächen ist als realisierbar zu beschreiben.

Aufgrund der bereits erhobenen Leerstands- und Freifl ächenkataster der untersuchten Modellgemeinden stehen den Verwaltungen die Grundlagen für eine Übertragbarkeit in ein Internetportal zu Verfügung.

Empfehlung für die Gemeinden sind:

• Aufstellung einer Arbeitsgruppe für die regionale Vermarktung von Immobilien und Freifl ächen• die Erarbeitung einer Internetpräsens mit koordinierter Internetmaske zur regionalen Vermarktung• das Aktualisieren und Fortschreiben der bereits erstellten Kataster• die Erhebung der Leerstands- und Frei-fl ächenkataster für weitere Gemeinden im Verbundgebiet SPESSARTregional• Bereitstellung von Ansprechpart-nern und Beratern für die Vermarktung im regionalen Kontext („Referat für regionale Vermarktung“)• Zusammenarbeit mit Besitzern und Besitzerinnen der verfügbaren Gebäude und Freifl ächen

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Angebot in Sinntal. In Altengronau sind neben dem Schwimmbad Kneipp-Anlagen vorhanden. Weitere Freizeitaktivitäten sind durch Angel-möglichkeiten am gemeindlichen Fischereigewässer in der Sinn gegeben, sowie durch den Kanusport auf der Sinn bis Gemünden und die Tennisanlage neben dem Schwimmbad (Tennisabt. TSV Altengronau).(Quellen: www.sinntal.de; sinntal-Broschüre (Main-Kinzig-Kreis), 2008; Broschüre Mitten im Leben, Der Main-Kinzig-Kreis im Überblick, Herausgeber: MKK, 2009)

Der Tourismus stellt einen weiteren Wirtschaftszweig für Altengronau dar und ist in seinem Angebot noch nicht ausgeschöpft.

Szenario IIIländerübergreifender Tourismusausbau

Ausgangssituation

Die alte Handelsstraße von Frankfurt am Main nach Leipzig war über Jahrhunderte hinweg die Große Ost-West-Achse des Reiches. Die Straße prägt die Geschichte und noch heute kann man Baudenkmäler aus dem 1.300 Jahren Kulturgeschichte besichtigen. Zusammen mit den zahlreichen Museen und Kirchen laden sie zu einem „Ausfl ug in die Vergangenheit“ ein. (Quelle: Mitten im Leben - Der Main-Kinzig-Kreis im Überblick)Landschaftlich reizvoll stellen sich die Natur und die vielen Biotope dar. Die Biotope der Gemeinde Sinntal haben sich weit über die Grenzen der Gemeinde hinaus entwickelt. In Sinntal befi ndet sich die artenreichste Orchideenpopu-lation von ganz Hessen. Bemerkenswert sind die Schachbrettblumenwiesen in Altengronau, einer der letzten Zufl uchtsorte dieser seltenen Blume.

Tourismus und Kultur ist für die Gemeinde Sinntal ein wichtiger Wirtschaftszweig. Landschaftlich ist die Gemeinde Sinntal ein besonderes Erlebnis, hinzu kommt durch die Bevölkerung ein behutsamer

Umgang mit dieser. Die Gesamtfl äche ist mit ca. 75 % landschaftlich geprägt. Sinntal ist wie gemacht für ausgiebige Wanderungen und erlebnisreiche Fahrradtouren. Die Ortsteile Jossa und Züntersbach sind staatlich anerkannte Erholungsorte. Die Kinzigquelle Sterbfritz ist ein kulturelles High-light. In Sterbfritz entspringt die Kinzig, die den Großkreis durchfl ießt und bei Hanau in den Main mündet.

Altengronau ist durch seine Lage im Sinntal, an der Grenze zu Bayern und durch die allgemeine geographische Lage in Deutschland begünstigt für den Tourismus.Die Wasserburg und andere Höhenburgen sind in Altengronau zu entdecken und erkunden. Des Weiteren sind der Dorfplatz mit Kirche (1904), das Brunnenhäuschen, die Dorfl inde, die alte Sinnbrücke und das Zollhaus (früher Übergang nach Bayern) historisch wertvolle Kulturbestände in Altengronau.Das beheizte Freischwimmbad ist, neben dem in Sterbfritz, ein touristisches

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen168

Konzept

mehrtägige Wanderaufenthalte

Der nördliche Spessart, aber auch Altengronau im speziellen, ist keine klassische Industrie- oder Wirtschafts-region. Viele der Einwohner pendeln in den Ballungsraum Rhein-Main oder in die größeren Gemeinden. Altengronau deckt mit dem Arbeitsplatzangebot die lokale Nachfrage bei weitem nicht ab. Es gibt wenig Wertschöpfungspotenzial für zukünftige Entwicklungen in diesem Sektor. Altengronau zeichnet sich jedoch durch seine Lage und durch die, den Ort umgebende, reizvolle Landschaft aus. Die Lage im Sinntal inmitten eines stark bewaldeten Mittelgebirges lockt zahlreiche Besucher an, die in der Region Wander- oder Radausfl üge durchführen. Die Verwaltung des Naturparks Spessart hat dazu ein umfassendes Wanderangebot erstellt, dass sich aus 244 Rundwanderwegen und einigen mehrtägigen Wandertouren zusammensetzt. Die Länderübergrei-fende räumliche Arbeitsweise ist dabei hervorzuheben. Die kurzen Rundwanderwege sind für Tagesausfl üge sehr gut geeignet und ziehen viele natursuchende Ballungs-raumbewohner an. Die Wertschöpfung für den Spessart ist dadurch leider nur

gering. Will man wirtschaftlichen Nutzen aus dieser attraktiven Lage ziehen, so sind mehrtägige Angebote wesentlich werthaltiger. Mit den mehrtägigen Schlangenwanderungen ist dabei ein guter Ansatz bereits geleistet. Mit diesen kann man in wenigen Tagen Strecken von bis zu 100 km zurücklegen. Je länger der Aufenthalt am Ort desto mehr Gepäck trägt man allerdings mit sich. In vielen Regionen gibt es professionelle Anbieter, bei denen man diese Art Urlaub buchen kann und die dann dafür sorgen, dass das Gepäck organisiert von Etappenziel zu Etappenziel befördert wird. Ein derartiges Angebot gibt es im Spessart noch nicht.Eine zweite Variante des mehrtägigen Aufenthaltes stellt ein Sternwander-wegangebot dar. Dies kommt dem klassischen Wanderurlaub nahe. Hierbei reist man an einen Ort, von dem aus man in verschiedenen Routen die Umgebung entdeckt. Dies fi ndet man insbesesondere in gut ausgebauten Tourismusregionen. Direkte Angebote an Routen sind dabei hilfreich und werden gern angenommen. Solche Angebote eignen sich hervorragend für die Erholungssuchenden, die weniger das Abenteuer einer möglichst langen Schlangenwanderung, sondern eher einen erholsamen Aufenthalt in der Natur bevorzugen.

Altengronau verfügt zwar über die benötigte Lage, aber ist weit davon entfernt als Tourismusort wahrgenommen zu werden. Doch gerade dieser Sektor könnte ungenutztes Wertschöpfungspoten-zial darstellen. Einhergehend mit dem ersten Szenario ist dazu vor allem im Ortskern eine Aufwertung anzustreben. Die Attraktivität der vorhandenen Übernachtungsmöglichkeiten schien nicht dem Anspruch eines erholungs-suchenden Wandertouristen gerecht zu werden. Neben diesen parallel laufenden Faktoren muss im Kern eine Vermark-tungsstrategie zur Schaff ung von attraktiven Angeboten stehen. Hierzu gehört eine zentrale Anlaufstelle im Ort, das Zusammenstellen von mehrtägigen Angeboten und der gezielte Ausbau eines Netzes um den Ort. Ziel kann es sein, konkret mit pauschalen Angeboten zu werben, die ein umfassend organisiertes attraktives Produkt anbieten, aus dem der Ort höchstmöglichen Gewinn ziehen kann.Beispielhaft wird im Folgenden ein solches Angebot eines Aufenthaltes über ein verlängertes Wochenende dargestellt. Andere spezialisierte Angebote können parallel angeboten werden. Beispiele dafür können Kinderurlaub für junge Familien, Sporturlaub in Verbindung mit Wandern oder Nordic Walking sein.

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Altengronau - Mitten im Spessart!

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen170

Für den Ortsteil Altengronau, sowie für die gesamt Gemeinde Sinntal, ist ein länderübergreifendes Tourismuskonzept bezogen auf mehrtägige Wanderaufent-halte zu profi lieren.

Tag 1: Wandertour Altengronau - Im Lande der Ritter von Hutten - 5km

Kirche, Huttenburg, Wasserschloss / Marmorwerk, Jüdischer Friedhof, Ortsteil Aspen

Tag 2: Wandertour / Bad Brückenau mit Busrückreise - 21 km

Bildstock, Kirche Zeltlofs, Dreistelzberg, Staatsbad und Kurort Bad Brückenau

Tag 3: Wandertour durchs Sinntal / Burgsinn - 29 km

Jossa, Obersinn, Burgsinn mit Schlossanlagen und hist. Stadtbefesti-gung, Streiteiche, Roßbach

Tag 4: Wandertour mit Aufstieg / Rollmann-Stein - 25 km

Jossa, Barackenhöfe, Rollmannstein, Leimberg, Ziegelhütte, Neuengronau

Erleben Sie die idyllischen Naturland-

schaften des Spessarts!

Wandertour Altengronau

- Im Lande der Ritter von Hutten -

Die Sehenswürdigkeiten von Altengronau erschließen sich dem interessierten Besucher besonders anschaulich, wenn er den Stationen des ca. 5 km langen Kulturweges „Im Lande der Ritter von Hutten“ folgt, welcher durch das Archäologische Spessartprojekt ins Leben gerufen wurde. Die Stationen beschreiben die kultur-historische Entwicklung Altengronaus entlang ihrer Stationen.

Altengronau ist zudem eine Station der landwirtschaftlich reizvollen Radwanderweg „Hessischer Radfernweg“ und dem Rhön-Sinntal-Radweg.

Wandertour Bad Brückenau

- Vom Tor nach Bayern -

Entlang der Sinn ist der Wanderer auf den Wegen durch die Hügellandschaft der südlichen Rhön. Über Altengronau beschreitet man das Tor zu Bayern in Richtung Zeitlofs.Die bedeutendsten Kultur- und Sehens-würdigkeiten in Zeitlofs sind das Schloss Zeitlofs, Schloss Weißenbach und Schloss Roßbach sowie die Pfarrkirche aus dem 18. Jahrhundert. Über Berg und Tal weiter entlang der Sinn gelangt man zum Kurort Bad Brückenau. Die Sehenswürdigkeiten in Bad Brückenau sind vielfältig, z.B. Museen, Stadt-pfarrkirche, Staatsbad, das Kloster Volkersberg und die Grenzwaldbrücke und Sinntalbrücke.

Kurort Bad-BrückenauSchachbrettblumenwiesen

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Fazit / Umsetzung

Lokales Incoming Marketing für mehrtägige Aufenthalte am Ort kann einen wesentlichen Wertschöpfungs-beitrag für einen einzelnen Ort bringen. Der eff ektivste Weg ist dabei ein Pauschalangebot, das die notwendigen Auslagen teilweise Rückfi nanzieren könnte. Um dies Schritt für Schritt umzusetzen ist zu Beginn eine kommunale Dach-gesellschaft zu gründen. Diese kann im Wesentlichen durch ehrenamtliche Mitarbeit getragen werden. Dabei müssen zwei grundlegende Punkte erarbeitet werden. Zum einen muss der Ort attraktiver Ausgangspunkt mit notwendigen Einrichtungen werden und zum anderen ist ein umfassendes Konzept für den mehrtägigen Aufenthalt vorzuschlagen, was auch z.B. eine Routenbeschilderung, speziell angepasst an dieses Angebot, beinhalten kann. Der Preis für ein voll organisiertes Angebot kann einen Beitrag zur Deckung der eben genannten Maßnahmen beinhalten. Da dies mit hohem Initiie-rungsaufwand verbunden ist, benötigt man allerdings eine große Anzahl an tatsächlichen Besuchern. Um Touristen dafür anzulocken, ist eine Bundesweite gezielte Vermarktung notwendig.

Wandertour durchs Sinntal

- Im Tal der Sinne -

Von Altengronau aus gehts durchs Sinntal entlang der Jossa ins bayrische Obersinn. Dort sind im Sinngrund ein Erlebnispfad zu begehen und im Frühjahr die Schach-brettblumenwiesen zu bewundern. Über Mittelsinn und entlang des Naturschutz-gebietes Sinngrund ist ein Zwischenhalt in Burgsinn lohnenswert. Dort kann man die Wasserburg und den Sinntaldom besichtigen. Weiter im Tal der Sinne über Rieneck gelangt man nach Gemünden am Main. Rückwärts wird die bayrische und hessische Hügellandschaft empfohlen, welche in Richtung Altengronau durch einen hohen Anteil an freier Landschaft überzeugt.

Wandertour zum Rollmann-Stein

- Wandertour mit Aufstieg -

Erster Halt ist Jossa, der staatlich anerkannte Erholungsort. Weiter über die Barackenhöfe im Naturpark hessischer Spessart. Einen Anstieg mit einigen Höhenmetern ist bis zur Bergspitze Rollmann-Stein zu überwinden. Bei Bedarf kann ein Abstecher zum Erlebnispark Steinau an der Straße gemacht werden.Über Sannerz geht es ins Kinzigtal nach Sterbfritz, dem Gemeindezentrum von Sinntal. Von Sterbfritz über Breunings und Neuengronau gehts zurück zum Ausgangsort Altengronau. Hier kann man sich in einer der vier Gaststätten zum Abendbrot nieder lassen und verweilen.

Burganlagen im Sinntal (Burgsinn) Barackenhöfe bei Jossa

Szenarien künftiger Entwicklungen | Sinntal / Altengronau

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen172

bringt.Auch die Zahl der baufälligen Häuser, die ungenutzt im Dorfkern stehen, wächst weiter an. Auff ällig sind auch viele ungenutzte, heruntergekom-menen Schuppen und Scheunen, die der Agrarwirtschaft gedient haben und wenn überhaupt nur noch als Abstelllager für alte landwirtschaftliche Maschinen genutzt werden.Der Dorfkern wird hauptsächlich von alten Menschen bewohnt. Das lässt darauf schließen, dass sich der Leerstand in den nächsten Jahren weiter erhöhen und ein Verfall des Dorfkerns sowie eine weitere Reduzierung der Anziehungskraft und Attraktivität des Dorfkerns forciert wird.

Weitere Entwicklung

Geht man davon aus, dass sich an dieser Entwicklung nichts ändert und man nicht interveniert, sieht die Zukunft für das Dorf bedenklich aus.Junge Menschen, aber hauptsächlich junge Familien werden sich weiterhin an neu ausgeschriebenen Wohngebieten in den Randlagen orientieren und ihre Wohnhäuser dort errichten.Was folgt, ist eine weitere Entleerung des Dorfkerns, was zur Folge haben wird, dass sich Brachen bilden werden und das ungenutze, baufällige Häuser das Ortsbild weiter abwerten werden.

5.6 Jossgrund / Oberndorf

Status Quo Szenario

Ausgangssituation

Momentan wird in Oberndorf verstärkt in den Randlagen gebaut. Dort befi nden sich einige Neubaugebiete. Diese werden hauptsächlich von jungen Familien aus dem Dorf bebaut, die sich den Wunsch nach einem Eigenheim in einer ruhigen, landschaftlich attraktiven Lage erfüllen wollen. Gleichzeitig gibt es aber viele freie Baufl ächen im Dorfkern. Diese

befi nden sich zu ca. 95 % in privater Hand. Es ist nicht absehbar, dass diese Flächen in naher Zeit bebaut werden. Oftmals gehören diese Flächen auch Eigentü-mergemeinschaften, die sich nicht um die Flächen kümmern.Hinzu kommt, dass es einen zunehmenden Leerstand im Dorfkern gibt, der vom demographischen Wandel weiter vorangetrieben wird. Teilweise wollen die Eigentümer utopische Summen für den Verkauf der leerstehenden Häuser erzielen, was den Verkauf an die Grenze des Realistischen

Unfertiger Neubau im Norden

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Szenarien künftiger Entwicklungen | Jossgrund / Oberndorf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen174

Szenario 2: Innenentwicklung vor Außenentwicklung

Ausgangssituation

Die Ausgangssituation für die Ortsentwicklung im Innenbereich entspricht der in Szenario 1.

Maßnahmen

Um eine Abwanderung nach außen zu stoppen, muss die Ausschreibung des Baulandes in den Randgebieten aufhören. Das Dorf hat genug leerstehende und ungenutze Häuser, was das von uns aufgestellte Leerstandskataster beweist. Zudem gibt es im Dorfkern genug freie Baufl ächen, die noch bebaut werden können (siehe Freifl ächenkataster). Es liegt also genügend Nutzungspotential vor, sodass eine weitere Versiegelung von Baufl ächen in Randlagen überhaupt nicht von Nöten ist.Ein wichtiger Schritt hin zu einer positiven Innenentwicklung ist, dass die freien Baufl ächen im Kern genutzt werden und zu einer Belebung beitragen. Maßnahme hierfür könnte ein Workshop sein, bei dem man die Besitzer versammelt und ihnen aufzeigt, wie man diese Flächen nutzen kann. Gemeinsam könnten Lösungen, Nutzungen und Vermark-tungsstrategien entwickelt werden.

entwicklung durchsetzen wird. Der Ortskern wird seine Zentrumsfunktion verlieren, während sich in den Randlagen neue, kleine Zentren bilden werden. Dieser Prozess der Zentrenverschie-bung ist im Moment sehr aktuell und hat bereits begonnen. Am Ende hat man ein verstreutes Dorf ohne Zentrum und ohne Treff punkt, da die gewerblichen Nutzungen abwandern müssen.

