St. Guido-Stifts-Platz

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17 Der Platz gehört zu den ältesten der Stadt. Er wird bereits im 12. Jahrhun- dert urkundlich erwähnt als „platea sancti widonis“ des hier seit dem 11. Jahr hundert bestehenden Stiftes St. Gui do, das auf dem nach ihm benann- ten Weiden berg steht. Namensgeber ist der Heilige Guido von Pomposa (ca. 970 - 1046), dessen Gebeine Kaiser Heinrich III. schon 1047 nach Speyer überführen ließ, in die „dem heiligen Apostel und Evangelisten Johann ge- weihte“ und nach ihm benannte Stifts- kirche. Der Name Guido oder Wido (frz. Guyon oder Guy) bedeutet „Wald- mann“, was sich von dem germanischen Namen Witholt ableitet (Wit = Wald, Hold = Mann); daher erklärt sich auch die Verballhornung zu Weiden(-berg). Das Guido geweihte Stift, das um etwa die gleiche Zeit entstand wie der Dom, wurde später während der Französi- schen Revolution aufgehoben und zer- stört. Stadtmauer gibt Bebauung vor Die Verlängerung der Wormser Straße, früher Kornmarkt genannt, führte zum nördlichen Ausgang der Stadt, dem Weidentor (früher auch als Wormser Tor oder Guidotor bekannt). Überreste der hier einst in Ost-West-Richtung verlaufenden Stadtmauer sind in der St. Guido-Stifts-Platz: Ein Ort, umrahmt von vielen baulichen Zeitzeugen Die Abbildung zeigt die von dem Speyerer Christoph Hesler 1555 gefertigte und aqua- rellierte Darstellung des Weidenbergs mit Blick auf den St.-Guido-Stifts-Platz. Bayer. Hauptstaatsarchiv München, RKG Nr. 11947, Dauerleihgabe im LASp, Best. E6, Nr. 2553

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St. Guido-Stifts-Platz: Ein Ort, umrahmt von vielen baulichen Zeitzeugen (Beitrag in: Speyer. Vierteljahresheft des Verkehrsvereins, Winter 2013, S. 17-25; Autorin: Katrin Hopstock).

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Der Platz gehört zu den ältesten derStadt. Er wird bereits im 12. Jahrhun-dert urkundlich erwähnt als „plateasancti widonis“ des hier seit dem 11.Jahr hundert bestehenden Stiftes St.Gui do, das auf dem nach ihm benann-ten Weiden berg steht. Namensgeber istder Heilige Guido von Pomposa (ca.970-1046), dessen Gebeine KaiserHeinrich III. schon 1047 nach Speyerüberführen ließ, in die „dem heiligenApostel und Evangelisten Johann ge-weihte“ und nach ihm benannte Stifts-kirche. Der Name Guido oder Wido (frz.Guyon oder Guy) bedeutet „Wald-mann“, was sich von dem germanischen

Namen Witholt ableitet (Wit = Wald,Hold = Mann); daher erklärt sich auchdie Verballhornung zu Weiden(-berg).Das Guido geweihte Stift, das um etwadie gleiche Zeit entstand wie der Dom,wurde später während der Französi-schen Revolution aufgehoben und zer-stört.

Stadtmauer gibt Bebauung vorDie Verlängerung der Wormser Straße,früher Kornmarkt genannt, führte zumnördlichen Ausgang der Stadt, demWeidentor (früher auch als WormserTor oder Guidotor bekannt). Überresteder hier einst in Ost-West-Richtungverlaufenden Stadtmauer sind in der

St. Guido-Stifts-Platz: Ein Ort, umrahmtvon vielen baulichen Zeitzeugen

Die Abbildung zeigt die von dem Speyerer Christoph Hesler 1555 gefertigte und aqua-

rellierte Darstellung des Weidenbergs mit Blick auf den St.-Guido-Stifts-Platz.

Bayer. Hauptstaatsarchiv München, RKG Nr. 11947, Dauerleihgabe im LASp, Best. E6, Nr. 2553

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Petschengasse und am Hirschgrabennoch heute erhalten. Der Verlauf dieserStraße sollte großen Einfluss auf diebauliche Entwick lung am St.-Guido-Stifts-Platz haben, führte sie doch einstan dessen (heute) östlichem Rand ent-lang, begrenzt von den kleinen, heutenoch bestehenden Anwesen aus dem18. Jahrhundert, die sämtlich auf Vor-gängerbauten fußen. An der Westseitedes Platzes lag das so genannte Ham-melroth. Dieser Name entwickelte sichvermutlich aus einem einst dem Zister-zienserkloster zu Himmerode/Eifel ge-hörenden Anwesen, das sich in Speye-rer Archivalien schon im 15. Jahrhun-dert Erwähnung findet.

