Sport und Militär von der Antike bis heute...

32
Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch 19141918 Von Terroristen ermordet ISSN 0940-4163 Heft 3/2019 Militärgeschichte im Bild: Läufer des paralympischen Marathons 2004 passieren die Statue von Pheidippides in Rafina. ZMS Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

Transcript of Sport und Militär von der Antike bis heute...

Page 1: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Sport und Militär von der Antike bis heute

Geschichte des Versehrtensportes

Kriegstagebuch 1914–1918

Von Terroristen ermordet

ISS

N 0

940-

4163

Hef

t 3/

2019

Militärgeschichte im Bild: Läufer des paralympischen Marathons 2004 passieren die Statue von Pheidippides in Rafina.

ZMSZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

Page 2: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Impressum

ServiceDas historische Stichwort:Mauerfall 22

Neue Medien 24

Lesetipps 26

Die historische Quelle 28

Geschichte kompakt 29

Ausstellungen 30

Inhalt

»Die Furchtbarste Stunde«Gustav Weißheit: Kriegstagebuch 1914‑1918

14

Hauptmann Janis Weißheit M.A., M.A.Krim., geb. 1984 in Neubrandenburg,

Kompaniechef 5./Jägerbataillon 91

»Schon das Spiel ist Kampf, Krieg im kleinen ...«Sport und Militär von der Antike bis heute

Dr. Peter Tauber, geb. 1974 in Frankfurt a.M., Parlamentarischer Staatssekretär bei

der Bundesministerin der Verteidigung

4

Oberstleutnant Dr. Dieter H. Kollmer, geb. 1964 in Hamburg, Forschungsprojektleiter»Geschichte der Bundeswehr« am ZMSBw

18Von Terroristen ermordetOberstleutnant Andreas Baron von Mirbach

10VersehrtensportZwischen Rehabilitation und Invictus Games

Dr. Berno Bahro, geb. 1977 in Eisenhüttenstadt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur

Trainings- und Bewegungswissenschaft der Universität Potsdam

Tobi

as K

och

MilitärgeschichteZeitschrift für historische Bildung

Herausgegebenvom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehrdurch Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann undOberst Dr. Frank Hagemann (V.i.S.d.P.)

Verantwortliche Redakteure der aktuellen Ausgabe:Cornelia Grosse M.A.Major Chris Helmecke M.A.

Redaktion: Cornelia Grosse M.A. (cg)Oberleutnant Helene Heldt M.A. (hh)Major Chris Helmecke M.A. (ch)Fregattenkapitän Dr. Christian Jentzsch (cj)Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp)Oberstleutnant Dr. Klaus Storkmann (ks)

Bildredaktion: Esther GeigerLektorat: Dr. Aleksandar-S. VuletićKarten: Dipl.-Ing. Bernd NogliLayout: Carola Klinke

Anschrift der Redaktion:Redaktion »Militärgeschichte«Zentrum für Militärgeschichte undSozialwissenschaften der BundeswehrPostfach 60 11 22, 14411 PotsdamE-Mail: [email protected]: www.zmsbw.de

Manuskripte für die Militärgeschichte werden an obige Anschrift erbeten. Für unverlangt ein-gesandte Manuskripte wird nicht gehaftet. Durch Annahme eines Manuskriptes erwirkt der He-rausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung, Übersetzung usw. Die Honorarabrechnung er-folgt jeweils nach Veröffentlichung. Die Redak-tion behält sich Änderungen von Beiträgen vor. Die Wiedergabe in Druckwerken oder Neuen Medien, auch auszugsweise, anderweitige Ver-vielfältigung sowie Übersetzung sind nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung erlaubt. Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte von in dieser Zeitschrift genannten Webseiten und deren Unterseiten.

Für das Jahresabonnement gilt aktuell ein Preis von 14,00 Euro inklusive Versandkosten (inner-halb Deutschlands). Die Hefte erscheinen in der Regel jeweils zum Ende eines Quartals. Die Kün-digungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende des Bezugszeitraumes. Ihre Bestellung richten Sie bitte an: Druckhaus Plagge GmbH An der Feuerwache 7, 49716 Meppen, E-Mail: [email protected]

© 2019 für alle Beiträge beimZentrum für Militärgeschichte undSozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)

Druck:Druckhaus Plagge GmbH, Meppen

ISSN 0940-4163

Page 3: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Sport macht Freude. Gemeinsame Anstren­gung verbindet Menschen und schützt die Gesundheit. All dies können Soldatinnen und Soldaten auch während der Dienstzeit im Rahmen der Ausbildung erleben.

Die Bundeswehr ist eine Einsatzarmee. Die physische, aber auch psychische Be­lastbarkeit der Soldatinnen und Soldaten sind von entscheidender Bedeutung für de­ren Einsatzbereitschaft. Körperliche Leis­tungsfähigkeit ist unverzichtbar, um den Anforderungen des Soldatenberufs gerecht zu werden. Wir nehmen dies ab dem ersten Diensttag in den Fokus und setzen auf ge­zieltes, lebenslanges Training!

Die Abteilung Ausbildung Streitkräfte in der Streitkräftebasis der Bundeswehr in Bonn ist die zentrale fachliche Stelle für alle

Fragen des Sportes. Hinzu kommt die Koordination der Beteiligung der Bun­deswehr an internationalen Militärsportwettkämpfen, vor allem unter der Leitung der Internationalen Militärsportvereinigung unter dem Motto »Freundschaft durch Sport«.

Ein weiteres bedeutendes Handlungsfeld ist die Förderung des Hochleis­tungssportes in Deutschland. Auf Grundlage eines Beschlusses des Deut­schen Bundestages von 1968 stellt die Bundeswehr als größter Förderer Deutschlands derzeit 744 Förderplätze in 15 Sportfördergruppen zur Verfü­gung und schafft somit beste Rahmenbedingungen für Athletinnen und Ath­leten, damit diese sich auf ihre sportliche Laufbahn konzentrieren können. Unsere Spitzensportlerinnen und Spitzensportler – vom Gefreiten bis zum Stabsfeldwebel – haben sich seit 1992 mit 601 Medaillen bei Olympischen Spielen, und damit 45 Prozent des Gesamterfolges, als herausragende Bot­schafter Deutschlands und der Bundeswehr bewiesen.

In diesem Sinn trägt die aktuelle Ausgabe der Militärgeschichte der beson­deren Verbindung von Sport und Militär in der Geschichte Rechnung und widmet sich im Speziellen auch der Entwicklung und Bedeutung des Ver­sehrtensportes.

Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz, in der Ausbildung oder unter anderen Umständen Schaden an Leib und Seele erlitten haben, verdienen un­sere besondere Fürsorge. Sport kann dabei wesentlich zur Rehabilitation bei­tragen. Seit 2014 bekommen einsatzgeschädigte, traumatisierte, verunfallte und behinderte Soldatinnen und Soldaten die Möglichkeit, bei den Invictus Games ihre Belange ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen und dar­über hinaus durch den Sport bei der Rehabilitation unterstützt zu werden.

Die Bundeswehr bietet ihren Soldatinnen und Soldaten ein breites Angebot an Möglichkeiten, ihre individuelle körperliche Leistungsfähigkeit zu erhal­ten und zu steigern. Sport nutzt dabei sowohl dem Einzelnen als auch der Truppe als Ganzes; alles mit dem Ziel: einsatzbereite Kräfte für die vielfälti­gen Aufträge der Bundeswehr bereitzustellen.

Ihr

Georg KleinBrigadegeneralAbteilungsleiter Ausbildung Streitkräfte im Kommando Streitkräftebasis

Grußwort

Militärgeschichte im BildMarathon – Schlachtmythos und moderner Sportwettkampf 31

Die blinden Läufer Yuichi Takahashi und Fabrizio Cocchi mit ihren Helfern beim Marathon wäh-rend der Paralympics in Athen 2004. Beide lau-fen durch den Hafen von Rafina an der Statue des Pheidippides vorbei. Takahashi wird die Goldmedaille gewinnen. Auf Pheidippides geht der Entstehungsmythos des Marathons zurück. Pheidippides war ein Tagesläufer (Hemerodro-mos), der der Legende nach, während der Schlacht von Marathon zwischen den Griechen und den Persern 490  v. Chr., von Marathon nach Sparta und zurückgelaufen sein soll, um Unter-stützung gegen die Perser zu holen. Foto: picture alliance/AP Photo

Page 4: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Heute wird der Sport oft mit der Idee der Völkerverständigung und des friedlichen Wettstreits

in Verbindung gebracht. Man betont den Gedanken des Fair Play und seine pädagogische Kraft für ein friedliches Miteinander, für Toleranz und Integra­tion. Angesichts der politischen, gesell­schaftlichen und ökonomischen Be­deutung des Sportes wird dabei aber gerne ausgeblendet, wie eng Sport und Militär in der Geschichte miteinander verbunden waren und bis heute sind. Nähern wir uns einer Verbindung, die bis in die Antike zurückreicht.

Körperliche Leistungsfähigkeit in der Antike

Die Olympischen Spiele der Antike waren kein Friedensfest, sondern ein religiöses Fest zu Ehren des obersten griechischen Gottes Zeus. Sie sollten nicht Frieden stiften und Feindschaften beenden. Vielmehr war der verkündete olympische Friede lediglich ein zeitlich und örtlich begrenzter »Festfrieden«, sodass die Krieger verschiedener grie­chischer Staaten unbehelligt zu den Spielen gelangen konnten, um die Wettkämpfe friedlich auszutragen. Die

Spiele der Antike als Stilisierung des wehrhaften griechischen Athleten kommen der Wahrheit also sehr viel näher als die Legende des friedlichen Völkerfestes, wie sie die moderne olympische Sportbewegung, begrün­det am Ende des 19. Jahrhunderts durch Pierre de Coubertin, erzählt.

Die Frage der Einsatzbereitschaft von Soldaten war von jeher also nicht nur geprägt von den Fähigkeiten im Um­gang mit Waffen und Kriegstechnik, sondern mindestens ebenso sehr von körperlicher Belastbarkeit und einem anerzogenen Willen zum Kampf.

5�Die Deutsche Meisterin im Modernen Fünfkampf: Annika Schleu beim Springreiten, 4. August 2019

»Schon das Spiel ist Kampf, Krieg im kleinen ...«

Sport und Militär von der Antike bis heuteBu

ndes

weh

r/Sc

helle

r

Sport und Militär

4 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Page 5: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Demokratie, aber auch soziale Forde­rungen auf dem Banner der Turnbewe­gung. So wurden die Turner zu einem Träger der 1848er Revolution. Voraus­gegangen war eine Phase der Diffamie­rung, die auch die Einbeziehung des Turnens in die militärische Ausbildung diskreditierte. Die Notwendigkeit ei­ner körperlichen Erziehung der Solda­ten war aber nicht zu leugnen und so wurden gymnastische Übungen im­mer mehr in den Ausbildungsbetrieb integriert.

Als die Turner ab den 1860er Jahren wieder neuen Zulauf fanden, begann sich zeitgleich die Gesellschaft durch die Industrialisierung zu verändern. Durch die Hinwendung zur National­bewegung unter Verzicht auf ihre frei­heitlichen Ursprünge wurde das Tur­nen nun endgültig im Militär akzeptiert. So schien das Turnen wie sonst kein Ausbildungskonzept geeignet, die Re­kruten körperlich auf die Anforde­rungen des Soldatenhandwerks vorzu­bereiten. Die Armee und dann im Kaiserreich vor allem die Marine nah­men turnerische Übungen nun in den Dienstbetrieb auf.

Sinnbild eines idealisierten und über­höhten Kriegertums waren und sind bis heute die Spartaner. Ausdruck fand dies auch in dem Film »300« aus 2007, der den Opfertod 300 spartanischer Krieger unter Führung ihres Königs Leoni das gegen eine persische Über­macht in der Schlacht an den Thermo­pylen thematisiert. Eine körperliche Erziehung zur Härte und eine Willens­bildung, dargeboten in einer imposan­ten und martialischen Bildsprache, ge­hen der Schlacht im Film voraus und verarbeiten so den historischen Stoff. Da die spartanischen Krieger ihre Waf­fen beherrschen und körperlich gut trainiert sind, scheinen sie unüber­windbar. Ihre Niederlage gründet dann auch auf Verrat.

Es wäre verfehlt, dieses Ethos im anti­ken Griechenland ausschließlich Sparta zuzuschreiben und diesem Bild die friedliebenden und nach geistiger Bil­dung strebenden anderen griechischen Stadtstaaten gegenüberzustellen. Der griechische Philosoph Flavius Philo­stra tos erinnerte ganz allgemein an den militärischen Zweck der athletischen Erziehung: Die Menschen hätten »die Wettkampfspiele als eine Übung für den Krieg und den Krieg als eine Übung für den Wettkampf« angesehen.

Wer meint, dass davon heute nichts mehr übrig ist, der täuscht sich. Wir »feiern« das griechische Kriegertum heute noch regelmäßig – ohne dass es uns bewusst ist: Als die Griechen ent­gegen aller Erwartungen 490 v.Chr. ein ihnen vielfach überlegenes persisches Heer besiegten, entstand der Mythos, demzufolge Pheidippides von Mara­thon nach Athen gelaufen sei, um die Siegesbotschaft zu überbringen. Heute ist der Marathonlauf wohl einer der wichtigsten Wettkämpfe der Olympi­schen Spiele, der Berlin­Marathon ist ein Volksfest und für jeden Marathon­läufer ist die Überwindung der 42,195 Kilometer ein Wettkampf gegen sich selbst – ins Ziel kommen, ist die Siegesbotschaft (Siehe Militärge­schichte im Bild, S. 32).

Für lange Zeit war nach der Antike die körperliche Leistungsfähigkeit der Soldaten kein relevantes Thema. Die Ritterturniere des Mittelalters allein unter dem Gesichtspunkt der körperli­chen Erziehung zu subsumieren, greift deutlich zu kurz. Ihre Bedeutung ging weit darüber hinaus. Und die Landsknechtheere der frühen Neuzeit kannten keinen »Dienstsport«. Erst im Zeitalter des Absolutismus mit seinen

stehenden Heeren ergab sich die Not­wendigkeit, Ausbildung und Erzie­hung der Soldaten umfassender zu denken und nicht nur auf das Waffen­handwerk zu reduzieren.

Drill, Disziplin und Turnen

So waren zwar in Preußen laute Klagen zu hören, dass die Jugend nicht mehr wehrhaft sei. Doch noch in der Armee des »Alten Fritz« im 18. Jahrhundert waren Turnen und Sport gänzlich un­bekannt. Der Drill in der Handhabung der Waffen, Disziplin und Gehorsam standen im Vordergrund. Nur langsam gab es erste zaghafte Versuche, gym­nastische Übungen in den Ausbil­dungsbetrieb einzubeziehen. Und erst die schmachvolle Niederlage Preußens gegen Napoleon 1806 führte zu einem Umdenken. Gründeten sich Disziplin und Gehorsam bisher auf ein System teilweise drakonischer Strafen, so trachtete man nun danach, die Kampf­kraft der Soldaten nicht nur körperlich, sondern durch eine »sittliche Erzie­hung« zu verbessern. In Deutschland entwickelte sich das Turnen, das von Beginn an eine klare militärische Aus­richtung hatte.

So entstand eine Tradition, die körper­liche und mentale Erziehung mit ein­ander verband. Als Friedrich Ludwig Jahn sein Erziehungskonzept des Tur­nens 1811 in der Berliner Hasenheide mit der Eröffnung des ersten Turnplat­zes der Öffentlichkeit präsentierte, wur­den Forderungen laut, Turnen und Gymnastik zum festen Bestandteil der militärischen Ausbildung zu machen.

Die Turner waren freiheitlich und na­tional gesonnen. Der Gedanke der Wehrerziehung fiel bei ihnen auf fruchtbaren Boden. Die körperliche Er­ziehung zur Disziplin, zur Harmonie der Bewegungsabläufe, zur Selbstbe­herrschung – des Körpers, aber auch des Geistes – entsprachen den Anforde­rungen an die Soldaten der entstehen­den Volksheere. Die Turnbewegung be­ließ es aber nicht bei den kör per lichen Übungen. Vorträge, das Singen und die Vermittlung von Werten waren fester Bestandteil der turnerischen Erziehung. In den Freiheitskriegen (1813‑1815) ge­gen die na po leo nische Herrschaft in Deutschland kämpften viele Turner in den Freiwilligen verbänden, etwa im berühmten Lützower Freikorps.

Das Turnen war wie später der mo­derne Sport politisch. Neben der Ein­heit der Nation standen Freiheit und

5�Turnen und Sport als Mittel zur Heran-bildung eines wehrfähigen Nach-wuchses, Postkarte des Mainzer Turn-vereins, 1918

Archiv des Mainzer Turnvereins 1817

5Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Page 6: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Die moderne olympische Sportbewegung

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahr­hundert brachten britische Studenten, Handlungsreisende und Touristen die »english sports« mit nach Deutsch­land. In Bad Homburg spielten Kur­gäste Tennis, an den Universitäten ent­standen Rudervereine und die Schüler der Gymnasien lernten den Fußball kennen und lieben.

Nach der Wiedergeburt der Olympi­schen Spiele durch Pierre de Coubertin 1896 entwickelte sich ein Wertekanon, der auf den ersten Blick Sport und Krieg voneinander trennte. Coubertins Ideenwelt verknüpfte die sportlichen Wettkämpfe vielmehr mit politischen Botschaften. Die Idee der Internationa­lität und der Friedenserziehung nah­men bei ihm breiten Raum ein. Die Presse griff das auf und betitelte die modernen Olympischen Spiele als »Friedensfest«. Doch ganz so eindeu­tig, wie man heute in der offiziellen Geschichtsschreibung des Internatio­nalen Olympischen Komitees (IOC) formuliert, war auch diese Bezeich­nung nicht. Neben der martialischen Inszenierung des Körpers bei den 1936, unter nationalsozialistischer Herr­schaft durchgeführten Olympischen Spielen in Berlin konnte sich die olym­pische Idee Coubertins bis heute nicht

der politischen und kommerziellen In­strumentalisierung erwehren.

Anknüpfungen an das Militärische waren zudem schon sprachlich vor­handen, etwa wenn weiter vom Wett­streit der Völker die Rede war. Bis in die Regelübersetzung hinein bemühte man die Sprache des Militärs. Beson­ders deutlich wird dies beim Fußball, wenn wir bis heute von Angriff, Sturm, Verteidigung, Strafstoß und Flanke sprechen. Beispielhaft ist für die Wett­kämpfe der Moderne Fünfkampf zu nennen, der erstmals 1912 auf dem olympischen Programm stand. Er um­fasst wesentliche Elemente militäri­scher Ausbildung vom Schießen über das Fechten, Schwimmen und Reiten bis hin zum Geländelauf. Angelehnt wurde dieser an den antiken Pentath­lon, der aus den Disziplinen Kurzstre­ckenlauf, Weitsprung, Speerwurf, Dis­kurswurf und Ringkampf bestand.

Die Werte des modernen Sportes ent­sprachen dabei militärischen Bedürf­nissen: Das Messen von Leistungen, die Leistungssteigerung, aber auch das Einüben von Regeln und Normen in­klusive des Fair Play waren nicht nur Abbilder der modernen Industriege­sellschaft, sondern auch des modernen Militärs, das deshalb den Sport nach und nach adaptierte. Der erwähnte Moderne Fünfkampf wurde beispiels­weise von Offizieren ausgeübt. Im Ur­

sprung dieser Sportart spiegelt sich die nationale Stimmung der Zeit und der hohe Stellenwert des Militärs in allen europäischen Gesellschaften. Für Deutschland formulierte der Sport­funktionär Carl Diem, dass der Mo­derne Fünfkampf den »militärischen Geist« atme und man in den fünf Diszi­plinen »den vollkommenen Soldaten der modernen Zeit« sehen könne.

