Spezielle Fachdidaktik „Physik am Gymnasium“ · 2012. 10. 8. · Prof. Dr. Thomas Wilhelm...

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Spezielle Fachdidaktik „Physik am Gymnasium“ Prof. Dr. Thomas Wilhelm Didaktik der Physik, Universität Augsburg Vorlesung

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Spezielle Fachdidaktik „Physik am Gymnasium“

Prof. Dr. Thomas WilhelmDidaktik der Physik, Universität Augsburg

Vorlesung

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Gliederung1. Was ist Physikdidaktik?2. Allgemeines zu Schülervorstellungen3. Optik4. Kinematik5. Kraft6. Didaktische Konzepte zur Mechanik7. Weitere Mechanikforderungen8. Karlsruher Physikkurs9. Energie10. Teilchenmodell11. Wärmelehre12. Druck13. Atome und Quantenphysik14. Elektrizitätslehre15. Methoden zur Veränderung von Schülervorstellungen16. Schülervorstellungen zum Lernen17. Schülervorstellungen zur Physik18. Methoden der Physik

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Verweise auf Lehrbücher

Kapitel 4 bis 7,S. 29 - 62

Hopf, Schecker, Wiesner:

Physikdidaktik kompakt

S. 581 - 606

Kircher, Girwidz, Häußler: Physikdidaktik.

Theorie und Praxis

Kapitel 2, S. 5 – 29Ganzes Buch

Wilhelm, Logos-Verlag

Müller, Wodzinski, Hopf: Schülervorstellungen in

der Physik

Literatur zu Schülervorstellungen:

Kapitel 2.1,S. 52-73

Mikelskis (Hrsg.):Physik-Didaktik,

2006

Kapitel 1,S. 1 - 26

Kircher, Schneider:Physikdidaktik in der

Praxis

Kapitel 11,S. 290 - 334

Kapitel 3.2.6,S. 197 - 208

Willer:Didaktik des

Physikunterrichts

Bleichroth, Dahncke, Jung, Kuhn, Merzyn, Weltner:

Fachdidaktik Physik

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1. Was ist Physikdidaktik?

Was ist Physik?Experimentalphysiker und theoretische Physiker entwickeln die methodische Struktur der Physik, entwerfen die begriffliche Struktur der Physik und schaffen die Grundlage für technische Anwendungen.

Was ist Didaktik?Die Didaktik der Physik ist die Wissenschaft, die das Lehren und Lernen von Physik zum Gegenstand hat. Sie beschäftigt sich mit der Frage, was im Physikunterricht vermittelt werden soll, und allen Facetten der Frage, wie diese Ziele erreicht werden können. Physikdidaktik ist eine interdisziplinäre Wissenschaft; von besonderer Bedeutung sind Physik, Technik, Pädagogik, Philosophie, Soziologie, Psychologie und Geschichte. Man kann sagen, die Physikdidaktik gehört zur Pädagogik bzw. zu den Erziehungswissenschaften und bezieht sich dabei auf die Physik.

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1. Was ist Physikdidaktik?

Was ist Physik? Was ist Didaktik?

Merke:Didaktik im engeren Sinne = Ziele und Inhalte, WAS?Methodik = Wege, Methoden, Medien, WIE?

Merke:Didaktik im weiteren Sinne = Didaktik im engeren Sinne

+ Methodik+ empirische Unterrichtsforschung

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1. Was ist Physikdidaktik?

Es gibt drei Gruppen von Physikdidaktikern:1. Fachwissenschaftlich orientierte Physikdidaktiker (nicht-empirisch)

2. Unterrichtlich orientierte Physikdidaktiker (empirisch)

3. Lernforschungsorientierte Physikdidaktiker (empirisch)

Aspekte physikdidaktischer Forschung:1. Physikdidaktik betreibt Rekonstruktion von Fachsystematik.2. Physikdidaktik bearbeitet das Verhältnis des Menschen zur Natur.3. Physikdidaktik setzt sich mit technischen Entwicklungen

auseinander.4. Physikdidaktik reflektiert gesellschaftliche Entwicklungen.5. Physikdidaktik stellt Lebenswelt- und Alltagsbezug her.6. Physikdidaktik und Bildungsziele.7. Physikdidaktik entwickelt ein spezifisches Methodeninventar.8. Physikdidaktik entwickelt, analysiert und kritisiert Medien.

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Weitere Gliederung 2. Allgemeines zu Schülervorstellungen Konkrete Schülervorstellungen (und Unterrichtskonzepte):

3. Strahlenoptik 4. Kinematik 5.-8. Dynamik/Kraft 9. Energie 10. Teilchenmodell 11. Wärmelehre 12. Druck 13. Atome und Quantenphysik 14. Elektrizitätslehre 16. Lernen 17.-18. Die Physik / Methoden der Physik

15. Methoden zur Veränderung von Schülervorstellungen

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Hinführung

Was sehen Sie hier?

Eigentlich sehen Sie nur weiße und graue Pixel.Sie interpretieren dies und suchen eine einfache Erklärung.

Sinneseindrücken haben keine Bedeutung. Erst unser Denken stellt diese her.

Genauso tun es Schüler. Ihre Erklärungen sind dabei anders als die der Physik, einfacher und einleuchtender.

Schüler kommen nicht als „tabula rasa“ (leere Blätter) in den Physikunterricht!

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Hinführung

Zunächst typischeAufgaben ausSchülertests

Bitte allein beantworten(nur für Sie selbst!)

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2. Allgemeines zu Schülervorstellungen

2.1 Unterschiedliche Begriffe Es gibt unterschiedliche Begriffe mit verschiedenen Wertungen bzw.

aus verschiedenen Sichtweisen: „Fehlvorstellungen“, „Fehlkonzepte“, „Spontanes Denken“, „intuitive

Physik“ sind z.T. abwertend (Vorkenntnisse sind aber positiv). „Schülervorstellungen“, „Schülervorverständnis“ weisen auf Schule hin.

Aber gleiche Vorstellungen bei Vorschulkindern und Erwachsenen. „Vorverständnis“, „Denkrahmen“, „Präkonzepte“ sind neutrale Begriffe. „Alltagsvorstellungen“, „Alltagstheorien“ liefern eine Erklärung und geben

positiven Wert. Am häufigsten: „Schülervorstellungen“, „Alltagsvorstellungen“. Inhalt: Vorstellungen über physikalische Begriffe und ihre Beziehungen

und allgemeine Denkrahmen (Vorstellungen über Gegenstände, Ziele, Methoden der Physik) und Interessen und Einstellungen.

Wir machen uns Vorstellungen über die Vorstellungen der Schüler.

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2. Allgemeines zu Schülervorstellungen

2.2 Ursachen von Schülervorstellungen Die Phänomene der Physik entstammen unserer Alltagswelt und

unser Denken stellt Zusammenhänge her.

Alltagstheorien reichen zur Erklärung alltäglicher Phänomene aus (kontextabhängige Wahrheiten) und sind eine beachtliche Leistung (z.B.: Fahrrad v ~ F, schwere Körper fallen schneller als leichte).

Die Alltagssprache bewahrt überholte Vorstellungen (z.B. Kraftwerk).

Auch der Physikunterricht weckt Vorstellungen, die den physikalischen Vorstellungen zuwiderlaufen( hermeneutische Zirkel)

Häufig: Schüler denken vorunterrichtlich, verwenden aber das kennen gelernte physikalische Vokabular, d.h. der Unterricht macht aus Präkonzepten häufig Misskonzepte.

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2. Allgemeines zu Schülervorstellungen

2.3 Eigenschaften von Schülervorstellungen Begriffe sind in den Schülervorstellungen (wie in der

Umgangssprache) Sammelbegriffe, deren Bedeutung sich erst im Kontext formt.

Schüler besitzen gleichzeitig vielfältig und widersprüchliche Vorstellungen (Erklärungsvielfalt) bzw. sie werden spontan erzeugt.

Schülervorstellungen sind z.T. sinnstiftend miteinander vernetzt (Netz von Vorstellungen?).

Schülervorstellungen sind stabil und dauerhaft(Probleme: Man sieht, was man glaubt. Wenn man Differenz versteht, glaubt man es noch nicht).

Menschen möchten von ihren Ansichten möglichst wenig abweichen.

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2. Allgemeines zu Schülervorstellungen

2.4 Kompartmentalisierung von Schülervorstellungen Wissenskompartmentalisierung = Wissen besteht aus

verschiedenen, separat gehaltenen, nicht-verknüpften Teilen. Drei Arten:

Kompartmentalisierung von korrekten und inkorrekten Konzepten:Korrekte und inkorrekte Konzepten bestehen nebeneinander, Schüler springen zwischen beiden Erklärungskonzepten hin- und her (Erklärungsvielfalt).

Kompartmentalisierung unterschiedlich korrekter Konzepte:Unterschiedliche Konzepten, die miteinander verknüpft sind, wurden als separate Wissenseinheiten erworben und gespeichert.

Kompartmentalisierung von Symbolsystemen und Dingen der wirklichen Welt: Physik (Laborwelt, Formelmanipulation) hat nichts mit der Alltagswelt zu tun.

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2. Allgemeines zu Schülervorstellungen

2.5 Bewertung nach Niveaustufen Beim Lernen verändern sich die Schülervorstellungen. Ein Schüler

durchläuft evtl. mehrere Zwischenzustände, einen Lernpfad. Schülervorstellungen sind wie eine Theorie, die die Beobachtung

leiten. Hier gibt es verschiedene Kompetenzniveaus: 1. Alltagstheorien, wie sie zu Beginn des Unterrichts vorliegen (Ihre

Kenntnis haben für die tägliche Kommunikation soziale Bedeutung!). 2. Vorwissenschaftliche Theorie, durch den Unterricht veränderte

Alltagstheorie, aber nicht die wissenschaftliche Theorie. 3. Wissenschaftliche Theorie, wie sie günstigstenfalls im Unterricht

erwartet werden kann (Das ist nicht die volle Beherrschung der physikalischen Theorie!).

0. Kritisch regredierte Theorie, der „physikalisch sprachlose Schüler“:Der Schüler kennt die Unzulänglichkeit der Alltagstheorie, kann aber das Fachkonzept nicht anwenden. So verliert er den Mut, darüber zu reden (die Eingeschüchterten).

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2. Allgemeines zu Schülervorstellungen

2.6 Allgemeine Schülervorstellungen Intention bzw. Absicht

Im sozialen bzw. rechtlichen Bereich wichtig. Beispiele Schülervorstellungen: Motorkraft soll Auto beschleunigen,

Hammerwerferin will Hammer fortschleudern Umgekehrt: Reibung oder Trägheit wollen Bewegung hemmen.

Aktivität und Ursache Im Alltag sucht man nach Ursachen für Ereignisse In Physik sucht man nach Bedingungen für Veränderungen Schülervorstellungen: Identifizieren eines Verursachers des Geschehens Beispiel: Nur aktive Körper können Kräfte ausüben

Überwindungs- bzw. Gewinnvorstellung Beispiel für Überwindungsvorstellung: Trägheit wird als Gegenkraft

gesehen, die überwunden werden muss. Beispiel für Denkmuster Gewinnvorstellung: Kugel rollt in die Richtung

der stärksten Kraft, sie gewinnt.

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3. Optik

Gliederung: 1. Schülervorstellungen zur Optik

2. Traditioneller Optikunterricht

3. Das Frankfurter Optik-Konzept

4. Modellfreie Optik

5. Andere Optikkonzepte

6. Themen im bayerischen G8

(7. Ergänzung: Sichtbarmachen von Lichtstrahlen)

Zuerst typische Aufgaben aus Schülertests

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3.1 Schülervorstellungen zur Optik

Der Sehvorgang: Fast alle Schüler der Grundschule (und z.T. noch später):

Licht macht hell und ermöglicht Sehen(Hellsein = Umgebungslicht = Lichtbad)

Und man muss die Augen aufmachen Offen bleibt: Verbindung Gegenstände - Augen Bei Lichtbadvorstellung ist die Schattenbildung

nicht verstehbar!

Bei 13- bis 14-Jährigen: Lampen sind Lichtquellen, Licht tritt

geradlinig aus und beleuchtet Gegenstände Schattenbildung wird verstanden. Die physikalische Vorstellung, dass Licht vom

Gegenstand ins Auge fällt, wird nicht akzeptiert.

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3.1 Schülervorstellungen zur Optik

Der Sehvorgang: Selten auftretend:

Entgegen anderen Behauptungen kommt die „Sehstrahlvorstellung“ selten vor.

Demnach sehe ich, weil ich hinschaue. Im Alltag: „Einen Blick auf etwas werfen“ Supermans Röntgenblick

Die physikalische Sicht: Licht wird von Gegenständen teils absorbiert,

teils gestreut (= „diffus reflektiert“). Bezüglich Sehen ist kein Unterschied zwischen

selbstleuchtenden und beleuchten Gegenständen. Schüler kommen nicht von selbst zu dieser

Einsicht und lehnen sie häufig ab.

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3.1 Schülervorstellungen zur Optik

Vorstellungen zum Spiegel: Er wirft Licht zurück, es blendet. Das Spiegelbild liegt auf der Spiegeloberfläche! Reflexion und Spiegelbild

sind verschiedeneunverbundene Themen.

Häufige Fehlvorstellung:Spiegel vertauscht linksund rechts.

Richtig: Spiegel vertauschtvorne und hinten, aber nichtlinks und rechts.

„Ein Spiegel vertauschtrechts und links!“

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Vorstellungen zu Farben: Gegenstände haben eine Eigenfarbe, die unabhängig vom

beleuchteten Licht ist, die durch Beleuchten sichtbar gemacht wird. Trifft auf einen farbigen Gegenstand farbiges Licht, mischen sich die

beiden Farben. Trifft auf einen farbigen Gegenstand farbiges Licht, dann deckt die

"kräftigere" Farbe die "schwächere" Farbe zu. "Helle" Farben (gelb, orange) sind im Dunkeln sichtbar, "dunkle"

Farben (blau, violett) nicht. Licht hat keine Farbe. Licht kann verschiedene Farben haben, die sich beim Auftreffen auf

eine weiße Oberfläche zeigen. Beim Durchgang durch eine farbige Folie wird das Licht durch die

Folienfarbe gefärbt. Beim Auftreffen von Licht auf farbigen Oberflächen wird ein der

Oberflächenfarbe farbiges Licht erzeugt.

3.1 Schülervorstellungen zur Optik

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3.1 Schülervorstellungen zur Optik

Vorstellungen zur Sammellinse als Brennglas: Linse verstärkt das Licht; hinter der Linse ist mehr Licht. Hinter der Linse ist genauso viel Licht, aber konzentrierter (z.B. Kegel)

Vorstellungen zur Bildentstehung durch Linsen: Spiegelung/Reflexion des Bildes durch die Linse. Objekt wird als Ganzes auf das Bild geworfen. Bei virtuellen Bildern: Bild liegt auf der Linsenoberfläche. Auch nach dem Unterricht häufig nicht vorhanden:

Gegenstandpunkt sendet Lichtkegel aus, der durch Linse auf einen Punkt zusammen geführt wird (Punkt-zu-Punkt-Abbildung).

Folgerungen/Forderungen: Sender-Empfänger-Vorstellung aufbauen, Lichtweg deutlich machen. Bei Linsen Lichtkegeln betrachten.

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3.2 Traditioneller Optikunterricht

Sekundarstufe I: Strahlenoptik = geometrische Optik Grundlage: Modell Lichtstrahl

Oberstufe I: Wellenoptik Grundlage: Modell Welle

Oberstufe II: Licht als Teilchen (Photonen) Grundlage: Modell Teilchen

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Früher in Mittelstufe: Schwerpunkt auf strahlengeometrische Konstruktion Auch wichtig: Berechnungen bei optischen Abbildungen

Problem: Schüler hören mit ihren Fehlvorstellungen (Licht als Lichtbad oder

Zustand) Verständnis für den Vorgang fehlt Von wo, wie, nach wo Licht geht, wird nicht deutlich gemacht, bleibt

unklar Konstruktionsstrahlen müssen keine abbildenden Strahlen sein.

3.2 Traditioneller Optikunterricht

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Problem

Unterschied:

Konstruktionsstrahlen: abbildende Strahlen:

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3.3 Das Frankfurter Optik-Konzept

Ausgehend von bekannten Schülervorstellungen und Lernschwierigkeiten (abgestimmt auf Klasse 7)

Sehr ausführliche Materialien (z.B. Hefte im Aulis-Verlag) (Baukastensystem)

In einer breit angelegten Unterrichtserprobung empirisch untersucht (Dissertation Herdt bei Prof. Dr. Dr. Wiesner)

Deutlich höhere Lernerfolge als im konventionellen Unterricht!

Zentrum: Subjektiv wahrgenommene optische Erscheinungen

Ziel: In das objektive System der Physik einordnen und erklären geometrische Strahlenoptik

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Vorgehen: Erster Schritt: Untersuchung der Erscheinungen Zweiter Schritt: Ermittlung des Weges des Lichtes vom Gegenstand

durch das optische System zum Auge (Richtung wichtig!) Dritter Schritt: Strahlengeometrische Konstruktion von ausgesuchten

Bildpunkten, Verdeutlichen des Zusammenhangs zwischensubjektiver Wahrnehmung und Konstruktion

Grundlegend: Leuchtfleck-zu-Bildfleck-Schema

Betont: Sender-Strahlungs-Empfänger-Vorstellung Am Anfang sehr wichtig: Schülern Sehvorgang deutlich

machen, in diesem Zusammenhang Streuung sehr wichtig.

3.3 Das Frankfurter Optik-Konzept

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Merksatz: Die Sonne, die Lampe, die Kerze, ... strahlt Licht nach allen Seiten

ab. Ein Teil des Lichtes fällt auf den Körper. Dadurch strahlt auch die Oberfläche des Körpers wieder Licht ab, d.h. der Körper wird zu einem Zwischensender von Licht. Fällt von dem Licht, das der beleuchtete Körper abstrahlt, ein Teil in das Auge ein, entsteht dort auf der Netzhaut ein Bild des Gegenstandes und der Wahrnehmungsreiz wird ausgelöst.

Betonung des Gemeinsamen von primären und sekundären Lichtquellen (Begriff: Zwischensender)(Traditionell: Betonung der Unterschiede)

Verwendung von „Streuung“ statt „diffuser Reflexion“

3.3 Das Frankfurter Optik-Konzept

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Getestet in vergleichbaren Gruppen (9 Kontrollklassen, 6 Versuchsklassen) im Schuljahr 1988/89

Abschlusstest mit 20 Aufgaben und 40 Punkten Durchschnitt:

Kontrollgruppe 9,9 Punkte,Versuchsgruppe 23,8 Punkte(signifikant)!

Schlechteste Versuchsklassebesser als beste Kontrollklasse.

Versuchsgruppe nicht nur bei Streuung und Sehvorgang überlegen, sondern auch bei Konstruktionsaufgaben.

3.3 Das Frankfurter Optik-Konzept

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Das Frankfurter Unterrichtskonzept ging in den bayerischen G8-Lehrplan ein: Optik in Jahrgangsstufe 7 „Sehen“ als vorgeschriebenes Thema „Diffuse Reflexion“ nicht mehr im Lehrplan Keine Berechnungen mehr

Nachlesbar ist das Frankfurter Unterrichtskonzept u.a. in den Hefte des Aulis-Verlags „Unterricht Physik“

3.3 Das Frankfurter Optik-Konzept

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3.4 Modellfreie Optik

Ein anderes Optikkonzept (nicht konform zu bayerischen Lehrplan)

Auch als phänomenologische Optik bezeichnet.

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3.4.1 Ausgangspunkt

Klassische Strahlenoptik des regulären Optikunterrichts: Erklärung und Beschreibung optischer Sachverhalte mit Hilfe von

Lichtstrahlen. Das Objekt sendet Lichtstrahlen aus, das Auge empfängt (keine

Sehstrahlen!) Lichtstrahlen sind ein Modell und nicht sehbar!! Lösung im Experiment:

Streifender Lichteinfall eines Lichtfächers. D.h. es wird die Schnittlinie zwischen einer Lichtebene und einem senkrecht dazu stehenden Schirm sichtbar. Diese Schnittlinie wird dann als Lichtstrahl interpretiert.

Streuung In Luft: Kreidestaub, Zigarettenrauch, vernebeltes Wasser von einem

Ultraschallwasserverdampfer oder Nebel aus einer Disco-Nebelmaschine In Wasser: ein Tropfen Milch Oder in Gelatineblock

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3.4.2 Im Anfangsunterricht

Verzicht auf das Modell „Lichtstrahl“ Beobachtung sehr wichtig, Wahrnehmung der Phänomene Über den Blickweg eingeführter Lichtweg ”Prinzip Ameise”: Schüler sollen sich an den Ort der

Bildentstehung begeben. Von dort aus versuchen sie dann, die Erscheinung aus der subjektiven Perspektive zu beschreiben. subjektive Experimente Handlungsschema ”Hell ist es, von wo aus ich Helles sehen kann” Erkenntnisgewinn aus eigenem Beobachten, unmittelbares Erleben von Phänomenen.

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3.4.3 Beispiel Prinzip Ameise

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3.4.4 Spiegel

Statt Reflexionsgesetz: Spiegelwelt

1. Spiegelgesetz: Dinge in der Spiegelwelt befinden sich soweit hinter dem Spiegel, wie die wirklichen Dinge vor dem Spiegel sind.

2. Spiegelgesetz: Der Spiegel vertauscht vorne und hinten.

Erneut keine Lichtstrahlen!

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3.4.5 Beispiel Doppelschatten

Experiment:

Erklärung mit Spiegelwelt: Erklärung der Strahlenoptik:

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3.4.6 Optische Hebung statt Brechung

Brechung ist ein Begriff der Strahlenoptik (Lichtstrahlen werden gebrochen).

Stattdessen wird das Phänomen der optischen Hebung beschrieben.

Unterscheidung zwischen einem Tast- und einem Sehraum Statt Brechzahl nun Hebungszahl. Unterscheidung zwischen einäugigem Sehen (Objekt nur

angehoben) und zweiäugigem Sehen (Objekt angehoben und näher am Beobachter).

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3.4.6 Optische Hebung

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3.4.6 Optische Hebung

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3.4.7 Unterrichtskonzept

Optikcurriculum wurde im Laufe der achtziger und neunziger Jahre an der Gesamthochschule Kassel und an der Humboldt-Universität zu Berlin entwickelt.

Dreiteiliges Unterrichtskonzept: Anfangsunterricht (siehe oben), Mittelstufe (siehe unten), Oberstufe (siehe unten) Anfangsoptik: über den Blickweg eingeführter Lichtweg Mittelstufe: Betrachten von Lichtwegen von Sender zum Empfänger

durch optische Anordnungen (weder Strahlen- noch Wellenoptik) (Nutzung des Fermat-Prinzips)

Oberstufe: Zeigeroptik (mögliche Lichtwege zwischen Lichtquelle und einem Beobachtungspunkt durch rotierende Zeiger vermessen, um Lichtintensitäten zu ermitteln)

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Drei verschiedene Zugänge:

3.4.7 Unterrichtskonzept

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3.4.8 Bewertung

Modellfreie Optik (= phänomenologische Optik): Konzept in anderen Bundesländern verwendet, z.B. Berlin Konzept empirisch nicht überprüft! Konzept hat Vorteile bei sehr speziellen Situationen Kein Einführen in physikalisches Denken! Modelle sind das Typische der Physik! Anthroposophische Einflüsse (Anthroposophie = spirituelle,

esoterische Weltanschauung) (Waldorfschulen)

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3.5.1 Die Fermatoptik

Reflexion: Der Lichtweg zwischen zwei Punkten ist derjenige mit der kürzesten

geometrischen Weglänge Der Lichtweg zwischen zwei Punkten ist derjenige mit extremaler

geometrischer Weglänge.

Hebung: Der Lichtweg zwischen zwei Punkten ist derjenige mit extremaler

optischer Weglänge.

Optische Abbildung: Bei einer optische Abbildung gibt es zwischen dem

Gegenstandspunkt und dem Bildpunkt unendlich viele Lichtwege mitder gleichen optischen Weglänge.

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3.5.2 Die Zeigeroptik in der Oberstufe

Ursprung: Ursprung in einer populärwissenschaftlichen Darstellung der

Quantenelektrodynamik von Richard Feynman. Dort führt er Zeiger ein, um optische Phänomene zu begründen, ohne die Frage nach der genauen „Natur des Lichts” beantworten zu müssen.

Von verschiedenen Didaktikern genutzt (siehe Schulbuch Dorn-Bader) (siehe PAKMA-CD des Schroedel-Verlags)

Im Gegensatz zur Fermat-Optik wird postuliert, dass alle Lichtwege zurIntensität an einembestimmten Punktbeitragen.

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Regeln:a) Jedem Lichtweg wird ein Zeiger zugeordnet, der sich während der

Lichtausbreitung dreht. Wenn der Zeiger eine vollständige Drehung durchgeführt hat, hat das Licht einen Weg zurückgelegt, der gleich seiner Basislänge (Wellenlänge) ist.

b) Die Länge des Zeigers wird so gewählt, dass das Quadrat die Wahrscheinlichkeit angibt, am Empfänger ein Photon zu registrieren.

c) Um die Intensität zu erhalten, müssen alle Zeiger wie Vektoren addiert werden. Anschließend wird die Resultierende quadriert.

d) Bei mehreren Lichtwegen von einer Lichtquelle zum Empfänger müssen alle Wege berücksichtigt werden, um das richtige Ergebnis für die Intensität zu erhalten.

e) Jeder Lichtweg trägt vom Betrag gleich viel zum Ergebnis bei.

