Sprachauswahl - FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL · 2007. 11. 6.  · Lars Noren wollte es...

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FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL 13 No. 0 1

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FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL

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1 . Ausgabe / 1er numéro 11 .06 .2007

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QuestionsDe Directions

photo: O.Chambrial | texte: Mariette Loirat

REGIE, CHOREOGRAPHIE | MISE EN SCÈNE, CHORÉGRAPHIE COLLECTIF AOC & REBECCA MURGI

MIT |AVEC MARLÈNE RUBINELLI-GIORDANO, MATHIEU PRAWERMAN, GAÈTAN LEVÈQUE, MARC PARETI, YLVAIN DECURE, CYRILLE MUSY, NEDJAM BENCHAIB, CHLOÉ DUVAUCHEL, OLIVIER TENEUR

| oÙ Va - t - on ?

Le collectif AOC, Appellation d’Origine Contrôlée ou Artistes d’Origine Circassienne, ou label pour un bon vin, donc attestation pour un bonheur assuré, rompt avec le cirque traditionnel. Il s’inscrit dans la lignée du nouveau cirque. Ici, ne vous attendez pas à retrouver Monsieur Loyal, le clown n’a pas de nez rouge, et vous ne verrez pas non plus de numéro de domptage. L’orchestre traditionnel est remplacé par un homme-orchestre et le chapiteau est orange. Musique, costumes, street dance et autres codes urbains sont utilisés pour un décalage assuré, en tous les cas promis.

Sous le chapiteau, la scène circulaire sur laquelle est tracée une ligne jaune ressemble à une boussole. Quelle direction nous indique-t-elle ? Comme des pantins sortant chacun de sa boite, les interprètes surgissent du sol par des trappes, comme montés sur ressorts. Sous la scène, ça grouille, il se passe visiblement pas mal de choses.

Le spectacle est en trois dimensions, Nord/Sud, Est/Ouest, en diagonal, sous terre, de haut en bas, en profondeur. Dans cet espace, les personnages tracent des lignes avec leur imagination. Les danses, les performances, les acrobaties sont travaillées sur ces multiples axes. Ainsi, le duo de trapézistes sait jouer des verticales, des coulées de corps, tout en se balançant dans les airs. Des portés souvent riches en inventions, malgré une belle et feinte simplicité non dénuée d’humour. Ainsi encore ce duo à distance qui réunit en une image le mât tendu vers le ciel au fil de fer tracé dans l’horizon. Des lignes à l’espace, le spectacle se construit pour nous guider vers l’exploration d’un inattendu trou noir. Etonnant numéro de trampoline où le temps et l’apesanteur semblent s’être donné rendez-vous. Les personnages se font absorber, rejeter, bousculer dans les filets â rebonds. Au ralenti, en accéléré, en avant, ou en arrière, on dit rewind sur nos machines modernes, les corps figurent les temps possibles dans un même espace. On en perd sa boussole. Propulsés dans cette machine à broyer les repères, les interprètes, jusqu’alors plutôt artisans de la lenteur, semblent sur vitaminés. Libérés des lignes et des angles droits, ils offrent une fin de partie plus colorées et plus folle. Auraient-ils placé la scène sans dessus dessous et par le rebond transformé le dessus du dessous ? Ce n’est qu’une hypothèse...

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AuFBrucH insunGeFÄHre

QuestionsDe Directions

Foto: O.Chambrial | Text: Stefanie Marsch

Eine atemberaubende Atmosphäre herrscht in dem grell orangen Zirkuszelt vor dem Saarbrücker Staatstheater – was zunächst nicht allein den Artisten der Show „Question de Directions“ zu schulden ist. Die drückende Hitze unter dem hohen Dach lässt dem Publikum die Luft wegbleiben. Dem kollektiven Wedeln mit Programmheften folgt dann aber kollektives Staunen. Denn was die französische Gruppe Collectif AOC auf der Bühne zeigt, macht für anderthalb Stunden die Hitze vergessen. Die neun Artisten bieten ein Programm ohne Zäsur, ohne Innehalten: eine soghafte Mischung aus Tanz-Performance, Slapstick und Akrobatik.Das Gute kommt diesmal nicht von oben, sondern von unten. Die ungewöhnliche Art des Auftritts und Abgangs durch Klappen im Boden der Bühnenplattform markiert ein zentrales Element, das immer wieder in Szene gesetzt wird. Die Darsteller schießen aus den Löchern oder lassen sich kopfüber hineinfallen, strecken spielerisch nur die Beine heraus und linsen frech über den Rand der Öffnungen.