Die wenigen gewerblichen Nutzungen, die im Kern bestehen (Eisdiele, nahkauf, Frisör, Fleischer,...), werden es immer schwerer haben zu existieren und eine ausreichende Kundschaft zu generieren.Auch die Baulücken im Kern werden weiterhin nicht genutzt werden, da sich die Eigentümer auf keine gemeinsame Vermarktung einlassen.

Ergebnis

Die Folge dieser Entwicklung wird sein, dass sich die Außenentwicklung Oberndorfs weiterhin gegen die Innen-

Fahrschule im nördlichen Wohngebiet

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Szenarien künftiger Entwicklungen | Jossgrund / Oberndorf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen176

Hierbei müsste man die Vorteile einer zentralen Ortsmitte herausstellen.Baufällige Häuser sollten, insofern es noch möglich ist und sich rentiert, saniert und zum Verkauf angeboten werden. Rentiert sich eine Sanierung nicht, sollte der Abriss als eine Möglichkeit angesehen werden. Lediglich drei Häuser in Oberndorf stehen unterDenkmal-schutz. Hierdurch kann man Flächen im Zentrum schaff en, bei denen durchaus denkbar ist, dass diese als Gartenfl ächen für angrenzende Häuser genutzt werden können, denn Gartenfl ächen sind knapp im Dorfkern. Eine andere Lösung wäre die Umnutzung zu kleine grünen Erho-lungsfl ächen, die den gleichen Eff ekt wie Gärten hätten und das Dorfbild zusätzlich aufl ockern und aufwerten.Um leerstehende Häuser oder Freifl ächen publik zu machen, kann eine Art Wohnbörse entwickelt werden.Werden für einzelne Häuser keine Nutzungen gefunden, besteht auch die Möglichkeit eine Zwischennutzungs-agentur zu engagieren. Diese Maßnahme hat sich schon in anderen Orten bewährt und verringert den Leerstand zumindest temporär.

Ziel

Ziel dieser Maßnahmen soll eine nachhaltige Innenentwicklung sein, die attraktive Wohnfl ächen im Dorfkern anbietet. Gerade junge Familien sollen das Zentrum wieder für sich entdecken und eine Belebung einleiten.Am Ende steht ein gestärktes, lebendiges Zentrum.

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Impressionen: sanierte Gebäude im Zentrum

Szenarien künftiger Entwicklungen | Jossgrund / Oberndorf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen178

Szenario 3: „Zentrales Leben an der Jossa“

Ausgangssituation

Das Zentrum von Oberndorf bietet viele Potentiale, die dazu dienen können, das Zentrum attraktiver zu machen und zu gestalten.Zum Einen liegt das Bürgerhaus/Rathaus direkt im Zentrum des Ortes an dem Fluss Jossa, welcher sich durch das Zentrum zieht. Jedoch wird dieses Potential des Wassers kaum betont, es existieren keine Anziehungspunkte oder Aufenthaltsmöglichkeiten unmittelbar am Wasser. Auch die Gestaltung entlang

des Wassers ist wenig ansprechend.

Maßnahmen

Der Jossa muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dazu kann das Schaff en von Aufenhthaltsmöglich-keiten entlang der Jossa, zum Beispiel in Form von Treppen und Sitzmöglich-keiten, beitragen.Auch die Gebäude sollten ansprechend saniert und modernisiert werden. Wichtig ist auch eine einheitliche Bebauungsgrenze, die den wirren städtebaulichen Eindruck eindämmen kann. Weiterhin auff ällig ist auch, dass die Häuser entlang der Jossa kaum Zugang

zu dieser haben. Dies sollte geschaff en werden, damit beispielsweise mit einem Slogan wie „Wohnen am Wasser“ werben kann.Insgesamt sollte auch das Straßenbild an der Frankfurter Straße eine Aufwertung erhalten.Für diese Umbaumaßnahmen sollte versucht werden Anträge bei Förderpro-grammen zu stellen.

Ziele

Durch diese Aufwertung wird das Gebiet um die Jossa stärker frequentiert, was die Jossagalerie als Zentrum des Ortes weiter stärkt. Zu hoff en ist, dass sich diese Aufwertung strahlenförmig auf die Umgebung auswirkt und eine Attraktivi-tätssteigerung herbeiführt. Durch die Stärkung der Zentrumfunktion kann es gelingen, die Wohnlage im Dorfkern ansprechender zu gestalten und zu vermarkten. Ein Vorteil ist zum Beispiel die Nähe zum Wasser, was die Randlagen nicht bieten können. Auch scheint es möglich, neue gewerbliche Nutzungen anzuziehen und Oberndorf weiterhin als Jossgrund-Zentrum zu stärken.

Jossa parallel zur Hauptstraße

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Szenarien künftiger Entwicklungen | Jossgrund / Oberndorf

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen180

Impressionen: fehlender Zugang zum Wasser

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Übertragbarkeit auf andere Regionen

Übertragbarkeit auf andere Regionen

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen182

Übertragbarkeit auf andere Regionen

Die erarbeiteten Konzepte der Projektgruppen sind in Methodik und Konzepten zum Teil verallgemeinerbar. So können andere Kommunen in der analytischen Vorgehensweise und der konzeptionellen Ausarbeitung ähnlich handeln. Um einen vergleichenden Ansatz herstellen zu können, werden die Dörfer in verschiedene Typen unterteilt.Die untersuchten Projektgemeinden sind dabei in folgende Typologien einzuteilen:

• stark schrumpfende Kommune

ohne Grundversorgung

• Kommune mit besonderer

regionaler Funktion

• Kommune mit Nähe/Abhängigkeit

zu Klein- und Mittelstädten

• eigenständige Kommune

• Kommune mit Zentrumsfunktion

Grundsätzlich ist es hilfreich einen Leerstands- und Freifl ächenkataster zu erstellen und auch zu veröff entlichen. So wird eine allgemeine Diskussion angeregt. Den Menschen werden dadurch in erster Linie die Defi zite bewusst gemacht. Nutzungsmöglich-keiten könnten unter Beteiligung der Bewohner, der Eigentümer und der Kommune gefunden werden. Auch

mögliche Interessenten, die Bauland suchen, können so die Flächen im Ort leichter fi nden und bewerten.Des Weiteren ist eine Befragung der Ortsbewohner nötig, um individuelle Probleme erkennen und lösen zu können. In Form von Workshops können die Bewohner zusammen fi nden und ihre Meinungen austauschen.

Welche methodischen und konzeptionellen Ansätze für andere Regionen von Bedeutung sein können, sind im Folgenden für die eingeteilten Orts-Typologien beschrieben:

Die stark schrumpfende Kommune ohne Grundversorgung stellt Neustall dar. Hierbei handelt es sich um einen Ort mit einer geringen Einwohnerzahl mit weiter abnehmender Tendenz. Der Ort ist stark durch landwirtschaft-liche Betriebe geprägt, die nicht alle langfristig wirtschaftlich betrieben werden können. Ohne die Möglichkeit einer innerörtlichen Nahversorgung sind die Bewohner von umliegenden Orten abhängig.Es muss überlegt werden, ob ein solcher Ort überhaupt langfristig tragbar ist bzw. was für Zukunftspotentiale vorhanden sind, damit der Ort sich durch ein Leitbild entwickeln kann. Eine Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten muss erfolgen. Zu diesen würden der Erhalt und die Stärkung des Ortes, der behütsame Rückbau oder das Überlassen des Ortes seiner selbst zählen. Um so einen Ort zu stabilisieren, können die nachfolgenden Handlungsansätze angewandt werden:

• Die Ausbesserung der vorhandenen Infrastruktur, um eine Grundversorgung aufrecht erhalten zu können.• Unterstützung der landwirtschaftli-chen Betriebe in Form von Beratung von Hoferben und Hilfestellung bei der

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Die Kommune mit besonderer

regionaler Funktion stellt Hutten dar. Mit unter 1.000 Einwohnern und einer historisch bedingten Abhängigkeit an den Tourismus und die Wirtschaftskraft der Touristen hat Hutten eine besondere Funktion. Ein kleiner Dorfl aden stellt die Grundversorgung der Einwohner sicher. Der direkte Kontakt mit den Bürgern ist zu suchen, um die Defi zite und Notwendigkeiten nach Meinung der Einwohner zu ermitteln. Konzeptionell steht eine Entwicklung des Dorfkerns im Mittelpunkt. Die Innenentwicklung ist der Außenentwicklung vorzuziehen. Alle räumlichen Veränderungsprozesse sind mit Bürgerbeteiligung durchzuführen.Die Sonderfunktion des Ortes ist zu erhalten um mittel- und langfristig Entwicklungspotentiale off en zu halten und die vorhandenen Ortsstrukturen sichern zu können. Bei merklichem Rückgang der Sonderfunktion, ist der Ort auf deren kompletten Verlust vorzubereiten.Die Sonderfunktion kann ebenso ausgebaut werden und es kann eine zielgruppenorientierte Angebotserwei-terung erfolgen. Hierbei sind Marketing-Maßnahmen zu unterstützen.

Suche nach einem Pächter.• Subventionierung und Unterstützung von Umbaumaßnahmen und anderen Modernisierungen• Umnutzung leerstehender Wirt-schaftsgebäude, ggf. Abriss• Steigerung der Attraktivität durch beispielsweise Tourismus

Um einen behutsamen Rückbau herbeizuführen, sind folgende Ansätze verallgemeinerbar:

• Unterstützung von Hauseigentümern durch die Kommune bei Abriss ihrer Gebäude bzw. Aufkauf des Grundstückes durch die Gemeinde• Optimale Umstände für einen möglichen Wegzug bzw. das Schaff en von altersgerechten Wohnsitzen.• Unterstützer Verkauf / Verpachtung von Äckern und Grünfl ächen• Behutsamer Rückbau des Sied-lungsbereiches und der technischen Infrastruktur

Die Kommune mit Nähe zu Klein-

und Mittelstädten stellt Oberndorf dar. Der Ort ist ein guter Wohnstandort für Pendler. Es herrscht ein Gemein-schaftsgefühl unter den Bewohnern. Es konnten Wanderungsgewinne durch die Nähe zum nah gelegenen Mittelzentrum erzielt werden.Konzeptionell steht hier eine Innen- vor der Außenentwicklung, sodass keine weitere Baulandausschreibung erfolgen darf. Es existieren genug Flächen im Ortskern, die in einem Freifl ächenkataster erfasst werden. Mit Bürgerbeteiligung können in Workshops auch Nutzungs-möglichkeiten für die freien Flächen gefunden werden. Eine Sanierung bzw. der Abriss von leerstehenden Häusern ist in Betracht zu ziehen, um mit freien Flächen den Ort besser zu strukturieren. Das Ziel der nachhaltigen Innenentwick-lung mit einem gestärkten lebendigen Ortszentrum ist zu verfolgen, um eine erhöhte Attraktivität zu erreichen. Individuell gegenebene Potentiale sind zu erkennen und zu verfolgen, wie die bessere Einbindung eines Flusses in den Ort.

Übertragbarkeit auf andere Regionen

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Die eigenständige Kommune stellt Altengronau dar. Ein relativ eigenständiger Ort, welcher als sozialer Verbund funktioniert. Gewisse Alleinstel-lungsmerkmale sind hier gegeben. So gibt es eine gute Infrastruktur, ein lebendiges Vereinsleben und eine Versorgung durch den ‚Nahkauf‘. Defi zite sind in der hohen Leerstandsrate, der hohen Flächenver-fügbarkeit und dem Gewerbeleerstand auszumachen. Konzeptionell steht die Wohn- und Gewerbefl ächenent-wicklung im Vordergrund, wozu die Eigentümer in die Pläne mit einbezogen werden müssen. Erhalt und Ausbau der vorhandenen Ortsstrukturen mit einer klaren Defi nition der zentralen Bereiche ist ein Ziel, welches mit einer Funktions-erhaltung des Ortes einhergeht.Auch potentielle regionale Anpassungen, wie der Ausbau von Rad- und Wanderwegen und die Erstellung eines Tourismuskonzepts, sind in Betracht zu ziehen.

Die Kommune mit Zentrumsfunk-

tion stellt Sterbfritz dar. Der Ort fungiert als Versorgungszentrum für die Gemeinde Sinntal und auch darüber hinaus. Mit Supermarkt, Discounter, Getränkemarkt, Drogerie, Tankstellen, Apotheken, Bankfi lialen, Ärztehaus, etc. ist der Ort sehr gut ausgestattet. Die vielen Freifl ächen im Ort sind auff ällig, sodass eine Innenentwicklung vor der Außenentwicklung des Ortes Priorität haben sollte. Daneben sollten die Ortsstrukturen erhalten und ausgebaut werden, um eine langfristige Sicherung als Gemeindezentrum sicherzustellen. Konzeptionell wurde die Bedeutung des Ortes als Versorgungszentrum anhand von Einzugsanalysen der wichtigen Versorger aufgenommen. Dabei wurden viele übergemeindliche Beziehungen zu anderen Orten festgestellt.Individuelle Defi zite sind in Gesprächen mit den Bürgern zu suchen, sodass Probleme z.B. im Jugendbereich gelöst werden können.

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SPESSART

STRUKTURWANDEL

regional

SPESSARTregional e.V. Main-Kinzig-Kreis Universität Kassel

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Weiterführende Aspekte

Globalisierung, wie sie den ländlichen Raum prägt und welche Chancen sie ihm bietet

Einfl uss der Familie auf die Wahl des Wohnortes

Bioenergiedörfer - Chancen für den ländlichen Raum

Ökodörfer - Neue Wege und Identitäten

Sinus-Milieus als Hilfe bei der Entwicklungsplanung

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel

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Globalisierung,wie sie den ländlichen

Raum prägt und welche Chancen sie ihm bietet

Chris Volkmer

Kassel 2010

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Globalisierung, wie sie den ländlichen Raum prägt und welche Chancen sie ihm bietet

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen192

die im Dorf bleiben errichten sich oft ein neues Haus am Dorfrand bevor sie das Haus der Familie übernehmen, das führt dazu, dass ein großer Teil der Häuser leer steht. Gebäude mit historischem Wert verfallen und der Wert der Immobilien sinkt.Weiterhin zu kämpfen haben die Vereine, welche oft mit denen aus Nachbardörfern fusionieren um die benötigte Anzahl an Mitgliedern zu erreichen. Genau so ergeht es z.b. Schulen und Pfarrhäusern, welche ebenfalls mit denen aus benachbarten

Menschen die Dörfer verlassen, um in den Städten oder sogar im Ausland einer Berufsausbildung nachzugehen. Vor allem auch die Bildungsreformen der letzten 60 Jahre machten es möglich, dass Kinder vom Land jeden Berufs ausüben können und dies auch tun.Dadurch fehlen den Senioren ihre Kinder, welche traditionsgemäß die Pfl ege im Alter übernehmen und sich um ihre Eltern kümmern.Die großen Abwanderungen sind also ein besonders großes Problem, auch die,

Wie die Städte, sind auch die Dörfer von der Globalisierung betroff en, anders als jedoch für die Stadt scheinen die Auswirkungen auf das Dorf und seinen individuellen Charakter äußerst bedrohlich.Ein gravierender Faktor sind z.b. Einzel-handelsketten, die sich in den kleinen Städte ansiedeln und durch die heutige Mobilität damit auch die umliegenden Dörfer mit Lebensmitteln,Kleidungen, Möbeln etc. versorgen können. Viele Dorfbewohner nutzen dieses Angebot, da sie hier zu wesentlich günstigeren Preisen einkaufen können und schaff en somit die Voraussetzung für den Untergang vieler Dorf eigener Lebensmittel- und Handwerksgeschäfte.Außerdem gehen dadurch auch einige Traditionen unter, z.b. wenn die örtlichen Bäcker ihre hausgemachten frischen Brötchen nicht mehr verkaufen können, weil eine Filiale einer Backwarenkette ihre Brötchen aus vorgefertigtem Teig weitaus günstiger anbieten kann.Aber auch die Landwirte müssen sich gegen starke Konkurrenz behaupten, in diesem Fall aus dem Ausland. Und so wird moderne Technik eingesetzt, um Kosten zu sparen. GPS-gesteuerte Mähdrescher mit riesigen Schnittbreiten und automatisierte Melkmaschinen ersetzen den Großteil der Arbeitskraft.Nur einer der Gründe, warum viele junge

ehemaliger „Tante Emme Laden“ in Neustall

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Dörfern zusammengefasst werden, da sie sonst einfach nicht bezahlbar wären. Das Dorf für sich verliert somit weiterhin stark an Autonomie.Man sieht, dass der ländliche Raum der große Verlierer der Globalisierung ist, Traditionen drohen in Vergessenheit zu geraten und die Lebensqualitäten, die das einstige Dorfl eben seinen Bewohnern bot machen einen starken Wandel durch.Wie kann man diesen Veränderungen nun entgegenwirken? Und wie kann man vor allem die Neuerungen, die die Globalisierung mit sich bringt dafür nutzen.