3.5.2 Die Zeigeroptik in der Oberstufe

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Bewertung der Zeigeroptik (mit Modell Lichtstrahl!): In Baden-Württemberg verbreitet Bewährt, in Schulbüchern wie Dorn-Bader Kann bei der Quantenphysik wieder verwendet werden In Bayern nicht im Lehrplan

3.5.2 Die Zeigeroptik in der Oberstufe

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3.6.1 Themen in Bayern in Jgst.7

geradlinige Ausbreitung des Lichts Lichtquellen, Lichtstrahl als Modellvorstellung, Lichtausbreitung und

„Sehen” Schattenbildung, Mondphasen, Sonnen- und Mondfinsternis

Bilder bei Spiegeln und Linsen Reflexion, Spiegelbild Brechung, Abbildung durch Linsen, Konstruktion von reellen und

virtuellen Bildern Auge und Fehlsichtigkeit, Bildentstehung bei einem optischen

Instrument

Farben spektrale Zerlegung von weißem Licht, Regenbogen Farbigkeit als Stoffeigenschaft, Farbwahrnehmung

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Elektromagnetische Wellen grundlegende Phänomene (Reflexion, Brechung, Interferenz,

Beugung, Polarisation); Huygens’sches Prinzip stehende Wellen als Interferenzphänomen Interferenz von Licht am Doppelspalt Licht als elektromagnetische Welle Beugungsgitter und Wellenlängenbestimmung von Licht,

elektromagnetisches Spektrum

3.6.2 Themen im bayerischen G8 in Jgst.11

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Übliches Modell in der Strahlenoptik: Licht breitet sich in Form von Lichtstrahlen in einem homogenen Medium geradlinig aus.

Lichtweg wird deutlich gemacht.

Aber: Licht ist unsichtbar! Nur Licht, das ins Auge fällt, wird gesehen! Licht, das am Auge vorbeigeht, ist unsichtbar!

Zwei mögliche Lösungen: 1. Streuung durch Streuteilchen 2. streifenden Lichteinfall eines Lichtfächers

3.7 Sichtbarmachen von Lichtstrahlen

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3.7.1 Streuung durch Streuteilchen

In Luft: Kreidestaub Zigarettenrauch vernebeltes Wasser von einem Ultraschallwasserverdampfer am besten Nebel aus einer Disco-Nebelmaschine!

Nebelmaschine: für ca. 40 € im Elektronikhandel am Effektivsten

Beispiele: Spiegelanordnungen Tripelspiegel Michelson Interferometer

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3.7.1 Streuung durch Streuteilchen

In Wasser: ein Tropfen Milch in viel Wasser

Im Gelatineblock:

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3.7.2 Streifender Lichteinfall

Lichteinfall eines Lichtfächers

Schnittlinie zwischen einer Lichtebene und einem senkrecht dazu stehenden Schirm sichtbar.

Schnittlinie wird als Lichtstrahl interpretiert.

Klassisch: Schlitzblende vor einer Glühbirne

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Beispiel mit Reuterlampe:

Viel Justierarbeit

3.7.2 Streifender Lichteinfall

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Auch mit monochromatischem Laserlicht möglich?

Laserstrahl muss in eine Richtung aufgeweitet werden! Lösung: Glasrührstab ist eine Zylinderlinse mit sehr kleiner

Brennweite(Brennpunkt = halber Radius hinter dem Stab).

Problem: Noch mehr Justierarbeit!

3.7.2 Streifender Lichteinfall

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Für Magnettafel erhältlich mit: weißem Licht (Lichtfächer mit Schlitzblende) Laserlicht („Laser Ray Box“)

Bemerkungen: Wenig Justierarbeit Hoher Preis

Preiswerter: die Laserwasserwaage

3.7.2 Streifender Lichteinfall

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Im Baumarkt: Laserwasserwaagen, um gerade Linien an die Wand zu projizieren Zylinderlinse vor einem roten Diodenlaser Öffnungswinkel des Lichtfächers recht groß

3.7.3 Die Laserwasserwaage

Linie

Schirm

Laser

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Der Standardversuch:

3.7.3 Die Laserwasserwaage

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3.7.3 Die Laserwasserwaage

Schutzbestimmungen: In der Schule erlaubt:

Nur Laser der Klassen 1, 1M, 2 und 2M Laser der Klasse 2 und 2M sind ungefährlich, wenn der Laserstrahl für maximal 0,25

Sekunden ins Auge leuchtet (durch den Lidschlussreflex sichergestellt) M bedeutet, dass durch zusätzliche Optik die Intensität erhöht werden kann Klasse

höher Vorsicht bei ausländischen Billigstgeräten, die evtl. nicht richtig klassifiziert sind. Punktförmige Laserpointer:

Leistung nicht über 1 mW! Ein Testgerät einer Laserwasserwaage ohne punktförmigen Laser:

Leistung von kleiner als 3,5 mW und trotzdem erlaubt (Klasse 2M). Durch die starke Aufweitung entspricht bei Abständen über 1 m sogar nur noch einem Laser

der Klasse 1, die als völlig sicher gilt. Die Grenze von 1 mW muss aber eingehalten werden, falls die Zylinderlinse entfernbar ist.

Sogar für Schülerübungen geeignet. Hier besser nur Laserwasserwaagen verwenden, die keinen punktförmigen Strahl erlauben.

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Brechung beim Übergang Wasser –Luft:

3.7.3 Die Laserwasserwaage

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3.7.3 Die Laserwasserwaage

Modell einer Glasfaser:

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180°-Umkehrprisma aus Fernglas:

3.7.3 Die Laserwasserwaage

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3.7.3 Die Laserwasserwaage

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Lichtstrahlen sichtbar zu machen.

In Zeiten knapper Kassen ist die Verwendung einer Laserwasserwaage eine attraktive Variante für Brechungsversuche.

Einfacher Aufbau und gute Versuchsergebnisse Verwendung von handelsüblichen Baumarktgeräten hilft, die

Kluft zwischen Physikunterricht und Alltagswelt zu verringern.

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4. Kinematik

Die Mechanik beschäftigt sich mit Vorgängen, die den Erfahrungen der Schüler besonders nahe stehen. Deshalb hier besonders viele und stabile Schülervorstellungen.

Gliederung: 4.1 Schülervorstellungen zu Ort/Weg 4.2 Schülervorstellungen zur Geschwindigkeit 4.3 Geschwindigkeit in Schulbüchern 4.4 Schülervorstellungen zur Beschleunigung 4.5 Lehrervorstellungen über Schülervorstellungen 4.6 Beschleunigung in Schulbüchern 4.7 Messmöglichkeiten eindimensional 4.8 Messmöglichkeiten zweidimensional

Weiteres im Kapitel 5.

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4.1 Schülervorstellungen zu Ort / Weg

Keine klare Unterscheidung zwischen Ort (= Punkt im Bezugssystem) und Weglänge (= Länge der Bahnkurve).

Folge der Überbetonung eindimensionaler Bewegungen (Ort und Weg sind identische Größen bei eindimensionalen Bewegungen, die beim Nullpunkt starten)

Erst bei zweidimensionalen Bewegungen sinnfällig unterscheidbar.

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4.2 Schülervorstellungen zur Geschwindigkeit

Bedeutung von „Schnell“ / „langsam“ bereits elfjährigen intuitiv klar. Alltag: Vektorielle Geschwindigkeit (=velocity) wird reduziert auf:

positive skalare Größe (Betragsgröße) (= Schnelligkeit, Tempo, speed) Problem: Richtung äußert sich bei eindimensionalen Bewegungen

nur im Vorzeichen Folge: Gleichförmige Kreisbewegung ist konstante Geschwindigkeit, also

keine Beschleunigung. Es treten auch Probleme mit „gleicher Richtung“ auf. Allgemeine Definition ist nach dem Unterricht nicht bewusst,

sondern nur (Folge des Unterrichts). Keine Differenzierung zwischen Punktgrößen Ort/Zeitpunkt und

Intervallgrößen Weglänge/ Ortsdifferenz/ Zeitdifferenz

txv /

tsv /

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4.3 Geschwindigkeit in Schulbüchern

Wie elementarisiert man die formal-mathematische Darstellung der Definition eines physikalischen Begriffes? Aus Hochschullehrbuch: „Geschwindigkeit: .“ Bewertung:

Sehr abstrakt und komplex, höchste Allgemeinheit Mathematisch anspruchsvoll: infinitesimale Darstellung Physikalisch anspruchsvoll: Idealisierung der Momentangeschwindigkeit Übliche Vereinfachung in der Schule (nur historisch bedingt, ungünstig!!)

ist die Reduktion auf eine Dimension:

Didaktische Forschungsarbeiten zeigen, eine bessere Vereinfachung ist:kein Grenzwert und Reduktion auf zwei Dimensionen:

Eine weitere Reduzierung (ungünstig!!) ergibt in beiden Fällen:

Wenn zusätzlich Start bei Null (ungünstige Vereinfachung!):

dtxd

txv

t

0

lim:

dtdx

txv

t

0

lim:

txv

:

txv

:

tsv :

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Wie wird die Geschwindigkeit traditionell unterrichtet? Blick in ein Schulbuch 8. Jahrgangsstufe (1992) Blick in ein Schulbuch 11. Jahrgangsstufe (1996)

Wie könnte man es besser machen? Blick in ein aktuelles Schulbuch 8. Jahrgangsstufe (Reusch)

Fazit: In der Regel wird Geschwindigkeit als Tempo eingeführt. Kaum Bemühungen um Begriffsbildung Überbetonung von Rechnerischem und Gleichungen

4.3 Geschwindigkeit in Schulbüchern

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4.4 Schülervorstellungen zur Beschleunigung

Zuerst eine „einfache“ Schüleraufgabe: Siehe Arbeitsblatt!!

Alltag: Beschleunigung = Schnellerwerden Aber kein Quotientenbegriff (Zeit wird zusätzlich angegeben) Bilanzgröße (Vergleich Anfangs-/Endzustand). Folgen:

Große Beschleunigung wird mit großen Endgeschwindigkeiten assoziiert Einen Zeitpunkt ist keine Beschleunigung zuordenbar, nur einem Zeitintervall

(z.B. höchster Punkt beim senkrechten Münzwurf)

Physik: Beschleunigung ist zweite Ableitung des Ortes nach der Zeit.Das ist der Erfahrung nicht so zugänglich.

Deshalb: Beschleunigung wird von den Schülern in seiner Komplexität reduziert.

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4.4 Schülervorstellungen zur Beschleunigung

Drastischste Reduktion: Kein prinzipieller Unterschied zwischen Beschleunigung und Geschwindigkeit, nur verschiedene Formeln Beispiel: Beschleunigte Bearbeitung eines Aktenstückes Keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Bewegungsformen

Mehr Verständnis: Beschleunigung ist Änderung des Geschwindigkeitsbetrages Beschleunigung ist Änderung des Geschwindigkeitsbetrages pro Zeit ist eine Zahl (positive) Beschleunigung = schnellerwerden negative Beschleunigung = langsamerwerden v2

v1

v1 v

a

va ~

va tva /

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4.4 Schülervorstellungen zur Beschleunigung

Die (falsche) Reduktion auf eine skalare Größe führt in der Schule meistens kaum zu Problemen, da sich Körper meist in positive Richtung bewegen.

Problem: Bewegungen in negative Richtung: Schnellerwerden ist negative

Beschleunigung Zweidimensionales: Zentripetalbeschleunigung nicht verstehbar. Hier sogar Fehler in Lehrbüchern (z.B. Fadenpendel)

Physikalische Vorstellung: Beschleunigung ist eine vektorielle Größe.Sie hat eine Richtung.

Es ist nötig, von Anfang an zweidimensionale Bewegungen zu betrachten!!

v1

v1v

a

tva /

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4.5 Lehrervorstellung über Schülervorstellung

Beschleunigungsgraphen bei eindimensionalen Bewegungen: 46 % wählen richtig aus, dass nach Unterricht nur die Hälfte der

Schüler den richtigen Graph angeben kann.

Zweidimensionalen Bewegungen: Weniger als 15 % der Schüler geben bei Kurvenfahrten mit

konstantem Tempo die Beschleunigung radial nach innen an. Nur von 4 % der Lehrer denken dies. 49 % meinen, dass 50 bis 85 % der Schüler richtig sind.

Lehrer kennen Schwierigkeiten im Umgang mit Graphen,wissen aber nicht von den Problemen bei zweidimensionalen Bewegungen.

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Wie wird die Beschleunigung traditionell unterrichtet? Blick in ein Schulbuch 11. Jahrgangsstufe (1996)

Wie könnte man es besser machen? Blick in ein aktuelles Schulbuch 8. Jahrgangsstufe (Reusch)

Frage: Beschleunigung überhaupt in der Schule?

Tipps zum Umgang mit Graphen

Klassische und moderne Experimente

4.6 Beschleunigung in Schulbüchern

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4.7 Messmöglichkeiten eindimensional

1. Messungen ohne Computer1.1 Die Kröncke-Schwefelbahn1.2 Der Zeitmarkengeber von Phywe1.3 Der Zeitmarkengeber 1 von Leybold1.4 Der Zeitmarkengeber 2 von Leybold1.5 Messung mit Lichtschranken1.6 Messung mit dem Tachogenerator1.7 Messung mit dem Metronom

2. Messwerterfassung mit dem PC2.1 Verschiedene Software

z.B. Cassy (Leybold),PAKMA (Uni Würzburg),DataStudio (Pasco),Cobra/measure (Phywe),Coach (CMA),Lab Pro (Vernier),CBL (Texas Instruments),CorEx (Cornelsen

2.2 Verschiedene Sensorenz.B. Ultraschallsensor, Messlaufrad, Lasersensor, die PC-Maus

3. Videoanalyseprogrammez.B. AVA (Uni Würzburg), Galileo (klett-Verlag),

measure Dynamics (Phywe), Viana (Uni Essen), VideoAnalyzer (Schroedel), DiVA (Uni Augsburg), Coach (CMA), Easyvid (Heinrichs), ViMPS (Uni Mainz), David (Uni München)

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Software nimmt Daten vom Windows-Maustreiber oder direkt von serieller Maus.

4.8.1 Maus und Graphiktableau

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Schülerübungen möglich.

Pfeile sind gleichzeitig mit eigener Bewegung zu sehen.

Vorteile:

Nachteile:

Maus darf nicht verdreht werden

4.8.1 Maus und Graphiktableau

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Videos sind zweidimensional

Einfach: Folie auf Bildschirm

Software zurVideoanalyse

4.8.2 Videoanalyse

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Interessante Alltagsbewegungen sind messbar.

Automatische Analyse.

Einfache Bedienbarkeit.

Darstellungen zu- und wegschaltbar.

www.thomas-wilhelm.net/mD.htm

4.8.2 Videoanalyse

Vorteile der Videoanalyse mit measure Dynamics:

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Manuelle oder automatische Analyse

Darstellung fertig analysierter Videos

Export von Videosals avi-Dateimit allen Darstellungen

Einsatzmöglichkeiten mitmeasure Dynamics:

4.8.2 Videoanalyse

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Interessante Alltagsbewegungen messbar.

4.8.2 Videoanalyse

Vorteile:

Nachteile:

Videoanalyseprogramme zeichnen keine Pfeile (außer measure Dynamics).

Darstellung in PAKMA ist aufwändig.

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kostengünstige GPS-Geräte

Freeware-Software zum Download

Bahnkurve in Excel

Vektoren in PAKMA

4.8.3 GPS-Empfänger

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Weiterer Messbereich.

Vorteile:

Nachteile:

Kosten: ca. 140 €.

Darstellung erst nach der Bewegung.

4.8.3 GPS-Empfänger

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Schwefelstaub auf Metallplatte, 50 Hz Wechselspannung

Streifen im Abstand 0,01 s

4.8.4 Spurenplatte

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Für Schülerübungen ohne Computer geeignet.

Vorteile:

Nachteile:

Pfeile sind selbst zu zeichnen

Darstellung erst nach der Bewegung.

4.8.4 Spurenplatte

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4.8.5 Vergleich

JaNeinJa (measure dynamics)

Ja (in PAKMA)Schüler-übungen?

NeinNeinNein, aber fast

(measure dynamics)

Ja (in PAKMA)Pfeile in Echtzeit?

DezimeterHundert MeterMeterDezimeterMess-bereich

Spuren-platte

GPS-EmpfängerVideoanalyseMaus und

Graphiktableau

Einfache und schnelle Handhabung nur in measure dynamics!

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Schüler erleben die Folgen der begrenzten Beschleunigung.

4.8.6 Spiel „Autorennen“

Verschiebungspfeil dürfen jeweils in jeder Richtung nur um ein Kästchen größer oder kleiner werden.

11 yx vundv

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5. Kraft

Gliederung: 1. Schülervorstellungen zur „Kraft“ 2. Lehrervorstellungen 3. Historische Informationen 4. Statik 5. Lehrpläne in Bayern 6. Zusammensetzung und Zerlegung von Kräften 7. Problem Bezugssystem 8. Das dritte Newtonsche Axiom 9. Formulierung des Zweiten Axioms

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5.1 Schülervorstellungen zur „Kraft“

Zuerst einige einfache Schüleraufgaben: Siehe zwei Kopien!

1. Der Clusterbegriff „Kraft“: „Kraft“ ist in Umgangssprache ein Sammelbegriff, nicht scharf

definiert Verschiedene Namen für gleichen Clusterbegriff:

Energie, Kraft, Schwung, Wucht, Stärke, Gewalt usw. F = m a ist eine Formel dafür, es kann auch weitere geben Ein Körper kann „Kraft haben“, „Kraft ausüben“, „Kraft erfahren“,

Kraft speichern“, „Kraft verbrauchen“ Schüler sieht keinen Unterschied zwischen verschiedenen Begriffen,

er lernt nur, das richtige Wort/die richtige Formel zu verwenden. Kraft hat mit Voraussetzung zur Wechselwirkung zu tun, nicht mit der

Wechselwirkung selbst: Kraft = Wirkungsfähigkeit.

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2. „Sich bewegende Körper haben Kraft“: Sich in Bewegung befindende Körper besitzen Kraft (Wucht, Schwung). Man spürt diese Kraft, wenn man getroffen wird. Kraft beim In-Bewegung-Setzen erhalten und wieder abgebbar. Kraft kann beim Stoß auf einen anderen übertragen werden. Kraft ist annähernd „Energie“

oder „Impuls“.

3. „Für konstante Geschwindigkeit ist konstante Antriebskraft nötig“: Für konstante Geschwindigkeit ist eine von außen wirkende Kraft nötig. Geschwindigkeit ungefähr proportional zur antreibenden Kraft. Ohne dies Kraft wird der Körper langsamer und kommt zur Ruhe. Die Vorstellung entspricht unseren Erfahrungen in einer Welt mir Reibung.

5.1 Schülervorstellungen zur Kraft

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4. „Aktive Körper üben Kräfte aus, passive leisten Widerstand“:

Aktive Körper: belebte Körper, Körper in Bewegung / in Spannung, magnetische Körper, evtl. schwere Körper

Passive Körper: ruhende Körper in entspannter, stabiler Lage

Aktive Kräfte haben Ziel und Richtung. Passive Kräfte sind nur Hemmnisse (keine Kräfte) ohne Ziel und Richtung,

z.B. Reibung.

Beispiele: Auto, Sprinter: aktiv, beschleunigen sich Straße, Startblock: passiv, keine Kraft Physik: Straße beschleunigt Auto

5.1 Schülervorstellungen zur Kraft

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3. Newtonsches Gesetz wird auch im Unterricht nicht verstanden.

Ungeschickte Formulierungen wie „actio gleich reactio“, „Kraft gleich Gegenkraft“ verleiten zu Einteilung in aktive Ursache und passive Wirkung.

Schüler: beide Kräfte greifen am gleichen Körper an.

„Gegenkraft“ ist Widerstand des Körpers gegen von außen wirkende Kraft.

Überwindungsvorstellungen: Für Beschleunigung muss von außen wirkende Kraft größer sein als Gegenkraft/Trägheit des Körpers

5.1 Schülervorstellungen zur Kraft

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Einschub: Der FCI-Test

International bekannter Test

Denkaufgaben zur newtonschen Mechanik

In Deutschland im Gegensatz zu USA wenig eingesetzt

In Würzburg zu Beginn des ersten und des zweiten Semesters eingesetzt.

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5.2 Lehrervorstellungen überSchülervorstellungen

In der Ausbildung etwas gehört: Nichts: 18 % Wenig: 55 % Viel: 23 % (70 % unter 10 Dienstjahre)

Nach der Ausbildung: Etwas gelesen: 51 % Von Kollegen: 44 % In Fortbildungen: 23 %

„Auf nach oben geworfenen Ball (Luftreibungskräfte außer Acht) wirkt nach Verlassen der Hand nur Gewichtskraft“:

Unwahrscheinlich weder/noch wahrscheinlich36 % 15 % 48 %

In Multiple-Choice-Test nach Unterricht 11. Klasse geben nur 5 % der Gymnasiasten diese Antwort (FCI-Test von Wilhelm); sie ist also sehr unwahrscheinlich, dass Schüler so antworten.

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5.2 Lehrervorstellungen überSchülervorstellungen

Kräfte auf Buch, das auf Tisch liegt: 1. „Schüler sehen häufig keine Kräfte […].“ 2. „Schüler sehen nur die Gewichtskraft […].“ Ergebnisse zu Beginn der Sek II: 1. 10 %, 2. 43 % (FCI, Wilhelm) Lehrer halten beides für wahrscheinlich: 73 % bzw. 83 % der Lehrer.

„Beginn SII: LKW größere Kraft auf PKW als umgekehrt “:90 % halten es korrekterweise für wahrscheinlich.

„LKW keine Kraft auf PKW: Zerdrückt, weil im Wege“:Unwahrscheinlich weder/noch wahrscheinlich

54 % 23 % 22 %Diese Vorstellung ist aber extrem unwahrscheinlich!

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5.2 Lehrervorstellungen überSchülervorstellungen

Kraft-Graphen nach dem Unterricht: Nur 30 % der Lehrer wählen richtigen Wert (nur ein Drittel der

Schüler richtig) 70 % nehmen viel höheren Anteile an.

Golfballaufgabe (FCI-Tests): Schüler: 80 % geben am Schuljahresbeginn und ca. 70 % am Ende

eine Abschlagskraft für den Flug an. Nur 5 % der Lehrer vermuten dies. 29 % sehr optimistisch für das Schuljahresende, nicht für Anfang. 62 % bei Schuljahresanfang und Ende optimistischere Ergebnisse.

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5.2 Lehrervorstellungen überSchülervorstellungen

Lastwagen frontal auf PKW (FCI-Test) Schüler: ca. 10 % am Beginn und von ca. 20 % am Ende richtig. Nur 9 % der Lehrer vermuten dies. 36 % sehr optimistisch für das Schuljahresende, nicht für Anfang. 53 % bei Schuljahresanfang und Ende viel optimistischere

Ergebnisse.

Lehrer halten das Auftreten von Schülervorstellungen für seltener als es in Tests der Fall ist.

Vor allem bzgl. nach dem Unterricht sind sie optimistischer. Mögliche Teil-Erklärungen: Erklärungsvielfalt, falsche

Aufgabenkultur

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5.2 Lehrereinschätzung desMechanikunterrichts

Lehrplan 11. Jagst im G9 (= Kinematik und Dynamik) wurden häufig als nicht realisierbar eingeschätzt (auch unabhängig von der Zeitproblematik).

Unzufriedenheit mit den vielen Rechenaufgaben

Wenig Experimente

Vor allem fragend-entwickelnder Unterricht

Häufiger Einsatz von Rechenaufgaben („Einsetzaufgaben“).

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5.2 Von Lehrern eingesetzte Elemente

113 bayerische Gymnasiallehrer zum Kinematik/Dynamikunterricht:

30 % sind der Meinung, dass zu viele Rechenaufgaben gemacht werden.

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5.3 Historische Anmerkungen

Zu den Inhalten von Newtons Schrift „Philosophiae naturalisprincipia mathematica“ aus dem Jahre 1687: siehe Vortrag

Newtons Verständnis der ersten beiden Axiome: 2. Axiom: (Für Impulsänderung ist eine Kraft hinreichend)

1. Axiom: (Für Impulsänderung ist eine Kraft notwendig)

Bei Newton: Kraft und Impulsänderung sind nicht das Gleiche. Erst Leibniz: Kraft und Impulsänderung sind dem Wesen nach gleich.

Heutiges Verständnis der ersten beiden Axiome: 2. Axiom ist die Definition der Kraft 1. Axiom hat nur die Aufgabe, ein Inertialsystem zu finden, in dem

dann das 2. Axiom gilt.

pF

Fp

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5.3 Historische Anmerkungen

Frage: Handelt es beim Zweiten um Axiom/Definition oder um ein experimentell zeigbares Gesetz/Zusammenhang? Zu Newtons Zeiten noch keine klare Unterscheidung

Heutige Auffassung der Physiker: Definition

Wissenschaftstheoretische Sicht: In allen wichtigeren Theorien sind die Rollen von Definitionen und Hypothesen über Zusammenhänge weitgehend vertauschbar. Frage ist nicht beantwortbar. Eine Deutung eines Gesetzes als Definition ist möglich, wenn andere, als Defintion geltende Sätze eine empirische Deutung bekommen.