Auf der Bühne spielen die Mitglieder des Collectif AOC aus, was sie am Centre National des Arts du Cirque gelernt haben – und das teilweise gleichzeitig. Eine Artistin hangelt sich wie Spider Man an einer fünf Meter hohen Stange auf und ab. Eine Seiltänzerin vollführt Sprünge und Drehungen auf dünnem Draht. Mit erstaunten Ausrufen und begeistertem Applaus quittiert das Publikum die Höhepunkte der Show: eine Paar-Einlage am Trapez und das große Finale am Trampolin. Atempausen sind im Programm nicht vorgesehen. Zusammengehalten und vorangetrieben wird die permanente Aktivität durch komödiantische Einlagen und Tanz.

„Question de Directions“ ist der Versuch, das traditionelle Bild vom Zirkus aufzubrechen: kein Direktor mit Zylinder, kein wagemutiger Löwen-Dompteur und kein Clown mit roter Pappnase. Der Wille, etwas Neues und Individuelles zu kreieren, ist lobenswert und wird in Ansätzen auch umgesetzt, er geht jedoch an manchen Stellen zu weit. Das Abweichen vom hierarchischen Nummern-Programm hin zur Gleichzeitigkeit verschiedener artistischer Darbietungen wirkt zunächst erfrischend anders. Zuviel (geplante) Anarchie auf der Bühne löst jedoch Verwirrung aus, sodass man bisweilen nicht so recht weiß, wo man hinsehen soll. Selbst der aufmerksamste Beobachter dürfte daran scheitern, alles aufzuzählen, was er gesehen hat. Trotzdem ist „Question de Directions“ ein Erfolg. Aus einem einfachen Grund: Die Show bietet Spaß und Kurzweil. Und letztendlich sind es gerade die traditionellen Zirkus-Elemente, die Begeisterung im Publikum auslösen.

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FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL1 . Ausgabe | 1er numéro 11 .06 .2007

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MIT ANNE TISMER

LARS NOREN

DER 20. NOVEMBERTEXT & REGIE

EINE PRODUKTION DES FESTIVAL

AVECANNE TISMER

LE 20 NOVEMBRE TEXTE & MISE EN SCÈNELARS NORENUNE CRÈATION DU FESTIVAL DE LIÈGE

texte: Marion Bohy-Bunel

ANNE TISMERINTERVIEW | ENTREVUE

Foto | photo: Véronique Vercheval | Text | texte: Aurélie Youlia Übersetzung | traduction: Mareike Vennen

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Text: Mareike Vennen

Anne Tismer im Interview mit Aurélie Youlia, selbst zweisprachig aufgewachsene Schauspielerin. Anne Tismer war in einer deutschen und einer französischen Aufführung des gleichen Stückes, „Der 20. November“, in Saarbrücken zu sehen.

Festivalzeitung:In Saarbrücken spielen Sie „Der 20. November“ auf Deutsch und Französisch. Welche Fassung ist die ursprüngliche?

Tismer: Das Stück hatte seine Premiere auf Französisch beim Festival in Liège. Der Autor und Regisseur Lars Noren ist Schwede; mit dem habe ich immer englisch gesprochen. Für das Französische hatten wir eine Übersetzerin.FZ: Der Titel des Stücks bezieht sich sehr direkt auf die Ereignisse in Emsdetten, als der Junge Sebastian in seinem ehemaligen Gymnasium

einige seiner früheren Mitschüler niederschoss.Tismer: Es geht hier nicht nur um den einen Jungen, aber der Verlag wollte diesen Titel. Lars Noren wollte es „Destruction“ nennen, weil es darin darum geht, alles kaputtzuschlagen. Jetzt orientiert sich der Titel an diesem einen Jungen; aber es geht nicht um die Dokumentation von dessen Identität.