Der Kaiser turnt und die Armee spielt

Kaiser Wilhelm II. wusste sich eben­falls sportlich in Szene zu setzen. Nicht nur bei Autorennen und beim Tennis, den ganz modernen Sportarten, waren er und seine Familie zu sehen. Auch das Turnen an Deck seiner Yacht »Ho­henzollern«, das er selbst leitete, wurde im Bild festgehalten und fand den Weg in die Presse. Die 1868 als Dachver­band der bürgerlichen Turnvereine ge­gründete Deutsche Turnerschaft ver­körperte denn auch im wahrsten Sinne des Wortes das Idealbild eines zur Ge­meinschaft erzogenen Volkes.

Aufgrund der Rüstungsbestrebun­gen des Kaiserreichs war der Bedarf an jungen und gut ausgebildeten Soldaten groß. Zugleich gab es wiederkehrende Debatten über den gesundheitlichen und körperlichen Zustand der Rekru­ten, der als mangelhaft beschrieben wurde. Turnen und Sport versprachen hier Abhilfe zu schaffen. Ziel war es, die jungen Männer fit zu machen, be­vor sie als Rekruten auf dem Kasernen­hof standen. Der Zentralausschuss für Volks­ und Jugendspiele hatte kein sportliches Spiel nach heutigem Ver­ständnis im Sinn, wenn er forderte, das Spielen in die schulische Erziehung zu integrieren. Vielmehr dachte er dabei an Kriegsspiele, bei denen zwei größere Parteien gegeneinander antraten und deren Sinn und Zweck es war, »auf die Kräftigung der Gesundheit, auf die Schärfung der Sinnesorgane, auf ange­messene Abhärtung gegen Witterungs­einflüsse und auf die Kräftigung der Muskulatur« abzuzielen.

Offenkundig war der Erfolg solcher Bestrebungen gering. Zeitgenössische Autoren führten laute Klage, welche »recht curiosen Anblicke« die Rekru­ten zunächst bieten würden. Ein uner­träglicher Zustand, der abzustellen sei: »Jeder bildet sich aber ein, er steht sehr gerade und sieht sehr schön aus, ein Irrtum, über welchen ihn die nächsten Wochen gründlich aufklären.« Die

5 Matrosen turnen in Wilhelmshaven auf dem Deck eines Linienschiffes der Kaiser-lichen Marine, März 1916.

Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

Sport und Militär

6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Page 7: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

zeitgenössische Pädagogik sann mit­tels des Turnens und des Sportes auf Abhilfe. Vor allem die körperliche Er­ziehung in der Schule geriet so in den Blick des Militärs. Durch eine »harmo­nische Ausbildung der geistigen und körperlichen Kräfte dem Vaterlande tüchtige Söhne zu erziehen,« müsse das Ziel sein, so die Armee.

Mit der Königlichen Central­Turn­ Anstalt hatte die Armee zudem inzwi­schen eine Institution geschaffen, in der mehr als 200 Offiziere jährlich das notwendige Rüstzeug vermittelt beka­men, um die Rekruten körperlich fernab des üblichen Drills zu erziehen. So fand der Sport langsam Verbreitung in den Streitkräften.

Neben der Schule waren es dann vor allem die Turn­ und Sportvereine, die sich der körperlichen Erziehung der vor allem männlichen Jugend widme­ten. Um die Jahrhundertwende begann der Sport immer mehr Menschen in seinen Bann zu ziehen. Die Gründung des Deutschen Fußball­Bundes im Jahr 1900 war ein Meilenstein auf dem Weg zur Etablierung des modernen Sportes in Deutschland. Die bereits erwähnten Olympischen Spiele trugen das Ihrige dazu bei. Seit 1908 ist Fußball auch eine olympische Disziplin und vor Beginn des Ersten Weltkrieges kam es erstmals zur Austragung von deutschen Ar­mee­Meisterschaften.

Folglich fand der Sport auch in den Vorschriften Erwähnung: In der »An­leitung für den Betrieb des Turnens und der Spiele in der Armee« aus dem Jahre 1910 forderte der Autor Ober­leutnant Walter Busolt, dass »an die Stelle des Exerziermäßigen beim Tur­nen das Sportmäßige« betont werden müsse. Bis zur Etablierung des Sportes im Ausbildungsbetrieb der Streitkräfte sollte es aber noch dauern.

Fußballsport und Erster Weltkrieg

Ob in der britischen Kriegsgefangen­schaft, bei der Truppenbetreuung hin­ter der Front oder in der Ausbildung: Während des Ersten Weltkrieges ent­deckten die deutschen Soldaten den Sport und hier vor allem den Fußball für sich. Hatten die Einheiten zu Be­ginn des Stellungskrieges im Westen noch Turnfeste in der Etappe organi­

siert, stand bald das runde Leder im Mittelpunkt. Entlang der Westfront entstand sogar ein regulärer Ligabe­trieb und auch an der Ostfront sowie in der Heimat spielte man Fußball. Das Turnen wurde nun regelrecht durch den Sport verdrängt. Der Fußball machte einfach viel mehr Spaß und war viel besser als die disziplinierenden turnerischen Freiübungen geeignet, sich vom Kriegsalltag zu erholen.

Der moderne »englische« Sport setzte sich so bereits vor Ende des Ers­ten Weltkrieges gegen das »deutsche« Turnen durch. Man kann sagen, dass Deutschland den Krieg auf dem Gebiet der Körperkultur bereits 1916 verlor. Die Soldaten wollten Fußball spielen und nicht turnen.

Im Laufe des Krieges entdeckte auch die militärische Führung den Wert des Spiels. Man sah im Fußball viel eher als in den starren körperlichen Übungen des Turnens ein Abbild des sich wan­delnden Kriegsbildes. Die Fußball­mannschaft wurde als spielerisches Äquivalent zum infanteristischen Stoß­trupp beschrieben. In der Kriegsgefan­genschaft hatten die deutschen Solda­ten ebenfalls die Möglichkeit, Sport zu treiben. Gerade in britischem Gewahr­sam wurde Fußball gespielt und selbst Tennisplätze standen den Gefangenen mancherorts zur Verfügung. Für Ge­fangene war die körperliche Ertüchti­gung nicht nur Ablenkung von der monotonen Kriegsgefangenschaft, son­dern auch ein wichtiger Aspekt der ei­genen Selbstlegitimation. Nachdem

man untätig den weiteren Kriegsver­lauf verfolgen musste, konnte man durch den Sport die eigene Einsatzbe­reitschaft aufrechterhalten, um – so wurde es artikuliert – dann nach der Rückkehr in die Heimat weiter am Wohle des Vaterlandes mitzuwirken.

Aber nicht alle Soldaten konnten un­versehrt Sport treiben. In der Heimat und in den Lazaretten wurden erst­mals gymnastische Übungen gezielt genutzt, um die Genesung der ver­wundeten Soldaten zu unterstützen. Ziel unserer Perspektive heute ist der einzelne Soldat. Damals ging es darum – nicht nur aufgrund der hohen Zahl von rund zwei Millionen Kriegsver­sehrten –, ein möglichst hohes Maß an Arbeitsfähigkeit und Produktivität zu erreichen. In den Lazaretten wurden dazu Übungsgruppen eingerichtet.

Nationalsozialismus und Körperkult

Im »Dritten Reich« fiel die Instrumen­talisierung des Sportes für militärische Zwecke auf fruchtbaren Boden. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem Verbot der Wehrpflicht im Versailler Vertrag hatten die Turn­ und Sportverbände nur zu bereitwillig ihr Tun als Ersatz für eben diese Wehr­pflicht angeboten. Nach 1933 stellte sich der organisierte Sport in einer Form der »Selbstgleichschaltung« un­vermittelt in den Dienst der neuen Machthaber.

Österreichische Soldaten beim Fußball-spielen dicht hinter der Front während des Ersten Weltkrieges, 1916

Sche

rl/S

üdde

utsc

he Z

eitu

ng P

hoto

7Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Page 8: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Die NS­Machthaber machten sich da­bei die Sportbegeisterung der Weima­rer Republik zunutze. Nicht nur bei den Olympischen Sommerspielen 1936, sondern auch beim Deutschen Turn­ und Sportfest 1938 in Breslau vermittelten die Nazis ihre Vorstellung eines »homogenen Volkskörpers«. Da­bei berief man sich auf ein vermeintlich antikes Vorbild: »Wie einst das Volk der Griechen in den Olympischen Spielen ein Nationalfest sah, so sollte jetzt ein deutsches Nationalfest ge­schaffen werden.« Und die Parole der Leibesübungen müsse »kraftvoll und opferbereit« sein.

Demzufolge galt die sportliche Erzie­hung in der neu aufgebauten Wehr­macht einem klaren Ziel: »So bildet die sportliche Ausbildung die Grundlage für den Waffendienst und die Erzie­hung zum nerven­ und willensstarken Kämpfer. Denn nicht die Kriegsma­schine, sondern die Nerven des Man­nes dahinter sind das Entscheidenste«, hieß es in der Schrift »Körperschule in der deutschen Wehrmacht«, von Chris­tian Strauch, Heeressportlehrer an der Heeressportschule in Wünsdorf. Die in der nationalsozialistischen Erziehung völlig überhöhte Bedeutung des Wil­lens als kampfentscheidendes Momen­tum wurde so auf die Sportausbildung übertragen. Die Vorschrift war ein Rückschritt, denn Sport im eigentli­chen Sinne, auch beliebte Sportarten

wie Fußball, kam hierin nicht mehr vor. Stattdessen wurden wieder das klassische Bodenturnen, gymnastische Übungen und diverse Ballspiele pro­pagiert, um den »ungelenken Rekruten locker und geschmeidig« zu machen.

Wehrsport in der DDR

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrie­ges bildete sich in den zwei deutschen Systemen ein unterschiedlicher Um­gang mit Sport heraus.

In der DDR blieb es nicht bei der sportlichen Ausbildung der Soldaten im Rahmen des Dienstplanes. Im Brei­

tensport war die Armee mit der sogenannten Ar mee sport ver eini­gung Vorwärts (ASV) durch in den einzelnen Garnisonsstädten ge­gründete lokale Armee­sportgemeinschaften und ­klubs präsent. Die ASV war darüber hin­aus Mitglied im Dach­verband des Sportes in der DDR und beteiligte sich ebenfalls am Leis­tungssportsystem der DDR, das erhebliche volkswirtschaftliche Kräfte band. Die sport­lichen Leistungen soll­ten die Überlegenheit des sozialistischen Sys­tems belegen. Dass das »Sportwunder« der kleinen DDR teuer er­

kauft wurde und teil­weise auch auf instituti­onalisiertem Doping

beruhte, offenbarte sich der Öffentlich­keit erst nach dem Mauerfall.

Anders als in der Bundesrepublik entwickelte die DDR ein System, in dem der Sport offen für die Wehrhaft­machung der gesamten Gesellschaft instrumentalisiert wurde. Mit der Ge­sellschaft für Sport und Technik (GST), in der bestimmte Sportarten von den Schützen über den Motorsport bis hin zum Fallschirmsport und dem Tauch­sport organisatorisch zusammenge­fasst waren, verfügte das Regime zu­sätzlich über ein Instrument zur Absicherung der eigenen Herrschaft. Ganz offen wurde nicht nur in der GST der Sport als Instrument der Kriegs­vorbereitung benannt. Der Wehrsport war in der Theorie dabei nicht nur eine Variante des Sportes, sondern wurde

vielmehr zur »höchsten Form des Sportes« erklärt. Damit war der Sport in der DDR ein Abbild und wesentli­ches Herrschaftsinstrument der sozia­listischen Diktatur zugleich.

Die Bundeswehr zwischen Sportförderung und militärischer Ausbildung

In der Bundeswehr war Sport von Be­ginn an Bestandteil der Ausbildung. Sportwissenschaftler und Pädagogen wandten sich der Frage zu, welche Sportarten geeignet waren und wie die Soldaten zum »außerdienstlichen Sport« animiert werden könnten. Auch hier galt der Anspruch, nicht alleine den Körper auszubilden. Ganz explizit ging es um »die Erziehung des Men­schen in seiner leiblich­seelisch­geisti­gen Ganzheit zu einer charakterlich sauberen, lebenstüchtigen und wert­vollen Persönlichkeit innerhalb einer Gemeinschaft«, wie es im »Sportbuch für die Bundeswehr« hieß.

Die Ausbilder erhielten »Lehrwinke« für ihre Aufgabe. Das war offensicht­lich notwendig, denn im Sport sollte der übliche Kasernenhofton, der sich vielerorts nicht wesentlich von dem unterschied, was sich die Rekruten im Krieg hatten anhören dürfen, außen vorbleiben.

Die damalige Zielsetzung war durch­aus modern und unterschied sich nicht von den Vorgaben der heutigen Sport­ausbildung. Jeder Rekrut habe ein Recht darauf, so konnte man es im Sportbuch nachlesen, die Grenzen ge­sunder Leistung erlebt zu haben. Das Heranführen an die persönliche Höchstleistung war das Ziel. Gedan­ken der Inneren Führung, die durch­aus dem modernen Sport entsprechen, fanden Ausdruck im entscheidenden Lehrwink für die Ausbilder: »Denken Sie immer daran, dass Ihnen junge Sol­daten anvertraut sind. Sie haben deren Eltern und unserem Volk gegenüber die Pflicht, sie nach bestem Gewissen körperlich und charakterlich auszubil­den. Dabei müssen alle einengenden Maßnahmen, die der Entwicklung zur Persönlichkeit hinderlich sind, vermie­den werden.«

Vieles, was heute (wieder) gängige Praxis ist, war damals schon bekannt: »Psychologisch gesehen wäre es auf die Dauer unklug, Rekruten von zu großem unterschiedlichem Können in einen Topf werfen zu wollen. Dem gu­ten Sportler würde bald die Lust verge­

5 Segelflugzeugausbildung der Gesellschaft für Sport und Technik, 1980

Uwe Gerig/Süddeutsche Zeitung Photo

Sport und Militär

8 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Page 9: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

und Soldatinnen. Er steht in enger Wechselbezie­hung zum Sport in der Ge­sellschaft, ist mit dessen Strukturen sinnvoll ver­knüpft.« Und »Sport in der Bundeswehr kann und darf daher durch keinen anderen Dienst ersetzt werden!« Die Soldatinnen und Soldaten sind ange­halten, mindestens zwei Mal 90 Minuten pro Woche Sport zu machen, und von diesen Vorgaben darf »nur aus zwingenden dienstli­chen Gründen und nach Entscheidung des bzw. der nächsthöheren Diszipli­narvorgesetzten« abgewi­

chen werden. Allerdings muss offen­bleiben, inwieweit dieser Vorschrift gefolgt wird.

Für viele Verwendungen reicht auch das derzeit vorgeschriebene Sportpro­gramm nicht aus. Zudem gibt es im­mer wieder neue Trends. Einer der jüngsten ist Military Fitness. Diese ver­bindet klassisches Ausdauer­ und Krafttraining mit einem hohen Maß an Intensität. Bücher wie »Trainiere wie ein Kampfschwimmer« oder »In acht Wochen Seal fit« werden nicht nur von Soldaten gekauft und als Trainings­grundlage genutzt. In der Bundeswehr gibt es an der Sportschule in Waren­dorf inzwischen einen entsprechenden Lehrgang für Ausbilder in Military Fit­ness. Diesen Trend hat die Bundes­wehr schnell aufgegriffen.

Aber auch dem Schicksal derjenigen, die im Dienst für die Nation ihre Ge­sundheit bereits eingebüßt haben, wid­met die Bundeswehr ihre Aufmerksam­keit. Deutschlands aktuelle Bewerbung um die Ausrichtung der Invictus Games 2022 folgt diesem Ziel. Es wäre wohl das erste Mal, dass die deutsche Ge­sellschaft, diesen Menschen die ver­diente Aufmerksamkeit und Wert­schätzung schenkt, die sie verdienen. Die Politik hat für diese Soldaten zwar viel verbessert, aber es bleibt immer noch genug zu tun, will man den Ve­teranen, gerade den Einsatzversehrten und Invaliden die verdiente ideelle und materielle Wertschätzung zuteil werden lassen. Die Invictus Games sind hier eine neue Entwicklung, die die Verbindung von Militär und Sport neu prägt.

hen, wenn er immer mit den Schwa­chen in einer Gruppe üben und spielen müsste. Für ihn würde kaum noch die Möglichkeit bestehen, seine Leistun­gen zu steigern. Sein gesunder Ehrgeiz würde gedrosselt.« Was damals galt, ist heute wieder Grundlage für den Sport in der Truppe: Leistungsgruppen sind fester Bestandteil des neuen Grundausbildungskonzeptes.

Was muss ein Soldat heute können?

Der Sport als wichtiges Ausbildungs­element der Streitkräfte ist heute unum stritten. Das Militär muss dabei allerdings auf gesellschaftliche Ent­wicklungen reagieren. Aufgrund der sinkenden körperlichen Robustheit der jungen Generation hat die Bundeswehr im Heer ein neues Konzept für die Grundausbildung erprobt, bei dem die Rekruten zunächst mittels des Sportes die notwendige körperliche Fitness aufbauen, die sie für den Soldatenberuf brauchen. Der Versuch in Hage now war so erfolgreich, dass er jetzt flächen­deckend umgesetzt wird. Das be deutet nicht nur, dass sich die Vermitt lung der militärischen Fähigkeiten von der Grundausbildung in die Stammeinhei­ten verlagert, sondern auch, dass für die Zeit danach weitere An strengungen nötig sind, um Soldaten fit und damit auch einsatzbereit zu halten.

In der entsprechenden Vorschrift zum Sport in der Bundeswehr ist klar definiert, worum es geht. Der Sport »ist ein wichtiger Bestandteil der Erzie­hung und Ausbildung der Soldaten

Sport und Militär werden auch in Zukunft in einem gegenseitigen Span­nungsverhältnis stehen. Die Lebens­weise in der westlichen Welt bringt es mit sich, dass die schon zu Zeiten von Sokra tes und Bismarck geführten De­batten heute aus wiederkehrenden, aber auch aus neuen Gründen neu auf­flammen. »Das Übergewicht bei Kin­dern ist zu einer Frage der nationalen Sicherheit geworden. Fast Food stiehlt uns gute Rekruten!«, sagte der ameri­kanische Lieutenant General Norman Seip. Darüber hinaus wird man die Frage beantworten müssen, ob der Cy­bersoldat, der Hackerangriffe abwehrt, dieselbe körperliche Robustheit braucht wie ein Infanterist.

Von einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Gesundheit der jun­gen Generation sind wir in Deutsch­land noch entfernt. Bis dahin müssen die Streitkräfte versuchen, durch eine entsprechend modifizierte Ausbildung einer erkennbaren Fehlentwicklung entgegenzuwirken. Dazu gehört auch, das Kalorienangebot bei der Truppen­verpflegung dem tatsächlichen Kalori­enverbrauch der Soldatinnen und Sol­daten anzupassen. Die Reduzierung des Zuckeranteils in Lebensmitteln, der Hauptverursacher für Überge­wicht, ist aber wohl mit Appellen allein nicht zu erreichen. Eine Zuckersteuer, die in präventive Gesundheitsmaßnah­men, in die Förderung des Breitenspor­tes investiert wird, wäre eine mögliche Maßnahme, die es zu diskutieren gilt und von der am Ende auch die Bun­deswehr profitieren würden.

Das Thema Sport und Militär ist hier nicht abschließend erörtert worden. Es ist absehbar, dass auch in Zukunft diese Verbindung bestehen bleiben wird. Der Sport als gesellschaftliches Phänomen der Moderne ist und bleibt für Streitkräfte in Zukunft attraktiv und wichtig.

