Spiegel der Schicksalsjahre 1939/40 Zufuhren. Neue …...1992/08/05  · Spiegel der Schicksalsjahre...

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) ' ' -! .. } Spiegel der Schicksalsjahre 1939/40 Neue Bände der «Diplo1natischen Doku1nente der Schweiz» Die Publikation diplomatischer Akten zur schweizerischen Politik zwischen der Gründung des Bundesstaates von 1848 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges nähert sich ihrem Abschluss. Von den fünfzehn geplanten Bänden fehlen nur noch drei (die Bände 4, 12 und 14). Vor kurzem ist der die Reihe beschliessende 15. Band (umfas- send 1943-1945) erschienen, nachdem letztes Jahr der J 3. Band publiziert worden war mit Schriftstücken aus der Zeit vom I. Januar 1939 bis zum 31. Dezember 1940. * Akten - meist Diplomatenberichte, protokolle, Memoranden usw. - ergaben. Die streng chronologische Struktur hat neben chen Nachteilen den grossen Vorzug, .dass s1cl aus seiner zeitlichen Fixierung heraus ein Thema rasch orten lässt. Die Verweise in Fussnoten auf weitere Akten zum Problemkreis Quervergleiche. Wertvolle Hilfe bietet ferner eme umfassende «Table methodique des docun:ients» am Anfang des Bandes, 70 Seiten lang, m der guerre» an . . ohnehin . emer Ausweitung des v.or dem Krieg selbst grossen Handels mit der Schweiz, hatte. 28 .• nur interessiert gezeigt Gang w · ai, .als die Westoffensive noch im auf gen ar, in Berlin die ersten Gespräche macht Sie stan.den, je mehr die Wehr- näherte sie ihrem Tnumph über Frankreich Die politischen Aspekten. Winter z c argumentierten ähnlich wie im spräche die Engl än.der in den Blockade-Ge- Schweiz. Sie forderten ein Mit- Ausfuh ei der Kontrolle der Schweizer fu .. hrt drohten mit einer Kohlensperre und en sie w"h Die Sch . a einiger Wochen auch durch. dass au wiesen die Gegenseite darauf hin, d eutschlan? ei!1 Interesse am Weiter- Übe es schwe1zenschen Handels nach 9 Arsee habe. Schliesslich kam es zu einem am akz ugust 1940 unterzeichneten für die Schweiz te eApbtablen, allerdings nur auf 'ein Jahr befriste- n kommen. Schwierige Gespräche mit London Im .. 1940 begannen die Wirtschafts- gesprache mit Grossbritannien. Zentrales Thema waren die Zufuhren. Viele Schiffe mit Ladungen für die Sch weiz lagen in Lissabon oder Madeira fest. Die Schweiz suchte eine Freigabe zu errei- chen und gleichzeitig England zu bewegen, das «Blockade-Abkommen» den neuen Bedingungen anzupassen , grundsätzlich aber beizubehalten. Die Unterredungen zogen si eb wochenlang hin. Die Dokumente zum Thema Vers orgung der Schweiz nehmen in diesem Band ei nen breiten Raum ein . Sie ze ugen von den unab lässigen Be- mühungen und der zähen Ve rh andlungsgeduld der vom Bundesrat mit den Gesprächen beauf- tragten Be a mten w ie Jean Hatz von der Handels- abteilung des Vo lks wirtschaftsdepartementes, Prof Paul Keller, des Delegierten für Handelsver- träge, sowie Direktor Heinrich Hornberger vom Vorort und vieler anderen. Auch der Schweizer Gesandte in Pari s, Walter Stucki, hatte sich in den ersten Kriegsmonaten vor dem Zusammenbruch Frankreichs mit ra st losem Engagement an der Aushandlung des «Blockade-Abkommens» betei- ligt. Sie alle waren bemüht, für die Schweiz gün- stige Vereinbarungen zu erzielen und die eid- genössischen Interessen zu wahren. · In Angriff genommen worden ist das Werk in den siebziger Jahren. Die Initiative zur Publika- tion, womit die Schweiz dem Vorbild anderer Länder folgte, ging von einigen Historikern aus. Unterstützt wurde das vom Genfer Historiker Jacques Freymond geleitete Vorhaben von der Allgemeinen Geschichtforschenden Gesellschaft der Schweiz, die das Patronat übernahm, sowie durch das Bundesarchiv und den Nationalfonds. Die Edition wurde einer Gruppe von Wissen- schaftern übertragen, die sich an gemeinsame Richtlinien zu halten hatten. Als erster fertig wurde 1979 der siebente Band mit den Dokumen- ten über das Ende des Ersten Weltkrieges. Es folgten bis 1990 neun weitere Bände. Kelne Revlslon des Bildes von Frölicher Keine sensationellen Enthüllungen Für die drei letzten Bände der Reihe mit den Dokumenten aus der Zeit des Zweiten Weltkrie- ges stellte sich den Bearbeitern mehr als bei den früheren die zentrale Frage der Selektion. Die Flut der Akten schwoll schon in den dreissiger Jahren an und erreichte im Krieg einen Höhe- punkt. Es war keine leichte Aufgabe, aus der Fülle das Richtige auszuwählen. Vieles musste aus Raumgründen weggelassen werden. Gelegentlich vermisst man ein interessantes Dokument, auf das in einer anderen Akte Bezug genommen wird, und muss sieb mit der Fussnote «non reproduit» abfinden. Die Einschränkung wird begreiflich an- gesichts des Volumens, das trotz dieser