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Stabilität von Lösungen gewöhnlicher

Di�erentialgleichungen (Linearisierung-Methode)

Seminar Analysis III (SoSe 2013)

Dozent: JP Dr. Tomas Dohnal

Annemarie May

11. Juni 2013

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Inhaltsverzeichnis

1 Überblick 3

2 Abstract 4

3 Einleitung und Motivation 5

4 Stabilitätsde�nition 7

5 Lineare Systeme 8

5.1 Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

5.1.1 Der Exponentialansatz. Eigenwert und Eigenvektor . . 9

5.1.2 Lineare Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

5.1.3 Jordansche Normalform einer Matrix . . . . . . . . . . 11

5.1.4 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

5.2 Abschätzungen des Fundamentalsystems . . . . . . . . . . . . 13

6 Di�erentialgleichungen mit linearem Hauptteil 17

6.1 Das Lemma von Gronwall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

6.2 Stabilitätssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

6.3 Instabilitätssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

7 Autonome Systeme und Linearisierung 24

7.1 Linearisierungssatz von Grobman-Hartman . . . . . . . . . . 25

7.2 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

8 Anhang 27

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1 Überblick

In dieser Ausarbeitung liegt der Schwerpunkt auf dem Themengebiet desStabilitätsverhalten von Lösungen gewöhnlicher Di�erentialgleichungen.

Durch eine kurze Einleitung werden die im ersten fachlichen Kapitel ein-geführten De�nitionen der Stabilität, asymptotischen Stabilität und der In-stabilität motiviert und eine anschauliche Vorstellung basierend auf einemanwendungsbezogenen Beispiel erstellt.

Im zweiten Kapitel werden Eigenschaften des Stabilitätsverhaltens von li-nearen Systemen erläutert und speziell wie die Nullösung der homogenenGleichung betrachtet werden kann, um Stabilitätsaussagen für Lösungen derinhomogenen Gleichung tre�en zu können. Als eine weitere Klasse von ge-wöhnlichen Di�erentialgleichungen werden die Systeme mit konstanten Ko-e�zienten betrachtet. Desweiteren werden Eigenschaftsaussagen über dasFundamentalsystem von linearen Di�erentialgleichungen gegeben.

Im nächsten Kapitel werden der Stabilitätssatz und Instabilitätssatz erläu-tert und beweisen, diese stellen klassische Ergebnisse der Stabilitätstheoriedar.

Im letzten Kapitel werden autonome Systeme betrachtet und durch die Me-thode der Linearisierung deren Stabilitätsverhalten erläutert. Hierbei wirdvor allem der Linearisierungssatz nach Grobman-Hartman betrachtet.

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2 Abstract

This paper deals with the stability of solutions of ordinary di�errential equa-tions.A brief introduction is used to motivate and illustrate the three de�nitionsof stability, asymptotic stability and instability of solutions of ordinary dif-ferential equations, which are discussed in the �rst chapter.

The second chapter is about properties of stable behaviour of solutions of li-near di�erential equations. This chapter deals with the question whether thestable behaviour of solutions of the inhomogeneous system can be connectedto the stable behaviour of the zero-solution of the homogeneous system. Ad-ditionaly, systems of constant coe�cients are examined in paying attentionto the connection with the Jordan normal form. Furthermore properties ofthe fundamental system of linear di�erential equations are examined.

The third chapter is about central statements on the stability theory ofordinary di�erential equations. Two theorems about the stable behaviour ofthe zero-solution in connection with properties of eigenvalues of a relatedmatrix of a di�erential equation are proved.

The last chapter deals with autonomous systems. Furthermore a theoremabout linearization is used to illustrate a method for dealing with the stabi-lity of autonomous systems.

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3 Einleitung und Motivation

Das vorliegende Problem wird als die stetige Abhängigkeit der Lösung ei-ner gewöhnlichen Di�erentialgleichung vom Anfangswert (Stabilität einerLösung einer gewöhnlichen Di�erentialgleichung) bezeichnet. Zudem werdenhier Lösungen in unendlichen Intervallen betrachtet. Dieser Themenkomplexwird unter dem Begri� Stabilitätstheorie geführt.

Um den Begri� der Stabilität zu verdeutlichen wird nun das Beispiel ei-nes realistischen Pendels mit Reibung betrachtet. Das Pendel besitzt zweisogenannte Ruhelagen (Zustände die das System nicht verlässt, solange esnicht gestört wird), zum Einen wenn es senkrecht nach unten hängt (1) undzum Anderen, in der Realität allerdings schwer durchzuführen, wenn dasPendel senkrecht nach oben steht (2).Bei diesen beiden Ruhelagen wird schnell deutlich, dass bei kleiner Störungder Ruhelage die eine stabil (1) und die andere instabil ist (2). Denn bei klei-ner Störung der Ruhelage (1), pendelt das Pendel aufgrund der Luftreibungzurück zur Ruhelage, wohingegen bei kleiner Störung der Ruhelage (2) sichdas Pendel von der Ruhelage entfernt. Vereinfacht dargestellt ist dies dieFragestellung der hier nachgegangen wird. Die Betrachtungen für ein ma-thematisch modelliertes Pendel müssen ein wenig abgewandelt werden undwerden zum Schluss im Kapitel der Linearisierung erläutert.