Und im Unterricht?

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5.4 Statik: Inhalte, Problem

Mechanik baut auf die Newtonschen Axiome (= Dynamik) auf.

Die Statik ist nur ein Sonderfall der Dynamik: resultierende Kraft gleich Null (= Kräftegleichgewicht).

Einfache Maschinen und Kraftwandler gehörten bis in die 1950er Jahre zu den Alltagserfahrungen und spielten eine wichtige Rolle. Heute ist das nicht mehr so!

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5.4 Statik: Inhalte, Problem

Viele Schülerfehlvorstellungen von der Statik geprägt: Gleichgewicht ist Ruhe. Gestörtes Gleichgewicht: Bewegung in Richtung der überwiegenden

Kraft, Bewegung sofort in Richtung der Kraft. „Trägheit = am gleichen Körper angreifende Gegenkraft“ wird von

Statik unterstützt. Zeitdauer der Einwirkung spielt keine Rolle. Wechselwirkungsprinzip wird nicht bedacht.

Viele Fehlvorstellungen zur Dynamik lassen sich also auf eine Dominanz des statischen Kraftbegriffes zurückführen.

Eine Einführung der Kraft über die Statik verstärkt die Fehlvorstellungen.

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5.5 Lehrpläne Gymnasium Bayern

Früher galt: Mechanik (vor allem Dynamik) sehr schwer, deshalb möglichst spät. Entwicklungspsychologie bestätigte: Bestimmtes Denken erst in

höherem Alter möglich

Bis in die 1990er Jahre: 10. Jgst: Statik

Zusammensetzung von Kräften, Gleichgewichtsbedingung Schiefe Ebene Hebel, Drehmoment Gleichgewichtsarten, Standfestigkeit

11. Jgst.: Dynamik Kinematik, Dynamik Energie und Impuls

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5.5 Lehrpläne Gymnasium Bayern

Lehrplan 90er Jahre:: 8. Jgst.: dynamische Krafteinführung, dann aber ganze Statik 11. Jgst.: Kinematik, Dynamik, Energie, Impuls

G8-Lehrplan: 7. Jgst: Dynamik qualitativ, keine Statik mehr 9. Jgst: quantitative Behandlung bei eindimensionale Bewegungen

Gleichungen Diagramme

10. Jgst.: Vertiefung Weltbilder Numerische Verfahren (mathematische Modellbildung) Zweidimensionale Bewegungen

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5.6 Zusammensetzung und Zerlegungvon Kräften

Komponenten einer Kraft werden als gleichwertig mit der Kraft selbst aufgefasst: Beispiel: Auf Körper auf der schiefen Ebene wirkt Gewichtskraft,

Normalkraft und Hangabtriebskraft.

Die „Resultierende“ (oder die „Ersatzkraft“) werden als gleichwertige Kräfte aufgefasst. Beispiel: Auf Körper wirkt Gewichtskraft, Zugkraft, Reibungskraft und

resultierende Kraft. Vorschlag: Statt „Resultierende“ oder „Ersatzkraft“ besser:

„Gesamtkraft“ oder „Summe der Kräfte“ Auch problematisch: „die beschleunigende Kraft“

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5.6 Zusammensetzung und Zerlegungvon Kräften

Addition zweier Kräfte:

Herkömmlich:Summanden werdenbei Additiondurchgestrichen

Würzburger Vorschlag:Physikalisch wirkendeKräfte einfach,Summen als Doppelpfeile

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Zerlegung einer Kraft:

Herkömmlich:Zerlegte Kraft wirddurchgestrichen

Würzburger Vorschlag:Physikalisch wirkendeKräfte einfach,Komponenten gestrichelt

Alternativer Vorschlag: Zerlegung einer Kraft wird nicht unterrichtet!

5.6 Zusammensetzung und Zerlegungvon Kräften

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5.6 Zusammensetzung und Zerlegungvon Kräften

Angewandt auf die schiefe Ebene: Physikalisch wirksam:

Gewichtskraft Auflagekraft Reibungskraft

Komponenten: Normalkraft Hangabtriebskraft

Summe: Gesamtkraft

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5.7 Problem Bezugssystem

Objektive Sichtweise: Sichtweise des ruhenden Beobachters Skizze:

Es gilt das zweite Newtonsche Axiom! Die grundlegende Gleichung ist die Bewegungsgleichung der DYNAMIK.

Subjektive Sichtweise: Sichtweise des mitbewegten Beobachters Skizze:

Es gilt das Prinzip von d'Alembert!

Die grundlegende Gleichung ist ein formales Gleichgewicht der STATIK. Die Trägheitskraft ist eine Scheinkraft, die nur der mitbewegte Beobachter spürt, aber

objektiv nicht existiert!

amFmitFF Trägi

iTräg : 0

iiTräg FFoder

i

iFam

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5.7 Problem Bezugssystem

Unnatürlich ist, dass das Kind im Karussell im Kreis fährt.Hierbei ist eine Kraft auf das Kind nötig.(Zentripetalkraft)

Unnatürlich ist, dass das Kind aus dem Karussell hinausgeschleudert wird.Hierbei ist eine Kraft auf das Kind nötig.(Fliehkraft = Zentrifugalkraft)

Natürlich ist, dass das Kind aus dem Karussell hinausgeschleudert wird.Hierbei wirkt keine Kraft auf das Kind.(Erstes Newtonsches Gesetz)

Natürlich ist, dass das Kind im Karussell im Kreis fährt.Hierbei wirkt keine Kraft auf das Kind.

Kind im Karussell

Unnatürlich ist, dass das Auto auf der Straße eine Kurve fährt.Hierbei ist eine Kraft auf das Auto nötig.(Zentripetalkraft)

Unnatürlich ist, dass das Auto geradeaus aus der Kurve hinausfährt.Hierbei ist eine Kraft auf das Auto nötig.(Fliehkraft = Zentrifugalkraft)

Natürlich ist, dass das Auto geradeaus aus der Kurve hinausfährt.Hierbei wirkt keine Kraft auf das Auto.(Erstes Newtonsches Gesetz)

Natürlich ist, dass das Auto auf der Straße eine Kurve fährt.Hierbei wirkt keine Kraft auf das Auto.

Auto in der Kurve

Objektive Sicht des außenstehendenBeobachters(= Physikalische Sicht)

Subjektive Sicht des mitbewegtenBeobachters(= Alltagssichtweise)

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Für eine Kreisbewegung mit konstantem Tempo gilt also:

Eine Kraft senkrecht zur Bewegung (da Beschleunigung): Zentripetalkraft

Kräftegleichgewicht (da Ruhe):Zentripetal = Zentrifugalkraft

Kräfte

= 0, der Körper ruht im Bezugssystem

Geschwin-digkeit

Das Ziel des Physikunterrichts ist, dass Schüler so argumentieren können.

Die Argumentation verstellt das Verständnis für die newtonsche Beschreibung der Bewegung und ist zu vermeiden!!

Beurteilung

Ruhender PunktBewegter KöperBezugs-system

Objektive Sicht des außenstehendenBeobachters

Subjektive Sicht des mitbewegten Beobachters

5.7 Problem Bezugssystem

Die häufige Buchdarstellung, in der es eine Geschwindigkeit und eine Fliehkraft gibt, ist Unsinn, da beide in verschiedenen Bezugssystemen gelten.

v 0,., achveränderlivkonstv

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5.7 Problem Bezugssystem

FG + FSeil = FZentripetalFG + FSeil + FZentrifugal = 0

Wunder-baum in Auto

Objektive Sicht desaußenstehenden Beobachters

Subjektive Sicht des mitbewegten Beobachters

Fseil

Fzentrifugal

FG

Fseil

Fzentripetal

FG

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5.7 Problem Bezugssystem

FG + FBoden = FZentripetalFG + FBoden + FZentrifugal = 0

Motorrad in Kurve

Objektive Sicht desaußenstehenden Beobachters

Subjektive Sicht des mitbewegtenBeobachters

innen außen

Schwerpunkt

FG

Fzf

Fboden

innen außen

Schwerpunkt

FG

Fzp

Fboden

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Zuerst ein Arbeitsblatt mit vier Aufgaben aus dem FCI-Test:Bitte vier Kreuze machen!

Weitere Kopie zu Problemen ist zum Mitnehmen!

5.8 Das dritte newtonsche Axiom

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5.8 Das dritte newtonsche Axiom

Beispiele: Fallender Apfel:

Anfahrendes Auto

Münchhausen(oder die Lokomotive Emmavon Lukas, dem Lokomotivführer)

Spezialfall des 3. Axioms: das Rückstoßprinzip(Fliegen von Flugzeugen, Hubschrauber, Rudern)

FEA

FAE

v

F Auto, Str.F Str.,Auto

F Münch., Hand

F Hand, Münch.

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Die Kraft ist ein Zwillingspaar. Es gibt: Anziehende Wechselwirkung Abstoßende Wechselwirkung Gegenseitige Reibung Gegenseitige Verformung

3. Newtonsches Gesetz: Kräfte greifen an verschiedenen Körpern an Am besten man nennt immer beide Körper, die an der Wechselwirkung

beteiligt sind.

Zu unterscheiden: Kräftegleichgewicht in der Statik: Kräfte greifen am gleichen Körper an! Es sollte nie von „Kraft und Gegenkraft“ geredet werden, sondern nur

von „Kraft und Kompensationskraft“

5.8 Das dritte newtonsche Axiom

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Folgende zwei Situationen sind streng zu unterscheiden:

Klebstoffwerbung:

Schulversuch:

5.8 Das dritte newtonsche Axiom

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5.8 Das dritte newtonsche Axiom

Beispiele: Nenne alle Kräfte mit Wechselwirkungspartner! Schlepper mit zwei Anhänger

FCI-Aufgabe: Auto schiebt LKW

m = 1Am = 1A

m = 6S

a = 2

m = 1A

m = 6La = a = 2A L

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5.9 Formulierung des Zweiten Axioms

IntegraleForm

Differentielle Form

InduktionsgesetzGrundgesetz der Mechanik

pF

indU

pdtF dtUind

Physikalische Gesetze können unterschiedlich formuliert werden:

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5.9 Formulierung des Zweiten Axioms

IntegraleForm

Differentielle Form

In Schule möglichIn Uni

pF

tvmF

pdtF vmtF

In der Schule: m = konstant, keine Differential- und Integralrechnung bekannt

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6. Didaktische Konzepte zur Mechanik

Gliederung: 6.1 Das Jungsche Stoßratenkonzept

6.2 Das Wiesnersche Kraftstoßkonzept

6.3 Wilhelms Oberstufenkonzept

6.4 Beispiel: Würzburger Zulassungsarbeit

6.5 Aktuelles Forschungsprojekt München-Würzburg-Wien

Wie immer zuerst ein Arbeitsblatt mit Schülertestaufgaben!

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6.1 Das Jungsche Stoßratenkonzept

Ende der 60er Jahre Prof. Jung und Mitarbeiter: Entgegen der Auffassung von Piaget hier die Hypothese: bereits

Grundschulkindern können die grundlegenden Ideen der Mechanik vermittelt werden (Ansatz: konstruktivistische Auffassung vom Lernen).

Werden in der Lernsituation ungeeignete Wissens-elemente aktiviert, treten Lernschwierigkeiten auf.

Aufgabe: geeignete Situationen herzustellen, indenen anknüpfungsfähiges Vorwissen aktiviertwird.

Unterrichtskonzept inklusive Experimenten,Medien und Leistungstest entwickelt.

Effekte in den Klassenstufen 3, 4, 5 und 6empirisch untersucht.

Weiterentwicklung für Sek. I (bis etwa 1985)

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6.1.1 Ausgangspunkt: Probleme

In der Alltagsvorstellung: Gleichsetzten der BegriffeGeschwindigkeit = Tempo

Unterricht: Geschwindigkeit als skalare Größe Einführung der Beschleunigung als

Beschleunigung = Geschwindigkeitsänderung Besitzt die Geschwindigkeit nur einen Betrag und keine

Richtung, so kann eine Bewegung mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag aber veränderlicher Richtung nicht als beschleunigt verstanden werden. „Ohne vektoriellen Geschwindigkeitsbegriff gibt es keine einheitliche dynamische Beschreibung.“

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Alltag: „Kraft wird meist auf Anstrengungsempfinden gegründet.“

Unterricht: Der Kraftbegriff wird primär über Gleichgewichts-bzw. Ausgleichsprozesse gelehrt (Betrachtung des statischen Endzustandes)

Aus Unterrichtsführung erwachsene Fehlvorstellung:„Kräftegleichgewicht = statischer Zustand (Ruhe)“

6.1.1 Ausgangspunkt: Probleme

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6.1.2 Grundideen

Zentrale fachdidaktische Entscheidungen waren:a) konsequentes Verwenden des vektoriellen Geschwindigkeitsbegriffs

(Betrachtung zweidimensionaler Bewegungen)b) Stoß als Paradigma für Wechselwirkung Zusatzgeschwindigkeit;

senkrechter Stoß als Schlüsselphänomenc) Deutung der Zusatzgeschwindigkeit als Bewegung eines

Förderbandes.

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6.1.3 Umsetzung in Grundschule

Die Themenfolge (in den Klassen 3 bis 6) war: Schnelligkeitsvergleich Geschwindigkeit Pfeilbilder Geschwindigkeitsänderung Bezugssystem und Geschwindigkeit Geschwindigkeitsänderung und Zusatzgeschwindigkeit (Stoß) Reflexion (als Sonderfall des schrägen Stoßes) Zusatzgeschwindigkeit in Kurven Momentangeschwindigkeit Beschleunigte Bewegung Kurvenfahrt durch eine Folge seitlicher Stöße Anfahren und Bremsen als Sonderfälle der beschleunigten

Bewegung.

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Bezugssysteme Bewegung im Bezugssystem eingeführt (Erde, Weltraum) Durchführung von geeigneten Versuchen (z.B. Bewegung von

Wagen auf Fahrtisch) sowie Gedankenexperimenten Bezugssysteme sind physikalisch gleichwertig, ihre Wahl (z.B. Erde)

hat psychologische Gründe.

Tempo Tempo als Geschwindigkeitsbetrag Beispiele: Tacho Bei Bewegungen mit konstantem Tempo: Tempo ist v=∆s/∆t Bewegungen mit variablem Tempo: Durchschnittstempo ist v=∆s/∆t Besprechung von Einheiten (km/h, cm/s,…)

6.1.3 Für Sekundarstufe I

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Geschwindigkeit Geschwindigkeit = Tempo + Richtung Bewegungsrichtung beim Durchrollen einer Kurve (Wie geht

Bewegung weiter, wenn Kurve „aufhört“?) Einführung von Geschwindigkeitspfeilen, Interpretieren der

Pfeilrichtung „Zwei Geschwindigkeitspfeile mit gleicher Richtung und gleicher

Länge stellen die gleiche Geschwindigkeit dar.“

Geschwindigkeitsänderung, beschleunigte Bewegung Geschwindigkeitsänderung in Kurve „Eine Bewegung, bei der sich die Geschwindigkeit dauernd ändert,

heißt beschleunigte Bewegung.“ Beschleunigung als Richtungs- und/oder Tempoänderung (auch

Verkleinerung)

6.1.3 Für Sekundarstufe I

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Zusatzgeschwindigkeit: Einführung mittels der Überlagerung von Bewegungen, kann als

Wechsels des Bezugssystems gesehen werden. Beispiel: Bewegter Wagen auf einem Fahrtisch:

Fahrtisch in Ruhe, Wagen bewegt sich mit Geschwindigkeit v.

v

Aus dem Bezugssystem „Klassenzimmer“ erscheint der Wagen im zweitenFall eine Bewegung v ‘ = v + ∆ v auszuführen.Man erkennt, dass aus der Addition einer Zusatzgeschwindigkeit ∆v eineÄnderung der ursprünglichen Geschwindigkeit v v ‘ eintritt (=beschleunigteBewegung).

Fahrtisch bewegt sich mit Geschw. Δv , Wagen bewegt sich mit v.

v

Δ v

v ‘

6.1.3 Für Sekundarstufe I

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Stoß Stoß erzeugt Zusatzgeschwindigkeit in Stoßrichtung

„Endgeschwindigkeit“ durch Addition von Pfeilen(keine Vektorrechnung)

vnachher = vvorher + ∆v

Stoß ~ ∆v

Stoß ~ m

Stoß = m ∆v Als didaktisch konstruiertes „reines“ Phänomen wird der senkrechte

Stoß verwendet und dies hat sich in allen bisherigen Erprobungen als besonders wirksam erwiesen.

„Der Unterricht soll von vorstrukturierter Erfahrung ausgehen, die unter dem Gesichtspunkt rationeller Begriffsentwicklung ausgewählt oder gar konstruiert wurde“.

6.1.3 Für Sekundarstufe I

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Durchfahren von Kurven – Reibung ständige Geschwindigkeitsänderung bei Kurvenfahrt ständiges Stoßen nötig (Heranführung mit immer mehr Ecken, Stoß

in jeder Ecke) Stoßpartner bei Auto ist Straße Reibung: ohne Reibung keine Kurvenfahrt

(Bsp. Glatteis) Reibung: Problem bei Schieben von Klotz

Stoßrate Kraft als Stoßrate eingeführt Geschwindigkeit durch einen Stoß erwerbbar Größere Stoßrate erzeugt Zusatzgeschwindigkeit schneller.

6.1.3 Für Sekundarstufe I

tßeöSt

F

:

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Also: Behandlung von Geschwindigkeit als gerichtete Größe in zwei Dimensionen

weitgehende Vermeidung des mit Alltagsvorstellungen besetzten Kraftbegriffs Ersetzten durch die Begriffe Stoßund Stoßrate.

Rechtfertigung dafür findet Jung in der Übersetzung von Newtons lex secunda, dieses„… heißt ja nicht:

Kraft gleich Masse mal Beschleunigung, sondern […] frei übersetzt:

Stoß gleich Änderung des Impulses.“

6.1.3 Für Sekundarstufe I

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Kurvenfahrt durch Folge seitlicher Stöße Einzeichnung der Zusatzgeschwindigkeit in Kurve bei höherem Tempo muss stärker gestoßen werden „dickere“ Körper müssen stärker gestoßen werden

Klar ist auch: An einem Stoß sind immer (mind.) zwei Körper beteiligt. Stoß als Wechselwirkungsprozess:

Den Stoß, den Körper A erfährt, erfährt der Körper Bin umgekehrter Richtung.

Daraus ergibt sich die Gesetzmäßigkeit:mA • ∆vA= - mB • ∆vB

6.1.3 Für Sekundarstufe I

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Anfahren und Bremsen als Sonderfälle der beschleunigten Bewegung Betonung der Kurvenfahrt als beschleunigte Bewegung (ständige

Änderung der Geschwindigkeit, aber nicht der Schnelligkeit) Sonderfälle: Temposteigerung oder Abbremsen durch

Zusatzgeschwindigkeit/ Stoß in Kurvenfahrt Zusatzgeschwindigkeit/ Stoß quer zur Bewegungsrichtung Bei ständiger Änderung der Geschwindigkeit sehr viele kleine Stöße nötig

Hebel Einführung Hebelgesetz durch Stoß „Bei Gleichgewichtsspielen ist Hebelarm mal Stoß rechts gleich Hebelarm

mal Stoß links.“ (Hebelgesetz)

6.1.3 Für Sekundarstufe I

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6.1.4 Ergebnisse in Grundschule

Beteiligt 473 Schüler aus je 3 Klassen der Klassenstufen 3 und 4 und je 6 Klassen der Klassenstufen 5 und 6

Unterricht dauerte etwa 20 Stunden. Der Endtest bestand aus 21 Items, die in 7

Aufgabengruppen eingeordnet waren

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6.1.4 Ergebnisse in Grundschule

Die beiden hervorstechenden Ergebnisse sind: die Lernerfolge sind verblüffend hoch die Dritt- und Viertklässler sind signifikant besser als die Fünft- und

Sechstklässler.

In Interviewserien wurden eine Vielzahl von Lernschwierigkeiten aufgedeckt, die in den nachfolgenden Entwicklungen und Studien berücksichtigt wurden.

Jung zog den Schluss, dass schon Grundschulkindern die grundlegenden Ideen der Mechanik vermittelt werden können und, dass es sich lernerschwerend auswirkt, mit dem Mechanikunterricht bis zur 7. oder noch höheren Klassenstufen zu warten.

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Idee: Einführung der physikalischen Begriffe und Gesetzmäßigkeiten bevor sich „falsche“ Alltagsvorstellungen ausbilden und manifestieren können. Geringere Lernschwierigkeiten, da weniger Lernbarrierenüberwunden werden müssen.

Durchführung: Anwendung des obigen Konzept bis einschließlich Einführung des Stoßes.Schwerpunkt auf dem Verständnis von BewegungsabläufenKeine Einführung von Größen wie Impuls, Stoßrate, Kraft …

In Sek. I oder Sek II auch Impuls und Kraft möglich.

6.1.4 Ergebnisse in Grundschule

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6.1.5 Vorteile des Stoßratenkonzepts

Geschwindigkeit wird als vektorielle/ gerichtete Größe eingeführt.

Der komplexe und schwer verständliche Begriff der Beschleunigung wird weitgehend vermieden.

Probleme beim Verständnis des Kraftbegriffes (Divergenz mit Alltagsvorstellungen) werden vermieden, indem die intuitiv leichter zugängliche Größe des Stoßes zugrunde gelegt wird.

Verständnis für Wechselwirkungen bei Stößen überträgt sich automatisch auf das Kräfte-Wechselwirkungsprinzip.

Durch Betonung des vektoriellen Charakters der Kraft wird Unterscheidungsproblemen: Kraft ≠ Energie vorgebeugt.

Schwerpunkt: Konzeptverständnis, nicht in Berechnungen

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6.1.6 Kritik

Probleme: Prinzip der Relativität von Geschwindigkeiten / Bezugssysteme für zu junge Kinder schwer erfassbar.

Newtonsche Mechanik nicht in Grundschule gewollt Die Stoß-Größe ist nur eine Hilfsgröße, der in der Physik

kein eigener Platz zugemessen wird. Viel Lehraufwand um Verständnis für eine Größe zu schaffen,

welche nur als Mittel dient abstraktere Begriffe – wie die Kraft –einzuführen.

Ratengrößen sind für Schüler eher schwer verständlich und ebenso schwer zu handhaben. Versuche bei Anwendung in der 11. Jgst. haben diesbezüglich große

Probleme gezeigt.

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6.2 Das Wiesnersche Kraftstoßkonzept

Vom Jungschen Stoßratenkonzept übernommen: Betrachtung von zweidimensionalen Bewegungen

Geschwindigkeit = Tempo + Richtung

Zentral: Senkrechter Stoß

Betrachtung der Zusatzgeschwindigkeit

Verzicht auf die Beschleunigung

Weggelassen: Bezugssysteme, Bezugssystemwechsel und Förderbandanalogie

Begriffe und Größen „Stoß“ und „Stoßrate“

Zentrale Gleichung nun statt der Stoßrate:vmtF

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6.2.1 Ausgangspunkt: Lernschwierigkeiten

Bekannte Lernschwierigkeiten: Verwechslung von Geschwindigkeit und Tempo

Beschleunigung als abstrakter Begriff

Probleme mit der resultierenden Kraft in

Vorstellung, dass Kraftrichtung gleich der Bewegungsrichtung ist

Fliehkraft wird als Gegenkraft zur Zentripetalkraft angesehen

Ursachen: Einführung der Mechanik über die Statik

Vernachlässigung des vektoriellen Charakters der Geschwindigkeit

Dominanz von Beschleunigungsversuchen aus der Ruhe heraus

Fam

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Durch eine Einwirkung (z.B. durch einen Stoß) wird der Anfangsgeschwindigkeit eine Zusatzgeschwindigkeit in Stoßrichtung hinzugefügt.

Die Größe der Zusatzgeschwindigkeit hängt von der Stärke und Dauer der einwirkenden Kraft ab.

Bei gleicher Einwirkung hängt von der trägen Masse des Körpers ab.

Es soll möglichst zügig die Newtonsche Bewegungsgleichung der Form eingeführt werden.

6.2.2 Grundlegende Ideen

v

v

vmtF

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6.2.3 Einheit 1: Beschreibung von Bewegungen

Ziele: Vermittlung des physikalischen, vektoriellen

Geschwindigkeitsbegriffs Präzisierung des Begriffs des Tempos Berechnung von Durchschnittsgeschwindigkeiten

Darstellung des Unterrichtsverlaufs: Vorführen einfacher Bewegungsabläufe In einem Unterrichtsgespräch:

Beschreibung dieser mit Hilfe derBegriffe Tempo und Richtung

In einem Unterrichtsgespräch:Zusammenfassung von Tempo undRichtung zu einem Geschwindigkeitspfeil

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Darstellung des Unterrichtsverlaufs: Begriff der Geschwindigkeit:

Zwei Körper bewegen sich mit gleicher Geschwindigkeit, wenn sie sich mit gleichem Tempo und in gleiche Richtung bewegen.