gelegent- lich sehr strengen Auswahl der Band erreicht hat; er ist mehr als 1000 Seiten stark. Für den Band über die Jahre 1939 und 1940 ist die Edition von Prof Jean Franf:ois Bergier (ETH Zürich) und Andre Jäggi in Zusammenarbeit mit Marc Perrenoud besorgt worden. Es ist ihnen ge- lungen, trotz der immer komplexer werdenden Thematik der schweizerischen Politik und den da- mals in unbändig raschem Wechsel tagtäglich neu auf die Menschen einstürmenden Ereignissen die grossen Linien aufzuzeigen, wie sie sich aus den Jean Hatz, Direktor der Handelsabteilung Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement:, führte während des Kriegs insbesondere die Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland. (Bild NZZ-Archiv) sämtliche 429 im Band publizierten DoJ.a1mentc mit Datum, Autor, Adressat und h.'1lrzer Inhalts- angabe aufgeführt sind. In ihrem Vorwort schreiben die Bearbeiter, dass der Band «keine einzige Bombe» enthalte, «die nicht schon entschärft worden» sei. Die Be- deutung der Publikation liege nicht in sensatio- nellen Enthüllungen. «Sie liegt in erster Linie in die Fieberhaftigkeit einer Zeit der Ungew1ss- h;it und Angst deutlich zu machen ... Die Per- spektive ist die des täglichen Erlebens, in dem die unmittelbaren Sornen mehr Raum einnehmen und mehr Sinn erh<ihen als die grosse Zusammen .. schau, die im ausgeruhten Kopf entsteht.» . Nach der Lektüre der Aktenpublikation dränot auch keine Revision des Bildes von Ha;s rolicher auf, der von 1938 bis 1945 Gesandter der Schweiz in Berlin war. Über ihn ist in der Ver- gangenheit zur Genüge publiziert worden. Seine war gewiss keine einfache. Die Akten be- jedoch erneut, wie ellfgegenkommend F;olicher gegenüber den Wünschen der Nazis war. Nach Frankreichs Zusammenbruch schluo er dem Bundesrat vor, sofort aus dem Völkerbund auszu- tr_ eten; auch befürwortete er die Schliessung der diplomatischen Vertretunoen von Polen und Nor- e wegen m Bern. Die von den Nazis mit penetran- ter Monotonie vorgetragenen ewig gleichen Be- schwerden über die Schweizer Presse leitete er oe- flissentlich nach Bern weiter und fand mit sei;en Empfehlungen, dt:n Redaktionen das Maul zu verbinden, in der Zentrale gelegentlich (nicht immer) willige Ohren. Auf der politischen Generallinie . Einige Beispiele mit dem Originalton Frö- h. chers mögen genügen. Am 2. Februar 1939 be- nchtete er über Hitlers Reichstagsrede und legte Wert auf die Hervorhebung des Satzes von Hitler, dass Deutschland glücklich sei, im Westen, Süden und Norden befriedete Grenzen zu besitzen. Der Gesandte fügte bei: «Es wäre wohl am Platze ge- wesen, wenn die <Neue Zürcher Zeitung> in ihren schwarzseherischen Kommentaren auch diese Stellen der Rede , die unser Land direk.1 betreffen, wenigstens erwähnt hätte.» Bundesrat Moua notierte hier an den Rand der Depesche Frö- Ji chers: «Richtig!» Im Sommer 1940, als der NU-Korrespondent Reto Caratsch wegen eines Tatsächlich lässt sich nach eingehender Lektüre des Bandes nichts finden, was zu einer aufsehen- erregenden Überarbeitung oder gar zur Revision des bisherigen Geschichtsbildes führen müsste. Die grossen Züge, wie sie erstmals Edgar Bonjour in seiner Geschichte der schweizerischen Neutra- lität umrissen hat oder wie sie jüngst Vi'illi Gaut- schi in seiner Guisan- Biographie in minuziöser Arbeit prüfend und wägend erneut aufzeigte, be- dürfen , wenn überhaupt, nur in marginalen Berei- chen einer Korrektur. Die Schweizer Landesregierung von 1939/ 40 bestand zwar kaum aus den damals in Europa · NHcn'ten -tind 'ihren Mlfoetern laut gepriesenen heroisch-starken Männern mit unstillbarem Drang nach dem «vivere pericolosa- mente» . Es war ein Kollegium mit Mitgliedern unterschiedlichen politischen Kalibers und Tem- peramentes. Aber von der letztlich verfolgten Generallinie wich in diesen stürmischen 24 Monaten, in denen die Schweiz sich in der schwierigsten Situation seit Bestehen des Bundes- staates sah, der Bundesrat in den grossen Zügen keineswegs ab. Er suchte die Neutralitätspolitik angesichts der rasch wechselnden Umstände flexi- bel zu handhaben und die Schweiz aus dem Kon- flikt herauszuhalten, um der Bevölkerung die Schrecken und Leiden eines Krieges zu ersparen. Die Hauptsorge ging dahin, die Versorgung des rohstolTarmen Landes zu sichern, das keinen Zu- gang zum offenen Weltmeer hat. Zieht man unter diesem generellen Aspekt Bilanz, so hat die Schweizer Regierung - das bestätigt ein objektives Studium der Dokumente dieses Bandes - mit Er- folg agiert. Ohne Zweifel hatte sie Glück, aber kein erfolgreicher Politiker kommt ohne Fortune aus. Hauptproblem Landesversorgung Gerade im Bereich der Landesversorgung zeigte der Bundesrat beeindrnckende