Dass es diese stetige Abhängigkeit für Lösungen auf endlichen Intervallengibt und diese unter recht einfachen Bedingungen zu realisieren ist, wirdhier nicht weiter erläutert, aber auch nicht wesentlich vorausgesetzt. Dassbei unendlichen Intervallen weiterführende Kriterien notwendig sind, zeigenschon einfachste Beispiele.

Beispiel 3.1. 1. Es sei y(t) die Lösung von

y′ = y, y(0) = η

und z(t) eine Lösung derselben Di�erentialgleichung mit dem Anfangswertz(0) = η + ε. Hier werden Lösungen mit kleiner Di�erenz der Anfangswertebetrachtet. Dann sind z(t) = (η+ε)et, y(t) = ηet die Lösungsfunktionen undsomit die Di�erenz der Lösungen

z(t)− y(t) = (η + ε)et − ηet

= εet

5

Das heiÿt bei kleiner Änderung des Anfangswerts und gleicher Di�erential-gleichung konvergiert die Di�erenz zweier Lösungen gegen ∞ für t → ∞.Damit wäre die Lösung y(t) eine instabile Lösung.

2. Wird jedoch die Di�erentialgleichung

y′ = −y

mit zwei Lösungen y und z betrachtet mit den Anfangswerten y(0) = η, z(0) =η + ε, so ist die Di�erenz

z(t)− y(t) = (η + ε)e−t − ηe−t

= εe−t

und konvergiert gegen 0. Das heiÿt bei kleiner Di�erenz der Anfangswerte,bleibt auch für (t → ∞) die Di�erenz der Lösungen klein und konvergiertin diesem Beispiel sogar gegen 0. Damit wäre die Lösung y(t) eine stabileLösung.

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4 Stabilitätsde�nition

In diesem Kapitel werden die Begri�e Stabilität, asymptotische Stabiltätund Instabilität für ein Intervall [0,∞) gegeben und Überlegungen zu einerallgemeinerern Fassung des Intervalls werden angestellt.

De�nition 4.1. Sei t ∈ R und die Funktionen f, y, ... ∈ Rn/Cn. Die Funk-tion x(t) sei für 0 ≤ t <∞ eine Lösung des Systems

y′ = f(t, y)

Dabei sei f(t, y) mindestens in Sα := {|y − x(t)| < α : 0 ≤ t <∞} erklärtund stetig (α > 0). Man nennt die Lösung x(t) stabil wenn folgendes gilt:Zu jedem ε > 0 ex. ein δ > 0, sodass für alle Lösungen y(t) aus

|y(0)− x(0)| < δ

folgt, dass

|y(t)− x(t)| < ε

für 0 ≤ t <∞.

Die Lösung x(t) wird asymptotisch stabil genannt, wenn sie stabil ist undein δ > 0 existiert, sodass für alle Lösungen y(t) mit |y(0)− x(0)| < δ gilt

limt→∞|y(t)− x(t)| = 0

Eine Lösung x(t) heiÿt instabil, wenn sie nicht stabil ist.

Bemerkung 4.2. Das Grundintervall kann allgemeiner als [a,∞) betrachtetund die De�nitionen auf diesen Fall übertragen werden.

Bemerkung 4.3. In der De�nition ist | · | eine beliebige Norm im Rn bzw.Cn. Da in Rn alle Normen äquivalent sind, gelten die Aussagen unabhängigvon der gewählten Norm.

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5 Lineare Systeme

In diesem Abschnitt werden lineare Systeme betrachtet und Aussagen überderen Stabilitätsverhalten angestellt. Speziell werden Di�erentialgleichungenmit konstanten Koe�zienten und deren Stabilitätsverhalten kurz angespro-chen und erläutert. Einen weiteren Teil dieses Abschnitts stellt die Beschäf-tigung mit Abschätzungen für das Fundamentalsystem X(t) = eAt einerDi�erentialgleichung mit konstanten Koe�zienten dar.

In dem reellen oder komplexen linearen System

y′ = A(t)y + b(t) (1)

seien A(t), b(t) im Intervall J = [0,∞) stetig. Jede Lösung dieser Gleichungexistiert dann in ganz J nach Satz 8.1. Es sei X(t) das Fundamentalsystemder homogenen Gleichung mit dem Anfangswert X(0) = E.

Satz 5.1. Ist die Nullösung der homogenen Gleichung y′ = A(t)y stabil

bzw. asymptotisch stabil bzw. instabil, so hat jede Lösung von (1) dieselbe

Eigenschaft.

Proof. Betrachte die beiden Lösungen y(t), x(t) mit y(0) = y0 und x(0) = x0von (1). Für x, y soll aufgrund der Stabilitätsde�nition gelten, dass|x0 − y0| < δ.Desweiteren muss für die Stabilitätsde�nition die Di�erenz der Lösungenbetrachtet werden

(x− y)′ = A(t)(x− y)

mit (x− y)(0) = x0 − y0. Diese ist eine Lösung der homogenen Di�erential-gleichung, deren Anfangswert nahe Null ist.⇒ Die Betrachtung des Stabilitätsverhaltens der Lösungen der inhomogenenGleichung, ist die Betrachtung des Stabilitätsverhaltens der Nulllösung derhomogenen Di�erentialgleichung.

Für die Betrachtung des Stabilitätsverhaltens von Lösungen der inhomoge-nen, linearen Di�erentialgleichung genügt also die Untersuchung der Null-lösung der homogenen Gleichung.