FZ: Aber die Fotokopien, die Sie in der Aufführung verteilen, sind Originalauszüge aus seinem Tagebuch?Tismer: Ja. Als ich die Tagebücher das erste Mal gelesen habe, war ich sehr beeindruckt, dass da im Internet jemand ankündigt, was er machen wird. Und dass er daneben auch über das redet, worüber man in der Schule meist schweigt, weil man als Jugendlicher immer sich selbst die Schuld gibt und einem alles peinlich ist. Aber dieser Junge hat die Drangsalierungen, die ganzen Peinlichkeiten aufgeschrieben. Und da fühlte ich mich selbst an meine eigenen Erlebnisse in der Schule erinnert.

FZ: Als Zuschauer geht es einem genauso, auch wenn man nicht gleich zum Mörder werden will.Tismer: Es ist ganz wichtig, dass er kein Opfer war. Aber solche Gedanken, wie sie Sebastian hat, nagen ja in einem und man denkt die ganze Zeit, irgendwas muss da doch passieren. Die Erinnerungen an meine eigene Schulzeit waren durchaus ein Auslöser, dieses Stück aufzuführen.FZ: Die Selbstdarstellung vielleicht dieser ganzen Generation ist geprägt von Internet, vom Fernsehen, von Haltungen, die Sie ja in der Aufführung auch darstellen.Tismer: Heute kann man sich durch den You-Tube-Kanal selbst veräußern und plötzlich das sein, was überall propagiert wird. Überall wird etwas vorgelebt, in Deutschland soll man irgendwelche Amerikaner anhimmeln - die haben die meiste Publicity. Deswegen redet ja der Junge auch englisch, weil er will, dass ihn alle verstehen. Aber er wird nie diese Chance haben, also bleibt ihm nur das Internet.FZ: Ist es ein Unterschied für Sie, auf Deutsch oder auf Französisch zu spielen? Die deutsche Vorstellung wirkte hier schockierender, deftiger, knallender.Tismer: Das liegt daran, dass ich das Stück vom Französischen ins Deutsche übersetzt habe. Dabei habe ich Einiges geändert und noch härter gemacht. FZ: War das Ihre erste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Lars Noren?Tismer: Ja. Ein gemeinsamer Kollege hat mich gefragt, ob ich was auf Französisch mit Lars Noren machen möchte und ich sagte ja. Dann hat er Lars Noren gefragt, der mich nicht kannte, dann haben wir uns getroffen und überlegt, was wir machen wollen. Während dieser Zeit hat dieser Junge das in Emsdetten gemacht. Da wusste ich, dass ich darüber etwas machen will.

FZ: Und Noren hat den Text für Sie geschrieben?Tismer: Ja. Er hat das, was der Junge im Internet geschrieben hat, als Basis genommen und darüber eine eigene Poesie entwickelt.FZ: Wie reagierte das Publikum auf die bisherigen Aufführungen?Tismer: Sehr unterschiedlich. Es gibt Leute, die verlassen die Vorstellung, weil im Text auch faschistoide Passagen enthalten sind. Nach einigen Aufführungen habe ich längere Diskussionen geführt. Manchmal wissen die Leute dann gar nicht, was sie sagen sollen. Es ist auch schwierig, wenn ich zuvor eine ganze Stunde geredet habe; dann gibt es nicht mehr so viele Argumente. Ich bin sie ja schon fast alle durchgegangen.FZ: Sie arbeiten seit einigen Monaten als freie Schauspielerin in einem eigenen Kollektiv. Haben Sie die Berliner Schaubühne verlassen, um gerade solche politischen Stücke spielen zu können?Tismer: Sonst hätte ich das Stück mit Lars Noren wohl nicht machen können. Gerade haben wir in unserem Ballhaus Ost ein Stück herausgebracht, „25: Mai“, das von Müttern handelt, die ihre Kinder ins Klo, aus dem Fenster werfen. Wenn man nur sich selbst und keinem institutionalisiertem Betrieb verantwortlich ist, kann man solche Sachen machen.