Weitsicht. Schon vor Kriegsausbruch wurden Verhandlun- gen geführt, vor allem auch mit den USA, um im Falle eines Krieges die Handelswege weiter offen halten zu können. Stärker noch als im Ersten Weltkrieg, aus dessen Erfahrungen die Lehren ge- zogen worden waren, zeigte es sich, dass Wirt- schaftspolitik und Neutralität im klassischen Sinne nur schwer auf einen Nenner zu bringen waren. Als der bewaffnete Konflikt im September 1939 ausbrach, war die dringlichste Aufgabe, die Bedrohung der schweizerischen Importe durch die von Grossbritannien und Frankreich sofort verhängte Blockade abzuwenden. In langwierigen und zähen Verhandlungen, in denen um die klein- sten Positionen gefeilscht werden musste, wurde • Diplomati sche Dokumente der Schweiz. 1848-1945 . Vol- ume 13 (1939-1940). Prepar i: ä rtn stitut d" hi st oi re de l'Ecole polytechnique f ede rale de Zuri ch par Jean-Fran9ois Bergier et Andre Jäggi la coll abora ti on de Marc Perrenoud . Benteli· Verlag, Bern 1991. schliesslich mit den Westmächten ein Abkommen missliebigen Berichtes ausgewiesen wurde, kom- mentierte Frölicber: «Am besten wäre es ge- erreicht, welches der Schweiz eine Garantie für Wesen wenn Herr Caratsch von der <Neuen Zür- die Versorgung aus Übersee während der Dau er eher Zeitung> J äi:gstens des Krieges zu garantieren schien. Die Verein- worden wäre ... Es ist kerne Notwendigkeit vo m barung, das «Blockade-Abkommen », datiert vom schweizerischen Standpunkt, dass über Deutsch- 25. April 1940. Nur 14 Tage später begann die land unfreundlich berichtet wird , wi e dies Herr deutsche Wehrmacht den Angriff im Westen. Caratsch seit Jahr und Tag getan hat. Im Gegen- überrollte innerhalb weniger Wochen Ho ll a nd. teil es ist eine Existenzfra ge für un ser Land ge- Belgien und Luxemburg und zwang Frankreich da ss freundlich berichtet wi rd ... » In die zur Kapitulation. Das bisher nichtkrieoführendc gleiche ' Kerbe hieb er wenig als er nac h Italien, das einen Hafen zur Löschung ·· b ht d Ch f d k rischer Güter zur Verfügung stellen sollte trat ä ll Bern schrieb, es ware ange rac ' ie e re a ·- Deutschlands Seite in den Konflikt ein. Da s toren von «Bund» und NZZ sich nac h 01 1.n A A i-1. d . . einer für sie geeigneteren Tätigkeit umsehen. .. - ani.1t rnr.:.iJ.:j L<:Ci - !- ---- gegenSfandSfOS geworden. Peinlich berührt auch der Bericht übe: Neue wurden notwendig, um Unterredung mit dem deutschen Aussenmm1ster die Wege nach Ubersee wieder zu öffnen, die im Ribbentrop (der Frölicher nur empfing) v.on Mai und Juni 1940 zugegangen waren. Dass das Anfang Mai 1940, al_s.der Schweizer Gesa_ndte ms unumgänglich sei und die Schweiz sich nicht wirt- Auswärtige Amt z1t1ert wurde, um Be- schaftlich einseitig nach dem siegreichen Deutsch- schwerde entgegenzu".ehmen: «Herr yon land ausrichten sollte, hat Bundesrat Ming er in trop empfing mich mit todernster '."lle!1e, die einer Sitzung des Bundesrates ausgesprochen, dadurch aufzuheitern .suchte, dass ich ihm meine und zwar am 24. Juni 1940, kurz nach dem Zu- besten Wünsche zu seinem Geburtstag, den e'. am sammenbruch Frankreichs. Nüchtern stellte Min- Vortag feierte, vortrug.» In der die es ger laut dem im Band wiedergegebenen Protokoll gino die von den Deutschen mit massiven Dro- fest: «Wir sind in hohem Masse von Deutschland hu;gen erhobene Forde.rung, vo". der Akkreditie- abhängig und müssen Deutschland entgegen- runo eines neuen polnischen Diplomaten abzu- kommen, aber gleichwohl werden wir die Bezie- machte. Frölicher sich die P?.si- hungen zu England nicht abbrechen können. Es tion zu eigen, indem er empfahl, sieb den ist nicht ausgeschlossen, dass der Krieg noch sehen Ribbentrops zu fügen. Glücklicherweise lange dauern wird. Selbst wenn England nieder- folgte Politische Departement dem Rat Frö- gezwungen wird, wird der Krieg noch lange nicht Jicbers nicht. entschieden sein. England evakuiert alles nach Kanada. Was wird Deutschland mit England Die Gesandten in Rom und Paris machen, wenn sich die USA zu England gesel- Der Tonfall in .. die Grenze. ". Jen ... Es ist eine Stellungnahme, die wohl diplomatischer Hofüchkett und immer ebenso Beachtung verdient wie die unglückse\ioe wieder verwischenden Haltung ist bezeichnend Rede, die Bundesrat Pi/et am nächsten Tao für Frölicher. Sie ab von den das Radio zum Scbweizervolk hielt. " nahmen des schwe1zenschen Vertreters m Rom, Deutsche Pressionen Mingers Votum gewinnt an Gewicht wenn man bedenkt, dass es in einem Augenblick er- folgte, da der Bundesrat sich von deutscher Seite schwersten Pressionen ausgesetzt sah. Auch der _Schweizer Gesandte in Berlin, Hans Frölicher suchte.