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Für die Gleichung mit konstanten Koe�zienten

y′ = Ay

wobei A eine reelle oder komplexe n × n-Matrix ist, gelten die im anschlie-ÿenden Satz formulierten Aussagen. Details zu diesem Satz und den Hinter-gründen können in [1], §17 nachgelesen werden.

Satz 5.2. Es sei γ = max {Reλ : λ ∈ σ(A)}. Die triviale Lösung x(t) ≡ 0der Di�erentialgleichung ist im Fall

γ < 0 asymptotisch stabil

γ > 0 instabil

γ = 0 nicht asymptotisch stabil, jedoch stabil genau dann, wenn alle Eigen-

werte λ mit Reλ = 0 halbeinfach sind.

Bezeichnung 5.3. Für einen halbeinfachen Eigenwert einer Matrix stimmendie Vielfachheit der Nullstelle des characteristischen Polynoms mit der Di-mension des zugehörigen Eigenraums überein.

Diese Aussagen beruhen auf einer näheren Betrachtung, die hier in diesemRahmen nicht in aller Ausführlichkeit behandelt werden kann, sondern inForm einer kurzen Wiederholung aufgeführt wird. Diese Aussagen könnenebenfalls in [1], §17 nachgelesen werden.

5.1 Wiederholung

5.1.1 Der Exponentialansatz. Eigenwert und Eigenvektor

Betrachtet wird ein homogenes lineares Sytem

y′ = Ay (2)

mit A = (aij), wobei A eine konstante, komplexe Matrix ist. Lösungen diesesSystems erhält man durch den Ansatz

y(t) = c · eλt

wobei λ, c = (c1, . . . , cn) komplexe Konstanten sind. Die Gleichung (2) lautetdann

y′ = Aceλt = λceλt

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Das heiÿt y(t) ist genau dann eine Lösung von (2), wenn

Ac = λc

Dabei ist c 6= 0 ein Eigenvektor und λ ein zugehöriger Eigenwert der MatrixA.(A − λE)c = 0 ist ein lineares homogenes Gleichungssystem für c. Es hatgenau dann eine nichttriviale Lösung, wenn det(A−λE) = 0. Die Eigenwertevon A sind somit die Nullstellen des charakteristischen Polynoms

Pn(λ) = det(A− λE)

Dieses ist vom Grad n mit reellen oder komplexen Nullstellen.

Satz 5.4. Die Funktion (c 6= 0, λ, A komplex)

y(t) = c · eλt

ist genau dann eine nichttriviale Lösung der Gleichung (2), wenn λ ein Ei-

genwert und c ein zugehöriger Eigenvektor der Matrix A ist.

Die Lösungen

yi(t) = cieλit (i = 1, . . . , p)

sind genau dann linear unabhängig, wenn die Vektoren ci linear unabhängigsind. Insbesondere sind sie linear unabhängig, wenn alle Eigenwerte λ1, ..., λpverschieden sind. Besitzt also A n verschiedene linear unabhängige Eigenwer-

te, so erhält man auf diese Weise ein Fundamentalsystem von Lösungen.

5.1.2 Lineare Transformation

Sei C eine nicht-singuläre Matrix, so gehen durch die Abbildung

y = Cz

z = C−1y

die Lösungen y(t) über in die Lösungen z(t) des Systems

z′ = Bz

mit B = C−1AC. Wenn A nun n linear unabhängige Eigenvektoren c1, ..., cnbesitzt und C = (c1, ..., cn)

⇒ AC = (Ac1, ..., Acn) = (λ1c1, ..., λncn) = CD

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mit D = diag(λ1, ...λn).

B = C−1AC = D

Dann lautet das System

z′1 = λ1z1...

z′n = λnzn

Damit ist das Fundamentalsystem

Z(t) = (z1, ..., zn) =

eλ1t 0 . . . 0

0 eλ2t . . . 0...

.... . .

...0 0 . . . eλnt

mit Z(0) = E.

⇒ Y = CZ = (Cz1, ..., Czn) = (c1eλ1t, ..., cne

λnt)

Damit ist also im Falle von n verschiedenen Eigenwerten und allgemeinervon n linear unabhängigen Eigenvektoren das Problem vollständig gelöst.

5.1.3 Jordansche Normalform einer Matrix

Um den allgemeineren Fall zu behandeln, wird die Jordansche Normalformals Ergebnis der Matrizentheorie verwendet, denn nicht jede Matrix ist dia-gonalisierbar. Dieses Ergebnis besagt, dass es zu jeder (reellen oderkomplexen) quadratischen Matrix A eine nicht-singuläre Matrix C existiert,sodass B = C−1AC

B = diag(J1, ...Jk)

mit

Ji =

λi 1 0 0 . . . . . . 00 λi 1 0 . . . . . . 0

0 0 λi 1. . . . . . 0

......

. . . . . . . . . . . ....

0 0 . . .. . . λi 1 0

0 0 . . . . . . 0 λi 10 0 . . . . . . 0 0 λi

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die Jordansche Normalform von A ist.In B stehen auÿerhalb der Jordan-Kästen Ji Nullen. Desweiteren gilt für diealgebraischen Vielfachheiten ri der Eigenwerte λir1 + ...+ rk = n und

Pn(λ) = (−1n)(λ− λ1)r1 · · · (λ− λk)rk

Das heiÿt in der Hauptdiagonalen von B stehen die Eigenwerte von A.Das entsprechende System x′ = Jx oder

x′1 = λx1 + x2...

x′r−1 = λxr−1 + xr

x′r = λxr

lässt sich leicht lösen, indem die letzte Di�erentialgleichung gelöst wird unddann rückwärts eingesetzt wird. Ein Fundamentalsystem bildet

X(t) =

eλt teλt 1

2! t2eλt . . . 1

(r−1)! tr−1eλt

0 eλt teλt . . . 1(r−2)! t

r−2eλt

0 0 eλt . . . 1(r−3)! t

r−3eλt

......

