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18 AlumniCampus NANO- UND QUANTENENGINEERING Seit Beginn des Computerzeit- alters wird die elektrische La- dung von Elektronen für die Informationsverarbeitung ge- nutzt. Viele Elektronen an einer Stelle entsprechen einer hohen Spannung (eins), weni- ge Elektronen einer niedrigen Spannung (null). Elektronen besitzen aber nicht nur eine elektrische Ladung, sondern auch einen Drehimpuls, den Spin. Er beschreibt anschau- lich die Drehung des Elektrons um seine eigene Achse. Das Elektron dreht sich mit kon- stanter Geschwindigkeit im oder gegen den Uhrzeigersinn. Die Quantenmechanik erlaubt, wenn der Spin gemessen wird, nur diese beiden Zustände. Das will eine zukünftige Spin- Elektronik nutzen: Nicht die Ladung, sondern die Drehrich- tung der Elektronen repräsen- tiert die Nullen und Einsen. Unverändert seit dem ersten programmierbaren Binärrech- ner von Konrad Zuse aus dem Jahr 1941 bedienen Computer sich des von Gottfried Wilhelm Leibniz etablierten Binärsys- tems aus Nullen und Einsen. Der Einsatz des Spins der Elek- tronen verspricht mehr. Der Elektronenspin ist ein äußerst stabiles quantenmechanisches System und kann nicht nur die Werte Null und Eins anneh- men, sondern auch eine belie- bige Überlagerung von Null und Eins. Der Spin kann also gleichzeitig Null und Eins sein – genau wie in dem berühmten Gedankenexperiment von Schrödinger die Katze gleich- zeitig lebend und tot sein kann. Der Spin von Elektronen ist damit ein vielversprechender Kandidat für zukünftige Quan- tencomputer. Diese Quanten- computer sollen Probleme be- rechnen, die herkömmlichen Computern auf Grund ihrer Komplexität für immer ver- schlossen bleiben werden. Computerprozessoren sind aus halbleitenden Materialien aufgebaut, da in diesen Ma- terialien die Elektronendichte sehr leicht eingestellt und ver- ändert werden kann. Eine zu- künftige Spin-Elektronik wird aus den gleichen Gründen wahrscheinlich ebenfalls auf Halbleitermaterialien basie- ren. Der Weg dorthin ist aber noch spannend und ungewiss, Im Gegensatz zur Halbleiter- elektronik nutzt das noch junge Forschungsgebiet der Spin-Elektronik nicht nur die elektrische Ladung von Elektronen, sondern ebenso deren Eigendrehimpuls zur Informationsdarstellung und –verarbeitung. Sie verspricht damit unter anderem die Entwicklung neuer Computer, die schneller und leistungs- fähiger sein können als herkömmliche. Wie die Spin-Elektronik für die Technologie dieser Quantencomputer eingesetzt werden kann, zeigen drei Wissenschaftler vom Institut für Festkörperphysik. Spin-Elektronik ODER WIE ICH LERNTE, DAS RAUSCHEN ZU LIEBEN Schrödingers Katze ist ein berühmtes Gedankenexperiment, das die Vorhersagen der Quantenmechanik für atomare Teilchen an- schaulich auf unsere alltägliche makroskopische Welt überträgt. Eine Katze sitzt in einer geschlossenen Kiste. In der Kiste befinden sich ein radioaktives Atom und Giftgas, das beim zufälligen radio- aktiven Zerfall des Atoms freigesetzt wird und die Katze tötet. Das radioaktive Atom befindet sich entsprechend der Quanten- mechanik nach einer gewissen Zeitspanne in einem Zustand, der aus der Überlagerung »zerfallen« und »nicht zerfallen« besteht. Entsprechend muss die Katze in einem Zustand sein, in dem sie gleichzeitig tot und lebendig ist. Erst wenn wir die Kiste öffnen und nachschauen (messen), kollabiert nach der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik der Überlagerungszustand. Erst der Messprozess macht aus einer Katze, die gleichzeitig tot und leben- dig ist, eine Katze, die eindeutig tot oder eindeutig lebendig ist. Dieses scheinbar paradoxe Verhalten in der Quantenmechanik wurde in zahlreichen Experimenten für atomare Teilchen bestätigt. 1