(aus um un.ser Land, wie er tete) die Regierung auf einen anpasserischen Kurs zu lenken und schlug die verwegensten Mass- nahmen vor, um freundlich zu stim- men. Auch _wen.n m v1e .\en offiziellen Dokumen- ten und Angstlichkeit dominierten Angst vor c_ler Zukunft mit Händen zu ist, wurden die Kontakte mit Grossbritan- men .. mcht. abgebrochen, gingen die Verhandlun- gen uber eme des «Blockade-Abkom- mens» vom Apnl 1940 an die neuen Gegebe h · ten mit London weiter. n et- Weiter gingen auch Verhandlungen mit Deutschland, das sich wahrend der «dr61e de Paul Ruegger, der von Aussenminister G. raf Ciano oft mit ähnlichen Anwürfen konfrontiert wurde, aber und f sch geschickter reagierte. Schhesshch noch em zu Walter Stucki in Paris: Er war für seine vorgesetzten ein nicht gelegent- 1' h empfindlich und kritisch benchtender, aber 1 ; ts mit klarem Blick die Situation beurteilender nn Stucki hatte es in Paris 1939/ 40 in man- h a B. eziehung sicher einfacher als seine Kol- c er d R b d. D · · le en in Berlin ?m, a er .ie on:manz se1- g Persönlichkeit, die schon m BonJours Ge- hte der schweizerischen Neutralität ein- sdc ick voll geschildert wird, ist in jeder Zeile sei- ruc s .. ner Berichte zu spuren. Berichte aus unmittelbar er Perspektive ·e dip lo mati schen Schriftstücke sind Di te zu nehmen die aus der Perspekti ve D okumen ' E' · t T oes heraus entstanden. m mteressan es .a 0 1 dafür ist die Frage der Aufnahm e von Be1sp1e diplomatischen Beziehungen zur So wjetunion. Motta hat sich stets dagegen gewehrt, und auch Pilet setzte die Linie seines Vorgängers zunächst fort. Motive dafür gab es viele. Für den heutigen Leser erscheint es als bittere Groteske, dass am 11. August 1939 ein parlamentarischer Vorstoss zur Anerkennung Moskaus unter anderem mit der Begründung abgelehnt wurde, man dürfe «cer- tains voisins de Ja Confederatiorn> nicht unnötig reizen - geschrieben weniger als zwei Wochen vor dem Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes. In der Phase unmittelbar vor Kriegsausbruch agierte der damals schon von Krankheit gezeich- nete Motta ohnehin wenig glücklich. Er hatte, da er offenbar davon überzeugt war, Hitler könne das Abenteuer eines Krieges nicht wagen, sich auf das Axiom festgelegt, dass der Friede wie 1938 in München auch dieses Mal in letzter Minute ge ret- tet werden könne. Daran hielt er bis in die letzte n Stunden vo r Kriegsausbruch fest. Wie sorgl os, im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Vorbereitun- gen, in andern Bereichen gedacht wurde, zeigt auch das Protokoll einer Besprechung vom 3. September 1939 in Bern zwischen hohen Mili- tärs und Beamten des Politischen Departementes über das Thema Neutralität und Ll(ftkrieg. Die Sitzung begann kurz nach 16 Uhr. Seit 11 Uhr be- fand sich Grossbritannien wegen Hitlers Überfall auf Polen im Kriegszustand mit Deutschl an d. Frankreich erklärte an diesem Tage um 17 Uhr dem Deutschen Reich den Krieg. In der Bes pre- chung in Bern standen zwei Fragen zur Dis kus- sion, die beide die Neutralität der Schweiz in dem drohenden Luftkrieg über Europa betrafen. Zu- nächst wurde debattiert, ob eine sofortige Verdun- kelung des Landes angeordnet werden sollte, wie es die Kriegführenden bereits getan hatten. Die andere betraf den Schutz des sc hweizerischen Luftraumes und die Definition vo n de ss en Höhe. Die Sitzung endete mit einem Doppel-Zero-Er- gebn is . Der Ent scheid über die Verdunkelung wurde ausgesetzt, und der Chef der Fli eger- und Flabtruppen. Oberstdi\·isio när Bandi, erklärte illusions lo s, die Schweiz besit ze die für ein e übe r- all wirksa me Fliegerabwehr notwendigen Art ill e- riem ittel ni cht . .. In aer r:rnn:::rluBg ou.L\..u111c1Lic:uua1n.J...:: ;:) n 11\:l - zu Recht darauf hinoewiesen, dass der Le ser von heute den Vorteil hat zu wissen, wie die Ge- schich te weiter ging, hrend die Akteure der Jahre 1939 und 1940 ohne Kenntnis des Kom- menden handelten und berichteten. Jedes Urte il ist unter diese Prämi sse zu stellen. Trotzdem l as- sen sich Akzente setzen, wo es «Prevoyance» und wer die Auoen vor vielen Tatsachen geflis- sentlich Der 13. Band der «Diploma- tischen Dokumente der Sch weiz» ist ein We rk, das manche Denkanstösse verm ittelt. Es wird auf lan<>e hinaus eine der bedeutsamsten Quellen für die 0 Darstelluno der Sch we izer Geschichte bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und im span- nunosoeladenen Sommer 1940 sein . - Auf den 15 . über die Jahre 1943 bis 19 45 soll später eingegangen werden. Alfred Cattani Anzeige REX234 554B =: . _:·· · ·· -·· · ·. - .... ·) .... • : .. J - • • .- . . ,_· - '· : .. Bahnhofstrasse :.33 · Telefon · 01 r 221 27 27 ··:-.. . . . . . . . : . . . ' ME ISTER UHREN · MEISTER SILBER · MEISTER ZliR MEISEN