.... . .

...0 0 0 . . . eλt

Jede der Fundamentallösungen z(t) von z′ = Bz hat somit, wenn B dieJordansche Normalform von A ist, die Gestalt

z(t) = (0, ...0,tm

m!eλt, ..., eλt, 0, ..., 0)T

⇒ y(t) = pm(t)eλt

mit pm(t) = (pm1 (t), ..., pmn (t))T , wobei pmi ein Polynom vom Grad ≤ m ist.

5.1.4 Schlussfolgerung

Zu einer k-fachen Nullstelle λ des charakteristischen Polynoms gibt es klinear unabhängige Lösungen

y1 = p0(t)eλt, ..., yk = pk−1(t)e

λt

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Jede Komponente ist ein Polynom vom Grad ≤ k. Diese Konstruktion führtzu einem Fundamentalsystem, führt man sie für jeden Eigenwert aus.

Mit m(λ) sei die algebraische Vielfachheit des Eigenwertes λ und mit mg(λ)die geometrische Vielfachheit bezeichnet. Falls m(λ) = mg(λ) gilt, dannheiÿt der Eigenwert halbeinfach und in der Jordan-Form tritt m(λ)-mal dieZahl λ in der Hauptdiagonalen , aber keine 1 in der Nebendiagonale auf.Bei den zugehörigen m(λ) Lösungen sind die pm(t) konstant (nämlich dieEigenvektoren).

Wenn alle Eigenwerte halbeinfach sind, dann hat A Diagonalgestalt.

Durch die Jordan-Form B = C−1AC sind Lösungen somit gefunden. Schritt-weise kann man zuerst die Eigenwerte λ und Eigenvektoren c der Matrix Abestimmen, die zu den Lösungen y = ceλt führen. Danach werden die An-sätze

y = (a+ ct)eλt, y = (a+ bt+ ct2)eλt, ...

durchgerechnet bis die Anzahlm(λ) von Lösungen erreicht ist. Beim Koe�zi-entenvergleich stellt sich heraus, dass der Koe�zient c der höchsten t-Potenzimmer ein Eigenvektor ist.

5.2 Abschätzungen des Fundamentalsystems

Im Folgenden werden Aussagen über Abschätzungen des Fundamental-systems X(t) = eAt einer Lösung von linearen Systemen behandelt.

Satz 5.5. Genügen die Eigenwerte λi der konstanten (reellen oder komple-

xen) Matrix A der Ungleichung

Reλi < α

so ist

|eAt| ≤ ceαt

für t ≥ 0 mit einer geeigneten positiven Konstante c.

Proof. Die Di�erentialgleichung y′ = Ay besitzt nach (5.4) n linear unab-hängige Lösungen der Form

y(t) = eλtp(t)

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mit λ Eigenwert von A und p(t) = (p1(t), . . . , pn(t))T ein Polynom mit demGrad ≤ n ist. Da α − Reλ = ε > 0 nach Voraussetzung, gilt |pi(t)| ≤ cie

εt

für t groÿ genug und damit

|yi(t)| = |eλtpi(t)| ≤ |e(ε+λ)tci| = |eλteεtci|

mit

|eλt| = |e(Re(λ)+iIm(λ))t| ≤ |eiIm(λ)t| · |eRe(λ)t|

und

|eiIm(λ)t| = 1

⇒ |eλteεtci| ≤ |e(ε+Re(λ))t · ci| = |eαtci|

Wird mit Y (t) das aus n Lösungen der Form y(t) = eλtp(t) bestehendeFundamentalsystem bezeichnet, so lässt sich jede dieser n2 Komponentendurch den Ausdruck const · eαt abschätzen. Dasselbe gilt für Y (t) und damitfür eAt, da eAt ebenfalls ein Fundamentalsystem ist und in der Form eAt =Y (t)C dargestellt werden kann.

Der anschlieÿende Korollar zeigt, dass es eine aus einem Skalarprodukt ab-geleitete Norm im Cn gibt, sodass die Abschätzungen aus vorigem Satz undgleichzeitig eine untere Abschätzung bestehen.

Korollar 5.6. Für die Eigenwerte λi der Matrix A gelte

β < Reλi < α

Dann existiert eine Hilbert-Norm || · || in Cn derart, dass die Abschätzungen

eβt||c|| ≤ ||eAtc|| ≤ eαt||c||

∀ t ≥ 0, c ∈ Cn bestehen. Hieraus folgt

eβt ≤ ||eAt|| ≤ eαt

für t ≥ 0, wobei ||eAt|| die Operatornorm von eAt ist. Insbesondere ist imFall α = 0 jede Kugel Br := {||x|| < r} für die Gleichung y′ = Ay positivinvariant, das heiÿt aus y(0) ∈ Br folgt y(t) ∈ Br für t>0.