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A l u m n i C a m p u s N a N o - u N d Q u a N t e N e N g i N e e r i N g

Seit Beginn des Computerzeit-alters wird die elektrische La-dung von Elektronen für die Informationsverarbeitung ge-nutzt. Viele Elektronen an einer Stelle entsprechen einer hohen Spannung (eins), weni-ge Elektronen einer niedrigen Spannung (null). Elektronen besitzen aber nicht nur eine elektrische Ladung, sondern auch einen Drehimpuls, den Spin. Er beschreibt anschau-lich die Drehung des Elektrons um seine eigene Achse. Das Elektron dreht sich mit kon-stanter Geschwindigkeit im oder gegen den Uhrzeigersinn. Die Quantenmechanik erlaubt, wenn der Spin gemessen wird, nur diese beiden Zustände. Das will eine zukünftige Spin-Elektronik nutzen: Nicht die Ladung, sondern die Drehrich-tung der Elektronen repräsen-tiert die Nullen und Einsen.

Unverändert seit dem ersten programmierbaren Binärrech-ner von Konrad Zuse aus dem Jahr 1941 bedienen Computer sich des von Gottfried Wilhelm Leibniz etablierten Binärsys-tems aus Nullen und Einsen. Der Einsatz des Spins der Elek-tronen verspricht mehr. Der Elektronenspin ist ein äußerst stabiles quantenmechanisches System und kann nicht nur die Werte Null und Eins anneh-men, sondern auch eine belie-bige Überlagerung von Null und Eins. Der Spin kann also gleichzeitig Null und Eins sein – genau wie in dem berühmten

Gedankenexperiment von Schrödinger die Katze gleich-zeitig lebend und tot sein kann. Der Spin von Elek tro nen ist damit ein vielversprechender Kandidat für zukünftige Quan-tencomputer. Diese Quanten-computer sollen Pro bleme be-rechnen, die herkömmlichen Computern auf Grund ihrer Komplexität für immer ver-schlossen bleiben werden.

Computerprozessoren sind aus halbleitenden Materialien aufgebaut, da in diesen Ma-terialien die Elektronendichte sehr leicht eingestellt und ver-ändert werden kann. Eine zu-künftige Spin-Elektronik wird aus den gleichen Gründen wahrscheinlich ebenfalls auf Halbleitermaterialien basie-ren. Der Weg dorthin ist aber noch spannend und ungewiss,

im gegensatz zur Halbleiter-

elektronik nutzt das

noch junge Forschungsgebiet

der Spin-elektronik nicht nur

die elektrische Ladung von

elektronen, sondern ebenso

deren eigendrehimpuls zur

informationsdarstellung und

–verarbeitung. Sie verspricht

damit unter anderem die

entwicklung neuer Computer,

die schneller und leistungs-

fähiger sein können

als herkömmliche.

Wie die Spin-elektronik

für die technologie

dieser Quantencomputer

ein gesetzt werden kann,

zeigen drei Wissenschaftler vom

institut für Festkörperphysik.

Spin-elektronik

oder wie ich lernte, das rauschen zu lieben

Schrödingers Katze ist ein berühmtes Gedankenexperiment, das die Vorhersagen der Quantenmechanik für atomare Teilchen an­schau lich auf unsere alltägliche makroskopische Welt überträgt. Eine Katze sitzt in einer geschlossenen Kiste. In der Kiste befinden sich ein radioaktives Atom und Giftgas, das beim zufälligen radio­aktiven Zerfall des Atoms freigesetzt wird und die Katze tötet. Das radioaktive Atom befindet sich entsprechend der Quanten­mechanik nach einer gewissen Zeitspanne in einem Zustand, der aus der Überlagerung »zerfallen« und »nicht zerfallen« besteht. Ent sprechend muss die Katze in einem Zustand sein, in dem sie gleich zeitig tot und lebendig ist. Erst wenn wir die Kiste öffnen und nachschauen (messen), kollabiert nach der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik der Überlagerungszustand. Erst der Mess prozess macht aus einer Katze, die gleichzeitig tot und leben­dig ist, eine Katze, die eindeutig tot oder eindeutig lebendig ist. Dieses scheinbar paradoxe Verhalten in der Quantenmechanik wurde in zahlreichen Experimenten für atomare Teilchen bestätigt.