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Spiegel der Schicksalsjahre 1939/40 Neue Bände der «Diplo1natischen Doku1nente der Schweiz» Die Publikation diplomatischer Akten zur

schweizerischen Politik zwischen der Gründung des Bundesstaates von 1848 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges nähert sich ihrem Abschluss. Von den fünfzehn geplanten Bänden fehlen nur noch drei (die Bände 4, 12 und 14). Vor kurzem ist der die Reihe beschliessende 15. Band (umfas­send 1943-1945) erschienen, nachdem letztes Jahr der J 3. Band publiziert worden war mit Schriftstücken aus der Zeit vom I. Januar 1939 bis zum 31. Dezember 1940. *

Akten - meist Diplomatenberichte, Sitzung~­protokolle, Memoranden usw. - ergaben. Die streng chronologische Struktur hat neben m~n ~ chen Nachteilen den grossen Vorzug, .dass s1cl aus seiner zeitlichen Fixierung heraus ein Thema rasch orten lässt. Die Verweise in de~ Fussnoten auf weitere Akten zum Problemkreis erlau~en Quervergleiche. Wertvolle Hilfe bietet ferner eme umfassende «Table methodique des docun:ients» am Anfang des Bandes, 70 Seiten lang, m der

guerre» an . . ohnehin . emer Ausweitung des v.or dem Krieg selbst .ni~t grossen Handels mit der Schweiz, hatte. ~

28 a~n .• nur ~enig interessiert gezeigt

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en sie w"h Die Sch . a r~nd einiger Wochen auch durch. dass au ~e~er wiesen die Gegenseite darauf hin, bestehe~ d eutschlan? ei!1 Interesse am Weiter­Übe es schwe1zenschen Handels nach 9 Arsee habe. Schliesslich kam es zu einem am akz ugust 1940 unterzeichneten für die Schweiz te eApbtablen, allerdings nur auf 'ein Jahr befriste-

n kommen.

Schwierige Gespräche mit London

Im .. Septe~ber 1940 begannen die Wirtschafts­gesprache mit Grossbritannien. Zentrales Thema

waren die Zufuhren. Viele Schiffe mit Ladungen für die Schweiz lagen in Lissabon oder Madeira fest. Die Schweiz suchte eine Freigabe zu errei­chen und gleichzeitig England zu bewegen, das «Blockade-Abkommen» den neuen Bedingungen anzupassen, grundsätzlich aber beizubehalten. Die Unterredungen zogen sieb wochenlang hin.

Die Dokumente zum Thema Versorgung der Schweiz nehmen in diesem Band einen breiten Raum ein. Sie zeugen von den unab lässigen Be­mühungen und der zähen Verhandlungsgeduld der vom Bundesrat mit den Gesprächen beauf­tragten Beamten w ie Jean Hatz von der Handels­abteilung des Volkswirtschaftsdepartementes, Prof Paul Keller, des Delegierten für Handelsver­träge, sowie Direktor Heinrich Hornberger vom Vorort und vieler anderen. Auch der Schweizer Gesandte in Paris, Walter Stucki, hatte sich in den ersten Kriegsmonaten vor dem Zusammenbruch Frankreichs mit rastlosem Engagement an der Aushandlung des «Blockade-Abkommens» betei­ligt. Sie alle waren bemüht, für die Schweiz gün­stige Vereinbarungen zu erzielen und die eid­genössischen Interessen zu wahren.

· In Angriff genommen worden ist das Werk in den siebziger Jahren. Die Initiative zur Publika­tion, womit die Schweiz dem Vorbild anderer Länder folgte, ging von einigen Historikern aus. Unterstützt wurde das vom Genfer Historiker Jacques Freymond geleitete Vorhaben von der Allgemeinen Geschichtforschenden Gesellschaft der Schweiz, die das Patronat übernahm, sowie durch das Bundesarchiv und den Nationalfonds. Die Edition wurde einer Gruppe von Wissen­schaftern übertragen, die sich an gemeinsame Richtlinien zu halten hatten. Als erster fertig wurde 1979 der siebente Band mit den Dokumen­ten über das Ende des Ersten Weltkrieges. Es folgten bis 1990 neun weitere Bände.

Kelne Revlslon des Bildes von Frölicher

Keine sensationellen Enthüllungen

Für die drei letzten Bände der Reihe mit den Dokumenten aus der Zeit des Zweiten Weltkrie­ges stellte sich den Bearbeitern mehr als bei den früheren die zentrale Frage der Selektion. Die Flut der Akten schwoll schon in den dreissiger Jahren an und erreichte im Krieg einen Höhe­punkt. Es war keine leichte Aufgabe, aus der Fülle das Richtige auszuwählen. Vieles musste aus Raumgründen weggelassen werden. Gelegentlich vermisst man ein interessantes Dokument, auf das in einer anderen Akte Bezug genommen wird, und muss sieb mit der Fussnote «non reproduit» abfinden. Die Einschränkung wird begreiflich an­gesichts des Volumens, das trotz dieser gelegent­lich sehr strengen Auswahl der Band erreicht hat; er ist mehr als 1000 Seiten stark.