Dafür gibt es verschiedene Beispiele:z.b. wandern die meisten Menschen aus den Dörfern ab aus berufl ichen Gründen. Viele der heutigen Betriebe, sei es aus Industrie oder dem Dienst-leistungsbereich sind durch die globale Vernetzung immer weniger auf die Nähe zu einer Stadt angewiesen. Kleineren Unternehmen, z.b. aus dem IT-Bereich könnte man einen Dorf-nahen Standort schmackhaft machen um sie dort anzusiedeln. Es gibt auch Beispiele aus der Industrie, bei denen aus kleinen Betrieben, die zur Zeit der Industriali-sierung in Dörfern entstanden heute große global agierende Unternehmen geworden sind, so z.b. Metallverarbei-

tungs- oder Forstbetriebe, die dadurch ganze Gemeinden mit Arbeitsplätzen versorgen.Es können auch kleinere Einzelhändler sich das Internet zu Nutze machen und ihre Waren online vermarkten, wenn sie in ihrer Gemeinde nicht mehr genug Absatz fi nden, hier kann vor allem eine Spezialisierung und das Finden von Lücken zum Erfolg führen.Im Süden Deutschlands geht die Warenhaus-Kette Globus mit gutem Beispiel voran und lud sich als Untermieter für seine Warenhäuser örtliche Bäcker ein, welche hier nach traditioneller Art und mit Rohstoff en aus der Umgebung ihre Waren herstellen. Genauso wird das Sortiment der Lebensmittel durch zahlreiche Produkte aus der Umgebung ergänzt, welche sogar bis in Filialen im Ausland exportiert werden.Ein weiterer Punkt ist das Bewusstsein der Tradition und Identität eines Dorfes, welche sich in Zeiten von Massengütern

und Vereinheitlichung immer weiter aufl ösen, dadurch entwickeln auch die jungen Leute schwerer ein Heimatgefühl, dass sie nur in ihrem Dorf bekommen können. Zunehmend verlieren die Dörfer auch an Attraktivität, dadurch dass sie ausgedünnt werden und das Leben auf der Straße stark abnimmt.Hier versucht die Kommunalpolitik schon vieler Orts entgegenzuwirken in dem sie die Anzahl der Neubauten pro Jahr stark limitieren um mehr Leute zum Sanieren leerstehender Häuser zu animieren. Vor allem gilt es auch Zentrale Orte der Begegnung zu schaff en, da viele Dorfkneipen schließen mussten und die Hauptstraße meist durch den regen Autoverkehr als Ort der Begegnung ungeeigneter geworden ist. Diese Orte könnten z.b. zu Kulturzentren umgebaute Häuser und Höfe sein, welche den Dorfbewohnern Platz und Möglichkeit für Veranstaltungen oder Ausstellungen geben, ebenso um z.b.

Dorfscheune in Pfaff enhausenSchuhfabrik „ALSA“ in Neustall

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Globalisierung, wie sie den ländlichen Raum prägt und welche Chancen sie ihm bietet

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ein öff entlich zugängliches Dorfarchiv aufzustellen, um die Traditionen überliefern zu können und auch jüngeren Leuten das Bewusstsein dafür zu schärfen.Auch könnte sich in vielen Orten ein kleiner Anteil an Tourismus, bzw. Ferienwohnungen lohnen, die ebenfalls in leerstehenden Häusern entstehen könnten um Stadtbewohnern, welche sich nach der dörfl ichen Idylle und der frischen Luft sehnen ein alternatives Reiseziel zu bieten.Um die Pfl ege der älteren Bevölkerung zu gewährleisten, werden in Zukunft noch verstärkt einige mobile Pfl egedienste für den ländlichen Raum entstehen. Auch gibt es in einigen Orten Projekte, welche Seniorenzentren auf dem Land realisieren oder dies als Ziel haben.In manchen Orten werden auch viele Sportveranstaltungen und Feste initiiert, um Menschen der Umgebung in das Dorf zu holen und die eigene Wirtschaft zu stärken. Gleichzeitig wird dadurch auch Aufmerksamkeit auf dieses Dorf gelenkt und der Kontakt zu umliegenden Orten gestärkt.Ein weiteres Beispiel, bei dem die skandinavischen Länder voran gingen, wird in immer mehr Ländern angewandt. Und zwar die Vernetzung dörfl icher Aktionsgruppen über das Internet. Das ermöglicht zum einen ein gemeinsames

politisches Agieren, sowie vor allem auch der Austausch von Erfahrung zu verschiedenen Projekte, die den Problemen entgegenwirken sollen.Dadurch können erfolgreich durchgeführte Projekte einiger Gemeinden auch andere Gemeinden anstiften, ähnliche Projekte durchzuführen. Wenn eine Idee anderorts bereits zu einer Verbesserung geführt hat ist es wesentlich leichter Kommunalpolitiker oder Investoren von einem Projekt zu überzeugen. Meist reicht jedoch schon der Ideenaustausch, um den Handlungsdrang zu wecken.Eine Gemeinde im Saarland hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, wieder einen eigenen Lebensmittelladen zu errichten, in dem Lebensmittel aus der Umgebung angeboten werden und durch Importartikel ergänzt werden. Dies regte auch die Bewohner des Dorfes Ellershausen in Nordhessen an, in dem ein neuer Verein gegründet wurde, in dem Besitzer verschiedener Betriebe sich nun dafür einsetzen, die Tradition wieder in den Vordergrund zu bringen und andere Orte für ihre Idee zu gewinnen.Es ist oft sehr schwierig der Globalisierung im ländlichen Raum den Kampf anzusagen.. Aber wichtig ist, dass viele Bewohner im ländlichen Raum bereit sind sich für ihre Gemeinde einzusetzen,

dieses Bewusstsein muss nun auch stärker in der jüngeren Generation vertreten sein, damit Dörfer die Kraft entwickeln können, wieder autonomer werden zu können. Den Fortschritt, den die Globalisierung mit sich bringt, wird dabei sicher helfen.

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195Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Globalisierung, wie sie den ländlichen Raum prägt und welche Chancen sie ihm bietet

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Einfl uss der Familie auf die Wahl des Wohnortes

Doreen Konradi

Kassel 2010

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Einfl uss der Familie auf die Wahl des Wohnstandortes

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen198

Die Familie hat einen großen Einfl uss darauf wie und wo wir leben. Nicht nur wie wir aufgewachsen sind wirkt sich meist stark auf die späteren Lebensumstände aus sondern auch die derzeitige Lebenssituation ob in der klassischen Familie, alleinerziehende Eltern oder eine Patchwork-Familie.

Es gibt viele unterschiedliche Ansichten und Vorzüge. Wer auf dem Land aufgewachsen ist, den zieht es meist auch wieder dorthin. Auch wenn übergangsweise die Stadt als der ideale Wohnort erscheint. In der heutigen Zeit entscheiden sich immer mehr junge Leute für die Arbeit in der Stadt. Aber ist dieses Leben auch noch attraktiv mit Kindern und Familie? Möchte man nicht irgendwann das unabhängige Leben aufgeben und einer festen Gemeinschaft angehören?

Dieser Artikel behandelt die verschiedenen Lebensumstände, die sich auf die Wohnsituation auswirken. Wird ein Einfamilienhaus als „Altersvorsorge“ oder eine Wohnung für die Flexibilität bevorzugt? Diese verschiedenen Lebensumstände werden anhand von Beispielen und Interviews analysiert und verglichen.

Kassel Wehlheiden

Kassel Rothenbergsiedlung

Blick über Westhausen (Eichsfeld)

Wie unsere derzeitige Lebenssituation aussieht, bestimmt unsere aktuelle Wohnsituation. Leben wir in einem Einfamilienhaus, einer Wohnung? Auf dem Land, in der Stadt oder einem Randgebiet? Wohnen wir zur Miete oder einer Eigentumswohnung oder Einfamilienhaus? Und ganz besonders in welcher Lebensform: allein, in einer Partnerschaft, einer Familie oder noch bei den Eltern. Diese verschiedenen Lebensumstände wechseln im Laufe des Lebens ständig. Meist durchlebt man viele unterschiedliche Stadien und Konstellationen. So ergibt es sich dass sich auch unser Wohnumfeld und unsere eigenen Lebensformen ändern, ob gewollt oder zwangsweise.

Das traditionelle Bild einer deutschen Durchschnittsfamilie sieht so aus: verheiratete Eltern und meist zwei Kinder oder drei Kinder wohnen gemeinsam in einem Haus in einer ruhigen Gemeinschaft. Während des 20. Jahrhunderts hat sich das Bild der Familie grundlegend geändert. Früher sah es so aus, dass der Großteil aller Familien gleich strukturiert war: Eltern, Großeltern und minderjährige Kinder lebten, teilweise mit anderen Verwandten, unter einem Dach und bewirtschafteten gemeinsam das Land. In der heutigen Zeit gibt es viel verschiedene Arten zu

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leben. Während der letzten 30-40 Jahren stieg der Anteil der „entgegen der Norm entsprechenden“ Lebensformen an. Es gibt immer mehr Familien mit unverheirateten Partnern mit oder ohne Kinder, Alleinerziehende und Single-Haushalte. Wobei der überwiegende Teil in Deutschland jedoch in einer Gemeinschaft mit verheirateten Eltern mit meist zwei Kindern lebt. Von 1955 bis 2000 sank die durchschnittliche Personenzahl eines Haushaltes von 2,99 auf 2,17. Hierzu kommt dass ca. zwei Drittel der Haushalte Eingenera-tionshaushalte sind, in denen nur eine einzelne Person oder ein Paar ohne Kind lebt. Nur jeder Dritte ist ein Mehrgenera-tionshaushalt von denen nur ein Viertel in einer Ehe leben. Bis zum jungen Erwachsenenalter wohnen die Kinder meistens ledig bei den Eltern im Haushalt. Ab dem 30. Lebensjahr gibt es am Häufi gsten Familien mit Partnern und einem oder mehreren Kindern. Bis Mitte 50 ist dies die meist zu fi ndende Lebensform. Wobei dies im Vergleich zwischen Männern und Frauen variiert. Frauen leben danach meist in nachelterlichen Partnerschaften ohne Kinder im Haushalt. Männer befi nden sich zum größten Teil bis ins hohe Alter in Partnerschaften im Gegensatz zu den Frauen ab dem 75. Lebensjahr, die häufi g alleinstehend ihren Lebensabend

verbringen. Zwischen dem Auszug bei den Eltern und der Gründung einer eigenen Familie mit Kindern erstreckt sich in der heutigen Zeit eine lange Lebensphase. In diesem Lebensabschnitt ziehen die jungen Erwachsenen meist wegen der Ausbildung oder dem Studium vom Land in die Stadt. Oft ist es auch der Wunsch nach Abwechslung und Weiter-entwicklung. In städtischen Regionen gibt es mehr Möglichkeiten sich zu entfalten und die vielseitigen Freizeitan-gebote zu nutzen. In dieser Lebensphase scheint das Stadtleben die ideale Lösung. Für Familien mit Kindern fällt die Entscheidung des Wohnortes meist auf ein Haus oder Wohnung im Grünen, also in der Vorstadt oder auf dem Land. In den häufi gsten Fällen ist dies im Heimatort oder in der unmittelbaren Nachbarschaft. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft, Ruhe und Familie überwiegt. Abgesehen von den niedrigeren Grundstückspreisen zählt wohl auch das Bedürfnis nach Sicherheit. Die Kriminalitätsrate liegt in den Städten um einiges höher als in den Stadtrand- oder Landregionen woraus sich zwangsweise ergibt dass viele junge Familien diese Gebiete bevorzugen. Meist lebt man in den Randgebieten und arbeitet in der Stadt. Ende 2003 lebten 15 % der Haushalte im ländlichen Raum, 35 % im sogenannten halbstädtischen

und 48 % im städtischen Raum. Seit 1994 haben sich die Zahlen im Stadtgebiet kaum verändert. Im Gegensatz zu den Randgebieten in die viele Haushalte aus den ländlichen Regionen zuzogen. Ungebundene Familien ohne Kinder und Single-Haushalte entscheiden sich oft für das Leben in der Stadt oder dem Stadtrand, meist in der Nähe zur Arbeit oder Uni. Die hohen Zahlen im Stadtgebiet lassen sich wohl darauf zurückführen dass die Zahl der Familien-haushalte mit Kindern rückläufi g ist. In Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern beträgt der Anteil der Sing-le-Haushalte 50 %, in kleinen Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern nur 28 %. Die möglichen Ursachen für die hohe Zahl an Single-Haushalten können sein: der Geburtenrückgang, das längere biologische Aufschieben der Elternschaft, wachsende Kinderlosigkeit, Anstieg der Scheidungsziff ern, höhere Lebenserwartung bzw. Alterung der Gesellschaft und Migrationsfl üsse, Wandel in Wirtschafts- und Siedlungs-strukturen, schulische und berufl iche Bildung und die allgemeine Wohlstand-steigerung.

In der heutigen Zeit des Umbruchs wird ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität vorausgesetzt. Mit der Form der Wirtschaft ändert sich auch die Form des

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Einfl uss der Familie auf die Wahl des Wohnstandortes

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen200

Zusammenlebens. Da die Familie noch immer die Konstante zwischen allen Veränderungen ist, hat sie den höchsten Stellenwert in der Lebensplanung.Wenn ein Elternteil eine Arbeitsstelle mit großer Distanz zur Heimat bekommt, zieht meist der Rest der Familie, üblicherweise der Partner und die Kinder, hinterher. Aber wo leben sie dann? Kaufen sie ein Haus oder eine Eigentumswohnung und werden in der Ferne sesshaft? Oder ist es nur eine Übergangslösung und man wohnt für diesen Lebensabschnitt zur Miete?

In den folgenden Berichten wird gezeigt wie es Familien erging nachdem sie aus berufl ichen Gründen die Heimat verlassen mussten. War die Entscheidung des Wegzugs richtig? Welche Probleme ergaben sich? Wie sieht die Zukunft aus? Was hätte man anders machen können?Drei Familien aus dem nordthüringi-schen Eichsfeld berichten im Interview über ihre Erfahrungen und persönlichen Meinungen.

Familie M. aus Thalwenden (EIC) Doreen und Daniel M. (beide Mitte 30, verheiratet, 1 Sohn, 2 Töchter) wuchsen auf dem Land in kleinen Dörfern mit ca.500 Einwohnern auf. Nachdem sie einige Jahre in einem eigenständigen Haushalt im Haus der Eltern lebten, bekam

Daniel eine Arbeitsstelle im hessischen Butzbach. Nach ca. einem halben Jahr zogen Doreen und der gemeinsame Sohn hinterher. „Das war aber von Anfang an nur als Übergangslösung gedacht. Wir wussten beide, dass es uns wieder in die Heimat zieht.“ so Daniel. Sie zogen zwischenzeitlich in eine größere Wohnung, da sie Zwillinge bekamen und die alte 2-Raum-Wohnung zu klein wurde. Aufgrund eines späteren Rückzugs in die Heimat entschied sich Familie M. für das Leben zur Miete. Zwischenzeitlich bauten sie sich ein zweites Standbein im Internethandel auf um auch zukünftig in der Heimat fi nanziell abgesichert zu sein. „Da im Eichsfeld ein Mangel an Arbeitsplätzen herrscht, musste ich mir irgendeine Lösung einfallen lassen wie ich meine Familie in Zukunft versorgen kann. Durch meinen sicheren Beruf hatte ich die Möglichkeit ohne Risiko ein zweites Standbein aufzubauen. Der Internethandel schien mir die fl exibelste Alternative um egal wo in Deutschland arbeiten zu können.“ Auch privat haben sich die beiden nie wie zu Hause gefühlt. „Man fi ndet schlecht Anschluss wenn man fremd in eine Gegend zieht.“ sagen sie: “ Vor allem in der Kinderbetreuung hat mir meine Familie gefehlt. Arztbesuche und sonstige Termine forderten immer eine lange Vorplanung.“ wie Doreen im Gespräch berichtet. “ Und auch

sonst ist man oft allein wenn der Mann arbeitet. Es fehlt einfach die gewohnte Umgebung und Gemeinschaft.“ So oft es ging fuhren sie mit ihrer Familie ins Eichsfeld, was auf Dauer auch sehr anstrengend und zeitaufwändig war. Im Jahr 2006 entschlossen sie sich ein Haus im Heimatort umzubauen und wieder zurückzuziehen. „ Es war eine schöne Erfahrung für uns. Wir bereuen es nicht auch mal was anderes gesehen zu haben und unsere Kenntnisse erweitert zu haben.“ so die beiden. “Aber jetzt sind wir glücklich in der Heimat Fuß gefasst zu haben.“

