Stadt und Politik - FORUM Umweltbildung · ihre Bevölkerungsdichte zum Teil sogar schrumpft (z.B....

24
2011 Nr. 2 polis aktuell o Stadtentwicklungen im Überblick o Megastädte und Metastädte o Stadtimages und öffentlicher Raum o Politische Bildung und Urbanität o Materialien und Linktipps Stadt und Politik

Transcript of Stadt und Politik - FORUM Umweltbildung · ihre Bevölkerungsdichte zum Teil sogar schrumpft (z.B....

2011Nr 2polis aktuell

o Stadtentwicklungen im Uumlberblick

o Megastaumldte und Metastaumldte

o Stadtimages und oumlffentlicher Raum

o Politische Bildung und Urbanitaumlt

o Materialien und Linktipps

Stadt und Politik

Liebe Leserin lieber Leser

Die vorliegende Ausgabe von polis aktuell ist der Thematik

bdquoStadt und Politikldquo und den Staumldten im globalen Zusam-

menhang gewidmet

Zwischen Stadt und Politik gab und gibt es enge Ver-

bindungen In den globalen Zentren werden Entschei-

dungen getroffen die sowohl die Weltwirtschaft als auch

die Weltpolitik bestimmen Dort befinden sich die Sitze

internationaler Organisationen und Unternehmungen

wichtige Handelsboumlrsen und politische Koumlrperschaften

In den groszligen Ballungsraumlumen der Entwicklungs- und

Schwellenlaumlnder verdichten sich die bekannten globa-

len Problemlagen Wohnraum wird knapp die Armut

und wirtschaftliche Marginalisierung ist in den Mega-

staumldten im Ansteigen begriffen der Verkehr nimmt zu

Feinstaub und andere Umweltbelastungen verursachen

Smog Die Industrielaumlnder wiederum stehen im Hin-

blick auf demografische Veraumlnderungen vor ganz neuen

Herausforderungen (zB schrumpfende Staumldte oder die

Versorgung aumllterer Menschen in ihren Wohngebieten)

Urbane Zentren sind aber nicht nur Problem-Verursache-

rinnen Die Geschichte zeigt dass gesellschaftliche Um-

bruumlche Protestbewegungen Revolutionen und innovative

Entwicklungen groszligteils von Staumldten ausgingen Als Kno-

tenpunkte von Vernetzung Wissenschaft und Bildung haumlt-

ten sie daher theoretisch auch die Potenziale Loumlsungen fuumlr

nachhaltige Veraumlnderungen zu entwickeln

In der griechischen und roumlmischen Mythologie ist die

Gruumlndung Rettung oder Zerstoumlrung einer Stadt immer ein

dramatisches Ereignis Theben Troja (Ilias von Homer)

oder Rom (die Sage von Romulus und Remus) stehen

fuumlr Krieg und Gewalt blutige Herrschaft und Vertrei-

bung aber auch fuumlr Befriedung und Gemeinschaft Den

meisten SchuumllerInnen der Sekundarstufe I sind diese

Geschichten bekannt manche von ihnen entwickeln im

Alter von 10 bis 12 sogar eine ausgepraumlgte Vorliebe dafuumlr

Was macht eine Stadt aus in diesen fruumlhen Erzaumlhlungen

Staumldte sollen das Leben der Menschen organisieren sie sind

mit Haumlusern und Grenzen ndash Stadtmauern ndash ausgestattet

Die Mauern sind Schutz vor Bedrohung und sie definieren

gleichzeitig wer innerhalb der Grenzen wohnen darf und

wer nicht

In den modernen Staumldten der Gegenwart sind Stadtmauern

wenn uumlberhaupt nur noch als Fragmente und touristische

Anziehungspunkte vorhanden Die sozialraumlumlichen Gren-

zen der modernen Stadt sind komplexer und weniger greif-

bar Sie ergeben sich aus den Funktionen wie auch aus der

Nutzung Regulierung und Aneignung des urbanen Raumes

Im Stadtraum und seinen gebauten Strukturen bilden sich

gesellschaftspolitische Beziehungen und soziale Ordnungen

ab Sie sind in der repraumlsentativen Architektur einer Stadt

erkennbar aber auch an der Art und Weise wie oumlffentlicher

Raum ausgestattet ist und von unterschiedlichen Interes-

sensgruppen genutzt wird

Straszligen und Plaumltze wurden im Lauf der Geschichte immer

wieder zu politischen Buumlhnen fuumlr Aufmaumlrsche Protestkund-

gebungen oder institutionalisierte Inszenierungen Am Bei-

spiel des Heldenplatzes in Wien laumlsst sich besonders gut die

symbolische Anziehungskraft eines Ortes nachvollziehen

die sich in den letzten beiden Jahrhunderten ganz unter-

schiedliche politische Bewegungen fuumlr ihre Interessen zu

eigen gemacht haben

Staumldte eignen sich hervorragend als Lernorte der poli-

tischen Bildung und Menschenrechtsbildung zum einen

weil sie Kristallisationspunkte der Globalisierung sind

und dort Themen wie vernetzte Wirtschaftskreislaumlufe

Umweltprobleme Armut und Agrarkrisen verdichtet in

Erscheinung treten zum anderen weil Geschichte und

politischer bzw sozialer Raum fuumlr die SchuumllerInnen direkt

erfahrbar werden kann zB in Form von Stadtspazier-

gaumlngen und einer themenspezifischen Spurensuche

Ein erweiterter und mehrperspektivischer Raumbegriff der

auch die Wahrnehmung desder Betrachtenden einbezieht

koumlnnte ein spannendes Lernfeld fuumlr SchuumllerInnen eroumlffnen

die Stadt und ihre Raumbotschaften zu bdquolesenldquo zu interpre-

tieren und kritisch zu hinterfragen

Wir wuumlnschen Ihnen viel Freude bei der Umsetzung des The-

mas und freuen uns wie immer uumlber Feedback zum Heft

Elisabeth Turek fuumlr das Team von Zentrum polis elisabethturekpolitik-lernenat

2011

2

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

1 Homo urbanusbdquoSo we are calling this the urban millennium This

is a millennium where now you know homo sapi-

ens is in the cities and so it is homo urbanus as

we say He is living in the cities And when people

move to cities you cannot stop them from coming

they have a right to come (hellip)ldquo

Weltweit zeichnet sich ein Trend zur Verstaumldterung ab vom homo urbanus auf dem Vormarsch oder vom bdquourbanen Millenniumldquo ist derzeit in Fachliteratur oder Zeitschriften oft die Rede und das nicht ohne Grund Erstmals in der Menschheitsgeschichte lebt gegenwaumlrtig im Schnitt jedeR Zweite auf der Welt in einer Stadt dh eine Milliarde auf der noumlrdlichen und zwei auf der suumldlichen Erdhalbkugel Das Programm der Vereinten Nationen fuumlr menschliche Siedlungen (UN-HABITAT) prognostiziert ein Anwachsen der staumldtischen Bevoumllkerung bis zum Jahr 2030 von 33 auf 5 Milliarden Bis 2030 wird der Verstaumldterungsgrad auf etwa 60 steigen Lebten um 1800 erst zwei bis drei Prozent der Menschen in Staumldten so werden laut UNO bis zum Jahr 2050 drei Viertel der Menschheit in Staumldten wohnen

Der Zustrom in die urbanen Zentren haumlngt eng mit laumlnd-lichen Entwicklungen und der weltweiten Agrarkrise zusammen Wanderungsbewegungen in die Staumldte sind derzeit dort am staumlrksten ausgepraumlgt wo der laumlndliche Anteil der Bevoumllkerung am houmlchsten ist (etwa in Afrika oder in Asien) Die Bandbreite der sogenannten Push-Faktoren (Gruumlnde fuumlr das Wegziehen) ist weit gefaumlchert Armut und fehlende Ressourcen (vor allem der Mangel an Anbauflaumlchen und Wasser) weltweite Agrarkrisen Vertreibung Verfolgung Kriege oumlkologische Probleme wie etwa Bodenerosion fehlende Perspektiven aufgrund extrem niedriger Einkuumlnfte durch Landwirtschaft Uumlber-bevoumllkerung etc Diese und andere Faktoren fuumlhren dazu dass Haushalte ihre Familienmitglieder nicht mehr ernaumlh-ren koumlnnen und sie sind gleichzeitig der Motor fuumlr die Bewegung Richtung Stadt Auch eine boomende staumld-tische Wirtschaft (Beispiel China) kann die staumldtische Zuwanderung vorantreiben (im Sinn eines Pull-Faktors) und Anlass fuumlr die Hoffnung auf ein besseres Leben und Einkommen sein

Anna Tibaijuka Direktorin von UN-HABITAT (zitiert nach einem Video-Interview auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Pfad wwwbpbde gt Suchmodus bdquoTibaijukaldquo gt Video-Interview Die Menschen haben ein Recht auf Stadt

Ob Mega- und Gigastaumldte futuristische Global Cities oder ausufernde Huumlttensiedlungen ndash die gegenwaumlrtigen Urba-nisierungswellen lassen ganz neue Stadttypen Bau- und Siedlungsformen entstehen Staumldte sind weltweit zu stark differenzierten Lebensraumlumen mit komplexen Ver-flechtungen geworden fuumlr viele von ihnen trifft die uns vertraute Vorstellung von einer europaumlischen Stadt nach dem Muster bdquodicht besiedelte Flaumlche mit repraumlsentativer Architektur und Zentralitaumltsfunktionldquo gar nicht zu Der Prozess der globalen Verstaumldterung nimmt auf globaler Ebene und regional unterschiedliche Formen an Waumlh-rend die Zahl der Staumldte im Norden generell stagniert und ihre Bevoumllkerungsdichte zum Teil sogar schrumpft (zB in den ehemaligen Gebieten der DDR) nimmt die Verstaumld-terung in den Laumlndern des Suumldens (Schwellen- und Ent-wicklungslaumlnder) drastisch zu Gleichzeitig vergroumlszligert sich die Zahl der Millionen- und Megastaumldte Sogenannte bdquoHyperstaumldteldquo mit 20 und mehr Millionen Einwohne-rInnen werden bald keine Seltenheit mehr sein Ein Ent-wicklungstrend zeichne sich ab meinen Stadtforsche-rInnen groumlszligere Ungleichheit zwischen den Staumldten und groumlszligere soziale Ungleichheit in den Staumldten

Von den Megastaumldten ist es nur ein kleiner gedanklicher Sprung zu den Mega-Slums Der US-amerikanische Stadt-forscher Mike Davis zeichnet in dem Buch bdquoPlanet der Slumsldquo (siehe Literaturtipp auf Seite 4) ein duumlsteres Bild von der urbanen Zukunft und dem Anwachsen der Armut seit den 60er-Jahren des 20 Jahrhunderts Gegenwaumlrtig lebt schaumltzungsweise eine Milliarde Menschen in irregu-laumlren Siedlungen Der Anteil an jugendlichen Stadtbewoh-nerInnen die dauerhaft in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen (zB als TageloumlhnerInnen StraszligenhaumlndlerInnen oder in der Prostitution) um ihr Uumlberleben kaumlmpfen muumlssen ist enorm hoch Sie sind nicht nur raumlumlich an die Peripherie der Staumldte abgedraumlngt sondern auch von Industrie und Weltwirtschaft abgekoppelt Wenn zu viele Menschen im informellen Bereich miteinander konkurrieren und Frei-gelaumlnde rar wird muumlssen immer mehr Menschen auf ris-kantes Terrain ohne Marktwert ausweichen Eine Uumlberle-bensstrategie besteht dann haumlufig darin ein Stuumlck Land in kleinere Teile aufzuteilen und an noch aumlrmere Men-schen zu vermieten

Nr 2

3

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

2011

4

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Migration in die Staumldte ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Wellblechdaumlchern und Verarmung Die Stadt bezieht ihre Chancen und Potenziale auch und gerade aus der Migra-tion aus der Vielfalt und der Mischung von Bekanntem und Unbekanntem Die Stadt lebt von der Zuwanderung denn ohne sie waumlre wie Erol Yildiz in dem Buch bdquoUrban Recyclingldquo (siehe Literaturtipp) schreibt bdquoeine Groszligstadt

bestenfalls ein groszliges Dorfldquo

T i p p L i n k

Dossier bdquoStadt und Gesellschaftldquo der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung zu sozialen und raumlumlichen Tendenzen der Stadtentwicklung

wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Stadt und Gesellschaft

T i p p L i t e r a t u r

Mike Davis Planet der Slums Berlin Verlag Assoziation A 2007

Erol Yildiz Birgit Mattausch (Hrsg) Urban RecyclingMigration als Groszligstadt-Ressource Basel BirkhaumluserVerlag Edition Bauwelt Fundamente 2008

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Uumlberblick zu globalen Trends staumldtischer Ent-wicklungen auf der Webseite von UN-HABITAT wwwunhabitatorg gt Press Kits gt State of the Worlds Cities 20102011 ndash Cities for all Bridging the Urban Divide

Prognose der staumldtischen Bevoumllkerung 2005 bis 2030 (in Mio und in der Gesamtbevoumllkerung)

2005 2030

Weltweit 3150 487 4912 599

Industrielaumlnder 898 741 1011 808

Entwicklungslaumlnder 2252 429 3901 561

Afrika 347 383 742 507

Asien 1552 398 2636 541

China 531 404 872 603

Indien 316 287 589 407

Europa 525 722 546 783

Lateinamerika u Karibik 434 774 608 843

Nordamerika 266 807 346 867

Ozeanien (m Australien) 23 708 31 738

Ursachen der fruumlhen Stadtgruumlndungen

Maszliggeblich zur Entstehung der fruumlhen Staumldte (zB in Mesopotamien Hochland von Anatolien) trug die Produk-tion an Uumlberschuumlssen von Ressourcen und Waren bei In der Folge kam es zu Arbeitsteilung und Spezialisierung in Handwerk Industrie Handel und Dienstleistungen Die

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde zitiert nach United Nations Department of Economic and Social Affairs (Desa) Population Division World Population Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP2005 gt 2005WUP_DataTablespdf

Siedlungsgebiete waren funktional und sozialraumlumlich gegliedert (als geplante Stadtanlage oder in ungeplanter Form) und die verschiedenen sozialen Gruppen verfuumlgten uumlber ungleiche Herrschafts- und Machtpotenziale Die Stadt war das bauliche und symbolische Machtzentrum in einer umfangreich ausgestatteten Ansiedlung gleich-sam ein bdquoUumlberschuss an Bedeutungldquo (Leonardo Benevolo siehe Literaturtipps auf Seite 9)