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Bezeichnung 5.7. Ist | · | eine beliebige Norm im Rn bzw. Cn, so ist durch

|A| := max {|Ax| : |x| ≤ 1}

(diese Bedingung wird mit Hilfe einer Rechnung geprüft) eine verträglicheNorm im Rn2

bzw. Cn2de�niert, die Operatornorm genannt wird. Dabei ist

| · | eine verträgliche Norm falls |A · x|V ≤ |A| · |x|V gilt, wobei hier zwischenVektornormen und Matrixnormen unterschieden werden muss.

Bezeichnung 5.8. Eine Hilbert-Norm ist eine aus einem Skalarprodukt abge-leitete Norm durch || · || = √< ·, · >

Proof. Mit (·, ·) wird im folgenden das klassische Skalarprodukt, mit | · | dieEuklid-Norm bezeichnet. Zunächst sei |Reλi| < δ und das Skalarprodukt

〈c, d〉 :=

∫ ∞−∞

e−2δ|t|(eAtc, eAtd)dt

mit c, d ∈ Cn de�niert. Bestimmt man ein ε > 0 mit |Reλi| < δ − ε, so folgt

|(eAtc, eAtd)| ≤ |eAt|2|c||d| ≤ const · e2(δ−ε)t

für t ≥ 0, wobei bei der ersten Ungleichung die Dreiecksungleichung derNorm benutzt wurde. Die zweite Ungleichung folgt mit Satz 5.6, wobei hierδ − ε = α zu setzen ist.Das heiÿt, dass das Integral über [0,∞) konvergent ist, da es durch Konstan-ten abgeschätzt werden kann. Das Integral über (−∞, 0] wandelt man durchSubstitution von t′ = −t in ein Integral über [0,∞) um, in welchem A durch−A ersetzt wird. Dieses ist ebenfalls konvergent, da für die Eigenwerte von−A diesselben Abschätzungen gelten wie die für die Eigenwerte von A.Das Skalarprodukt ist somit wohlde�niert und dadurch wird mit ||c|| :=√〈c, c〉 eine Norm de�niert. Mit c = d = eAsa ergibt sich

||eAsa||2 =

∫ ∞−∞

e−2δ|t|(eAteAsa, eAteAsa)dt

=

∫ ∞−∞

e−2δ|t||eAteAsa|2dt

=

∫ ∞−∞

e−2δ|t||eA(s+t)a|2dt

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mit t = t+ s gilt

=

∫ ∞−∞

e−2δ|t−s||eAta|2dt

Mit der Dreiecksungleichung gilt für s ≥ 0: |t| − s ≤ |t− s| ≤ |t|+ s, also

e−2δse−2δ|t| ≤ e−2δ|t−s| ≤ e2δse2δ|t|

Denn durch die Multiplikation mit einer negativen Zahl −2δ, kehren sich dieVorzeichen um.Hieraus folgt mit der De�nition von ||a||2

e−2δs||a||2 ≤ ||eAsa||2 ≤ e2δs||a||2

für s ≥ 0.

Nun sollen γ = α+β2 , δ = α − γ = γ − β betrachtet werden. Die Eigen-

werte µi der Matrix A′ = A − γE ergeben sich aus den Eigenwerten λi derMatrix A mit µi = λi − γ. Diese sind betragsmäÿig < δ. Mit dem obigenSkalarprodukt mit A′ anstelle von A ergibt sich mit eA

′s = e−γseAs und nachdem Wurzelziehen

e−δs||a|| ≤ ||eA′sa|| = e−γs||eAsa|| ≤ eδs||a||

⇒ e−γseβs||a|| ≤ ||eA′sa||= ||e(A−γE)sa||= e−γs||eAsa||≤ eαse−γs||a||

Wird das Ganze mit eγs multipliziert erhält man die Behauptung.

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6 Di�erentialgleichungen mit linearem Hauptteil

In diesem Abschnitt soll das Stabilitätsverhalten einer Di�erentialgleichungmit linearem Hauptteil betrachtet werden. Diese ist von der Form

y′ = Ay + g(t, y) (3)

, wobei g eine Funktion ist, die für t ≥ 0, |z| < α (α > 0) de�niert und stetigist. Desweiteren muss für g Folgendes gelten

lim|y|→0|g(t, y)||y|

= 0

gleichmäÿig für 0 ≤ t <∞. Insbesondere gilt g(t, 0) = 0.Speziell werden in diesem Abschnitt der Stabilitätssatz und der Instabilitäts-satz erläutert und bewiesen. Diese stellen klassische Ergebnisse der Stabil-tätstheorie dar und geben Auskunft über die Bedingungen unter denen sichAussagen über das Stabilitätsverhalten vom linearen System auf das gestörteSystem (System mit linearem Hauptteil) übertragen lassen. Für den Beweisdes Stabilitätssatzes wird zunächst ein Hilfsmittel benötigt, das Lemma vonGronwall.

6.1 Das Lemma von Gronwall

Lemma 6.1. Die reelle Funktion Φ(t) sei stetig in J = [0, a] mit t ∈ J und

es sei

Φ(t) ≤ α+

∫ t

0h(s)Φ(s)ds

in J mit h(t) ≥ 0. Dabei ist α ∈ R und h ∈ C(J).Dann ist

Φ(t) ≤ αeH(t)

in J mit H(t) =∫ t0 h(s)ds.