Einführung über Geschwindigkeitspfeil Erst nach langer qualitativer

Betrachtung der Geschwindigkeitkurze Einführung in dieBerechnung des Tempos

Betrachtung vonStroposkopbildern

6.2.3 Einheit 1: Beschreibung von Bewegungen

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6.2.4 Einheit 2: Geschwindigkeitsänderung

Ziele: Herstellung eines qualitativen Zusammenhangs zwischen

Geschwindigkeitsänderung und Kraft Geschwindigkeitsänderung soll als Folge einer Kraft gesehen

werden. Sprechweise: „Ein Köper wirkt auf einen anderen ein.“

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Darstellung des Unterrichtsverlaufs: Vorführung von Versuchen mit Geschwindigkeitsänderungen:

Billardstoß Ablenkung von fahrendem Spielzeug-LKW durch Magnet

Ergebnis eines Unterrichtsgesprächs: Immer, wenn sich die Geschwindigkeit ändert, muss ein Körper zu finden sein, der die Änderung verursacht.

Präzisierung des Begriffs „Einwirkung“ durch Beispiele (Einwirkungen können unterschiedlich stark, unterschiedlich lang und in unterschiedliche Richtungen erfolgen.)

Kraft gibt Stärke und Richtung der Einwirkung an. „Ein Körper übt auf den anderen eine Kraft aus“ ist die physikalische

Formulierung von „Ein Körper wirkt auf den anderen“.

6.2.4 Einheit 2: Geschwindigkeitsänderung

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Ziele: Geschwindigkeitsänderung als Zusatzbewegung Zeichnerische Bestimmung der Zusatzbewegung aus Anfangs- und

Endgeschwindigkeit; Rekonstruktion der Einwirkungsrichtung

Darstellung des Unterrichtsverlaufs: Vorführung eines Versuchs mit Zusatzbewegung

6.2.5 Einheit 3: Zusatzbewegung

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Versuche: 1.) Stahlkugel wird nach Verlassen der schiefen

Ebene kurz senkrecht zur Bewegungsrichtung mit einem Brett gestoßen (falsche Vermutung: Kugel bewegt sich in Stoßrichtung)

2.) Zwei Stahlkugel verlassen die schiefe Ebene und eine wird senkrecht zur Bewegungsrichtung gestoßen. Beide Kugeln treffen sich dann.

6.2.5 Einheit 3: Zusatzbewegung

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Ergebnis : Die rollende Kugel bewegt sich nach dem Stoß so, als ob sie ihre

Anfangsgeschwindigkeit behält und zusätzlich noch eine Zusatzbewegung in Stoßrichtung ausführt.

Regel für Bestimmung der Endgeschwindigkeit: Verschiebe den Zusatzgeschwindigkeitspfeil so, dass Pfeilanfang an

der Pfeilspitze des Anfangsgeschwindigkeitspfeils Verbinde vom Pfeilanfang des Anfangsgeschwindigkeitspfeils zur

Pfeilspitze des Zusatzgeschwindigkeitspfeils Regel für Bestimmung der Zusatzgeschwindigkeit:

Lege Pfeilanfänge von Anfangs- und Endgeschwindigkeitspfeil zusammen

Verbinde vom Pfeilanfang der Anfangsgeschwindigkeitspfeils zur Pfeilspitze des Endgeschwindigkeitspfeils

6.2.5 Einheit 3: Zusatzbewegung

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6.2.6 Einheit 4: Newtonsche Bewegungsgleichung

Ziele: Präzisierung des Zusammenhangs zwischen Einwirkung und

Geschwindigkeitsänderung in der Newtonsche Bewegungsgleichung Mit der Newtonsche Bewegungsgleichung sollen

Bewegungsänderungen durch eine Kraft vorhergesagt und Kräfte berechnet werden.

Die Newtonsche Bewegungsgleichung wird als Je-desto-Gleichungaufgefasst.

Darstellung des Unterrichtsverlaufs: Mit Ergebnissen der letzten Stunden und mit Hilfe von Versuchen

(Puck auf Luftkissentisch; Kraft durch Fön): Proportionalitäten der Newtonschen Bewegungsgleichung

Kein experimentelle Herleitung! Experimente passen zur mitgeteilten Gleichung!

vmtF

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Beispielaufgabe: Billardkugel: Wie groß ist der Betrag der Kraft, welche die Bande

eines Billiardtisches auf die Kugel (m = 130 g) bei einer Stoßzeit von 2 ms ausübt?

6.2.6 Einheit 4: Newtonsche Bewegungsgleichung

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Mehrfach in 10. Klassen in Frankfurt unterrichtet mit sehr guten Testergebnissen

Erprobung in 10. Klassen in Ankara im Jahr 2006 mit 149 Schülern:

6.2.6 Evaluationen

40%18 %39 %24 %69Kontroll-gruppe

61 %55 %68 %28 %80Versuchs-gruppe

anderer Mechanik-Test

Relativer Zugewinn

Nachtest FCI

Vortest FCIn

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Gliederung: 6.3.1 Leitidee: Nutzung anderer Codierungen 6.3.2 Wichtige Vorarbeiten 6.3.3 Beispiel: Geschwindigkeit 6.3.4 Beispiel: Beschleunigung 6.3.5 Beispiel: Kraft 6.3.6 Weitere Aspekte 6.3.7 Einsatz graphischer Modellbildung 6.3.8 Evaluation

Erfahrungen der Lehrer Testergebnisse Kinematik Testergebnisse Dynamik

6.3.9 Zusammenfassung

6.3 Würzburger Oberstufenkonzept

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Unbefriedigende Unterrichtsergebnisse in der Mechanik: Newtonscher Kraftbegriff und Beschleunigungsbegriff

werden nicht verstanden. Deshalb: Neue Unterrichtskonzepte für den Kinematik-/

Dynamikunterricht für die Oberstufe (11. Klasse G9 Bayern)Ursachen sind u.a.: Schülervorstellungen Ungeeignete Elementarisierungen/Sachstrukturen Alltagsvorstellungen sind von Oberflächenmerkmalen

bestimmt, aber die Physik betrachtet Tiefenstrukturen Man braucht andere Darstellungsformen

6.3 Würzburger Oberstufenkonzept

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Animationen erleichtern das Erinnern.

Piktogrammartige Darstellungen der Größen, z.B. mit Säulen oder Vektoren, sind leicht erfassbar.

Dynamische Darstellung am Computer

Wir nennen sie:dynamisch ikonische Repräsentationen(bewegte bildliche Darstellungen).

Graphenlesen ist dagegen schwierig!

6.3.1 Leitidee: Nutzung anderer Codierungen

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Jung, Wiesner, Wodzinski u.a.: zweidimensionale Bewegungen, Betonung von v, dynamische

Krafteinführung Nun aufbereitet mit dynamischen Vektorpfeilen in Echtzeit.

Schecker u.a.: Graphische Modellbildung Nun aufbereitet mit Animationen und dynamischen Vektorpfeilen.

6.3.2 Wichtige Vorarbeiten

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Problem: Wird nur als Betragsgröße gesehen (=Schnelligkeit)Lösung: Bei der Einführung von allgemeinen zweidimensionalen

Bewegungen ausgehen Aufnahme der Bewegung der Computermaus mit PAKMA Zeichnen von Bahnkurve, Zeitmarken, Ortsvektoren Ortsänderungsvektor ergibt Geschwindigkeit

6.3.3 Beispiel: Geschwindigkeit

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Lösung: Bei der Einführung von allgemeinen zweidimensionalen

Bewegungen ausgehen Geschwindigkeitsänderungsvektor

ergibt Beschleunigung. 11. Klasse: Mausmessung

Umgesetzt mit der Software „PAKMA“

6.3.4 Beispiel: Beschleunigung

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Kontinuierliche Messung mit dem Computer: a = F / m gilt in jedem Augenblick –

auch bei veränderlicher Kraft. Mehrere Kräfte wirken.

Es gilt: a ~ F

6.3.5 Beispiel: Kraft

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Vorhersagen über relevante Größen / Pfeile fördern Eigenaktivität werden nicht bewertet

Verwendung qualitativer Aufgaben Einsetzaufgaben helfen nicht zum Verständnis Qualitative Aufgaben mit ikonischen Darstellungen möglich

6.3.6 Weitere Aspekte

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Wirkungszusammenhänge visualisieren

Graphische Modellbildungssysteme berechnen daraus den Ablauf

Software VisEdit (oder Coach 5)

6.3.7 Einsatz graphischer Modellbildung

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Vorteile: Lernprozesse beim Erstellen

helfen, Vorstellungen zu klären Hilfreich: Überprüfen an

Animationen! Reale und komplexe Situationen Keine Überbetonung von

Rechen- und Einsetzaufgaben

6.3.7 Einsatz graphischer Modellbildung

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Zielsetzung der summativen Evaluation: Einschätzung des Konzepts von Lehrern Veränderungen in Schülervorstellungen feststellen

Ablauf: Während der Evaluation von 13 Lehrern in 17 Klassen durchgeführt

(mittlerweile mehr) Dazu vorbereitende und begleitende Lehrerfortbildung

Unterrichtsmaterialien: Viele Materialien auf CD und in einem Ordner Ausführliche Beschreibungen als Vorschlag Nach Lehrerwünschen erstellt

6.3.8 Evaluation

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Erfahrungen der Lehrer im Kinematik-Unterricht In 14 Unterrichtsstunden durchführbar. Einige entwickelten neue Ideen zum Konzept. Ein Konzept mit rotem Faden. Mehr Verständnis bei den Schülern.

Erfahrungen der Lehrer im Dynamik-Unterricht: Dynamik wurde etwas unterschiedlich unterrichtet. Konzept ist schlüssiger (z.B.: ). Schüler verstehen Zusammenhang von Kraft und Beschleunigung

besser. Darstellungen von Größen und ihrer Änderungen:

tragen zum Verständnis bei leuchten sofort ein

Gute Erfahrungen mit: Vorhersagen machen lassen

Erfahrungen der Lehrer

mFa /

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Erfahrungen der Lehrer mit Modellbildung mit Animationen: Lehrer, die es einsetzten, waren begeistert. Schüler finden selbst Fehler in ihren Modellen

durch die Animationen. Interessante komplexe Alltagsprobleme

können behandelt werden.

Erfahrungen der Lehrer

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Beschleunigungspfeile:

77 %*97 %Treatmentgruppe am Jahresende(8 Monte nach U. ), N = 35, 2 Klassen

2,950,26Effektstärke

9 %90 %Kontrollgruppe am Jahresende(kurz nach U.), N = 217, 12 Klassen

3 Items Kurve( = 0,81)

2 Items geradeaus( = 0,82)

*: Mann-Whitney-U-Test, p = 0,001

Testergebnisse Kinematik

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Testaufgaben zur eindimensionalen Kinematik mit Grapheninterpretation:

Testergebnisse Kinematik

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Testaufgaben zur eindimensionalen Kinematik mit Grapheninterpretation:

richtig: 47 % nach v: 37 %

Nach U.Kontrollgruppe

188 Schüler

richtig:12 %nach v: 71 %

Vor Unterricht373 Schüler

richtig: 47 % nach v: 41 %

6 Items zu Beschleunigungs-Graphen ( = 0,84)

Nach U.Treatmentgruppe

211 Schüler

Nicht schlechter, obwohl dies weniger geübt! Treatmentgruppe nicht besser, obwohl mehr Verständnis

erwartet wurde.

Testergebnisse Kinematik

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4136107

Kontrollgruppein % (N=188)

25 *+ 0 -v statt a

14 *- 0 +Schneller/langsamer10- 0 -Fast-Richtig

39 *- - -Richtig

Aufgabe 1: Vorzeichen

Treatmentgruppein % (N=151)Nach dem Unterricht

Beschleunigung beim Münzwurf:

**²²--Test,Test,p=0,01p=0,01

In Treatmentgruppe mehr Richtungsverständnis

624

19

9

27 *0v statt a

70Nach + / -

180Fast-Richtig

42 *Richtig

Aufgabe 2: Pfeile

Testergebnisse Kinematik

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FCI-Ergebnisse bei 258 herkömmlich unterrichtete Schüler: Beginn der 11. Jahrgangsstufe: 28 % richtig

Nach Mechanikunterricht: 41 % richtig

Relativer Zugewinn: 18 %(Relativer Zugewinn = absoluter Zugewinn dividiert durch möglichen Zugewinn)

Besonders geringe relative Zugewinne bei„2. newtonsches Axiom“ und „Superposition“

FCI-Ergebnisse der 138 Schüler der Treatmentgruppe: Nachtest: 53 %* richtig (*: p=0,001) (Effektstärke 0,77)

Relativer Zugewinn: 31 %*Anteil Schüler mit über 60 % richtig: 42 % im Nachtest (Vergleich: 16 %),

Größte relative Zugewinne bei „3. newtonsches Axiom“, größte Effektstärke bei „Kraftverständnis“

Testergebnisse Dynamik

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0,34richtig: 34 %*F wie v: 51 %

richtig: 21 %F wie v: 65 %

7 Items zu Kräfte(Graphen) ( = 0,9)

richtig: 39 %*F wie v: 29 %

Treatment,211 Schüler

0,20richtig: 32 %F wie v: 51 %

7 Items zu Kräfte(Text) ( = 0,9)

EffektstärkeKontrolle,188 SchülerAufgabengruppe

Kraftverständnis eindimensionale Bewegung nach dem Unterricht:

*: Mann-Whitney-U-Test, p = 0,05

Kombination von Grapheninterpretation und Kraftaufgaben ist schwerer als jedes allein.

Testergebnisse Dynamik

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Modalmap nach traditionellem Unterricht (3 Klassen):

Testergebnisse Dynamik

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Modalmap nach dem Konzept mit Modellbildung(3 Klassen, 63 Schüler):

Testergebnisse Dynamik

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38 %46 %71%79%60%65%

Lange Zeit nachdem Konzeptmit Modellbildung(3 Klassen, 63 Schüler)

0 %4 %36%71%22%9%

Direkt nachtraditionellem Unterricht ohneModellbildung(3 Klassen, 55 Schüler)

Favx +ma

FavxvxavmaFa

Häufigkeit ausgewählter Verbindungen in den Concept Maps:

In Treatmentgruppe mehr strukturelles Verständnis?

Testergebnisse Dynamik

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Dynamisch ikonische Repräsentationen ermöglichen: neue Elementarisierungen neue Unterrichtsstrategien

Lehrer beurteilen das Konzept sehr positiv. Bei den Schülern wird das Verständnis gefördert.

6.3.9 Zusammenfassung

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6.4 Beispiel: Würzburger Zulassungsarbeit

Zulassungsarbeit von Florian Schüller bei Thomas Wilhelm zur Mechanik in Jahrgangsstufe 7 im Bayerischen G8

Gliederung: 6.4.1 Der Begriff Geschwindigkeit 6.4.2 Der Begriff Beschleunigung 6.4.3 Der Begriff Kraft 6.4.4 Kurzevaluation

Quelle: www.thomas-wilhelm.net/arbeiten/Hausarbeit_Schueller.pdf

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6.4.1 Der Begriff Geschwindigkeit

Bei der Einführung von allgemeinen zweidimensionalen Bewegungen ausgehen

Geschwindigkeit = Tempo + Richtung Richtung, in der sich Körper bewegen

würde, wenn kein Einfluss Einsatz von Spielen, Spielzeug und

Videos

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Zusatzgeschwindigkeit vneu=valt+vZusatz

Diese ergibt Beschleunigung.

Viele Medien: u.a. Tafel und Computersimulationen

Veranschaulichung mit Videos einer Eisenbahn mit Pfeilen für Größen

Videos mittlerweile leicht zu erstellen mit neu entwickelter Videoanalyse-software „measure Dynamics“

Umgesetzt mit der Software „PAKMA“

6.4.2 Der Begriff Beschleunigung

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6.4.3 Der Begriff Kraft

Ausgehend von Erfahrungen mit Stößen Viele Schülerübungen Simulationen

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positive Unterrichtserfahrungen Interesse von Lehrern Positive Testergebnisse, z.T. besser als Gymnasiasten in

der 11. Jahrgangsstufe

Ergebnisse waren mit ein Anlass, dazu eine größere Studie durchzuführen

6.4.4 Kurzevaluation

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6.5 Forschungsprojekt Mü-Wü-Wien

Uni-übergreifende Studie „Einfluss der Sachstrukturim Mechanikunterricht“ in der Jahrgangsstufe 7 des G8 Bayern

Kooperation von Verena Tobias, Dr. Christine Waltner, Prof. Dr. Dr. Hartmut Wiesner (je LMU München), Prof. Dr. Martin Hopf (Universität Wien), Dr. Thomas Wilhelm (Universität Würzburg)

Gliederung: 6.5.1 Das Mechanikkonzept für die 7. Jgst. 6.5.2 Materialentwicklung 6.5.3 Design der Studie 6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest 6.5.5 Sonstige Ergebnisse 6.5.6 Lehrerakzeptanz

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6.5.1 Mechanikkonzept für die 7. Jgst.

Newtonsche Mechanik eines der schwierigsten Inhaltsgebiete. Gründe: Schülervorstellungen Sachstruktur Ungeeignete Darstellungen

G8 in Bayern neu: dynamische Einführung in die Mechanik in Jahrgangsstufe 7 bekannte Sachstruktur weiterentwickelt (Design-Based Research) alle Vorarbeiten:

von Anfang an zweidimensionale Bewegungen vektorielle Zusatzgeschwindigkeit betont Kraft dynamisch eingeführt

Üblich: Geschwindigkeit und Beschleunigung an 1-dim. Bewegungen dann schnell die Newtonschen Gesetze

v

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6.5.1 Mechanikkonzept für die 7. Jgst.

Beginn mit zweidimensionalen Bewegungen Geschwindigkeit vektoriell (Tempo + Richtung) Geschwindigkeit wird mit Pfeil dargestellt Hilfreich: Videoanalyse, die Geschwindigkeitspfeile ins

Video zeichnen kann

Zusatzgeschwindigkeit als eigenständige Größe Newtonsche Bewegungsgleichung :

Diese integrale Produktform ermöglicht den Lernenden, plausible Je-desto-Beziehungen zu formulieren, die den Schülern kaum Schwierigkeiten bereiten.

Statik nur als Spezialfall der Dynamik erwähnen (Kräfte kompensieren sich).

vmtF

v

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6.5.2 Materialentwicklung

Schülertext wienormales Schulbuch

Downloadbar unter:www.thomas-wilhelm.net/2dd.htm

Experimente Videoaufnahmen

(auch in Superzeitlupe) Videoanalysen mit

„measure Dynamics“

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6.5.2 Materialentwicklung

Simulation zum senkrechten Stoß als unabhängiges Programm

www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/materialien/inhalt_materialien/simulation_stoss/simu_stoss.zip

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Der zentrale Versuch mit Videoanalyse:

6.5.2 Materialentwicklung

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Hauptstudie: Lehrkraft unterrichtet in Kontroll- und Treatmentgruppe (Raum München)

Erprobungsgruppe: 14 Lehrkräfte in 19 Klassen (Würzburg)

Eingesetzt: Intelligenztest (Subskala des KFT) Erhoben: Verständnis, fachspezifisches Selbstkonzept,

Interesse am PU, Selbstwirksamkeitserwartung(jeweils im Prä – Post – FollowUp – Design)

Einschätzung des Unterricht

6.5.3 Design der Studie

, Unterrichtstagebücher

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Hauptstudie: 10 Lehrkräfte Unterricht im Sommer 2008 in 14 Klassen nach dem

traditionellen Konzept (Kontrollgruppe) Unterricht im Sommer 2009 in 13 Klassen nach dem

zweidimensional-dynamischen Konzept (Treatmentgruppe)

Insgesamt N = 521 Schülerinnen und Schülern.

6.5.3 Design der Studie

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Drei Messzeitpunkte: Vortest, Nachtest, zeitverzögerter Nachtest (drei Monate später)

Insgesamt 17 qualitative Verständnisaufgaben von allen Lehrern als sinnvoll akzeptiert bewährte Items aus anderen Studien, z.B. FCI bayerische Vergleichswerte liegen vor (von Wilhelm)

Aufteilung: 13 Items, die zu jedem Unterrichtskonzept passen 2 Items zur neuen Sachstruktur nach zweidimensional-

dynamischem Konzept 2 Items zur Beschleunigung (nur im Unterricht nach traditionellem

Konzept) Im Vortest kein signifikanten Unterschiede zwischen

Kontroll- und Treatmentgruppe feststellbar

6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest

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2 Items zum zweidimensional-dynamischen Konzept:

Höchst signifikanter Unterschied

mit großer Effektstärke

6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest

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2 Items zum traditionellen Konzept:

Kein signifikanter Unterschied

6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest

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Items zum Grundverständnis:

Höchst signifikanter Unterschied

mit mittlerer Effektstärke

6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest

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Interaktionseffekt zwischen Gruppe und Geschlecht: In Kontroll- und Treatmentgruppe Jungen den Mädchen in

Vorwissen hoch bzw. höchst signifikant überlegen Unterschiede bleiben in der Kontrollgruppe bestehen oder wachsen In Treatmentgruppe nach Unterricht keine signifikanten

Unterschiede! Die Mädchen holen also auf!

n. s.4.765.25***3.644.58ZeitverzögerterNachtest

n. s.5.185.57**3.944.62Nachtest***2.533.13**2.683.18Vortest

Signifik.MädchenJungenSignifik.MädchenJungenTreatmentgruppeKontrollgruppe

Mittelwerte nach Geschlechtern (** hoch signifikant, *** höchstsignifikant)

6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest

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Betrachtung der Anzahl von Lernschwierigkeiten in Mechanik, die die einzelnen Lehrkräfte kennen: In Kontrollgruppe: die Anzahl bekannter Lernschwierigkeiten

korreliert positiv mit dem Lernerfolg (wie erwartet) In Treatmentgruppe: kein Zusammenhang vorliegend

(überraschend).

nicht signifikantsignifikantAufgaben zu traditionellem Konzept

nicht signifikantnicht signifikantAufgaben zum2D-dynamischen Konzept

nicht signifikantsignifikantAufgaben zum Grundverständnis

TreatmentgruppeKontrollgruppe

6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest

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Betrachtung der Anzahl von gehaltenen Unterrichts-stunden: In Kontrollgruppe: kein Zusammenhang mit Lernerfolg

(überraschend) In Treatmentgruppe: Anzahl gehaltener Unterrichtsstunden korreliert

positiv mit dem Lernerfolg!

nicht signifikantnicht signifikantAufgaben zu traditionellem Konzept

hoch signifikantnicht signifikantAufgaben zum2D-dynamischen Konzept

höchst signifikantnicht signifikantAufgaben zum Grundverständnis

TreatmentgruppeKontrollgruppe

6.5.4 Ergebnisse im Verständnistest

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6.5.5 Qualitative Ergebnisse

Unterrichtstagebücher: In Kontroll- und Treatmentgruppe: Unterricht an den jeweiligen

Lehrmitteln orientiert (gängige Bücher bzw. ausgehändigter Lehrtext). Materialbereitstellung ist ein effektives Mittel bei der Implementation.

Schülerinterviews: Die Beschreibung von Bewegungen durch den vektoriellen

Geschwindigkeitsbegriff mit den Aspekten Tempo und Richtung bereitet den Lernenden keine Schwierigkeit.

Qualitativ von fast allen Lernenden verstanden: Zusammenhänge von Kraft, Masse, Einwirkdauer und

Zusatzgeschwindigkeit Beitrag von Anfangs- und Zusatzgeschwindigkeit zur

Endgeschwindigkeit Quantitative Konstruktionen von Zusatz- und Endgeschwindigkeit etwa

durch die Hälfte der Lernenden anwendbar.

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Selbstwirksamkeitserwartung: Deutlich signifikanter Unterschied zwischen Kontroll- und Treatmentgruppe, abhängig von der Art der Aufgabe!

Itemspezifische Analyse zur Selbstwirksamkeitserwartung: Die Schülerinnen und Schüler der Treatmentgruppe fühlen sich

selbst kompetenter beim Einzeichnen einer Kraft, beim Vorhersageneiner Bewegung, beim Erklären einer Bewegung (höchst signifikant).

Die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe fühlen sich dagegen selbst signifikant kompetenter beim Rechnen und beim Diagramme lesen (beides keine Lehrplaninhalte!)

6.5.5 Nicht-kognitive Ergebnisse

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6.5.6 Lehrerakzeptanz

In Treatmentgruppe: Alle 10 Lehrkräfte wollen auch zukünftig so unterrichten. Einige Lehrkräfte fungieren bereits als Multiplikatoren an ihren

Schulen.

Beispielzitat: „Mit der Newtonschen Bewegungsgleichung sind sie eigentlich ganz

gut umgegangen … da konnten sie Phänomene erklären … Also da war ich echt erstaunt … sehr, sehr gut im Vergleich zu den Klassen vorher … sogar so gut, dass ich das dann auch in der 10. Klasse mal zerteilt habe - die Beschleunigung - … das hat auch denen geholfen … Prima!“ (Lehrperson 5)

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Ich finde, es ist kein Problem die Beschleunigung einzuführen, dann damit können die Schülerinnen und Schüler etwas anfangen.

Kraft ist Masse mal Beschleunigung,

das ist logisch, das merken die sich.

In der Würzburger Erprobungsgruppe:

Vektorielle GeschwindigkeitSinnvoll? Ja (12) Nein (0)Verständlich? Ja (12) Nein (0)

integrale BewegungsgleichungSinnvoll? Ja (10) Nein (2)Verständlich? Ja (9) Nein (3)

6.5.6 Lehrerakzeptanz

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In der Würzburger Erprobungsgruppe:

positive Gesamtbewertung (10)negative Gesamtbewertung (2)

nachhaltige Akzeptanz des Konzeptesgesamt (6)partiell (4)nicht (2)

Diese beiden Lehrkräfte kennen kaum konzeptuelle Lernschwierigkeiten von Schülern!