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F o r s c h u n G s s c h W E r p u n K T A l u m n i C a m p u s

da viele grundlegende Proble-me ungelöst sind. Schließlich muss der Elektronenspin zu-nächst in einen bekannten An-fangszustand gebracht (initi-alisiert), anschließend für die eigentlichen Rechenoperatio-nen gezielt manipuliert und letztendlich ausgelesen wer-den. Die dafür notwendige Grundlagenforschung wird gemeinsam von über 30 Ar-beitsgruppen aus Deutschland im Rahmen des DFG-Schwer-punktprogramms »Halbleiter-

Spintronik« erforscht. Wissen-schaftler des Instituts für Fest-körperphysik in Hannover koordinieren das Programm.

Während »konventionelle« Spin-Computer noch prinzi-piell einfach erscheinen, hält die Quantenmechanik für die Quanteninformationsverar-beitung eine reizvolle Hür-de parat. Das Messen eines

Quantenzustandes verän-dert grundsätzlich diesen Zu-stand. Eine bedeutende Fra-ge ist daher, wie der Spin von Elektronen in Halbleitern mit der geringsten möglichen Stö-rung gemessen werden kann. Eine Antwort darauf ist in der Quantenoptik zu finden, die so genannte Spinrauschspek-troskopie.

Stellen Sie sich vor, Sie wol-len einen ohmschen Wider-stand vermessen. Sie legen da-

für normalerweise eine Span-nung U an den Widerstand R an, messen den Strom I und berechnen den Widerstand nach dem ohmschen Gesetz R = U/I. Sehen Sie das Prob-lem? Der Strom in dem Wider-stand heizt den Widerstand auf und beeinflusst damit den Messwert. Bei Widerstands-messungen ist dies in der Re-gel kein Problem, bei quan-

tenmechanischen Messungen schon. Sie können den Wi-derstand aber auch störungs-freier messen, indem Sie das thermische Rauschen des Wi-derstandes beobachten. Freie Elektronen bewegen sich auch ohne angelegte Spannung auf-grund ihrer thermischen Ener-gie. Diese Bewegung ist zufäl-lig (stochastisch), so dass sich manchmal mehr und manch-mal weniger Elektronen an dem einen Ende des Wider-standes befinden als am an-deren Ende. Mehr oder we-niger Elektronen entsprechen einer positiven oder negativen elektrischen Spannung zwi-schen Eingang und Ausgang des Widerstandes. Diese Span-nung kann gemessen werden und sie ändert sich zeitlich aufgrund der thermischen Be-wegung der Elektronen. Die Spannung rauscht und die Stärke und die Frequenz die-ses Rauschen verrät viel über die Dynamik der Elektronen und den Wert des Widerstan-des. Sehr ähnlich verrät das Rauschen der Elektronenspins in Halbleitern die für quan-tenmechanische Bauelemente wichtige Dynamik der Spins.

Bei der Spinrauschspektrosko-pie wird keine Spannung ge-messen, sondern die Drehung der linearen Polarisation von Laserlicht. Halbleiter absor-bieren kein Licht, dessen Ener-gie kleiner gewählt ist als die Bandlücke des Halbleiters, so dass Lichtabsorption unser quantenmechanisches System nicht stört. Gleichzeitig hat je-des freie Elektron im Halblei-ter einen Spin mit einer zufäl-ligen Orientierung und jeder dieser Spins ändert den Bre-chungsindex des Halbleiters und dreht die Polarisation des Laserlichtes. Das Rauschen der Polarisationsrichtung ver-rät somit die Dynamik der sto-chastischen Spinorientierung der Elektronen bei gerings-ter möglicher Störung des Sys-tems. Keine Absorption, aber einen hohen Brechungsindex