Proof. Setze Ψ(t) = α +∫ t0 h(s)Φ(s)ds, dann ist Ψ′ = h(t)Φ. Wegen Φ ≤ Ψ

gilt

Ψ′ ≤ h(t)Ψ

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mit Ψ(0) = α.Ist ω(t) die Lösung des entsprechenden Anfangswertproblems

ω′ = h(t)ω

mit ω(0) = α, dann ist mit Satz 8.2 (Satz über Ober- und Unterlösungen)

Φ(t) ≤ Ψ(t) ≤ ω(t) = αeH(t)

6.2 Stabilitätssatz

Satz 6.2. Betrachtet wird eine Dgl. wie in (3). Die Matrix A sei konstant

und es sei

Reλi < 0

für alle Eigenwerte λi von A.

Dann ist die Lösung x(t) ≡ 0 von (3) asymptotisch stabil.

Proof. Nach Voraussetzung und Satz 5.6 gibt es zwei Konstanten c > 1, β >0, sodass Reλi < −β und

|eAt| < c · e−βt

für t ≥ 0. Ebenfalls nach Voraussetzung existiert ein δ < α mit |z| < α,α > 0, sodass

|g(t, z)| ≤ β

2c|z|

für |z| ≤ δ, t ≥ 0.Wenn gezeigt werden kann, dass aus |y(0)| ≤ ε < δ

c folgt, dass|y(t)| ≤ cεe−βt/2 < δ, ist die asymptotische Stabilität der Nulllösung gezeigt.

Zunächst gilt nach Satz 8.3, dass jede Lösung der inhomogenen Di�eren-tialgleichung

y′ = Ay + b(t)

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von der Form

y(t) = eAty0 +

∫ t

0eA(t−s)b(s)ds

mit y0 := y(0) ist. Ist nun y(t) Lösung von y′ = Ay + g(t, y) mit y0 = y(0),so gilt

y(t) = eAty0 +

∫ t

0eA(t−s)g(s, y(s))ds

und damit

|y(t)| ≤ |y0|ce−βt +

∫ t

0ce−β(t−s)

β

2c|y(s)|ds

solange |y| ≤ δ.

Nun sei y(t) eine Lösung von (3) mit |y(0)| < ε,Φ(t) = |y(t)|eβt. Dannfolgt für |y| ≤ δ

Φ(t) ≤ cε+β

2

∫ t

0Φ(s)ds

Jetzt kann das Lemma von Gronwall angewendet werden mit α = cε,h(s) = β

2

Φ(t) ≤ cεeβt/2

und damit

|y(t)| ≤ cεe−βt/2 < δ

Daraus folgt, dass |y(t)| den Wert δ für positive t nicht annehmen kann undes folgt die Behauptung. Das heiÿt y(t) lässt sich bis zum Rand desDe�nitionsgebietes von g fortsetzen. Aus der letzten Ungleichung folgt alsobis auf das ganze Intervall 0 ≤ t <∞.

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6.3 Instabilitätssatz

Satz 6.3. Betrachtet wird eine Dgl. wie in (3). Desweiteren sei A eine kon-

stante Matrix und

Reλ > 0

für mindestens einen Eigenwert λ von A.Dann ist die Lösung x(t) ≡ 0 der Gleichung (3) instabil.

Proof. Die Gleichung (3) wird durch eine lineare Transformation in eine an-dere Form transformiert. Es seien λ1, . . . , λn die Nullstellen des charakteri-stischen Polynoms von A unter Berücksichtigung der Vielfachheit. Durch dieMatrix C werde die Matrix A in die Jordansche Normalform überführt:

B = C−1AC = (bij)

mit bii = λi, bij = 0 oder 1 für j = i + 1, bij = 0 sonst. Ferner wird eineSkalierung der Nebendiagonale der Matrix B vorgenommen, ebenfalls durcheine Ähnlichkeitsrelation. Dazu sei H die Diagonalmatrix

H = diag(η, η2, . . . , ηn)

mit η > 0. Weiter ist dann

H−1 = diag(η−1, η−2, . . . , η−n)

und

D = H−1BH ⇔ dij = bijηj−i

Das heiÿt dii = λi, di,i+1 = 0 oder η, dij = 0 sonst. Betrachtet man nuny(t) = CHz(t), so transformiert sich die Di�erentialgleichungy′ = Ay + g(t, y) in

z′ = H−1C−1y′ = H−1C−1(ACHz + g(t, CHz))

oder

z′ = Dz + f(t, z)

mit

f(t, z) = H−1C−1g(t, CHz)

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Da für g die Eigenschaft

lim|z|→0|g(t, z)||z|

= 0

gleichmäÿig für 0 ≤ t < ∞ gilt, insbesondere g(t, 0) = 0, gilt diese auch fürf , da aus |g(t, z)| ≤ ε|z| für |z| ≤ δ folgt

|f(t, z)| = |H−1C−1g(t, CHz)|≤ |H−1C−1| · |g(t, CHz)|≤ |H−1C−1| · |CH| · ε · |z|

für |z| ≤ δ/|CH|.Statt z′ = Dz + f(t, z) werden im Folgenden die Koordinaten dieser Di�e-rentialgleichung betrachtet

z′i = λizi + fi(t, z)

oder

z′i = λizi + ηzi+1 + fi(t, z)

Dabei tritt der 2. Fall nur ein, wenn der Index i zu einem Jordan-Kasten mitmehr als einer Zeile gehört und in diesem Jordan-Kasten nicht der letztenZeile entspricht.Mit j und k werden jene Indizes bezeichnet, für die