Durch Rechtsstreit ursprüngliche Ansicht des Platzes erhaltenDer älteste Vorgängerbau des heutigenEckanwesens an der Mündung von

Wormser und Armbruststraße (Worm-ser Str. 30) war Jahrhunderte lang Ei-gentum des St.-Guido-Stifts. Die Quar-tierliste für den Speyerer Reichstag1541 bezeichnet ihn als „Dechanei amGuidoberg“; sie bot damals Platz fürdrei Betten, eine Stube sowie Stallraumfür vier Pferde. Einem seit 1547 vordem Reichskammergericht anhängigenRechtsstreit zwischen Stadt und Stiftsind die ältesten Darstellungen dieserPlatzeinmündung zu verdanken: Der Speyerer Meiser Christoph Heslerfertigte 1555 vier aquarellierte Zeich-nungen für einen Prozess (siehe Zeich-nung Seite 17). Es handelt sich hier of-fensichtlich um den auch in einer Ur-kunde des Stadtarchivs Speyer erhalte-nen Vorgang: Ausgestellt am 21. Juli1547 geht es dort um einen Streit zwi-schen St. Guido und dem Stadtratwegen eines Neubaus auf dem Weiden-

Wie auf diesem Bild zu sehen ist, lief der St. Guido-Sifts-Platz früher an seinem süd-

lichen Ende viel spitzer aus, als dies heute der Fall ist. An der Stelle der Turmuhrenfa-

brik wurde in den 1960er Jahren ein Neubau errichtet. Stadtarchiv

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berg. Mitte des 18. Jahrhunderts um-fasst der Besitz ein Wohnhaus, ein gro-ßes Gartenhaus bzw. einen Tanzsaal mitWirtschaft, ein Nebengebäude sowieein Badhaus, alles eingeschossig undnicht unterkellert. Im Dezember 1833geht das Gesamtanwesen an den Me-chanicus und Uhrmacher Johann Ge-org Porth (†1867), der hier um 1825seine Turmuhrenfabrik gründet. DerErbauer der neuen Domuhr (1833)wohnt zunächst als Mieter in seinemspäteren Anwesen. Nachfolger seinesgleichnamigen ältesten Sohnes undNachfolgers (†1892) wird Karl Frie-drich Porth (†1912). Das Anwesen um-fasst damals das „dreistöckige Wohn-haus am St.-Guido-Stifts-Platz undEcke der Wormser Straße, Seitenge-bäude, Werkstätte, Remise und Hof -raum, Ziergarten sowie Gemüsegarten“,mit zusammen 1.200 m2. Der zuletzt un-ter dem Namen „Turmuhrenbau L.Porth, Nachfolger Fritz Hofmann“ fir-mierende, bekannte Betrieb besteht bisAnfang der 1970er Jahre. Das schon

früher veräußerte platzprägende Anwe-sen Wormser Straße 30 wurde EndeDezember 1955 abgerissen.

Anfang des 19. Jahrhundertswird der Platz umgestaltetDie alleeähnliche Baumbepflanzung,die auf dem Platz bis zur einseitigenFällung im Rahmen der aktuellenPlatzneugestaltung 2012/13 mehrfacherneuert wurde, stammt ursprünglichaus der Zeit 1821/22. Der älteste genauvermessene Speyerer Stadtplan (1821)zeigt die Bäume in Straßen- bzw. Allee-breite, fortgeführt in gleicher Breite inder nördlich weiterführenden WormserLandstraße. Im Januar 1821 hatte die Stadt um dieErlaubnis gebeten, dass „eine dritteReihe Bäume auf der entgegengesetztenSeite der Straße in der Richtung derdurch dieselbe angegebenen Linie ge-pflanzt werden darf, neben welcher aufdem freyen Platze, innerhalb des ehema-ligen Wormser Thores, durch die hiesigeStadt eine Promenade angelegt wird“. In