Peter Tauber

LiteraturtippsSandra Heck, Von spielenden Soldaten und kämpfen-den Athleten. Die Genese des Modernen Fünfkampfes, Göttingen 2013.Michael Krüger, Körperkultur und Nationsbildung. Die Geschichte des Turnens in der Reichsgründungsära – eine Detailstudie über die Deutschen, Schondorf 1996.Ringo Wagner, Der vergessene Sportverband der DDR. Die Gesellschaft für Sport und Technik in sporthistori-scher Perspektive, Aachen 2006.

Soldaten beim Dienstsport, Sportschule Sonthofen, Mai 1961Bundeswehr/Mackus

9Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Page 10: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

10 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Versehrtensport

Die Geschichte des Sportes für Menschen mit Behinderung ist fast so alt wie die deutsche

Turn­ und Sportbewegung. Lange fand eine körperliche Betätigung je­doch in getrennten Bildungseinrich­tungen und abgeschlossenen Vereinen statt. So wurden Leibesübungen für Kinder und Jugendliche mit Behinde­rung zunächst in staatlichen oder kirchlichen Fürsorge­ und Bildungs­anstalten angeboten, die Mitte des 19. Jahrhunderts für Blinde, Gehörlose und Körperbehinderte gegründet wor­den waren. Arbeits­ und Bildungsfä­higkeit des Einzelnen galten als Bedin­gung für soziale Teilhabe. Menschen, die überhaupt als nicht arbeits­ und bildungsfähige Personen galten, wur­

den schnell als »unnütz« und belas­tend ausgegrenzt und in abgelegenen Verwahranstalten untergebracht. Die weiteren betroffenen Kinder und Ju­gendlichen sollten entsprechend ihrer Einschränkung eine ihnen gemäße Bil­dung und Ausbildung erhalten, mit der sie später eine ihren Fähigkeiten entsprechende Arbeit ausüben konn­ten. Dazu zählte – wie in den Regel­schulen – eine körperliche Ertüchti­gung, die allerdings an den Rahmen des Möglichen angepasst wurde. Eine Integration in den regulären Arbeits­ und Bildungsmarkt blieb zwar ver­wehrt, aber Menschen mit Behinde­rung wurde damit zumindest teil­weise die Chance zu Arbeit und Parti­zipation gegeben.

Mit dem Eintritt in das Erwachsenen­alter und damit verbunden dem Ende der Ausbildung in den Bildungsanstal­ten ging in der Regel ein Abbruch jeder sportlichen Betätigung einher. Dies wurde zwar intern beklagt, aber für Er­wachsene entstanden entsprechende, allerdings seltene Angebote – abgese­hen vom Gehörlosensport – zumeist nur durch Eigeninitiative.

Kriegsversehrtensport und Erster Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg konfrontierte nicht nur die deutsche Gesellschaft erstmals mit Kriegsversehrten als einem Mas­senphänomen. Schätzungen gehen von insgesamt zwei bis drei Millionen

5 Mitglieder der deutschen Delegation während der Eröffnungszeremonie der Invictus Games am 23. September 2017 in Toronto, Kanada

VersehrtensportZwischen Rehabilitation und Invictus Games

REU

TERS

/Mar

k Bl

inch

Page 11: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

11Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

deutschen Kriegsverletzten aus. Diese ungeheure Zahl überforderte die me­dizinische Versorgung ebenso wie die staatliche Fürsorge. Das Bild des ver­wundeten Kriegsheimkehrers sollte Gesellschaft und Staat über Jahre hin­weg prägen und beschäftigen. Wie schon im Kaiserreich stand auch in der Weimarer Republik bei allen Maßnah­men die Re­Integration in die Arbeits­welt im Vordergrund. Die geringen Versorgungsleistungen erreichten nie das Niveau einer Grundsicherung. So sollte auch verhindert werden, dass sich Kriegsversehrte auf einer lebens­langen Zuwendung »ausruhten«. In Anbetracht der wirtschaftlichen Her­ausforderungen der Nachkriegszeit – Inflation, Wirtschaftskrise, hohe Arbeits losenzahlen – war an eine nach­haltige und ehrgeizige Kriegsversehr­tenpolitik ohnehin nicht zu denken.

Der allgemeine Aufschwung, den die Turn­ und Sportbewegung in der Wei­marer Republik erfuhr, erfasste auch den Sport für Menschen mit Behinde­rung. Der 1919 gegründete »Selbsthil­febund der körperbehinderten Men­schen«, später umbenannt zum »Reichs bund für körperbehinderte Men schen«, forderte das allgemeine Recht auf Selbstbestimmung jenseits der Kasernierung in »Krüppelfürsor­geanstalten« und die völlige Gleich­stellung mit nichtbehinderten Men­schen.

Trotz der positiven Erfahrungen mit Turnen und Sport in der sogenannten zivilen Krüppelfürsorge, blieben Initia­tiven zum Einsatz von Leibesübungen für die Rehabilitation von ehemaligen Soldaten eine Randerscheinung, von

der nur wenige tausend Betroffene profitierten. Bei diesen wenigen Ver­sehrtensportlern handelte es sich vor allem um ehemalige Turner und Sport­ler, die versuchten, an ihre positiven Erfahrungen anzuknüpfen, deren Ak­tivitäten aber selten über Maßnahmen im Sinne einer Rehabilitation hinaus­gingen.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Auf Basis der nationalsozialistischen Rassenideologie gab es ab 1933 einen völlig neuen Umgang mit Menschen mit Behinderung. Dieser war durch eine extreme Polarisierung zwischen Eingliederung und »Ausmerzung« ge­kennzeichnet. Während auf der einen Seite aus ökonomischen Gründen eine Förderung und Eingliederung von »gemeinschaftstüchtigen« Behinderten in den »schaffenden Volkskörper« be­trieben wurde, stand dieser positiven Entwicklung die Ausgrenzung, Ver­wahrung und letztlich Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen im Rah­men der »Euthanasie« gegenüber.

Die »Machtergreifung« durch die Nationalsozialisten 1933 hatte eine sukzessive Gleichschaltung und Zu­sammenfassung aller Organisationen für Menschen mit Behinderung zur Folge. Diese Maßnahmen wirkten sich auch auf den lange vernachlässigten Sport für Blinde, Gehörlose, Körperbe­hinderte und Kriegsversehrte aus, der nun vereinheitlicht und gezielt geför­dert wurde. Bis 1939 wurden flächen­deckende Angebote zum Versehrten­

sport geschaffen oder die bereits in der Weimarer Republik gegründeten Gruppen ausgebaut. Dies erfolgte al­lerdings nicht aus humanitären Grün­den. Vielmehr sollten so die staatliche Fürsorge systematisch entlastet und zusätzliche Arbeitskräfte bereitgestellt werden. Sport wurde so Mittel zum Zweck und ordnete sich in die vielfäl­tigen Kriegsvorbereitungen ein. Die­jenigen Menschen mit Behinderung, die als an geblich erbbelastet, jüdisch oder arbeitsunfähig galten, wurden hingegen systematisch ausgegrenzt, in Verwahranstalten verbracht und er­mordet.

Anders als noch im Ersten Weltkrieg wurde nun, gestützt auf die umfang­reichen Vorbereitungen seit 1933, durch das Oberkommando der Wehr­macht bereits kurz nach Kriegsbeginn für die Reservelazarette flächende­ckend Verwundetensport eingeführt. Weil die Kranken und Verwundeten möglichst schnell wieder für das Re­gime nutzbar gemacht werden sollten, ging man dabei über die bisherigen medizinischen Rehabilitationsmaß­nahmen deutlich hinaus. Die Versehr­ten sollten – wenn möglich – sogar wie­der zu Leistungsträgern aufgebaut werden, auch wenn ihr Einsatz unter Umständen nur noch am Schreibtisch erfolgen konnte. Nebenher konnten auf diese Weise erhebliche Finanzmit­tel eingespart werden, die sonst für die deutlich ausgebaute Versorgung der Invaliden hätten bereitgestellt werden müssen.

Bis 1941 konnten im Grunde fast alle regulär betriebenen Sportarten und Disziplinen auch als Versehrtensport­variante ausgeübt werden. In Tausen­den deutschen Lazaretten mussten je­doch Millionen verwundeter Soldaten versorgt werden. Und um den Versehr­tensport im Rahmen der »Heilpläne« der Lazarette umzusetzen, bedurfte es zahlreicher, in speziellen Kursen ge­schulter Lehrkräfte. Dafür wurden ne­ben Heil­ und Kranken gymnastinnen, Vereinsübungsleiter, Turn­ und Sport­lehrer, auch Hochschulsportlehrer re­krutiert, die aus den verschiedensten gleichgeschalteten Organisationen stammten: aus dem Nationalsozialisti­schen Reichsbund für Leibesübungen, dem damaligen Dachverband des

Beinamputierte Soldaten der Wehr-macht bei der Gymnastik mit dem Medizinball, August 1943

akg-

imag

es/S

amm

lung

Ber

liner

Ver

lag/

Arc

hiv

Page 12: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

12 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Versehrtensport

deutschen Sportes, aus der Deutschen Arbeitsfront oder der NS­Gemein­schaft »Kraft durch Freude«. Man be­mühte sich, die mit dem Fortschreiten des Krieges auftretenden personellen Engpässe mit Hilfssportlehrern, ehe­maligen (verwundeten) Sportlern, Ver­einsübungsleitern, zuletzt auch mit Schwesternhelferinnen des Deutschen Roten Kreuzes zu überbrücken. Die praktischen Maßnahmen begleiteten medizinische Forschungen und auch die Weiterentwicklung von Prothesen, worauf der Versehrten­ und Behinder­tensport nach dem Krieg aufbauen konnte.

Darüber hinaus nahm sich auch der Propagandaapparat der Kriegsversehr­ten an, der sie aufwendig in Drucksa­chen und Filmen als »vollwertige Glie­der in Familie, Volk und Wirtschaft« inszenierte. Dass die propagandisti­schen Darstellungen Wertschätzung vermittelten und mittels Durch­

halteparolen Zuversicht verbreiten wollten, konnte über die Realitäten nicht hinwegtäuschen. Die räumlichen und materiellen Bedingungen in den Lazaretten verschlechterten sich mit der Dauer des Krieges zunehmend und immer weniger geschultes Personal stand zur Verfügung. Parallel erhöhte sich der Druck auf die Heeresleitung, die Verwundeten möglichst rasch zu rehabilitieren. Vor diesem Hintergrund wurde 1942 ein auf (Höchst­)Leistung orientiertes Versehrtensportabzeichen eingeführt, das bis 1945 immerhin mehr als 10 000 Versehrte ablegten. Durch eine stärkere Ausrichtung am leistungsmäßig betriebenen Sport ver­suchte das NS­Regime letztlich zur Erringung des vermeintlichen »End­sieges« kriegsversehrte Soldaten mög­lichst schnell und reibungslos für die Arbeit und zuletzt sogar für den einge­schränkten Kriegsdienst »wiederherzu­stellen«.

Versehrten- und Behinderten-sport nach 1945

Der Versehrtensport entwickelte sich nach 1945 in den beiden deutschen Staaten unterschiedlich. In der DDR legte man von Anfang an Wert auf eine grundsätzliche Gleichbehandlung von Zivilgeschädigten und Kriegsversehr­ten, auch wenn die SED­Führung den Kriegsversehrten immer wieder »Mili­tarismus« und »Revanchismus« unter­stellte. Von der Intensivierung der Leistungssportförderung für ausge­wählte Sportarten ab Ende der 1960er Jahre konnte der Versehrten­ und Be­hindertensport in der DDR nicht profi­tieren. Die Teilnahme von versehrten Sportlerinnen und Sportlern an inter­nationalen Wettbewerben sah die Staatsführung nicht gern, sie blieb da­her die Ausnahme. Sportliche Erfolge, auch als Zeichen der Überlegenheit des Sozialismus, sollten von Nicht­Behin­derten vor allem bei Olympischen Spielen errungen werden.

In der Bundesrepublik war die Ent­wicklung durch eine extreme Zersplit­terung gekennzeichnet. Unterschiedli­che Verbände und Interessengruppen rangen um Kompetenzen und Zustän­digkeiten ebenso wie um die Vertei­lung finanzieller Mittel für Körper­behinderte, Querschnittsgelähmte, Blinde und Gehörlose. Allen gemein­sam war aber das Ziel, Gleichberechti­gung und Teilhabe durchzusetzen, was sich etwa in der Teilnahme an interna­tionalen Wettkämpfen wie den Para­lympischen Spielen widerspiegelte.

Die paralympische Bewegung

Als Beginn der paralympischen Bewe­gung gelten die Stoke Mandeville Games, die auf Dr. Ludwig Gutmann zurück­gehen. Der Neurologe war wegen sei­ner jüdischen Herkunft 1933 als Chef­arzt am Wenzel­Hancke­Krankenhaus in Breslau entlassen worden und kurz vor Kriegs beginn 1939 nach Großbri­tannien emigriert. Dort erhielt er 1943 von der britischen Regierung den Auf­trag, die erste Spezialklinik für Wirbel­säulenverletzte im Stoke Mandeville Hospital in Aylesbury aufzubauen. Die Initiative ging von der Royal Air Force aus, um die Behandlung und Rehabili­tation der wirbelsäulenverletzten Pilo­ten zu gewährleisten. Guttmann entwi­

Bogenschützen trainieren im Stoke Mandeville Hospital 1949.

Uni

ted

Arc

hive

s/To

pFot

o/Sü

ddeu

tsch

e Ze

itun

g Ph

oto

Page 13: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

13Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Kanada, Neuseeland, den Niederlan­den und den USA zugegen.

Seit der Premiere 2014 fanden die Spiele noch drei weitere Male statt: im Mai 2016 in Orlando/Florida, im Sep­tember 2017 in Toronto/Kanada und im Oktober 2018 im australischen Sid­ney. Dabei hat sich das Teilnehmerfeld stetig erweitert: zuletzt nahmen etwa 500 Athletinnen und Athleten aus 18 Staaten teil.

Für 2022 hat sich Deutschland mit Düsseldorf für die Austragung der Invictus Games beworben. Im Septem­ber 2019 reiste dazu eine Delegation um Staatssekretär Dr. Peter Tauber und Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel nach London. Die deut­sche Bewerbung, die gute Chancen auf Erfolg hat, läuft unter dem Motto A Home for Respect. Eine endgültige Entscheidung wird noch für diesen Herbst erwartet.

Berno Bahro

LiteraturtippsSebastian Schlund, »Behinderung« überwinden? Organi-sierter Behindertensport in der Bundesrepublik Deutsch-land (1950‑1990), Frankfurt a.M. 2017.Bernd Wedemeyer-Kolwe, Vom »Versehrtenturnen« zum Deutschen Behindertensportverband (DBS). Eine Ge-schichte des deutschen Behindertensports, Hildesheim 2011.Steve Bailey, Athlete first. A history of the paralympic movement, Chichester u.a. 2008.

ckelte bis heute gültige Methoden zur Behandlung von Querschnittgelähm­ten und verwendete dazu auch sportli­che Übungen.

Guttmann rief 1948 die Stoke Mande-ville Games ins Leben, die parallel zu den Olympischen Spielen in London stattfanden. 16 kriegsversehrte Roll­stuhlfahrer, Männer und Frauen mit Rückenmarksverletzungen, nahmen dabei an einem Wettbewerb im Bogen­schießen teil. Erste internationale Wett­kämpfe unter Beteiligung mehrerer Länder hatten aber bereits in den 1920er Jahren stattgefunden, etwa 1924 die Weltspiele für Gehörlose in Paris. Aus diesen gemeinsamen Anfängen entwi­ckelten sich größere Ereignisse, wie die ersten Weltspiele der Gelähmten, die we­nige Wochen nach den Olympischen Spielen 1960 in Rom stattfanden und an denen schon 21 Nationen mit etwa 400 Sportlerinnen und Sportlern teilnah­men. Andere internationale Veranstal­tungen wie die International Wheelchair and Amputee Sports World Games wur­den nur für Rollstuhlfahrerinnen und ­fahrer sowie Amputierte organisiert.

Bei den folgenden Großsportveran­staltungen stieg die Zahl der Teilneh­merinnen und Teilnehmer stetig an, ebenso der Anteil der Nicht­Kriegsver­sehrten.

Erst 1989 übernahm das neu gegrün­dete Internationale Paralympische Ko­mitee (IPC) die Organisation der Spiele, die seit 1992 regelmäßig nach den Olympischen Spielen am selben Austragungsort und mittlerweile so­wohl im Sommer als auch im Winter stattfinden und das weltweit größte Sportevent für Menschen mit Behinde­rung darstellen.

Invictus Games

Seit 2010 findet jährlich in den USA die Multisportveranstaltung Warrior Games für verletzte und gehandicapte Ange­hörige der Steitkräfte statt, u.a. U.S. Army, Navy und Küstenwache, U.S. Marine Corps und Air Force. 2013 wur­den erstmals auch britische Soldaten eingeladen. Der seinerzeit als Hub­schrauberpilot im Rang eines Captains dienende Prinz Harry, Duke of Sussex, eröffnete in diesem Jahr die Warrior Ga-mes und nahm auch aktiv teil, um das Event zu unterstützen. Dies motivierte ihn nach eigenen Aussagen dazu, eine ähnliche Veranstaltung für Großbritan­nien ins Leben zu rufen: die Invictus Ga-mes. Schon der Name »invictus« (lat.

unbesiegt) verweist auf eines der Hauptmotive für Prinz Harrys Initia­tive. Die Spiele sollen hauptsächlich dazu dienen, die versehrten Solda­tinnen und Soldaten wieder in die Ge­sellschaft zu integrieren und darauf aufmerksam machen, zu welchen Leis­tungen Menschen mit Beeinträchti­gung in der Lage sind. Anders als bei Paralympischen Spielen stehen weni­ger sportliche Höchstleistungen und Medaillen im Fokus, sondern insbeson­dere eine stärkere Anerkennung, wech­selseitige Wertschätzung sowie das Miteinander. Darüber hinaus soll an den militärischen Einsatz der Briten in Afghanistan erinnert und diese Erinne­rung auch nach dem Beginn des Trup­penabzugs 2011 wachgehalten werden.

Prinz Harry stellte die Idee am 6. März 2014 zusammen mit dem da­maligen Londoner Oberbürgermeister Boris Johnson und dem britischen Ver­teidigungsminister Philip Hammond auf einer Pressekonferenz vor. Als Ort der Vorstellung diente die Copper Box Arena, eine Mehrzweckhalle, die Aus­tragungsort von verschiedenen Wett­kämpfen im Rahmen der Olympischen und Paralympischen Spiele 2012 in London gewesen war.

Ein halbes Jahr später – vom 10. bis 14. September 2014 – fanden die ersten Invictus Games in London statt. An der Eröffnungszeremonie nahm auch der damalige britische Premierminister David Cameron teil. Die Austragung der Wettbewerbe erfolgte in Sportstät­ten, die schon für die Olympischen Spiele 2012 genutzt worden waren, vor allem im Queen Elizabeth Olympic Park und im Lee Valley Athletics Cen­ter. Nicht nur durch die prominente Unterstützung erfuhren die Spiele eine große Aufmerksamkeit. Die BBC über­trug die Veranstaltung im britischen Fernsehen.

Finanziert wurden die Spiele unter anderem durch die »Royal Founda­tion« und das Verteidigungsministe­rium, die jeweils eine Million britische Pfund zur Verfügung stellten.