Für den Band über die Jahre 1939 und 1940 ist die Edition von Prof Jean Franf:ois Bergier (ETH Zürich) und Andre Jäggi in Zusammenarbeit mit Marc Perrenoud besorgt worden. Es ist ihnen ge­lungen, trotz der immer komplexer werdenden Thematik der schweizerischen Politik und den da­mals in unbändig raschem Wechsel tagtäglich neu auf die Menschen einstürmenden Ereignissen die grossen Linien aufzuzeigen, wie sie sich aus den

Jean Hatz, Direktor der Handelsabteilung Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement:, führte während des Kriegs insbesondere die

Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland. (Bild NZZ-Archiv)

sämtliche 429 im Band publizierten DoJ.a1mentc mit Datum, Autor, Adressat und h.'1lrzer Inhalts­angabe aufgeführt sind.

In ihrem Vorwort schreiben die Bearbeiter, dass der Band «keine einzige Bombe» enthalte, «die nicht schon entschärft worden» sei. Die Be­deutung der Publikation liege nicht in sensatio­nellen Enthüllungen. «Sie liegt in erster Linie ~ar­in die Fieberhaftigkeit einer Zeit der Ungew1ss­h;it und Angst deutlich zu machen ... Die Per­spektive ist die des täglichen Erlebens, in dem die unmittelbaren Sornen mehr Raum einnehmen und mehr Sinn erh<ihen als die grosse Zusammen .. schau, die im ausgeruhten Kopf entsteht.»

. Nach der Lektüre der Aktenpublikation dränot ~c~. auch keine Revision des Bildes von Ha;s

rolicher auf, der von 1938 bis 1945 Gesandter der Schweiz in Berlin war. Über ihn ist in der Ver­gangenheit zur Genüge publiziert worden. Seine St.~1.lung war gewiss keine einfache. Die Akten be­stä.:1~en jedoch erneut, wie ellfgegenkommend F;olicher gegenüber den Wünschen der Nazis war. Nach Frankreichs Zusammenbruch schluo er dem Bundesrat vor, sofort aus dem Völkerbund auszu­tr_eten; auch befürwortete er die Schliessung der diplomatischen Vertretunoen von Polen und Nor-• e wegen m Bern. Die von den Nazis mit penetran-ter Monotonie vorgetragenen ewig gleichen Be­schwerden über die Schweizer Presse leitete er oe­flissentlich nach Bern weiter und fand mit sei;en Empfehlungen, dt:n Redaktionen das Maul zu verbinden, in der Zentrale gelegentlich (nicht immer) willige Ohren.

Auf der politischen Generallinie

. Einige Beispiele mit dem Originalton Frö­h.chers mögen genügen. Am 2. Februar 1939 be­nchtete er über Hitlers Reichstagsrede und legte Wert auf die Hervorhebung des Satzes von Hitler, dass Deutschland glücklich sei, im Westen, Süden und Norden befriedete Grenzen zu besitzen. Der Gesandte fügte bei: «Es wäre wohl am Platze ge­wesen, wenn die <Neue Zürcher Zeitung> in ihren schwarzseherischen Kommentaren auch diese Stellen der Rede, die unser Land direk.1 betreffen, wenigstens erwähnt hätte.» Bundesrat Moua notierte hier an den Rand der Depesche Frö­Jichers: «Richtig!» Im Sommer 1940, als der NU-Korrespondent Reto Caratsch wegen eines

Tatsächlich lässt sich nach eingehender Lektüre des Bandes nichts finden, was zu einer aufsehen­erregenden Überarbeitung oder gar zur Revision des bisherigen Geschichtsbildes führen müsste. Die grossen Züge, wie sie erstmals Edgar Bonjour in seiner Geschichte der schweizerischen Neutra­lität umrissen hat oder wie sie jüngst Vi'illi Gaut­schi in seiner Guisan- Biographie in minuziöser Arbeit prüfend und wägend erneut aufzeigte, be­dürfen , wenn überhaupt, nur in marginalen Berei­chen einer Korrektur.

Die Schweizer Landesregierung von 1939/ 40 bestand zwar kaum aus den damals in Europa

von~oe1noranltiren ·NHcn'ten -tind 'ihren Mlfoetern laut gepriesenen heroisch-starken Männern mit unstillbarem Drang nach dem «vivere pericolosa­mente» . Es war ein Kollegium mit Mitgliedern unterschiedlichen politischen Kalibers und Tem­peramentes. Aber von der letztlich verfolgten Generallinie wich in diesen stürmischen 24 Monaten, in denen die Schweiz sich in der schwierigsten Situation seit Bestehen des Bundes­staates sah, der Bundesrat in den grossen Zügen keineswegs ab. Er suchte die Neutralitätspolitik angesichts der rasch wechselnden Umstände flexi­bel zu handhaben und die Schweiz aus dem Kon­flikt herauszuhalten, um der Bevölkerung die Schrecken und Leiden eines Krieges zu ersparen. Die Hauptsorge ging dahin, die Versorgung des rohstolTarmen Landes zu sichern, das keinen Zu­gang zum offenen Weltmeer hat. Zieht man unter diesem generellen Aspekt Bilanz, so hat die Schweizer Regierung - das bestätigt ein objektives Studium der Dokumente dieses Bandes - mit Er­folg agiert. Ohne Zweifel hatte sie Glück, aber kein erfolgreicher Politiker kommt ohne Fortune aus.