Der Weidenberg vor 1914. Das Gasthaus, das 1972 dem Neubau der LIGA weichen

musste, war bis zum Schluss ein richtiger „Geheimtipp“. Stadtarchiv

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jener Zeit ist auch die Anlage eines We-ges durch den ehemaligen Hirschgra-ben in Vorbereitung sowie eine Verbin-dung zwischen Klipfelstor und Worm-ser Tor. Dieser Weg wird auch über dasdem Hospital gehörende, außerhalb desBotanischen Gartens liegende, öde Ter-rain führen, um später mit der Chaus-see vereinigt zu werden. Durch die Begradigung der WormserStraße kommt es zu einer bedeutsamenLageveränderung. Der frühere Mehl-händler Balthasar Grosius erwirbt 1810das 1796 enteignete Stift St. Guido samtdem dazu gehörenden großen Grund-stück. Am heutigen Sankt-Guido-Stifts-Platz 4 richtet er den Gasthof „ZumWeidenberg“ ein. Führte die Straße ur-sprünglich weiter östlich am Garten desGebäudes vorbei, lag es nun direkt ander Straße – eine einmalig günstigeLage, an der damals einzigen Eingangs-straße zur Stadt von Norden her.

Kurzchroniken noch heute bestehenderGebäude am St.-Guido-SiftsplatzDie an ihrem nördlichen Ende auf denPlatz mündende Armbruststraße, selbstFortführung der Großen Himmelsgassebzw. der Johannesgasse, war einst auchunter den Bezeichnungen BreiteStraße, An der Erdbrust oder An derArmbrust bekannt. Die Kleinbebauung auf der Ostseitedes Platzes läuft von Süden aufsteigendin den ungeraden Nummern, begin-nend mit Nr. 1 nördlich neben dem ein-stigen Marthaheim: 1 – 5 – 7 – 9 – 11.Bis auf das Haus Nr. 5 (einstmals Mül-bergersches Anwesen) stammen die un-ter Denkmalschutz stehenden Gebäudesämtlich aus dem 18. Jahrhundert. Nr. 1: trägt an seiner Rundbogenein-fahrt einen Scheitelstein mit Wappensamt Initialen GSM und der Jahreszahl1705. Die tonnengewölbten Keller sindnoch heute erhalten.

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Im Stadtplan von 1821 ist sowohl die alleeartige Bepflanzung des St. Guido-Stifts-Plat-

zes als auch der folgenden Wormser Landstraße zu sehen, ebenso der Botanische

Garten (im Bild oben links). Stadtarchiv

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Nr. 3: Der Gesamtkomplex umfasste1927 beim Verkauf durch den Kauf-mann Konrad Claus an den Diözesan-Caritasverband ein „zweistöckigesWohnhaus mit Einfahrt und Treppen-haus, dann zweistöckigen Seitenbau,Waschküche, Remise, Stall und Magazin,dann Hofraum und Winkel, ein großerGras- und Baumgarten mit Weiher“.

Das Haus war fast 40 Jahre lang im Be-sitz von Konrad Claus gewesen, er sel-ber hatte es 1888 von dem Ziegeleibe-sitzer Georg Grund erworben. Der Ca-ritasverband baute das Haus um in einAltenheim (St. Martha). Das Heimwird bis 1973 von den „Schwestern vomheiligen Paulus“ geführt. 1931 erfolgtein Erweiterungsbau mit neuer Kirche,Versammlungsraum und Schwestern-wohnheim. Das 2.500 Quadratmetergroße Gartengrundstück samt Schwei -ne- und Hühnerstall diente der weitge-henden Selbstversorgung der auf Spar-samkeit bedachten Einrichtung. Von1974 bis 1984 wurden die rund 60 Be-wohner von weltlichem Personal be-treut. Von 1984 bis 1988 stand das Hausleer. Ab 1988 stellte der Diözesan-Cari-tasverband nach erheblichen Investitio-nen das Haus bis ins Jahr 2001 dem da-mals dringenden Bedarf als Aussiedler-Wohnheim zur Verfügung, ehe es samtGrundstück an die Speyerer Gemein-nützige Wohnungsbaugesellschaft (GE- WO) verkauft wurde. Heute ist das Ge-bäude in Privathand, im Garten ent-

Wohl um 1900 entstand diese idyllischeAufnahme im Hof des Anwesens St.Gui -

do-Stifts-Platz 1. Stadtarchiv

Das Mülbergersche Anwesen und das St. Marthaheim in den 1960er Jahren.

Stadtarchiv

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standen in den vergangen Jahren Rei-henhäuser.Nr. 5: Allgemein bekannt als das Mül-bergersche Anwesen. Der großzügige,ursprünglich zweigeschossige Bau wur -de in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-derts errichtet; sein heutiges Aussehenerhielt er im Jahre 1909, Auftraggeberund Besitzer damals war Kommerzien-rat Heinrich Mülberger. Das neuedritte Geschoss erhielt ein Walmdach,unverkennbar und prägend direkt dar-unter der riesige liegende Putto, neu da-mals auch die von Säulen getrageneLoggia über dem Erdgeschoss..