Wer anders ist, ist alleinUnter den Zuschauern im Europabahnhof befindet sich ein Jugendlicher mit der T-Shirt-Aufschrift „Hart.Härter.Ich“. Er scheint zu wissen, um was es in dem Monolog „Der 20. November“ von Lars Norén geht. Ich ist das auf der Welt am meisten verwendete Wort, erzählt darin Sebastian. Er hat auf die vielen Ichs um ihn herum keine Lust mehr. Deshalb führt er eine Tasche mit Waffen bei sich, die er nach einer Stunde gegen seine Lehrer und Mitschüler richten will. Anne Tismer ist Sebastian, der Schüler, der sich für seinen Rachefeldzug die Massaker von Erfurt und Columbine zum Vorbild nimmt. Sie hat ihren Weg von der Tür zum Publikum mit Kreide aufgezeichnet; sechs Meter für Sebastians Leben. Wütende Anklagen schleudert sie ins Publikum, dann wird die Stimme wieder leise, fast bittend. Sie reißt mit drohender Geste die Arme hoch. Im nächsten Augenblick spricht sie mit ruhiger Stimme einen Zuschauer an. Du glaubst wohl, du hast für alles eine Lösung? Nicht jeder antwortet auf die Fragen, ein angespanntes Unwohlsein ist im Raum spürbar, wenn Tismer mit ihrer ungeheuren Körperspannung immer wieder die Distanz zum Publikum durchbricht. Mit ihrer Tasche geht sie auf dem Kreideweg zum Ausgang. Kurz vor der Tür dreht sie sich noch einmal um: Gibt es jemanden, der was dazu sagen will, bevor ich gehe? Das Schweigen hält lange an, länger noch die Präsenz der Schauspielerin selbst nach ihrem Abgang.

DestructionAu bout d’un tunnel, dans un ancien dépôt de bus derrière la gare. À l’entrée du bâtiment, accroupi, quelqu’un trace à la craie un chemin sur le sol de béton brut. Il faut l’enjamber pour entrer dans la salle et soutenir un regard dur et rempli d’angoisse qui vous est jeté d’en bas. Le ton est donné. Le spectateur est invité dans un monde de rats, pour une expérience inconfortable et violente.L’unique personnage de la pièce, Sebastian, est interprété par Anne Tismer dans ce monologue d’une heure. Sebastian Bosse est un jeune allemand qui a défrayé la chronique en 2006 pour avoir ouvert le feu dans son collège avant de se suicider. Être regardé d’en haut par l’étroite porte d’entrée du jugement d’autrui, c’est un peu ce que ressent Sebastian selon Lars Noren. Le spectacle se déroulera sans musique, ou presque. La voix et le souffle de la comédienne empliront la pièce, ou presque. Sebastian ressemble à un héros de tragédie, ou presque. Sebastian interpelle le public. Il veut que tout le monde le regarde, que tout le monde l’entende. Il a l’air fort, mais il est déjà parti depuis longtemps. Mort depuis plus longtemps encore. Dans cette boîte grise de béton, Sebastian nous crie sa colère, littéralement au pied du mur de la société. Lars Noren, activement aidé par la présence dramatique de la comédienne, réussit à nous plonger dans les ténèbres.

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LUBIEde: Anne Bitran | cie les Remouleurs