Merkmale einer Stadt

Die aktuellen nationalen Indikatoren zur Definition einer Stadt sind recht unterschiedlich meistens wird die Ein-wohnerInnenzahl die Siedlungsdichte undoder die Art der (nicht-agrarischen) Beschaumlftigung herangezogen Daruumlber hinaus sind auch die Zugehoumlrigkeit zu admini-strativen Einheiten historisch-juristische Kriterien wie der Stadttitel soziologische Faktoren oder geografische Daten relevant

Zusammenfassend einige allgemeine Stadt-Merkmale

bull houmlhere Bebauungsdichte als im Umland

bull staumlrkere Verkehrsdichte und -buumlndelung an strategisch guumlnstigen Standorten

bull die besonders relevante wirtschaftliche Bedeutung eines Standorts im laumlndlichen Umland

bull haumlufig auch die Funktion der militaumlrischen und poli-tischen Kontrolle uumlber ein bestimmtes Gebiet

Nr 2

5

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Megastaumldte staumldtische Agglomerationen mit mehr als 10 Mio EW 2005 und 2015

2005 (EW in Mio) 2015 (EW in Mio)

1 Tokio (352) Tokio (355)

2 Mexiko-Stadt (194) Mumbai (219)

3 New York (187) Mexiko-Stadt (216)

4 Satildeo Paolo (183) Satildeo Paulo (205)

5 MumbaiBombay (182) New York (199)

6 Delhi (150) Delhi (186)

7 Shanghai (145) Shanghai (172)

8 Kalkutta (143) Kalkutta (169)

9 Jakarta (132) Dhaka (168)

10 Buenos Aires (125) Jakarta (168)

11 Dhaka (124) Lagos (161)

12 Los Angeles (123) Karatschi (151)

13 Karatschi (116) Buenos Aires (134)

14 Rio de Janeiro (115) Kairo (131)

15 Osaka-Kobe (113) Los Angeles (131)

16 Kairo (111) Manila (129)

17 Lagos (109) Peking (129)

18 Peking (107) Rio de Janeiro (127)

19 Manila (107) Osaka-Kobe (113)

20 Moskau (107) Istanbul (112)

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde 2008 zit nach United Nations Department of Economic and Social Affairs Population Division 2006 World Urbanization Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP20052005WUP_DataTables11pdf

GROSS ndash GROumlSSER ndash AM GROumlSSTENStaumldtetypen nach Anzahl der EinwohnerInnen (EW)

Landstadt 2000 bis 5000 EW

Kleinstadt 5000 bis 20000 EW

Mittelstadt 20000 bis 100000 EW

Groszligstadt mehr als 100000 EW

Metropole 1 bis 10 Mio EW Entscheidend ist bei der Metropole jedoch nicht die EinwohnerInnenzahl son-dern die Konzentration der wichtigsten kulturellen sozialen wirtschaftlichen und politischen Einrich-tungen in einem Land

Megastadt ab 10 Mio EW

Megalopolis miteinander verflochtene Groszligstaumldte auf engstem Raum zB der Siedlungsraum an der Ostkuumlste der USA zwischen Washington und Boston

Metastadt (Hypercity) ein sich massiv ausbreitender Ballungsraum mit mehr als 20 Mio EinwohnerInnen Die erste Metastadt wurde in den 60er-Jahren Tokio heute zaumlhlen auch New York City Seoul und Mexiko-Stadt dazu Im Jahr 2020 werden auch Mumbai (fruumlher Bombay) Delhi Satildeo Paulo Dhaka Jakarta und Lagos diesen Status erreicht haben

Naumlhere Informationen auf der Webseite des UN-HABITAT (United Nations Settlements Programme) ww2unhabitatorg

Schon gewusst

hellip dass um 1800 der Anteil der Menschen in Staumldten 3 betrug 2007 etwa 51

hellip dass Tokio die groumlszligte Stadt der Welt ist (nachder EinwohnerInnenzahl die derzeit uumlber 35 Mio betraumlgt)

hellip dass Wien im Hinblick auf die EinwohnerInnenzahl (Staumldte mit mehr als 1 Mio EinwohnerInnen) an 214 Stelle liegt (laut wwwcitypopulationde)

dass es derzeit 20 Megastaumldte auf der Welt gibt (Staumldte mit mehr als 10 Mio EinwohnerInnen)

hellip dass sich die groumlszligte Ballung an Megastaumldten in Asien befindet (bis 2025 werden allein fuumlr China 15 Megastaumldte mit 25 Mio EinwohnerInnen prognostiziert)

2011

6

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Glossar zu Stadtmodellen und urbane Typologien

Funktionelle Stadt Zonen fuumlr alle FunktionenPrinzip der funktionalen Trennung und Zonierung der Stadt in die Hauptfunktionen Wohnen Arbeiten und Erholung Relevant fuumlr den Typus der funktionellen Stadt waren die Visionen des Neuen Bauens (einer Richtung der Architektur und des Staumldtebaus in der Zwischenkriegszeit in Europa und Nordamerika)

Gartenstadt Agrarzonen und StadtgebieteDie Gartenstadt wurde als sozialreformerisches Konzept in Reaktion auf die schlechten Wohnverhaumlltnisse und

gestiegenen Bodenpreise Ende des 19 Jahrhunderts in England entwickelt (garden city movement Gartenstadt-bewegung die sich in der Gartenstadtgesellschaft orga-nisierte) Es handelte sich um ein konzentrisches Modell der Stadtplanung das im Umland groszliger Staumldte auf fruumlherem Agrarland umgesetzt werden sollte (dh meh-rere voneinander durch Agrarguumlrtel getrennte mittel-groszlige Staumldte) Das Konzept der autonomen Gartenstadt im Gemeineigentum fand Anfang des 20 Jahrhunderts auch in Deutschland Verbreitung (Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft) wurde aber in seiner urspruumlnglichen Idee kaum umgesetzt (ein Beispiel waumlre Hellerau ein spaumlterer Stadtteil Dresdens) In der Folge entwickelte sich bdquoGartenstadtldquo zu einem Sammelbegriff fuumlr Garten-vorstaumldte und gruumlne Wohnhausanlagen Er hatte mit der urspruumlnglichen Bedeutung nur mehr wenig gemeinsam In Oumlsterreich ist der Karl-Seitz-Hof in Wien-Floridsdorf erwaumlhnenswert ndash er wurde aufgrund der geringen Flauml-chenverbauung als Gartenstadt bezeichnet

Geplante Staumldte und gewachsene StaumldtePrinzipiell koumlnnen zwei Grundformen von Stadtgrund-rissen unterschieden werden geplante Staumldte und Staumldte die sich langsam unregelmaumlszligig und ungeplant entwickelten Die fruumlhen Staumldte waren regelmaumlszligig ange-legte Planstaumldte ebenso wie die roumlmischen Staumldte und spaumlter die Kolonialzentren (zB in Lateinamerika) Die Anlage der Kolonialstaumldte erfolgte in der Regel schach-brettartig dieser Grundriss bestimmte spaumlter auch die Ausdehnung der Staumldte in das Umland Das urspruumlngliche historische Zentrum veraumlnderte sich wenig waumlhrend meistens am Rande der Staumldte ausgedehnte Marginal-siedlungen entstanden sind Diese Stadtbilder sind heute fuumlr die meisten lateinamerikanischen Groszligstaumldte wie Mexiko-Stadt Lima Bogota Rio de Janeiro oder Caracas charakteristisch

Im Mittelalter entwickelten sich unregelmaumlszligige Staumldte mit Kruumlmmungen Sackgassen und Gabelungen von einem aumllteren Kern aus Die Staumldte wuchsen rund um Burgen oder an Fluumlssen auch topografische Bedingungen spielten eine maszliggebliche Rolle Die Stadtmauern wur-den in den meisten Faumlllen spaumltestens im 20 Jahrhundert abgerissen

Typische Merkmale der europaumlischen und orientalischen Staumldte warensind Burgen Palaumlste und religioumlse Bauten als zentrale Herrschaftsgebaumlude meist von einer Stadt-

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Methodentipp zu den Groumlszligendimensionen von Staumldten (Kleingruppenarbeit ab 6 Schulstufe)

bull Aufteilung in 4 bis 5 Kleingruppen

bull Jede Gruppe erhaumllt ein Kuvert mit Papierkaumlrtchen Auf jeder Karte ist der Name einer StadtBaden Lagos Istanbul Wien Mexiko-Stadt St Poumllten

Belgrad Tokio London (oder andere)

bull Die SchuumllerInnen ordnen die Staumldte nach der geschaumltzten Zahl ihrer EinwohnerInnen

bull Die Ergebnisse werden mit Internetrecherchen zu den EinwohnerInnenzahlen verglichen Jede Gruppe recherchiert zwei oder drei Staumldte (mit Unterstuumlt-zung der Lehrkraft)

bull Welchen Stadttypen lassen sich diese Staumldte nach der Zahl der EinwohnerInnen zuordnen (Kleinstadt Groszligstadt Metropole Megastadt etc siehe Tabelle auf Seite 5)

bull Assoziationen (Notizen auf einem A4-Blatt in der Kleingruppe) Was faumlllt den SchuumllerInnen spontan ein zu den genannten Staumldten In welchen Laumlndern liegen die Staumldte Welche Stadt ist bekanntunbekannt Wer war schon in einer dieser Staumldte und kann etwas daruumlber erzaumlhlen (Sprache bekannte Plaumltze usw)

bull Vertiefende Informationen oder Projektarbeit zu den Staumldten (siehe auch Seite 10)

Nr 2

7

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

mauer geschuumltzt Das Ensemble von Rathaus Kirche und Markt markiert haumlufig das Zentrum und die Zentralitaumlt der europaumlischen Stadt

Global City (World City) vernetzt ndash weltumspannend ndash steuerndAls Global Cities werden Staumldte bezeichnet die aufgrund der Konzentration der Finanzmaumlrkte Management- Kon-troll- und Steuerungsknotenpunkte im transnationalen Feld einer globalisierten Oumlkonomie sind Nordamerika Westeuropa und Suumldostasien (Tokio London New York oder Paris) sind nach wie vor herausragend derzeit holen aber die Laumlnder des Suumldens in Bezug auf neue World Cities stark auf Besonders Beijing Shanghai und Mumbai werden in den naumlchsten Jahren an Bedeutung gewinnen Derzeit zaumlhlen weltweit 55 Staumldte zu den Global Cities

Online-Artikel zu Global Cities (auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Global Cities ndash

Urbane Zentren der Weltwirtschaft Globalisierung und Verstaumldterung Von Christof Parnreiter wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Megastaumldte gt Hintergrund Das urbane Millenium

Satellitenstadt Mini-Stadt mit InfrastrukturGeplante Staumldte die im Umfeld von Kernstaumldten ange-siedelt sind und im Unterschied zur Trabantenstadt Arbeitsplaumltze und Infrastruktur (Schulen Krankenhaumluser Freizeitmoumlglichkeiten etc) bieten Typisch fuumlr die ehema-lige UdSSR oder DDR sind standardisierte mehrstoumlckige Gebaumlude in Groszligtafelbauweise (bdquoPlattenbauldquo)

Slum Provisorien auf unsicherem TerrainDer Begriff beschrieb Anfang des 19 Jahrhunderts in England urspruumlnglich eine enge Unterkunft von Fabrik-arbeiterInnen mit schlechter Versorgung Er wurde spaumlter zur generalisierenden Bezeichnung fuumlr Wohngebiete in Stadtvierteln bdquomit schmutzigen Hintergassenldquo bzw zum Begriff fuumlr etwas das schmutzig ist Aktuell definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als bdquoSiedlung in der mehr als die Haumllfte der EinwohnerInnen in Unterkuumlnften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen lebenldquo Es han-delt sich um provisorische informelle Behausungen mit mangelhafter Bausubstanz schlechter Lokalitaumlt (zB an steilen Haumlngen) hoher Belegungsdichte fehlendem Zugang zu Trinkwasser und sanitaumlren Einrichtungen unsi-cheren Wohn- und Aufenthaltsrechten

Stadt-Utopien ideale GesellschaftsformenDie Entwuumlrfe von Idealstaumldten waren meistens Utopien von einer idealen Gesellschaft und entsprechender Sozi-alstruktur Seit der Antike wurden unterschiedliche Sche-mata von geometrischen Grundrissen (zB Sternform konzentrische Kreise usw) geplant allerdings nur in Einzelfaumlllen umgesetzt Bekannt sind die Entwuumlrfe von Platon und Aristoteles Marcus Vitruvius Pollio Leonardo da Vinci Thomas Morus sowie Tommaso Campanella (Entwurf zum Sonnenstaat civitas solis) Herausragend im Hinblick auf die Fuumllle an perspektivischen Modellen fuumlr Idealstaumldte sind Renais-sance und Barock

Trabantenstadt SchlafstadtVororte einer groumlszligeren Kernstadt die oft Wohngebiete fuumlr PendlerInnen sind und den Wohnraumbedarf in der Kernstadt decken sollen (wenig eigene Infrastruktur wenig Arbeitsplaumltze) Es handelt sich um eine Schlaf-stadt die morgens in Richtung groszlige Stadt verlassen wird Satellitenstaumldte und Trabantenstaumldte sind im Umfeld von groumlszligeren Staumldten angesiedelt stellen von der Grundidee her aber unterschiedliche Konzepte dar

Zwischenstadt zwischen Stadt und LandTransitorische Zonen zwischen Stadt und Land eine Struktur ohne eindeutige Mitte Ein diffuser fragmen-tierter Stadtraum der sich durch eine planlose Gestalt mit vielen mehr oder weniger stark funktional speziali-sierten Bereichen Netzen und Knoten auszeichnet (Vor-stadtsiedlung Gewerbepark Freizeit-Center Autobahn-anschluss Landschaftsreste etc)