Reλj > 0, Reλk < 0

ist, das heiÿt die Lösung wird aufgeteilt in die instabilen Teile und die stabilenTeile k. Nun werden noch reelle und skalare Funktionen Φ und Ψ de�niert

Φ(t) =∑j

|zj(t)|2, Ψ(t) =∑k

|zk(t)|2

wobei z(t) eine Lösung von z′ = Dz + f(t, z) ist.Nun sei η > 0 so klein gewählt, dass

0 < 6η < Reλj

für alle j, und δ > 0 so klein, dass

|f(t, z)|e < η|z|e

21

für |z|e ≤ δ ist, wobei | · |e die Euklid-Norm bezeichnet. Ist nun z(t) eineLösung mit dem Anfangswert

|z(0)|e < δ, Ψ(0) < Φ(0)

so gilt, solange |z(t)|e ≤ δ, nach z′i = λizi + ηzi+1 + fi(t, z)

Φ′ = 2∑j

Rez′jzj

= 2Re∑j

(λjzjzj + ηzj+1zj + zjfj(t, z))

wobei Φ abgeleitet wird mit der Produktregel. Mit der Schwarzschen Unglei-chung folgt

|∑

Rezj+1zj | ≤∑|zjzj+1|

≤√∑

|zj |2∑|zj |2

= Φ

(denn |Re(z)| ≤ |z|, |z| = |z| und |z · z| = |z| · |z| für z, z ∈ C) und

|∑

Rezjfj | ≤√∑

|zj |2∑|fj |2

=√

Φ|f |e

Desweiteren gilt durch die Wahl von η

Reλjzjzj > 6ηΦ

und

|f |e ≤ η|z|e= η√

Φ + Ψ

≤ η√

Φ + Φ

= η√

≤√

2η√

Φ

< 2η√

Φ

Da gezeigt werden soll, dass für einen bestimmten Anfangswert, die instabi-len Teilen der Lösung monoton wachsend sind, werden Abschätzungen nach

22

unten benötigt.Daraus folgt

1

2Φ′ > 6ηΦ− ηΦ− 2ηΦ = 3ηΦ

Für Ψ(t) ermittelt man genauso

1

2Ψ′ ≤ ηΨ + 2ηΦ

Solange Ψ(t) ≤ Φ(t) ist also

1

2(Φ′ −Ψ′) > 3ηΦ− (ηΨ− 2ηΨ)

= η(Φ−Ψ) ≥ 0

das heiÿt die Di�erenz Φ−Ψ ist monoton wachsend. Das bedeutet aber, dassGleichheit Φ(t0) = Ψ(t0) nicht eintreten kann, denn für den Anfangswertgilt Φ(0) < Φ(0) und die Di�erenz ist monoton wachsend. Für jede Lösungz(t), deren Anfangswerte |z(0)|e < δ, Ψ(0) < Φ(0) erfüllen, gilt, solange|z(t)| ≤ δ, Ψ(t) < Φ(t) und Φ′ > 6ηΦ, also Φ(t) > Φ(0)e6ηt. Das heiÿt fürjede solche Lösung existiert ein t0 mit |z(t0)| = δ, das wiederum bedeutet,dass die Lösung z(t) ≡ 0 nicht stabil ist.

23

7 Autonome Systeme und Linearisierung

Im folgenden Abschnitt werden nichtlineare Systeme behandelt, dies sindDi�erentialgleichungen bei denen die rechte Seite nicht explizit von der Va-riablen t abhängt:

y′ = f(y) (4)

Hierbei ist entscheidend, dass auch für autonome Systeme Stabilitätsaussa-gen möglich sind. Die Stabilität bzw. Instabilität wird hierbei aus der De�-nition der Ableitung f ′(0) und dem Stabilitäts- und Instabilitätssatz folgen.Der anschlieÿende Linearisierungssatz nach Grobman-Hartman stellt eineVerfeinerung der Aussage über Linearisierung von (4) dar.

Sei f ∈ C1(D) mit D Nullumgebung und 0 sei kritischer Punkt von f ,das heiÿt es gelte f(0) = 0. Die Gleichung y′ = Ay, wobei A die Jakobi-Matrix f ′(0) ist, nennt man die an der Stelle 0 linearisierte Gleichung undbezeichnet den Übergang von der nichtlinearen Gleichung y′ = f(y) zur li-nearisierten y′ = Ay als Linearisierung. Linearisierung ist ein Hilfsmittel umnicht-lineare, autonome Systeme in der Umgebung ihrer kritischen Punktezu untersuchen. Deshalb ist die Beschäftigung mit linearen Systeme ein The-menbereich mit enormer Bedeutung.Schreibt man y′ = f(y) in der Form y′ = Ay + g(y) so ist

g(y) = f(y)− f ′(0)y

also

limy→0g(y)

|y|= 0

laut der De�nition der Di�erenzierbarkeit.Damit ist die Voraussetzung für die vorangegangenen Sätze erfüllt und esgilt nach dem Stabilitätssatz, dass die �Ruhelage� x(t) ≡ 0 stabil ist, wennRe(λ) < 0 ∀ λ ∈ σ(A). Nach dem Instabilitätssatz ist sie instabil, wennReλ > 0 für einen Eigenwert von A gilt.

Um die Methode der Linearisierung noch etwas zu vertiefen, wird der Linea-risierungssatz nach Grobman-Hartman folgen, dafür werden einige wichtigeBegri�e erläutert.