Hauptproblem Landesversorgung

Gerade im Bereich der Landesversorgung zeigte der Bundesrat beeindrnckende Weitsicht. Schon vor Kriegsausbruch wurden Verhandlun­gen geführt, vor allem auch mit den USA, um im Falle eines Krieges die Handelswege weiter offen halten zu können. Stärker noch als im Ersten Weltkrieg, aus dessen Erfahrungen die Lehren ge­zogen worden waren, zeigte es sich, dass Wirt­schaftspolitik und Neutralität im klassischen Sinne nur schwer auf einen Nenner zu bringen waren. Als der bewaffnete Konflikt im September 1939 ausbrach, war die dringlichste Aufgabe, die Bedrohung der schweizerischen Importe durch die von Grossbritannien und Frankreich sofort verhängte Blockade abzuwenden. In langwierigen und zähen Verhandlungen, in denen um die klein­sten Positionen gefeilscht werden musste, wurde

• Diplomatische Dokumente der Schweiz. 1848-1945. Vol­ume 13 (1939-1940). Prepari: ä rtnstitut d"histoi re de l'Ecole polytechnique federale de Zurich par Jean-Fran9ois Bergier et Andre Jäggi av~c la collaboration de Marc Perrenoud. Benteli· Verlag, Bern 1991.

schliesslich mit den Westmächten ein Abkommen missliebigen Berichtes ausgewiesen wurde, kom-mentierte Frölicber: «Am besten wäre es ge­

erreicht, welches der Schweiz eine Garantie für Wesen wenn Herr Caratsch von der <Neuen Zür-die Versorgung aus Übersee während der Dauer • eher Zeitung> scho~ Jäi:gstens zurü_ckg~zogen des Krieges zu garantieren schien. Die Verein- worden wäre ... Es ist kerne Notwendigkeit vom barung, das «Blockade-Abkommen», datiert vom schweizerischen Standpunkt, dass über Deutsch-25. April 1940. Nur 14 Tage später begann di e land unfreundlich berichtet wird , wie dies Herr deutsche Wehrmacht den Angriff im Westen. Caratsch seit Jahr und Tag getan hat. Im Gegen­überrollte innerhalb weniger Wochen Holland. teil es ist eine Existenzfrage für unser Land ge­Belgien und Luxemburg und zwang Frankreich wo~den dass freundlich berichtet wird ... » In die zur Kapitulation. Das bisher nichtkrieoführend c gleiche 'Kerbe hieb er wenig spä te~, als er nach Italien, das einen Hafen zur Löschung ~chweize- ·· b ht d Ch f d k rischer Güter zur Verfügung stellen sollte trat ä ll Bern schrieb, es ware ange rac ' ie e re a ·-Deutschlands Seite in den Konflikt ein. Das toren von «Bund» und NZZ w~rden sich nach • 01 1.n A A i-1. d . . einer für sie geeigneteren Tätigkeit umsehen.

'~Ui~\;.b.<:J.le,-~HC-0.ffitlJf'..'1» .. ~(lr - ani.1t rnr.:.iJ.:j L<:Ci -!-----gegenSfandSfOS geworden. Peinlich berührt auch der Bericht übe: ~ine

Neue Verhan~lungen wurden notwendig, um Unterredung mit dem deutschen Aussenmm1ster die Wege nach Ubersee wieder zu öffnen, die im Ribbentrop (der Frölicher nur sel~en empfing) v.on Mai und Juni 1940 zugegangen waren. Dass das Anfang Mai 1940, al_s.der Schweizer Gesa_ndte ms unumgänglich sei und die Schweiz sich nicht wirt- Auswärtige Amt z1t1ert wurde, um em~ Be­schaftlich einseitig nach dem siegreichen Deutsch- schwerde entgegenzu".ehmen: «Herr yon Ri?b~n­land ausrichten sollte, hat Bundesrat Minger in trop empfing mich mit todernster '."lle!1e, die ~eh einer Sitzung des Bundesrates ausgesprochen, dadurch aufzuheitern .suchte, dass ich ihm meine und zwar am 24. Juni 1940, kurz nach dem Zu- besten Wünsche zu seinem Geburtstag, den e'. am sammenbruch Frankreichs. Nüchtern stellte Min- Vortag feierte, vortrug.» In der ~ache, ~m die es ger laut dem im Band wiedergegebenen Protokoll gino die von den Deutschen mit massiven Dro­fest: «Wir sind in hohem Masse von Deutschland hu;gen erhobene Forde.rung, vo". der Akkreditie­abhängig und müssen Deutschland entgegen- runo eines neuen polnischen Diplomaten abzu­kommen, aber gleichwohl werden wir die Bezie- seh~n, machte. Frölicher sich die ~eutsche P?.si­hungen zu England nicht abbrechen können. Es tion zu eigen, indem er empfahl, sieb den W~n­ist nicht ausgeschlossen, dass der Krieg noch sehen Ribbentrops zu fügen. Glücklicherweise lange dauern wird. Selbst wenn England nieder- folgte d~s Politische Departement dem Rat Frö­gezwungen wird, wird der Krieg noch lange nicht Jicbers nicht. entschieden sein. England evakuiert alles nach Kanada. Was wird Deutschland mit England Die Gesandten in Rom und Paris machen, wenn sich die USA zu England gesel- Der Tonfall in .. s~iner . die Grenze.". -~w.ischen Jen ... ?» Es ist eine Stellungnahme, die wohl diplomatischer Hofüchkett und ~ervthtat. immer ebenso Beachtung verdient wie die unglückse\ioe wieder verwischenden Haltung ist bezeichnend Rede, die Bundesrat Pi/et am nächsten Tao üb~r für Frölicher. Sie .stic~t ab von den ~tellung­das Radio zum Scbweizervolk hielt. " nahmen des schwe1zenschen Vertreters m Rom,