Nr. 7: Als die frühesten Bewohner desgiebelständigen Häuschens werden Jo-hann Jacob Hehl und 1714 Jacob Bach-mann genannt. 1796 ist die Gärtner-witwe Eva Maria Zahnecker Besitzerin,nach ihr Tochter Maria Magdalena, diemit dem Kanzleiboten Johann GeorgBetsch verheiratet ist. 1851 und 1858wird das Haus weiterverkauft. NeunJahre später verkaufen die Vormünderder minderjährigen verwaisten Kinderder letzten Besitzer das Haus wegenUnrentabilität an Ludwig WilhelmMülberger, Eigentümer des benachbar-ten großen Anwesens Nr. 5. Dank eines

Inventars aus dem Jahre 1861 wissenwir um die Wohnverhältnisse: Es be-steht aus einer „Schlaf- und Wohnstube,Küche, Stall, Gang, Keller und Spei-cher“. Das Anwesen bleibt bis minde-stens Mitte der 1980er Jahre im Besitzder Familie Mülberger.Nr. 9: Ein großzügigerer Bau als Nr. 7.Für 1714 ist der Krämer Martin Seippals Besitzer nachgewiesen, für 1773 lautBeckerscher Stadtvermessung Leinen-weber Bartholomäus Schmidt. Seit spä-testens 1831 sind die Besitzer des gie-belständigen Putzbaus Ackersleute: Be-ginnend mit Johannes Kay und JohannGeorg Oppinger, sind die Oppingersdann seit 1845 die alleinigen Besitzerdes Anwesens, das damals auchScheune, Kuh-, Schweine- und Pferde-stall umfasst, sowie Heulager, Hof undGarten auf seinen insgesamt 520 m2Fläche – nicht zu vergessen die uraltentonnengewölbten Keller. Auch heutenoch ist es in Familienbesitz; der zumAnwesen gehörende Hahn und seineHennen sind gewiss jedem Kunden der„Curry-Sau“ schon einmal über denWeg gelaufen. Der Kultimbiss „Curry-Sau“ – 1970 gegründet als „Imbiss amGuido-Stifts-Platz“ – firmiert heute alsHausnr. 13. Unter dieser Nummer war

Das Haus Nr. 5 mit großem Putto auf

dem Dach. Stadtarchiv

Die Häuser Nr. 7-11 in den 1970er Jahren

aufgenommen. Stadtarchiv

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bis damals die bekannte „Bretzelbäcke-rei“ der Witwe Kling zu finden. Sie gab1910 anlässlich des ersten „Bretzeltags“am 29. Mai eine Ansichtskarte mit Ge-schäftsansicht heraus; das gesamte Per-sonal posierte vor dem festlich beflagg-ten und bekränzten Gebäude. Nr. 11: Eineinhalbgeschossiges Häus-chen mit steilem Satteldach. 1714 städti-sches Wachthaus neben dem Weidentorund demzufolge auch Wohnung desTorknechts. Haus, kleiner Hof undSchopf umfassen lediglich etwa 66 m2.Als um 1818 der größte Teil der Speye-rer Stadtmauern abgerissen wird, er-wirbt der Ackersmann Heinrich Engel-hardt den Besitz. Das Haus bleibt imweiteren Verlauf des 19. Jahrhundertsnie lange in einer Hand, bis es schließ-lich 1927 in den Besitz der Familie Ja-kob Detzner (Expressgutzusteller) ge-langt. Seiner Familie gehört das kleineAnwesen noch 1983. Eine Besonderheitist der spätmittelalterliche Konsolsteinin Form eines Hundekopfes. Er befin-

det sich an der Grundstücksnordgrenzein der Stadtmauer. Nr. 15: Einst letztes Haus in der Ab-folge. Von Besitz und Funktion ist das1805 erbaute Anwesen untrennbar mitder Neumühle (später letzte städtischeMühle, noch später Capitol-Kino, heuteGetränkemarkt) verbunden. Als ihr Ei-gentümer ist 1786 der Neumüller Jo-hann Daniel Minck bekannt. Bis 1849ist das zweigeschossige Anwesen in des-sen Familienbesitz, danach wiederumfast fünfzig Jahre im Besitz der FamilieGauweiler. Auf den Pferdemetzger An-dreas Gauweiler (1897) folgt um 1910der Metzger Heinrich Freytag. Ein be-kannter Name taucht 1917 auf – derSpeyerer Architekt Reinhold Bräuer.1979 wurde das Haus geräumt, danachabgerissen.Nicht minder interessant ist die Bebau-ung auf der Westseite des St.-Guido-Stifts-Platzes, wenngleich aus verschie-denen Gründen nicht so einheitlich wiedie Ostseite, die denn auch mit den