Ein weiteres Beispiel für den Wegzug aus der Heimat ist Anne S. (30, alleinerziehend, 1 Tochter) Anne lebt seit 2008 gemeinsam mit ihrer 3-jährigen Tochter in einer 2-Zimmer-Wohnung in der Nähe von Ilmenau in Thüringen. Nachdem die Elternzeit beendet war, konnte sie wegen der Wirtschaftskrise nicht wieder in ihren alten Job zurückkehren. Sie bekam eine Stelle an der Uni im 120-km-entfernten Ilmenau und entschied sie gemeinsam mit ihrer Tochter dorthin zu ziehen. „Es war am Anfang nur ein Versuch wie ich damit zurechtkomme. Solange die Kleine noch nicht durch die Schule gebunden ist, ist das noch nicht so kompliziert.“...“Ich wusste dass

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ich jederzeit wieder zurück kann., sonst hätte ich nicht den Mut dazu gehabt.“ Sie leben dort in einer Mietwohnung, da sie im Eichsfeld eine Eigentumswohnung besitzt und diese auch nicht aufgeben möchte. „ Das ist meine Heimat. Ich bin dort aufgewachsen und habe meine Familie und meine Freunde. Als Alleiner-ziehende fühlt man sich oft überfordert, da ist es besonders wichtig Menschen zu haben auf die man sich verlassen kann.“ Ob sie in den nächsten Jahren wieder in die Heimat zieht bleibt abzuwarten: “ Ich werde jetzt erst mal sehen wie es mit der Arbeit weitergeht. Mein Vertrag wird verlängert und dann bekomme ich wahrscheinlich eine Festeinstellung. Mittlerweile habe ich mich auch schon ein wenig eingelebt und es gefällt mir hier.“

Ein drittes Beispiel ist die Familie L aus Westhausen (Mike (37) und Miriam (27) verheiratet, 1 Sohn Nachdem Miriam L. für die Berufsausbildung 3 Jahre allein in der Nähe von Frankfurt/ Main lebte, begann sie ein Studium im nahe der Heimat gelegenen Göttingen, wo sie in einem Zimmer einer Studenten-WG wohnte. Gemeinsam wohnten Miriam und Mike in einer 2-Zimmer Wohnung ca. 5 Kilometer vom Heimatort entfernt. Da beide sehr stark in ihrem Heimatort in den dort ansässigen Vereinen, wie

Feuerwehr und Sportverein, engagiert sind, war für beide klar dass sie dort auch ihr Leben verbringen möchten. Trotz einiger Einschränkungen im Vergleich zum Stadtleben bewohnen sie zum Übergang eine 3-Zimmer-Wohnung im Heimatort. „Wir mussten Prioritäten setzen und Abstriche in der Bequemlichkeit in Kauf nehmen. Mir fehlt am meisten die Unabhängigkeit und die Spontanität. Jeder Weg, sei es zum Einkaufen oder Arztbesuche, muss geplant werden. Auf ein Auto sind wir angewiesen.“ Es gibt nur einen Metzger, wo man auch die wichtigsten Lebensmittel bekommen kann. Größere Einkäufe werden im nahegelegenen Heilbad Heiligenstadt mit ca. 17 000 Einwohnern oder im 30 km entfernten Göttingen erledigt, sowie der Weg zur Arbeit muss mit dem Auto zurückgelegt werden. Die Busverbindungen sind unregelmäßig und kompliziert und einen Bahnhof gibt es nur im Nachbarort. Auch in der Infrastruktur müssen einige Kompromisse eingegangen werden. Bars, Cafés und Discotheken gibt es nur in den nahegelegenen Städten, ein Kino erst in 30 km Entfernung. In Westhausen gibt es weder eine Bankfi liale noch DSL-Anschluss. „Das ist für mein Studium hinderlich. In Göttingen konnte ich schnell und ohne Probleme auf die Internetportale zugreifen. Hier ist das

alles viel langsamer und komplizierter.“ Obwohl sie öfter überlegten doch in der Stadt wohnen zu bleiben, hat dann der Familiensinn und der Wunsch nach der gewohnten Dorfgemeinschaft überwogen. „ Auch für unseren Sohn gibt es im Dorf mehr Abwechslung. Die Großeltern sind vor Ort und die Natur und die Landschaft bietet einige Vorzüge gegenüber der Stadt. Es gibt einige Bauernhöfe und naheliegende Weiden auf denen der Kleine spielen kann und seine Entwicklung gefördert wird.“ erklärt Miriam im Gespräch „Man triff t an jeder Ecke bekannte Gesichter und kennt sich. Teilweise auch schon das ganze Leben lang. Was aber manchmal auch von Nachteil sein kann.“ sagt sie lächelnd. Ihr Mann ergänzt: „Ich sehe auch dass es Vor- und Nachteile gibt hier zu leben. Ich kenne es aber nicht anders. Sicher sind manche Dinge in der Stadt bequemer, aber ich möchte ein überschaubares, bodenständiges Leben. Es war schön und interessant auch andere Möglichkeiten zu sehen und auszuprobieren. Aber mein Plan war schon immer ein Haus im Grünen. Und in den kommenden Jahren möchten wir das auch verwirklichen.“

Aus diesen Erfahrungen kann man den Schluss ziehen dass es immer unter-schiedliche Meinungen und Ansichten

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gibt. Jede Person entscheidet selbst wo und wie sie lebt. Man kann das nicht verallgemeinern. Meist ist es so, dass die gewohnten Lebensweisen der Eltern und Großeltern übernommen werden. Es kann aber auch genau der gegensätzliche Standpunkt vertreten werden. Da sich im Laufe des Lebens immer wieder die Situation ändert, muss man spontan und gleichzeitig vorausschauend reagieren. Bei der Planung eines Einfamilienhauses z.B. bedarf es einer langen Vorplanung. Man will sich sicher sein ob man auch die kommenden Jahre dort leben kann und will. Dabei ist es auch wichtig zu berücksichtigen dass mindestens für die kommenden 20 Jahre gebaut wird. Wie sieht in der Zeitspanne meine Familie aus? Plane ich für die Kinder bis zum 18. Lebensjahr? Können später die Kinder auch mit der eigenen Familie einziehen? Wohnen noch Großeltern im Haus, die nur noch eine bestimmte Zeit leben? Was passiert wenn alle ausziehen und zu viel Platz für zwei Personen vorhanden ist? Es kommt oft vor dass die Kinder berufsbedingt oder aus anderen persönlichen Gründen wegziehen und die Eltern ursprünglich geplant haben dass sie dort wohnen bleiben. Dann ist meist das Haus zu groß und kann allein von einem Paar nicht mehr unterhalten werden. In diesen Situationen fällt es dann oft schwer die gewohnte Umgebung zu

Stadtvillen Leinefelde – Worbis

Stadtvillen Leinefelde – Worbis

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verlassen und das Haus zu verkaufen. In den letzten Jahren bevorzugen immer mehr Menschen das Leben in Wohnungs-gemeinschaften mit Mietwohnungen oder Eigentumswohnungen. So bleiben sie fl exibel und können sich den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Es gibt in diesem Bereich ein breites Spektrum an Angeboten und Möglichkeiten. Am weitesten verbreitet ist der Bau über Bauträger, die spezielle Wohnanlagen erstellen indem sie u.a. die Finanzierung, die Grundstücksbeschaff ung, die Baubetreuung und die Unterhaltung der Immobilie übernehmen und dann die einzelnen Wohneinheiten vermieten oder verkaufen. In diesem Fall muss sich der spätere Eigentümer um diese Dinge nicht zu kümmern. Da die Wohneinheiten in Bauträger-projekten aber meist sehr teuer sind, schließen sich Bauherren immer mehr zu privaten Baugruppen zusammen. Sie können hier die Realisierung von Wohneigentum kostengünstiger und individueller durchführen. Sie planen die eigenen Wohneinheiten nach ihren persönlichen Vorstellungen, profi tieren aber gleichzeitig von der Gemeinschaft. In der Planungs- und Bauphase wird die Finanzierung gemeinsam getätigt und durch die gemeinsame Arbeit die Gemeinschaften gefestigt. Die weitere Unterhaltung der Immobilie wird durch

Nachbarschaftshilfe und Arbeitsteilung geleistet und in Gemeinschaftsberei-chen das Zusammenleben gepfl egt.Im Besonderen profi tieren ältere Menschen von Wohnungen in Wohnsiedlungen. Sie leben unter Gleichgesinnten meist im städtischen Raum, können so von den Möglichkeiten profi tieren und leben nicht isoliert auf dem Land. Sie sind meistens nicht mehr in der Lage sich um die Unterhaltung einer Immobilie zu kümmern und nutzen hier die Vorteile der Betreuung. Ein weiterer Vorteil dieser Gemeinschaften ist die Möglichkeit Wohnungen zu wechseln je nachdem wo der derzeitige Anspruch liegt. Man bleibt im gewohnten Umfeld, in der gleichen Nachbarschaft und muss sich nicht umgewöhnen und einen großen Umzugsaufwand betreiben.

Wenn man die Veränderungen im Zusammenleben in den letzten Jahren anschaut, kann man erkennen dass es eine schwierige Aufgabe für Architekten und Planer ist ein geeignetes Wohnumfeld für Familien zu gestalten und zu planen. Man muss viele unter-schiedliche Aspekte mit einbeziehen wenn z. B. Eine Wohnanlage oder ein Einfamilienhaus gebaut werden soll. Es muss vorausschauend und nachhaltig über viele Jahre den Ansprüchen der Eigentümer gerecht werden.

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen204

Quellen

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „ Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik“

„Betonprisma - Beiträge zur Architektur - Familie“ Ausgabe 89/2009

http://www.presseportal.de/pm/24964/253035/immowelt_ag?search=presseportal//

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/BauenWo

hnen/Wohnsituation/Aktuell,templateId=renderPrint.psml

http://www.schader-stiftung.de/wohn_wandel/822.php

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Bioenergiedörfer - Chancen für den ländlichen Raum

Kassel 2010

Andreas Bräuer

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Inhalt

1 Einführung

2 SPESSARTregional, ein Überblick über die Region

3 Das Bioenergiedorf3.1 Bioenergiedorf Freiensteinau Gunzenau3.2 Bioenergiedorf Rai-Breitenbach3.3 Bioenergiedorf Wächtersbach

4 Potential für Bioenergiedörfer in SPESSARTregional4.1 Überproduktion, Speicherung, Weitertransport4.2 Dorf-, Stadbild

5 Zukunftsaussichten

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1. Einführung

Eine Zukunftsweisende, an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Energienutzung wird gerade im ländlichen Raum immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund werden von verschiedenen Interessengruppen in ländlichen Kommunen bereits große Anstrengungen unternommen, zukunftsfähige Konzepte in Ortsteilen und dörfl ichen Gemeinschaften zur eigenständigen Energieversorgung umzusetzen. Dabei haben besonders Bioenergiedörfer in verschiedenen Varianten großes Interesse in der Öff entlichkeit gefunden. Mit dem Zusammenschluss zum Bioenergiedorf wird das Ziel einer unabhängigen, ökologisch ausgerichteten, dezentral angelegten und auf lokalen Ressourcen basierenden Energieversorgung verfolgt.Ein Beispiel ist das erste Bioenergiedorf Jühnde, welches mit seiner Biogasanlage als Forschungsprojekt begann und jetzt die dort lebenden 775 Menschen mit Strom und Wärme versorgt. Mittlerweile sind schon viele Dörfer wie z.B Gunzenau, Rai-Breitenbach und Wächtersbach und einige andere dem Vorbild gefolgt. Die Nutzung von Holz, einem regional verfügbaren, nachwachsenden Rohstoff , bietet sich gerade für den ländlichen

Raum in der waldreichen hessischen Mittelgebirgslage an. Wesentliche technische Merkmale solcher Bioener-giedörfer sind i. d. R. sehr leistungsstarke Heizzentralen und weitläufi ge Leitungsnetze zur Wärmeverteilung.Ein besonderer Reiz des Konzepts Bioenergiedorf liegt darin, das angestrebte Ziel der weitgehenden Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern gemeinschaftlich erreichen zu können und so eine Art Energieautarkie für das Dorf herzustellen. Wie wird solch eine Autarkie erreicht und welche Energielieferanten kommen zum Einsatz? Wird nur so viel Energie erzeugt wie man tatsächlich verbraucht, oder kommt es auch zu Überkapazitäten? Welche Vor und Nachteile gibt es?

In dem Folgenden sollen solche Fragen mit Blick auf die Region SPESSARTregi-onal untersucht werden.

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2. Spessart Regional

Der Spessart liegt im Main-Viereck zwischen den Städten Hanau, Miltenberg, Wertheim, Gemünden und Schlüchtern. Im Norden wird er durch den Lauf des Kinzigtals zwischen Hanau und Schlüchtern begrenzt. In Nordosten bildet das Sinntal den geografi schen Abschluss. Der nördliche Teil des Spessart, rund 40 % der Gesamtfl äche, gehört zum Land Hessen, der südliche Teil zum Freistaat Bayern.

Mit 12 Kommunen auf einer Fläche von 866 km2 und ca.136.000 Einwohner bildet der hessische Spessart die Region SPESSARTregional. Sie ist dem Regie-rungsbezirk Darmstadt zugeordnet. Mit dem Kinzigtal, dem Bergwinkel und dem inneren Spessart ergeben sich gewachsene Teilregionen. Insgesamt haben drei Landkreise und die kreisfreie Stadt Aschaff enburg Anteile am Spessart. Damit ergeben sich spezifi sche Erfordernisse an eine hessisch-bayeri-sche Zusammenarbeit, die im regionalen Entwicklungskonzept Berücksichtigung fi nden. Träger des regionalen Entwick-lungskonzeptes ist der „Verband Spes-sart-regional / Verband zur Entwicklung des hessischen Spessart e.V.“. Bei der Erstellung des Regionalen Entwick-lungskonzeptes wurde die Bezeichnung

SPESSARTregional eingeführt.Der südliche Teil der Region ist durch die Nähe zur Rhein-Main-Region geprägt, während der nördliche Teil stark ländlich strukturiert ist. Gewachsene Teilregionen sind das Kinzigtal, der Bergwinkel mit den vier Kommunen Bad Soden-Salmünster, Schlüchtern, Sinntal und Steinau sowie der innere Spessart, bestehend aus den Gemeinden Flörsbachtal, Jossgrund und Ortsteilen von Bad Soden-Salmünster, Biebergemünd und Steinau.In SPESSARTregional haben die für die Landwirtschaft ungünstigen Standorte

zu einer charakteristischen, von Wald- und Grünlandfl ächen geprägten, Kulturlandschaft geführt. Der Anteil des Dauergrünlandes liegt bei 65%. Die Artenvielfalt der Landschaft schlägt sich in einem hohen Anteil geschützter Flächen nieder. Die Schutzwürdigkeit und der Erlebniswert der Landschaft werden entsprechend hoch eingestuft. Die landwirtschaftlichen Betriebe sind kleinstrukturiert, die Region weist einer der höchsten Nebenerwerbsquote für Hessen aus. Die Kulturlandschaft ist durch den anhaltend starken Rückgang

[Abb.1] Gebiet SPESSARTregional

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Bioenergiedörfer - Chancen für den ländlichen Raum

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der landwirtschaftlichen Betriebe in ihrem Erhalt gefährdet. Besonders augenfällig ist der Rückgang der milch-viehhaltenden Betriebe. Im Gegensatz zu anderen Regionen ist der Grad der Diversifi zierung landwirt-schaftlicher Einkommen gering. Die Direktvermarktung regionaler Produkte hat sich trotz guter Absatzmöglichkeiten nicht entwickelt. Eine Verknüpfung von Landwirtschaft und Tourismus fi ndet nur in geringem Umfang statt. Das kulturhis-torische Potential, dass sich durch die wechselhafte Geschichte von SPESSAR-Tregional begründet, bleibt weitgehend ungenutzt. Auch ergibt sich keine nennenswerte Verknüpfung mit der touristischen Angebotsentwicklung. Die größten Biomassepotentiale ergeben sich derzeit durch den Energieträger Holz, andere Bereiche der regenerativen Energiegewinnung sind in SPESSARTre-gional weitgehend ausgeschöpft.

3. Das Bioenergiedorf

Ein Bioenergiedorf ist ein Dorf, das einen großen Teil seines Strom- und Wärmebedarfs unter Nutzung von überwiegend regional bereitgestellter Biomasse selbst deckt. Es dient unter anderem dem Klimaschutz und kann die regionale Wirtschaft stärken. Das erste Bioenergiedorf wie eingangs erwähnt,

war Jühnde bei Göttingen und wurde in 2006 eingerichtet. Zahlreiche weitere Projekte wurden inzwischen umgesetzt.Grundsätzlich können in einem Bioenergiedorf alle Arten von Erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen. Wind- oder Wasserkraft, Solarenergie, Geothermie, Biomasse – oder auch ein Mix davon. Aber natürlich muss auch der Rohstoff zur Energiege-winnung bereitgestellt werden können. Prinzipiell sollten jedoch zunächst alle Möglichkeiten zur Energieeinsparung genutzt werden. Der große Vorteil der Biomasse gegenüber den anderen regenerativen Energien besteht darin, dass sie speicherbar ist – und damit unabhängig von Witterungsbedin-gungen. Im Gegensatz zu Wind- oder Sonnenenergie können Holz, Stroh, Energiepfl anzen oder andere Biomassen gelagert und zum gewünschten Zeitpunkt eingesetzt werden. Weil Hessen zu den waldreichsten Bundesländern überhaupt gehört (42% der Landesfl äche ist von Wald bedeckt), ist es naheliegend, dass die hessischen Bioenergiedörfer auf den Brennstoff Holz gesetzt haben und weiterhin setzen.