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Liebe Leserin lieber Leser

Die vorliegende Ausgabe von polis aktuell ist der Thematik

bdquoStadt und Politikldquo und den Staumldten im globalen Zusam-

menhang gewidmet

Zwischen Stadt und Politik gab und gibt es enge Ver-

bindungen In den globalen Zentren werden Entschei-

dungen getroffen die sowohl die Weltwirtschaft als auch

die Weltpolitik bestimmen Dort befinden sich die Sitze

internationaler Organisationen und Unternehmungen

wichtige Handelsboumlrsen und politische Koumlrperschaften

In den groszligen Ballungsraumlumen der Entwicklungs- und

Schwellenlaumlnder verdichten sich die bekannten globa-

len Problemlagen Wohnraum wird knapp die Armut

und wirtschaftliche Marginalisierung ist in den Mega-

staumldten im Ansteigen begriffen der Verkehr nimmt zu

Feinstaub und andere Umweltbelastungen verursachen

Smog Die Industrielaumlnder wiederum stehen im Hin-

blick auf demografische Veraumlnderungen vor ganz neuen

Herausforderungen (zB schrumpfende Staumldte oder die

Versorgung aumllterer Menschen in ihren Wohngebieten)

Urbane Zentren sind aber nicht nur Problem-Verursache-

rinnen Die Geschichte zeigt dass gesellschaftliche Um-

bruumlche Protestbewegungen Revolutionen und innovative

Entwicklungen groszligteils von Staumldten ausgingen Als Kno-

tenpunkte von Vernetzung Wissenschaft und Bildung haumlt-

ten sie daher theoretisch auch die Potenziale Loumlsungen fuumlr

nachhaltige Veraumlnderungen zu entwickeln

In der griechischen und roumlmischen Mythologie ist die

Gruumlndung Rettung oder Zerstoumlrung einer Stadt immer ein

dramatisches Ereignis Theben Troja (Ilias von Homer)

oder Rom (die Sage von Romulus und Remus) stehen

fuumlr Krieg und Gewalt blutige Herrschaft und Vertrei-

bung aber auch fuumlr Befriedung und Gemeinschaft Den

meisten SchuumllerInnen der Sekundarstufe I sind diese

Geschichten bekannt manche von ihnen entwickeln im

Alter von 10 bis 12 sogar eine ausgepraumlgte Vorliebe dafuumlr

Was macht eine Stadt aus in diesen fruumlhen Erzaumlhlungen

Staumldte sollen das Leben der Menschen organisieren sie sind

mit Haumlusern und Grenzen ndash Stadtmauern ndash ausgestattet

Die Mauern sind Schutz vor Bedrohung und sie definieren

gleichzeitig wer innerhalb der Grenzen wohnen darf und

wer nicht

In den modernen Staumldten der Gegenwart sind Stadtmauern

wenn uumlberhaupt nur noch als Fragmente und touristische

Anziehungspunkte vorhanden Die sozialraumlumlichen Gren-

zen der modernen Stadt sind komplexer und weniger greif-

bar Sie ergeben sich aus den Funktionen wie auch aus der

Nutzung Regulierung und Aneignung des urbanen Raumes

Im Stadtraum und seinen gebauten Strukturen bilden sich

gesellschaftspolitische Beziehungen und soziale Ordnungen

ab Sie sind in der repraumlsentativen Architektur einer Stadt

erkennbar aber auch an der Art und Weise wie oumlffentlicher

Raum ausgestattet ist und von unterschiedlichen Interes-

sensgruppen genutzt wird

Straszligen und Plaumltze wurden im Lauf der Geschichte immer

wieder zu politischen Buumlhnen fuumlr Aufmaumlrsche Protestkund-

gebungen oder institutionalisierte Inszenierungen Am Bei-

spiel des Heldenplatzes in Wien laumlsst sich besonders gut die

symbolische Anziehungskraft eines Ortes nachvollziehen

die sich in den letzten beiden Jahrhunderten ganz unter-

schiedliche politische Bewegungen fuumlr ihre Interessen zu

eigen gemacht haben

Staumldte eignen sich hervorragend als Lernorte der poli-

tischen Bildung und Menschenrechtsbildung zum einen

weil sie Kristallisationspunkte der Globalisierung sind

und dort Themen wie vernetzte Wirtschaftskreislaumlufe

Umweltprobleme Armut und Agrarkrisen verdichtet in

Erscheinung treten zum anderen weil Geschichte und

politischer bzw sozialer Raum fuumlr die SchuumllerInnen direkt

erfahrbar werden kann zB in Form von Stadtspazier-

gaumlngen und einer themenspezifischen Spurensuche

Ein erweiterter und mehrperspektivischer Raumbegriff der

auch die Wahrnehmung desder Betrachtenden einbezieht

koumlnnte ein spannendes Lernfeld fuumlr SchuumllerInnen eroumlffnen

die Stadt und ihre Raumbotschaften zu bdquolesenldquo zu interpre-

tieren und kritisch zu hinterfragen

Wir wuumlnschen Ihnen viel Freude bei der Umsetzung des The-

mas und freuen uns wie immer uumlber Feedback zum Heft

Elisabeth Turek fuumlr das Team von Zentrum polis elisabethturekpolitik-lernenat

2011

2

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

1 Homo urbanusbdquoSo we are calling this the urban millennium This

is a millennium where now you know homo sapi-

ens is in the cities and so it is homo urbanus as

we say He is living in the cities And when people

move to cities you cannot stop them from coming

they have a right to come (hellip)ldquo

Weltweit zeichnet sich ein Trend zur Verstaumldterung ab vom homo urbanus auf dem Vormarsch oder vom bdquourbanen Millenniumldquo ist derzeit in Fachliteratur oder Zeitschriften oft die Rede und das nicht ohne Grund Erstmals in der Menschheitsgeschichte lebt gegenwaumlrtig im Schnitt jedeR Zweite auf der Welt in einer Stadt dh eine Milliarde auf der noumlrdlichen und zwei auf der suumldlichen Erdhalbkugel Das Programm der Vereinten Nationen fuumlr menschliche Siedlungen (UN-HABITAT) prognostiziert ein Anwachsen der staumldtischen Bevoumllkerung bis zum Jahr 2030 von 33 auf 5 Milliarden Bis 2030 wird der Verstaumldterungsgrad auf etwa 60 steigen Lebten um 1800 erst zwei bis drei Prozent der Menschen in Staumldten so werden laut UNO bis zum Jahr 2050 drei Viertel der Menschheit in Staumldten wohnen

Der Zustrom in die urbanen Zentren haumlngt eng mit laumlnd-lichen Entwicklungen und der weltweiten Agrarkrise zusammen Wanderungsbewegungen in die Staumldte sind derzeit dort am staumlrksten ausgepraumlgt wo der laumlndliche Anteil der Bevoumllkerung am houmlchsten ist (etwa in Afrika oder in Asien) Die Bandbreite der sogenannten Push-Faktoren (Gruumlnde fuumlr das Wegziehen) ist weit gefaumlchert Armut und fehlende Ressourcen (vor allem der Mangel an Anbauflaumlchen und Wasser) weltweite Agrarkrisen Vertreibung Verfolgung Kriege oumlkologische Probleme wie etwa Bodenerosion fehlende Perspektiven aufgrund extrem niedriger Einkuumlnfte durch Landwirtschaft Uumlber-bevoumllkerung etc Diese und andere Faktoren fuumlhren dazu dass Haushalte ihre Familienmitglieder nicht mehr ernaumlh-ren koumlnnen und sie sind gleichzeitig der Motor fuumlr die Bewegung Richtung Stadt Auch eine boomende staumld-tische Wirtschaft (Beispiel China) kann die staumldtische Zuwanderung vorantreiben (im Sinn eines Pull-Faktors) und Anlass fuumlr die Hoffnung auf ein besseres Leben und Einkommen sein

Anna Tibaijuka Direktorin von UN-HABITAT (zitiert nach einem Video-Interview auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Pfad wwwbpbde gt Suchmodus bdquoTibaijukaldquo gt Video-Interview Die Menschen haben ein Recht auf Stadt

Ob Mega- und Gigastaumldte futuristische Global Cities oder ausufernde Huumlttensiedlungen ndash die gegenwaumlrtigen Urba-nisierungswellen lassen ganz neue Stadttypen Bau- und Siedlungsformen entstehen Staumldte sind weltweit zu stark differenzierten Lebensraumlumen mit komplexen Ver-flechtungen geworden fuumlr viele von ihnen trifft die uns vertraute Vorstellung von einer europaumlischen Stadt nach dem Muster bdquodicht besiedelte Flaumlche mit repraumlsentativer Architektur und Zentralitaumltsfunktionldquo gar nicht zu Der Prozess der globalen Verstaumldterung nimmt auf globaler Ebene und regional unterschiedliche Formen an Waumlh-rend die Zahl der Staumldte im Norden generell stagniert und ihre Bevoumllkerungsdichte zum Teil sogar schrumpft (zB in den ehemaligen Gebieten der DDR) nimmt die Verstaumld-terung in den Laumlndern des Suumldens (Schwellen- und Ent-wicklungslaumlnder) drastisch zu Gleichzeitig vergroumlszligert sich die Zahl der Millionen- und Megastaumldte Sogenannte bdquoHyperstaumldteldquo mit 20 und mehr Millionen Einwohne-rInnen werden bald keine Seltenheit mehr sein Ein Ent-wicklungstrend zeichne sich ab meinen Stadtforsche-rInnen groumlszligere Ungleichheit zwischen den Staumldten und groumlszligere soziale Ungleichheit in den Staumldten

Von den Megastaumldten ist es nur ein kleiner gedanklicher Sprung zu den Mega-Slums Der US-amerikanische Stadt-forscher Mike Davis zeichnet in dem Buch bdquoPlanet der Slumsldquo (siehe Literaturtipp auf Seite 4) ein duumlsteres Bild von der urbanen Zukunft und dem Anwachsen der Armut seit den 60er-Jahren des 20 Jahrhunderts Gegenwaumlrtig lebt schaumltzungsweise eine Milliarde Menschen in irregu-laumlren Siedlungen Der Anteil an jugendlichen Stadtbewoh-nerInnen die dauerhaft in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen (zB als TageloumlhnerInnen StraszligenhaumlndlerInnen oder in der Prostitution) um ihr Uumlberleben kaumlmpfen muumlssen ist enorm hoch Sie sind nicht nur raumlumlich an die Peripherie der Staumldte abgedraumlngt sondern auch von Industrie und Weltwirtschaft abgekoppelt Wenn zu viele Menschen im informellen Bereich miteinander konkurrieren und Frei-gelaumlnde rar wird muumlssen immer mehr Menschen auf ris-kantes Terrain ohne Marktwert ausweichen Eine Uumlberle-bensstrategie besteht dann haumlufig darin ein Stuumlck Land in kleinere Teile aufzuteilen und an noch aumlrmere Men-schen zu vermieten

Nr 2

3

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

2011

4

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Migration in die Staumldte ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Wellblechdaumlchern und Verarmung Die Stadt bezieht ihre Chancen und Potenziale auch und gerade aus der Migra-tion aus der Vielfalt und der Mischung von Bekanntem und Unbekanntem Die Stadt lebt von der Zuwanderung denn ohne sie waumlre wie Erol Yildiz in dem Buch bdquoUrban Recyclingldquo (siehe Literaturtipp) schreibt bdquoeine Groszligstadt

bestenfalls ein groszliges Dorfldquo

T i p p L i n k

Dossier bdquoStadt und Gesellschaftldquo der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung zu sozialen und raumlumlichen Tendenzen der Stadtentwicklung

wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Stadt und Gesellschaft

T i p p L i t e r a t u r

Mike Davis Planet der Slums Berlin Verlag Assoziation A 2007

Erol Yildiz Birgit Mattausch (Hrsg) Urban RecyclingMigration als Groszligstadt-Ressource Basel BirkhaumluserVerlag Edition Bauwelt Fundamente 2008

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Uumlberblick zu globalen Trends staumldtischer Ent-wicklungen auf der Webseite von UN-HABITAT wwwunhabitatorg gt Press Kits gt State of the Worlds Cities 20102011 ndash Cities for all Bridging the Urban Divide

Prognose der staumldtischen Bevoumllkerung 2005 bis 2030 (in Mio und in der Gesamtbevoumllkerung)

2005 2030

Weltweit 3150 487 4912 599

Industrielaumlnder 898 741 1011 808

Entwicklungslaumlnder 2252 429 3901 561

Afrika 347 383 742 507

Asien 1552 398 2636 541

China 531 404 872 603

Indien 316 287 589 407

Europa 525 722 546 783

Lateinamerika u Karibik 434 774 608 843

Nordamerika 266 807 346 867

Ozeanien (m Australien) 23 708 31 738

Ursachen der fruumlhen Stadtgruumlndungen

Maszliggeblich zur Entstehung der fruumlhen Staumldte (zB in Mesopotamien Hochland von Anatolien) trug die Produk-tion an Uumlberschuumlssen von Ressourcen und Waren bei In der Folge kam es zu Arbeitsteilung und Spezialisierung in Handwerk Industrie Handel und Dienstleistungen Die

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde zitiert nach United Nations Department of Economic and Social Affairs (Desa) Population Division World Population Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP2005 gt 2005WUP_DataTablespdf

Siedlungsgebiete waren funktional und sozialraumlumlich gegliedert (als geplante Stadtanlage oder in ungeplanter Form) und die verschiedenen sozialen Gruppen verfuumlgten uumlber ungleiche Herrschafts- und Machtpotenziale Die Stadt war das bauliche und symbolische Machtzentrum in einer umfangreich ausgestatteten Ansiedlung gleich-sam ein bdquoUumlberschuss an Bedeutungldquo (Leonardo Benevolo siehe Literaturtipps auf Seite 9)

Merkmale einer Stadt

Die aktuellen nationalen Indikatoren zur Definition einer Stadt sind recht unterschiedlich meistens wird die Ein-wohnerInnenzahl die Siedlungsdichte undoder die Art der (nicht-agrarischen) Beschaumlftigung herangezogen Daruumlber hinaus sind auch die Zugehoumlrigkeit zu admini-strativen Einheiten historisch-juristische Kriterien wie der Stadttitel soziologische Faktoren oder geografische Daten relevant

Zusammenfassend einige allgemeine Stadt-Merkmale

bull houmlhere Bebauungsdichte als im Umland

bull staumlrkere Verkehrsdichte und -buumlndelung an strategisch guumlnstigen Standorten

bull die besonders relevante wirtschaftliche Bedeutung eines Standorts im laumlndlichen Umland

bull haumlufig auch die Funktion der militaumlrischen und poli-tischen Kontrolle uumlber ein bestimmtes Gebiet

Nr 2

5

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Megastaumldte staumldtische Agglomerationen mit mehr als 10 Mio EW 2005 und 2015

2005 (EW in Mio) 2015 (EW in Mio)