An den offiziellen Wettkämpfen im Bogenschießen, Rollstuhl­Basketball, Hallenrudern, Radfahren, Roll­stuhl­Rugby, Schwimmen, Sitzvolley­ball und in leichtathletischen Diszipli­nen nahmen rund 300 Athleten aus 13 Nationen teil. Neben Athletinnen und Athleten aus Großbritannien wa­ren Teilnehmende aus Afghanistan, Australien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Georgien, Italien,

5�Prinz Harry hält die Krücken von Tho-mas Stuver, Bronzegewinner bei den Invictus Games 2017.

picture alliance/empics Chris Donovan

Page 14: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

14 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Kriegstagebuch 1914‑1918

Der Unteroffizier Gustav Weißheit no-tierte am 6. Dezember 1917 in Rumänien in sein Tagebuch: »Waffenruhe. Auf der ganzen Front kein Schuß. Prächtig. Ziem-lich kalt.« Es war sein vierter Winter in diesem Krieg. Den Winter des Vorjahres verbrachte er am anderen Ende Rumäni-ens, den Winter 1915/16 in Russland, den davor in Frankreich. Als der Krieg 1914 begann, war Gustav Weißheit 24 Jahre alt. Als der Krieg endete, stand Weißheit kurz vor seinem 30. Lebensjahr.

Ein überliefertes Kriegstagebuch stellt eine aufschlussreiche histori­sche Quelle dar. Es gewährt einen

unmittelbaren Einblick in das Schicksal eines Soldaten, in seine Gedanken so­wie seine Wahrnehmungen. 100 Jahre

nach Ende des Ersten Weltkrieges ver­mittelt es dem heutigen Leser einen Eindruck vom Erfahrungshorizont ei­ner ganzen Generation. Ein Kriegsta­gebuch gibt dem Krieg ein Gesicht.

Das im Folgenden dargestellte Tage­buch gehörte Gustav Weißheit. Er diente den gesamten Krieg hindurch, vom Range des Gefreiten bis zum Vize­feldwebel, in der 5. Kompanie des Re­serve­Infanterie­Regiments 40. Seine Dienstzeit als Infanterist in der 115. In­fanterie­Division »von Kleist« – einer »fliegenden Division« – führte Gustav Weißheit an fast alle Schauplätze des Ersten Weltkrieges. Er erlebte die Dy­namik des Bewegungskrieges in den Weiten der Walachei Rumäniens, in den Sümpfen Wolhyniens in der heuti­

gen Ukraine, zwischen den Betonkup­peln der Festung Kowno (Kaunas im heutigen Litauen), vor den Mauern Mitaus (Jelgava, Lettland), an den Flussufern von Wilejka (Weißruss­land). Genauso erfuhr er die Monoto­nie und die Gräuel des Stellungskrie­ges in unzähligen Schützengräben in Lothringen, in der Champagne und im Elsaß sowie an den Ufern der Somme und der Marne.

Vor dem Krieg

Gustav Weißheit wurde am 18. Dezem­ber 1889 in Themar als Landeskind des Herzogtums Sachsen­Meiningen im Süden des heutigen Thüringen gebo­ren. Als zweites von vier Kindern des

5�»Der Kaiser überreicht mir das EK 1.« Gustav Weißheit (mit Stahlhelm) vermerkte dies auf der Rückseite des Fotos nach der Übergabe des Eisernen Kreuzes I. Klasse durch Kaiser Wilhelm II. am 22. September 1917 in Rumänien. Seine Tage zuvor erlitte-ne Verwundung am rechten Oberarm wurde unter der Uniform versteckt.

Priv

atbe

sitz

Wei

ßhei

t

»Die Furchtbarste Stunde« Gustav Weißheit: Kriegstagebuch 1914‑1918 Pr

ivat

besi

tz W

eißh

eit

Page 15: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

15Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Wagnermeisters Friedrich Weißheit (1854‑1930) und dessen Ehefrau Emma (1860‑1927) wuchs er in einfa­chen Verhältnissen auf. Seine Kindheit war durch schwere Arbeit im elterli­chen Handwerksbetrieb und in der kleinen familiären Landwirtschaft ge­prägt. Gustav hatte drei Geschwister: Lina, Friedericke und Hermann (gefal­len 1916). Nachdem er den Beruf des Wagners beim Vater erlernt hatte, leis­tete er von 1909 bis 1911 seinen Wehr­dienst bei den »95igern« (6. Thüringi­sches Infanterie­Regiment Nr. 95) in der nahegelegenen Garnison Hildburg­hausen. In den folgenden Jahren ver­schlug es den jungen Handwerker zu­nächst berufsbedingt in das heute bayerische Coburg und später nach Stuttgart, wo er bei einem Karosserie­bauer arbeitete. Am 1. August 1914 er­eilte ihn der Ruf zur Fahne und er rückte nach Heidelberg ein, wo das II. Bataillon des Reserve­Infanterie­Re­gimentes 40 aufgestellt wurde.

Das Tagebuch

An diesem ersten Tag der Mobilma­chung begann Gustav Weißheit mit sei­nen täglichen Tagebucheintragungen, die erst vier Jahre später endeten. Am Ende waren fast 400 Seiten in vier Bü­chern entstanden – alle im Brustta­

schenformat, feinsäuberlich in Sütter­lin mit Bleistift im Schützengraben geschrieben und noch heute lesbar.

Dabei legte Gustav Weißheit vor al­lem Wert auf die Schilderung von mili­tärischen Episoden. Den Hauptinhalt der stichpunktartigen Aufzeichnungen stellen, neben ausführlicheren Ge­fechtsschilderungen, Szenen der Rou­tine des soldatischen Alltags dar. Dazu gehörten der Graben­ und Arbeits­dienst, das Schanzen, das Patrouillie­ren, das Exerzieren, das Entlausen, lange Märsche, das Suchen und Bezie­hen von Quartieren sowie das Zele­brieren von Kaiser­ und Herzogsge­burtstagen.

Sachlich und nüchtern werden zu Kriegsbeginn abenteuerliche Begeben­heiten des täglichen Kriegserlebens geschildert. So schrieb Gustav Weiß­heit etwa am 2. Oktober 1914: »Bis Mit­tag Wache. Abgelöst auf dem Heu­schober. Heu zur steilen Wand gestellt. Klett zum Austreten. Plötzlich Schrap­nell, wir überschüttet mit Splittern und Heu. Klett und Deckert verwun­det. Im Herrenhaus aufgebahrt. Brief. Familienbild. Abschied.« Fast sarkas­tisch formulierte er am 31. Dezember desselben Jahres: »Sylvester. Um 12 Uhr nachts schoss die deutsche Ar­tillerie das neue Jahr an. Die französi­sche dasselbe.«

Neben dem unmittelbaren Kriegsge­schehen protokollierte Gustav Weiß­heit weitere brenzlige Situationen. So dokumentierte er am 27. Dezember 1915, nachdem er von seinem ersten Heimaturlaub nach eineinhalb Kriegs­jahren zurück an die Ostfront gekom­men war: »Letzter Urlaubstag. Schwe­rer Abschied [...] Mit Urlaubszug nach Wilna 1245 in Berlin abgefahren. Ziem­lich schnell vorwärts [...] Plötzlich um 0345 Uhr morgens entgleiste der Zug in Bentschen bei Posen. 28. Dez: Wir entstiegen unseren Wagen u. sehen dann das große Unglück. Die Ma­schine war einen m tief in der Erde. Tender u. Packwagen aufgefahren. 2. + 3. Wagen aufgefahren. Mittelste Wägen lagen rechts und links umgekippt [...] Unser Wagen war mit dem vorderen rechten Rad etwa 80 cm tief in die Erde eingedrückt. Mit dem hinteren linken Rad war er etwa ebenso viel vom Erd­boden hochgestellt. Dadurch hatten wir einen schrägen Stoß erhalten und Tornister, Gewehr u. Leibriemen flo­gen natürlich auf uns. Aber wir waren mit heiler Haut davongekommen.«

Weißheit erwähnte nicht, dass der Vorfall als »Eisenbahnunfall von Bent­

�Auszug aus Gustav Weißheits Tage-buch

5�Gustav Weißheit vermutlich zu Kriegs-beginn, undatiertes Foto

Priv

atbe

sitz

Wei

ßhei

t

Priv

atbe

sitz

Wei

ßhei

t

Page 16: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Kriegstagebuch 1914‑1918

schen« in die Geschichte einging. 24 Menschen starben, 46 weitere wur­den zum Teil schwer verletzt.

Die Darstellung

Detailliert berichtete Weißheit über zahlreiche Gefechte. Ein Beispiel stellt der Sturmangriff auf die französische Ortschaft Neuville am 22. Mai 1915 dar: »21. Mai: Sturmkolonne wird aus­gesucht. Ich bin auch dabei [...] Nach Vimy. Daselbst Handgranaten und Sandsäcke empfangen. Nach Neuville. Am Eingang des König­Ludwig­Weges Granaten. (Tote Pferde, Wagen, Men­schen, Bäume usw.) [...] 22. Mai: Im Schützengraben in Neuville [...] Nach­mittags 7‑8 Minen [...] Furchtbarste Stunde, Graben zittert. Zwei Leutnante verschüttet. Hoffmann von Minen zer­rissen. Härter verbrannt. Netzger ver­schwunden. Um 8 Uhr Angriff. Bis an

französischen Graben. Handgranaten. Links gehts vor. Graben geräumt. Pio­nierleutnant verwundet. Plötzlich links 2 Maschinengewehre. Flankenfeuer. Hinlegen. Links alles tot. Mit 2 Pionie­ren in Granatloch bis 11 Uhr, dann zu­rück. Schießen von unseren Kamera­den. ›Nicht schießen. Zurück in den Graben.‹ Im Unterstand. Posten ste­hen. Sehr wenige Kameraden der 5. Kompanie zurückgekommen.«

Der beschriebene Angriff scheiterte: Die eigenen Minenwerfer hatten zu kurz geschossen. Die auf Angriffsbe­ginn wartenden, auf engstem Raum massierten deutschen Sturmtruppen lagen unter stundenlangem eigenem Feuer. Die Drahtverbindung zur eige­nen Artillerie zum Lenken des Feuers war abgerissen. Pünktlich zum befoh­lenen Angriffsbeginn liefen die fast aufgeriebenen Truppen in die französi­schen Maschinengewehre. Der lange

vorbereitete Angriff brach binnen kür­zester Zeit unter enormen Verlusten zusammen. Gustav Weißheit notierte außer Bedauern um die Verluste kei­nerlei Urteil.

Außer der Artikulation von Trauer um gefallene Kameraden sind Gustav Weißheits Schilderungen weitgehend emotionslos. Ängste, Zweifel oder Ur­teile bezüglich Politik, Taktik oder ope­rativer militärischer Entscheidungen erlaubte er sich nicht. Inwiefern dies der Angst vor Repressionen oder Zen­sur geschuldet war, ist nicht dokumen­tiert. Sein nüchterner Schreibstil mag nicht zu ihm passen. Den Erzählungen seines Sohnes und seiner Kameraden nach war Gustav Weißheit ein empathi­scher, warmherziger Mann, der für sei­nen Intellekt bekannt war.

Die Versorgungs­ und Bedürfnislage der Soldaten thematisierte Gustav Weißheit nur marginal. Einen Einblick

ÖSTERREICH-UNGARN

Nordsee

M i t t e l m e e r Adria

S c h w a r z e sM e e r

Ostsee

BELGIENR U S S L A N D

DEUTSCHES

REICH

ÖSTERREICH-UNGARN

O S M A N I S C H E S R E I C H

F R A N K R E I C H

GROSSBRITANNIENUND IRLAND

NORWEGEN

SCHWEDEN

DÄNEMARK

SCHWEIZ

LUX.

RUMÄNIEN

BULGARIEN

ITALIEN

MONTENEGRO

ALBANIEN

SERBIEN

NIEDER-LANDE

Hamburg

Ludwigslust

BERLIN

PARIS

WIEN

ROMSOFIA

KONSTANTINOPEL

BUKAREST

LONDON

Kiel

Prag

Breslau

München

Budapest

Themar

Heidelberg

Ypern

Mailand

Belgrad

Zagreb

Sarajevo

LyonGenf

Odessa

Kiew

Warschau

Bentschen

Brest-Litowsk

Wilna

Riga

Minsk

Witebsk

AnkaraSaloniki

Neapel

Marseille

Pleskau

01

04

05

06

11

12

13

14

15

16

17

18

21

19

20

07

08

0910

02

03

Mittelmächte

Entente

zeitweise Verbündete der Mittelmächte

zeitweise Verbündete der Entente

neutrale Staaten/Gebiete

1. Tagebuch (1914/15)

2. Tagebuch (1915/16)

3. Tagebuch (1916 –1918)

4. Tagebuch (1918)

1.8.1914: EinberufungAugust/September 1914:GrenzschlachtenOktober 1914 bis August 1915:FlandernschlachtenAugust bis Dezember 1915: Offen-siven gegen Kowno, Wilna und MinskDezember 1915: Heimaturlaub

0102

03

04

05

28.12.1915: ZugunglückDezember 1915 bis Juli 1916:Einsatz bei PostawiAugust 1916: Einsatzim Raum RigaSeptember/Oktober 1916:Kämpfe um KowelOktober 1916: Heimaturlaub

0607

08

09

10

9./10.11.1916: Anschlussan die eigene TruppeNovember 1916: Offensive zu FußDezember 1916 bis Februar 1918:Einsatz in Ost-Rumänien31.8.1917: Verwundung 22.9.1917: EK I. Kl.Februar 1918: Heimaturlaub

11 Ab 6.4.1918: zurück zur Truppe1918: Einsatz im Raum AntwerpenApril/Mai 1918: Erkrankung an TBC,LazarettaufenthaltJuni 1918: Lazarettaufenthalt inLudwigslustJuli bis November 1918:Heimatnaher Lazarettaufenthalt16

171819

20

21

12

1415

13

ZMSBw08842-03©

Routen des Infanterieunteroffiziers Gustav Weißheit während des Ersten Weltkrieges 1914 –1918

Page 17: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

17Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

geben seine ebenfalls erhaltenen Feld­postbriefe: Neben Banalitäten und Le­benszeichen (»Mir geht es gut«) und »zensiert«­ oder »kontrolliert«­Stem­peln finden sich ab und an Zeilen des Dankes für den Inhalt des letzten Päck­chens oder Bitten um einzelne Gegen­stände.

Der Heimatschuss

Gustav Weißheit dokumentierte zu­dem ein von Zeitgenossen tabuisiertes Thema – die Selbstverstümmelung: Auffällig detailliert beschrieb er den »Heimatschuss« eines Soldaten am 31. Mai 1916: »In Stellung. Früh 02:10 erhielt Landwehrmann Pfaff einen Nahschuß in die linke Hand. Zur Kom­panie­Schreibstube: Tatbestandauf­nahme.« Acht Tage später schrieb er: »Mit Ersatzreservist Neck u. Land­sturmmann Friedrich in Jodowze beim Gerichtsoffizier der 115. Inf. Div. we­gen der Sache des Landwehrmann Pfaff [...] Nahschuß mit Gewehr? Zum Ort der Verwundung. War es ein Quer­schläger? Leere Hülse gefunden. Schwur.« Eine eigene moralische Ein­ordnung dieser Episode der Selbstver­stümmelung, die der Landwehrmann offenbar vollzog, um der Front zu ent­fliehen, blieb der Tagebuchautor dem Leser schuldig.

Land und Leute

Dem gelernten Handwerker schienen Phasen des handwerklichen Arbeits­dienstes offenbar vertraut genug, um sie nicht umfangreich thematisieren zu müssen. Sie wurden in den ansonsten lückenlosen Tagebucheinträgen über mehrere Tage zusammengefasst. Be­sondere landwirtschaftliche Erfindun­gen und vor allem unbekannte oder überraschende Eindrücke von der Na­tur, die er zudem fotografisch festhielt, beschrieb Gustav Weißheit ausführlich und emotional. So kommentierte Weiß­heit beispielsweise eine Fotografie flüchtender rumänischer Dorfbewoh­ner mit einem Ochsengeschirr mit: »Ei­genartig ist es, wie die Ochsen, ohne Stränge, nur mit Joch, ziehen. Das ist Krieg, von dem Gott sei Dank Deutsch­land nichts weiß.« Er dokumentierte diese Wahrnehmungen offenbar, um den Daheimgebliebenen von kriegs­mangelbedingten agrarischen Kuriosi­täten zu berichten.

Auffällig sind die Ortsbezeichnun­gen: Weißheit, der höchstwahrschein­

lich kein Wort Französisch, Russisch oder gar Rumänisch sprach, schrieb, was er auf Schildern las oder meinte zu verstehen. Heraus kamen eigentüm­lich gemalte Buchstaben, die in ihrer Summe nur ab und an den tatsächli­chen damaligen Ortsbezeichnungen entsprechen.

Gustav Weißheit beschrieb in seinen Aufzeichnungen sporadisch die Bevöl­kerung der eingenommenen Orte. Meist fanden diese Ausführungen im Kontext derjenigen Einwohner statt, bei denen die Kompanie gerade im Orts­quartier lag. Die »Quartierleute«, bei denen Weißheit oft zusammen mit Ka­meraden unterkam, charakterisierte er meist als »gute Leute«. In seinen Auf­zeichnungen finden sich keinerlei Ausdrücke der Feindschaft gegen die einheimische Bevölkerung. Oft be­schreiben sie ein friedliches Bild des Austauschs: Die Soldaten gaben Kin­dern Schokolade, handelten mit der Be­völkerung, sangen die Kinder in den Schlaf, erlebten lange gemeinsame Abende oder teilten ihr Essen. Die Er­zählung einer französischen Quartier­frau, deren Mann als Sanitäter in der französischen Armee diente, fand sogar Eingang in Weißheits Tagebuch. Einige Adressen dieser Quartiere notierte Gustav Weißheit in Notizbüchern – of­fenbar wollte er in Verbindung bleiben.

Die genannte positive Beschreibung der lokalen Bevölkerung findet sich in Bezug auf alle Länder, in denen Weiß­heit im Einsatz war. Lediglich am Rande erwähnte er die wahrgenom­mene auffällig niedrige ökonomische Situation der rumänischen und der russischen Bevölkerung.

Eine Ausnahme in der Darstellung bildet die Bevölkerung der französi­schen Dörfer Vexaincourt und Senones etwa drei Wochen nach Kriegsbeginn: »Marsch zum dritten Dorf, namens Vexacurt. Daselbst wurde von Zivilis­ten auf deutsche Soldaten geschossen. Darauf wurden der Pfarrer und Bür­germeister erschossen und das Dorf angezündet. Neben Schuldigen viele Unschuldige.« Drei Tage später schrieb er: »Essen. Plötzlich Granaten. Alarm. Ausrücken zur Höhe. Vorrücken, von links Maschinengewehrfeuer vom Dorf. Dorf absuchen und anbrennen. Zurück abends nach Senones. Daselbst unter brennenden Häusern auf dem Marktplatz. Schlafen.«

Auch die Regimentschronik ver­schweigt diese Kapitel nicht: »Der Franzose war Meister im Dorfkampf

und hatte es verstanden, die deutschen Angreifer in den scheinbar geräumten Ort hineinzulocken und ihm empfind­liche Verluste zuzufügen. Dabei wurde der Feind von Zivilisten (sog. Frankti­reurs) aufs beste unterstützt. Der bru­tale Widerstand wurde ebenso hart niedergeschlagen. Die Hilfe unserer M.G.­Abteilung mit ihrer wuchtigen Macht erwies sich dabei recht wirk­sam.«

Den Soldaten erschien dies als ange­messene Reaktion, denn sie betrachte­ten den zivilen Griff zur Waffe als Ver­stoß gegen das Kriegsrecht. Ob oder in welcher Weise Weißheit dabei an mög­lichen Kriegsverbrechen beteiligt war, lässt sich aus dem Tagebuch nicht re­konstruieren.