THÉATRE D` OBJECTS ET VIOLONS

photo: DR | texte: Clothilde De Gastines

LUBIEvon: Anne Bitran | cie les Remouleurs

OBJEKTTHEATER UND VIOLINE

Foto: DR | Text: Tabea Mager

„Lubie“ – Sinnliches Fingertheater in der Kirche„Lubie“, das ist Leidenschaft, Emotion, Obsession. „Lubie“, das sind die Hände der Puppenspielerin Anne Bitran, die sich einander annähern, miteinander spielen. Zwei Violinen begleiten die nächtliche Aufführung in der Johanniskirche mit Duos von Bela Bartok und Luciano Berio. Von der Künstlerin sieht das Publikum nur den Rücken, das Spiel ihrer Hände wird durch einen kristallförmigen Projektor, einen so genannten Zyklopen, auf die Leinwand übertragen. Bitran ist in enges Schwarz gekleidet, ein Turban gibt ihr eine geradezu mystische Erscheinung. Anfangs ist nur schemenhaft eine Hand auf der Leinwand zu erkennen, die langsam klare Konturen annimmt. Die Hand schreibt mit Lippenstift auf einen Spiegel. Schließlich erscheint die zweite Hand auf der Leinwand und in der folgenden Stunde umgarnen und verwandeln sich diese Hände. Aus einem sich umwerbenden Paar wird eine Vereinigung und wiederum ein neues Leben, ein Raubtier stürzt sich auf seine Beute. Mit wenigen Accessoires, einer Orange, zwei Handschuhen, einem Klumpen Teig schafft Bitran unter der Regie von Bénédicte Ober eine Welt des Begehrens und der Vereinigung. Neben diesem Wechselspiel von Licht und Schatten, leichtem Umwerben und tiefer Leidenschaft treten die Violinisten Julian Boutin und Frédéric Aurier als Antagonisten auf. Mal umrahmen sie die Handlung als Scherenschnitt hinter einem angestrahlten Tuch, mal kommunizieren sie direkt vor der Leinwand mimisch mit den Projektionen. Zeitweilig ragen ihre Umrisse bis ins Gewölbe hinauf und dehnen so den Schauplatz auf die gesamte Kirche aus. Fragwürdig jedoch wird die Kombination aus sinnlichem Fingertheater und dunklem Kirchenraum durch comicartige Knetfiguren, mit denen Britan plötzlich die Leinwand bevölkert. Diese scheinen einer anderen Welt anzugehören als die Finger, die langsam eine Orange entkleiden und Bitran selbst, die sich die Hände anschließend genüsslich-lasziv in einem kristallenen Gefäß wäscht. Während die Projektionen anfangs noch faszinieren und das Spiel um Werben und Unterwerfen ein klares Motiv bildet, verlieren sich die Szenen zwischenzeitlich in wenig zusammenhängendem Knetspiel, begleitet von leidenschaftlichen Violinklängen, die in ihrer Dramatik nicht immer zum Leinwandgeschehen passen. Im Gedächtnis bleiben jedoch schöne Bilder und originelle Einfälle, die, sensibler aufeinander abgestimmt, durchgängig eine Atmosphäre von Verlangen schaffen könnten.

Lubie or not LubieUne boite attend comme un petit cercueil dans le choeur de la Johanniskirche, temple protestant situé au centre de Sarrebruck. Derrière cette boite noire, une toile de tissu blanc tendu sert d´écran. Un aquarium coiffe une colonnette sur la gauche de la scène. L´ambiance est à la fois religieuse, intime et légèrement saugrenue.

Dans le noir complet, une silhouette se glisse sur scène pour s´accroupir devant la boite funèbre. Sur l´écran, une forme blanche et floue, comme une ombre lumineuse. Le focus précise les contours d´une main, paume ouverte face au public. Celle-ci s´anime, à la découverte d´elle-même et de son univers, sur la corde romantique de violons, qui dialogue avec elle.

Depuis l´intérieur de la boite, la marionnettiste projette l´image de ses doigts pensifs et avides. Prélude : un rouge à lèvres peint le titre du spectacle sur un miroir à la manière des films muets. Comme dans un film de Buster Keaton, des scènes-types se succèdent : exploit amoureux, festin, illusion d´optique, épopée monstrueuse. De petites mains pour de grandes images. Une belle promesse qui pourtant s´éteint lentement au fil du spectacle, pour laisser place à une succession de saynètes dont l´accumulation atténue la portée poétique.

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Entretien réalisé dimanche 10 juin avec Balazs Gera et Guillaume Gilliet, respectivement metteur en scène et interprète du spectacle Le Feu de Barbusse.Présentez-nous votre compagnie.Balazs Gera: La compagnie est née il y a douze ans en Lorraine. Elle n´a pas de troupe permanente, mais entretient des fidélités comme avec Guillaume Gilliet avec lequel je travaille depuis plus de dix ans. Nous nous in-téressons aux sujets historiques et politiques. Il s´agit autant de l´Histoire que des histoires individuelles prises dans la tourmente des événements politiques. Pour ce spectacle, intitulé “Le Feu”, il s´agit d´une commande du Conseil Général de la Meuse pour les com-mémorations de la bataille de Verdun dont on fêtait, l’an dernier le 90ième anniversaire. C´est la première fois que ce spectacle va être joué devant un public allemand.

Guillaume Gilliet: L’auteur du texte que je joue est Français. C’est un intellectuel qui s’est volontairement engagé pour témoigner. Il aurait pu rester à l´abri comme de nombreux bourgeois. Il met un point d´honneur à rapporter les sensations et la vie quotidienne des soldats dans les tranchées. C´est leur porte-parole. A un moment dans le texte, un soldat dit “nous oublierons nous aussi, il ne restera plus que les mots”. Ce sont donc ces mots que nous transmettons aujourd´hui.