6.5.6 Lehrerakzeptanz

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Akzeptanz des Konzeptes in der Würzburger Erprobungsgruppe in Abhängigkeit von den im Interview genannten konzeptuellen Lernschwierigkeiten:

6.5.6 Lehrerakzeptanz

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6.5.6 Lehrerakzeptanz

Interaktionseffekt zwischen Akzeptanz und Messzeitpunkt der vergleichbaren Aufgaben in den Nachtests der Treatmentgruppe der Hauptstudie:

Signifikanter Unterschied

Kleine Effektstärke

Akzeptanz:teilweisevollständig

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Ausrichtung des Unterrichts auf die tägliche Erfahrungswelt Alltagserkenntnisse physikalisch erklären Behandeln von authentischen Problemen Verwendung von komplexen Aufgaben Keine Überbetonung von Rechen- und Einsetzaufgaben Einbeziehung von Reibung,

insbesondere geschwindigkeitsabhängige Reibung Einsatz von Modellbildungssystemen

Tabellenkalkulationsprogramme (Beispiel: Excel). Gleichungsorientierte Programme (Beispiele: Newton-II, Modellus 4). Graphische Modellbildungsprogramme (Beispiele: STELLA, Dynasys,

Powersim, Coach, Vensim ple, VisEdit/PAKMA, JPAKMA).

7. Weitere Mechanikforderungen

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Einbeziehen von Elementen der Metakognition Lernvorgang thematisieren Training von Denk- und Lerntechniken Die Technik der concept maps als Beispiel

Der Umgang mit den Schülern Dialog und Unterrichtsklima Guter Umgang mit Fehlern

Der Irrtum spielt in der Entstehung physikalischer Theorien einewichtige Rolle.

Bei Lehrern aber häufig: Entsetzen

7. Weitere Mechanikforderungen

Schüler

Direktor

Freude

Noten

Lehrer

Schule

bereitet

gehen zur

ärgert

lieben

empfinden

beko

mm

en

würfelt

ist einärgert

leite

t

geht zurvergeht bei

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Gliederung: 1. Was ist der KPK?

2. Ziele des KPK

3. Grundlegende Ideen

4. Sprache der Strömungsmechanik

5. Konsequenzen

6. Empirische Untersuchung

7. Kritik

8. Mechanik im KPK

9. Kritik an Mechanik im KPK

8. Karlsruher Physikkurs

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8. Karlsruher Physikkurs

Zuerst Testaufgaben, die zum KPK passen. 8.1 Was ist der KPK?

Ein an der Universität Karlsruhe ausgearbeiteter Vorschlag zur Neustrukturierung des Physikunterrichts in Schule und Hochschule.

Autoren: insbesondere Prof. Friedrich Herrmann und Prof. Gottfried Falk

Erst Entwicklung einer Univorlesung, dann Entwicklung für die Schule

1988-1992: Erprobung an etwa 20 Schulen in Baden-Württemberg Seit 1994: Kurs darf an Gymnasien in BW eingesetzt werden 1996 bis 2001: Einzige bisherige Evaluation im Rahmen einer

Promotionsarbeit

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8. Karlsruher Physikkurs

1998: Übernahme von Druck und Vertrieb durch den AULIS-Verlag KPK-Lehrbücher für die Sekundarstufe I

Schülerband 1: Energie, Strömungen, Mechanik, Wärmelehre Schülerband 2: Daten, Elektrizitätslehre, Optik Schülerband 3: Chemie, Wellen, Atome, Festkörper Unterrichtshilfen für Lehrer: Gesamtband

KPK-Lehrbücher für die Sekundarstufe II Band 1: Elektrodynamik Unterrichtshilfen zur Elektrodynamik Band 2: Thermodynamik Unterrichtshilfen zur Thermodynamik Band 3: Schwingungen und Wellen Unterrichtshilfen zu Schwingungen und Wellen; Daten Band 4: Mechanik Band 5: Atom-, Kern- und Teilchenphysik

2004: Zulassung in BW als Lehrbuch für die Sekundarstufe I

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8.2 Ziele

Bewältigung des sich vermehrenden Stoffs (in oft kürzerer Zeit) wird zunehmend schwerer, Neuordnung und Straffung der Inhalte nötig

Modernisierung nötig: Stärkere Berücksichtigung der Physik des 20. Jahrhunderts

Straffung des Physikunterrichts durch Ausnutzung von Analogienzwischen physikalischen Teilgebieten: einheitliche Strukturen und Formulierungen schaffen bzw. nutzen redundante Formulierungen Physikunterricht wird „kompakter“

Entsorgung „historischer Altlasten“ im Standard-Physikunterricht naturwissenschaftliche Lehrkanon ist das Ergebnis eines

Evolutionsprozesses. Der historische Weg geht Umwege, macht Fehler, erdenkt unpassende Konzepte.

Lernende sollen nicht diesem Weg folgen. Fächerübergreifenden Unterricht, Förderung interdisziplinärer

Verbindungen zu Nachbardisziplinen wie Biologie, Chemie, Informatik

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8. Karlsruher Physikkurs

8.3 Grundlegende Ideen:1. Mengenartige Größen2. Energieträger3. SAW – Konzept (Strom-Antrieb-Widerstand)

8.3.1 Mengenartige Größen Unterscheidung intensive – extensive Größen

intensive Größe: Zustandsgröße, die sich bei unterschiedlicher Größe des betrachteten Systems nicht ändert (z.B. Temperatur, Druck)

extensive Größe: Zustandsgröße, die sich mit der Größe des betrachteten Systems ändert (z.B. Masse, Stoffmenge, Volumen, innere Energie, Enthalpie, Entropie, Ladung, Impuls, Drehimpuls, Energie)

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8.3.1 Mengenartige Größen

Eigenschaften einer mengenartigen Größe X:1. X bezieht sich auf ein Raumgebiet.

2. X kann „gespeichert“ werden.

3. Werden zwei Systeme A, B mit „X-Inhalten“ XA, XBzu einem zusammen gefügt,gilt Xges=XA+XB (Additivität).

4. X kann strömen bzw. es gibt eine Größe IX, die dieÄnderung von X im betreffenden Gebiet beschreibt(Zuordnung von Stromstärken).

Größen können wie ein Stoff (Wasser, Luft) behandelt werden Schaffung eines für Schüler greifbaren Modells einer Größe als Stoff

produzieren korrekte Vorstellungen

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8.3.1 Mengenartige Größen:

Wichtigstes Kennzeichen einer mengenartigen Größe ist, dass sie die Kontinuitätsgleichung erfüllt:

Hierbei ist: X die mengenartige Größe, dX/dt deren zeitliche Änderung innerhalb

eines Raumgebiets, IX die Stromstärke von X durch die Oberfläche

des selbigen, ΣX ein Maß für die Erzeugung/Vernichtung

von X im Raumgebiet. Die zeitliche Änderung einer mengenartigen Größe kann also zwei

Ursachen haben: Zu- oder Abfluss = Strom Erzeugung oder Vernichtung

xdX I xdt

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8.3.1 Mengenartige Größen

Mengenartige Größen können ein Skalar sein (z.B. Masse, Energie) oder ein Vektor (z.B. Impuls, Drehimpuls)

Gilt dX/dt=IX , also ΣX=0, so ist X eine Erhaltungsgröße, sie kann nicht erzeugt / vernichtet werden(z.B. Ladung: dQ/dt=I oder Energie: dE/dt=P)

Aus der Kontinuitätsgleichung ergeben sich vier Forderungen:1. Die Größen beziehen sich immer auf ein Raumgebiet.2. Zu jeder Größe X gehört eine „Stromstärke“ IX .3. Mengenartige Größen sind additiv.4. Die Stromstärken sind additiv.

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8.3.2 Energieformen und Energieträger

Kritik an klassischem Energiebegriff: Jedes Teilgebiet der Physik hat seinen eigenen Energiebegriff

Grundlage: Gibbssche Fundamentalform

Bei jeder Energieänderung ändert auch noch mindestens eine der mengenartigen Größe S, Q, p, n ihren Wert.

Wie stark sie sich ändert, hängt von der zugehörigen intensiven Größe T, φ ,v , μ ab.

dE TdS dQ vdp dn

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8.3.2 Energieformen und Energieträger

Energieänderung durch einen „Strom“ ergibt:dE/dt = T dS/dt + φ dQ/dt + v dp/dt + μ dn/dt

oder:P = T IS + φ I + v F + μ In

Dabei heißt P im KPK nicht Leistung, sondern „Energiestrom“. Analog heißt F „Impulsstrom“.

Folgerung: „Strömt“ Energie, „strömt“ mindestens eine andere mengenartige Größe S, Q, p, n (genannt Energieträger); die intensive Größe T, φ ,v, μ ist ein Maßfür die „Beladung“ des Trägers mit Energie.

Ein Energiestrom P ist immer mit einem Materiestrom verbunden ist! Anders formuliert:Energie fließt nie alleine!

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8.3.3 Das SAW – Konzept

Dieses Modell stammt aus der E-Lehre und wird in alle Teilbereiche der Physik übertragen!

Es ist eine Stromstärke, die von der Potentialdifferenz abhängt. Dass bei der gegebenen Anordnung bei größerem ∆φ die Stromstärke zunimmt, interpretiert der KPK folgendermaßen:

Die Potentialdifferenz ist derAntrieb des Stroms. Ein Gebilde,in dem bei gegebenem StromflussEntropie erzeugt, wird heißtWiderstand.

xI 0

I(S)

R(W)

(A)

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8.4 Sprache der Strömungsmechanik

Grundlage für Ausdrucksweise im KPK bildet die Strömungsmechanik (StM).

StM liefert bildliche „Schablone“ für nachfolgende Themen. Erläuterung beginnt mit Druck, qualitative Einführung über

Alltagserfahrungen mit Wasser-/Luftdruck. Überdruck/Unterdruck

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Dann Druckunterschiede: „Druckunterschiede sind Antrieb für

Flüssigkeits-/Gasströme“. Bzw. allg. im KPK-Schema: „Eine

Differenz (Gradient) der intensivenGröße (Druck) verursacht einen Stromder extensiven Größe (Stoffmenge).“

„Flüssigkeiten/Gase strömen von selbst von Stellen höheren Drucks zu Stellen niedrigeren Drucks.“

Für die Umkehrung benötigt man eine Pumpe. Allerdings wird auch der Begriff „Pumpe“ im KPK universal verwendet, z.B. „Entropiepumpe“, „Impulspumpe“.

8.4 Sprache der Strömungsmechanik

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Danach Strom: „Wasserstrom = Wassermenge/Zeitdauer“

Gleich Abgrenzung zwischen „Strom“ und „Strömungsgeschwindigkeit“

Zusätzlich wird die „Knotenregel“eingeführt.

Proportionalität von Druckunterschied undStrom

8.4 Sprache der Strömungsmechanik

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Auch Widerstand am Beispiel Strömung:

8.4 Sprache der Strömungsmechanik

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8.5 Konsequenzen

Thermodynamik: Entropie viel früher als üblich eingeführt Entropie als Präzisierung von vielen Vorstellungen, die man in der

Umgangssprache als Wärme bezeichnet. Mechanik:

Impuls an den Anfang gestellt Kraft als Impulsstromstärke eingeführt Druck bekommt die Bezeichnung Impulsstromdichte Kritisiert wird daran, dass die Impulsstromdichte eine tensorielle Größe ist,

was im Unterricht bis weit in die Hochschulen hinein mehr oder weniger trickreich übergangen werden muss, was allerdings auch eine konsistente Beschreibung von Zug-, Schub- und Scherkräften ermöglicht.

Atomphysik: Statt überholte Atommodellen wie dem Bohrschen Atommodell ein an

modernen Erkenntnissen orientiertes Modell. Die Aufenhaltswahrscheinlichkeitsdichte der Elektronen wird vereinfachend

"Elektronium" genannt und seine Eigenschaften qualitativ vorgestellt.

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8.6 Empirische Untersuchung

1998 Studie von Erich Starauschek: ca. 2.000 Schüler der Klassen 8 bis 11

Vergleichskriterium: Veränderung der Alltagsvorstellungen der Schüler

Zusätzlich Einschätzung von Lehrern, ob die gestellten Aufgaben von ihren Schülern bewältigt werden könnten(E-/W-Lehre: KPK und SPU gleich, Mechanik: KPK optimistischer) .

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Ergebnisse: Sprache der KPK-Schüler konsistenter

Verwendung der Begriffe „Impuls“ und „Entropie“ schließen Vermengung mit Alltagsbegriffen aus.

KPK-Buch wird als „verständlich“ eingeschätzt (besonders hoher Anteil bei Mädchen).

„gelingendes Sprachspiel“, d.h.1. Fachsprache wird als solche erkannt,

2. Ordungsstruktur der Fachsprache wird erkannt,

3. Fachsprache kann im PU modellbildend genutzt werden.

8.6 Empirische Untersuchung

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Fazit von Starauschek: Mechanik: keine signifikante Verbesserungen (nur bei vereinzelten

Fragestellungen) Wärmelehre: weitestgehend gleicher Leistungsstand, Vorteile des

KPK nur bei Fragen zu Temperaturausgleich und Wärmeempfindung (Fragenauswahl war z.T. auf KPK zugeschnitten)

E-Lehre: keine großen Unterschiede

Erwartungen über Effektivität des KPK wurden enttäuscht. Allerdings etwas positivere/motiviertere Einstellung der

Schüler (insbesondere Mädchen) zum Physikunterricht. Eine flächendeckende Verwendung ist aus den Ergebnissen

nicht zu rechtfertigen.

8.6 Empirische Untersuchung

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8.7 Kritik

KPK gibt Anreiz, über Begriffe und Zusammenhänge nachzudenken.

Immer wieder wurde und wird der KPK als fachlich fragwürdig bezeichnet und es werden fachliche Inkonsistenzen aufgezeigt.

Immer wieder wurde und wird der KPK als didaktisch fragwürdig bezeichnet (Nutzen die Analogien wirklich?)

Keine besseren Unterrichtsergebnisse als traditioneller Unterricht!!

Vermutung, bei den Schüler nur „formales, papageienartiges Lernen ohne Verständnis“

Der KPK erreicht seine eigenen Ziele nicht.

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Zwei Beispiele für angebliche Inkonsistenzen: 1. Beschreibung falsch, wenn Druck- und

Potentialunterschiede vorhanden: KPK: „Flüssigkeiten und Gase strömen von selbst von

Stellen höheren Drucks zu Stellen niedrigeren Drucks.“ Das gilt nur, wenn kein anderer Antrieb vorhanden ist.

2. Entropie nicht erhalten: Wir mischen 200 g Wasser (T1=10°C) mit 200 g Wasser

(T2=90°C). Rechnung ergibt, dass die abgegebene Entropie des warmen Körpers 97,8 J/K beträgt. Die aufgenommene Entropie des kalte Körpers erhöht sich jedoch um 110,8 J/K. Entropie nimmt zu!!

Es entsteht Entropie. Im Modell des KPK entsteht Entropie immer an Widerständen. Wie dieser Wiederstand aber aussieht, darüber macht der KPK keine Aussage!

B

A

8.7 Kritik

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8.7 Kritik

Eine Straffung der Schulphysik ist möglich. Vernachlässigung historischer Entwicklungen:

Kein zuverlässiges Bild von physikalischer Denk- und Arbeitsweise, fraglicher Bildungswert.

Einführung neuer Begriffe und Einheiten Späteres Umlernen bei Schulwechsel oder an Universität ist nötig. Bedenken bei Schul-, Lehrer- oder Klassenwechsel werden nicht

bestätigt. Trotz KPK wird das Zentralabitur bestanden. Problem haben nicht die Schüler sondern die Lehrer.

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8.7 Kritik

Meine Bewertung: Viele Lehrer sind zu Recht mit dem traditionellen Sachstrukturen

unzufrieden, sehen deren Schwächen und wollen etwas Besseres. Da sie viele gute, hier vorgestellte Konzepte nicht kennen, spricht sie

die Alternative KPK an. So sind zwar einige Lehrer vom KPK begeistert, aber er bringt kein

besseres Verständnis, keine besseren Schülerleistungen. Eine flächenhafte Umstellung des Schulunterrichts auf KPK ist

deshalb nicht zu rechtfertigen. Dies spricht gegen die traditionellen Sachstrukturen und dafür,

ausgehend von Schülervorstellungen bessere zu entwickeln. Die Diskussion für und gegen den KPK ist oft sehr emotional und

radikal statt objektiv.

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8.8 Mechanik im KPK

Charakterisierung des Bewegungszustandes eines Körpers durch: Geschwindigkeit v Impuls p (Einheit: Huygens Hy), der für die umgangssprachlichen

Begriffe „Schwung“ oder „Wucht“ steht. Impuls:

Impuls kann auf andere Körper übergehen. Impulsstrom fließt von selbst vom Körper mit hoher Geschwindigkeit zum Körper mit niedriger Geschwindigkeit.

Impuls kann negative und positive Werte annehmen (positiv bei Bewegung nach rechts), also zunächst nur eindimensionale Betrachtung.

Bei Reibung („schlechter Lagerung“) fließt Impuls in die Erde ab, bei guter Lagerung bleibt Impuls im Körper.

Impuls abhängig von Geschwindigkeit und Masse.

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8.8 Mechanik im KPK

Impulspumpen: Woher kommt Impuls, wenn ein Körper beschleunigt wird?

• Der Motor pumpt Impulsaus der Erde in das Auto

• Die Person pumpt Impulsvom rechten in den linken Wagen

•Impuls fließt von derrechten Person in den WagenImpuls fließt von der Erde in den Wagen

Person = Impulspumpe

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8.8 Mechanik im KPK

Impulsleiter: Welche Verbindungen zwischen Körpern lassen zu, dass ein

Impulsstrom fließt? Feste Stoffe Seile (nur in Zugrichtung) Magnetfelder Luft ist kein Impulsleiter (mit Einschränkungen)

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8.8 Mechanik im KPK

Der Impuls kann in einem geschlossenen Stromkreis fließen! Strom ohne Antrieb (kein Widerstand)

Statik: Auf- und abfließende Impulsströme sind gleich groß.

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8.8 Mechanik im KPK

Analogie zwischen Impulsströmen und Wasserströmen: „In einen frei fallenden Körper fließt ein zeitlich konstanter

Impulsstrom hinein. Sein Impuls nimmt daher proportional zur Zeit zu. Dem entspricht einem Behälter, in den ein zeitlich konstanter Wasserstrom hineinfließt. Als Folge wächst die Höhe des Wasserspiegels proportional zur Zeit. Auf dem Mond ist der Impulsstrom kleiner. Im Modell entspricht dem ein kleinerer Wasserstrom.“

Reibung entspricht einem Leck im Behälter, in dem Impuls abfließt. Durch „Übersetzen“ erhält man aus p = mv die Gleichung V = Ah . Aber: h und V sind skalare Größen, v und p sind vektorielle Größen! Zunächst konsequent nur eindimensionale Betrachtungen, obwohl

man es auch zweidimensional behandeln könnte (Dann aber passt die Analogie nicht mehr).

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8.8 Mechanik im KPK

Impulsstromstärke = Impulsänderung pro Zeitdauer F = p / t, Einheit: N = Hy / s Anderes Wort für Impulsstromstärke: Kraft Verschiedene Beschreibungen:

Impulsstrommodell / KPK: Impuls fließt aus der Erde über Person/Seil in Wagen.

Kraftmodell /Traditionell: Kraft wirkt auf Wagen, Impuls nimmt zu. Gemessen wird die Impulsstromstärke am sog. Kraftmesser:

Stahlfeder, die sich umso mehr verlängert, je stärker der Impulsstrom ist, der durch sie hindurchfließt.

Newtonsche Axiome sind verschiedene Formulierungen der Impulserhaltung. Da Impulserhaltung vorausgesetzt wird, keine Behandlung der Newtonschen Axiome nötig!

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8.8 Mechanik im KPK

Energieeinführung: „Du verbrauchst viel Energie“ bedeutet „Es fließt viel Energie durch

dich hindurch; du nimmst viel Energie auf und gibst viel Energie ab!“

Impuls als Energieträger: Im Seil fließt Energiestrom und Impulsstrom. Energieträger ist der Impuls. Zurückfließender Impuls trägt keine Energie.

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Die Stärke des Energiestromes P durch ein Seil hängt ab von der Stärke F des Impulsstromes im Seil: P ~ F

von der Geschwindigkeit v des Seils: P ~ v

Also: P = F v

Mit P = E / t und v = s / t folgt: E = s F

8.8 Mechanik im KPK

Im Knotenpunkt teilen sichbeide Ströme auf: P ~ F

Energiestrom: PA = PBGeschwindigkeit: vB = 2vAImpulsströme: FA = 2FB

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Energiespeicher: Elastisch verformte Körper

Spannen einer Feder Bewegte Körper

Ziehen eines Autos Das Schwerefeld

Heben eines Korbes

Bewegte Körper: „Wir laden einen gut gelagerten Wagen mit Impuls“:

Im Seil fließt Energie und Impuls. Diese können den Wagen nicht verlassen. Der Wagen speichert Energie und Impuls.

Ausrollender Wagen:Impuls fließt in die Erde ab. Energie erzeugt Wärme (Reibung) und geht in die Umgebung (Erde, Luft, Wagen).

8.8 Mechanik im KPK

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8.9 Kritik an Mechanik im KPK

Impulsstrom fachlich und didaktisch sehr umstritten: Bezeichnung von F als Impulsstromstärke unzulässig?

dp/dt = dm/dt v + m dv/dt Der Impuls ist kein materialistischer Stoff, der fließt, sondern eine

abstrakte Vorstellung. Orientierung an mathematischer Struktur, die Analogien

erlaubt, bedeutet: andere wichtige Aspekte bleiben außen vor: Methodisch zu festgelegt Historische Entwicklung nicht thematisiert; Arbeitsweise der

Wissenschaft falsch dargestellt; Physik ist nicht Mathematik, keine abgeschlossene Theorie.

Zweites Newton´sches Axiom als Trivialität:Impuls ändert sich, weil Impuls fließt (Tautologie).

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8.9 Kritik an Mechanik im KPK

Statik wird unanschaulich. Späte Einführung von Vektorgrößen:

Richtungscharakter von Impuls und Impulsstromstärke wird nicht verinnerlicht.

Einführung einer neuen Grundgröße: Späteres Umlernen bei Schulwechsel oder an Universität nötig Umlernen gelingt, Probleme mit neuen Begriffen haben nicht die

Schüler, sondern die Lehrer.

Keine besseren Lernergebnisse. Deshalb Aufwand nicht gerechtfertigt.

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Problematische Ergebnisse bei Bewegungen nach links: Beispiel: Auto wird aus Ruhe durch Schieben nach links beschleunigt:

Impuls ist negativ (= nach links gerichtet) und wird negativer (d.h. er nimmt ab).

Also fließt Impuls über die Person auf die Erde ab (d.h. positiver = nach rechts gerichteter Impuls fließt ab).

Warum fließt nicht negativer (= nach links gerichteter) Impuls auf? Wir schauen das Beispiel von der anderen Straßenseite an (=

gespiegelt). Impuls ist positiv (= nach rechts gerichtet) und wird größer, d.h. nimmt zu. Also fließt Impuls über die Person von der Erde auf (d.h. positiver = nach

rechts gerichteter Impuls fließt auf). Einmal fließt also der Impuls ab, einmal auf - nur weil wir die

Straßenseite gewechselt haben! (Weil nur nach rechts gerichteter Impuls fließt.)

8.9 Kritik an Mechanik im KPK

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9. Die Energie

Gliederung:

1. Der Begriff „Energie“

2. Das traditionelle „Kraft-Arbeit-Energie-Konzept“ (KAE-Konzept)(= alter Gymnasiallehrplan in Bayern bis 2005)

3. Das Münchner Unterrichtskonzept „Energie vor Arbeit“(= aktueller Gymnasiallehrplan in Bayern seit 2005)

4. Neuer Vorschlag „Energie vor Kraft“

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9.1 Der Begriff „Energie“

Der Begriff „Energie“ ist vielschichtig. Vier Grundideen beschreiben den Energiebegriff

(nach R. Duit): Energieumwandlung Energietransport Energieerhaltung Energieentwertung

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Arbeit in Anlehnung an den physiologischen Arbeitsbegriff aus der Schülererfahrung

Energie als gespeicherte Arbeit oder Fähigkeit, Arbeit zu verrichten

Ziel von KAE (Kraft-Arbeit-Energie):Verbindung von Arbeit mit dem umgangssprachlichen Arbeitsbegriffals Erleichterung des Einstiegs in den Energiebegriff

9.2 Traditionelles KAE-Konzept

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9.2 Traditionelles KAE-Konzept

Ausgehend von der Goldenen Regel der Mechanik (Kraftwandler) wird Fs als neue Größe Arbeit definiert.

Zu jeder Kraftart (Schwerkraft, Zugkraft, Federkraft) findet man eine Arbeitsform (Hubarbeit, Beschleunigungsarbeit, Spannarbeit) und eine Energieart (Höhenenergie, kinetische Energie, Spannenergie).

Über W=Fs werden quantitative Ausdrücke für die Arbeitsformen und damit für die Energiearten gefunden.

Dann werden Energieumwandlungen betrachtet. Messungen zeigen die Energieerhaltung, die das Endziel

des Unterrichts ist.