Mit einem Bioenergiedorf verbinden sich vor allem folgende Erwartungen:- Nutzung regionaler Ressourcen (eigener Wald)

- Kostenreduzierung durch gemein-schaftliche Eigenleistungen- Motivation der gesamten Dorfgemein-schaft für Klimaschutzziele- Einsparung des CO2 -Ausstoßes- Stärkung des Zusammenhalts und der lokalen Ökonomie- Mehr Unabhängigkeit von globalen Energieströmen-,Preisen - Gewinnung der Landespolitik und der Öff entlichkeit zur Unterstützung dieser Initiativen

Es gibt aber auch Herausforderrungen:- Unvermeidbare Netzverluste in der Größenordnung von häufi g über 30 % der Heizwärme- Die eigentlich energetisch sinnvolle Dämmung der angeschlossenen Gebäude wirkt sich negativ auf die Wirt-schaftlichkeit sowie den Betrieb der zentralen Wärmeerzeugungsanlage aus- Eine tatsächlich für die Anschlusswil-ligen kostengünstige Wärmeversorgung lässt sich oft nur mit hohen Investitions-zuschüssen erreichen.

Im Folgenden sollen Bioenergiedörfer mit ihren Energielieferanten und ihrem Einsparpotential an Heizöl und Gas aufgezeigt werden.

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3.3. Bioenergiedorf Wächtersbach

Die Stadt Wächtersbach ist seit 08/2009 mit Bioenergie ausgestattet. Energie wird über ein Holzhackschnitzelkraftwerk (ORC-Technologie, 1Mw Strom und 4Mw Wärme) sowie über einen Spitzenlast – Ölkessel (6Mw) gewonnen. Hiermit wird ein Nahwärmenetz von 6000m (im ersten Bauabschnitt) versorgt. Investitionsvo-lumen war ~10Mio. € wovon 200.000€ Förderrung von Land und 600.000€ vom Bund gekommen sind. Die Stadt hat 6654 Einwohner. Angeschlossene Liegenschaften sind 350 private Haushalte, Rathaus, Bürgerhaus, Feuerwehr, Bauhof, Schule mit Turnhalle, Warenhaus, Süddeutsche Feinmechanik und die Gemeinnützige Wohnungsbau-genossenschaft. Durch den Einsatz Regenerativer Energieträger ergibt sich eine Heizölersparnis von ca. 1Mio Liter Heizöl

3.2. Bioenergiedorf Breuberg Rai -

Breitenbach

Das Dorf Rai- Breitenbach ist seit 11/2001 ein Bioenergiedorf. Energie wird über eine Holzhackschnitzel – Anlage (250Kw), einem BHKW mit Holzvergasungssystem (110Kw), einen heizölbetriebenen Spit-zenlastkessel (1,6Mw) sowie über eine PV - Anlage (25Kw) gewonnen. Hiermit wird ein Nahwärmenetz von 7500m versorgt. Investitionsvolumen war 3,5Mio € wovon 430.000€ von Bund, Land und Kreis gefördert wurden. Das Dorf hat 890 Einwohner. Angeschlossene Liegenschaften sind 198 Haushalte sowie 2 Schulen + Turnhalle. Durch den Einsatz Regenerativer Energieträger ergibt sich eine Heizölersparnis von ca. 600.000 Liter Heizöl im Jahr sowie eine CO2 Reduktion von ca. 1200t. Der Anteil der Wärmebe-reitstellung aus Holz beträgt 80%.

3.1. Bioenergiedorf Freiensteinau

Gunzenau

Das Dorf Freiensteinau Gunzenau ist seit 11/2007 ein Bioenergiedorf. Energie wird über eine Holzhackschnitzelkessel mit 320Kw sowie über einen heizöl-betriebenen Spitzenlastenkessel mit 600Kw gewonnen. Hiermit wird ein Nahwärmenetz von 2300m versorgt. Investitionsvolumen war 834.000€ wovon 280.000€ Förderrung von Land und Bund gekommen sind. In dem Dorf leben 175 Einwohner. Angeschlossene Liegenschaften sind 36 Haushalte und ein Dorfgemeinschaftshaus. Durch den Einsatz Regenerativer Energieträger ergibt sich eine Heizölersparnis von ca. 110.000 – 130.000 Liter Heizöl im Jahr sowie eine CO2 Reduktion von ca. 300t. Der Anteil der Wärmebereitstellung aus Holz beträgt 70%.

[Abb.2] Bioenergiedorf Gunzenau [Abb.3] Bioenergiedorf Rai-Breitenbach [Abb.4] Bioenergiedorf Wächtersbach

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Bioenergiedörfer - Chancen für den ländlichen Raum

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen214

und ca. 1Mio3 Erdgas im Jahr sowie eine CO2 Reduktion von ca. 3500t. Der Anteil der Wärmebereitstellung aus Holz beträgt ca. 15.000Mwh/a (prozentuale Angabe nicht möglich).

4. Potential für Bioenergie-dörfer in SPESSART Regional

Die Energieversorgung von SPESSARTre-gional wird zum überwiegenden Anteil durch die Kreiswerke Gelnhausen GmbH sichergestellt. Die nördliche Region ist dem Netz der Überlandwerk Fulda AG angeschlossen. Mit 17% „grünem“ Stromanteil liegen die Kreiswerke über dem Bundesdurchschnitt von 9 %. Für die Zukunft strebt der Main-Kinzig-Kreis eine Versorgung von 300.000 Einwohnern mit „grünem“ Strom an.In SPESSARTregional erfolgt die regenerative Energiegewinnung im Wesentlichen aus Wind, Wasser und Sonne. Der Betrieb von Windkraftan-lagen konzentriert sich mit 17 Anlagen auf die Standorte in den Mittelgebirgs-lagen. Das Gemeindegebiet von Steinau bildet hier einen Schwerpunkt. Mit der gewonnenen Energie der insgesamt 38 Anlagen im Kreis können über 70.000 Menschen versorgt werden. Im Entwurf „ Regionalplan Südhessen“ werden mit Stand Mai 2007 neue Vorzugsfl ächen für Windenergie u.a. in Flörsbachtal

und Jossgrund bestimmt, so dass mit weiteren Anlagen zu rechnen ist. Die Wasserkraft wird derzeit in 45 Anlagen des Main-Kinzig-Kreises genutzt. Mit durchschnittlich 33 kW/Anlagen werden 8.000 Menschen mit Strom versorgt. Ein Schwerpunkt bildet die Stromerzeugung am Kinzigstausee. Mit der Neufassung des Erneuerbare–Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000 ergab sich ein enormer Anstieg bei den Installationen von Photo-voltaikanlagen. Es hat sich gezeigt, dass eine Planungs- und Investitionssicher-heit mit festgelegten Einspeisungsvergü-tungen die private und öff entliche Hand zu stärkerem Engagement motiviert. Auf Dächern der Liegenschaften des Main-Kinzig-Kreises sind derzeit 14 Photo-voltaikanlagen installiert, zusätzliche Standorte sind in Planung. Darüber hinaus bestehen konkrete Umsetzungs-vorschläge, die Flächen der Altdepo-niestandorte in Gelnhausen-Hailer sowie Schlüchtern-Hohenzell für die Stromproduktion mit Photovoltaikan-lagen zu nutzen. In der Endausbaustufe ist mit einer Leistung zu rechnen die den Strombedarf von ca. 5.000 Menschen deckt. Bei dem Bau des Landratsamtes in Gelnhausen hat der Main-Kinzig-Kreis auf die Erdwärmenutzung gesetzt. Damit können im Jahr bis zu 30.000 Liter Heizöl gespart werden. Die Biomasse-Potenzialstudie Hessen

weist für den Main-Kinzig-Kreis ein Bioenergiepotenzial von 1.000.000 bis 1.250.000 Mwh pro Jahr aus. Bezogen auf das spezifi sche Energiepotenzial liegt der Kreis mit 700 bis 800 Mwh pro km2 im mittleren Drittel. Das entspricht einem potentiellen Endenergiever-brauch von 13% des Landkreises bzw. einem Heizöläquivalent von 75 Mio. Liter /Jahr. Das entspricht einer Verteilung auf die Bereiche:

Bioenergiepotential Main-Kinzig-Kreis:Führt man sich vor Augen, dass 74 % der Waldanteile des Main-Kinzig-Kreises in der Region liegen, jedoch nur 55 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche, wird deutlich, dass im Energieträger Holz mit 295.700 MWh/a das größte Potenzial für SPESSARTregional zu sehen ist.Aktuell erfährt die Biomasseverwer-tung einen Aufschwung. In privaten

Biomasse Energiepotential % Anteil

Holz 295.700 MWh/a 37 %

Ackerbau 326.300 MWh/a 40 %

Grünland

und

Reststoff e

182.800 MWh/a 23 %

Quelle: Biomasse-Potenzialsstudie Hessen

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Haushalten, im gewerblichen Bereich sowie bei öff entlichen Gebäuden werden Heizungsanlagen für die Verwertung von Holz zur Wärmeversorgung umgestellt. In der Gemeinde Jossgrund entsteht auf Initiative der Bürger ein gemein-schaftliches zentrales Holhackschnit-zel-Kraftwerk zur Energieversorgung von 110 Häusern. Damit werden etwa 420.000 Liter Heizöl gespart. Das Sicher-heitszentrum, das landesweit einmalig die Freiwillige Feuerwehr, die Polizei und den Rettungsdienst in einem Gebäude beherbergt und die Gesamtschule in Wächtersbach haben zusammen mit anderen öff entlichen Gebäuden ebenfalls die Wärmelieferung aus einer Holzhack-schnitzelheizung erhalten. Das Heizöl-äquivalent beträgt ca. 210.000 Liter. Eine neue Dimension der Holzverwertung wird durch das Biomasseheizkraftwerk in Steinau erreicht. Strom und Wärme für Industrie und Gewerbe von 20 MW Wärmeleistungen entsprechen 4.000.000 Litern Heizöl. Die Anlage kann mit einer elektrischen Leistung von über 5 MW die Versorgung von ca. 50.000 Menschen mit Strom sicherstellen.Mit vier Biogasanlagen in SPESSARTregi-onal, allein drei davon im Gemeindegebiet von Steinau, liegt hier der Schwerpunkt im Kreisgebiet. Die Anlagen erzeugen zusammen 1.700 Kilowatt Strom, der für eine Grundversorgung von ca. 17.000

Menschen ausreicht. Nach Einschätzung regionaler Experten wie auch der Betreiber wird deutlich, dass die derzeit erschlossene Biomassenutzung kaum ausreichen wird, um die vorhandenen und in Planung befi ndlichen Anlagen eff ektiv und nachhaltig zu versorgen. Eine auf die Region basierende Studie, die die Möglichkeiten zur Steigerung der Biomasse durch die Auff orstung oder den Anbau von Energiepfl anzen aufzeigt, liegt leider noch nicht vor.Bei der Deponiegasnutzung in Gelnhau-sen-Hailer produzierte die Verwertungs-anlage mit zwei jeweils 600 kW starken Gasmotoren Strom für etwa 6.000 Menschen im Jahr. In der Annahme das zukünftig weitere Flächen wegen der Aufgabe der Viehhaltung nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden, bestehen Überlegungen wie diese Materialien energetisch über die Biogas-verwertungsanlage genutzt werden können. Der Standort bietet sich an, da hier eine Erschließung vorhanden ist und die Technik genutzt werden kann.

4.1. Überproduktion, Speicherung,

Weitertransport

Wie in Punkt 3 erwähnt besteht der Vorteil von Biomasse darin, dass die Energie gespeichert werden kann. Holz, Stroh, Energiepfl anzen oder andere

Biomassen können gelagert und zum gewünschten Zeitpunkt eingesetzt werden. Wind und Sonne sind nur dann verfügbar wenn die Sonne scheint und Wind weht. Überkapazitäten die beispielsweise an einem sonnigen stürmischen Tag anfallen, können in das Netz eingespeist und bei Mangel wieder entnommen werden. Gehen der Region aber primär verloren.Ein Ansatzpunkt zur Speicherung von Überkapazitäten sind Elektroautos. Die könnten ein Teil der nicht benötigten Energie in ihren Akkus speichern, welche wieder genutzt wird und zur weiteren CO2 Reduktion beiträgt. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die regionale Vernetzung der Dörfer. Die Überproduzierte Energie wird bei nicht Gebrauch in der einen Region, einer anderen zur Verfügung gestellt. Auf der einen Seite der Transport von Biomasse in die Nachbarregion, auf der anderen Seite die gemeinsame Nutzung der Erzeugten Energie. Hier ist die Entfernung der einzelnen Dörfer, Städte und Regionen zu beachten und der auftretende Verlust bei dem Transport von Strom und Wärme über weite Strecken. Weiterhin gibt es in Dörfl ichen Strukturen oft veraltete Stromleitungen (auch im Raum SPESSARTregional) die der Kapazität nicht standhalten könnten. Würde es eine gut funktionierende

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen216

Vernetzung geben, wäre die betreff ende ländliche Region unabhängig von externen Energiequellen und könnte sich komplett selbst versorgen. Weiter gedacht und nach Prüfung der Randbedingungen zur Sicherstellung der Energieproduktion, könnte das Modell dann auch überregional funktionieren. Das wäre ein großer Schritt weg von Atomenergie und fossilen Brennstoff en wäre.

4.2. Dorf-, Stadtbild

Durch den Einsatz Regenerativer Energien hat sich das Stad-, Dorfbild mancherorts stark verändert. Große Solar und Photovoltaik Module Besetzen Dächer und immer öfter auch Freifl ächen. Bio-Gasanlagen lassen den Wohnraum der unmittelbaren Nachbarschaft unattraktiv erscheinen. Windräder stehen mitten auf den Feldern .Wirken diese Veränderungen störend? Hat oder wird sich die Struktur der Dörfer dadurch verändern?Es wird sich kaum vermeiden lassen, dass Module und Anlagen die auf Erneuerbare Energien setzen in unseren Dörfern und Städten das Bild mitbestimmen.Fabriken und Kraftwerke wurden bewusst außerhalb von Siedlungen geplant. Hier steht vor allem der Gesundheitsschutz im Vordergrund. Wie schon erwähnt sieht

man immer häufi ger große Photovoltaik Module auf den Dächern und vereinzelt auch schon auf Freifl ächen. Ob sie sich gut in die Umgebung einpassen und ob sie störend wirken ist an jedem Ort anders zu beurteilen. Sicherlich wäre ein Photovoltaik-, oder Solarthermie Feld im Dorfkern neben der alten Kirche nicht schön. Da würde es sicherlich als störend wahrgenommen werden. Ist denn solch ein Feld in der Landschaft oder am Dorfrand schön? Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten Elemente in ein Haus, eine Fassade oder im Dach zu integrieren ohne dass man es vermutet oder wahrnimmt. Der Gestaltung (Farbe, Form, Material…) sind heutzutage kaum Grenzen gesetzt. Meist setzt der Kostenfaktor eine klare Grenze. Hier wird es Aufgabe der Planer (Architekten, Ingenieure…)sein hochwertige, anspruchsvolle und kostengünstige Lösungen anzubieten.

5. Zukunftsaussichten

Es ist absehbar, dass die Kosten für fossile Brennstoff e (Öl, Gas, Kohle) mittel- und langfristig weiter zunehmen werden, genau wie ökologische Anforderungen – vor allem die Notwendigkeit der Reduktion von CO2-Emissionen.Für den Klimaschutz können die Kommunen einen großen Beitrag

leisten. Als Energieverbraucher haben sie entscheidenden Einfl uss auf die Art der Energieversorgung. Kommunale Biomasseinitiativen sind unverzichtbare Projekte auf dem Weg zu einer umwelt-freundlichen, regenerativen Energie-versorgung. 2010 werden zahlreiche weitere Bioenergieprojekte in Form von Klimakommunen, Bioenergie-Regionen oder 100%-Regionen in Hessen zu einer CO2-neutralen Energieversorgung beitragen.

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Quellen

Leitfaden - Wege zum Bioenergiedorf / Fachagentur Nachwachsende Rohstoff e e.V.