1 Tokio (352) Tokio (355)

2 Mexiko-Stadt (194) Mumbai (219)

3 New York (187) Mexiko-Stadt (216)

4 Satildeo Paolo (183) Satildeo Paulo (205)

5 MumbaiBombay (182) New York (199)

6 Delhi (150) Delhi (186)

7 Shanghai (145) Shanghai (172)

8 Kalkutta (143) Kalkutta (169)

9 Jakarta (132) Dhaka (168)

10 Buenos Aires (125) Jakarta (168)

11 Dhaka (124) Lagos (161)

12 Los Angeles (123) Karatschi (151)

13 Karatschi (116) Buenos Aires (134)

14 Rio de Janeiro (115) Kairo (131)

15 Osaka-Kobe (113) Los Angeles (131)

16 Kairo (111) Manila (129)

17 Lagos (109) Peking (129)

18 Peking (107) Rio de Janeiro (127)

19 Manila (107) Osaka-Kobe (113)

20 Moskau (107) Istanbul (112)

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde 2008 zit nach United Nations Department of Economic and Social Affairs Population Division 2006 World Urbanization Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP20052005WUP_DataTables11pdf

GROSS ndash GROumlSSER ndash AM GROumlSSTENStaumldtetypen nach Anzahl der EinwohnerInnen (EW)

Landstadt 2000 bis 5000 EW

Kleinstadt 5000 bis 20000 EW

Mittelstadt 20000 bis 100000 EW

Groszligstadt mehr als 100000 EW

Metropole 1 bis 10 Mio EW Entscheidend ist bei der Metropole jedoch nicht die EinwohnerInnenzahl son-dern die Konzentration der wichtigsten kulturellen sozialen wirtschaftlichen und politischen Einrich-tungen in einem Land

Megastadt ab 10 Mio EW

Megalopolis miteinander verflochtene Groszligstaumldte auf engstem Raum zB der Siedlungsraum an der Ostkuumlste der USA zwischen Washington und Boston

Metastadt (Hypercity) ein sich massiv ausbreitender Ballungsraum mit mehr als 20 Mio EinwohnerInnen Die erste Metastadt wurde in den 60er-Jahren Tokio heute zaumlhlen auch New York City Seoul und Mexiko-Stadt dazu Im Jahr 2020 werden auch Mumbai (fruumlher Bombay) Delhi Satildeo Paulo Dhaka Jakarta und Lagos diesen Status erreicht haben

Naumlhere Informationen auf der Webseite des UN-HABITAT (United Nations Settlements Programme) ww2unhabitatorg

Schon gewusst

hellip dass um 1800 der Anteil der Menschen in Staumldten 3 betrug 2007 etwa 51

hellip dass Tokio die groumlszligte Stadt der Welt ist (nachder EinwohnerInnenzahl die derzeit uumlber 35 Mio betraumlgt)

hellip dass Wien im Hinblick auf die EinwohnerInnenzahl (Staumldte mit mehr als 1 Mio EinwohnerInnen) an 214 Stelle liegt (laut wwwcitypopulationde)

dass es derzeit 20 Megastaumldte auf der Welt gibt (Staumldte mit mehr als 10 Mio EinwohnerInnen)

hellip dass sich die groumlszligte Ballung an Megastaumldten in Asien befindet (bis 2025 werden allein fuumlr China 15 Megastaumldte mit 25 Mio EinwohnerInnen prognostiziert)

2011

6

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Glossar zu Stadtmodellen und urbane Typologien

Funktionelle Stadt Zonen fuumlr alle FunktionenPrinzip der funktionalen Trennung und Zonierung der Stadt in die Hauptfunktionen Wohnen Arbeiten und Erholung Relevant fuumlr den Typus der funktionellen Stadt waren die Visionen des Neuen Bauens (einer Richtung der Architektur und des Staumldtebaus in der Zwischenkriegszeit in Europa und Nordamerika)

Gartenstadt Agrarzonen und StadtgebieteDie Gartenstadt wurde als sozialreformerisches Konzept in Reaktion auf die schlechten Wohnverhaumlltnisse und

gestiegenen Bodenpreise Ende des 19 Jahrhunderts in England entwickelt (garden city movement Gartenstadt-bewegung die sich in der Gartenstadtgesellschaft orga-nisierte) Es handelte sich um ein konzentrisches Modell der Stadtplanung das im Umland groszliger Staumldte auf fruumlherem Agrarland umgesetzt werden sollte (dh meh-rere voneinander durch Agrarguumlrtel getrennte mittel-groszlige Staumldte) Das Konzept der autonomen Gartenstadt im Gemeineigentum fand Anfang des 20 Jahrhunderts auch in Deutschland Verbreitung (Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft) wurde aber in seiner urspruumlnglichen Idee kaum umgesetzt (ein Beispiel waumlre Hellerau ein spaumlterer Stadtteil Dresdens) In der Folge entwickelte sich bdquoGartenstadtldquo zu einem Sammelbegriff fuumlr Garten-vorstaumldte und gruumlne Wohnhausanlagen Er hatte mit der urspruumlnglichen Bedeutung nur mehr wenig gemeinsam In Oumlsterreich ist der Karl-Seitz-Hof in Wien-Floridsdorf erwaumlhnenswert ndash er wurde aufgrund der geringen Flauml-chenverbauung als Gartenstadt bezeichnet

Geplante Staumldte und gewachsene StaumldtePrinzipiell koumlnnen zwei Grundformen von Stadtgrund-rissen unterschieden werden geplante Staumldte und Staumldte die sich langsam unregelmaumlszligig und ungeplant entwickelten Die fruumlhen Staumldte waren regelmaumlszligig ange-legte Planstaumldte ebenso wie die roumlmischen Staumldte und spaumlter die Kolonialzentren (zB in Lateinamerika) Die Anlage der Kolonialstaumldte erfolgte in der Regel schach-brettartig dieser Grundriss bestimmte spaumlter auch die Ausdehnung der Staumldte in das Umland Das urspruumlngliche historische Zentrum veraumlnderte sich wenig waumlhrend meistens am Rande der Staumldte ausgedehnte Marginal-siedlungen entstanden sind Diese Stadtbilder sind heute fuumlr die meisten lateinamerikanischen Groszligstaumldte wie Mexiko-Stadt Lima Bogota Rio de Janeiro oder Caracas charakteristisch

Im Mittelalter entwickelten sich unregelmaumlszligige Staumldte mit Kruumlmmungen Sackgassen und Gabelungen von einem aumllteren Kern aus Die Staumldte wuchsen rund um Burgen oder an Fluumlssen auch topografische Bedingungen spielten eine maszliggebliche Rolle Die Stadtmauern wur-den in den meisten Faumlllen spaumltestens im 20 Jahrhundert abgerissen

Typische Merkmale der europaumlischen und orientalischen Staumldte warensind Burgen Palaumlste und religioumlse Bauten als zentrale Herrschaftsgebaumlude meist von einer Stadt-

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Methodentipp zu den Groumlszligendimensionen von Staumldten (Kleingruppenarbeit ab 6 Schulstufe)

bull Aufteilung in 4 bis 5 Kleingruppen

bull Jede Gruppe erhaumllt ein Kuvert mit Papierkaumlrtchen Auf jeder Karte ist der Name einer StadtBaden Lagos Istanbul Wien Mexiko-Stadt St Poumllten

Belgrad Tokio London (oder andere)

bull Die SchuumllerInnen ordnen die Staumldte nach der geschaumltzten Zahl ihrer EinwohnerInnen

bull Die Ergebnisse werden mit Internetrecherchen zu den EinwohnerInnenzahlen verglichen Jede Gruppe recherchiert zwei oder drei Staumldte (mit Unterstuumlt-zung der Lehrkraft)

bull Welchen Stadttypen lassen sich diese Staumldte nach der Zahl der EinwohnerInnen zuordnen (Kleinstadt Groszligstadt Metropole Megastadt etc siehe Tabelle auf Seite 5)

bull Assoziationen (Notizen auf einem A4-Blatt in der Kleingruppe) Was faumlllt den SchuumllerInnen spontan ein zu den genannten Staumldten In welchen Laumlndern liegen die Staumldte Welche Stadt ist bekanntunbekannt Wer war schon in einer dieser Staumldte und kann etwas daruumlber erzaumlhlen (Sprache bekannte Plaumltze usw)

bull Vertiefende Informationen oder Projektarbeit zu den Staumldten (siehe auch Seite 10)

Nr 2

7

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

mauer geschuumltzt Das Ensemble von Rathaus Kirche und Markt markiert haumlufig das Zentrum und die Zentralitaumlt der europaumlischen Stadt

Global City (World City) vernetzt ndash weltumspannend ndash steuerndAls Global Cities werden Staumldte bezeichnet die aufgrund der Konzentration der Finanzmaumlrkte Management- Kon-troll- und Steuerungsknotenpunkte im transnationalen Feld einer globalisierten Oumlkonomie sind Nordamerika Westeuropa und Suumldostasien (Tokio London New York oder Paris) sind nach wie vor herausragend derzeit holen aber die Laumlnder des Suumldens in Bezug auf neue World Cities stark auf Besonders Beijing Shanghai und Mumbai werden in den naumlchsten Jahren an Bedeutung gewinnen Derzeit zaumlhlen weltweit 55 Staumldte zu den Global Cities

Online-Artikel zu Global Cities (auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Global Cities ndash

Urbane Zentren der Weltwirtschaft Globalisierung und Verstaumldterung Von Christof Parnreiter wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Megastaumldte gt Hintergrund Das urbane Millenium

Satellitenstadt Mini-Stadt mit InfrastrukturGeplante Staumldte die im Umfeld von Kernstaumldten ange-siedelt sind und im Unterschied zur Trabantenstadt Arbeitsplaumltze und Infrastruktur (Schulen Krankenhaumluser Freizeitmoumlglichkeiten etc) bieten Typisch fuumlr die ehema-lige UdSSR oder DDR sind standardisierte mehrstoumlckige Gebaumlude in Groszligtafelbauweise (bdquoPlattenbauldquo)

Slum Provisorien auf unsicherem TerrainDer Begriff beschrieb Anfang des 19 Jahrhunderts in England urspruumlnglich eine enge Unterkunft von Fabrik-arbeiterInnen mit schlechter Versorgung Er wurde spaumlter zur generalisierenden Bezeichnung fuumlr Wohngebiete in Stadtvierteln bdquomit schmutzigen Hintergassenldquo bzw zum Begriff fuumlr etwas das schmutzig ist Aktuell definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als bdquoSiedlung in der mehr als die Haumllfte der EinwohnerInnen in Unterkuumlnften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen lebenldquo Es han-delt sich um provisorische informelle Behausungen mit mangelhafter Bausubstanz schlechter Lokalitaumlt (zB an steilen Haumlngen) hoher Belegungsdichte fehlendem Zugang zu Trinkwasser und sanitaumlren Einrichtungen unsi-cheren Wohn- und Aufenthaltsrechten

Stadt-Utopien ideale GesellschaftsformenDie Entwuumlrfe von Idealstaumldten waren meistens Utopien von einer idealen Gesellschaft und entsprechender Sozi-alstruktur Seit der Antike wurden unterschiedliche Sche-mata von geometrischen Grundrissen (zB Sternform konzentrische Kreise usw) geplant allerdings nur in Einzelfaumlllen umgesetzt Bekannt sind die Entwuumlrfe von Platon und Aristoteles Marcus Vitruvius Pollio Leonardo da Vinci Thomas Morus sowie Tommaso Campanella (Entwurf zum Sonnenstaat civitas solis) Herausragend im Hinblick auf die Fuumllle an perspektivischen Modellen fuumlr Idealstaumldte sind Renais-sance und Barock

Trabantenstadt SchlafstadtVororte einer groumlszligeren Kernstadt die oft Wohngebiete fuumlr PendlerInnen sind und den Wohnraumbedarf in der Kernstadt decken sollen (wenig eigene Infrastruktur wenig Arbeitsplaumltze) Es handelt sich um eine Schlaf-stadt die morgens in Richtung groszlige Stadt verlassen wird Satellitenstaumldte und Trabantenstaumldte sind im Umfeld von groumlszligeren Staumldten angesiedelt stellen von der Grundidee her aber unterschiedliche Konzepte dar

Zwischenstadt zwischen Stadt und LandTransitorische Zonen zwischen Stadt und Land eine Struktur ohne eindeutige Mitte Ein diffuser fragmen-tierter Stadtraum der sich durch eine planlose Gestalt mit vielen mehr oder weniger stark funktional speziali-sierten Bereichen Netzen und Knoten auszeichnet (Vor-stadtsiedlung Gewerbepark Freizeit-Center Autobahn-anschluss Landschaftsreste etc)

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

1 Homo urbanusbdquoSo we are calling this the urban millennium This

is a millennium where now you know homo sapi-

ens is in the cities and so it is homo urbanus as

we say He is living in the cities And when people

move to cities you cannot stop them from coming

they have a right to come (hellip)ldquo

Weltweit zeichnet sich ein Trend zur Verstaumldterung ab vom homo urbanus auf dem Vormarsch oder vom bdquourbanen Millenniumldquo ist derzeit in Fachliteratur oder Zeitschriften oft die Rede und das nicht ohne Grund Erstmals in der Menschheitsgeschichte lebt gegenwaumlrtig im Schnitt jedeR Zweite auf der Welt in einer Stadt dh eine Milliarde auf der noumlrdlichen und zwei auf der suumldlichen Erdhalbkugel Das Programm der Vereinten Nationen fuumlr menschliche Siedlungen (UN-HABITAT) prognostiziert ein Anwachsen der staumldtischen Bevoumllkerung bis zum Jahr 2030 von 33 auf 5 Milliarden Bis 2030 wird der Verstaumldterungsgrad auf etwa 60 steigen Lebten um 1800 erst zwei bis drei Prozent der Menschen in Staumldten so werden laut UNO bis zum Jahr 2050 drei Viertel der Menschheit in Staumldten wohnen

Der Zustrom in die urbanen Zentren haumlngt eng mit laumlnd-lichen Entwicklungen und der weltweiten Agrarkrise zusammen Wanderungsbewegungen in die Staumldte sind derzeit dort am staumlrksten ausgepraumlgt wo der laumlndliche Anteil der Bevoumllkerung am houmlchsten ist (etwa in Afrika oder in Asien) Die Bandbreite der sogenannten Push-Faktoren (Gruumlnde fuumlr das Wegziehen) ist weit gefaumlchert Armut und fehlende Ressourcen (vor allem der Mangel an Anbauflaumlchen und Wasser) weltweite Agrarkrisen Vertreibung Verfolgung Kriege oumlkologische Probleme wie etwa Bodenerosion fehlende Perspektiven aufgrund extrem niedriger Einkuumlnfte durch Landwirtschaft Uumlber-bevoumllkerung etc Diese und andere Faktoren fuumlhren dazu dass Haushalte ihre Familienmitglieder nicht mehr ernaumlh-ren koumlnnen und sie sind gleichzeitig der Motor fuumlr die Bewegung Richtung Stadt Auch eine boomende staumld-tische Wirtschaft (Beispiel China) kann die staumldtische Zuwanderung vorantreiben (im Sinn eines Pull-Faktors) und Anlass fuumlr die Hoffnung auf ein besseres Leben und Einkommen sein