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9.2 Traditionelles KAE-Konzept

Probleme: Grundsätzlich gilt: „Die Hoffnung, durch Anknüpfen und Benutzen der

Umgangssprache dem Schüler/der Schülerin das Lernen des physikalischen Arbeitsbegriffs zu erleichtern, darf mit Recht als sehr skeptisch beurteilt werden…“ (Jung, Weber & Wiesner, 1977)

Konflikt zwischen Energieerhaltung und 2. Hauptsatz der Wärmelehre durch die Formulierung „Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten“ (Der 2. Hauptsatz schränkt die Aussage des 1. über die Gleichwertigkeit von

Wärme und Arbeit ein und ist damit eines der Fundamente der Thermodynamik).

Konzept entspricht nicht der Physik: Energieerhaltung ist nicht zu beweisen.

Im Gegensatz zur Physik wird die Arbeit sehr dominant. Der in der Physik sehr wichtige Energieerhaltungssatz kommt nur

noch am Schluss.

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9.2 Traditionelles KAE-Konzept

Untersuchung von R. Duit (1984):Unterricht vermittelt Energie-erhaltungunzureichend.

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9.2 Traditionelles KAE-Konzept

Untersuchung von R. Duit (1984):Unterricht vermittelt Energie-erhaltungunzureichend.

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9.3 „Energie vor Arbeit“

Dieses Münchner Unterrichtskonzept entstand im Rahmen der Dissertation von Martin Bader (2001) bei Prof. Wiesner an der LMU München.

Ziel: Anordnung der vom Lehrplan vorgegebenen Inhalte nach didaktischen Gesichtspunkten

Vertrauen in die Existenz einer Erhaltungsgröße als Ausgangspunkt für die Einführung der mechanischen Energieformen anhand von entsprechenden Experimenten

Arbeit erst später als Energiedifferenz deklariert: Änderung der Gesamtenergie eines nicht abgeschlossenen Systems oder als Energieübertrag zwischen Teilsystemen

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Reihenfolge beim Thema „Mechanische Energie und Arbeit“:1. Energieerhaltungssatz

2. Energiearten und Energieumwandlung

3. Arbeit

4. Kraftwandler

5. Wirkungsgrad und Leistung

9.3 „Energie vor Arbeit“

Umgekehrt wie KAE-Konzept

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Einheit 1: Energieerhaltungssatz

Annahme: Im abgeschlossenen mechanischen System Erde-Gummiball gibt es eine Größe, die während der Bewegung konstant bleibt: „Gesamtenergie“.

9.3 „Energie vor Arbeit“

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Weitere Versuche zur Einheit 1: Energieerhaltung

Abgeschlossenes System „Fadenpendel mit Erde“

Kugel auf einer Rennbahn

Abgeschlossenes System „Schraubenfeder“

9.3 „Energie vor Arbeit“

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Einheit 2: Energiearten und Energieumwandlung

Genauere Betrachtung der Experimente mechanische Energiearten ergeben sich: Epot (Espan, Eh), Ekin

qualitative Besprechung von Energieumwandlungen Herleitung der entsprechenden Gleichungen für

verschiedene Energiearten (erst jetzt!): Epot = mgh wird festgelegt / definiert. Die Gleichungen für andere Energiearten ergeben sich aus

Experimenten aus der Energieerhaltung

vertiefte Betrachtung der Energieerhaltung anhand von Beispielen

9.3 „Energie vor Arbeit“

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Einheit 2: Energieumwandlungen

9.3 „Energie vor Arbeit“

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Einheit 3: Arbeit Betrachtung nicht abgeschlossener mechanischer Systeme Beschreibung der Änderung der Gesamtenergie des Systems:

„Arbeit“. Beispiele, in denen Arbeit verrichtet wird Arten der Arbeit

Einheit 4: Kraftwandler Aus Vorjahr bekannte Kraftwandler nochmal näher betrachten Bereits bekannte Formeln (Hebelgesetz, Flaschenzug, schiefe

Ebene) mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes herleiten Formeln deduktiv gewinnen und anschließend experimentell bestätigen

9.3 „Energie vor Arbeit“

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Vergleich der Sachstruktur:

9.3 „Energie vor Arbeit“

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Erster Entwurf 1996/97 Überarbeitete Fassung 1997/98 nach Lernschwierigkeiten

und Interviews Felduntersuchung mit 4 Tests:

Intelligenztest Vortest Lernerfolgstest I (nach Kapitel „mechanische Energie“) Lernerfolgstest II (nach Kapitel „Wärmelehre“)

Elf 9. Klassen aus sechs bayerischen Gymnasien mit 202 Schülern (Durchschnittsalter: 14,5) unterteilt in: Versuchsgruppe (VG) nach Münchner Unterrichtskonzept Kontrollgruppe (KG) nach traditionellem KAE-Konzept

9.3 „Energie vor Arbeit“

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Intelligenztest: kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen

Vortest: keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, nahezu keine Vorkenntnisse

Also: Gleiche Lehr- und Lernvoraussetzungen

Unterschiedliche Lernerfolg begründet in verschiedenen didaktischen Ansätzen.

9.3 „Energie vor Arbeit“

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9.3 „Energie vor Arbeit“

Ergebnis der Lernerfolgstests: Globale Werte

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Globaler Lernerfolg (GL) beider Gruppen:

9.3 „Energie vor Arbeit“

GL der VG ist 2,06 mal so hoch wie GL der KG.

GP-Mechanik der VG ist 1,84 mal so hoch wie der Wert der KG.

GP-Wärmelehre der VG ist 2,45 mal so hoch wie der Wert der KG.

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Resümee:

Lernerfolg abhängig vom Unterrichtskonzept, Versuchsgruppe signifikant besser als Kontrollgruppe, MUK führt zu besserem Lernerfolg als KAE-Konzept.

Halb so häufig richtig wie Versuchsgruppe

Doppelt so häufig richtig wie Kontrollgruppe

Anwendung von W = ∆E

Etwas mehr als die Hälfte richtig

¾ der Aufgaben richtig

Anwendung vonW = F·s

Arbeit ist Kraft längs eines Weges

Defintion von Arbeit über Energieänderung

ArbeitsbegriffKontrollgruppeVersuchsgruppe

9.3 „Energie vor Arbeit“

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9.4 Vorschlag „Energie zuerst“

Bildungsstandards: Energiekonzept hat fundamentale Stellung Basiskonzept Energie.

Energie heute ökonomisch und ökologisch sehr wichtig. Hochschulphysik seit Ende des 19. Jhdts.:

Zurückweisung der Priorität des Kraftbegriffs Dominanz der Erhaltungsgrößen Energie und Impuls Methoden der theoretische Physik basieren auf Energiebegriff

(Langrange, Hamilton). Kraft ist nur die räumliche Änderungsrate .

Lebensferner Energiebegriff unverfänglicher als Kraftbegriff Der Energieerhaltungssatz ist eine abstrakte Idee, die

vorausgesetzt wird.

EgradF

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9.4 Vorschlag „Energie zuerst“

1. Unterrichtseinheit: Merkmale des Energiekonzeptes Energie ist der „Aufwand“ hinter beobachtbaren Veränderungen. Energie kann gespeichert werden: mechanisch, chemisch, thermisch. Energie kann transportiert werden. Die Menge ist unveränderlich (Energieerhaltung). Energieentwertung: thermische Energie kann nicht vollständig

zurückgewandelt werden.

2. Unterrichtseinheit: Metrisierung der Energie Normkörper um bestimmte Strecke gehoben ergibt 1 Energetel = 1 e Masse m um h gehoben ergibt E = cmh (c = e/kg/m) Für 1 e = 9,81 J ist c = g = 9,81 J/kg/m.

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9.4 Vorschlag „Energie zuerst“

3. Unterrichtseinheit: Die mechanische Leistung Anstrengung verändert sich mit dem Tempo. Maß: P = E / t.

4. Unterrichtseinheit: Kraft und ihre Messung Bei sehr schweren Körpern: größere Strecke nutzen;

Energieaufwand bleibt gleich, Weg wird größer F = E / s passt zu „gebrauchter Kraft“. Quasistatisches Hochziehen einer Masse ergibt:

FG = E / h = mg Kraft als Maß für den Energiebetrag, der je Meter umgesetzt wird. Reibungsvorgänge, bei denen die mechanische Energie ganz in

thermische umgewandelt wird, führt zur Messung anderer Energieformen.

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9.4 Vorschlag „Energie zuerst“

Einseitiger Kraftbegriff, Dynamik wird auf spätere Jahre verwiesen (oder soll entfallen).

Bisher keine ausgearbeiteten Unterrichtsmaterialien.

Bisher keine empirische Überprüfung.

Vermutung: Konzept steht dem späteren Verständnis des newtonschen Kraftbegriffes im Wege!!

Wollen wir wirklich auf den physikalischen Kraftbegriff verzichten?

Aufwertung des Energiebegriffes auch bei anderer Reihenfolge möglich!

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10. Das Teilchenmodell

Zunächst ein Aufgabenblatt! Zitat von Richard Feynman (1974):

„Wenn in einer Sintflut alle wissenschaftlichen Kenntnisse zerstört würden und nur ein Satz an die nächste Generation von Lebewesen weitergereicht werden könnte, welche Aussage würde die größte Information in den wenigsten Worten enthalten? Ich bin davon überzeugt, dass dies die Atomhypothese (…) wäre, die besagt, dass alle Dinge aus Atomen aufgebaut sind – aus kleinsten Teilchen, die in permanenter Bewegung sind, einander anziehen, wenn sie ein klein wenig voneinander entfernt sind, sich aber gegenseitig abstoßen, wenn sie aneinander gepresst werden.“

Gliederung: 1. Schülervorstellungen zum Teilchenmodell 2. Vorschlag: Lernen über Modelle

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10.1 Schülervorstellungen Teilchenmodell

Modelle zur Teilchenstruktur der Materie sind von zentraler Bedeutung im naturwissenschaftlichen Unterricht.

Viele Phänomene lassen sich mit dem Modell kleiner Massekugeln beschreiben (Wärmeströmung, Phasenübergänge, Ausdehnung bei Erwärmung etc.).

Teilchen- und Kontinuumsvorstellungen werden vermischt.

Auch in der Mikrowelt dominieren makroskopische Denkweisen.

Eigenschaften makroskopischer Körper werden auf die submikroskopischen Modellobjekte übertragen.

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10.1 Schülervorstellungen Teilchenmodell

Charakteristische Merkmale: Die kleinsten Teilchen haben Eigenschaften makroskopischer Körper

wie Temperatur, Farbe, Geruch, Form und Konsistenz. Zwischen den Teilchen eines Stoffes befindet sich Luft (wie auch

zwischen Kern und Elektron und im interstellaren Raum) (Luft ist nichts und dort ist nichts, also Luft).

Die Eigenbewegung der Teilchen hört wegen der Reibung von alleine auf (oder wird erst gar nicht gesehen).

Zwischen den Teilchen befindet sich der selbe Stoff in kontinuierlicher Form (z.B. Wasser zwischen den Wasserteilchen).

Verständnis wird erschwert durch: Schüler nutzen für den Mikrokosmos Analogien, die Fehlvorstellungen

fördern. Die Schulbuchdarstellungen sind problematisch (Teilchen so real wie

Autos).

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10.2 Vorschlag: Lernen über Modelle

Modelle nehmen wichtige Rolle bei der Erkenntnisgewinnung ein, egal ob in Forschung oder beim Lernen von Naturwissenschaften

Deshalb: Schüler sollen etwas über Modelle lernen, das Modellieren reflektieren.

Dadurch soll erreicht werden: bewusste und dauerhafte Unterscheidung von Erfahrungs- und

Modellwelt Betonung des hypothetischen Charakters der Modelle sowie deren

Konstruktion Auswahl und Nutzung von Modellen zum Problemlösen kritische Bewertung von (alternativen) Modellen

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Dazu nötig: Aktive Auseinandersetzung mit zwei Welten:

1. Die Erfahrungswelt – die wahrnehmbare Welt Wahrnehmungen wie Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen, Riechen

Die Welt der Phänomene

Tätigkeiten: Beobachten, Beschreiben, Messen

2. Die Modellwelt – die geschaffene Welt Dinge, die wir nicht direkt wahrnehmen können

Die Welt der physikalischen Deutungen

Tätigkeiten: Vereinfachen und Auswählen, Untersuchen und Bauen, Vermuten und Annehmen, Erklären und Verstehen

10.2 Vorschlag: Lernen über Modelle

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10.2 Vorschlag: Lernen über Modelle

Möglichkeit der Einführung: Erarbeitung des Begriffs „Modell“ ausgehend von gegenständlichen

Alltagsmodellen Z.B. Modellflugzeuge, Spielzeugautos, Puppenhaus usw.

Vergleich von Original und Modell

Erarbeitung von Modelleigenschaften

Black-Box-Experimente Z.B. Aufbau einer Schachtel überlegen, in die man nicht sehen kann,

aber eine rollende Kugel hört: Wo sind Wände eingeklebt?

Modelle sind von hypothetischer Natur.

Modelle sind etwas Konstruiertes.

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10.2 Vorschlag: Lernen über Modelle

Übergang zur Mikrowelt Über die Beschreibung verschiedener Gegenstände (z.B.

geschwärztes Reagenzglas mit unbekannter Füllung) sollen die Schüler die Grenzen ihrer Wahrnehmung erfahren.

Wahrnehmbare Körper können durch ihre spezifischen Eigenschaften (z.B. Farbe, Form, Geruch) identifiziert werden.

Versuch, dessen Ergebnis sich nicht mit den üblichen Erfahrungen erklären lässt (Mischung von Wasser und Alkohol oder Brownsche Bewegung).

Modell als Hilfsmittel gemeinsame Erarbeitung des Teilchenmodells

Ergebnis: Beobachtungen aller Phänomene sind Teil der Erfahrungswelt. Aber: Erklärungen mithilfe von Modellen gehören in die Modellwelt.

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11. Schülervorstellungen zur Wärmelehre

In der Alltagssprache: 1.) Wärme = Zustand des Warmseins (= hohe Temperatur) 2.) Wärme = eine Art Substanz, quasistofflich (wie Rauch, Dampf,

Luft) Wärme und Kälte sind Gegensätze auf der Temperaturskala Kälte z.T. auch ein quasistoffliches Etwas.

In Physik und Physikunterricht: Temperatur = „Wärme-Grad“, Wärme = „Energiemenge“ Gebrauch von „Wärme“ oft leider nicht eindeutig: keine

Unterscheidung zwischen „innere Energie“ und „Wärmemenge“.

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In der Thermodynamik: Ein warmer und ein kalter Körper in Kontakt:

Die Energie, die im Körper steckt, heißt „innere Energie“ U und ist eine Zustandsgröße.

Die Energie, die aufgrund der Temperaturdifferenz fließt, heißt Wärmemenge Q und ist eine Prozessgröße.

Innere Energie U ist speicherbar, kann aber nicht fließen. Die Wärmemenge Q ist nicht speicherbar, ein Körper hat keine Wärme

und keinen Wärmeinhalt!! Falsch: U und Q werden mit „Wärme“ bezeichnet.

innereEnergie

U2

innereEnergie

U1

Wärme-menge Q

T >T1 2 T <T2 1

11. Schülervorstellungen zur Wärmelehre

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11. Schülervorstellungen zur Wärmelehre

Entwicklung von Vorstellungen: Alter ca. 4 Jahre: Wärme hat mit heißen Dingen zu tun: Dinge sind

warm und machen warm (z.B. Pullover) Alter ca. 6 Jahre zusätzlich: Wärme hat mit Wirkungen zu tun. Alter ca. 8 Jahre: Vorstellung, Wärme geht vom heißen Ding aus

(Beispiel: heiße Metallkugel in Gefäß) Alter ca. 8 Jahre: Erste Vorstellung von Wärmegrad = Temperatur Unterschied Temperatur und Wärme bleibt immer vage, Temperatur

und Wärme fast synonym.

Historische Entwicklung: 18. Jhdt.: Wärmestoffvorstellung 19. Jhdt: Wurde durch Teilchenvorstellung abgelöst.

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11. Schülervorstellungen zur Wärmelehre

Deutungen: Von sich aus Nutzen Schüler selten ein explizite Stoffvorstellung. Bietet man eine Stoffvorstellung zur Auswahl, wird sie oft gewählt. Die Schüler nutzen von sich aus kaum das Teilchenmodell Wird das Teilchenmodell als Erklärung angeboten, wird es von

vielen akzeptiert, es ist einleuchtend.

Verschiedene auftretende Vorstellungen: Grundschule: Temperatur hat mit Volumen zu tun Mischtemperaturen:

Ab ca. 5 Jahre richtige qualitative Vorstellung Bis ca. 13 Jahre: Problem bei Angabe von Temperaturen (z.B. addiert)

Auch bei Studenten Probleme beim Schmelzen und Sieden:Jede Wärmezufuhr führt zur Temperaturerhöhung.

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11. Schülervorstellungen zur Wärmelehre

Vorstellungen zu Temperaturempfinden: Temperaturempfinden wird nicht mit Wärmeleitung verbunden. Richtig: Metalle leiten Wärme vom Körper besser weg. Alternative Schülervorstellungen:

Metalle leiten Kälte besser. Metalle ziehen Kälte/Wärme mehr an. „heiß“ und „kalt“ sind Eigenschaften des Materials.

Wolle ist warm, Wolle macht warm. Metall ist kalt, Metall macht kalt.

Körper in Kontakt oder in Luft nehmen nicht unbedingt die gleiche Temperatur an.

Vorstellungen zu Wärmeleitung: Durch Metallstange wandern heiße Moleküle. Wärme wandert durch Lufträume. Wärme fließt auf der Oberfläche.

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12. Schülervorstellungen zum Druck

12.1 Schülervorstellungen: Alltag: gerichtete Einwirkung auf einen Körper ( Kraft) Physik: Zustand des Gepresstseins eines Gases oder einer

Flüssigkeit (keine Richtung!!)

Hauptschwierigkeit im Unterricht: Differenzierung zwischen Druck und Kraft

Schüler beschreiben Druckphänomene nicht über Druckzustände, sondern über Bewegungen.

Ziel: Blick weg von den Bewegungen, hin zu den Druckzuständen lenken.

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12. Schülervorstellungen zum Druck

12.2 Unterrichtskonzepte:

Ganz früher, heute zum Glück aus Schulbüchern verbannt: Einführung über Auflagedruck

Problem heute: Im Unterricht zu früh die Definitionsgleichung p = F / A. Damit: zu wenig qualitative Begriffsbildung Damit Verbindung von Kraft und Druck (= auf Fläche bezogene Kraft)

(= Spannung )

Nötig: Druck als Gepresstsein eines Gases oder Flüssigkeit einführen, lange qualitativ argumentieren, sehr spät erst die Definitionsgleichung einführen

AFAFS N /,/

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12. Schülervorstellungen zum Druck

12.3 Ungünstige Einstiegsversuche:

Kraft-Druck-Gerät Lehrer: Herleitung der Definitionsgleichung für

den Druck Schüler beachtet Bewegung, nicht Zustand in

Flüssigkeit. Der Versuch ist nur bei Kraftwandlern sinnvoll.

Spritzkugel: Lehrer: steigender Druck in Flüssigkeit, Wasser

übt in alle Richtungen Kräfte aus. Schüler: Bewegung des Stempels führt zur

Bewegung des Wassers.

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12. Schülervorstellungen zum Druck

12.4 Ungünstige Sprechweisen:

„Druckausbreitung“ Druck ist an Bewegung geknüpft? Richtig: „Druck herrscht“

„Druck wird ausgeübt.“ Nur eine Kraft kann von einem Körper auf einen anderen ausgeübt

werden. Druck beschreibt einen Zustand, keine Wechselwirkung. Genauso wäre: eine Temperatur wird ausgeübt.

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12. Schülervorstellungen zum Druck

12.5 Vorschlag:

Lange qualitativ argumentieren. Definitionsgleichung spät thematisieren. Wenn Luft gepresst ist, sagt man, im Gas herrscht Druck. Betrachtung von Druckdifferenzen. Es gibt kein saugendes Vakuum.

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13. Vorstellungen zu Atomen und Quantenphysik

1. Atome:Dominanz des Planetenmodells (Bohrsches Atommodell), (obwohl von fachlicher und didaktischer Seite gegen dessen Nutzung argumentiert wird). Elektron ist Teilchen mit Masse, Geschwindigkeit und Bahnkurve

(Punktmechanik, mechanistisches Denken) Festhalten der Schüler am Bahnbegriff Stabilität der Atome durch Fliehkräfte (Kräftegleichgewicht) Aber auch Stabilität durch Ladungsabstoßung

(selten: Elektronen sitzen in einer festen Hülle) Wahrscheinlichkeiten werden als Kalkül akzeptiert, bedürfen aber

einer kausalen Erklärung Das Bohrsche Atommodell wurde deshalb auch aus Lehrplänen

entfernt.

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13. Vorstellungen zu Atomen und Quantenphysik

2. Quantenobjekte:

Quantenobjekte haben zu jeder Zeit einen Ort (gute Hälfte der Schüler)(„irgendwo muss es ja sein“, schwierig zu messen)

Quantenobjekte haben keine permanente Ortseigenschaft; Begründung aber falsch.

Kein Bewusstsein für die Unbestimmtheitsrelation Auf Nachfrage z.T. falsche Vorstellungen zur Unbestimmtheitsrelation Schwierigkeiten mit der Bedeutung von x und p

Heute: Ausgehend von einer Teilchengesamtheit wird die Unschärfe des Ortes x und des Impulses p durch deren statistische Streuung σx und σpgemessen. Dann gilt: (entspricht nicht dem ursprünglich von Heisenberg Publiziertem).

2

px

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13. Vorstellungen zu Atomen und Quantenphysik

3. Licht:

Bereits vor dem Quantenphysik-Unterricht haben sehr viele Schüler eine Teilchenvorstellung vom Licht und viele eine Dualismus-Vorstellung.

Nach dem Unterricht: Vor allem dualistische Vorstellungen, Licht ist sowohl Welle als auch Teilchen (Physik: Es ist weder noch!); kein Bewusstsein für Modellcharakter.

Auch bei freien Elektronen dualistische Vorstellungen (wie bei Licht):Klassische Teilchen, die sich wellenförmig bewegen.

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

1990er Jahre: Entwicklung des Münchner Unterrichts-konzeptes zur Quantenmechanik durch Wiesner, Engelhardt, Müller u.a. (Evaluation durch Müller in Sek II).

milq: Münchener Internetprojekt zur Lehrerfortbildung in Quantenmechanik

Im aktuellen bayerischen G8-Lehrplan (von 2005): Einführung in die Quantenphysik bereits in Jahrgangsstufe 10, denn

jeder Schüler soll etwas von aktueller Physik gehört haben. Die verblüffenden Erscheinungen bei der Quantenphysik, die

andersartige Physik kann für Schüler sehr reizvoll sein.

Empirische Untersuchung des Münchner Unterrichts-konzeptes in Jahrgangsstufe 10 durch Bernadette Schorn.

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Ziele des Konzeptes: das Andere im Gegensatz zur klassischen Physik Herausstellen, Bereitstellen klarer Begriffe, Hervorheben der Born‘schen Wahrscheinlichkeitsinterpretation. Quantenobjekte besitzen nicht Eigenschaften wie „Ort“ oder „Bahn“.

Unterschied zwischen „Eigenschaft haben“ und „Eigenschaft messen“

Grundlegende Fragen: Warum kann man Elektronen im Atom keinen festen Ort zuschreiben?

Warum besitzen Quantenobjekte ganz allgemein klassisch wohldefinierte Eigenschaften (wie Ort, Impuls, Energie) oft nicht?

Wie kann mit der Bornschen Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Welle-Teilchen-Dualismus aufgelöst werden?

Was bedeutet die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation?

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Wesentliche Wesenszüge der Quantenphysik:1. Statistische Vorhersagbarkeit

In der Quantenmechanik können Einzelereignisse im Allgemeinen nicht vorhergesagt werden.

2. Fähigkeit zur Interferenz Auch einzelne Quantenobjekte können zu einem Interferenzmuster

beitragen. Voraussetzung ist, dass es für das Eintreten des gleichen Versuchsergebnisses mehr als eine klassisch denkbare Möglichkeit gibt(Elektron hat dabei keine Bahn und keine Ortseigenschaft).

3. Eindeutige Messergebnisse Messergebnisse sind stets eindeutig, auch wenn sich das

Quantenobjekt vor der Messung in einem Zustand befindet, der unbestimmt bezüglich der gemessenen Größe ist.

4. Komplementarität Interferenzmuster und Unterscheidbarkeit der klassisch denkbaren

Möglichkeiten schließen sich aus.

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Simulation zeigt: Bei einer Ortsmessung am

Doppelspalt wird das Elektron an einem bestimmten Ort gefunden.

Simulation zeigt: Führt man eine Ortsmessung

durch, ergibt sich kein Interferenzmuster, sonst schon.