Nach dem Krieg

Gustav Weißheit überlebte das Ende des Krieges 1918 schwer erkrankt im Lazarett. Zwischen 1914 und 1918 wurde er zweimal verwundet und durfte drei Mal auf Heimaturlaub. 1919 heiratete er und weitere fünf Jahre später wurde sein einziger Sohn ge­boren.

Welche Rolle das Erleben des Ersten Weltkrieges in Weißheits späterem Le­ben spielte, lässt sich nur erahnen. Er verhielt sich sein Leben lang unpoli­tisch. Von ihm wurde der Satz überlie­fert: »Geh mir nur nicht in eine Partei. Wenn es mal wieder andersrum kommt, bist du fein raus.«

Den Zweiten Weltkrieg erlebte Gustav Weißheit krankheitsbedingt in der Heimat. Vom Kriegsbeginn erfuhr er am 1. September 1939 aus dem Ra­dio. Er konnte nicht fassen, dass je­mand, der selbst das Grauen des Schüt­zengrabens erlebt hatte, einen Krieg vom Zaun brach.

Während des Krieges hörte Weißheit, mittlerweile durch einen Arbeitsunfall halb erblindet, heimlich auf dem Dach­boden »Radio London«. Aufgrund seiner Kriegserfahrungen schenkte er den deutschen Frontberichten keinen Glauben.

Am 28. Dezember 1960 starb Gustav Weißheit im Alter von 71 Jahren.

Janis Weißheit

LiteraturtippsJanis Weißheit (Hrsg.), Gustav Weißheit. Kriegstagebuch 1914‑1918, Berlin 2017. Wilhelm Gallion, Das Reserve-Infanterie-Regiment 40 im Weltkrieg, Mannheim 1936.

Page 18: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Oberstleutnant von Mirbach

18 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Langsam und sehr vorsichtig schritt er voran, immer in Richtung Trep­penhaus. Er hatte den Befehl erhal­

ten, der schwedischen Polizei klar zu machen, dass nur die unverzügliche Freilassung von 26 namentlich benann­ten, in bundesdeutschen Strafanstalten einsitzenden Mitgliedern der »Roten Armee Fraktion« (RAF, siehe Info­kasten auf Seite 20) die Unversehrtheit der zwölf in Geiselhaft befindlichen Botschaftsangehörigen garantieren würde. Gleichzeitig aber steigerte sich von Minute zu Minute die Nervosität der sechs, allesamt recht jungen Geisel­nehmer des selbsternannten »Kom­mandos Holger Meins« (siehe hierzu Infokasten auf Seite 21). Deren Wahr­nehmung nach spielte nämlich die

schwedische Polizei auf Zeit, um sie zu Fehlern zu verleiten oder möglicher­weise auch um sie zu ermüden. Im Laufe der seit Stunden andauernden Besetzung der bundesdeutschen Bot­schaft in Stockholm waren die sechs westdeutschen Terroristen zu der Überzeugung gelangt, endlich ein deutliches Zeichen setzen zu müssen. Die sich nur ein Stockwerk tiefer be­findliche Polizei, aber vielmehr noch die Bundesregierung im fernen Bonn, sollten endlich begreifen, dass sie es mit ihren Forderungen ernst meinten, todernst.

Gegen 14.00 Uhr Ortszeit setzten die Terroristen dieses Zeichen auf brutale Weise: Feige schossen sie von hinten auf den deutschen Militärattaché,

5�Das durch die Explosion mehrerer Sprengladungen zerstörte Gebäude der westdeutschen Botschaft in Stockholm, 24. April 1975

Oberst leutnant i.G. Andreas Baron von Mirbach, und trafen ihn fünf Mal in Rü­cken, Kopf und Beine. Schließlich stie­ßen sie ihn kopfüber die Treppe hinun­ter. Die Terroristen hinderten die vor Ort befindlichen Rettungskräfte daran, Mirbach zu behandeln. Eine qualvolle Stunde blieb er in seinem eigenen Blut liegen.

Die Verletzungen, die Andreas von Mirbach im Flur und Treppenhaus der Stockholmer Botschaft am 24. April 1975 auf dramatische Weise hinter­rücks zugefügt worden waren, führten, wie die Gerichtsmedizinische Abtei­lung des Karolinska Krankenhauses der Universität Stockholm nur wenige Stunden später nüchtern feststellte, zum Tod durch »Vulnus sclopetarium

Von Terroristen ermordetOberstleutnant Andreas Baron von Mirbach

pict

ure-

allia

nce/

dpa

Foto

repo

rt

Page 19: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

19Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

regio captitis« (Schussverletzung in der Kopfregion). Mirbach war als Reprä­sentant des von den Geiselnehmern verhassten staatlichen Systems der Bundesrepublik Deutschland kaltblü­tig hingerichtet worden. Er hinterließ seine Frau und zwei Kinder.

Christliche Erziehung und Prägung

Bisher ist recht wenig über den ersten bekannten Soldaten geläufig, der in der Ausübung seines Dienstes für die Bundeswehr ermordet wurde. Ledig­lich anlässlich der jeweiligen Gedenk­tage des Überfalls auf die bundesdeut­sche Botschaft in Stockholm wird zu meist beiläufig über den ermordeten Militärattaché berichtet. Aber wer war er wirklich? Welchen familiären Hin­tergrund hatte er? Warum sprach er so gut Schwedisch? Und was hat ihn dazu bewogen, sich ohne Zögern seinen spä­teren Mördern als Vermittler zur Ver­fügung zu stellen?

Am 9. April 1931 erblickte Andreas Ernst Baron von Mirbach in der letti­schen Hauptstadt Riga als zweitältester Sohn der insgesamt vier Kinder von Ernst Baron und Erica von Mirbach das Licht der Welt. Die Familie gehört nach eigenen Angaben zum rheinischen Uradel mit gleichnamigem Stammhaus bei Hillesheim in der Eifel. Bereits im 16. Jahrhundert waren Mirbachs Vor­fahren aus dem Rheinland in das Her­zogtum Kurland ausgewandert und hatten zwischen den Städten Windau und Pilten (heute lettisch: Ventspils und Piltene) verschiedene landwirt­schaftliche Güter erworben. Später wa­

ren die meisten männlichen Familien­angehörigen preußische und russische Offiziere, Staatsbedienstete oder Juris­ten. So wurde beispielsweise Mirbachs Großvater väterlicherseits, Reinhold Baron von Mirbach, Vizeadmiral der zaristischen Marine. Sein Vater, Ernst Baron von Mirbach, arbeitete zunächst viele Jahre als Justitiar für den Rigaer Hypothekenverein und ab 1940 als Ju­rist für deutsche Reichsbehörden. Da­rüber hinaus engagierte sich seine Fa­milie seit der Gründung der Republik Lettland im Jahre 1918 in verschiede­nen deutsch­baltischen Vereinen und Gruppierungen. Mirbachs Großvater setzte sich aufgrund seiner herausge­hobenen militärischen Position äußerst tatkräftig für die evangelisch­lutheri­schen Gemeinden in Russland ein. Die Verwurzelung im christlichen Glauben beeinflusste seinen Enkel Andreas spä­ter so stark, dass verschiedene Vorge­setzte bei der Bundeswehr seine »star­ken ethische Bindungen« und eine »tiefreligiöse Einstellung« auffiel. Wie nahestehende Personen einvernehm­lich berichteten, besaß Mirbach konse­quenterweise ein sehr stark ausgepräg­tes Gottvertrauen.

Seine ersten Lebensjahre verbrachte Mirbach in einem deutsch­baltisch ge­prägten Umfeld in Riga. Auch wenn seine Eltern nicht wohlhabend waren, gehörten sie doch der bürgerlich­intel­lektuellen Gesellschaft der Stadt an. Im Dezember 1939, wenige Wochen vor der absehbaren sowjetischen Be­setzung Lettlands, siedelte die Familie nach Posen über und nahm die reichs­deutsche Staatsbürgerschaft an. Hei­misch wurde die Familie in der von Je­

suiten geprägten Stadt jedoch nie. Im Früh­jahr 1945 flohen die Mirbachs wieder vor der herannahenden Ro ten Armee, dieses Mal in Richtung des evangelisch geprägten Schleswig­Holstein. Der erste Wohn ort war die Hallig Süde­roog. Später verlang­ten die beruflichen Ver pflichtungen des Vaters einen Umzug nach Hemmelmark

bei Eckernförde an die Ostküste des Landes.

Von Mai 1946 bis August 1952 be­suchte Mirbach das Jungeninternat des Carl­Hunnius­Internats in Wyk auf Föhr und schloss dort seine schulische Ausbildung mit dem Abitur ab. Diese private christliche Ausbildungseinrich­tung war im Mai 1946 von Baltendeut­schen gegründet worden, mit dem Ziel die eigenen Kinder im Sinne der alten baltischen Ordensgemeinschaften und deren Traditionen zu erziehen. In den ersten Jahren seines Bestehens nahm das Internat überwiegend Flüchtlings­kinder auf, deren Tagesablauf hier streng geregelt war. Neben der guten inhaltlichen Ausbildung wurde, wie Ehemalige betonen, sehr viel Wert auf Disziplin, gute Manieren und Kame­radschaft unter den jungen Menschen gelegt. Diese außergewöhnliche, diszi­plinierte Gemeinschaft junger Männer, aber auch das familiäre Umfeld, die starke christliche Prägung, die wieder­holte Flucht vor den Streitkräften der Sowjetunion aus der Heimat werden Mirbachs Persönlichkeitsentwicklung sicherlich in hohem Maße beeinflusst haben.

Generalstabsdienst und Lehrtätigkeit

Nach Abschluss seiner schulischen Ausbildung absolvierte Mirbach zu­nächst eine Lehre als Geflügelzüchter in Nizza und Ludwigsburg. Nach er­folgreichem Abschluss ging er im Feb­ruar 1955 auf Empfehlung seiner Ver­

5�Militärattaché Oberstleutnant Andreas Baron von Mirbach (undatiert)

pict

ure-

allia

nce/

dpa

Foto

repo

rt

�Bekennerschreiben des Kommandos »Holger Meins«

Page 20: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Oberstleutnant von Mirbach

20 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

wandten nach Schweden, um dort in der Staatlichen Landwirtschaftsanstalt in Wiad unweit von Stockholm erste Berufserfahrungen zu sammeln. Diese Ausbildung lässt sich nur mit der Ge­flügelzucht­Tradition in der Familie er­klären, denn die beruflichen Neigun­gen des jungen Mirbach waren anders gelagert. Bereits zwölf Monate später kehrte er nach Deutschland zurück, um sich als einer der ersten ungedien­ten jungen Männer am 1. Februar 1956 freiwillig als Eignungsübender zur Bundeswehr zu melden, wobei er sich auch als Offizieranwärter bewarb. Am 1. Mai 1956 wurde Mirbach dann in die 4. Kompanie des Panzergrenadier­lehrbataillons nach Munster versetzt, um seine Offizierausbildung zu begin­nen. In den nachfolgenden Monaten durchlief er die normale militärische Ausbildung zum Truppenoffizier der Panzergrenadiertruppe an der Heeres­offiziersschule I in Hannover und der Panzergrenadierschule in Munster. Be­reits nach einem Jahr erfolgten die Be­förderung zum Leutnant und wenig später die Ernennung zum Berufssol­daten, auch weil die Bundeswehr in ih­rer Aufbauphase sehr schnell junge und engagierte Offiziere benötigte. Zum 1. Juni 1957 wurde Mirbach Zug­führer im Panzergrenadierbataillon 15 in Wetzlar und ab dem 1. August 1958 zusätzlich der S 1­Offizier des Batail­lons, bevor er dann am 13. Januar 1960 – nach noch nicht einmal vier Jahren in der Bundeswehr – als Oberleutnant für die kommenden drei Jahre die 2. Kom­panie in dem mittlerweile zum Panzer­grenadierbataillon 133 umbenannten Verband übernahm.

Noch als Leutnant heiratete Mirbach am 26. Juli 1958 Christa von Roth, die ebenfalls ihre Kindheit im Baltikum verbracht hatte. Mit ihr sollte er zwei Kinder – die Zwillinge Clais Oluv und Inga Verena – bekommen.

Seine Vorgesetzten sahen in Mirbach von Anfang an einen »ernsten, gefestig­ten Charakter mit festen Grundsätzen«, »gesundem Ehrgeiz und bescheide­nem, höflichen Auftreten«. Gleichzeitig bescheinigten sie ihm »gute geistige Anlagen«, ein »klares, logisches Denk­vermögen«, einen »Blick für das We­sentliche«, »großen Fleiß« sowie einen »knappen und verständlichen Wortge­brauch«. Körperlich zeigte er sich wäh­rend seiner gesamten Dienstzeit über als »schlank, sehnig, widerstandsfähig und unerschrocken«. Insgesamt wur­

den immer wieder seine »taktische[n] Fähigkeiten, Lehrtalent und sehr guten Sprachkenntnisse« herausgestellt, die frühzeitig seinen weiteren Werdegang vorzeichneten.

Dementsprechend wurde Mirbach für den 6. Generalstabslehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr ausgewählt. Während der zweiein­halbjährigen Ausbildung nahm er mit dem Stab des III. Korps im September 1964 an der NATO­Stabsrahmenübung FALLEX 64 teil. Die Übung war für die NATO aufgrund der weltweiten politi­schen Entwicklungen in jenen Jahren von herausragender Bedeutung, so­dass sogar Teile des Nordatlantikrates mit übten. Hierbei lernte Mirbach früh­zeitig im internationalen Rahmen auf höchster Ebene zu agieren und zu kommunizieren.

Aufgrund der Vorbewertung und des Lehrgangsergebnisses gehörte Mirbach jedoch nicht zu den besonders förde­rungswürdigen Offizieren seines Jahr­gangs. Folglich war seine erste Verwen­dung als Generalstabsoffizier ab dem 1. Oktober 1965 die des Logistik­Stab­soffiziers (G4) des Deutschen Anteils im Hauptquartier der Northern Army Group der NATO (NORTHAG) in Mönchengladbach­Rheindahlen. Um seine Verwendungsbreite zu vergrö­ßern, erhielt er genau zwei Jahre später die Position des Planungs­Stabs­offiziers (G3) der Panzerbrigade 28 in Donauwörth und zum 1. Oktober 1969 die eines Lehrstabsoffiziers für den

»Rote Armee Fraktion« (RAF)Die RAF war eine im Jahr 1970 u.a. von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhof gegründete linksextremistische terroristische Ver-einigung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie zeichnete verantwortlich für nachweislich 34 Morde an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwal-tung, deren Fahrern, an Polizisten, Zollbeamten sowie bundesdeutschen und ame-rikanischen Soldaten. Darüber hinaus gingen mehrere Geiselnahmen, Banküber-fälle und Sprengstoffattentate mit über 200 Verletzten auf ihr Konto. Die ursprünglich als Stadtguerilla nach lateinamerikanischem Vorbild gegründete Gruppe beabsichtigte, »als Teil des internationalen Antiimperialismus den bewaff-neten Kampf gegen den US-Imperialismus auch in Westeuropa zu führen«. Die auch »Baader-Meinhof-Bande« genannte Terrorgruppe ließ sich jedoch sehr bald mit der palästinensischen Fatah und später auch mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR als Verbündete ein, mit der Absicht, die bundesdeutsche Gesellschaft zu destabilisieren und die politischen Verhältnisse grundlegend zu verändern. Aber die massive Gewalt und die offensichtlichen Kontakte nach Ost-Berlin führten dazu, dass die anfängliche Unterstützung der RAF durch linke Kreise wieder verlo-ren ging. Im März 1993 verübte die RAF ihren letzten Anschlag und am 20. April 1998 erklärte sie ihre Selbstauflösung.

�Der schwer verletzte Mirbach wird aus der Botschaft abtransportiert.

pict

ure

allia

nce/

TT N

ews

Age

ncy

Pres

sens

Bild

Page 21: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

21Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Geiselnahme von Stockholm

Als das Terrorkommando »Holger Meins« am 24. April 1975 in den Mit­tagsstunden die bundesdeutsche Bot­schaft in Stockholm erstürmte und zwölf Geiseln nahm, fragten die Gei­selnehmer sofort nach dem Militärat­taché: »Wer ist von Mirbach?« Er gab sich ohne zu zögern zu erkennen. Nicht nur, dass er für sie das offen­sichtlichste Symbol des im RAF Jargon sogenannten Schweinesystem BRD war, vermutlich wussten sie auch von seinen Sprachkenntnissen: Sie zwan­gen ihn, umgehend die Verhandlun­gen mit der schwedischen Polizei zu führen. Laut Zeugenaussagen tat Mir­bach dies in den folgenden Stunden ruhig und gelassen. Der damalige Ver­teidigungsminister Georg Leber ord­nete dieses Verhalten später wie folgt ein: »Der Soldat Andreas von Mirbach stellte sich. Er muss wohl gespürt habe, das zuerst gar nicht er als Person her­ausgefordert, gefordert und gemeint war, sondern herausgefordert war das, wofür er als Person gerade stand.« Nach Ablauf eines Ultimatums wurde Mirbach durch die Schüsse der Terro­risten schwerverletzt und konnte erst eine Stunde später von der Polizei ins Krankenhaus gebracht werden. Zu spät wie sich herausstellte. Wenig spä­ter erschossen seine Mörder auch noch den bundesdeutschen Wirtschaftsat­taché Heinz Hillegaart. Andreas Baron von Mirbach starb gegen 18 Uhr des­selben Tages im Karolinska­Universi­tätsklinikum. Er wurde am 30. April 1975 im Beisein von Verteidigungsmi­nister Leber in Eckernförde beigesetzt.

Innerhalb der Bundeswehr wird Mir­bach durch die Nennung im Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin und durch das Mirbach­Beck Zimmer an der Offi­zierschule des Heeres in Dresden ge­würdigt. Zudem hat sich der 26. Offi­zierlehrgang des Militärfachlichen Dienstes im April 2007 den Beinamen »Oberstleutnant i.G. Andreas Baron von Mirbach« gegeben.

Aus heutiger Sicht erscheint der Um­gang mancher seriöser deutscher Me­dien mit den Morden der RAF und den Tätern recht bedenklich. Die durchaus intensive Beschäftigung hiermit, insbe­sondere im Zusammenhang mit der 68er­Generation hat dazu geführt, dass die Täter häufig bekannter sind und mehr Aufmerksamkeit erhalten als die Opfer und deren Angehörige. Der Fall Andreas von Mirbach ist hierfür ein of­fenkundiges Beispiel. So wird zum Bei­spiel einem seiner Mörder, Karl­Heinz Dellwo, die Motivation für seine terro­ristischen Taten unter anderem als »Akt des Widerstandes gegen staatli­che Gewalt« ausgelegt. Es fällt schwer, diese erstaunlich wohlwollende Inter­pretation nachzuvollziehen.

Dieter H. Kollmer

LiteraturtippsMichael März, Die Machtprobe 1975. Wie RAF und Bewe-gung 2. Juni den Staat erpressten, Leipzig 2007.Anne Siemens, Für die RAF war er das System, für mich der Vater – Die andere Geschichte des deutschen Terro-rismus, München 2007.

Auswahllehrgang Heer an der Füh­rungsakademie. Gut drei Jahre lang war Mirbach in Hamburg für die takti­sche Ausbildung von angehenden Stab­soffizieren des Heeres zuständig.