Anna Tibaijuka Direktorin von UN-HABITAT (zitiert nach einem Video-Interview auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Pfad wwwbpbde gt Suchmodus bdquoTibaijukaldquo gt Video-Interview Die Menschen haben ein Recht auf Stadt

Ob Mega- und Gigastaumldte futuristische Global Cities oder ausufernde Huumlttensiedlungen ndash die gegenwaumlrtigen Urba-nisierungswellen lassen ganz neue Stadttypen Bau- und Siedlungsformen entstehen Staumldte sind weltweit zu stark differenzierten Lebensraumlumen mit komplexen Ver-flechtungen geworden fuumlr viele von ihnen trifft die uns vertraute Vorstellung von einer europaumlischen Stadt nach dem Muster bdquodicht besiedelte Flaumlche mit repraumlsentativer Architektur und Zentralitaumltsfunktionldquo gar nicht zu Der Prozess der globalen Verstaumldterung nimmt auf globaler Ebene und regional unterschiedliche Formen an Waumlh-rend die Zahl der Staumldte im Norden generell stagniert und ihre Bevoumllkerungsdichte zum Teil sogar schrumpft (zB in den ehemaligen Gebieten der DDR) nimmt die Verstaumld-terung in den Laumlndern des Suumldens (Schwellen- und Ent-wicklungslaumlnder) drastisch zu Gleichzeitig vergroumlszligert sich die Zahl der Millionen- und Megastaumldte Sogenannte bdquoHyperstaumldteldquo mit 20 und mehr Millionen Einwohne-rInnen werden bald keine Seltenheit mehr sein Ein Ent-wicklungstrend zeichne sich ab meinen Stadtforsche-rInnen groumlszligere Ungleichheit zwischen den Staumldten und groumlszligere soziale Ungleichheit in den Staumldten

Von den Megastaumldten ist es nur ein kleiner gedanklicher Sprung zu den Mega-Slums Der US-amerikanische Stadt-forscher Mike Davis zeichnet in dem Buch bdquoPlanet der Slumsldquo (siehe Literaturtipp auf Seite 4) ein duumlsteres Bild von der urbanen Zukunft und dem Anwachsen der Armut seit den 60er-Jahren des 20 Jahrhunderts Gegenwaumlrtig lebt schaumltzungsweise eine Milliarde Menschen in irregu-laumlren Siedlungen Der Anteil an jugendlichen Stadtbewoh-nerInnen die dauerhaft in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen (zB als TageloumlhnerInnen StraszligenhaumlndlerInnen oder in der Prostitution) um ihr Uumlberleben kaumlmpfen muumlssen ist enorm hoch Sie sind nicht nur raumlumlich an die Peripherie der Staumldte abgedraumlngt sondern auch von Industrie und Weltwirtschaft abgekoppelt Wenn zu viele Menschen im informellen Bereich miteinander konkurrieren und Frei-gelaumlnde rar wird muumlssen immer mehr Menschen auf ris-kantes Terrain ohne Marktwert ausweichen Eine Uumlberle-bensstrategie besteht dann haumlufig darin ein Stuumlck Land in kleinere Teile aufzuteilen und an noch aumlrmere Men-schen zu vermieten

Nr 2

3

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

2011

4

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Migration in die Staumldte ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Wellblechdaumlchern und Verarmung Die Stadt bezieht ihre Chancen und Potenziale auch und gerade aus der Migra-tion aus der Vielfalt und der Mischung von Bekanntem und Unbekanntem Die Stadt lebt von der Zuwanderung denn ohne sie waumlre wie Erol Yildiz in dem Buch bdquoUrban Recyclingldquo (siehe Literaturtipp) schreibt bdquoeine Groszligstadt

bestenfalls ein groszliges Dorfldquo

T i p p L i n k

Dossier bdquoStadt und Gesellschaftldquo der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung zu sozialen und raumlumlichen Tendenzen der Stadtentwicklung

wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Stadt und Gesellschaft

T i p p L i t e r a t u r

Mike Davis Planet der Slums Berlin Verlag Assoziation A 2007

Erol Yildiz Birgit Mattausch (Hrsg) Urban RecyclingMigration als Groszligstadt-Ressource Basel BirkhaumluserVerlag Edition Bauwelt Fundamente 2008

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Uumlberblick zu globalen Trends staumldtischer Ent-wicklungen auf der Webseite von UN-HABITAT wwwunhabitatorg gt Press Kits gt State of the Worlds Cities 20102011 ndash Cities for all Bridging the Urban Divide

Prognose der staumldtischen Bevoumllkerung 2005 bis 2030 (in Mio und in der Gesamtbevoumllkerung)

2005 2030

Weltweit 3150 487 4912 599

Industrielaumlnder 898 741 1011 808

Entwicklungslaumlnder 2252 429 3901 561

Afrika 347 383 742 507

Asien 1552 398 2636 541

China 531 404 872 603

Indien 316 287 589 407

Europa 525 722 546 783

Lateinamerika u Karibik 434 774 608 843

Nordamerika 266 807 346 867

Ozeanien (m Australien) 23 708 31 738

Ursachen der fruumlhen Stadtgruumlndungen

Maszliggeblich zur Entstehung der fruumlhen Staumldte (zB in Mesopotamien Hochland von Anatolien) trug die Produk-tion an Uumlberschuumlssen von Ressourcen und Waren bei In der Folge kam es zu Arbeitsteilung und Spezialisierung in Handwerk Industrie Handel und Dienstleistungen Die

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde zitiert nach United Nations Department of Economic and Social Affairs (Desa) Population Division World Population Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP2005 gt 2005WUP_DataTablespdf

Siedlungsgebiete waren funktional und sozialraumlumlich gegliedert (als geplante Stadtanlage oder in ungeplanter Form) und die verschiedenen sozialen Gruppen verfuumlgten uumlber ungleiche Herrschafts- und Machtpotenziale Die Stadt war das bauliche und symbolische Machtzentrum in einer umfangreich ausgestatteten Ansiedlung gleich-sam ein bdquoUumlberschuss an Bedeutungldquo (Leonardo Benevolo siehe Literaturtipps auf Seite 9)

Merkmale einer Stadt

Die aktuellen nationalen Indikatoren zur Definition einer Stadt sind recht unterschiedlich meistens wird die Ein-wohnerInnenzahl die Siedlungsdichte undoder die Art der (nicht-agrarischen) Beschaumlftigung herangezogen Daruumlber hinaus sind auch die Zugehoumlrigkeit zu admini-strativen Einheiten historisch-juristische Kriterien wie der Stadttitel soziologische Faktoren oder geografische Daten relevant

Zusammenfassend einige allgemeine Stadt-Merkmale

bull houmlhere Bebauungsdichte als im Umland

bull staumlrkere Verkehrsdichte und -buumlndelung an strategisch guumlnstigen Standorten

bull die besonders relevante wirtschaftliche Bedeutung eines Standorts im laumlndlichen Umland

bull haumlufig auch die Funktion der militaumlrischen und poli-tischen Kontrolle uumlber ein bestimmtes Gebiet

Nr 2

5

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Megastaumldte staumldtische Agglomerationen mit mehr als 10 Mio EW 2005 und 2015

2005 (EW in Mio) 2015 (EW in Mio)

1 Tokio (352) Tokio (355)

2 Mexiko-Stadt (194) Mumbai (219)

3 New York (187) Mexiko-Stadt (216)

4 Satildeo Paolo (183) Satildeo Paulo (205)

5 MumbaiBombay (182) New York (199)

6 Delhi (150) Delhi (186)

7 Shanghai (145) Shanghai (172)

8 Kalkutta (143) Kalkutta (169)

9 Jakarta (132) Dhaka (168)

10 Buenos Aires (125) Jakarta (168)

11 Dhaka (124) Lagos (161)

12 Los Angeles (123) Karatschi (151)

13 Karatschi (116) Buenos Aires (134)

14 Rio de Janeiro (115) Kairo (131)

15 Osaka-Kobe (113) Los Angeles (131)

16 Kairo (111) Manila (129)

17 Lagos (109) Peking (129)

18 Peking (107) Rio de Janeiro (127)

19 Manila (107) Osaka-Kobe (113)

20 Moskau (107) Istanbul (112)

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde 2008 zit nach United Nations Department of Economic and Social Affairs Population Division 2006 World Urbanization Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP20052005WUP_DataTables11pdf

GROSS ndash GROumlSSER ndash AM GROumlSSTENStaumldtetypen nach Anzahl der EinwohnerInnen (EW)

Landstadt 2000 bis 5000 EW

Kleinstadt 5000 bis 20000 EW

Mittelstadt 20000 bis 100000 EW

Groszligstadt mehr als 100000 EW

Metropole 1 bis 10 Mio EW Entscheidend ist bei der Metropole jedoch nicht die EinwohnerInnenzahl son-dern die Konzentration der wichtigsten kulturellen sozialen wirtschaftlichen und politischen Einrich-tungen in einem Land

Megastadt ab 10 Mio EW

Megalopolis miteinander verflochtene Groszligstaumldte auf engstem Raum zB der Siedlungsraum an der Ostkuumlste der USA zwischen Washington und Boston

Metastadt (Hypercity) ein sich massiv ausbreitender Ballungsraum mit mehr als 20 Mio EinwohnerInnen Die erste Metastadt wurde in den 60er-Jahren Tokio heute zaumlhlen auch New York City Seoul und Mexiko-Stadt dazu Im Jahr 2020 werden auch Mumbai (fruumlher Bombay) Delhi Satildeo Paulo Dhaka Jakarta und Lagos diesen Status erreicht haben

Naumlhere Informationen auf der Webseite des UN-HABITAT (United Nations Settlements Programme) ww2unhabitatorg

Schon gewusst

hellip dass um 1800 der Anteil der Menschen in Staumldten 3 betrug 2007 etwa 51

hellip dass Tokio die groumlszligte Stadt der Welt ist (nachder EinwohnerInnenzahl die derzeit uumlber 35 Mio betraumlgt)

hellip dass Wien im Hinblick auf die EinwohnerInnenzahl (Staumldte mit mehr als 1 Mio EinwohnerInnen) an 214 Stelle liegt (laut wwwcitypopulationde)

dass es derzeit 20 Megastaumldte auf der Welt gibt (Staumldte mit mehr als 10 Mio EinwohnerInnen)

hellip dass sich die groumlszligte Ballung an Megastaumldten in Asien befindet (bis 2025 werden allein fuumlr China 15 Megastaumldte mit 25 Mio EinwohnerInnen prognostiziert)

2011

6

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Glossar zu Stadtmodellen und urbane Typologien

Funktionelle Stadt Zonen fuumlr alle FunktionenPrinzip der funktionalen Trennung und Zonierung der Stadt in die Hauptfunktionen Wohnen Arbeiten und Erholung Relevant fuumlr den Typus der funktionellen Stadt waren die Visionen des Neuen Bauens (einer Richtung der Architektur und des Staumldtebaus in der Zwischenkriegszeit in Europa und Nordamerika)

Gartenstadt Agrarzonen und StadtgebieteDie Gartenstadt wurde als sozialreformerisches Konzept in Reaktion auf die schlechten Wohnverhaumlltnisse und

gestiegenen Bodenpreise Ende des 19 Jahrhunderts in England entwickelt (garden city movement Gartenstadt-bewegung die sich in der Gartenstadtgesellschaft orga-nisierte) Es handelte sich um ein konzentrisches Modell der Stadtplanung das im Umland groszliger Staumldte auf fruumlherem Agrarland umgesetzt werden sollte (dh meh-rere voneinander durch Agrarguumlrtel getrennte mittel-groszlige Staumldte) Das Konzept der autonomen Gartenstadt im Gemeineigentum fand Anfang des 20 Jahrhunderts auch in Deutschland Verbreitung (Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft) wurde aber in seiner urspruumlnglichen Idee kaum umgesetzt (ein Beispiel waumlre Hellerau ein spaumlterer Stadtteil Dresdens) In der Folge entwickelte sich bdquoGartenstadtldquo zu einem Sammelbegriff fuumlr Garten-vorstaumldte und gruumlne Wohnhausanlagen Er hatte mit der urspruumlnglichen Bedeutung nur mehr wenig gemeinsam In Oumlsterreich ist der Karl-Seitz-Hof in Wien-Floridsdorf erwaumlhnenswert ndash er wurde aufgrund der geringen Flauml-chenverbauung als Gartenstadt bezeichnet

Geplante Staumldte und gewachsene StaumldtePrinzipiell koumlnnen zwei Grundformen von Stadtgrund-rissen unterschieden werden geplante Staumldte und Staumldte die sich langsam unregelmaumlszligig und ungeplant entwickelten Die fruumlhen Staumldte waren regelmaumlszligig ange-legte Planstaumldte ebenso wie die roumlmischen Staumldte und spaumlter die Kolonialzentren (zB in Lateinamerika) Die Anlage der Kolonialstaumldte erfolgte in der Regel schach-brettartig dieser Grundriss bestimmte spaumlter auch die Ausdehnung der Staumldte in das Umland Das urspruumlngliche historische Zentrum veraumlnderte sich wenig waumlhrend meistens am Rande der Staumldte ausgedehnte Marginal-siedlungen entstanden sind Diese Stadtbilder sind heute fuumlr die meisten lateinamerikanischen Groszligstaumldte wie Mexiko-Stadt Lima Bogota Rio de Janeiro oder Caracas charakteristisch

Im Mittelalter entwickelten sich unregelmaumlszligige Staumldte mit Kruumlmmungen Sackgassen und Gabelungen von einem aumllteren Kern aus Die Staumldte wuchsen rund um Burgen oder an Fluumlssen auch topografische Bedingungen spielten eine maszliggebliche Rolle Die Stadtmauern wur-den in den meisten Faumlllen spaumltestens im 20 Jahrhundert abgerissen