Am 11. März 1970 ist diese Aufnahme der Ostseite des St. Guido-Stifts-Platzes ent-

standen. Es zeigt links noch die ursprüngliche Bebauung, im Süden jedoch schon den

Neubau anstelle der Turmuhrenfabrik. Stadtarchiv

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Häusern 7 – 9 – 11 eines der seltenenerhaltenen barocken Bauensembles un-serer Stadt darstellt. Nr. 4: Die einst bekannte Gaststätte„Zum Weidenberg“ könnte heute aufeine fast 300-jährige Bau- bzw. 200-jäh-rige Gasthofsgeschichte zurück blicken,wenn sie nicht im Februar 1972 abgeris-sen worden wäre, um einem Neubauder LIGA Platz zu machen. Seinen Na-men erhielt der Gasthof 1830/31. Ab1863 im Besitz der Familie bzw. derWitwe Hoffmann, folgt auf sie für ei-nige Jahre ihr Schwiegersohn JakobBregenzer, zuvor Wirt im bekanntenPfälzer Hof (Maximilianstr. 13). SeitMitte 1900 besitzt und führt den „Wei-denberg“ das Ehepaar Heinrich undMaria Detzner fast fünfzig Jahre, da-nach ihre Töchter Elisabeth Jester undEugenie Schey. 1951 wird „Liesl“ JesterAlleinbesitzerin des traditionsreichenTreffpunkts – zu Beginn von Fuhr- undBauersleuten der Speyerer Umgebung,später zahlreicher Hörer und Dozenten

der Hochschule für Verwaltungswissen-schaften. Vor Abriss des Anwesens1972 nimmt Liesl Jester Mobiliar undvor allem das weithin bekannte Orche-strion in ihren „neuen“ Weidenberg indie St.-Guido-Straße mit. Er bestandbis 1995 und wird weiter bestehen –wenn auch an anderem Ort: Das voll-ständige Mobiliar gab Liesl Jester andas Bruchsaler Museum für Mechani-

Dieses Foto, wohl in den 1960er Jahren aufgenommen, zeigt, dass der Weidenberg als

Hausgarten genutzt worden ist. Stadtarchiv

Gaststube des Gasthauses „Zum Wei-

denberg“ vor 1972. Stadtarchiv

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sche Musikinstrumente, wo die Wirt-schaft in einem eigenen Raum original-getreu aufgebaut wurde. Nr. 6: Noch heute vielen Speyerern alsVilla Seithel bekannt. Das Grundstückgehörte einst zur Gaststätte Weiden-berg, mit etwa der gleichen Fläche. ImOktober 1886 wird es als „Pflanzgartenam St.-Guido-Stifts-Platz, neben demHirschgrabenweg und einem anderenWeg“ bezeichnet, und von dem Speye-rer Ziegeleibesitzer Georg Gund junior(1856-1931), Initiator der VereinigtenSpeyerer Ziegeleiwerke“ (1889) erwor-ben, der hier seine repräsentative undwerbewirksame Villa erbauen lässt; ein-einhalbgeschossig, in gelbem Back stein,mit roter Sandsteingliederung. 1902 ver-kauft er seine Villa samt dazugehöri-gem Baum- und Ziergarten (insgesamt940 m2). Er lässt sich später in Baselnieder. 1937 erwirbt der praktische ArztDr. Willibald Rackl (1892-1942) das

Anwesen und richtet eine Praxis ein.Seine Witwe verkauft an Dr. ReinhardSeithel, der sich seinerseits hier Anfang1959 niederlässt. Der Hals-Nasen-Oh-ren-Facharzt wirkt – auch als Klinikarzt– fast ein halbes Jahrhundert in Speyer,wird besonders bekannt als Verfechterder Neuraltherapie, insbesondere zurSchmerzbekämpfung. Er stirbt Endeder 1980er Jahre. Die Seithel-Erben ha-ben das platzprägende Eckanwesen in-zwischen veräußert. Erfreulich ist, dassdie neuen Eigentümer das Gebäude au-ßen, aber auch innen, fast unverändertin seiner Baustruktur erhalten haben(Diele mit Waschbrunnen, kassettierteDecken, Wandverkleidungen, Sprossen-fenster, usw.).

Katrin HopstockAbt. Kulturelles ErbeStadtarchiv Speyer

Tor zum Anwesen St. Guido-Stifts-Platz 4, wohl in den 1930er Jahren aufgenommen.

Stadtarchiv