Deutsche Pressionen

Mingers Votum gewinnt an Gewicht wenn man bedenkt, dass es in einem Augenblick er­folgte, da der Bundesrat sich von deutscher Seite schwersten Pressionen ausgesetzt sah. Auch der _Schweizer Gesandte in Berlin, Hans Frölicher suchte.(aus ~orge um un.ser Land, wie er behaup~ tete) die Regierung auf einen anpasserischen Kurs zu lenken und schlug die verwegensten Mass­nahmen vor, um I?eut~chland freundlich zu stim­men. Auch _wen.n m v1e.\en offiziellen Dokumen­ten Z~ghafügke1t und Angstlichkeit dominierten un~ d1~ Angst vor c_ler Zukunft mit Händen zu g~e1fen_ ist, wurden die Kontakte mit Grossbritan­men .. mcht. abgebrochen, gingen die Verhandlun­gen uber eme A~passung des «Blockade-Abkom­mens» vom Apnl 1940 an die neuen Gegebe h · ten mit London weiter. n et-

Weiter gingen auch d~.e Verhandlungen mit Deutschland, das sich wahrend der «dr61e de

Paul Ruegger, der von Aussenminister G.raf Ciano oft mit ähnlichen Anwürfen konfrontiert wurde, aber wesentli~h differe~zie~er und ta~­f sch geschickter reagierte. Schhesshch noch em ~ort zu Walter Stucki in Paris: Er war für seine vorgesetzten ein nicht im.~er bequ~mer, gelegent-1' h empfindlich und kritisch benchtender, aber 1; ts mit klarem Blick die Situation beurteilender ~ nn Stucki hatte es in Paris 1939/ 40 in man-

ha B. eziehung sicher einfacher als seine Kol-c er d R b d. D · · le en in Berlin u~ ?m, a er .ie on:manz se1-

g Persönlichkeit, die schon m BonJours Ge­ne~. hte der schweizerischen Neutralität ein­sdc ick voll geschildert wird, ist in jeder Zeile sei-ruc s .. ner Berichte zu spuren.

Berichte aus unmittelbarer Perspektive

·e diplomatischen Schriftstücke sind ~l s Di te zu nehmen die aus der Perspektive

Dokumen ' E' · t T oes heraus entstanden. m mteressan es de~ .a0

1 dafür ist die Frage der Aufnahme von Be1sp1e ~

diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion. Motta hat sich stets dagegen gewehrt, und auch Pilet setzte die Linie seines Vorgängers zunächst fort. Motive dafür gab es viele. Für den heutigen Leser erscheint es als bittere Groteske, dass am 11. August 1939 ein parlamentarischer Vorstoss zur Anerkennung Moskaus unter anderem mit der Begründung abgelehnt wurde, man dürfe «cer­tains voisins de Ja Confederatiorn> nicht unnötig reizen - geschrieben weniger als zwei Wochen vor dem Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes.

In der Phase unmittelbar vor Kriegsausbruch agierte der damals schon von Krankheit gezeich­nete Motta ohnehin wenig glücklich. Er hatte, da er offenbar davon überzeugt war, Hitler könne das Abenteuer eines Krieges nicht wagen, sich auf das Axiom festgelegt, dass der Friede wie 1938 in München auch dieses Mal in letzter Minute geret­tet werden könne. Daran hielt er bis in die letzten Stunden vor Kriegsausbruch fest. Wie sorglos, im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Vorbereitun­gen, in andern Bereichen gedacht wurde, zeigt auch das Protokoll einer Besprechung vom 3. September 1939 in Bern zwischen hohen Mili­tärs und Beamten des Politischen Departementes über das Thema Neutralität und Ll(ftkrieg. Die Sitzung begann kurz nach 16 Uhr. Seit 11 Uhr be­fand sich Grossbritannien wegen Hitlers Überfall auf Polen im Kriegszustand mit Deutschland. Frankreich erklärte an diesem Tage um 17 Uhr dem Deutschen Reich den Krieg. In der Bespre­chung in Bern standen zwei Fragen zur Diskus­sion, die beide die Neutralität der Schweiz in dem drohenden Luftkrieg über Europa betrafen. Zu­nächst wurde debattiert, ob eine sofortige Verdun­kelung des Landes angeordnet werden sollte, wie es die Kriegführenden bereits getan hatten. Die andere betraf den Schutz des schweizerischen Luftraumes und die Definition von dessen Höhe. Die Sitzung endete mit einem Doppel-Zero-Er­gebn is. Der Entscheid über die Verdunkelung wurde ausgesetzt, und der Chef der Flieger- und Flabtruppen. Oberstdi\·isionär Bandi, erklärte illusionslos, die Schweiz besitze die für eine über­all wirksame Fliegerabwehr notwendigen Artille­riemittel nicht . ..

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zu Recht darauf hinoewiesen, dass der Leser von heute den Vorteil hat zu wissen, wie die Ge­schichte weiter ging, während die Akteure der Jahre 1939 und 1940 ohne Kenntnis des Kom­menden handelten und berichteten. Jedes Urteil ist unter diese Prämisse zu stellen. Trotzdem las­sen sich Akzente setzen, wo es «Prevoyance» g~b und wer die Auoen vor vielen Tatsachen geflis­sentlich verschlo~s . Der 13. Band der «Diploma­tischen Dokumente der Schweiz» ist ein Werk, das manche Denkanstösse vermittelt. Es wird auf lan<>e hinaus eine der bedeutsamsten Quellen für die

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Darstelluno der Schweizer Geschichte bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und im span­nunosoeladenen Sommer 1940 sein. - Auf den 15. Ba~d über die Jahre 1943 bis 1945 soll später eingegangen werden. Alfred Cattani

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