Typische Merkmale der europaumlischen und orientalischen Staumldte warensind Burgen Palaumlste und religioumlse Bauten als zentrale Herrschaftsgebaumlude meist von einer Stadt-

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Methodentipp zu den Groumlszligendimensionen von Staumldten (Kleingruppenarbeit ab 6 Schulstufe)

bull Aufteilung in 4 bis 5 Kleingruppen

bull Jede Gruppe erhaumllt ein Kuvert mit Papierkaumlrtchen Auf jeder Karte ist der Name einer StadtBaden Lagos Istanbul Wien Mexiko-Stadt St Poumllten

Belgrad Tokio London (oder andere)

bull Die SchuumllerInnen ordnen die Staumldte nach der geschaumltzten Zahl ihrer EinwohnerInnen

bull Die Ergebnisse werden mit Internetrecherchen zu den EinwohnerInnenzahlen verglichen Jede Gruppe recherchiert zwei oder drei Staumldte (mit Unterstuumlt-zung der Lehrkraft)

bull Welchen Stadttypen lassen sich diese Staumldte nach der Zahl der EinwohnerInnen zuordnen (Kleinstadt Groszligstadt Metropole Megastadt etc siehe Tabelle auf Seite 5)

bull Assoziationen (Notizen auf einem A4-Blatt in der Kleingruppe) Was faumlllt den SchuumllerInnen spontan ein zu den genannten Staumldten In welchen Laumlndern liegen die Staumldte Welche Stadt ist bekanntunbekannt Wer war schon in einer dieser Staumldte und kann etwas daruumlber erzaumlhlen (Sprache bekannte Plaumltze usw)

bull Vertiefende Informationen oder Projektarbeit zu den Staumldten (siehe auch Seite 10)

Nr 2

7

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

mauer geschuumltzt Das Ensemble von Rathaus Kirche und Markt markiert haumlufig das Zentrum und die Zentralitaumlt der europaumlischen Stadt

Global City (World City) vernetzt ndash weltumspannend ndash steuerndAls Global Cities werden Staumldte bezeichnet die aufgrund der Konzentration der Finanzmaumlrkte Management- Kon-troll- und Steuerungsknotenpunkte im transnationalen Feld einer globalisierten Oumlkonomie sind Nordamerika Westeuropa und Suumldostasien (Tokio London New York oder Paris) sind nach wie vor herausragend derzeit holen aber die Laumlnder des Suumldens in Bezug auf neue World Cities stark auf Besonders Beijing Shanghai und Mumbai werden in den naumlchsten Jahren an Bedeutung gewinnen Derzeit zaumlhlen weltweit 55 Staumldte zu den Global Cities

Online-Artikel zu Global Cities (auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Global Cities ndash

Urbane Zentren der Weltwirtschaft Globalisierung und Verstaumldterung Von Christof Parnreiter wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Megastaumldte gt Hintergrund Das urbane Millenium

Satellitenstadt Mini-Stadt mit InfrastrukturGeplante Staumldte die im Umfeld von Kernstaumldten ange-siedelt sind und im Unterschied zur Trabantenstadt Arbeitsplaumltze und Infrastruktur (Schulen Krankenhaumluser Freizeitmoumlglichkeiten etc) bieten Typisch fuumlr die ehema-lige UdSSR oder DDR sind standardisierte mehrstoumlckige Gebaumlude in Groszligtafelbauweise (bdquoPlattenbauldquo)

Slum Provisorien auf unsicherem TerrainDer Begriff beschrieb Anfang des 19 Jahrhunderts in England urspruumlnglich eine enge Unterkunft von Fabrik-arbeiterInnen mit schlechter Versorgung Er wurde spaumlter zur generalisierenden Bezeichnung fuumlr Wohngebiete in Stadtvierteln bdquomit schmutzigen Hintergassenldquo bzw zum Begriff fuumlr etwas das schmutzig ist Aktuell definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als bdquoSiedlung in der mehr als die Haumllfte der EinwohnerInnen in Unterkuumlnften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen lebenldquo Es han-delt sich um provisorische informelle Behausungen mit mangelhafter Bausubstanz schlechter Lokalitaumlt (zB an steilen Haumlngen) hoher Belegungsdichte fehlendem Zugang zu Trinkwasser und sanitaumlren Einrichtungen unsi-cheren Wohn- und Aufenthaltsrechten

Stadt-Utopien ideale GesellschaftsformenDie Entwuumlrfe von Idealstaumldten waren meistens Utopien von einer idealen Gesellschaft und entsprechender Sozi-alstruktur Seit der Antike wurden unterschiedliche Sche-mata von geometrischen Grundrissen (zB Sternform konzentrische Kreise usw) geplant allerdings nur in Einzelfaumlllen umgesetzt Bekannt sind die Entwuumlrfe von Platon und Aristoteles Marcus Vitruvius Pollio Leonardo da Vinci Thomas Morus sowie Tommaso Campanella (Entwurf zum Sonnenstaat civitas solis) Herausragend im Hinblick auf die Fuumllle an perspektivischen Modellen fuumlr Idealstaumldte sind Renais-sance und Barock

Trabantenstadt SchlafstadtVororte einer groumlszligeren Kernstadt die oft Wohngebiete fuumlr PendlerInnen sind und den Wohnraumbedarf in der Kernstadt decken sollen (wenig eigene Infrastruktur wenig Arbeitsplaumltze) Es handelt sich um eine Schlaf-stadt die morgens in Richtung groszlige Stadt verlassen wird Satellitenstaumldte und Trabantenstaumldte sind im Umfeld von groumlszligeren Staumldten angesiedelt stellen von der Grundidee her aber unterschiedliche Konzepte dar

Zwischenstadt zwischen Stadt und LandTransitorische Zonen zwischen Stadt und Land eine Struktur ohne eindeutige Mitte Ein diffuser fragmen-tierter Stadtraum der sich durch eine planlose Gestalt mit vielen mehr oder weniger stark funktional speziali-sierten Bereichen Netzen und Knoten auszeichnet (Vor-stadtsiedlung Gewerbepark Freizeit-Center Autobahn-anschluss Landschaftsreste etc)

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

4

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Migration in die Staumldte ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Wellblechdaumlchern und Verarmung Die Stadt bezieht ihre Chancen und Potenziale auch und gerade aus der Migra-tion aus der Vielfalt und der Mischung von Bekanntem und Unbekanntem Die Stadt lebt von der Zuwanderung denn ohne sie waumlre wie Erol Yildiz in dem Buch bdquoUrban Recyclingldquo (siehe Literaturtipp) schreibt bdquoeine Groszligstadt

bestenfalls ein groszliges Dorfldquo

T i p p L i n k

Dossier bdquoStadt und Gesellschaftldquo der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung zu sozialen und raumlumlichen Tendenzen der Stadtentwicklung

wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Stadt und Gesellschaft

T i p p L i t e r a t u r

Mike Davis Planet der Slums Berlin Verlag Assoziation A 2007

Erol Yildiz Birgit Mattausch (Hrsg) Urban RecyclingMigration als Groszligstadt-Ressource Basel BirkhaumluserVerlag Edition Bauwelt Fundamente 2008

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Uumlberblick zu globalen Trends staumldtischer Ent-wicklungen auf der Webseite von UN-HABITAT wwwunhabitatorg gt Press Kits gt State of the Worlds Cities 20102011 ndash Cities for all Bridging the Urban Divide

Prognose der staumldtischen Bevoumllkerung 2005 bis 2030 (in Mio und in der Gesamtbevoumllkerung)

2005 2030

Weltweit 3150 487 4912 599

Industrielaumlnder 898 741 1011 808

Entwicklungslaumlnder 2252 429 3901 561

Afrika 347 383 742 507

Asien 1552 398 2636 541

China 531 404 872 603

Indien 316 287 589 407

Europa 525 722 546 783

Lateinamerika u Karibik 434 774 608 843

Nordamerika 266 807 346 867

Ozeanien (m Australien) 23 708 31 738

Ursachen der fruumlhen Stadtgruumlndungen

Maszliggeblich zur Entstehung der fruumlhen Staumldte (zB in Mesopotamien Hochland von Anatolien) trug die Produk-tion an Uumlberschuumlssen von Ressourcen und Waren bei In der Folge kam es zu Arbeitsteilung und Spezialisierung in Handwerk Industrie Handel und Dienstleistungen Die

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde zitiert nach United Nations Department of Economic and Social Affairs (Desa) Population Division World Population Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP2005 gt 2005WUP_DataTablespdf

Siedlungsgebiete waren funktional und sozialraumlumlich gegliedert (als geplante Stadtanlage oder in ungeplanter Form) und die verschiedenen sozialen Gruppen verfuumlgten uumlber ungleiche Herrschafts- und Machtpotenziale Die Stadt war das bauliche und symbolische Machtzentrum in einer umfangreich ausgestatteten Ansiedlung gleich-sam ein bdquoUumlberschuss an Bedeutungldquo (Leonardo Benevolo siehe Literaturtipps auf Seite 9)

Merkmale einer Stadt

Die aktuellen nationalen Indikatoren zur Definition einer Stadt sind recht unterschiedlich meistens wird die Ein-wohnerInnenzahl die Siedlungsdichte undoder die Art der (nicht-agrarischen) Beschaumlftigung herangezogen Daruumlber hinaus sind auch die Zugehoumlrigkeit zu admini-strativen Einheiten historisch-juristische Kriterien wie der Stadttitel soziologische Faktoren oder geografische Daten relevant

Zusammenfassend einige allgemeine Stadt-Merkmale

bull houmlhere Bebauungsdichte als im Umland

bull staumlrkere Verkehrsdichte und -buumlndelung an strategisch guumlnstigen Standorten

bull die besonders relevante wirtschaftliche Bedeutung eines Standorts im laumlndlichen Umland

bull haumlufig auch die Funktion der militaumlrischen und poli-tischen Kontrolle uumlber ein bestimmtes Gebiet

Nr 2

5

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Megastaumldte staumldtische Agglomerationen mit mehr als 10 Mio EW 2005 und 2015

2005 (EW in Mio) 2015 (EW in Mio)

1 Tokio (352) Tokio (355)

2 Mexiko-Stadt (194) Mumbai (219)

3 New York (187) Mexiko-Stadt (216)

4 Satildeo Paolo (183) Satildeo Paulo (205)

5 MumbaiBombay (182) New York (199)

6 Delhi (150) Delhi (186)

7 Shanghai (145) Shanghai (172)

8 Kalkutta (143) Kalkutta (169)

9 Jakarta (132) Dhaka (168)

10 Buenos Aires (125) Jakarta (168)

11 Dhaka (124) Lagos (161)

12 Los Angeles (123) Karatschi (151)

13 Karatschi (116) Buenos Aires (134)

14 Rio de Janeiro (115) Kairo (131)

15 Osaka-Kobe (113) Los Angeles (131)

16 Kairo (111) Manila (129)

17 Lagos (109) Peking (129)

18 Peking (107) Rio de Janeiro (127)

19 Manila (107) Osaka-Kobe (113)

20 Moskau (107) Istanbul (112)

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde 2008 zit nach United Nations Department of Economic and Social Affairs Population Division 2006 World Urbanization Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP20052005WUP_DataTables11pdf

GROSS ndash GROumlSSER ndash AM GROumlSSTENStaumldtetypen nach Anzahl der EinwohnerInnen (EW)

Landstadt 2000 bis 5000 EW

Kleinstadt 5000 bis 20000 EW

Mittelstadt 20000 bis 100000 EW

Groszligstadt mehr als 100000 EW

Metropole 1 bis 10 Mio EW Entscheidend ist bei der Metropole jedoch nicht die EinwohnerInnenzahl son-dern die Konzentration der wichtigsten kulturellen sozialen wirtschaftlichen und politischen Einrich-tungen in einem Land

Megastadt ab 10 Mio EW

Megalopolis miteinander verflochtene Groszligstaumldte auf engstem Raum zB der Siedlungsraum an der Ostkuumlste der USA zwischen Washington und Boston

Metastadt (Hypercity) ein sich massiv ausbreitender Ballungsraum mit mehr als 20 Mio EinwohnerInnen Die erste Metastadt wurde in den 60er-Jahren Tokio heute zaumlhlen auch New York City Seoul und Mexiko-Stadt dazu Im Jahr 2020 werden auch Mumbai (fruumlher Bombay) Delhi Satildeo Paulo Dhaka Jakarta und Lagos diesen Status erreicht haben

Naumlhere Informationen auf der Webseite des UN-HABITAT (United Nations Settlements Programme) ww2unhabitatorg

Schon gewusst

hellip dass um 1800 der Anteil der Menschen in Staumldten 3 betrug 2007 etwa 51

hellip dass Tokio die groumlszligte Stadt der Welt ist (nachder EinwohnerInnenzahl die derzeit uumlber 35 Mio betraumlgt)

hellip dass Wien im Hinblick auf die EinwohnerInnenzahl (Staumldte mit mehr als 1 Mio EinwohnerInnen) an 214 Stelle liegt (laut wwwcitypopulationde)

dass es derzeit 20 Megastaumldte auf der Welt gibt (Staumldte mit mehr als 10 Mio EinwohnerInnen)

hellip dass sich die groumlszligte Ballung an Megastaumldten in Asien befindet (bis 2025 werden allein fuumlr China 15 Megastaumldte mit 25 Mio EinwohnerInnen prognostiziert)

2011

6

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Glossar zu Stadtmodellen und urbane Typologien

Funktionelle Stadt Zonen fuumlr alle FunktionenPrinzip der funktionalen Trennung und Zonierung der Stadt in die Hauptfunktionen Wohnen Arbeiten und Erholung Relevant fuumlr den Typus der funktionellen Stadt waren die Visionen des Neuen Bauens (einer Richtung der Architektur und des Staumldtebaus in der Zwischenkriegszeit in Europa und Nordamerika)