Aufgrund seiner ausgezeichneten Kenntnisse der schwedischen Sprache und Kultur nahm er ab Januar 1973 an der Militärattaché­Ausbildung in Bad Ems teil. Trotz dieser sehr guten Vor­bildung, die sicherlich auch ein Krite­rium für seine darauffolgende Aus wahl zum künftigen Verteidigungsat taché an der Botschaft der Bundes republik Deutschland in Schweden war, be­mühte sich Mirbach, auch weiterhin sein Sprachniveau deutlich zu verbes­sern. Spätere Vorgesetzte nutzten seine Sprachkenntnisse im Rahmen wichti­ger Verhandlungen, aber eben auch die Terroristen im April 1975.

Verteidigungsattaché in Schweden

Mit Wirkung vom 1. August 1973 wurde Oberstleutnant i.G. Andreas Baron von Mirbach vom Bundesminis­terium der Verteidigung an das Aus­wärtige Amt abgeordnet. Sehr schnell arbeitete er sich in seine neue Aufgabe als Verteidigungsattaché ein und knüpfte Netzwerke zur schwedischen Verwaltung sowie zum Militär. Aber auch innerhalb der Botschaft in Stock­holm schaffte »er es mit seiner offenen, sachlichen und fairen Art in außeror­dentlich kurzer Zeit mit den übrigen Arbeitseinheiten eine problemlose Zu­sammenarbeit zu erreichen«. Botschaf­ter Heinz Dietrich Stoecker war von der Persönlichkeit, der Arbeit und der Urteilsfähigkeit Mirbachs so beein­druckt, dass er »häufig das Gespräch mit ihm auch auf den der politischen Berichterstattung vorbehaltenen Ge­bieten gesucht hat«. Der für Mirbach zuständige Stabsabteilungsleiter im Bonner Verteidigungsministerium vermerkte in seinem Beurteilungsbei­trag: »Oberstleutnant v.M. ist ein Offi­zier, der für die Aufgabe als Militärat­taché besonders geeignet und befähigt ist. Eine Beförderung zum Oberst in dieser Position wäre wünschenswert. Sie wurde vom Botschafter gefordert und wird durch das Auswärtige Amt und mir uneingeschränkt befürwor­tet.« Mirbach war offensichtlich eine ideale Besetzung auf diesem Dienst­posten zwischen Militär und Diploma­tie. Wenig später sollte ihm dies zum tödlichen Verhängnis werden.

Kommando »Holger Meins«Holger Meins (1941‑1974), Sohn wohlhabender Eltern, radikalisierte sich im Rah-men der Studentenbewegung 1968 und schloss sich im Oktober 1970 der RAF an. Nach der Beteiligung an verschiedenen Anschlägen wurde er zusammen mit Andreas Baader und Jan-Carl Raspe infolge einer Schießerei am 1.  Juni 1972 in Frankfurt a.M. verhaftet und inhaftiert. Im Januar 1973 ging Meins aus Protest ge-gen die Haftbedingungen zusammen mit anderen Gefangenen zum ersten Mal in den Hungerstreik. Die RAF-Gefangenen wollten zudem zusammengelegt werden und beanspruchten den Status als Kriegsgefangene für sich. Der dritte Hunger-streik endete am 9. November 1974 tödlich. Meins war zu diesem Zeitpunkt trotz Zwangsernährung auf 39 kg abgemagert. Ein Foto des ausgemergelten Meins ge-langte an die Öffentlichkeit und machte ihn sehr schnell zum Märtyrer verschiede-ner linker Gruppierungen. Die Terrorgruppe, die am 24. April 1975 die Stockhol-mer Botschaft der Bundesrepublik überfiel, nannte sich in seinem Andenken »Kommando Holger Meins«, denn die RAF bezeichnete ihre Terrorkommandos im-mer nach zuvor verstorbenen Mitstreitern. Die Stockholmer Geiselnehmer waren RAF-Mitglieder der sogenannten 2. Generation, namentlich: Karl-Heinz Dellwo, Siegfried Hausner, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Lutz Taufer, Ulrich Wessel und Stefan Wisniewski.

Page 22: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

22 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Service Das historische Stichwort

»Dieser 9. November ist ein historischer Tag. Die DDR hat mitgeteilt, dass ihre Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind. Die Tore in der Mauer stehen weit of-fen!« Das verkündete um 22.43 Uhr der Chefmoderator der ARD-Tagesthemen, Hanns Joachim Friedrichs.

Die unumstößliche Aussage war voreilig, wie die Liveschaltung nach West­Berlin zeigte. Un­

spektakulär stand Reporter Robin Lau­tenbach vor dem weiterhin geschlosse­nen Grenzübergang Invalidenstraße. Doch drei ihn umringende West­Ber­liner schilderten als Augenzeugen vor einem Millionenpublikum, am Grenz­übergang Bornholmer Straße hätten DDR­Bürger ohne Komplikationen mit ihrem Personalausweis in den Westen passieren können – tränenüberströmt und von Emotionen überwältigt. Dies höre man auch von anderen Orten, be­tonte Lautenbach, der kurzerhand die

monströse Mauer, die seit dem 13. Au­gust 1961 Berlin, Deutschland und die feindlichen Blöcke von Ost und West teilte, zu einem Bauwerk der Vergan­genheit erklärte.

Auch das eilte dem Geschehen vor­aus. Doch Medienberichte wie diese wurden zur »self­fullfilling prophecy«, die den Lauf der Ereignisse so voran­trieben wie die längst zur Ikone jenes welthistorischen Epochenjahrs 1989 gewordene Pressekonferenz: Am sel­ben Tag, gegen 19 Uhr, hatte SED­Polit­büromitglied Günter Schabowski hier den entscheidenden, wenn auch unbe­absichtigten Anstoß zur Mauer­Öff­nung gegeben.

Massenflucht und Oppositions-bewegung

Der 9. November 1989 war dramati­scher Höhepunkt einer langen System­krise der DDR. Seit der Generalsekre­

tär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Michail Gorbat­schow, in der Sowjetunion (UdSSR) ab 1985 mit Glasnost und Perestroika einen grundlegenden Wandel forcierte, war der Ostblock im Umbruch begriffen. In Ungarn betrieben Reformkommunis­ten die Liberalisierung. In Polen gab es nach halbfreien Wahlen im Juni 1989 erstmals eine nichtkommunistische Regierung. Doch in der DDR verhin­derte die Altherren­Riege der Sozialis­tischen Einheitspartei (SED) unter Staats­ und Parteichef Erich Honecker jegliche Reform.

Seit Juni 1989 flohen tausende, vor al­lem junge DDR­Bürger in den Westen, zunächst über Ungarn. Als Budapest im September die Grenzen für DDR­Flüchtlinge öffnete, verbot das SED­Regime Reisen ins sozialistische Bruderland. Daraufhin überschwemm­ten Flüchtlinge die westdeutschen Bot­schaften in Prag und Warschau, um so

Service

5�Nacht vom 9. auf den 10. November 1989: Berliner aus beiden Teilen der Stadt stürmen die Mauer am Brandenburger Tor.

pict

ure-

allia

nce/

akg-

imag

es

»Die Tore in der Mauer stehen weit offen!«

Der Mauerfall am 9. November 1989

Page 23: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

23Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

gerade begonnenen, mit viel Spannung erwarteten Polen­Besuch zu unterbre­chen, um nach Berlin zu eilen – das warnende Beispiel Adenauers vor Au­gen, der 1961 erst Tage nach dem Mau­erbau am Ort des Geschehens erschien. All das wirkte medial zurück in die DDR.

In Ost­Berlin hatten sich bis 20 Uhr an die hundert Menschen an den Grenz übergangsstellen eingefunden. Unter Verweis auf Schabowskis Mittei­lung begehrten sie Durchlass. Die Kon­trollstellen hatten keinerlei klare Wei­sung. Die alarmierten Vorgesetzten der Grenztruppen der DDR blieben ratlos – und politische Verantwortliche un­auffindbar auf Tauchstation. Unterdes­sen wuchs die Zahl der Wartenden und deren Ungeduld. Um 21.30 Uhr ließen DDR­Grenzer erstmals »provokative Querulanten« passieren, wobei sie de­ren Ausweise ungültig stempelten und die Betroffenen so ohne deren Wissen ausbürgerten. Doch diese als Entlas­tung gedachte »Ventil­Lösung« ver­schärfte die Situation eher, da die in­zwischen unübersehbare Menge mitbekam, dass anderen der Grenz­übertritt erlaubt wurde – ihnen aber nicht. Gegen 23.30 Uhr war der Druck so stark, dass die Verantwortlichen an der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße den Schlagbaum öffneten. Un­kontrolliert strömten tausende Men­schen durch die sonst nicht überwind­baren Kontrollanlagen. Bis Mitternacht öffneten sich nun alle Grenzübergänge zwischen beiden Stadthälften.

Wildfremde aus Ost und West lagen sich jubelnd und tränenüberströmt in den Armen. »Wahnsinn« war das Wort dieser hochemotionalen Stunden; zu wundersam und unfassbar schien es, dass das menschenverachtende Grenz­regime der DDR, ihr brutales Kennzei­chen und ihre Lebensgrundlage, im Wortsinn über Nacht auch dank der besonnenen Reaktion der Grenztrup­pen friedlich und ohne jedes Blut­vergießen kollabierte. In den unbe­schreiblichen Szenen dieser Nacht, insbesondere in den auf der Mauer tanzenden Menschen vor dem Bran­denburger Tor, ist ein welthistorischer Moment fotografisch und im kollekti­ven Gedächtnis eingefangen. Tatsäch­lich symbolisiert der Mauerfall wie kein anderes Ereignis das Ende des Kalten Krieges und veränderte die Ent­wicklung Deutschlands und Europas für immer.

�Tim Geiger

in die Bundesrepublik zu gelangen. Da die SED am 7. Oktober ungestört den 40. Jahrestag der DDR feiern wollte, er­laubte sie am 30. September 1989 die Ausreise der über 6000 Botschafts­flüchtlinge. Das blieb keine einmalige Aktion, da in die Botschaften der Bun­desrepublik sofort neue DDR­Flücht­linge strömten. Dies erzwang am 4./5. Oktober eine noch größere Ausrei­sewelle, am 4. November die dritte. Da die ČSSR nun die Grenze zur Bun­desrepublik für DDR­Bürger offen ließ, nutzten weiter Tausende dieses Schlupf loch im einst undurchdringli­chen Eisernen Vorhang. Mauer und Stacheldraht an der innerdeutschen Grenze verloren faktisch jeden Sinn.

Vergebliche Wendemanöver

Ab 1961 hatte der Mauerbau brutal, aber effektiv die ständige Abwande­rung von DDR­Bürgern gestoppt. Nun drohte der DDR erneut das Ausbluten durch Massenflucht. Zudem gewann in der DDR, aller Repressionen zum Trotz, selbst die Opposition rapide an Zulauf. Der parteiinterne Sturz Hone­ckers am 18. Oktober änderte daran nichts. Auch seinem Nachfolger Egon Krenz fehlte die Glaubwürdigkeit. Dies verdeutlichte am 4. November die größte nicht­staatlich gelenkte De­monstration auf dem Alexanderplatz, wo die Sprecher politische Forderun­gen wie freie Wahlen und Reisefreiheit stellten. Am 7. November trat die Re­gierung von Ministerpräsident Willi

Stoph zurück, am 8. November folgte das Politbüro.

In dieser unübersichtlichen Situation sollte eine Neuregelung der Reisebe­stimmungen Entlastung bringen. Doch ein Gesetzentwurf vom 6. November enttäuschte. Dieser sah nur einen be­grenzten Reisezeitraum von maximal 30 Tagen im Jahr vor und enthielt darüber hinaus kaum überprüfbare »Versagensgründe«, die der Behörden­willkür freie Hand ließen. Selbst von Parteimitgliedern hagelte es Kritik. Schnellstmöglich musste eine Alterna­tivregelung her.

Ein hastig am Morgen des 9. Novem­ber erstellter neuer Entwurf sah vor, dass fortan Privatreisen ins Ausland ohne das bislang erforderliche Vorlie­gen von Reiseanlässen oder Verwandt­schaftsverhältnissen beantragt werden könnten und kurzfristig genehmigt würden. Die zuständigen Pass­ und Meldestellen der Volkspolizeikreisäm­ter hatten darüber hinaus Visa zur Ständigen Ausreise zu erteilen. Das sollte ab Freitag, 10. November, be­kanntgegeben werden, sodass übers Wochenende ausreichend Vorberei­tungszeit geblieben wäre. Noch am Mittag segnete das SED­Zentralkomi­tee (ZK) diese Regelung ab. Politbüro­mitglied Schabowski, der selbst nicht bei der Beratung anwesend war, gab die ihm kurzfristig zugesteckte Ent­scheidung am Ende einer langatmigen Pressekonferenz in reichlich chaoti­scher Weise bekannt. Sichtlich überfor­dert, antwortete Schabowski auf die Frage, ab wann dies gelte: »Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich.« Damit trat der ZK­Se­kretär eine Lawine los, die das bishe­rige DDR­Grenzregime und damit den gesamten SED­Staat unter sich begra­ben sollte.

»Wahnsinn!«

Innerhalb von Minuten verbreiteten weltweit Nachrichtenagenturen und Fernsehsender die Sensationsmel­dung. In Bonn unterbrach der Bundes­tag seine Beratung und würdigte ge­gen 20.45 Uhr in einer Sondersitzung das historische Ereignis. In unnach­ahmlicher Symbolik sangen die Abge­ordneten am Ende stehend die Natio­nalhymne. In Warschau entschied sich Bundeskanzler Helmut Kohl, seinen

pict

ure-

allia

nce/

dpa

Wol

fgan

g K

umm �Günter Schabowski bei der Pressekon-

ferenz am 9. November 1989

Page 24: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

medien

Service

24

Neue Medien

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Zu diesem Anlass hat der Kunstbei­rat des Deutschen Bundestages den Künstler Simon Schwartz um ein Auf­tragswerk gebeten: Lebensläufe und Wirken von Parlamentarierinnen und Parlamentariern in Comicstrips. Schwartz hatte in seiner Serie »Vita Obscura« für die Wochenzeitung »Der Freitag« bereits gezeigt, wie komplexe Biografien in einem einseitigen Format inhaltlich und grafisch außergewöhn­lich umgesetzt werden können. Für »Das Parlament« wählte er nun aus der fast unüberschaubaren Zahl deutscher Abgeordneter seit der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 45 Per sonen aus, die ihm und seinem Auftraggeber geeignet schienen, die Viel fältigkeit demokratischer Partizi­pation durch parlamentarische Arbeit darzustellen.

Die Zeitreise beginnt mit Friedrich Siegmund Jucho (1805‑1884), dem Schriftführer des ersten demokrati­schen Parlaments in der Frankfurter Paulskirche und endet mit der DDR­ Bürgerrechtlerin und Volkskammer­abgeordneten Regine Hildebrandt (1941‑2001). Dazwischen versammeln sich Männer und Frauen aller Parteien, die sich um die parlamentarische De­mokratie in Deutschland in fünf politi­schen Systemen verdient gemacht ha­ben. Nicht immer sind es große Namen, die eine Würdigung erfahren – für die Auswahl entscheidend war, die Pluralität des deutschen Parlamenta­rismus abzubilden. Ihnen allen wird auf einer Seite ein aus Text und Grafik kombiniertes Denkmal gesetzt, jedes einzelne Porträt spiegelt die Individua­lität der Biografien wider. Für den eher hippiemäßig aussehenden Grünen­Ab­geordneten Walter Schwenninger (1942‑2010) etwa wählte Schwartz eine Darstellung in allen Farben des Regen­bogens. Das Porträt des Mediziners Rudolf Virchow (1821‑1902) ist in eine anatomische Darstellung des mensch­lichen Kopfes eingepasst.

Selbstverständlich kann in den weni­gen Bildern, die auf einer Druckseite Platz finden, nicht ein komplettes Le­ben komprimiert dargestellt werden. Das ist auch nicht das Anliegen des Künstlers. Er konzentriert sich auf her­ausragende, bisweilen auch skurrile Charakterzüge, die die Persönlichkeit der porträtierten Person deutlich und deren politisches und parlamentari­sches Denken und Handeln verständ­lich machen. Schwartz gelingt es, die bunte und vielfältige Geschichte des

Eine Stunde History

Geschichte ist mehr als Zahlen und Fakten und ja, es ist möglich aus

ihr manchmal auch etwas für die Ge­genwart und Zukunft zu lernen. Dies beweist anschaulich und bereits seit Mai 2016 jeden Montag aufs Neue der Podcast »Eine Stunde History« von Deutschlandfunk Nova. In bisher über 100 Folgen widmet sich das Format ei­nem breiten Spektrum historischer und politischer Themen. Diese reichen von der Schlacht auf dem Amselfeld 1389, über die Entstehung des deut­schen Grundgesetzes 1949, bis hin zum Militärputsch in Brasilien 1964. Aber auch eher unkonventionellen Themen, wie etwa der Neunten Sinfonie von Beethoven, wurde bereits eine Folge gewidmet. Schließlich findet sich in diesem Stück die Melodie, die zur Eu­ropahymne wurde. Der Redaktion rund um den Historiker und Journalis­ten Matthias von Hellfeld geht es dabei nicht allein um die Darstellung der his­torischen Ereignisse und Fakten. Viel­mehr verfolgt der Podcast anhand sei­ner Themen das Ziel, Vergangenheit und Gegenwart auf informative Art und Weise miteinander zu verbinden. So thematisiert beispielsweise die Folge über den Großmufti von Jerusa­lem nicht nur dessen Wirken und seine Verbindungen zum Nationalsozialis­mus, sondern erweitert das Thema um den politischen und religiösen Antise­mitismus der Gegenwart. Zu Wort kommen dabei in jeder Folge Histori­ker, Journalisten und diverse Experten, wo möglich auch Zeitzeugen.

Die einzelnen Folgen des überaus ge­lungenen Podcast »Eine Stunde His­

tory« sind zwischen 28 und 41 Minu­ten lang und kostenlos über die Homepage von Dlf Nova, der ARD­Au­diothek, Apple Podcast sowie Spotify abrufbar.

Carsten Siegel

Das Parlament

In diesem Jahr feiert der Deutsche Bundestag sich selbst – zu Recht.

Denn vor 70 Jahren, am 7. September 1949 traten 402 Abgeordnete erstmals im Bonner Bundeshaus zusammen. Vier Jahre nach Kriegsende begann der Wiederaufbau des deutschen Parla­mentarismus, der am 24. März 1933 mit der Annahme des Ermächtigungs­gesetzes faktisch geendet hatte.

Simon Schwartz, Das Parlament. 45 Leben für die Demokratie, Berlin 2019. ISBN 978-3-96445-006-7; 112 S., 20,00 Euro

Page 25: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

medien 25Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

neuedeutschen Parlamentarismus als ein Kaleidoskop unterschiedlicher und in­spirierender Persönlichkeiten zu zei­gen, das dem geläufigen Bild der anzug­uniformierten Juristinnen und Juris ten auf anregende Art widerspricht.

Friederike Höhn

Irische Unabhängigkeit

Wie ein dunkler Schatten aus der Vergangenheit taucht ein Kürzel

in letzter Zeit immer häufiger wieder in den Medien auf: IRA. Die Irish Re­publican Army, gegründet 1919 mit dem Ziel der – zur Not gewaltsamen – Loslösung Irlands aus dem Vereinigten Königreich. Dies gelang für die Repub­lik Irland. Nordirland blieb beim briti­schen Königreich. Fast 80 Jahre lang, bis zum sogenannten Karfreitagsab­kommen 1998 bestimmte der Kampf der radikalen, katholischen Republika­ner mit ihrem politischen Zweig, der Sinn Féin­Partei, gegen die mehrheit­lich protestantischen Unionisten, vor­nehmlich in Nord irland die Geschichte der grünen Insel. Seit dem Brexit­ Beschluss der Briten ist die Irland­ Frage wieder aktuell und Knackpunkt der Austrittsverhandlungen zwischen London und Brüssel. Die sogenannte

Orte der Erinnerung

Das Gedenkstättenportal zu Orten der Erinnerung in Europa ist ein

Projekt der Stiftung Denkmal für die europäischen Juden Europas. Anhand ausgewählter Beispiele ermöglicht es unterschiedliche Einblicke in die viel­fältige Erinnerungskultur. Das Portal informiert über Gedenkstätten für die durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer ermordeten europäischen Ju­den. Es geht auch auf andere Opfer­gruppen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges ein.