Regionales Entwicklungskonzept- SPESSARTregional / Verband zur Entwicklung des hessischen Spessart e.V., Oktober 2007

Biomassepotenzialstudie Hessen 2009

www.bioenergiedorf-odenwald.de , 20.07.2010

www.gunzenau.de , 22.07.2010

www.bioew.de , 12.07.2010

www.wege-zum-bioenergiedorf.de , 29.06.2010

www.biomasse.de , 29.06.2010

www.proplanta.de/Agrar/ , 18.07.2010

www.bioenergiedorf.info , 20.07.2010

www.mkk.de , 26.07.2010

Abb.1 : „Gebiet Spessart Regional“ : Regionales Entwicklungskonzept

Abb.2 : „Bioenergiedorf Gunzenau“ : http://www.hero-hessen.de/downloads/publikationen/eigene/NawaRo_Praxis/Bioenergied%C3%B6rfer_Hessen.pdf

Abb.3 : „Bioenergiedorf Rai-Breitenbach“ : http://www.bioenergiedorf-odenwald.de/deutsch/aktuell/bilder/galerie-sortiert.html?start=&view=upload%2Fbildergalerie%2F20080630_hkw_01_1.jpg

Abb.4 : „Bioenergiedorf Wächtersbach“ : http://www.hero-hessen.de/downloads/publikationen/eigene/NawaRo_Praxis/Bioenergied%C3%B6rfer_Hessen.pdf

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Ökodörfer - Neue Wege und Identitäten

Michaela Jordan

Kassel 2010

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen220

Die Rückkehr zur Gemeinschaftlich-keit spielt in unserer schnelllebigen Zeit eine immer bedeutendere Rolle. Je globaler unser Denken wird, desto weiter entfernen wir uns von Natur und Sozialität. Als Gegenbewegung werden weltweit Gemeinschaften gegründet, die traditionellen menschlichen Werten auf der Spur sind. Der folgende Artikel befasst sich mit den verschiedenen Modellen von Ökodörfern in Deutschland. Während einige Ökodörfer auf ökologische oder bio-dynamische Landwirtschaft setzten, steht bei anderen die Nutzung ausschließlich nachhaltiger Energieträger im Vordergrund. Naturschonende Produktionsmethoden im Landbau nach Demeter-Qualität sind beispielsweise das Hauptinteresse des brandenburgi-schen Ökodorfs Brodowin. Der Pfl ege und Erhaltung schützenswerter Kultur- und Naturlandschaften haben sich die Bewohner des niederrheinischen Ökodorfs Rheurdt verschrieben. Das Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt versteht sich als Modell- und Forschungsprojekt, in dem nachhaltige, kommunikative Lebensweisen erprobt werden. Die Erhaltung fast vergessener Haustierrassen und die Zucht alter Gemüsesorten sind die ökologischen Kerngedanken des sächsischen Ökodorfes Auterwitz. Ökodörfer spezialisieren sich allerdings nicht auf ausschließ-

lichen, ökologischen Landbau oder ausschließlicher Nutzung regenerativer Energien. Vielmehr kombinieren sie die verschiedenen ökologischen Charakte-ristiken miteinander und fi nden in einem ihren Schwerpunkt. Der Begriff ‚Ökodorf‘ ist nicht klar umgrenzt. Die Ökodörfer Deutschlands haben vielschichtige Identitäten und verfolgen unterschied-liche Ziele. Sie unterscheiden sich in ihren Charakteristiken deutlich voneinander. Die Defi nierung der ökologischen Qualitäten von vier ausgewählten Ökodörfern und die Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten selbiger stehen im Mittelpunkt dieses Vergleichs.

Vertreter von mehr als 190 Staaten treff en sich im polnischen Poznan zum zweiwöchigen Uno-Klimagipfel, um als Basis für das Folgetreff en im Dezember 2009 in Kopenhagen an einem Nachfol-geabkommen für das Kyoto-Protokoll zu arbeiten. Ein schnelles Handeln gegen die Erderwärmung wird gefordert. „Die Menschheit ist an die Grenzen des Ökosystems unseres Planeten Erde gestoßen“, betont der polnische Umweltminister und Konferenzprä-sident Maciej Nowicki. Kopenhagen Dezember 2009: Der Post-Kyoto-Prozess ist gescheitert. Statt des geforderten verbindlichen Regelwerks für den Klimaschutz nach 2012, einigen sich

die Delegierten lediglich auf den Minimalkonsens. Dieser besteht aus einem völkerrechtlich nicht bindenden politischen Papier, dem Copenhagen Accord, dessen Ziel es ist, die Erderwärmung auf weniger als 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Die weltweite Zerstörung und Missachtung der Natur ist nur einer der Gründe, warum Menschen einen alternativen Lebensweg suchen. Im Kontext der globalen Klimakrise ohne Aussicht auf ein ganzheitliches Lösungskonzept suchen einige zum Schutz unserer Umwelt nach dem Austritt aus der Klimaspirale. Ein anderer Grund fi ndet sich in der Schnelllebig-keit unserer heutigen Gesellschaft. Während traditionell die Verbindung zur Familie und der Gemeinschaft, in der sie sich befi ndet, ein Leben lang Bestand hatte, steht heute die Individualität des Einzelnen im Vordergrund. Seit der industriellen Revolution verlieren Gemeinschaften und Gemeinschaft-lichkeit stetig an Bedeutung; heute –im Zeitalter der Globalisierung- sind sie kaum noch spürbar. Je globaler unsere Gesellschaft zu leben und zu denken versucht, desto weiter entfernt sie sich von ihren Nächsten und ihr selbst. Aus diesen Umständen heraus entscheiden

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sich täglich Menschen zum Aufbruch - zum Aufbruch in ein neues, kollektives Leben. Die Vernachlässigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Verbindungen unserer Gesellschaft lässt einige Menschen nach neuen Wegen suchen. Allein in Deutschland haben sich Menschen zu bereits mehr als 600 alternativen Gemeinschaften zusammengeschlossen. Die Zahl der weltweiten Gründungen ist schwer zu erheben. Diese Gemeinschaften verfolgen die unterschiedlichsten, nicht zu verallgemeinernden Ziele, die ökologisch, religiös, sozial oder andersartig alternativ charakterisiert sind. Die Gründung von Ökodörfern ist nur ein Weg, den solche Gemeinschaften begehen. Karen Svenson beschreibt diesen Weg so:

„Ökodörfer sind Gemeinschaften von Menschen, die danach streben, ein nachhaltiges Leben in Harmonie miteinander, mit anderen Lebewesen und mit der Erde zu führen. Ihre Absicht ist es, eine sozial-kulturelle Umgebung mit einem Lebensstil zu verbinden, der möglichst geringe Auswirkungen auf die Umwelt hat. Als eine neue soziale Struktur erweitern Ökodörfer das übliche Bild von städtischen und ländlichen Siedlungen: Sie repräsentieren ein breit anwendbares Modell für die Planung und

Neugestaltung menschlicher Siedlungen im 21. Jahrhundert. Die starke Motivation für Ökodörfer und Gemeinschaften entspringt aus dem Bedürfnis, den fort-schreitenden Zerfall von unterstützenden sozio-kulturellen Strukturen und das immer stärkere Auftreten von umwelt-zerstörerischen Praktiken auf unserem Planeten umzukehren.“ (Volkers & Stengel 2004)

Für jedes einzelne Ökodorf könnte eine eigene Beschreibung gefunden werden. Im Folgenden sollen zumindest die Identitäten einzelner Dörfer verdeutlicht und mit Karen Svensons allgemeiner Defi nition von Ökodörfern verglichen werden.

Rheurdt am Niederrhein hat eine reiche landschaftliche Umgebung zu bieten. Höhenzüge und Wasserläufe bestimmen das Landschaftsbild, in dem die Gemeinde mit 6650 Einwohnern liegt. Rheurdt gehörte als Hundertschaft aus fränkischer Zeit (frühes Hochmittelalter) dem Herrschaftsbereich der Grafen von Geldern an. Die traditionellen dörfl ichen Strukturen werden im Ökodorf erhalten und gefördert. Die Gemeinde verfügt über eine gute Anbindung an ein überregionales Verkehrsnetz und bietet dem Gewerbegebiet fl orierende Möglichkeiten. Auch erfolgreichen

Einzelhandel und leistungsfähige Unternehmen beheimatet das Ökodorf. Rheurdt versteht sich als „moderne Gemeinde, die nach vorne schaut und dabei ihre Traditionen pfl egt“ (Internetseite Ökodorf Rheurdt). Besonders für junge Familien bieten die historischen Dorfkerne und die neuen Baugebiete interessante Wohnmöglichkeiten. Die Gemeinde bietet verschiedene Angebote für Kinder und Jugendliche in Vereinen und Jugendeinrichtungen. Die Bildung ihrer Kinder spielt in der Ideologie der Gemeinde eine wichtige Rolle. So stehen den Kindern vier Grund- und eine Hauptschule in der Gemeinde zur Verfügung. Die umliegenden weiterführenden Schulen werden von den öff entlichen Verkehrsmitteln gut bedient, sodass hier alle Möglichkeiten Bildungsangebote zu nutzen off en sind. Auch die (Ganztags-)Betreuung von Kleinkindern ist gewährleistet. Für Senioren steht ein breites Spektrum an Aktivitäten und Ausfl ügen zur Verfügung. Darüber hinaus ist die Region für Touristen auf Grund seines weitläufi g ausgebauten Wander- und Reitwegenetzes durch die niederrheinische Natur bekannt und lädt zu Tagesausfl ügen ein (Foto 1). Ein Wohnmobilplatz mit zwanzig Stellplätzen steht darüber hinaus Touristen zur Verfügung. Die Land-schaftsschutzgebiete bieten Tieren, die

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen222

längst auf der Roten Liste stehen, einen geeigneten Lebensraum. Naturschutz-fl ächen und geschützte Biotope vervoll-ständigen das idyllische Landschaftsbild Rheurdts und machen die ökologische Identität des Ökodorfes aus.

Das Ökodorf Auterwitz liegt in der Lommatzscher Pfl ege in Sachsen. Seine bauliche Struktur ist von der Landwirtschaft geprägt und entspricht noch der aus Zeiten vor der Industria-lisierung. Nach der Wende begann die große Entvölkerung, da es keine Arbeit mehr gab. Diejenigen, die blieben, wussten, dass ihr Dorf nur eine Chance hat, wenn Innovationen und Ideen für die weitere Existenz gefunden werden. Eine intensive Bestandsaufnahme, Analyse und Darstellung des historischen und regionalen Bezugs wurde 1995 in dem Buch „Auterwitz, Dorf und Landschaft im Umbruch“ veröff entlicht. Diese Arbeit legte den Grundstein zur Weiterentwick-lung zum Ökodorf. Ergebnisse zeigten sich schnell: eine Schilfkläranlage steht mittlerweilen allen Bewohnern zur Verfügung, die Häuser sind energetisch saniert. Verschiedene Heizsysteme ermöglichen die Nutzung regenerativer Energien. Traditionelle dörfl iche Strukturen wie Kräutergarten, Käserei und Backhaus erweitern die Ausstellung des ansässigen Dorfmuseums (Foto 2).

Die Nutzviehhaltung wird durch die Zucht und Haltung alter Haustierrassen ergänzt, was einen bedeutenden Beitrag zur Pfl ege und Erhaltung land-wirtschaftlicher Traditionen darstellt. Der Verein „Umweltzentrum Ökohof Auterwitz e.V.“ hat die Dorfentwicklung maßgeblich beeinfl usst. Das Ziel des Vereins besteht darin, das Dorf zukunftsfähig zu gestalten und jungen Menschen Perspektiven im Dorfalltag zu bieten. Heute sind im Ökodorf neben Landschaftspfl egehof und Tischlerei auch eine Heilpraxis und ein Naturpro-dukthandel angesiedelt. Ein Landwirt-schaftsbetrieb, Büro-Service und eine Ingenieurgemeinschaft ergänzen das Angebot. Gemeinsame Veranstaltungen im Dorf vom Spinnabend bis zum Hexen-kräuterplausch sorgen für einen starken Zusammenhalt im Dorf; für Kinder bietet das Freizeitangebot unter anderem ein Puppentheater, ein Kinderbauernhof und das lebendige Museum. So werden die zwischenmenschlichen Beziehungen nachhaltig gefördert. Auterwitz war im Jahr 1999 Sieger im Wettbewerb „Tat-Orte, Gemeinden im Ökologischen Wettbewerb“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und erhielt im Jahr 2000 aus dem Kreis der Sieger der Jahre 1995 bis 1999 einen Sonderpreis. 2005 wurde das Dorf im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ mit dem

Sonderpreis ausgezeichnet. Das Ökodorf versteht sich als Entwicklungsprojekt, das Innovationen folgt und sich stets weiterentwickelt. Die sozialen Strukturen kommen denen traditioneller Dorfge-meinschaften nahe, woraus sich eine besondere, gemeinschaftliche Qualität ergibt. Auterwitz ist erfolgreich mit den Problemen des Leerstandes und der Entvölkerung umgegangen -Probleme, die bundesweit die ländlichen Regionen befallen. Sieben Linden ist wohl eines der bekanntesten Ökodörfer Deutschlands. 1997 gegründet, liegt es in der sachsen-an-haltinischen Altmark versteht sich als „ein zukunftsweisendes Gemeinschaftsprojekt, in dem ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Lebensstile verwirklicht und an Interessierte weitergegeben werden“ (Internetseite Sieben Linden). Sieben Linden ist kein traditionell gewachsenes Dorf, sondern entstand am Rande des Ortes Poppau als neues Dorf für bis zu 300 Bewohner. Das war zunächst mit großen Problemen verbunden, da ein neues Dorf den Zielen der Landesent-wicklung widerspricht. Doch schließlich gaben die Behörden nach und im Sommer 1998 kam der Bebauungsplan. Das „Prinzip Hoff nung“ hatte gesiegt! Allein schon aus diesem gemeinsamen Kampf um ein gemeinsames Ziel heraus haben die Sieben Lindener eine starke

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soziale Verbindung zueinander, die auch im Alltag allgegenwärtig ist (Foto 3). Besonderen Wert legen die 130 Bewohner auf möglichst geschlossene Energie- und Materialkreisläufe. Dabei wird verhindert, dass am Ende der Lebenszeit eines Produktes Reststoff e zurückbleiben, die keinen Platz mehr im weiteren Kreislauf fi nden. Weiterhin stehen der ökologische Landbau und das Bauen mit natürlichen, regional verfügbaren Rohstoff en wie Stroh, Lehm und Holz im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Als eines der Pilotprojekte bietet Sieben Linden ein weitgefasstes Seminarprogramm, das sowohl die touristischen Qualitäten des Dorfes als auch die Verbreitung der Ideen des gemeinschaftlichen Lebens unterstützt. Obwohl innerhalb des Dorfes die Gemeinschaft in Nachbarschaften untergliedert ist und somit die Auslebung individueller Bedürfnisse gewährleistet ist, verfolgen doch alle Menschen ein gemeinsames Ziel. Das Konsumverhalten unserer heutigen Zeit wird kritisch hinterfragt, um Lebensqualität und Nachhaltigkeit zu unterstützen und zu verbinden. Die ökologischen Ziele beziehen sich auf alle Bereich des Lebens. Die Nahrungsmittel stammen vollständig aus biologischem Anbau, mit Gemüse und Kräutern versorgt sich das Dorf zu über fünfzig Prozent selbst. Das Holz

zum Heizen entnehmen die Bewohner dem örtlichen Wald, der nachhaltig bewirtschaftet wird und somit aus einer Kiefernmonokultur zum Mischwald wird. Essentielle Bedeutung kommt auch dem durch Pfl anzenkläranlage und Brunnen geschlossenem Wasserkreislauf zu: statt Wasserklosetts werden Trocken-Trenn-Komposttoiletten benutzt, die wiederum einen wertvollen Dünger für den Wald abgeben. Beim Energiemanagement setzt das Ökodorf auf Solarenergienut-zung, Bauen im Niedrigenergiestan-dard, Minimierung der Versiegelung, Nutzung ökologischer Baustoff e und der Reduzierung von Maschinenarbeit. Öff entliche Verkehrsmittel und Car-Sharing werden natürlich dem eigenen Auto vorgezogen. Sieben Linden übernimmt für ein gemein-schaftliches, zukunftsorientiertes Leben Verantwortung und beteiligt sich in diesem Sinne an politischen Initiativen. Sieben Linden ist kein gewachsenes Dorf, sondern ein -sozusagen auf der grünen Wiese erbautes- neues Dorf am Rande Poppaus. Dadurch bestand natürlich erst die Möglichkeit Passiv- und Niedrigener-giehäuser zu bauen. Bestandsgebäude entsprechend zu verändern wäre nur schwer möglich gewesen. Dennoch muss das Bauen neuer Siedlungen im ökologischen und demographischen Kontext kritisch betrachtet werden. Auch

andere Ökodörfer weisen immerwieder Neubaugebiete aus, doch diese sind sicher keine unumstrittene Möglichkeit der Nachhaltigkeit.