Gartenstadt Agrarzonen und StadtgebieteDie Gartenstadt wurde als sozialreformerisches Konzept in Reaktion auf die schlechten Wohnverhaumlltnisse und

gestiegenen Bodenpreise Ende des 19 Jahrhunderts in England entwickelt (garden city movement Gartenstadt-bewegung die sich in der Gartenstadtgesellschaft orga-nisierte) Es handelte sich um ein konzentrisches Modell der Stadtplanung das im Umland groszliger Staumldte auf fruumlherem Agrarland umgesetzt werden sollte (dh meh-rere voneinander durch Agrarguumlrtel getrennte mittel-groszlige Staumldte) Das Konzept der autonomen Gartenstadt im Gemeineigentum fand Anfang des 20 Jahrhunderts auch in Deutschland Verbreitung (Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft) wurde aber in seiner urspruumlnglichen Idee kaum umgesetzt (ein Beispiel waumlre Hellerau ein spaumlterer Stadtteil Dresdens) In der Folge entwickelte sich bdquoGartenstadtldquo zu einem Sammelbegriff fuumlr Garten-vorstaumldte und gruumlne Wohnhausanlagen Er hatte mit der urspruumlnglichen Bedeutung nur mehr wenig gemeinsam In Oumlsterreich ist der Karl-Seitz-Hof in Wien-Floridsdorf erwaumlhnenswert ndash er wurde aufgrund der geringen Flauml-chenverbauung als Gartenstadt bezeichnet

Geplante Staumldte und gewachsene StaumldtePrinzipiell koumlnnen zwei Grundformen von Stadtgrund-rissen unterschieden werden geplante Staumldte und Staumldte die sich langsam unregelmaumlszligig und ungeplant entwickelten Die fruumlhen Staumldte waren regelmaumlszligig ange-legte Planstaumldte ebenso wie die roumlmischen Staumldte und spaumlter die Kolonialzentren (zB in Lateinamerika) Die Anlage der Kolonialstaumldte erfolgte in der Regel schach-brettartig dieser Grundriss bestimmte spaumlter auch die Ausdehnung der Staumldte in das Umland Das urspruumlngliche historische Zentrum veraumlnderte sich wenig waumlhrend meistens am Rande der Staumldte ausgedehnte Marginal-siedlungen entstanden sind Diese Stadtbilder sind heute fuumlr die meisten lateinamerikanischen Groszligstaumldte wie Mexiko-Stadt Lima Bogota Rio de Janeiro oder Caracas charakteristisch

Im Mittelalter entwickelten sich unregelmaumlszligige Staumldte mit Kruumlmmungen Sackgassen und Gabelungen von einem aumllteren Kern aus Die Staumldte wuchsen rund um Burgen oder an Fluumlssen auch topografische Bedingungen spielten eine maszliggebliche Rolle Die Stadtmauern wur-den in den meisten Faumlllen spaumltestens im 20 Jahrhundert abgerissen

Typische Merkmale der europaumlischen und orientalischen Staumldte warensind Burgen Palaumlste und religioumlse Bauten als zentrale Herrschaftsgebaumlude meist von einer Stadt-

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Methodentipp zu den Groumlszligendimensionen von Staumldten (Kleingruppenarbeit ab 6 Schulstufe)

bull Aufteilung in 4 bis 5 Kleingruppen

bull Jede Gruppe erhaumllt ein Kuvert mit Papierkaumlrtchen Auf jeder Karte ist der Name einer StadtBaden Lagos Istanbul Wien Mexiko-Stadt St Poumllten

Belgrad Tokio London (oder andere)

bull Die SchuumllerInnen ordnen die Staumldte nach der geschaumltzten Zahl ihrer EinwohnerInnen

bull Die Ergebnisse werden mit Internetrecherchen zu den EinwohnerInnenzahlen verglichen Jede Gruppe recherchiert zwei oder drei Staumldte (mit Unterstuumlt-zung der Lehrkraft)

bull Welchen Stadttypen lassen sich diese Staumldte nach der Zahl der EinwohnerInnen zuordnen (Kleinstadt Groszligstadt Metropole Megastadt etc siehe Tabelle auf Seite 5)

bull Assoziationen (Notizen auf einem A4-Blatt in der Kleingruppe) Was faumlllt den SchuumllerInnen spontan ein zu den genannten Staumldten In welchen Laumlndern liegen die Staumldte Welche Stadt ist bekanntunbekannt Wer war schon in einer dieser Staumldte und kann etwas daruumlber erzaumlhlen (Sprache bekannte Plaumltze usw)

bull Vertiefende Informationen oder Projektarbeit zu den Staumldten (siehe auch Seite 10)

Nr 2

7

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

mauer geschuumltzt Das Ensemble von Rathaus Kirche und Markt markiert haumlufig das Zentrum und die Zentralitaumlt der europaumlischen Stadt

Global City (World City) vernetzt ndash weltumspannend ndash steuerndAls Global Cities werden Staumldte bezeichnet die aufgrund der Konzentration der Finanzmaumlrkte Management- Kon-troll- und Steuerungsknotenpunkte im transnationalen Feld einer globalisierten Oumlkonomie sind Nordamerika Westeuropa und Suumldostasien (Tokio London New York oder Paris) sind nach wie vor herausragend derzeit holen aber die Laumlnder des Suumldens in Bezug auf neue World Cities stark auf Besonders Beijing Shanghai und Mumbai werden in den naumlchsten Jahren an Bedeutung gewinnen Derzeit zaumlhlen weltweit 55 Staumldte zu den Global Cities

Online-Artikel zu Global Cities (auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Global Cities ndash

Urbane Zentren der Weltwirtschaft Globalisierung und Verstaumldterung Von Christof Parnreiter wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Megastaumldte gt Hintergrund Das urbane Millenium

Satellitenstadt Mini-Stadt mit InfrastrukturGeplante Staumldte die im Umfeld von Kernstaumldten ange-siedelt sind und im Unterschied zur Trabantenstadt Arbeitsplaumltze und Infrastruktur (Schulen Krankenhaumluser Freizeitmoumlglichkeiten etc) bieten Typisch fuumlr die ehema-lige UdSSR oder DDR sind standardisierte mehrstoumlckige Gebaumlude in Groszligtafelbauweise (bdquoPlattenbauldquo)

Slum Provisorien auf unsicherem TerrainDer Begriff beschrieb Anfang des 19 Jahrhunderts in England urspruumlnglich eine enge Unterkunft von Fabrik-arbeiterInnen mit schlechter Versorgung Er wurde spaumlter zur generalisierenden Bezeichnung fuumlr Wohngebiete in Stadtvierteln bdquomit schmutzigen Hintergassenldquo bzw zum Begriff fuumlr etwas das schmutzig ist Aktuell definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als bdquoSiedlung in der mehr als die Haumllfte der EinwohnerInnen in Unterkuumlnften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen lebenldquo Es han-delt sich um provisorische informelle Behausungen mit mangelhafter Bausubstanz schlechter Lokalitaumlt (zB an steilen Haumlngen) hoher Belegungsdichte fehlendem Zugang zu Trinkwasser und sanitaumlren Einrichtungen unsi-cheren Wohn- und Aufenthaltsrechten

Stadt-Utopien ideale GesellschaftsformenDie Entwuumlrfe von Idealstaumldten waren meistens Utopien von einer idealen Gesellschaft und entsprechender Sozi-alstruktur Seit der Antike wurden unterschiedliche Sche-mata von geometrischen Grundrissen (zB Sternform konzentrische Kreise usw) geplant allerdings nur in Einzelfaumlllen umgesetzt Bekannt sind die Entwuumlrfe von Platon und Aristoteles Marcus Vitruvius Pollio Leonardo da Vinci Thomas Morus sowie Tommaso Campanella (Entwurf zum Sonnenstaat civitas solis) Herausragend im Hinblick auf die Fuumllle an perspektivischen Modellen fuumlr Idealstaumldte sind Renais-sance und Barock

Trabantenstadt SchlafstadtVororte einer groumlszligeren Kernstadt die oft Wohngebiete fuumlr PendlerInnen sind und den Wohnraumbedarf in der Kernstadt decken sollen (wenig eigene Infrastruktur wenig Arbeitsplaumltze) Es handelt sich um eine Schlaf-stadt die morgens in Richtung groszlige Stadt verlassen wird Satellitenstaumldte und Trabantenstaumldte sind im Umfeld von groumlszligeren Staumldten angesiedelt stellen von der Grundidee her aber unterschiedliche Konzepte dar

Zwischenstadt zwischen Stadt und LandTransitorische Zonen zwischen Stadt und Land eine Struktur ohne eindeutige Mitte Ein diffuser fragmen-tierter Stadtraum der sich durch eine planlose Gestalt mit vielen mehr oder weniger stark funktional speziali-sierten Bereichen Netzen und Knoten auszeichnet (Vor-stadtsiedlung Gewerbepark Freizeit-Center Autobahn-anschluss Landschaftsreste etc)

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

5

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Megastaumldte staumldtische Agglomerationen mit mehr als 10 Mio EW 2005 und 2015

2005 (EW in Mio) 2015 (EW in Mio)

1 Tokio (352) Tokio (355)

2 Mexiko-Stadt (194) Mumbai (219)

3 New York (187) Mexiko-Stadt (216)

4 Satildeo Paolo (183) Satildeo Paulo (205)

5 MumbaiBombay (182) New York (199)

6 Delhi (150) Delhi (186)

7 Shanghai (145) Shanghai (172)

8 Kalkutta (143) Kalkutta (169)

9 Jakarta (132) Dhaka (168)

10 Buenos Aires (125) Jakarta (168)

11 Dhaka (124) Lagos (161)

12 Los Angeles (123) Karatschi (151)

13 Karatschi (116) Buenos Aires (134)

14 Rio de Janeiro (115) Kairo (131)

15 Osaka-Kobe (113) Los Angeles (131)

16 Kairo (111) Manila (129)

17 Lagos (109) Peking (129)

18 Peking (107) Rio de Janeiro (127)

19 Manila (107) Osaka-Kobe (113)

20 Moskau (107) Istanbul (112)

Quelle Bundeszentrale fuumlr politische Bildung wwwbpbde 2008 zit nach United Nations Department of Economic and Social Affairs Population Division 2006 World Urbanization Prospects The 2005 Revision wwwunorgesapopulationpublicationsWUP20052005WUP_DataTables11pdf

GROSS ndash GROumlSSER ndash AM GROumlSSTENStaumldtetypen nach Anzahl der EinwohnerInnen (EW)

Landstadt 2000 bis 5000 EW

Kleinstadt 5000 bis 20000 EW

Mittelstadt 20000 bis 100000 EW

Groszligstadt mehr als 100000 EW

Metropole 1 bis 10 Mio EW Entscheidend ist bei der Metropole jedoch nicht die EinwohnerInnenzahl son-dern die Konzentration der wichtigsten kulturellen sozialen wirtschaftlichen und politischen Einrich-tungen in einem Land

Megastadt ab 10 Mio EW

Megalopolis miteinander verflochtene Groszligstaumldte auf engstem Raum zB der Siedlungsraum an der Ostkuumlste der USA zwischen Washington und Boston

Metastadt (Hypercity) ein sich massiv ausbreitender Ballungsraum mit mehr als 20 Mio EinwohnerInnen Die erste Metastadt wurde in den 60er-Jahren Tokio heute zaumlhlen auch New York City Seoul und Mexiko-Stadt dazu Im Jahr 2020 werden auch Mumbai (fruumlher Bombay) Delhi Satildeo Paulo Dhaka Jakarta und Lagos diesen Status erreicht haben

Naumlhere Informationen auf der Webseite des UN-HABITAT (United Nations Settlements Programme) ww2unhabitatorg

Schon gewusst

hellip dass um 1800 der Anteil der Menschen in Staumldten 3 betrug 2007 etwa 51

hellip dass Tokio die groumlszligte Stadt der Welt ist (nachder EinwohnerInnenzahl die derzeit uumlber 35 Mio betraumlgt)

hellip dass Wien im Hinblick auf die EinwohnerInnenzahl (Staumldte mit mehr als 1 Mio EinwohnerInnen) an 214 Stelle liegt (laut wwwcitypopulationde)

dass es derzeit 20 Megastaumldte auf der Welt gibt (Staumldte mit mehr als 10 Mio EinwohnerInnen)

hellip dass sich die groumlszligte Ballung an Megastaumldten in Asien befindet (bis 2025 werden allein fuumlr China 15 Megastaumldte mit 25 Mio EinwohnerInnen prognostiziert)

2011

6

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Glossar zu Stadtmodellen und urbane Typologien

Funktionelle Stadt Zonen fuumlr alle FunktionenPrinzip der funktionalen Trennung und Zonierung der Stadt in die Hauptfunktionen Wohnen Arbeiten und Erholung Relevant fuumlr den Typus der funktionellen Stadt waren die Visionen des Neuen Bauens (einer Richtung der Architektur und des Staumldtebaus in der Zwischenkriegszeit in Europa und Nordamerika)

Gartenstadt Agrarzonen und StadtgebieteDie Gartenstadt wurde als sozialreformerisches Konzept in Reaktion auf die schlechten Wohnverhaumlltnisse und

gestiegenen Bodenpreise Ende des 19 Jahrhunderts in England entwickelt (garden city movement Gartenstadt-bewegung die sich in der Gartenstadtgesellschaft orga-nisierte) Es handelte sich um ein konzentrisches Modell der Stadtplanung das im Umland groszliger Staumldte auf fruumlherem Agrarland umgesetzt werden sollte (dh meh-rere voneinander durch Agrarguumlrtel getrennte mittel-groszlige Staumldte) Das Konzept der autonomen Gartenstadt im Gemeineigentum fand Anfang des 20 Jahrhunderts auch in Deutschland Verbreitung (Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft) wurde aber in seiner urspruumlnglichen Idee kaum umgesetzt (ein Beispiel waumlre Hellerau ein spaumlterer Stadtteil Dresdens) In der Folge entwickelte sich bdquoGartenstadtldquo zu einem Sammelbegriff fuumlr Garten-vorstaumldte und gruumlne Wohnhausanlagen Er hatte mit der urspruumlnglichen Bedeutung nur mehr wenig gemeinsam In Oumlsterreich ist der Karl-Seitz-Hof in Wien-Floridsdorf erwaumlhnenswert ndash er wurde aufgrund der geringen Flauml-chenverbauung als Gartenstadt bezeichnet

Geplante Staumldte und gewachsene StaumldtePrinzipiell koumlnnen zwei Grundformen von Stadtgrund-rissen unterschieden werden geplante Staumldte und Staumldte die sich langsam unregelmaumlszligig und ungeplant entwickelten Die fruumlhen Staumldte waren regelmaumlszligig ange-legte Planstaumldte ebenso wie die roumlmischen Staumldte und spaumlter die Kolonialzentren (zB in Lateinamerika) Die Anlage der Kolonialstaumldte erfolgte in der Regel schach-brettartig dieser Grundriss bestimmte spaumlter auch die Ausdehnung der Staumldte in das Umland Das urspruumlngliche historische Zentrum veraumlnderte sich wenig waumlhrend meistens am Rande der Staumldte ausgedehnte Marginal-siedlungen entstanden sind Diese Stadtbilder sind heute fuumlr die meisten lateinamerikanischen Groszligstaumldte wie Mexiko-Stadt Lima Bogota Rio de Janeiro oder Caracas charakteristisch