B.Gera: Le succès de ce roman à l’époque de sa publication en 1916 a été largement dû également à l’emploi par l´auteur des dialectes régionaux. Ce qui a été très important pour l’adaptatrice, Delphine Jaillot, avec laquelle nous avons travaillée. Cependant très vite, au delà des mots, nous nous sommes concentrés sur l’image du soldat transformé en bête féroce au moment de “monter au feu”. Nous avons retenu un chapitre du livre, intitulé “le feu”, qui a donné ensuite son titre au roman et à notre spectacle. Ce qui compte c´est cette course de l´homme qui “monte au feu”, ce qu´il devient au moment précis où il va attaquer le camp ennemi. Qu´il soit français ou allemand, c´est la même chose. D ailleurs dans le spectacle de rares indices du costume montrent que le personnage est “un poilu”, comme on appelait les soldats français de cette guerre, mais il pourrait aussi bien être allemand, ou même d´une autre guerre.

Pourquoi jouez vous ce spectacle sur une péniche?G.Gilliet: C´est une proposition du festival… Mais nous avons également joué dans des endroits chargés de signification, sur des anciens champs de bataille comme la Butte de Vauquois ou le Kaisertunnel. Le plus troublant, c´est de jouer dans une nature qui a beaucoup évolué depuis les événements. On ne voit plus de trace de la première Guerre Mondiale mais on sait qu´autour de nous de nombreuses âmes mortes rôdent. Le fait aussi de le jouer aujourd´hui pour la première fois, je le répète, devant un public allemand va sans doute être lourd de significations. Qu´est-ce que cela va me faire de crier “sales Boches” au moment où les soldats montent au feu? Evidemment, nous nous demandons aussi comment le public allemand va accueillir le spec-tacle, quelle curiosité ils pourront y trouver.

Pourquoi avoir interdit le spectacle aux moins de 13 ans?B.Gera: Tout d´abord la langue est assez complexe. Puis c´est un spectacle assez violent : vous me direz que les jeunes de moins de 13 ans sont exposés à la violence mais je vous répondrai que la violence au théâtre est différente. Nous avons choisi l´âge de treize ans, car c´est l´âge auquel, en France, on commence à évoquer les événements de la Première Guerre Mondiale dans les programmes scolaires et où l´on commence aussi à lire Henri Barbusse.

LE FEUINTERVIEW | ENTREVUE

Foto | photo: DR | Text | texte: Justine Wanin Zusammenfassung | résumé: Hannah Kabel

VON | D` HENRI BARBUSSEREGIE | MISE EN SCÈNE: BALAZS GERA

ZUSAMMENFASSUNGHistorische und politische Themen stehen im Mittelpunkt der Arbeit von Regisseur Balazs Gera und Schauspieler Guillaume Gilliet. Seit zehn Jahren arbeiten sie gemeinsam und richten dabei ihren Blick auf die große Geschichte und auf individuelle Geschichten, erfasst im Wirbel politischer Ereignisse.

„Le Feu“ ist eine Auftragsarbeit für den „Conseil Général de la Meuse“ zum 90. Jahrestag der Schlacht von Verdun. Autor Barbusse, französischer Intellektueller, ist als französischer Soldat Zeitzeuge des Ersten Weltkriegs. Mit seinem Text wird er zum Sprecher der Soldaten in den Schützengräben – denn nach dem Verlust ihrer Erinnerung bleibt nichts als das geschriebene Wort.Die Inszenierung konzentriert sich auf das Bild des Soldaten, der sich im Moment des Angriffs auf das feindliche Lager in ein wildes Tier verwandelt. Was passiert in diesem Moment? Ob Deutscher oder Franzose mache dabei keinen Unterschied, so Regisseur Gera.