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Unterrichtskonzept für die Jahrgangsstufe 10: Die Merkwürdigkeiten der Quantenphysik müssen deutlich werden:

„Wer von der Quantenphysik nicht schockiert ist, der hat sie nicht verstanden.“ (Niels Bohr)

„… ich denke, ich kann davon ausgehen, dass niemand die Quanten-mechanik versteht.“ (Richard Feynman)

Unterrichtseinheit 1: Interferenz bei Wellen Mechanische Wellen mit Beugung und Interferenz

Unterrichtseinheit 2: Die Bahnkurve Horizontaler Wurf ergibt Bahnkurve Körper haben die Eigenschaften „Ort“ und „Geschwindigkeit“. Ist das bei Elektronen auch so? Kathodenstrahlröhre:

13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Unterrichtseinheit 3: Doppelspalt mit Elektronen Arbeit mit einem Simulationsprogramm Vergleich:

von klassischen Teilchen am Doppelspalt (links)mit Elektronen am Doppelspalt (rechts)

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Unterrichtseinheit 4: Veranschaulichung mit Cartoons Ergebnisse des Doppelspaltexperiments werden mit Cartoons zu

Skifahrern verdeutlicht: Erster Elektronenskilauf:

Skifahrer könnenrechts oder links amBaum vorbeifahren.Die Verteilungentspricht einemInterferenzmuster

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Zweiter Elektronenskilauf: Rechts und links am Baum sind Livecams angebracht, die das Verhalten

in der Baumebene zeigen. Die Verteilung entspricht dem klassischer Teilchen.

KomplementaritätvonOrtseigenschaftundInterferenzmuster

Unterschied„Besitzen vonEigenschaft“ –„Messen vonEigenschaft“

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Unterrichtseinheit 5: Heisenbergsche Unschärferelation Die Eigenschaft „Durchmesser“ und „Seitenlänge“ wird bei einer

runden und einer quadratischen Platte gemessen.

Schon in der klassischen Physik kann es Probleme geben, zwei Eigenschaften an einem Objekt zu präparieren.

Simulation am Einzelspalt zeigt: Verringerung der Streuung bei den Messwerten für die Eigenschaft „Ort“ führt zu größerer Streuung bei den Messwerten für die Eigenschaft „Geschwindigkeit“.

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Haupterprobung mit 137 Schülern: Die Ideen sind bei den Schülern angekommen

1: zu jedem Zeitpunkt an einem bestimmten Ort.2: nicht zu jedem Zeitpunkt an einem bestimmten Ort

1: sind gleichzeitig realisierbar.2: schließen sich gegenseitig aus.

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13.4 Münchner Quantenmechanikunterricht

Interesse bei den Schülern: „Ich fand‘s toll, dass wir das machen durften, da ich mich über die

erstaunten Gesichter einiger Freunde, die Physik studieren, amüsieren konnte (sie haben das höchstes in der Kollegstufe angesprochen bzw. dann im Studium).“

„Mehr Quantenphysik im Physikunterricht!!!“ „Das Ganze war viel interessanter als die gesamte 9. Klasse in

Physik.“ „Ich finde Quantenphysik schon interessant doch teilweise ein wenig

kompliziert.“ „Lustig war‘s und verrückt!!!“ „Hab ich das Thema jetzt verstanden, wenn ich‘s nicht verstanden

hab!“ „Wer sagt, er hat die Quantenmechanik verstanden, der lügt!“

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14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre 0. Grundschule 1. Strom als Brennstoff / Stromverbrauch 2. Konstantstromquelle 3. Lokales Denken 4. Sequentielles Denken 5. Der Begriff „Spannung“ 6. Weitere Probleme

14.2 Helfen Analogien? 0. Was sind Analogien? 1. Der geschlossene Wasserkreislauf 2. Das Fahrradkettenmodell 3. Gravitations-/Höhenanalogie 4. Energiehutmodell 5. Wärmeleitungsanalogie 6. Elektronengasdruck-Modell 7. Hinweise

14. Elektrizitätslehre

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Zunächst wieder einige Aufgaben aus Schülertests

14. Elektrizitätslehre

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14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre

0. Grundschule: Ein Kabel von der Batterie zur Lampe reicht. Strom fließt zur Lampe

und wird dort verbraucht (Einstoffverbrauchsmodell). Im Alltag wird ja auch nur „ein“ Kabel benutzt! Nachdem man zeigt, dass die Lampe nur mit zwei Kabeln leuchtet,

kommen eher andere Vorstellungen: Einstoffverbrauchsmodell mit Zweiwegezuführvorstellung:

Ein Kabel reicht nicht. Man braucht zwei Wege, damit genügend Strom zur Lampe fließt.

Zweistoffverbrauchsmodell: Aus dem Plus- und dem Minuspol kommen zwei verschiedene Stoffe, die

beide zur Lampe fließen. Die Lampe brennt nur, wenn dort beide Stoffe ankommen.

Man muss also zeigen, wie jeweils die Stromrichtung ist.

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14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre

1. Strom als Brennstoff / Stromverbrauch: Strom ist in der Batterie gespeichert, fließt zur Lampe und wird dort

(zumindest teilweise) verbraucht („Für was zahlen wir sonst unsere Stromrechnung?“).

Bei Reihenschaltungen: Vor jeder Lampe ist die Stromstärke größer als nach der Lampe.

Im Unterricht garantiert die Demonstration der gleichen Stromstärke vor und nach der Lampe keine dauerhafte Veränderung.

„Strom“ meint in unserer Alltagssprache das, was in der Physik mit „Energie“ bezeichnet wird.

Damit hängt zusammen: Die Notwendigkeit des geschlossenen Stromkreises ist nicht bewusst (wird nur als Lehrsatz genannt, nicht angewandt) (Alltag: ein Kabel von Steckdose zur Lampe?).

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2. Konstantstromquelle: Eine Quelle liefert immer eine konstante Stromstärke, unabhängig

von der Anzahl angeschlossener Glühbirnen.

Vorstellung hängt mit der Vorstellung „Strom als Brennstoff“zusammen.

Diese Vorstellung wird durch den Begriff „Stromquelle“ gefördert. Deshalb besser: Zunächst „Elektrizitätsquelle“ (oder Energiequelle, kurz E-Quelle) Später „Spannungsquelle“

14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre

Ca. 20 % kreuzen an:Nimmt I2 ab, geht I1 hoch,I bleibt konstant.

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3. Lokales Denken Schüler richten ihre Aufmerksamkeit auf einen Punkt des

Stromkreises, der Stromkreis als System wird ignoriert. Beispiele:

Konstantstromquelle: Strom der Quelle unabhängig vom Rest Strom in Verzweigungen: Strom sieht nur die lokale Verzweigung,

Zusammenhang mit Rest des Kreises wird nicht gesehen.

Ein Gebilde wie eine Parallelschaltung innerhalb einer Reihenschaltung wird losgelöst vom Rest (lokal) betrachtet.

14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre

Ca. 60 % geben an:I3 = 0,6 A, I1 = 0,3 A, I2 = 0,3 A.„Der Strom weiß an dem ersten Verzweigungspunktnoch nicht was hinten kommt.“

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14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre

4. Sequentielles Denken Der Stromkreis wird mit Begriffen wie „vor“ und „nach“ dem

Widerstand analysiert. Eine Änderung „vorne“ im Stromkreis wirkt sich auf „hinten“ aus. Eine

Änderung „hinten“ wirkt sich aber nicht auf „vorne“ aus. Beispiele:

Es macht in der Abbildung einen Unterschied, welches R geändert wird.

Strom in Verzweigungen: Strom weiß in Verzweigungnicht, was hinten kommt.

R1 wirkt sich auf die Helligkeitder Lampe aus, R2 nicht.

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14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre

5. Der Begriff „Spannung“ „Spannung“ wird nicht von „Strom“ getrennt (mangelnde

Differenzierung). Die Begriffe werden nicht verwechselt, sondern es fehlt ein Konzept

für „Spannung“ (und für „Strom“). Spannung ist eine Eigenschaft des elektrischen Stromes.

Während dem Unterricht entwickelt sich aus einer einfachen Verbrauchsvorstellung eine Vorstellung mit einem übermächtigen Strombegriff mit lokalem und sequentiellem Denken ohne Ergänzung durch einen unabhängigen Spannungsbegriff.

Ca. 40 % geben an, dass zwischen allen Eckpunkten eine Spannung von 6 V liegt.

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14.1 Schülervorstellungen Elektrizitätslehre

6. Weitere Probleme: Mangelnde Unterscheidung zwischen Reihen- und Parallelschaltung

Entscheidend ist die Anzahl der Bauteile, nicht die Schaltung.

Umsetzung Schaltbild in realen Stromkreis oder umgekehrt Leichte Verformungen oder Drehungen von Schaltskizzen werden als

anderer Stromkreis aufgefasst.

Schaltung von Messgeräten Messgeräte sind kein Teil des Stromkreises

Sie beeinflussen unabhängig von der Schaltung nicht den Stromfluss.

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14.2 Helfen Analogien?

0. Was sind Analogien? Analogien = Ähnlichkeiten bzw. Vergleich mit Bekanntem In der Wissenschaftsgeschichte zur Problemlösung verwendet (z.B.

Coulombgesetz aus Gravitationsgesetz; Ohm fand Gesetze über strömende Elektrizität aus Analogie zur Wärmeleitung)

Bei Lernschwierigkeiten als Lernhilfe herangezogen. Analogien verwenden, heißt einen Umweg machen. Ähnlichkeiten sind reflexiv und symmetrisch,

aber weder transitiv noch intransitiv. Der analoge Bereich muss vertraut sein! Analogien sind eine problematische Lernhilfe. Es ist umstritten, ob der Umgang mit Analogien mehr geübt werden

sollte.

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14.2 Helfen Analogien?

1. Der geschlossene Wasserkreislauf:

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14.2 Helfen Analogien?

Die Glühbirne verbraucht keinen Strom, sondern entnimmt dem Stromkreis Energie(die sie in Wärme und Licht umwandelt).

Die Turbine verbraucht kein Wasser, sondern entnimmt dem Kreislauf Energie(die sie in elektrische Energie umwandelt).

Die Batterie bewirkt nicht den Stromfluss, sondern eine Spannung (Potenzialdifferenz).

Die Pumpe bewirkt nicht den Wasserfluss, sondern eine Druckdifferenz.

Die Elektrische Stromstärke wird begrenzt durchden elektrischen Widerstand:I = U/R

Die Wasserstromstärke wird begrenztdurch den mechanischen Widerstand des Wasserrades: I = p/R

Elektrische Stromstärke= Ladung pro Zeit: I = Q/tSie wird gemessen mit einemAmperemeter

Wasserstromstärke= Wasservolumen pro Zeit: I = V/tSie wird gemessen mit einemWasserstrommessgerät

Die Ursache des Stromes ist:die Spannung: U = Sie wird gemessen mit einemVoltmeter

Die Ursache des Stromes ist:die Druckdifferenz: pSie wird gemessen mit einemManometer (= Druckmesser)

Batterie (= Spannungsquelle)Pumpe

KabelWasserrohre

elektrischer StromkreisWasserkreislauf

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14.2 Helfen Analogien?

1. Der geschlossene Wasserkreislauf: Bekannteste Analogie

Weittragende Analogie

Aber: Schüler haben keine Erfahrungen mit geschlossenen Wasserkreisläufen (bzw. Fehlvorstellungen)

Aber: Schüler haben keine Erfahrungen mit Drücken bzw. falsche Vorstellungen dazu.

Deshalb: Analogie in Studien erfolglos

Also eher ungeschickte Analogie, die wenig hilft.

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14.2 Helfen Analogien?

Die Fehlvorstellungen zum Wasserkreis sind ähnlich wie die zum Stromkreis: Rechts: Stromstärke nimmt ab Unten: Verschiedene

Vorstellungen bei Erhöhung des Widerstandes

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14.2 Helfen Analogien?

2. Gravitationsanalogie / Höhenanalogie

Z.B. mit einem offenen Wasserkreislauf:

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14.2 Helfen Analogien?

Spannung = Potentialdifferenz an einem Widerstand

Höhenunterschied der Elektronen an einem „Widerstand“

Spannung = Potentialdifferenz an der Batterie

Höhenunterschied der Elektronen an der Pumpe

elektrische FeldstärkeGravitationsfeldstärke

Potential des ElektronsHöhe des Wasserteilchens

elektrischer StromkreisGravitationsmodell

Also eine Analogie zur Veranschaulichung der Spannung

oder zur Einführung über QE

QW

U elel

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Für Schule geeignete Darstellung: Rutschanlagenmodell

Dass eine größere Gleichspannung eine größere Elektronengeschwin-digkeit erzeugt, ist für Metalle korrekt (Drude-Modell: mit Beweglichkeit ).

Nachspielbar mit Gymnastikbänken in Turnhalle.

14.2 Helfen Analogien?

EvDrift

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Eine erprobte Variante (nur fürSpannung): Das Stäbchenmodell(Münchner Konzept)

Einführung über Höhen-bzw. Gravitationsanalogie

Literatur: PdN-PhiS 6/57 (2008), S. 6 – 18 Download von Stundenplanung, Arbeitsblättern, Folien etc.:

www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/materialien Elektrizitätslehre Einführung

14.2 Helfen Analogien?

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Münchner Stäbchenmodell-Unterricht: Hinführung:

Wasserstromkreis Druckdifferenz als AntriebBatterie: Potentialdifferenz als elektrische Druckdifferenz

Veranschaulichung des Drucks / des Potenzialsmit Stäbchen (Höhe)

Regeln u.a.: „Am Pluspol einer Batterie ist der Potenzialwert größer als am Minuspol.“ „Sind zwei Stellen durch eine Leitung miteinander verbunden, so hat das

Potenzial an beiden Stellen denselben Wert.“

Mit Hilfe des Modells Parallel-, Reihen- und gemischte Schaltungen aufbauen, Potenzialwerte und Potenzialdifferenzen veranschaulichen.

Bezeichnung „Spannung“ für die Potenzialdifferenz (synonym verwenden).

14.2 Helfen Analogien?

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Beispiele:

Reihenschaltung gemischtevon Lämpchen Schaltung

14.2 Helfen Analogien?

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Reihenschaltungvon Batterien:

14.2 Helfen Analogien?

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14.2 Helfen Analogien?

3. Fahrradkettenmodell

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14.2 Helfen Analogien?

Die Glühbirne verbraucht keinen Strom, sondern entnimmt dem Stromkreis Energie(die sie in Wärme und Licht umwandelt).

Der Bremsklotz verbraucht keine Kettenglieder, sondern entnimmt dem Kreislauf Energie(die in Wärme umgewandelt wird).

Die Ursache des Stromes ist:die Spannung U

Die Ursache der Bewegung ist:die Antriebskraft FAntrieb

Leistung: P = U ILeistung: P = F v

Die elektrische Stromstärke wird begrenzt durch den elektrischen Widerstand:I = U / R

Die Geschwindigkeit wird begrenzt durch die geschwindigkeitsabhängige Gleitreibung:v = FAntrieb /

Widerstand RReibungskoeffizient (der geschwindigkeitsabhängigenReibungskraft FReib = v )

konstante Spannung Ukonstante Antriebskraft FAntrieb

konstante Stromstärke IGleichgewichts-Geschwindigkeit vElektronenKettenglieder

elektrischer StromkreisFahrradkette

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14.2 Helfen Analogien?

Sehr gutes Modell!! Gut gegen die Stromverbrauchsvorstellung! Im Gegensatz zum Modell des geschlossenen Wasserstromkreises

haben Schüler hier Vorerfahrungen! Teilchen-Analogien sind besser als Flüssigkeitsanalogien Reibungskraft ist aber in Wirklichkeit nicht geschwindigkeitsabhängig. Hilft aber nicht für die Spannung.

Variante: Zuganalogie Ringförmig geschlossenes Schienenstück mit lauter aneinander

gekoppelten Waggons (auch erster Waggon an letzten Waggon gekoppelt) ohne Lokomotive.Am Bahnhof stehen Arbeiter, die dort den Zug mit konstanter Kraft anschieben. Auf der Strecke stehen Hindernisse, die eine (geschwindigkeitsabhängige) Bremskraft erzeugen.

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Ähnlich: Keilriemen-Vergleich: Umlaufender Keilriemen,

aber linearer Energiestrom:

Analogie nachbaubar Keilriemen sollte Punkte haben, damit man dem Umlauf von

Teilchen besser sieht.

14.2 Helfen Analogien?

Energie

Wellradmit Kurbel

Wellradmit Last

umlaufender Keilriemen

Energie

Generatormit Kurbel

E-Motormit Last

umlaufenderLadungsstrom

Umlaufender Ladungsstrom,aber linearer Energiestrom:

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14.2 Helfen Analogien?

4. Rucksack-Modell (Energiehut-Modell)

Aus Realschulphysikbuch „Geipel, Jäger, Reusch: Physik 9, C.C.Buchner“, nach Idee von Ch. v. Rhöneck

Nachspielbar als „Gummibärchen-Modell“ (Schüler als Elektronen bekommen von Quelle Gummibärchen statt Hüte).

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14.2 Helfen Analogien?

Gut: Trennung von Ladung und Energie, Spannung und Stromstärke Gut: Umsetzung von „Spannung = Arbeit pro Ladung“ Problem: Nicht die Elektronen sind die Träger der Energie, sondern

das elektrische Feld! Spannung bleibt unanschaulich.

Das Gerät verbraucht keinen Strom,sondern entnimmt dem Stromkreis Energie.

Das Gerät verbraucht keine Männchen, sondern erhält von ihnen den Energiehut.

Arbeit = Elektrische Stromstärke mal Spannung

Arbeit = Männchenstromstärke mal Größe der Energiehüte

Spannung = Umgewandelte elektrische Energie pro Ladung: U = E / Q

Größe der Energiehüte

Elektrische Stromstärke= Ladung pro Zeit: I = Q/t

Männchenstromstärke= Männchenanzahl pro Zeit: I = N/t

Ladungsträger / ElektronenMännchenKabelLaufwegelektrischer StromkreisRucksack-Modell

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14.2 Helfen Analogien?

Andere Darstellung des Rucksackmodells:

Der Quotient "gelieferte Nektarmenge / Zahl der Bienenflüge" ist ein Maß für die Ergiebigkeit der Wiese.

Der Quotient "gelieferte Energiemenge W / Ladungsmenge Q" ist also ein Maß für die Spannung der Quelle.

Bildquellenangabe: "Landesbildungsserver Baden-Württemberg"

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14.2 Helfen Analogien?

5. Wärmeleitungsanalogie

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14.2 Helfen Analogien?

Gesamtwiderstand einer Parallelschaltung ist kleiner als Einzelwiderstand

Gesamtwiderstand einer Parallelschaltung ist kleiner als Einzelwiderstand

Zweig eines StromkreisesLeck in der idealen Wärmeisolierung

Stromstärke:

I = / RWärmestromdichte:

j = T / R

elektrischer Widerstand Rthermischer Widerstand R(durch Wärmeisolierung)

Stromstärke IWärmestromstärke Ioder Wärmestromdichte j

Spannungsquelle Wärmepumpe

Potentialdifferenz = Spannung = UTemperaturdifferenz TPotential Temperatur Telektrischer StromkreisWärmeleitungsanalogie

Modell für Gesamtwiderstand einer Parallelschaltung. Erfahrungen und Vorstellungen zur Wärmeleitung fehlen aber!! Also ungünstig!

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14.2 Helfen Analogien?

6. Elektronengasdruck-Modell Elektronen treten am Minuspol der Batterie im Überschuss auf und

erzeugen dort wegen ihrer elektrostatischen Abstoßung einen Überdruck, während am positiven Pol durch die geringere Elektronendichte auch ein geringerer Druck auftritt.

Analogien:

Hilft nicht.

Strombewegte Elektronen

SpannungDifferenz der Elektronendichten

PotentialElektronendichte

elektrischer StromkreisElektronengasdruckmodell

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14.2 Helfen Analogien?

7. Hinweise zu Analogien Die Verwendung von Analogien als Lernhilfen ist grundsätzlich

ambivalent. Analogien erklären nicht, sondern machen „nur“ einen Sachverhalt

verständlich. Analogien wirken eher individuell als global, weil nicht alle Schüler

eine bestimmte Analogie akzeptieren (Akzeptanzproblem). Schüler orientieren sich eher an Äußerlichkeiten der Analogie

(„Oberflächenstruktur“) als an physikalischen Gesetzmäßigkeiten („Tiefenstruktur“ der Analogie).

Möglichkeit: Im Unterricht wird die „Tiefenstruktur“ (z.B. elektrischer Stromkreis) zuerst thematisiert, dann durch eine (gespielte) Analogie illustriert.

Eine Reflexion der Analogienutzung (Metakognition) im Unterricht ist unbedingt notwendig.

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14.2 Helfen Analogien?

7. Hinweise zu Analogien

Um die überall gleich große Stromstärke zu thematisieren: Fahrradkettenmodell am geeignetsten.

Um die Spannung zu behandeln: Höhenanalogie mit Münchner Stäbchenmodell am geeignetsten.

Um den Energiefluss deutlich zu machen: Kurbelmodell (oder Energiehutmodell) geeignet.

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15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

15.1 Die Zielsetzung Elimination von Alltagsvorstellungen bei Schülern ist weder möglich

noch sinnvoll (soziale Bedeutung). Zwei Ziele denkbar:

Weiterentwicklung und Veränderung bestehende Alltagsvorstellungen hin zu physikalischen Vorstellungen (Konzeptwechsel im engeren Sinne)

Aufbau paralleler wissenschaftlicher Denkstrukturen neben den bestehenden Alltagsstrukturen im Sinne eines bewussten Nebeneinanders

Zweite Zielrichtung ist angemessener, da eine echte Überwindung von Alltagsvorstellungen nicht möglich ist.

Wichtig: Bewusstes Nebeneinander! Schüler sollen zwischen den verschiedenen Konzepten unterscheiden können.

Zu beachten: Lernen von physikalischen Konzepten ist ein aktiverKonstruktionsprozess des Schüler, der sein Wissens selbst konstruieren muss.

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Tabula-Rasa-Modell (häufige Lehrervorstellung):

Empirische Befunde:

Alternatives Modell:

15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

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15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

15.2 Grundsätzliche Wege Piaget: Lernen ist Wechselspiel von Assimilation und Akkommodation

1. Konfliktstrategien Ein kognitiver Konflikt wird erzeugt und aufgelöst.

Schüler sehen z.B. in Experimenten Diskrepanz zwischen Vorhersagen aufgrund von Alltagsvorstellungen und dem tatsächlichen Ergebnis.

Ein diskontinuierlicher Weg („conceptual change“). Erinnert an Revolutionen in der Wissenschaftsgeschichte (Paradigmenwechsel).

2. Aufbaustrategien An bestehende richtige Vorstellungen wird angeknüpft und sie neu

abgegrenzt.

Physikalische Konzepte werden allmählich entwickelt. Ein kontinuierlicher, bruchloser Weg („conceptual growth“). Erinnert an

Evolutionen in der Wissenschaftsgeschichte.

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Ursprünglich: Konzeptwechsel („conceptual change“) meint den radikalen Wechsel

der Sichtweise Konzeptwechsel („conceptual change“) meint also nur den

diskontinuierlichen Weg.

Heute: Jeder Lernweg von Schülervorstellungen hin zu wissenschaftlichen

Vorstellungen kann als Konzeptwechsel („conceptual change“) bezeichnet werden.

Dabei wird zwischen diskontinuierlichen Wegen (Konfliktstrategien) und kontinuierlichen Wegen (Aufbaustrategien) unterschieden.

15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

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15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

15.3 Diskontinuierliche Wege Beginn mit Aspekten, die konträr zu Schülervorstellungen stehen.

Zwei Möglichkeiten: Schülervorstellungen und physikalische Vorstellungen werden

gegeneinander gesetzt (oder verschiedene Schülervorstellungen).

Voraussagen der Schüler zum Experiment werden tatsächlichem Ausgang entgegengesetzt.

Ziel: Unzufriedenheit mit vorhandenem Wissen erzeugen sowie den Wunsch nach korrektem Konzept

Bedingungen für erfolgreichen Konzeptwechsel (Posner & Strike): Schüler müssen mit vorhandenem Konzepte unzufrieden sein. Neues Konzept muss wenigstens minimal verstanden sein. Neues Konzept muss augenblicklich intuitiv einleuchtend erscheinen. Neues Konzept muss das Potential in sich tragen, auf neue Situationen

ausgeweitet werden zu können.

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15.3 Diskontinuierliche Wege

Probleme bei kognitiven Konflikten: Schüler sehen den Unterschied zwischen Experimentablauf und ihrer

Vorhersage nicht bzw. sehen ihre Vorstellung ins Experiment hinein.

Schüler lösen Diskrepanz durch Ad-Hoc-Annahmen auf und sehen keinen Widerspruch zu ihren Vorstellungen.

Häufig besteht Mangel an geeigneten Experimenten.

Schüler werden hier aufgefordert, Vorstellungen explizit zu formulieren. In Bereichen, in denen sie kaum Vorstellungen haben, konstruieren sie damit erst Fehlvorstellungen, die dann schwer zu widerlegen sind.

Die Verunsicherung der Schüler und die Diskussion aller Schülervorstellungen braucht zu viel Unterrichtszeit.

Emotionale Schwierigkeit, dass sich viele Schüler nur ungern auf kognitive Konflikte einlassen.

Schlechte Schüler entwickeln negative Selbstbilder und Angst.

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15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

15.4 Kontinuierliche Wege Schüler sollen weitgehend bruchlos zu wissenschaftlichen

Vorstellungen geführt werden.

Behutsame Steuerung der Schüler.

Beispiel: Konzept des „cognitive apprenticeship“ (kognitive Meisterlehre) Hier spielt das Einleben in eine neue Kultur bzw. in eine neue Sprache

ein wichtige Rolle.