Die Startseite des Portals ist eine in­teraktive Europakarte mit Länderna­men. Dies ermöglicht eine schnelle Orientierung und zielgerichtete Suche nach Orten der Erinnerung. Die einzel­nen Länder sind mit ausgewählten Ge­denkstätten verknüpft. Zu jedem Land gibt es ausführliche Hintergrundinfor­mationen. Zu jeder verzeichneten Ge­denkstätte lassen sich verschiedene Reiter aufrufen, die eine Einführung, Ausführungen zur Geschichte, zu den Opfern, zu den Formen der Erinne­rung und Bildmaterial enthalten. Die Rubrik »Service« nennt die Adresse, die Öffnungszeiten und verweist auf mögliche Angebote vor Ort. Alle Infor­mationen lassen sich gebündelt aus­drucken, sodass sich das Portal gut für die Vorbereitung eines Gedenkstätten­besuchs eignet. Sie sind auch in engli­scher Sprache abrufbar.

Esther Geiger

New IRA macht sich diese Stimmung zunutze. Bombenanschläge häufen sich, Ende April 2019 kam bei Aus­schreitungen eine Journalistin ums Le­ben.

Wie hat das alles begonnen? Die Se­rie »Rebellion« führt zurück in die Jahre des Ersten Weltkrieges. In dieser Zeit radikalisierte sich der irische Wille zur Unabhängigkeit und manifestierte sich nicht mehr allein in Schriften und Pamphleten, sondern im gewaltsamen Kampf gegen die als Besatzer wahrge­nommenen Briten.

Vom Politiker bis zum Straßenjun­gen, vom Mädchen aus den Elends­quartieren bis zur Bankiersgattin: Der Wunsch nach Freiheit durchzog alle sozialen Schichten und vereinte die Iren zu einer Nation. So erzählt es die Serie anhand ihrer vielfältig und sorg­sam ausgewählten Protagonistinnen und Protagonisten, deren Geschichten zu einem erzählerischen Netz verwo­ben werden. Da sind die geschickten Verhandler, die das Gespräch mit dem »Feind« suchen, die militanten IRA­Kämpfer, für die es kein zu großes Opfer gibt. Da sind die Frauen und Männer, die Geld verdienen müssen und in der britischen Verwaltung ar­beiten – manche loyal, manche mit Hintergedanken oder Nebenaufgaben.

In der ersten Staffel stehen drei junge Frauen im Mittelpunkt, die in ganz un­terschiedlicher Weise die Rebellion un­terstützen, die 1916 im Osteraufstand, unterstützt vom Deutschen Reich, ih­ren Höhepunkt erreichte. Die zweite Staffel spielt zur Zeit des Irischen Unabhängigkeitskrieges (1919‑1921). Zen trale Figur ist Jimmy Mahan, IRA­ Soldat, der bereits in der ersten Staffel eine Rolle spielt.

Die Sympathien – nicht unbedingt die Moral – der erzählten Geschichten liegen ganz klar auf Seiten der Iren. Die Briten werden weniger vielschichtig gezeigt, ohne Hader, gnadenlos ihr Recht durchsetzend. Einzig der irische Polizist Patrick Mahan, Jimmys Bruder, durchbricht diese Logik.

Insgesamt besticht die Serie durch ihre hervorragende Ausstattung, die historische Haltbarkeit des Erzählten und ihre sehr guten Darstellerinnen und Darsteller. Die vielen Handlungs­stränge und Figuren können durchaus verwirren, dagegen hilft Binge­Wat­ching. Eine dritte Staffel folgt hoffent­lich bald.

Friederike Höhn

Rebellion. 2 Staffeln mit jeweils 5 Folgen. Zu sehen u.a. bei Netflix

https://memorialmuseums.org

Page 26: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Europas Kriege

Krieg als Gestaltungskraft – das ist die Idee des Buches von Dieter Lange­wiesche. In einer differenzierten Ana­lyse europäischer Kriege wie auch ih­rer Typen und Entwicklungen seit dem 18. Jahrhundert analysiert der Autor die europäische Kriegsgeschichte un­ter den Gesichtspunkten Revolution, Nationalstaat und Kolonialismus. Ab­schließend öffnet er den Blick für ge­genwärtige Entwicklungen wie »hu­manitäre Interventionen« und den Kampf gegen den Terrorismus sowie für die Perspektive der Europäischen Union als Friedensprojekt.

Das Buch regt zu kontroversen De­batten an. Langewiesche bezieht dabei Stellung, maßt sich aber nicht an, zu richten. Er fragt, wie Menschen damals das Geschehene wahrgenommen ha­ben, warum Kriege für notwendig ge­halten wurden und in welcher Art und Weise sie geführt werden sollten. Hat der Krieg die Einstellungen der Men­schen, ihr Handeln, ihren Weg in die Zukunft verändert? Warum glaubten und glauben Regierungen sowie auch die Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen, auf den Krieg als ultima ratio nicht verzichten zu können? Warum setzen Menschen, die die Welt verbes­sern wollen, auf ihn?

Im Rückblick der letzten drei Jahr­hunderte kommt Langewiesche bei al­lem Abwägen zu einem Schluss, wel­cher der Behaglichkeit, in der sich unsere heutige Gesellschaft eingerich­tet hat, entgegensteht. Europas Kriege haben die Welt verändert: Ohne Krieg kein Nationalstaat, ohne Krieg keine siegreiche Revolution, ohne Krieg kein Erfolg im globalen Wettbewerb.

Friederike Hartung

Queen Victoria

Die wohl bekannteste Königin Groß­britanniens und Irlands bestieg im Al­ter von 18 Jahren 1837 den Thron. Am Anfang ihrer Regentschaft, die letzt­endlich 63 Jahre andauern sollte, traute ihr jedoch kaum einer zu, ein Land wie Großbritannien zu regieren und ein Weltreich zu beherrschen. Tatsächlich prägte ihre Herrschaft ein ganzes, das Viktorianische Zeitalter.

Die Autorin des vorliegenden Bu­ches, Karina Urbach, ist eine renom­mierte Historikerin für die britische Monarchie des 19. Jahrhunderts. In ih­rer unterhaltsam und gleichzeitig in­formativ geschriebenen Biographie er­zählt sie eine vielschichtige Geschichte der britischen Königin.

Victoria, die zugleich Mutter von neun Kindern war, sicherte durch eine geschickte dynastische Diplomatie, den Fortbestand der britischen Monar­chie. Sie inszenierte das britische Em­pire und machte es zum wichtigsten Symbol für seine Bevölkerung. Ganz nebenbei wurde sie sogar zur Kaiserin von Indien gekrönt.

Urbach beschreibt die britische Köni­gin mit all ihren Emotionen. Victoria soll ihr Umfeld durch regelmäßige Wutausbrüche und einen ausgepräg­ten Egoismus geplagt haben. Demge­genüber sei sie aber auch großzügig, mitfühlend und vor allem charmant gewesen: alles in allem, eine schil­lernde Person, die in diesem wirklich gut geschriebenen und auf Quellen ba­sierenden Buch zum Leben erweckt wird.

Das Buch ist ein Muss für jeden, der sich für die britische Monarchie inter­essiert, und ganz besonders für jeden Queen­Victoria­Fan.

hh

Zweiter Weltkrieg

Vor 80 Jahren begann der Zweite Welt­krieg in Europa. Solch ein historischer Jahrestag bedeutet in der Regel auch eine Konjunktur des Themas auf dem Büchermarkt. Nun erschien in deut­scher Übersetzung eine bereits vor zehn Jahren von dem britischen Histo­riker Andrew Roberts verfasste Ge­samtdarstellung des Zweiten Weltkrie­ges. Roberts schließt sich damit Ian Kershaw und Anthony Beevor an, die bereits ähnliche Werke vorgelegt ha­ben. Auffällig dabei ist: Aus einer deut­schen Feder sind solche populären Ge­samtdarstellungen des Krieges noch immer eine Rarität.

Roberts‘ »Feuersturm« ist keine neue Geschichte des Zweiten Weltkrieges, aber eine gut geschriebene und leicht lesbare. Das liegt vor allem an der Fülle von geschilderten Ereignissen und Anek doten, die eine spannende Dyna­mik entstehen lassen. Dahinter muss dann aber teilweise eine tiefgründige Analyse zurücktreten. Das Besondere an dem Buch ist, wie Roberts mit dem Kontrafaktischen gedanklich spielt. Immer wieder dekliniert er an Schlüs­selentwicklungen des Zweiten Welt­krieges denkbare andere Handlungs­möglichkeiten durch.

Für den Interessierten bietet das Buch einen guten Überblick zum Zwei­ten Weltkrieg. Das Spiel mit kontrafak­tischen Spekulationen kann Spaß ma­chen. Doch Ereignisse und vor allem deren Ursachen sind oft weitaus kom­plexer, als eine verkürzte Analyse er­scheinen lässt. Diese Vorsicht im Hin­terkopf behaltend, bereitet Roberts‘ Darstellung des Zweiten Weltkrieges großes Lesevergnügen.

ch

Dieter Langewiesche, Der gewaltsame Lehrer. Europas Kriege in der Mo-derne, München 2019. ISBN 978-3-406-72708-5; 512 S., 32,00 Euro

Andrew Roberts, Feuersturm. Eine Geschichte des Zweiten Weltkriegs, München 2019. ISBN 978-3-406-70052-1; 896 S., 39,95 Euro

Karina Urbach, Queen Victoria. Die unbeugsame Königin. Eine Biogra-phie, München 2018. ISBN 978-3-406-72753-5, 283 S., 24,95 Euro

Lesetipps

26 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Service

Page 27: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Verschwörungstheorien

Verschwörungstheorien haben Kon­junktur und im Internet herrscht kein Mangel an ihnen. Die Zahl von Wissen­schaftlern, die sich mit den Entste­hungsursachen der Verschwörungsthe­orien professionell auseinandersetzen, ist dagegen sehr übersichtlich. Einer von ihnen ist Michael Butter.

Butter, Professor für Amerikanische Literatur­ und Kulturgeschichte in Tü­bingen, widmet sich dem Phänomen Verschwörungstheorien in anspruchs­voller Weise und beschreibt deren Cha­rakteristika, Argumentationsstrategien und Eigenschaften.

Wie man verschiedene Verschwö­rungstheorien unterscheidet und von­einander abgrenzt, erläutert er akri­bisch und detailliert. Ausführlich werden die bekanntesten wissenschaft­lichen Theorien und deren Geschichte vorgestellt, diskutiert sowie systemati­sche Überlegungen an konkreten Fall­beispielen verdeutlicht.

Butter positioniert sich dabei von An­fang an als Gegner von Verschwö­rungstheorien. Zugleich strebt er an, das Phänomen als solches zu erklären, dessen Entstehung begreifbar zu ma­chen und aufzuzeigen, ob und wann Verschwörungstheorien zum Problem werden können.

Butter bietet auch praktische An­sätze, wie Verschwörungstheorien, die aktuelle politische Debatten beeinflus­sen, begegnet werden könne. Dafür sei die Schulung bestimmter Kompeten­zen sowie sozialwissenschaftliche Bil­dung notwendig. Diese soll Menschen dazu befähigen, vereinfachende Per­spektiven nicht vorbehaltlos einzuneh­men und Verschwörungstheorien auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen.

Markus Pede

Zeitenwende 1979

Ereignete sich vor vierzig Jahren eine Zeitenwende? Das hängt von der Pers­pektive ab. Frank Bösch zeigt mit sei­nen zehn Fallstudien, dass neben 1945 und 1989 auch 1979 ein Jahr histori­scher Umbrüche war: Im Iran verlieh eine Revolution dem islamischen Fun­damentalismus eine neue Gestalt. Die Auslandsreisen des polnischen Papstes Johannes Paul II. stärkten die Rolle der Religion und trugen dazu bei, das ideologische Fundament des Kalten Krieges zu erschüttern. Eine Revolu­tion von linken Sandinisten in Nicara­gua erhielt ebenso Unterstützung in der westlichen Welt wie die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem kommunis­tischen Vietnam.

Der sowjetische Einmarsch in Afgha­nistan zeigte die Grenzen militärischer Machtpolitik auf. China leitete eine grundlegende wirtschaftliche Umorien­tierung ein. Im Westen führte zeitgleich die zweite Ölkrise zu politischen Aus­ein andersetzungen mit den arabischen Ölförderstaaten. Die Wahl Margaret Thatchers zur britischen Premierminis­terin leitete die wirtschaftspolitische Wende zum Neoliberalismus ein – mit Auswirkungen für ganz Europa.

In der Bundesrepublik formten sich neue politische Pole aus, zwischen Li­beralen und der neuen Partei der Grü­nen. Die Ökologiebewegung erhielt zudem großen Auftrieb durch den Un­fall des Atomkraftwerks im US­ameri­kanischen Harrisburg. Zuletzt zeigt Bösch auf, wie die Fernsehserie Ho­locaust zu einer intensiven, kritischen Beschäftigung mit den NS­Verbrechen beitrug. Zeitgeschichte ist die Ge­schichte der Mitlebenden. Das Jahr 1979 zeigt, wie sehr Geschichte in die Gegenwart hineinwirkt.

Martin Rink

Aufklärung

Armut und Ungleichheit nehmen zu, der Raubbau an der Natur zerstört un­sere Lebensgrundlagen und selten zu­vor gab es auf der Welt so viele gewalt­same Konflikte? Im Gegenteil, sagt der amerikanische Evolutionspsychologe Steven Pinker.

Pinker ist nicht dafür bekannt, dünne Bretter zu bohren. In seinem neuen Buch geht es um die Fragen: In wel­chem Zustand befindet sich unsere Welt, wohin hat sie sich in den letzten Jahrhunderten entwickelt und was er­wartet uns in der Zukunft?

Pinker wendet sich vehement gegen die sowohl im linksliberalen als auch im rechtskonservativen Spektrum tief ver­ankerte Annahme, dass es um die Welt schlecht bestellt sei. Er tut das mit dem einfachsten und dabei wirksamsten Mittel: Er prüft, ob sie stimmt. Und da­für schaut er in die Daten. Pinker breitet ein überwältigendes Panorama aus: Reichtum und Wohlstandsverteilung; Demokratie und Menschenrechte; Res­sourcenverbrauch, die Abholzung der Wälder und Öltankerhavarien; Terro­rismus, Krieg, Hassverbrechen und Au­tounfälle; Stressbelastung, Ernährung und Einsamkeit; Kinderarbeit, Kin­dersterblichkeit und Intelligenz­Quoti­enten – Stichwort für Stichwort schlägt er seinen intellektuellen Gegnern die Argumente aus der Hand.

Am Ende stehen zwei Erkenntnisse. Erstens: Die Annahme einer Krise un­serer Wirtschafts­, Gesellschafts­ und Weltordnung ist ein Mythos. Zweitens: Ein Blick in die Daten kann auch scheinbar selbstverständliche Annah­men widerlegen. Die Welt befindet sich im rasanten Wandel hin zum Besseren und unsere verbleibenden Probleme sind lösbar.

Julius Heß

Michael Butter, »Nichts ist, wie es scheint«. Über Ver-schwörungstheorien, Berlin 2018. ISBN 978-3-518-07360-5; 271 S., 18,00 Euro

Frank Bösch, Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann, München 2019. ISBN 978-3-406-73308-6; 512 S., 28.00 Euro

Steven Pinker, Aufklärung jetzt. Für Vernunft, Wissen-schaft, Humanismus und Fortschritt. Eine Verteidigung, Frank-furt a.M. 2018. ISBN 978-3-10-002205-9; 736 S., 26,00 Euro

27Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Page 28: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Service

28 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Die historische Quelle

Service

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Flugplatz Berlin­Gatow

Messerschmitt Me 163B »Komet« – Zwischen Fortschritt und Verbrechen

Die Messerschmitt Me 163 »Komet« war weltweit das schnellste Flugzeug des Zweiten Weltkrieges. Angetrie­ben von einem Raketenmotor durchbrach sie als erstes Flugzeug der Welt die 1000 km/h­Grenze. Da es sich beim Raketenjäger Me 163 um ein Geheimprojekt der Luftwaffe handelte, konnte der Weltrekord jedoch erst nach Kriegsende veröffentlicht werden. Mit ihrem Zweiflüssigkeitsraketentriebwerk stieg die Me 163 in dreieinhalb Minuten auf 12 000 Meter Höhe. Die pro­pellergetriebenen Standardjäger der deutschen Luft­waffe, wie die Messerschmitt Bf 109 oder die Focke­ Wulf Fw 190, brauchten, um ihre Einsatzhöhe zu erreichen, in etwa die vierfache Zeit. Ab Sommer 1944 wehrten Me 163 im Einsatz als Objektschutzjäger – auf­grund ihrer geringen Reichweite und des Treibstoffvor­rates für wenige Minuten wenig erfolgreich – Bomber­angriffe auf Raffinerien in Mitteldeutschland ab.

Trotz der spektakulären Leistungsdaten blieb die Me 163 eine Sackgasse auf dem Weg der Jägerentwick­lung. Innerhalb von wenigen Minuten verbrauchte sie zwei Tonnen Treibstoff und war dann als Gleiter ihren Verfolgern antriebslos ausgeliefert. Eine der Ursache, warum die Me 163 kein schlagkräftiger Jäger zur Zer­störung von Feindbombern wurde, war die unpas­sende Bordbewaffnung. Viele Piloten hatten aufgrund der hohen Geschwindigkeit das Gefühl, beim Anvisie­ren der langsameren Bomber gleich wieder abdrehen zu müssen, um nicht mit ihnen zu kollidieren.

Großbritannien, die USA und die Sowjetunion ver­fügten nach Kriegsende über erbeutete Me 163 und ent­wickelten in Anlehnung daran eigene Hochleistungsjä­ger. Keiner dieser Staaten führte Raketenjäger in seine Einsatzverbände ein. Als Rekordbrecher war die Kons­

truktion dennoch wegweisend: Im Jahre 1947 durchbrach der US­amerikanische Testpilot Chuck Yeager in dem ra­ketengetriebenen Experimentalflugzeug Bell X­1 zum ersten Mal die Schallmauer. Die X­1 war nach dem Prin­zip der Me 163 konstruiert.

Eine originale Me 163B befindet sich in der neuen Dau­erausstellung des Militärhistorischen Museums (MHM) der Bundeswehr Flugplatz Berlin­Gatow. Das innovative Flugzeug steht nicht nur für den Fortschritt in der Mili­tärtechnik zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Auch die Verbrechen der deutschen Luftwaffenrüstung im Natio­nalsozialismus sind Teil seiner Entstehungsgeschichte. Damals waren für die luftmedizinische Forschung die körperlichen Auswirkungen von rasanten Flügen in gro­ßen Höhen weitgehend unerforscht. Die deutsche Luft­fahrtmedizin sollte Verfahren entwickeln, Flugzeugbesat­zungen bei plötzlichen Druckabfällen aus Höhen über 12 000 Meter zu retten. Auch die Entwicklung der Me 163 »profitierte« von dieser höhenphysiologischen For­schung. Weil die bisherigen Forschungsergebnisse vor al­lem auf Tierversuchen beruhten und kaum auf den Men­schen übertragen werden konnten, kam die Idee der Menschenversuche mit Häftlingen aus Konzentrationsla­gen auf: Im Frühjahr 1941 erfuhr der Münchener Reser­ve­Sanitätsoffizier und SS­Untersturmführer Sigmund Rascher bei einem ärztlichen Auswahlkurs der Luftwaffe von den Problemen der Höhenflugexperimente. Er wandte sich mit der Bitte um Häftlinge für Menschenver­suche in einem persönlichen Brief an den Reichsführer­SS Heinrich Himmler. Kurze Zeit später genehmigte Himm­ler Unterdruckversuche an Insassen des Konzentrations­lagers Dachau. Die Luftwaffe stellte die Versuchsanlagen zur Verfügung. Insgesamt missbrauchten Rascher und

seine Mitarbeiter 200 Personen in mehreren Versuchsreihen. Min­destens 70 Menschen überlebten die Menschenexperimente in der Unterdruckkammer nicht.