Das Schiff „Maria-Helena“ als Spielstätte für „Le Feu“ ist zufällig gewählt. Gilliet beschreibt allerdings die beängstigende Stimmung, die ihn erfasste, als das Stück an historischer Stätte auf den früheren Schlachtfeldern gespielt wurde: Die veränderte Landschaft, die den Ersten Weltkrieg vergessen lässt, verbindet sich mit dem Wissen um die unter einem vermodernden Leichen.Im Rahmen des Festivals Perspectives wird „Le Feu“ erstmals vor deutschem Publikum gespielt. Schauspieler Guillaume Gilliet erwartet mit Spannung die Reaktionen des Publikums. Und auch seine eigenen Gefühle, wenn er das Publikum mit „Sales boches“ – „Dreckige Deutsche“ – beschimpft.

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Impressum: mentions légales:deutsch-französisches forum junger kunstforum franco-allemand des jeunes artistesÄußere Badstraße 7a95448 BayreuthTel: + 49 (0) 921 9 800 900Fax: + 49 (0) 921 [email protected]

Projektleiterin |responsable de projet: Maria Bornhorn

Projektassistentinnen |assistantes de projet: Hannah KabelElise Zambeaux

Dozenten | intervenants: Aude LavigneEgbert Tholl

Redaktion | rédaction: Marion Bohy-Bunel, Clotilde De Gastines, Mariette Loirat, Tabea Mager, Stefanie Marsch, Michaela Schuh, Justine Wanin, Matthias Weigel, Mareike Vennen, Aurélie Youlia

Gestaltung | graphisme: Thomas KrämerOranienburger Str. 9110178 Berlinwww.aliastom.de

Das deutsch-französische forum junger kunstDas deutsch-französische forum junger kunst wurde durch eine Initiative des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW), der Stadt Bayreuth und des Bayerischen Kultusministeriums ins Leben gerufen und hat seit 1988 seinen Sitz in Bayreuth. Das forum bietet jungen Künstlern – in Frankreich und Deutschland lebend – professionelle Weiterbildung in verschiedenen Disziplinen des darstellenden Bereichs. Aufgrund der bi-nationalen Struktur der Workshops erhalten die Teilnehmer auf künstler-ischer, professioneller und sprachlicher Ebene einen neuen Blick auf die Kultur des Nachbarlandes.

Das Kulturjournalismus-Atelier begleitet zum zweiten Mal das Festival PERSPECTIVES: Zehn junge Journalisten aus Deutschland und Frank-reich erstellen die Festivalzeitung und setzen sich mit aktuellen Fragen zu Theater, Tanz und Zirkus auseinander. Aude Lavigne (France Culture) und Egbert Tholl (Süddeutsche Zeitung) leiten das Atelier und die Redaktion der Zeitung. Die Zeitung wird täglich vor und nach den Aufführungen verteilt.

Alle Artikel können auch online gelesen werden:www.festival-perspectives.de

Mit freundlicher Unterstützung der Volkshochschule Saarbrücken, der Französischen Botschaft und des ZDF-Theaterkanals.

le forum franco-allemand des jeunes artistesLe forum franco-allemand des jeunes artistes est né de l’initiative de l’Office Franco-Allemand pour la Jeunesse (OFAJ), de la ville de Bayreuth et du Ministère de la Culture du land de Bavière. Il siège, depuis 1988, à Bayreuth. Depuis sa création il a organisé plus d’une centaine d’ateliers transdisciplinaires de formation professionnelle pour les jeunes artistes vivant en France et en Allemagne. Ces ateliers binationaux permettent aux participants d’acquérir des compétences interculturelles tant au niveau professionnel, artistique et que linguistique.

L’atelier de journalisme culturel du forum franco-allemand des jeunes ar-tistes accompagne de nouveau le festival PERSPECTIVES. Dix jeunes étudiants ou jeunes professionnels de France et d’Allemagne, réunis au sein d’une rédaction temporaire, rédigent le journal du festival. Ils tenteront d’aborder les questions actuelles du théâtre, de la danse et du cirque. Aude Lavigne (France Culture) et Egbert Tholl (Süddeutsche Zeitung) encadrent l’atelier et la rédaction du journal, qui sera distribué tous les jours avant et après les spectacles.

Les articles sont consultables sur le site :www.festival-perspectives.de

Avec le soutien de la Volkshochschule de Sarrebruck, l’Ambassade de France en Allemagne et le ZDF-Theaterkanal.

Kulturjournalismusjournalisme culturel

Text | texte: Maria Bornhorn & Elise Zambeaux