Der Schüler (Lehrling) versteht die Kultur zunehmend, indem er an ihren Aktivitäten teilnimmt.

drei Variationen von kontinuierlichen Wegen

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15.4 Kontinuierliche Wege

1. Erst Aufbau ohne Bezug zu Schülervorstellungen, dann Vergleich Am Anfang wird nicht auf Schülervorstellungen eingegangen, sondern

zügig das physikalische Konzept vorgestellt. Gefahr: Schüler hören alles aus Sicht ihrer Fehlvorstellung. Gefahr des unbewussten Nebeneinanders von physikalischer Sicht und

Alltagssicht. Vergleich im Nachhinein nötig!! Sinnvoll in Bereichen, wo wenig Vorstellungen vorhanden sind.

2. Anknüpfen an Problemloses – genetisches Lernen Ausgangspunkt sind Erfahrungen, deren Alltagsverständnis möglichst

wenig mit der physikalischen Sicht kollidiert. Vorstellungen der Schüler werden weiter entwickelt und geändert, ohne

dem Schüler zu schnell physikalisches Wissen überzustülpen und zu schnell Fachtermini zu verwenden.

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15.4 Kontinuierliche Wege

3. Umdeuten Es wird an Alltagsvorstellungen angeknüpft, diese aber umgedeutet. Schülern wird vermittelt, dass sie etwas Richtiges denken, aber die

Physik andere Begriffe verwendet. Beispiele:

In der Batterie ist nicht Strom gespeichert, sondern Energie. In Glühbirne: Nicht Strom wird verbraucht, sondern Energie wird verbraucht. Was wir im Alltag mit Geschwindigkeit bezeichnen, wird in der Physik mit

Schnelligkeit oder Tempo bezeichnet. Mechanik: Die Kraft in Richtung der Bewegung heißt in der Physik Impuls. Stöße bei verschiedenen Massen (drittes newtonsches Gesetz): Nicht die

Kräfte auf den anderen Körper sind unterschiedliche, sondern die Wirkungen, nämlich die Beschleunigungen.

Vorteile liegen im emotionalen Bereich.

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15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

15.5 Unterrichts-Muster Die meisten in der Literatur vorgeschlagenen Unterrichtsstrategien

folgen dem folgendem Muster: 1. Schüler machen eigene Erfahrungen mit den Phänomenen.

2. Entweder bewusste Diskussion über Schülervorstellungenoder bewusstes Nicht-Erwähnen der Schülervorstellungen

3. Der Lehrer bringt die wissenschaftliche Sicht ein. Ihr Nutzen wird diskutiert.

4. Anwendungen der neuen Sichtweise auf neue Beispiele zur Festigung der neuen Sichtweise.

5. Kritischer Rückblick auf den durchlaufenen Lernprozess: Vergleich des Denkens am Anfang (Alltagsvorstellungen) und am Ende (physikalische Vorstellungen).

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15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

15.6 Thematisieren von Schülervorstellungen Didaktiker sind sich einig, dass Schülervorstellungen im Unterricht

diskutiert werden müssen. Uneinigkeit besteht, wann dies am Besten geschieht.

Das Denken der Schüler und ihre Ideen werden leider häufig durch Nichtbeachten, Umformulieren und Warten auf eine richtige Antwort unterdrückt.

Schülervorstellungen muss mit Verständnis begegnet werden. Am Anfang?

Am Anfang des Lehrgangs werden sie angesprochen, wenn man kognitive Konflikte nutzen will.

Am Anfang schriftlich festgehaltene Schülervorstellungen können den Schülern später ihren Konzeptwechsel und ihren Lernfortschrift aufzeigen (Metakognition).

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15.6 Thematisieren von Schülervorstellungen

Währenddessen? Während der Behandlung des Lehrstoffes kommen sie von selbst

hervor, wenn man ein entsprechendes Lernklima schafft. Dann auf diese wichtigen Vorstellungen eingehen!

Lehrer achtet auf die Äußerung typischer Schülervorstellungen.

Wenn sich Schüler so äußern: Lehrer formuliert die Fehlvorstellungen und fragt nach, ob es so gemeint war (rückspiegeln). Ein Vertrauensverhältnis ist nötig.

Danach? Das physikalische Konzept kann auch nachträglich mit anderen

Vorstellungen verglichen werden, um so einem unberührten Nebeneinander entgegenzuwirken.

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15. Methoden zur Veränderung vonSchülervorstellungen

15.7 Allgemeine Regeln vorunterrichtliche Vorstellungen berücksichtigen

Lernen ist nur auf der Basis vorhandenen Wissens möglich. Schüler dort abholen, wo sie sind.

eigenständige „Konstruktion“ des Wissens anregen Es ist nicht möglich, Wissen passiv zu übernehmen und einzuspeichern. Wissen muss vom Lernende selbst konstruiert werde, er ist dafür selbst

verantwortlich.

Dialog und Verständnis Keine geäußerte Ansicht ist lächerlich und keine wird getadelt. Es findet ein sokratischer Dialog: nicht dozierend, nicht dogmatisch.

Dialog mit Zeit zum Nachdenken

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15.7 Allgemeine Regeln

Aus Fehlern lernen Für Lernen, das zum Verständnis führen soll, sind Fehler wichtig!

Fehler sind Lerngelegenheiten, nicht zu vermeidende Störungen!

Dem Irrtum ist mit Verständnis zu begegnen

Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn die Alltagsvorstellungen stabil vorhanden bleiben. Selbst in aufwändigen Studien sind die Lernerfolge nur gering.

Ziel im Unterricht ist nur, neben dem Alltagstheorien auch die physikalische Sicht zu kennen.

Setzen Sie auf die neueren Konzepte, die Sie in dieser Veranstaltung überzeugten, nicht auf traditionelle Konzepte.

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16. Schülervorstellungen zum Lernen

Fehlvorstellung: Lernen ist Übernahme von Wissen (Speichern, passiv)

Folge: Es wird zu wenig vernetzt. Richtig: Lernen ist aktiver Prozess, Schüler muss sich sein

Wissen selbst konstruieren, ein Netzwerk aufbauen. Weitere Fehlvorstellungen:

Lernfähigkeit ist angeboren und unveränderbar. Wissen besteht aus Einzelfakten. Lernen gelingt schnell oder nie. Erkenntnisse sind sicher und unveränderbar.

Häufige Lehrer-Fehlvorstellung: „wissenschaftslogisches Kompetenzerwerbungsmodell“

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17. Vorstellungen über die Physik

17.1 Schülerfehlvorstellungen:

Physik bildet die Realität Eins-zu-Eins ab Physik = wahre Aussagen über die Wirklichkeit Theorien sind nur noch nicht bewiesene, hypothetische Aussagen. Intuition spielt keine Rolle.

Wissenschaftler: Einzelkämpfer, Mann, neugierig,im Labor

Er soll empirisch arbeiten und objektiv messen(nicht theoriegeladen!).

Forschen ist kein zielgerichtetes Handeln. Soziale Dimension wird nicht gesehen.

Mad scientist

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17.2 Mythen über Naturwissenschaft

1. Hypothesen werden zu Theorien und Theorien zu Gesetzen.

2. Die Gesetze und Prinzipien der Naturwissenschaften sind absolut und unumstößlich.

3. Hypothesen Aufstellen gleicht einem gut begründeten Raten.

4. Es gibt eine generelle und universelle naturwissenschaftliche Methode.

5. Eine Sammlung von gewissenhaft erhobenen Daten führt zu sicherem Wissen.

6. Naturwissenschaften und deren Methoden liefern absolute Beweise.

7. Naturwissenschaften sind eher an feststehende Verfahren gebunden als an Kreativität.

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8. Naturwissenschaften und deren Methoden können alle Fragen beantworten.

9. Naturwissenschaftler sind besonders objektiv.

10. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse werden prinzipiell durch Experimente gewonnen.

11. Naturwissenschaftliche Ergebnisse werden grundsätzlich auf Richtigkeit hin überprüft.

12. Die Anerkennung neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt einfach und unproblematisch.

13. Modelle der Naturwissenschaften repräsentieren die Wirklichkeit.

14. Naturwissenschaften und Technik sind identisch.

15. Naturwissenschaftler arbeiten in der Regel allein.

17.2 Mythen über Naturwissenschaft

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Konsensfähige Ansichten über die Natur der Naturwissenschaften: Wissen in den Naturwissenschaften ist, obwohl es zuverlässig ist, nicht unveränderlich. Wissen in den Naturwissenschaften beruht stark, aber nicht vollständig, auf Beobachtungen,

experimentellen Resultaten, rationalen Begründungen und einer gewissen Skepsis. Es gibt nicht nur einen Weg der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung (Deshalb gibt es

auch keine universelle naturwissenschaftliche Methode, die Schritt für Schritt abgearbeitet wird.) Naturwissenschaften verstehen sich als Ansatz, Phänomene der Natur zu erklären. Gesetze und Theorien dienen unterschiedlichen Zwecken, deshalb werden aus Theorien auch

keine Gesetze, auch wenn zusätzliche Daten vorliegen. Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen tragen zu den Naturwissenschaften bei. Neue Erkenntnisse müssen klar und offen dargestellt werden. Naturwissenschaftliche Ergebnisse müssen nachvollziehbar dokumentiert sein, werden von

Experten begutachtet und müssen replizierbar sein. Beobachtungen sind theoriegeleitet. Naturwissenschaftler sind kreativ. Die Geschichte der Naturwissenschaften kennt evolutionäre und revolutionäre Entwicklungen. Naturwissenschaften sind Teile sozialer und kultureller Entwicklungen. Naturwissenschaften und Technik beeinflussen sich gegenseitig. Naturwissenschaftliche Ideen werden von sozialen und historischen Faktoren beeinflusst.

17.2 Mythen über Naturwissenschaft

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18. Methoden der Naturwissenschaften

Verschiedene erkenntnistheoretische Positionen:18.1 Empirismus und Positivismus

18.2 Kritik an der induktiven Methode

18.3 Neuere Erkenntnistheorien

18.3.1 Falsifikation (Popper)

18.3.2 Paradigmenwechsel (Kuhn)

18.3.3 Historische Traditionen (Feyerabend)

18.3.4 Forschungsprogramme (Lakatos)

18.4 Die fünf wichtigsten Positionen im Überblick

18.5 Auswirkungen auf die Schule

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Erkenntnistheorien

Beschreibung, wie Erkenntnis gewonnen wird,

Ansichten über die Erkenntnisgewinnung ändern sich, Erkenntnistheorien entwickeln sich.

Für Fachwissenschaftler nicht notwendigerweise relevant, für Lehrer schon, denn

Ansichten über Erkenntnis prägen Vorstellungen zum Lernen, so dass

Erkenntnistheorien das Lehren der Naturwissenschaften (bewusst oder unbewusst) wesentlich beeinflussen.

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Empirismus (ab 1620)

Alles Wissen beruht auf Erfahrung.

Gesicherte Erkenntnis nur über Sinneseindrücke, also nur über sinnlich erfassbare Gegenstände.

Angestrebt wird reine Erkenntnis durch unmittelbaren Kontakt mit den Gegenständen, ohne Vorannahmen.

Vorherrschen der induktiven über die deduktive Methode, kausaler über teleologische Erklärungen.

Begründer: Francis Bacon (1561-1626)

Vertreter: Thomas Hobbes (*1588), John Locke (*1632),George Berkeley (*1685) , David Hume (*1711)

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Methodologie des Empirismus

Induktion:= von Ein-zelfällen auf das All-gemeine schließen

Deduktion:= Ableiten des Einzelnen aus dem Allgemeinen

Beispiel: Ich habe bisher nur weiße Schwäne gesehen. Also sind alle Schwäne weiß.

Beispiel: Vögel können fliegen, Pinguine sind Vögel. Also können Pinguine fliegen.

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Positivismus (ab 1850)

Basiert auf dem Empirismus. Bis weit in das 20. Jahrhundert vorherrschend. Nur das unmittelbar Wahrgenommene ist sichere Grundlage

der Erkenntnis. Wissenschaft ist die gesetzliche Verknüpfung beobachteter

Erscheinungen durch den „allgemeinen, gesunden Menschenverstand“.

Naturwissenschaftliches Exaktheitsideal. Metaphysische Fragen sind sinnlos. Ablehnung ideengeleiteter Theorien.

Vertreter: Auguste Comte, Ernst Mach, Moritz Schlick, Herbert Spencer

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Empirismus und Positivismus

Grundsatz des Empirismus: Sinnliche Erfahrung und vor allem Beobachtung als

Grundlage der Erkenntnis

Die vier Grundsätze des Positivismus:1. Es existiert nur eine einzige Art von Wirklichkeit.2. Einzige Erkenntnisquelle ist die sinnliche Erfahrung.3. Postulat von der "Einheit der Wissenschaft“

Es müssen nicht unbedingt verschiedene Methoden der Wissenschaft existieren, kontinuierliches und kumulatives Wachstum.

4. Ablehnung aller nicht-deskriptiver Aussagen

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Empirismus im Physikunterricht

Auch heute noch immer verbreitete Auffassung: Erkenntnisse werden in der Naturwissenschaft induktiv gewonnen.

Die induktive Methode: Am Anfang steht ein Phänomen. Beobachtungen werden als Protokollaussagen festgehalten. Aus den Protokollaussagen werden Schlussfolgerungen

gezogen. Die Ergebnisse werden in eine Theorie eingeordnet und

bestätigen diese.

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18.2 Kritik an der induktiven Methode

Entspricht (entgegen der Behauptung) nicht der tatsächlichen wissenschaftlichen Vorgehensweise (auch nicht bei den historischen Vorbildern Galiliei und Newton!).

Gallilei: „Ich habe ein Experiment darüber angestellt, aber zuvor hatte die natürliche Vernunft mich ganz fest davon überzeugt, dass die Erscheinung so verlaufen musste, wie sie tatsächlich verlaufen ist.“

Gallilei: „Ich will mich im Experiment davon überzeugen, dass die beim natürlichen Fallen auftretenden Beschleunigungen mit den vorher [durch die Theorie]beschriebenen übereinstimmen.“

Täuscht eine Eindeutigkeit vor, die nicht vorhanden ist (weil in der Regel nur zwischen Richtig und Falsch unterschieden wird).

Unterdrückt andere mögliche Sichtweisen (weil diese bei der Betonung des Richtigen überhaupt nicht zur Debatte stehen).

Führt zu Monismus und Dogmatismus.

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18.2 Kritik an der induktiven Methode

Aus Sicht der

modernen PhysikDem Induktionsschluss in der Physik liegen das Prinzip der Gleichförmigkeit des Naturgeschehens und der Kausalität zugrunde, die aber in der modernen Physik nicht gelten.

klassischen PhysikExperimentelle Untersuchungen machen das natürliche Phänomen zu einem physikalischen Phänomen, das nur in einem Wechselspiel von Experiment und Realität besteht. Diese Phänomene sind nicht gegeben, sondern produziert – ein Ergebnis der Experimentierkunst und der theoretischen Phantasie.

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18.2 Kritik an der induktiven Methode

Im Physikunterricht Am Anfang steht ein Phänomen.

Auswahl, Relevanz? Beobachtungen werden als Protokollaussagen festgehalten.

Sind die Beobachtungen aller Personen gleich? Aus den Protokollaussagen werden Schlussfolgerungen

gezogen.Annahme, dass sich richtige Hypothesen ergeben, falsche werden meist ausgeschlossen.

Die Ergebnisse werden in eine Theorie eingeordnet und bestätigen diese.Die Phänomene werden meist so ausgesucht, dass sie zur Theorie passen. Schüler werden manipuliert.

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18.3 Neuere Erkenntnistheorien (ab 1950)

18.3.1 Falsifikationismus (Karl Popper, 1902 - 1994)

18.3.2 Paradigmenwechsel (Thomas S. Kuhn, 1922 - 1996)

18.3.3 Historische Traditionen (Paul Feyerabend, 1924-94)

18.3.4 Forschungsprogramme (Imre Lakatos, 1922 - 1974)

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18.3.1 Falsifikationismus (Popper)

Selbst beliebig viele Beobachtungen lassen sich nicht zu einer wahren Theorie zusammenfassen.

Wissenschaft entwickelt sich hypothetisch-deduktiv:Aus einer Antizipation, einem Einfall, einer Idee oder Hypothesewerden Folgerungen abgeleitet und mit anderen Sätzen verglichen.

Eine einzige widersprechende Beobachtung reicht aus, um eine Theorie zu falsifizieren („Experimentum Crucis“).

Jede Theorie ist wissenschaftlich, wenn man Bedingungen nennt, unter denen man sie als widerlegt fallen lässt.

Erkenntniszuwachs ist kein kumulativer, kontinuierlicher Prozess.

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18.3.2 Paradigmenwechsel (Kuhn)

Der „naive Falsifikationismus“ Poppers spielt in der wissenschaftlichen Praxis keine Rolle.

Wissenschaftlicher Fortschritt verläuft diskontinuierlich durch Paradigmenwechsel.

Es gibt sehr stabile, normale und es gibt revolutionäre Phasen des Wissenschaftsbetriebs.

Revolutionäre Phasen werden durch wissenschaftsinterne Krisen ausgelöst.

In revolutionären Phasen werden veraltete Paradigma durch neue Sichtweisen abgelöst.

Experimente sind kein Entscheidungsmöglichkeit! Paradigmenwechsel haben auch nichtrationale und sozio-

psychologische Beweggründe.

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18.3.3 Historische Traditionen (Feyerabend)

Alle Wissenschaften sind Geisteswissenschaften.

In historischen Traditionen werden Begriffe nicht definiert, sondern durch Listen von Beispielen dargestellt, die den Begriffimplizit charakterisieren. Listen werden gelernt, wie Kinder Sprache lernen. Durch Naturwissenschaften werden Theorien wie Beispiele auf einer Liste geschaffen.

Wissenschaftliche Paradigmen können unvergleichbar sein.

Naturwissenschaftler sind keine Richter, sondern Teil des Prozesses.

Es gibt nicht die naturwissenschaftliche Methode, vielmehr muss ein Naturwissenschaftler streng festgelegte methodische Regeln ablehnen.

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18.3.4 Forschungsprogramme (Lakatos)

Kuhn und Feyerabend wird in Poppers Sicht integriert: Theorien sind eigentlich unbeweisbar und unwiderlegbar.

Poppers „naiver Falsifikationismus“ wird ersetzt durch einen „raffinierten Falsifikationismus“: Einzelne Experimente oder Beobachtungen reichen weder zur Verifikation

noch zur Widerlegung aus. Die wissenschaftliche Gemeinschaft beurteilt, ob ein Wissenschaftler

regelgerecht gearbeitet hat. Konventionen der wissenschaftlichen Gemeinschaft entscheiden, ob eine

Theorie „falsifiziert“ oder „empirisch bewährt“ ist. Eine Widerlegung einer Theorie ist unmöglich, so lange es keine bessere

gibt. Bestätigung und Widerlegung hat einen „historischen Charakter“ in einem

Geflecht aus Theorien und Experimenten (historische Falsifikation).

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18.3.5 Forschungsprogramme (Lakatos)

Forschungsprogramme bestehen aus Serien von Theorien, Hypothesen, Untersuchungen und offenen Fragen.

Jedes Forschungsprogramm hat einen harten Kern, der unter allen Umständen verteidigt wird.

Um den harten Kern existiert ein Schutzschild von Hilfshypothesen, mit denen das Programm Widersprüchen begegnet oder diese zu Anomalien erklärt.

Forschungsprogramme können in Konkurrenz zueinander treten, wenn Problemverschiebungen auftreten.

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18.4 Die 5 wichtigsten Positionen

1. Empirismus / InduktionismusEmpirische Daten sind die Grundlage der Naturwissenschaften.Aus vielen Einzelfällen wird induktiv auf das Allgemeine geschlossen.

2. Falsifikationismus (Popper)Wissenschaftler stellen Hypothesen auf.Mit ihnen kann man arbeiten, bis sie widerlegt werden.Widerlegbarkeit ist das Kriterium für Wissenschaftlichkeit.

Ist die naturwissenschaftliche Methode induktiv oder hypothetisch-deduktiv?

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18.4 Die 5 wichtigsten Positionen

3. RealismusDie Welt ist erkennbar. Wahre Aussagen sind in der Naturwissenschaft möglich. Naturwissenschaftliche Theorien nähern sich der Wahrheit. Europäische Tradition zweckfreier Forschung.

4. Pragmatismus / InstrumentalismusTheorien müssen nicht wahr sein, sondern funktionieren. Die Frage nach der Wahrheit ist sinnlos. Entscheidend ist der Nutzen der Naturwissenschaft, nicht der Wahrheitsgehalt.

Sind naturwissenschaftliche Aussagen wahr?Realismus und Pragmatismus sind Gegenpole.

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18.4 Die 5 wichtigsten Positionen

5. (Sozialer) Konstruktivismus / RelativismusDie Möglichkeit objektiven Wissens wird bezweifelt.Betont werden die Rolle von Denkzwängen, kulturellen Einflüssen und sozialen Prozessen auf die „Konstruktion“von Wissen.

Konstruktivismus ist nicht nur eine Erkenntnistheorie, sondern eine heute wichtige Lerntheorie(radikaler, moderater und sozialer Konstruktivismus)!

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18.5 Auswirkungen auf die Schule

Bis weit in die 90er Jahre als Reaktion auf Popper:neopositivistische Änderungen des Wissenschafts-verständnisses, Statistik und Angabe von Wahrscheinlichkeiten, naiver Falsifikationismus.

Für Schüler macht das die Naturwissenschaften nicht unbedingt glaubwürdiger (Experimente funktionieren nicht immer so, wie sie sollen).

Neuere Ansichten zum naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess setzen sich in der Praxis erst jetzt langsam durch.

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18.5 Auswirkungen auf die Schule

Seit etwa 1980 stärkere Berücksichtigung der Kuhn‘schen Erkenntnistheorie: Untersuchung der Vorkonzepte von Lernenden, Konzeptwechseldidaktik.

Stärkere Beachtung von Lernprozessen

Vorverständnis und Ideen von Schülern werden als „konkurrierende Paradigmen“ ernst genommen.

Kritik der „positivistischen“ Unterrichtsführung,mehr Vielfalt, weniger Dogmatismus.

Es wird nicht mehr nur der „richtige Weg“ betont,sondern die Notwendigkeit, bei mehreren Möglichkeiten zu entscheiden.

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18.5 Auswirkungen auf die Schule

In Anlehnung an Lakatos wird die Möglichkeit gesehen, dass für eine Zeit mehrere Ansichten gleichzeitig existieren können, die in unterschiedlichen Situationen genutzt werden.

Entwicklung und Annahme naturwissenschaftlicher Konzepte ist unter Umständen ein längerer Prozess.

Feyerabend spielt bisher keine große Rolle in der Didaktik.

Aber von Feyerabend kommen interessante Gedanken: Kinder lernen Naturwissenschaften wie eine Sprache, Eintauchen in die Kommunikation und Praxis einer Gemeinschaft.

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18.6 Zusammenfassung

Erkenntnistheorien beschreiben, wie Wissen erworben wird.

Bis in das 19. Jahrhundert waren Empirismus und Positivismus vorherrschend.

Die induktive Methode beschreibt nicht die wissenschaftliche Vorgehensweise!

Seitdem verschiedene neue Ansätze: U. a. von Popper, Kuhn, Feyerabend und Lakatos.

In der Schule über die letzen Jahre: Mehr Vielfalt, weniger Dogmatismus, Methodenvielfalt.

Naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung hat viele Aspekte und lässt sich nicht auf eine Methode reduzieren.

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19. Zusammenfassung

Schülervorstellungen: In den meisten Teilgebieten der Physik sind die Schülervorstellungen

gut erforscht. Eine Lehrkraft sollte diese Vorstellungen kennen. Ein Lehrkraft sollte diese Vorstellungen in der Unterrichtsplanung

berücksichtigen. Die Kenntnis von Schülervorstellungen ist ein wichtiger Teil

fachdidaktischer Kompetenz.

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19. Zusammenfassung

Unterrichtskonzepte: Der gleiche Inhalt kann auf verschiedene Weisen unterrichtet

werden. Zum gleichen Inhalt gibt es verschiedene Unterrichtskonzepte. Eine Lehrkraft muss bewusst auswählen, nicht einfach nur Altes

übernehmen. Es ist wichtig, neue Unterrichtskonzepte zu entwickeln, deren

Ausgangspunkt Schülervorstellungen sind. Neue Konzepte müssen auch evaluiert werden, um etwas über den

Erfolg aussagen zu können. Für viele Teilbereiche gibt es bereits neuere erfolgreiche

Unterrichtskonzepte.

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19. Zusammenfassung

Ergänzung zu fachlichem Verständnis: Studien zeigen: Eine Lehrkraft kann ihren Schülern nicht mehr

Verständnis vermitteln, als sie selbst hat. Ein gutes fachliches Verständnis einer Lehrkraft ist zwar

Voraussetzung für Unterrichtserfolg, reicht aber allein nicht aus! Hohe fachdidaktische Kompetenz setzt hohe fachliche Kompetenz

voraus, aber nicht umgekehrt: Hohe fachliche Kompetenz kommt auch zusammen mit geringer fachdidaktischer Kompetenz vor.

Schülerleistungen korrelieren mit der fachdidaktischen Kompetenz der Lehrkraft!

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19. Zusammenfassung

Viel Spaß und viel Verständnis im weiteren Studium!

Vergessen Sie nie, die Situationen im Studium, in denen Sie nichts verstanden haben. So geht es vielen Schülern.

Viel Gelingen beim Umsetzen des nötigen Rollenwechsel: vom Schüler zum Lehrer.