Während das ökologische Konzept von Sieben Linden mit Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit zusammengefasst werden kann, hat sich das Ökodorf Brodowin mit seinen 430 Einwohnern auf die Herstellung von Lebensmitteln nach Demeter-Qualität spezialisiert, deren Marke nur ausgewählte Vertragspartner nutzen dürfen. Das Dorf liegt in der Uckermark (Brandenburg), in der eiszeitlich geprägten Landschaft des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin. Brodowin wurde im dreizehnten Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt und gehörte zum Zisterzienserkloster Chorin. Aufgrund der außergewöhnli-chen Landschaft entscheiden sich die Bewohner in den späten 1980er Jahren diese durch ökologischen Landbau zu unterstützen. Die durch die Wende 1989 verursachten neuen politischen Heraus-forderungen verlangten auch ein neues ökonomisches Konzept. Bald darauf begannen die ersten Naturschutz-maßnahmen. Alleen aus fünfhundert Obstbäumen, Eichen und Kopfweiden wurden gepfl anzt, Hecken verhinderten die Erosion und zur Biotopvernetzung. Der Landwirtschaftsbetrieb Brodowin

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen224

produziert nach biologisch-dynami-scher Wirtschaftsweise mit anthropo-sophischen Prinzipien. Rudolf Steiners „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ von 1928 lieferten die Grundlage der Marke Demeter. Der landwirtschaftliche Betrieb wird als lebendiger, einzigartiger Organismus verstanden, der nicht nur materielle Strukturen und physischen Gegebenheiten der Natur im Blick hat, sondern auch die gestaltenden Kräfte des Kosmos, insbesondere der Mondphasen. Landwirte geben somit der Natur mehr zurück, als sie nehmen. Die Humusschicht wächst, der Boden heilt. Im Gegensatz zur herkömmlichen Bio-Produktion sind bestimmte Zusatzstoff e wie zum Beispiel Nitritpökelsalz in der Herstellung ausgeschlossen. Stattdessen setzen Demeter-Land-wirte auf die nachhaltigste Form der Bewirtschaftung, der ganzheitlichen Vielfalt in Tierhaltung und Produktion; es gibt keine Spezialisierung. Die Mischung aus Viehhaltung und Getrei-deproduktion unter Einsatz spezieller Präparate aus Heilkräutern, Mineralien oder Kuhhorn ist obligatorisch (Foto 4). Über die bio-dynamische Produktions-weise hinaus setzt sich Brodowin auch stark für die Jugendumweltbewegung und die Unterstützung von älteren und behinderten Menschen durch

Eingliederung in den Arbeitsalltag des Betriebs ein. Das Ökodorf Brodowin ist aktiv am Naturschutz und der bio-dynamischen Produktion beteiligt und fördert damit auch die sozialen und kulturellen Kontakte der Gemeinschaft. Die Kulturlandschaft wird maßgeblich durch die Vielfalt an Pfl anzen und Tieren positiv beeinfl usst. Aus Überzeugung lebt das gesamte Ökodorf nach der ganzheitlichen und nachhaltigen Idee, Bio zu produzieren und zu leben.

Die vier vorgestellten Dörfer stellen nur beispielhaft die verschiedenen Wege dar, die ein Ökodorf gehen kann. Die Gründe einen solchen Weg zu gehen, können verschiedener Natur sein. Insbesondere nach der politischen Wende 1989 stellte sich bei vielen Dörfern im Osten Deutschlands die Frage nach ihrer weiteren Existenz. Die Entwicklung der Zukunftsfähigkeit wird heute auch für viele andere dörfl iche Regionen -auch im Westen des Landes immer wichtiger. Diese Themen bestimmen auch bei anderen Dörfern die Gründe für die ökologische Ausrichtung. Während sich Auterwitz zunächst nur aus Angst vor dem endgültigen Zerfall Ökodorf wurde, entschieden sich die Gründer von Sieben Linden oder Brodowin rein ökologisch motiviert für diese Richtung. Auch die Auslegung des ökologischen

Schwerpunktes kann verschiedene Formen annehmen. Während Brodowin sich konkret für die biologisch-dyna-mische Landwirtschaft entschieden hat, hat für Rheurdt der Natur- und Landschaftsschutz eine besondere Bedeutung. Obwohl die Charakteristika der verschiedenen Ökodörfer sehr unterschiedlich sein können, sind auch Gemeinsamkeiten zu fi nden. Alle verfolgen nachhaltige, zukunftsori-entierte Visionen im Kontext des sich verbreitenden Leerstandes in ländlichen Regionen und der anhaltenden Zerstörung der Umwelt. Als Forschungs-projekt verstanden suchen sie nach unter-schiedlichen Möglichkeiten mit dem demographischen Wandel umzugehen, die vielleicht auch auf andere Regionen umsetzbar sind. Kein Dorf entwickelt ein allgemeingültiges Modell, doch die verschiedenen Strategien der Ökodörfer bieten genügend Spielraum, um sie auf andere Dörfer umzusetzen. Auch die Rückkehr zur zwischenmenschli-chen Gemeinschaftlichkeit ist bei allen Ökodörfern charakteristisch. Als Abkehr von der heutigen Schnelllebigkeit und Anonymität unserer Gesellschaft ist die soziale und sozio-kulturelle Umgebung den Mitgliedern der Gemeinschaften ein besonderes Augenmerk. Im Sinne einer modernen Gesellschaft des einund-zwanzigsten Jahrhunderts werden

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Nachhaltigkeit in sozio-kultureller und ökologischer Hinsicht verwirklichen die Bewohner in allen Lebensbereichen. Obwohl die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht so stark gepfl egt werden wie in Sieben Linden, ist das Konzept Brodowins -Landbau nach bio-dynamischer Wirtschaftsweise- ebenso zukunftsweisend. Diese Art der Landwirtschaft verfolgt per se Nachhaltigkeit und schaff t es nicht nur schonend mit Natur und Boden umzugehen, sondern ihnen auch mehr zu geben, als zu nehmen.

„Die Welt ist an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr reicht, die Veränderung, die geschehen muss, nur zu benennen. Wir müssen die Veränderung sein. Um diese Veränderung zu sein, folgen wir drei Regeln in unserem täglichen Leben: Wahrheit; gegenseitige Unterstützung; verantwortliche Teilnahme an der Gemeinschaft und an der Welt. Alles dies kann langfristig nur gelingen auf der Grundlage einer menschlich funktionie-renden, stabilen Gemeinschaft.“ (Aus einem Jugendmanifest, das im Namen von „Grace – Bewegung für eine freie Erde“ von Tamera/Portugal aus in die Welt geschickt wird)

traditionelle soziale Verbindungen wieder wichtig. Letztlich ist natürlich auch der respektvolle Umgang mit der Natur und anderen Lebewesen ein gemeinsames Ziel aller Ökodörfer. Die bewusste und nachhaltige Handhabung mit den Ressourcen wird in allen Abläufen des täglichen Lebens hinterfragt. Rohstoff e werden so schonend wie möglich gewonnen und verarbeitet. Dabei werden grundsätzlich gesamte Kreisläufe und die Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigt. Die Motivation Ökodörfer zu gründen ergibt sich aus der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt und Missachtung der sozialen Verknüpfungen. Als Gegenbewegung zu dieser Ignoranz streben viele Menschen nach neuen, ganzheitlichen Lebenskonzepten. Eines dieser zukunfts-orientierten Konzepte ist das Ökodorf.

Den Ökodörfern Deutschlands gelingt es unterschiedlich gut, die Visionen einer nachhaltigen und Umwelt schonende Lebensweise zur führen. Das nieder-rheinische Rheurdt legt großen Wert auf ein gemeinsames Dorfl eben und die sozialen Verbindungen untereinander. Sportvereine, das Hallenschwimmbad und Jugendeinrichtungen bieten den Jugendlichen Beschäftigung. Im traditionellen Dorfl aden kann Gemüse frisch vom Feld gekauft

werden. Umgeben von ausgedehnten Landschaftsschutzgebieten hat die Gemeinde gute Voraussetzungen für die Gründung eines Ökodorfes. Doch diese regionale Qualität wird getrübt durch das Ausweisen neuer Baugrundstücke -in unmittelbarer Nähe der Naturschutz-gebiete. Rheurdt zeigt positive Ansätze zur nachhaltigen Stärkung der sozialen, innerdörfl ichen Strukturen, doch der ökologische Aspekt als Ökodorfes tritt eher in den Hintergrund. Auch Auterwitz fördert die sozio-kulturellen Hintergründe ihres Dorfes. Anders als Rheurdt jedoch verbindet Auterwitz die soziale Komponente der Idee ein Ökodorf zu werden und zu sein direkt mit der ökologischen. Kinder werden nicht in konventionelle Sportvereine geschickt, sondern beschäftigen sich auf dem Kinderbauernhof spielerisch mit Tieren und Pfl anzen. Die Pfl ege des traditionellen Bauerngartens ist nur eine Idee der Auterwitzer, nicht nur von ‚Öko‘ zu sprechen, sondern konkret ‚Öko‘ zu leben. Auch steht bei diesem Dorf die energetische Sanierung von Bestandgebäuden im Vordergrund und nicht der Neubau ganzer Siedlungen. Auch das Konzept Sieben Lindens muss in dieser Hinsicht kritisch betrachtet werden, obwohl dieses Ökodorf ansonsten einen überzeugenden Lebensstil vorlebt. Ganzheitlichkeit und

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen226

Quellen:

Isermann-Kühn, Andrea: Dorferneuerung in Brandenburg- Das Beispiel Brodowin/Uckermark. TU Berlin 1995.

Feser, Stefan: Umweltorientiertes Tourismusmarketing. Das Beispiel ‚Ökodorf‘ Brodowin / Brandenburg. TU Berlin 1996.

Einfach Gut Leben e.V. (Hrsg.): Eurotopia. Gemeinschaften und Ökodörfer in Europa. Poppau 2007.

Heinrich, Dieter; Hergt, Manfred: dtv-Atlas Ökologie. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998.

http://www.brodowin.de/

http://siebenlinden.de/

http://www.rheurdt.de/

http://www.auterwitz.de/

http://www.gemeinschaften.de/ Ökodorf-Institut

http://www.ecovillages.eu/

http://www.oeko-dorf-bau.de/

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227Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Ökodörfer - Neue Wege und Identitäten

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Sinus-Milieus als Hilfe bei der Entwicklungsplanung

Sebastian Kazubski

Kassel 2010

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Sinus-Milieus als Hilfe bei der Entwicklungsplanung

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen230

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Inhalt

Was sind Zielgruppen?

Was sagen uns Zielgruppen? Wozu braucht man ein Zielgruppenmodell?

Wie schaff e und nutze ich das Wissen um Zielgruppen?

Was sind Sinus-Milieus?

Welche Sinus-Milieus gibt es?

Weiterführende Aspekte | Strukturwandel | Sinus-Milieus als Hilfe bei der Entwicklungsplanung

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Was sind Zielgruppen?

Um zu verstehen, was Zielgruppen für die Planung für eine Bedeutung haben können, muss man erst wissen, wie man eine Zielgruppe festmachen kann. Geht von der allgemeinen Annahme im wirtschaftlich orientierten Marketing aus, so ist eine Zielgruppe eine aus der Gesamtmasse herausgenommene Gruppe, die sehr ähnliche Ansatzpunkte nicht nur für Marketing, sondern auch für den Kauf und Konsum von Produkten hat. Zielgruppen werden häufi g über leicht abzugrenzende Merkmale, wie ihren fi nanziellen Status, ihren Familienstand, ihr Alter und nicht zuletzt auch das Geschlecht beschrieben. In diese Betrachtung können dann auch räumliche Aspekte einfl ießen, wie die Region oder die Größe, beziehungsweise der Grad der Urbanisierung des Wohnorts.Die Idee, Zielgruppen zur Optimierung der eigenen Arbeit zu nutzen, kommt ursprünglich aus der Wirtschaft, wo Hersteller und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen bestrebt sind, ihre Produkte und ihr Marketing immer besser auf die Kunden abzustimmen. Dabei geht es nicht nur darum, die Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe herauszufi nden, sondern auch zu sehen, ob diese im betrachteten Markt über

eine ausreichende Größe verfügt. Man versucht sich klar zu werden, wie viele Abnehmer man für sein Produkt fi ndet, wie man dieses auf ihre Bedürfnisse abstimmt und mit welchen Marketing-instrument man sie erreicht. Auch kann man sehen, ob es überhaupt Abnehmer für das Produkt gibt oder nicht.

Da man natürlich in den meisten Fällen nicht jeden einzelnen potentiellen Kunden genau unter die Lupe nehmen kann, wird in der Praxis eine sogenannte Marktsegmentierung vorgenommen, die sich darauf beschränkt, Gruppen mit einer ähnlichen Ausprägung der einzelnen Merkmale beziehungsweise Parameter zusammenzufassen.In der Planung kann man mit dieser Methodik der Analyse zwei wichtige Dinge im Voraus klären, nämlich einerseits die vorherrschenden Verhältnisse in bestehenden Planungsgebilden, aus denen sich dann die Anforderungen an eine Überplanung ergeben oder die favorisierte Zielgruppe, die mit einer Neuplanung angesprochen werden soll.Dabei sollte die Fixierung auf eine Zielgruppe natürlich der Funktionalität eines ganzheitlichen Planungsan-satzes dienen. Mit den aus der Analyse gewonnen Informationen lassen sich nun die Planung und die sich daraus ergebenden Maßnahmen optimieren,

um zum Beispiel die Akzeptanz in den betroff enen Gebieten zu erhöhen, oder effi zienter mit den immer knapper werdenden fi nanziellen Ressourcen umzugehen, wieman es auch in der freien Wirtschaft beobachten kann, die ja auch eine Verbesserung ihre Produkte bei gleichzeitiger Kostensenkung vorantreibt.Bekannte Zielgruppenmodelle, die über die Einordnung nach statistischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Einkommen etc.) hinausgehen, sind unter anderem die Sinus-Milieus von Sinus Sociovision, auf die zu späterem Zeitpunkt noch näher eingegangen wird, die Semiometrie von TNS Infratest, die sich hauptsächlich mit den Wert-vorstellungen und Grundhaltung der Zielgruppen befasst und die Zielgrup-pen-Galaxie von GIM (gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH), die versucht, individuelle Wertemodelle von Menschen mit Statistischen Daten zu kombinieren.

Was sagen uns Zielgruppen? Wozu braucht man ein Zielgrup-penmodell?

Der konkrete Nutzen von Zielgruppen-modellen für die Planung ist relativ gutnachvollziehbar. Durch die Auswertung

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kann man die Anteile der Zielgruppen im Planungsraum einschätzen, sich auf Gruppen festlegen, die die Planung ansprechen soll und die Anforderungen, aber auch die Ausschlusskriterien dieser in der Planung berücksichtigen. Des weiteren kann die Ansprache der von Planung betroff enen zielgerichteter erfolgen und auch bei Beteiligungs-verfahren oder der Suche nach Investoren sind Verbesserungen der Kommunikation möglich. Die oft vernachlässigte Werbung für das Produkt Planung kann ebenfalls von der Verwertung solcher Informationen profi tieren. Und nicht zuletzt lässt sich der gesamte Planungsprozess zielorientiert und mit gesteigerter Effi zienz durchführen, wodurch Kosten gespart und Fehlplanungen verhindert werden. Man kann aus den Ergebnissen nicht nur ableiten, für wenn geplant wird, sondern auch welche Wechselwir-kungen auftreten können und welcheerwünscht sind oder nicht.

Wie schaff e und nutze ich das Wissen um Zielgruppen?

Wenn für das Planungsgebiet keine Studien vorliegen oder in Auftrag gegeben werden können, kann trotzdem eine grobe Orientierung geschaff en werden, um sich vorzubereiten. In der

Regel ist es kein Problem, Daten zur Ziel-gruppenverteilung für größere Räume, wie beispielsweise für Gesamtdeutsch-land zu erhalten. Über einen Vergleich der relevante Parameter, wie zum Beispiel der Arbeitslosenquote, demAusbildungsgrad, den Schulab-schlüssen, dem verfügbaren Einkommen und eventuell noch den Anteilen der Altersgruppen, kann man relativ einfach mit den Daten der Statistischen Ämter einen Vergleich zwischen dem Planungsraum und dem Gesamtbild herstellen. Dieser ist in der Regel bis zur Landkreisebene möglich, kann aber unter Umständen bis in einzelne Gemeinden reichen. Aus diesem Vergleich lassen sich dann Tendenzen ableiten, in welche Richtung Abweichungen im Planungsgebiet vom Untersuchungsge-biet der Studien bestehen, die dann als qualifi zierte Schätzungen verwendet werden können. Natürlich kann ein solches Vorgehen nie den Kontakt zu der Bevölkerung im Planungsgebiet ersetzen, aber es kann gute Dienste als Ergänzung leisten, vor Ort weiter verfeinert werden und zur Vorbereitung dienen, nicht nur um den Kontakt zu erleichtern, sondern auch um die Zielgruppen für das eigene Projekt festzulegen. Insofern kann es nur von Vorteil sein, sich vorab mit den Zielgruppen zu beschäftigen, um mit ihren Bedürfnissen und Wünschen

vertraut zu sein,selbst wenn keine genaue Verteilung für das Planungsgebiet vorliegt.

Was sind Sinus-Milieus?

Die Sinus-Milieus sind der Versuch, nicht nur eine Einteilung in Gruppen zu betreiben, sondern auch ihren Lebensstil nachvollziehbar zu machen. Um dennoch einen schnelle Überblick zu ermöglichen, werden diese nach ihrem gesellschaft-lichen Stand (fi nanzielle Ausstattung, Erwerbssituation und Bildungsgrad) und ihrer Grundeinstellung von traditionell über modern bis hin zu neu-orientiert, also nach zwei Kriterien, in zur Zeit 10 verschiedene Milieus eingeordnet. Ergänzend werden zu jeder Gruppe zusätzliche Informationen gegeben, die die Denkweise und das Verhalten vermitteln sollen. Für die Sinus-Milieus spricht die Einbeziehung von zwei Kriterien zur Festlegung von Gruppen, die über die häufi g angewandte Zuordnung zu Gesellschaftsschichten hinausgeht, die zwar die fi nanziellen Verhältnisse berücksichtigt, aber dennoch keine Rückschlüsse auf das Verhalten ermöglicht.