Stephan Horn

Buch- und FilmtippsRalf Schabel, Die Illusion der Wunderwaffen, Dü-senflugzeuge und Flugabwehrraketen in der Rüs-tungspolitik des Dritten Reiches, München 1994.Botho Stüwe, Peenemünde-West, Die Erpro-bungsstelle der Luftwaffe für geheime Fernlenk-waffen und deren Entwicklungsgeschichte, Mün-chen 1995.Das Kraftei, Raketenjäger Me 163B Komet, Regie: Volker Schröder, Deutschland 2004.

�Messerschmitt Me 163B »Komet« im MHM Gatow

MH

M G

atow

Page 29: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

29Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Geschichte kompakt

Die Erfolgsgeschichte der Pariser Verträge beginnt mit einer Niederlage: dem Scheitern der Ratifizierung des EVG­Vertrages 1954. Dessen Ziel war ein neuer

(west)deutscher Verteidigungsbeitrag im Rahmen einer eu­ropäischen Armee. In Frankreich gab es jedoch starke Vor­behalte gegen eine westdeutsche Wiederbewaffnung, so­dass die Ratifizierung der Verträge im Sommer 1954 in der französischen Nationalversammlung scheiterte.

Letztlich erwies sich dies aber als Glücksfall für die Bun­desrepublik, die nun neue und bessere Möglichkeiten er­hielt, die Sicherheits­ und Souveränitätsfrage zu verhan­deln. Die USA und Großbritannien sahen ohne einen deutschen Verteidigungsbeitrag die Sicherheit des Westens massiv gefährdet. Daher trat man schon 1954 erneut in Ver­handlungen ein. Auf zwei Konferenzen in London und Pa­ris wurde vereinbart, die Bundesrepublik mit einem eige­nen Truppenkontingent in die NATO aufzunehmen. Die Aufstellung deutscher Streitkräfte sollte europäisch kon­trolliert werden. Dazu trat die Bundesrepublik der WEU bei. Im Rahmen der Vertragsschlüsse wurde auch der deut­sche Verzicht auf die Herstellung und Besitz atomarer, bio­logischer und chemischer Waffen erklärt, der bis heute Gül­tigkeit besitzt.

In Paris ist darüber hinaus eine revidierte Fassung des Deutschland­Vertrages verabschiedet worden. Der Bundes­republik wurde »die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten« zuer­kannt. Einzig auf ihre Notstandsrechte bestanden die West­mächte weiterhin. Diese gingen erst 1968 mit der Notstands­verfassung in den deutschen Verantwortungsbereich über.

Die Pariser Verträge traten am 5. Mai 1955 in Kraft. Bun­despräsident Theodor Heuss ernannte Theodor Blank zum ersten Verteidigungsminister der Bundesrepublik. Am 6. Mai trat die Bundesrepublik der NATO bei. Als Reaktion darauf wurde die DDR Teil des östlichen Warschauer Pak­tes. Diese Entwicklungen zementierten zwar die deutsche Teilung, führten aber auch mittelfristig zu einer Entspan­nung in den Ost­West­Beziehungen. Vor allem war durch die Pariser Verträge eine wesentliche Etappe der Westinteg­ration und der nationalen Selbstfindung der Bundesrepu­blik abgeschlossen. Die Bundesrepublik war, zehn Jahre nach dem Untergang des NS­Staates, zu einem anerkannten Bündnispartner der westlichen Mächte geworden.

Cornelia Grosse

Nach der Schreckensherrschaft und der unbeliebten Direktoriumsregierung, die unfähig war, die politi­schen Krisen zu meistern, sehnte sich das revolutio­

näre Frankreich nach Ruhe und Sicherheit. Dies verstand ein machtbewusster General geschickt für sich zu nutzen: Napoleon Bonaparte (1769‑1821), erfolgreicher Feldherr, kehrte im Oktober 1799 aus Ägypten nach Frankreich zu­rück. Der Fehlschlag seines dortigen Feldzugs hatte seinem Ansehen, das er 1796/97 mit militärischen Siegen in Italien errungen hatte, nicht geschadet. Die Menschen sahen in ihm den Retter ihres bankrotten Landes, das von außen durch eine antifranzösische Koalition bedroht wurde.

Napoleon organisierte einen Staatsstreich. Am 9. Novem­ber 1799, nach geltendem revolutionären Kalender der 18. Brumaire, wurden das Direktorium gestürzt und die Abgeordneten durch Napoleons Soldaten verjagt. Der neuen provisorischen Regierung gehörten drei Konsuln an:

Napoleon, Emmanuel Joseph Sièyes und Ro­ger Ducos.

Am 15. Dezember verkündete Napoleon: »Bürger! Die Revolu­tion ist zu den Grund­sätzen zurückgekehrt, von denen sie ausging; sie ist zu Ende.« Inner­halb kurzer Zeit war es ihm gelungen, seine Mitkonsuln auszuboo­ten und eine Verfas­sung absegnen zu las­sen, die ganz auf ihn zugeschnitten war: Gewählt für zehn Jahre und ausgestattet mit weitgehenden

Vollmachten, stand er nun als Erster Konsul an der Spitze des Staa­tes. Nur er konnte Ge­setzesvorschläge ein­

bringen und Beamte, Richter und Offiziere ernennen. Exekutive und Legislative lagen in seiner Hand, wobei Volksentscheide seine Herrschaft zunächst noch demokra­tisch erscheinen ließen. 1802 wurde Napoleon zum Konsul auf Lebenszeit gewählt, 1804 sogar zum Kaiser der Franzo­sen. Frankreich war wieder eine Monarchie. Die politische Freiheit der Revolution war beseitigt. Die bürgerlichen Er­rungenschaften hingegen – wie persönliche Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz – wurden im Code civil festge­schrieben. Napoleons Siegeszug um die Vorherrschaft in Europa begann.

Esther Geiger

18. Brumaire 1799 23. Oktober 1954

Napoleon wird Erster Konsul Pariser Verträge

5�Napoleon Bonaparte als Erster Konsul. Gemälde von François Gérard, Musée Condé im Schloss Chantilly

5�Die Regierungschefs und -vertreter unterzeichnen die Pari-ser Verträge im Palais de Chaillot.

pict

ure-

allia

nce/

akg-

imag

es

picture-alliance/dpa

Page 30: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

• Berlin

asisi Panorama BerlinDie MauerCheckpoint CharlieFriedrichstaße 20510117 BerlinTel.: 03 41 / 35 55 34 0 www.die-mauer.deDauerausstellungtäglich 10.00 bis 18.00 UhrEintritt: 10,00 Euroermäßigt: 8,00 Euro

Open-Air-Ausstellung »Revolution und Mauerfall«Innenhof der Stasi­ ZentraleRuschestraße 10310365 BerlinTel.: 0 30 / 57 79 98 02 0 www.revolution89.deDauerausstellungtäglich 10.00 bis 18.00 UhrEintritt frei

Ost-Berlin. Die halbe HauptstadtMuseum Ephraim­PalaisPoststraße 1610178 BerlinTel.: 0 30 / 24 00 21 62www.stadtmuseum.de/ephraim-palais11. Mai bis 9. November 2019Dienstag, Donnerstag bis Sonntag10.00 bis 18.00 UhrMittwoch12.00 bis 20.00 UhrSonderöffnungszeiten an FeiertagenEintritt: 7,00 Euroermäßigt: 5,00 Eurojeden 1. Mittwoch im Monat Eintritt frei

Fotografien der Verfolgung der Juden. Die Niederlande 1940‑1945 Stiftung Topographie des TerrorsNiederkirchnerstraße 810963 BerlinTel.: 0 30 / 25 45 09 0www.topographie.deOktober 2019 bis März 2020täglich10.00 bis 20.00 UhrEintritt frei

Mehr als Worte. 150 Jahre PostkartengrüßeMuseum für KommunikationLeipziger Straße 1610117 BerlinTel.: 0 30 / 20 29 40www.mfk-berlin.de21. August 2019 bis 5. Januar 2020Dienstag9.00 bis 20.00 UhrMittwoch bis Freitag9.00 bis 17.00 UhrSamstag, Sonntag und Feiertage10.00 bis 18.00 UhrEintritt: 6,00 Euroermäßigt: 3,00 Euro

• Bonn

Very British.Ein deutscher BlickHaus der GeschichteMuseumsmeile Willy­Brandt­Allee 14 53113 BonnTel.: 02 28 / 91 65 40 0www.hdg.de10. Juli 2019 bis 8. März 2020Dienstag bis Freitag9.00 bis 19.00 UhrSamstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 UhrEintritt frei

• Dresden

»Der Führer Adolf Hitler ist tot.« Attentat und Staats-streichversuch am 20. Juli 1944. Sonderausstellung zum zivil-militärischen Widerstand gegen das NS-RegimeMilitärhistorisches Museum der BundeswehrOlbrichtplatz 201099 DresdenTel.: 03 51 / 82 32 80 3www.mhmbw.de4. Juli bis 3. Dezember 2019Dienstag bis Sonntag10.00 bis 18.00 UhrMontag 10.00 bis 21.00 UhrEintritt: 7,00 Euro (für alle Ausstellungen)ermäßigt: 4,00 EuroFreier Eintritt für Bun­deswehrangehörige

• Köln

Deutsches Sport- und OlympiamuseumIm Zollhafen 150678 KölnTel.: 02 21 / 33 60 90www.sportmuseum.deDauerausstellungDienstag bis Freitag9.00 bis 18.00 UhrSamstag bis Sonntag, Feiertage 11.00 bis 19.00 UhrEintritt: 6,00 Euroermäßigt: 3,00 Euro

• Potsdam

Fontane.200/ BrandenburgBilder und GeschichtenHaus der Brandenbur­gisch­Preußischen GeschichteKutschstallAm Neuen Markt 914467 PotsdamTel.: 03 31 / 62 08 55 0www.fontane-200.de7. Juni bis 30. Dezember 2019Dienstag bis Donnerstag10.00 bis 17.00 UhrFreitag bis Sonntag10.00 bis 18.00 UhrEintritt: 7,00 Euroermäßigt: 5,00 Euro

• Weimar

Haus der Weimarer RepublikForum für DemokratieTheaterplatz 499423 WeimarTel.: 03 64 3 / 82 75 71www.hdwr.deDauerausstellungtäglich9.00 bis 19.00 UhrEintritt: 5,00 Euroermäßigt: 3,50 Euro

Service

30 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

Ausstellungen

Page 31: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Militärgeschichte im Bild

Marathon – Schlachtenmythos und moderner Sportwettkampf

Trustees of the British Museum/CC BY-NC-SA 4.0

31Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2019

wusste sich erfolgreich bei Salamis und Plataiai zu wehren. Athen stieg zur He­gemonialmacht auf.

Die Kriege gegen die Perser entfalte­ten eine breite Wirkungsgeschichte. Schon der antike Dichter Aischylos hob in seinem Drama »Die Perser« (472 v.Chr.) die Ereignisse auf eine hö­here Deutungsebene: Die Siege von Sa­lamis oder Plataiai standen ganz allge­mein für den Kampf der Griechen um Freiheit. Mit der Zeit wurde jedoch vor allem die Schlacht bei Marathon zum Symbol für die Perserkriege und diente der griechischen Selbstdarstellung: Freiheit und Zivilisation gegen Unter­drückung und Barbarei. Diese Schlag­worte funktionierten auch losgelöst vom historischen Ereignis.

Soviel zum historischen Hinter­grund. Mit Blick auf die Sportdisziplin Marathon überrascht eines: Die Per­son, die als historisches Vorbild für den Marathonlauf diente, hat mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nie existiert. Zeitgenossen und erste Historiker, die über die Schlacht berichten, kennen sie nicht. Erst bei Herodot (5. Jh. v.Chr.) taucht ein Eilläufer namens Pheidippi­des auf. Er lief in der Erzählung von Athen nach Sparta, um die Spartaner aufzufordern, sich dem antipersischen Bündnis anzuschließen. Die bekann­

Die Sonne brennt auf der »klassi­schen« Wegstrecke von Mara­thon nach Athen. Marathonläu­

fer geben bei den Paralympics 2004 al­les. Im Vordergrund reckt Pheidippi­des kraftvoll seine Fackel in den Himmel. Die Statue nach antikem Vor­bild erinnert an den Boten, welcher der Überlieferung nach die Kunde vom Sieg der Athener über die Perser in der Schlacht bei Marathon nach Athen brachte und dort vor Erschöpfung tot zusammenbrach. Das Foto ist eine ge­schickte Momentaufnahme. Die Statue des legendären Boten verbindet den Schlachtenmythos mit dem modernen Sportwettkampf, der weltweit Wett­kämpfer begeistert. Doch was ist dran am Mythos »Marathon«?

Bekannt ist, dass im August 490 v.Chr. eine persische Armada bei Marathon in Attika landete. Großkönig Dareios I. hatte 20 000 Mann ausgesandt, um Ra­che für die Unterstützung der Athener für einen Aufstand griechischer Unter­tanen des Perserkönigs zu nehmen. Die Athener boten 8000 schwerbewaff­nete Hopliten auf. Durch geschickte Kriegführung zwangen sie die persi­sche Supermacht zum Rückzug. Zehn Jahre später griffen die Perser unter Großkönig Xerxes I. erneut an. Die Ko­alition griechischer Stadtstaaten

teste Lesart über den Ursprung des Laufs geht auf Plutarch und Lukian zu­rück. Die Historiker der römischen Kai­serzeit berichten im 1. und 2. Jh. n. Chr., also wesentlich später, von einem Läu­fer, der von Marathon nach Athen lief, um den Sieg der Griechen zu verkün­den. Plutarch nennt ihn Theisppos oder Eukles, bei Lukian heißt er Philip­pides und verschmilzt mit Herodots Pheidippides.

Nach Ausgrabungen auf dem histori­schen Schlachtfeld von Marathon und in Erinnerung an die angebliche Leis­tung des Pheidippides kam die Idee auf, den Langstreckenlauf bei den ers­ten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Marathon starten und im ca. 40 km entfernten Athen enden zu las­sen. Der Marathonlauf wurde seither zur festen olympischen Disziplin, ob­gleich es das vermeintliche antike Vor­bild so nie gegeben hat. Boten, auch »Tageläufer« genannt, absolvierten zwar Strecken, die weitaus länger, teil­weise sogar bis zu 100 Kilometer lang waren, aber nicht unter Wettkampfbe­dingungen. Die heutige Länge von 42,195 Kilometern erhielt der Lauf bei den Olympischen Spielen von London 1908. Sie entspricht allerdings nicht der Entfernung vom Schlachtfeld bis nach Athen, sondern der Entfernung von Schloss Windsor bis zur königlichen Loge im damaligen Londoner Olym­pia stadion.

Nicht zuletzt durch den modernen Sport ist die Schlacht bei Marathon bis heute geläufig. Dass dabei ein Ereignis gewürdigt wird, das in dieser Form gar nicht stattgefunden hat, tut dem My­thos Marathon und seiner großen An­ziehungskraft als Massensport keinen Abbruch.

Esther Geiger/Harald Potempa

�Antike Darstellung des sogenannten Dolichos, eines dem heutigen Mara-thon ähnlichen Langstreckenlaufs. Die-ser hatte allerdings »nur« eine Länge von 3845 Metern.

Page 32: Sport und Militär von der Antike bis heute …mgfa.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/2_zmg...Sport und Militär von der Antike bis heute Geschichte des Versehrtensportes Kriegstagebuch

Neue Publikationen des ZMSBw

ww

w.m

gfa.

dew

ww

.zm

sbw

.de

AbonnementJahresabonnement: 14,00 Euro inkl. MwSt. und Versandkosten (innerhalb Deutschlands, Auslandsabonnementpreise auf Anfrage)Kündigungsfrist: 6 Wochen zum Ende des Bezugszeitraumes.

Matthias Rogg, Kompass Militärgeschichte. Ein historischer Überblick für Einsteiger. Hrsg. vom ZMSBw, Freiburg i.Br., Berlin, Wien: Rombach 2013, X, 384 S., 19,80 EuroISBN 978-3-7930-9732-7

Mit Unterstützung des MGFA:

Die Garnisonkirche Potsdam. Zwischen Mythos und Erinnerung. Im Auftrag des ZMSBw hrsg. von Michael Epkenhans und Carmen Winkel, Freiburg i.Br., Berlin, Wien: Rombach 2013, 120 S., 10 EuroISBN 978-3-7930-9729-7

»Vom Einsatz her denken!« Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Mit Beiträgen von Donald Abenheim, Eberhard Birk, Bernhard Chiari, Antje Dierking, Axel F. Gablik, Winfried Heinemann, Hans-Hubertus Mack und Peter Andreas Popp. Im Auftrag des ZMSBw hrsg. von Dieter H. Kollmer, Potsdam: ZMSBw 2013, 107 S. (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 22), 9,80 EuroISBN 978-3-941571-26-6

Piraterie in der Geschichte. Mit Beiträgen von Robert Bohn, Martin Hofbauer, Teresa Modler, Gorch Pieken und Martin Rink. Im Auftrag der Deutschen Kommission für Militärgeschichte sowie des ZMSBw hrsg. von Martin Hofbauer, Potsdam: ZMSBw 2013, V, 85 S. (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 21), 9,80 EuroISBN 978-3-941571-25-9

Kontakt zum Bezug der Zeitschrift:

Zentrum für Militärgeschichte und

Sozialwissenschaften der Bundeswehr

z.Hd. Frau Christine Mauersberger

Postfach 60 11 22, 14471 Potsdam

Tel.: 0331/9714 599, Fax: 0331/9714 509

Mail: [email protected]

Die Betreuung des Abonnements erfolgt über die Firma SKN

Druck und Verlag, Stellmacher Straße 14, 26506 Norden,

die sich mit den Interessenten in Verbindung setzen wird.

20. Juli 1944. Neue Forschungen zum Wider-stand gegen Hitler.Im Auftrag des ZMBw hrsg. von Jörg Hillmann und Peter Lieb, Potsdam: ZMSBw 2019 (= Potsdamer Schriften des Zen-trums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundes-wehr, 29), 87 Seiten, 5,90 Euro,ISBN 978-3-941571-35-8

»Der Führer Adolf Hitler ist tot«Attentat und Staatsstreich versuch am 20. Juli 1944. Hrsg. von Magnus Pahl und Armin Wagner, Berlin: be.bra Verlag 2019, 176 Seiten, 26,00 Euro,ISBN 978-3-89809-168-8

Duale Karriere als InstitutionPerspektiven ziviler Karrieren ehemaliger Offiziere. Hrsg. von Martin Elbe, Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag(= Sozialwissenschaftliche Studien des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bun-deswehr, 18), 214 Seiten, 29,00 Euro, ISBN 978-3-8305-3962-9

Die »Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung« finden Sie auch in der Media-App der Bundeswehr (kostenfrei).