Abbildung 1Schrödingers KatzenexperimentQuelle: Christian Schirm

Abbildung 2aKonventionelle Untersuchungs-methodenQuelle: Chris Hellyar – istockphoto.com

Abbildung 2bSpinrauschspektroskopieQuelle: Edyta Pawlowska – Fotolia.com

Konventionelle untersuchungsmethoden

Spinrauschspektroskopie 2b

2a

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A l u m n i C a m p u s N a N o - u N d Q u a N t e N e N g i N e e r i N g

dr. Jens HübnerJahrgang 1972, ist seit 2006 als wissenschaftlicher Mitar­beiter am Institut für Festkör­perphysik in der Lehre und Forschung tätig. seine For­schungsschwerpunkte sind die komplexe spin­Dynamik in halbleiternanostrukturen so­wie die Erforschung von be­kannten und neuartigen halb­leitermaterialien mittels ultra­kurzzeitspektroskopie. Kontakt: [email protected]­hannover.de

dr. georg MüllerJahrgang 1982, ist seit 2007 Mitarbeiter am Institut für Festkörperphysik und unter­sucht die Dynamik von Elek­tronenspins in halbleitern.

Prof. dr. Michael oestreichJahrgang 1965, lehrt seit 2000 am Institut für Festkörperphy­sik an der Leibniz universität hannover. seine Forschungs­schwerpunkte sind die spin­Elektronik in halbleitern, phy­sik der nanostrukturen und die ultrakurzzeitspektroskopie. Kontakt: [email protected]­hannover.de

kennen wir übrigens aus dem Alltag von unseren Brillenglä-sern, die transparent sind und gleichzeitig eine hohe Brech-kraft für Licht besitzen.

Die Methode der Spinrausch-spektroskopie wurde in Halb-leitern erstmals in Hanno-ver erfolgreich demonstriert, und zwar im Jahr 2005 an ei-nem Ensemble aus 50 Milliar-den Elektronen. Fortlaufende experimentelle Verbesserun-gen haben bereits im Jahr 2008

die Sensitivität auf 150 Elekt-ronenspins erhöht und in Kür-ze wird im Laboratorium für Nano- und Quantenenginee-ring der Nachweis einzelner Elektronenspins mittels Spin-rauschspektroskopie erwartet. Die Spinrauschspektroskopie dringt damit in die Welt der Nanostrukturen ein. Tricks aus der Kurzzeitspektroskopie er-möglichen zudem trotz lang-samer elektrischer Detektoren Messungen der Spindynamik im hohen Gigahertz-Bereich.

Wo wird uns die Spinrausch-spektroskopie in Zukunft hin-führen? Tiefenaufgelöste Expe-rimente haben im angewand-ten Bereich bereits gezeigt, dass die Spinrauschspektro-skopie im Prinzip zerstörungs-frei die Dotierung von Halb-leitern dreidimensional dar-stellen kann. Messungen der Spindynamik in verschiede-nen Halbleiternanostrukturen legen die Grundlagen für eine zukünftige Halbleiter-Spintro-nik. Im Rahmen eines BMBF-Projektes wird in Hannover mittels der Spinrauschspekt-

roskopie die Verschrän-kung zweier makroskopi-scher Spinen-semble unter-sucht. Diese Art der Ver-schränkung ist ein Grund-baustein für die so ge-nannte Quan-teninforma-tionsüber-tragung, die eine abhörsi-

chere Kommunikation sicher-stellen soll. Ob Spinrausch-spektroskopie auch in Silizium anwendbar ist, wird mithilfe des Instituts für Solarenergie-forschung in Hameln aktuell erforscht. Und ob Spinrausch-spektroskopie Bose-Einstein-Kondensation von Magnonen bei Raumtemperatur sichtbar machen kann, ist ebenfalls Teil der Forschung. Sicher ist nur, dass das Rauschen der Spins noch viele Geheimnisse ver-raten wird.

Abbildung 3Schematischer Aufbau einer Spinrauschmessung

Abbildung 4Ultrakurze Laserpulse erlauben Messungen wie mit einem Stro-boskop und machen die Spindy-namik von Elektronen auch bei höchsten Frequenzen sichtbar.

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