Aber es gibt auch Kritikpunkte, denn das

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Die 10 Milieus, wie sie von Sinus Sociovision charakterisiert werden, im einzelnen:Die Traditionsverwurzelten, die rund 14% an der deutschen Bevölkerung ausmachen, haben ihren Altersschwer-punkt im Bereich, der über 65 Jahren liegt und stammen aus den Jahrgängen während und kurz nach dem Krieg, was auch den hohen Frauenanteil erklärt. Sie sind mittlerweile größten Teils Rentner oder Pensionäre. Der Schwerpunkt im Ausbildungsweg liegt

System ist in seinen Grundzügen rund 40 Jahre alt, was die Frage aufwirft, ob die mittlerweile immer individuellere Lebensgestaltung überhaupt noch durch das System und seine 10 Milieus erfasst und wiedergegeben werden kann, da die Gesellschaft sich immer schneller wandelt und somit ständig alte Maßstäbe ihre Gültigkeit verlieren und durch neue ersetzt werden. Auch wird es in einer alternden Gesellschaft wahrscheinlich nicht mehr lange reichen, die Älteren verschieden Gruppen zuzuschlagen, da unterschied-liche Wege des Alterns entstanden sind, die eigene Voraussetzungen haben und mit verschiedenen prägenden Lebens-einstellungen verbunden sind, die noch nicht in die Sinus-Milieus eingegangen sind. Als Beispiel sei hier die steigende Zahl von sehr aktiven Menschen im Rentenalter zu nennen, die starke Ähnlichkeiten mit dem Sinus-Milieu der „Experimentalisten“ aufweisen, jedoch durch ihr Alter automatisch aus dieser Gruppe herausfallen und somit zu anderen Milieus gerechnetwerden, obwohl sie dort von ihrer Lebenseinstellung überhaupt nicht hineinpassen. Somit können einzelne Gruppen vollständig ignoriert werden, wenn sich beispielsweise Planer bedingungslos auf das Zielgruppenmo-dell verlassen.

Welche Sinus-Milieus gibt es?

Wie bereits angesprochen gibt es 10 Milieus, die nach zwei Kriterien eingeordnet werden, nämlich nach dem gesellschaftlichen Stand und der Grundeinstellung. Um die Verteilung und die Grundeigenschaften besser zu visualisieren, wird von Sinus Sociovision regelmäßig eine Grafi k herausgegeben, die an eine Matrix erinnert und die Position im Koordinatensystem, sowie die Größe des Milieus wiedergeben soll.

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auf einer Kombination von Hauptschule und anschließender Berufsausbildung, was zu späterer Arbeit in Bereichen mit geringem bis mittlerenEinkommen führte. Die Traditions-verwurzelten fi nden sich in der traditionellen Arbeiterkultur wieder und legen hohen Wert auf Sicherheit und Ordnung. Sie richten ihr Leben nach traditionellen Werten aus und stützen sich damit auf Pfl ichterfül-lung, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Sauberkeit und Ordnung. Von den Kriterien her lässt sich die Gruppe in die Unter- und Mittelschicht einordnen, wobei der Schwerpunkt deutlich auf der Unterschicht liegt. Von der Orientierung her ist die Einordnung eindeutig im Bereich der traditionellen Werte.

Die DDR-Nostalgischen, die rund 4% an der deutschen Bevölkerung ausmachen, haben ihren Altersschwerpunkt über 50 Jahren und machen rund 1/5 der derzeitigen Bevölkerung in den neuen Bundesländern aus. Ein einfacher bis mittlerer Bildungsweg bot in der ehemaligen DDR häufi g die Möglichkeit, in gehoben Positionen zu kommen, die von den Angehörigen dieser Gruppe auch genutzt wurden. Nach der Wende war und ist diese Gruppe in eher einfachen Berufen tätig, teilweise auch arbeitslos. Das Einkommen ist in der Regel eher

gering, viele beziehen auch Rente oder Altersübergangsgeld. Die DDRNostal-gischen sehen sich überwiegend als Verlierer der Wende, was wohl auf die Veränderung von gehobene Positionen zu einfacher Arbeit zurückzuführen ist. Damit geht eine Unzufriedenheit mit der Gegenwart und eine positive Verklärung der Vergangenheit in der ehemaligen DDR einher, die sich auch in einem Festhalten an den damaligen Vorstellungen von Gerechtigkeit und

Solidarität einhergeht. Von den Kriterien her ist eineEinordnung in die Unter- und Mittelschicht gegeben, die Orientierung liegt im Bereich dertraditionellen Werte.

Die Konsum-Materialisten, die rund 12% an der deutschen Bevölkerung ausmachen, haben keinen Altersschwer-punkt, sondern eine Breite Streuung bis zu 60 Jahren, und haben häufi g

Auff älliger Schmuck, überdimensionierte Uhr und Flachbildfernseher: so könnte Konsum-Materialismus aussehen.

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der deutschen Bevölkerung ausmachen, sind das jüngste Milieu in Deutschland, mit einem Schwerpunkt unter 30 Jahren. Dementsprechend befi nden sich viele Schüler und Studenten unter ihnen. Ein hohes Bildungsniveau und eine allgemein hohe Qualifi kation sorgen für eine großen Anteil an Selbständigen, Freiberufl ern und leitenden Angestellten, was zu einem gehobene Einkommen in der Gruppe führt. Man kann die Modernen Performer am Besten als junge und unkonventionelle Führungselite beschreiben, die ein intensives Leben führt, das von Multioptionalität geprägt wird. Flexibilität und Ehrgeiz sind weiter Merkmale dieses Milieus. Man erprobt gerne die eigen Grenzen, berufl ich wie auch sportlich. Sie werden der Mittelund Oberschicht mit klarem Schwerpunkt in der Oberschicht zugerechnet und zeichnen sich durch ihre Neuorientierung als Eigenverständnis aus.

Die Postmateriellen, die rund 10% an der deutschen Bevölkerung ausmachen, bieten ein breites Altersspektrum, das von Schülern bis hin zu Menschen „im besten Alter“ reicht. Eine hohe Qualifi kation, in der Regel Abitur und danach ein Studium, zeichnen diese Gruppe aus, die vornehmliche leitende Angestellte, Beamte und Freiberufl er hervorbringt. Ein hohes Einkommen

Beschäftigung und Phasen von Antriebslosigkeit enthält. Ihr Ziel ist es oft, aus dem Alltag auszubrechen und Abstand zum Mainstream und den traditionellen, bürgerlichen Werten zu halten. Zu fi nden sind sie in der Unter- und unteren Mittelschicht, und werden als neu-orientiert eingestuft.

Die Experimentalisten, die rund 9% an der deutschen Bevölkerung ausmachen, sind ein junges Milieu, dessen Schwerpunkt unter 35 Jahren liegt. Einer der Gründe dafür ist wohl der hohe Anteil an Schülern, Auszubildenden und Studenten. Mit gehobenen Bildungsab-schlüssen werden mittlere Positionen im Berufsleben eingenommen, mit denen ein überdurchschnittliches Haushaltseinkommen realisiert werden kann, das teilweise auch durch gut situierte Elternhäuser gestützt wird. Es sind viele Singles vorhanden, was Folge des toleranten, off enen und auch lockeren Lebensstils sein könnte. Das Leben in Widersprüchen ist hier nichts außergewöhnliches, was gut zu den Eigenschaften des Individualismus, der Spontanität und Experimentierfreude passt. Die Experimentalisten werden der Mittelschicht zugerechnet und als neu-orientiert eingestuft.

Die Modernen Performer, die rund 10% an

mit sozialen Problemen vielfältiger Art zu kämpfen. Das Bildungsniveau befi ndet sich im Bereich der Volks- und Hauptschule, eine Berufsausbildung ist nicht unbedingt vorhanden. Daraus ergeben sich auch Beschäftigungsver-hältnisse mit geringem Einkommen und eine hohe Arbeitslosigkeit in diesem Milieu. Die Gruppe ist durch ein übersteigertes Konsumverhalten gekennzeichnet, das zur Kompensation der beschränkten fi nanziellen Mittel und der sozialen Benachteiligung dienen soll, was sich in spontanem und möglichst prestigeträchtigem Konsum mündet. Die Einordnung ist deutlich in der Unterschicht, die Orientierung liegt mit ihrem Schwerpunkt im Bereich der Modernisierung.

Die Hedonisten, die rund 11% an der deutschen Bevölkerung ausmachen, sind eine junge bis mittlere Altersgruppe bis 50, deren Schwerpunkt klar unter 30 Jahren liegt. Ihr gehören vorwiegend einfache Angestellte und Arbeiter an, aber auch der Anteil an Schülern und Auszubildenden ist groß. Die Bildung liegt eher im unteren bis mittleren Bereich und es besteht häufi g keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie kennzeichnen sich durch ein Verhalten, das wechselnde Phasen hoher Aktivität, auf der Suche nach Spaß und (Freizeit-)

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und teilweise große Vermögen sind der Fall. Eine liberale und aufgeklärte Grundhaltung bringen Weltoff enheit, Toleranz und Multikulturalität mit sich. Die Postmateriellen haben eine Denkweise, die auf globale Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten ausgerichtet ist. Sie werden zum größten Teil der Oberschicht zugerechnet und zählen zu den Modernen bis neu-orientierten Milieus.Die Etablierten, die rund 10%

der deutschen Bevölkerung ausmachen, sind im Schnitt zwischen 40 und 60 Jahre alt und verfügen über ein hohes Bildungsniveau. Dementsprechend werden Positionen als leitende Angestellte und höhere Beamte, aber auch als Selbstständige und Unternehmer bekleidet. Ein hohes Einkommen ist hier üblich, große Vermögen sind teilweise auch vorhanden. Beschrieben werden die Etablierten als

Uhrensammlung und Humidor auf einer schlichten, aber stilvollen Kommode:

am ehesten bei den Etablierten zu fi nden.

gebildete, gut situierte Elite, die daraus ein hohes Selbstbewusstsein schöpft. Damit gehen hohe Exklusivitätsan-sprüche einher, die zu einer bewusste Abgrenzung zu anderen Gruppen durch besonderes Stilbewusstsein führt. Gesell-schaftlich werden sie der Oberschicht zugerechnet und von der Orientierung her ist ein Breites Spektrum aller Richtungen, von traditionellen Werten bis zur neu-Orientierung vertreten, wobei der Schwerpunkt klar zu den traditionellen Werten geht.

Die Konservativen, die rund 5% der deutschen Bevölkerung ausmachen, haben ihren Altersschwerpunkt über 60 Jahren, weshalb ein hoher Anteil bereits im Ruhestand ist. Es sind über-durchschnittliche viele Akademiker vorhanden, weshalb meist in hohen Positionen gearbeitet wird und wurde. Daraus resultiert ein auch ein hohes Einkommensniveau mit teilweise großen Vermögen. Die Konservativen leben meist in 2 Personen Haushalten, leben gepfl egte Umgangsformen und stellen die Überbleibsel desalten deutschen Bildungsbürgertums dar. Für sie sind Werte, Traditionen, Pfl ichterfüllung und die (Gesellschafts-) Ordnung wichtig. Ein ausgeprägtes Bewusstsein für das nationale und kulturelle Erbe sind vorhanden und

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insgesamt traditioneller eingestellt ist, da sich hier Traditionen und werte besser erhalten können, während Städte mit ihrer ausgeprägten Anonymität anziehend auf neu orientierte Menschen mit alternativen Lebensstilen wirken. Außerdem sprechen Schulabschlüsse und Ausbildungsgrad auf dem Land dafür, dass der vor gelebte Lebensstil der vorangegangenen Generation als eigenes Ziel adaptiert wird, weshalb die Bildung bis zumdafür benötigten Grad stattfi ndet. Anschließend wird ins Berufsleben gewechselt unddieser Standard einfach gehalten.

führen teilweise zu rechts-konservativen Zügen. Außerdem ist ein Elitebewusst-sein vorhanden, das bis zum glauben an die Überlegenheit der eigenen Gruppe reichen kann. Charakterisiert werden sie als traditionell geprägter Teil der oberen Mittel- und Oberschicht.

Die Bürgerliche Mitte, die rund 15% der deutschen Bevölkerung ausmacht, hat ihren Schwerpunkt in den Generationen zwischen 30 und 60 Jahren. Das kinder-freundliche Milieu lebt meist in Mehr-personenhaushalten und verfügt über mittlere Bildungsabschlüsse, die in einfache bis mittlere Anstellungs- oder Beamtenverhältnissen münden und so zu einem mittleren Einkommen führen. Die Bürgerliche Mitte stellt nicht nur die größte Gruppe, sondern auch den Mainstream unserer Gesellschaft dar. Ihr Ziel sind Harmonie im Leben, das auf gut gesicherten Verhältnissen aufbauen soll. Das Streben nach berufl icher und sozialer Etablierung gehört ebenfalls zu den Zielen und geht mit Abstiegsängsten einher. Das Milieu erstreckt sich von der oberen Unterschicht bis zur unteren Oberschicht und von der traditionellen Werteauff assung bis zur Neuorientierung, wobei Extreme vermieden werden.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Bevölkerung auf dem Land

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mündliche Auskünfte

Frau Eppert, Kerstin, Inhaberin „Kamelstübchen“, Neustall (21.06.2010)

Quellenverzeichnis

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Herr Hau und Herr Fritz, Ortsvorsteher Neustall (21.06.2010)

Frau Hiestermann, Amt Steinau an der Straße (14.06.2010)

Herr Karg, Bauamt, Gemeinde Sinntal

Herr Kremer, Christoph, Ortsvorsteher Sterbfritz

Herr Michna, Haupt- und Finanzverwaltung, Gemeinde Sinntal

Mitarbeiter des hessischen Bauernverbandes, Kreisbauernverband Main-Kinzig e.V., Wächtersbach (14.06.2010)

Herr Schreiber, Rainer, Bürgermeister Jossgrund (14.06.2010)

telefonische Auskünfte

Herr Buchhold, Roland, Bauordnungsamt Main-Kinzig.Kreis, Kreisverwaltung,Denkmalpfl ege und Wohnungsbauförderung (Juli 2010)

Frau Freund, Amt Steinau an der Straße (Juni 2010)

Herr Hartmann, Harald, DB NETZ, Regionalbereich Mitte, Regionales Kundenmanagement

Mitarbeiter des Finanzamtes Gelnhausen (Juli 2010)

Herr Nüchter, Ortsvorsteher Neustall

Herr Schmidt, Amt Steinau an der Straße (Juli 2010)

Herr Schöppner, Mitarbeiter bei ALSA (Juli 2010)

Frau Spielmann, Amt Steinau an der Straße (Juli 2010)

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sonstige Quellen

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Bebauungspläne der Gemeinde Sinntal, Ortsteil Altengronau

Flächennutzungsplan der Gemeinde Sinntal, Ortsteil Altengronau

Flächennutzungsplan der Gemeinde Steinau an der Straße, Teilplan Stadtteile Neustall und Uerzell

Haltestellenfahrplan „Steinau an der Straße - Neustall„Fleschenbacher Straße“, Rhein-Main-Verkehrsverbund

Spessart-regional, Verband zur Entwicklung des hessischen Spessart e.V. (2007): SPESSARTregional - die starke Brücke zwischen der Metropolregion und dem ländlichen Raum, Regionales Entwicklungskonzept, Bad Orb

Quellenverzeichnis

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SPESSARTregional Räumliche Entwicklungsstrategien für ländliche Regionen246

Abbildungsverzeichnis

S.7: Bericht Demographische Entwicklung im Main-Kinzig-Kreis 2009. http://www.mkk.de/cms/media/pdf/ aemter/sozialamt/aeltere_buerger/demographische_entwicklung/Demographische_Entwicklung_im_ Main-Kinzig-Kreis.pdfS.9: Kommunikative Steuerung des Stadtumbaus (2005)S.23: googlemaps.comS.24 links, 27,51: Spessart-regional, Verband zur Entwicklung des hessischen Spessart e.V. (2007): SPESSARTregional - die starke Brücke zwischen der Metropolregion und dem ländlichen Raum, Regionales Entwicklungskon zept, Bad OrbS.24 rechts: www. VGF.de, 2010S.41: www.badsoden-salmünster.deS.66 oben: www.Steinau.eu/index_main.php?unid=2469&websiteid=verwaltungS. 66 unten, 67, 69: eigene Darstellung auf Grundlage der Statistiken der Stadt Steinau a.d.Straße S.55 Mitte unten, 71-75, 80,105,106 links: eigene Darstellung auf Grundlage von googlemaps.comS.98: FNP Gemeinde Sinntal: AltengronauS.110 rechts oben: www.spessart-touristinfo.de/database/dbpic/partner-2/JossatalKarte.jpgS.143 rechts: www.generation-mensch.de/kn_Info Altenzentrum Sterbfritz Plan-hp.jpgS15 -153: www.baltmannsweiler.deS. 162: ImmoStudie2009S.165: www.mkk.deS.169: eigene Darstellung auf Kartengrundlage Naturraum Spessart 1:25.000S.170-171: http://www.sinntal.de/gemeinde/info-broschueresinntal/index.html

S.34,50 , 55 Mitte unten, 56, 64, 65, 69, 78, 82, 85-90, 92, 93, 94, 104, 111, 113 links, 126, 127, 129, 134-139,150,154-157,163,173,175, 179: eigene Darstellungen

übrige Abbildungen: eigene Fotografi en

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