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Bezeichnung 7.1. (1) Eine Trajektorie ist die durch eine Lösung y mit demmaximalen Existenzintervall J erzeugte Kurve C = y(J) ⊂ G, wobei G eineo�ene Teilmenge des Rn ist und J = (a, b).(2) Bei einem Phasenportrait handelt es sich um das von Trajektorien er-zeugte Bild einer Di�erentialgleichung.(3) Ein Sattelpunkt tritt dann auf, wenn die Eigenwerte reell sind und ver-schiedene Vorzeichen haben.(4) Ein Zentrum tritt dann auf, wenn Re(λ) = 0 ist.

Der Nullpunkt wird hyperbolischer kritischer Punkt von f genannt, wennf(0) = 0 ist und alle Eigenwerte der Matrix A = f ′(0) einen Realteil 6= 0haben.

7.1 Linearisierungssatz von Grobman-Hartman

Satz 7.2. Es sei D eine Nullumgebung und f ∈ C1(D). Ist der Nullpunkt

ein hyperbolischer kritischer Punkt von f , so gibt es Nullumgebungen U, Vund einen Homöomorphismus (bijektiv, h stetig, h−1 stetig) h : U → V ,der die Trajektorien der linearen Gleichung (soweit sie in U liegen) in die

Trajektorien der nichtlinearen Gleichung unter Erhalt des Richtungssinns

überführt.

7.2 Beispiel

Um auf das Anfangsbeispiel zurückzukommen, wird das mathematische Pen-del betrachtet mit der Gleichung

u′′ + sin(u) = 0

⇔(xy

)′=

(y

−sin(x)

)Hier �ndet eine Überführung einer Di�erentailgleichung 2. Ordnung in einDi�erentialgleichungssystem 1. Ordnung statt mit y := u′, x := u. Dann gilt

x′ = y

y′ = u′′ = −sin(u) = −sin(x)

mit f(x, y) = (y,−sin(x))T , also

A = f ′(x, y) =

(0 1

−cos(x) 0

)25

Diese besitzt die kritischen Punkte (0, 0), (π, 0). Für die zugehörige Linea-risierung ist

B = f ′(0, 0) =

(0 1−1 0

)bzw.

C = f ′(π, 0) =

(0 11 0

)Im ersten Fall gilt:

det(B − λE) = λ2 + 1

mit den Eigenwerten λ1,2 = ±i. Daraus folgt es liegt ein Zentrum im Punkt(0, 0) vor.Auch die Trajektorien sind Kreise um den Nullpunkt und das Phasenpor-trait zeigt geschlossene, nahezu kreisförmige Jordankurven nahe bei (0, 0).Allerdings gibt der Linearisierungssatz in diesem Fall keine Aussage, dennReλ = 0. Dies ist damit zu begründen, dass die Di�erentialgleichung

u′′ + u2u′ + sin(u) = 0

diesselbe Linearisierung aufweist. Diese ist jedoch für den Nullpunktasymptotisch stabil.Im zweiten Fall ist dagegen

det(C − λE) = λ2 − 1

also sind die Eigenwerte λ = ±1. Es liegt somit ein Sattelpunkt vor und derPunkt (π, 0) ist instabil, da ein Eigenwert einen Realteil kleiner Null besitzt.Nach dem Linearisierungssatz hat das Phasenportrait des mathematischenPendels in einer Umgebung des Punktes (π, 0) ebenfalls Sattelpunktstruktur.

Wird erneut der Anfang mit dem Pendelbeispiel betrachtet, fällt auf, dassdas Pendel aus dem Anfangsbeispiel 2 Ruhelagen besitzt. Eine davon ist sta-bil und eine instabil. Warum erhält man mit der Di�erentialgleichung fürdas mathematische Pendel andere Ergebnisse?Da das mathematische Pendel eine Modellierung darstellt und von einemPendel ausgegangen wird, dassohne Reibung bei Störung der Ruhelage schwingt. Dieses bedeutet, dass diestabile Ruhelage in einem Raum ohne Reibung nicht mehr angenommenwerden kann und deshalb gibt es hier mit der Linearisierung keine Aussage.

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8 Anhang

Satz 8.1. Die reell- und komplexwertigen Funktionen A(t), b(t) seien stetig

in einem beliebigen Intervall J und es τ ∈ J . Dann hat das Anfangswertpro-

blem

y′ = A(t)y + b(t), y(τ) = η

bei vorgegebenem η ∈ Rn bzw. Cn genau eine Lösung y(t). Sie existiert in

ganz J .

Satz 8.2. Die Funktion f : D → R genüge einer lokalen Lipschitzbedingung

in y. Die Funktionen Φ, Ψ seien in J = [ζ, ζ+a] di�erenzierbar und es gelte

i)Φ(ζ) ≤ Ψ(ζ)

ii)PΦ ≤ PΨ

in J , wobei P das Residuum beschreibt.

Dann ist Φ ≤ Ψ in J.

Satz 8.3. Das Anfangswertproblem

y′ = Ay + b(t), y(τ) = η

mit A konstant besitzt die Lösung

y(t) = eA(t−τ)η +

∫τteA(t−sb(s)ds

Es ist nämlich X(t) = eA(t−τ) das Fundamentalsystem mit X(τ) = E.

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Literatur

[1] Wolfgang Walter. Gewöhnliche Di�erentialgleichungen. 7. Au�age.Berlin - Heidelberg - New York: Springer-Verlag. 29, 325 pp., 2000.

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