Im Mittelalter entwickelten sich unregelmaumlszligige Staumldte mit Kruumlmmungen Sackgassen und Gabelungen von einem aumllteren Kern aus Die Staumldte wuchsen rund um Burgen oder an Fluumlssen auch topografische Bedingungen spielten eine maszliggebliche Rolle Die Stadtmauern wur-den in den meisten Faumlllen spaumltestens im 20 Jahrhundert abgerissen

Typische Merkmale der europaumlischen und orientalischen Staumldte warensind Burgen Palaumlste und religioumlse Bauten als zentrale Herrschaftsgebaumlude meist von einer Stadt-

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Methodentipp zu den Groumlszligendimensionen von Staumldten (Kleingruppenarbeit ab 6 Schulstufe)

bull Aufteilung in 4 bis 5 Kleingruppen

bull Jede Gruppe erhaumllt ein Kuvert mit Papierkaumlrtchen Auf jeder Karte ist der Name einer StadtBaden Lagos Istanbul Wien Mexiko-Stadt St Poumllten

Belgrad Tokio London (oder andere)

bull Die SchuumllerInnen ordnen die Staumldte nach der geschaumltzten Zahl ihrer EinwohnerInnen

bull Die Ergebnisse werden mit Internetrecherchen zu den EinwohnerInnenzahlen verglichen Jede Gruppe recherchiert zwei oder drei Staumldte (mit Unterstuumlt-zung der Lehrkraft)

bull Welchen Stadttypen lassen sich diese Staumldte nach der Zahl der EinwohnerInnen zuordnen (Kleinstadt Groszligstadt Metropole Megastadt etc siehe Tabelle auf Seite 5)

bull Assoziationen (Notizen auf einem A4-Blatt in der Kleingruppe) Was faumlllt den SchuumllerInnen spontan ein zu den genannten Staumldten In welchen Laumlndern liegen die Staumldte Welche Stadt ist bekanntunbekannt Wer war schon in einer dieser Staumldte und kann etwas daruumlber erzaumlhlen (Sprache bekannte Plaumltze usw)

bull Vertiefende Informationen oder Projektarbeit zu den Staumldten (siehe auch Seite 10)

Nr 2

7

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

mauer geschuumltzt Das Ensemble von Rathaus Kirche und Markt markiert haumlufig das Zentrum und die Zentralitaumlt der europaumlischen Stadt

Global City (World City) vernetzt ndash weltumspannend ndash steuerndAls Global Cities werden Staumldte bezeichnet die aufgrund der Konzentration der Finanzmaumlrkte Management- Kon-troll- und Steuerungsknotenpunkte im transnationalen Feld einer globalisierten Oumlkonomie sind Nordamerika Westeuropa und Suumldostasien (Tokio London New York oder Paris) sind nach wie vor herausragend derzeit holen aber die Laumlnder des Suumldens in Bezug auf neue World Cities stark auf Besonders Beijing Shanghai und Mumbai werden in den naumlchsten Jahren an Bedeutung gewinnen Derzeit zaumlhlen weltweit 55 Staumldte zu den Global Cities

Online-Artikel zu Global Cities (auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Global Cities ndash

Urbane Zentren der Weltwirtschaft Globalisierung und Verstaumldterung Von Christof Parnreiter wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Megastaumldte gt Hintergrund Das urbane Millenium

Satellitenstadt Mini-Stadt mit InfrastrukturGeplante Staumldte die im Umfeld von Kernstaumldten ange-siedelt sind und im Unterschied zur Trabantenstadt Arbeitsplaumltze und Infrastruktur (Schulen Krankenhaumluser Freizeitmoumlglichkeiten etc) bieten Typisch fuumlr die ehema-lige UdSSR oder DDR sind standardisierte mehrstoumlckige Gebaumlude in Groszligtafelbauweise (bdquoPlattenbauldquo)

Slum Provisorien auf unsicherem TerrainDer Begriff beschrieb Anfang des 19 Jahrhunderts in England urspruumlnglich eine enge Unterkunft von Fabrik-arbeiterInnen mit schlechter Versorgung Er wurde spaumlter zur generalisierenden Bezeichnung fuumlr Wohngebiete in Stadtvierteln bdquomit schmutzigen Hintergassenldquo bzw zum Begriff fuumlr etwas das schmutzig ist Aktuell definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als bdquoSiedlung in der mehr als die Haumllfte der EinwohnerInnen in Unterkuumlnften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen lebenldquo Es han-delt sich um provisorische informelle Behausungen mit mangelhafter Bausubstanz schlechter Lokalitaumlt (zB an steilen Haumlngen) hoher Belegungsdichte fehlendem Zugang zu Trinkwasser und sanitaumlren Einrichtungen unsi-cheren Wohn- und Aufenthaltsrechten

Stadt-Utopien ideale GesellschaftsformenDie Entwuumlrfe von Idealstaumldten waren meistens Utopien von einer idealen Gesellschaft und entsprechender Sozi-alstruktur Seit der Antike wurden unterschiedliche Sche-mata von geometrischen Grundrissen (zB Sternform konzentrische Kreise usw) geplant allerdings nur in Einzelfaumlllen umgesetzt Bekannt sind die Entwuumlrfe von Platon und Aristoteles Marcus Vitruvius Pollio Leonardo da Vinci Thomas Morus sowie Tommaso Campanella (Entwurf zum Sonnenstaat civitas solis) Herausragend im Hinblick auf die Fuumllle an perspektivischen Modellen fuumlr Idealstaumldte sind Renais-sance und Barock

Trabantenstadt SchlafstadtVororte einer groumlszligeren Kernstadt die oft Wohngebiete fuumlr PendlerInnen sind und den Wohnraumbedarf in der Kernstadt decken sollen (wenig eigene Infrastruktur wenig Arbeitsplaumltze) Es handelt sich um eine Schlaf-stadt die morgens in Richtung groszlige Stadt verlassen wird Satellitenstaumldte und Trabantenstaumldte sind im Umfeld von groumlszligeren Staumldten angesiedelt stellen von der Grundidee her aber unterschiedliche Konzepte dar

Zwischenstadt zwischen Stadt und LandTransitorische Zonen zwischen Stadt und Land eine Struktur ohne eindeutige Mitte Ein diffuser fragmen-tierter Stadtraum der sich durch eine planlose Gestalt mit vielen mehr oder weniger stark funktional speziali-sierten Bereichen Netzen und Knoten auszeichnet (Vor-stadtsiedlung Gewerbepark Freizeit-Center Autobahn-anschluss Landschaftsreste etc)

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

6

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Glossar zu Stadtmodellen und urbane Typologien

Funktionelle Stadt Zonen fuumlr alle FunktionenPrinzip der funktionalen Trennung und Zonierung der Stadt in die Hauptfunktionen Wohnen Arbeiten und Erholung Relevant fuumlr den Typus der funktionellen Stadt waren die Visionen des Neuen Bauens (einer Richtung der Architektur und des Staumldtebaus in der Zwischenkriegszeit in Europa und Nordamerika)

Gartenstadt Agrarzonen und StadtgebieteDie Gartenstadt wurde als sozialreformerisches Konzept in Reaktion auf die schlechten Wohnverhaumlltnisse und

gestiegenen Bodenpreise Ende des 19 Jahrhunderts in England entwickelt (garden city movement Gartenstadt-bewegung die sich in der Gartenstadtgesellschaft orga-nisierte) Es handelte sich um ein konzentrisches Modell der Stadtplanung das im Umland groszliger Staumldte auf fruumlherem Agrarland umgesetzt werden sollte (dh meh-rere voneinander durch Agrarguumlrtel getrennte mittel-groszlige Staumldte) Das Konzept der autonomen Gartenstadt im Gemeineigentum fand Anfang des 20 Jahrhunderts auch in Deutschland Verbreitung (Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft) wurde aber in seiner urspruumlnglichen Idee kaum umgesetzt (ein Beispiel waumlre Hellerau ein spaumlterer Stadtteil Dresdens) In der Folge entwickelte sich bdquoGartenstadtldquo zu einem Sammelbegriff fuumlr Garten-vorstaumldte und gruumlne Wohnhausanlagen Er hatte mit der urspruumlnglichen Bedeutung nur mehr wenig gemeinsam In Oumlsterreich ist der Karl-Seitz-Hof in Wien-Floridsdorf erwaumlhnenswert ndash er wurde aufgrund der geringen Flauml-chenverbauung als Gartenstadt bezeichnet

Geplante Staumldte und gewachsene StaumldtePrinzipiell koumlnnen zwei Grundformen von Stadtgrund-rissen unterschieden werden geplante Staumldte und Staumldte die sich langsam unregelmaumlszligig und ungeplant entwickelten Die fruumlhen Staumldte waren regelmaumlszligig ange-legte Planstaumldte ebenso wie die roumlmischen Staumldte und spaumlter die Kolonialzentren (zB in Lateinamerika) Die Anlage der Kolonialstaumldte erfolgte in der Regel schach-brettartig dieser Grundriss bestimmte spaumlter auch die Ausdehnung der Staumldte in das Umland Das urspruumlngliche historische Zentrum veraumlnderte sich wenig waumlhrend meistens am Rande der Staumldte ausgedehnte Marginal-siedlungen entstanden sind Diese Stadtbilder sind heute fuumlr die meisten lateinamerikanischen Groszligstaumldte wie Mexiko-Stadt Lima Bogota Rio de Janeiro oder Caracas charakteristisch

Im Mittelalter entwickelten sich unregelmaumlszligige Staumldte mit Kruumlmmungen Sackgassen und Gabelungen von einem aumllteren Kern aus Die Staumldte wuchsen rund um Burgen oder an Fluumlssen auch topografische Bedingungen spielten eine maszliggebliche Rolle Die Stadtmauern wur-den in den meisten Faumlllen spaumltestens im 20 Jahrhundert abgerissen

Typische Merkmale der europaumlischen und orientalischen Staumldte warensind Burgen Palaumlste und religioumlse Bauten als zentrale Herrschaftsgebaumlude meist von einer Stadt-

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

Methodentipp zu den Groumlszligendimensionen von Staumldten (Kleingruppenarbeit ab 6 Schulstufe)

bull Aufteilung in 4 bis 5 Kleingruppen

bull Jede Gruppe erhaumllt ein Kuvert mit Papierkaumlrtchen Auf jeder Karte ist der Name einer StadtBaden Lagos Istanbul Wien Mexiko-Stadt St Poumllten

Belgrad Tokio London (oder andere)

bull Die SchuumllerInnen ordnen die Staumldte nach der geschaumltzten Zahl ihrer EinwohnerInnen

bull Die Ergebnisse werden mit Internetrecherchen zu den EinwohnerInnenzahlen verglichen Jede Gruppe recherchiert zwei oder drei Staumldte (mit Unterstuumlt-zung der Lehrkraft)

bull Welchen Stadttypen lassen sich diese Staumldte nach der Zahl der EinwohnerInnen zuordnen (Kleinstadt Groszligstadt Metropole Megastadt etc siehe Tabelle auf Seite 5)

bull Assoziationen (Notizen auf einem A4-Blatt in der Kleingruppe) Was faumlllt den SchuumllerInnen spontan ein zu den genannten Staumldten In welchen Laumlndern liegen die Staumldte Welche Stadt ist bekanntunbekannt Wer war schon in einer dieser Staumldte und kann etwas daruumlber erzaumlhlen (Sprache bekannte Plaumltze usw)

bull Vertiefende Informationen oder Projektarbeit zu den Staumldten (siehe auch Seite 10)

Nr 2

7

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

mauer geschuumltzt Das Ensemble von Rathaus Kirche und Markt markiert haumlufig das Zentrum und die Zentralitaumlt der europaumlischen Stadt

Global City (World City) vernetzt ndash weltumspannend ndash steuerndAls Global Cities werden Staumldte bezeichnet die aufgrund der Konzentration der Finanzmaumlrkte Management- Kon-troll- und Steuerungsknotenpunkte im transnationalen Feld einer globalisierten Oumlkonomie sind Nordamerika Westeuropa und Suumldostasien (Tokio London New York oder Paris) sind nach wie vor herausragend derzeit holen aber die Laumlnder des Suumldens in Bezug auf neue World Cities stark auf Besonders Beijing Shanghai und Mumbai werden in den naumlchsten Jahren an Bedeutung gewinnen Derzeit zaumlhlen weltweit 55 Staumldte zu den Global Cities

Online-Artikel zu Global Cities (auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Global Cities ndash

Urbane Zentren der Weltwirtschaft Globalisierung und Verstaumldterung Von Christof Parnreiter wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Megastaumldte gt Hintergrund Das urbane Millenium

Satellitenstadt Mini-Stadt mit InfrastrukturGeplante Staumldte die im Umfeld von Kernstaumldten ange-siedelt sind und im Unterschied zur Trabantenstadt Arbeitsplaumltze und Infrastruktur (Schulen Krankenhaumluser Freizeitmoumlglichkeiten etc) bieten Typisch fuumlr die ehema-lige UdSSR oder DDR sind standardisierte mehrstoumlckige Gebaumlude in Groszligtafelbauweise (bdquoPlattenbauldquo)

Slum Provisorien auf unsicherem TerrainDer Begriff beschrieb Anfang des 19 Jahrhunderts in England urspruumlnglich eine enge Unterkunft von Fabrik-arbeiterInnen mit schlechter Versorgung Er wurde spaumlter zur generalisierenden Bezeichnung fuumlr Wohngebiete in Stadtvierteln bdquomit schmutzigen Hintergassenldquo bzw zum Begriff fuumlr etwas das schmutzig ist Aktuell definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als bdquoSiedlung in der mehr als die Haumllfte der EinwohnerInnen in Unterkuumlnften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen lebenldquo Es han-delt sich um provisorische informelle Behausungen mit mangelhafter Bausubstanz schlechter Lokalitaumlt (zB an steilen Haumlngen) hoher Belegungsdichte fehlendem Zugang zu Trinkwasser und sanitaumlren Einrichtungen unsi-cheren Wohn- und Aufenthaltsrechten

Stadt-Utopien ideale GesellschaftsformenDie Entwuumlrfe von Idealstaumldten waren meistens Utopien von einer idealen Gesellschaft und entsprechender Sozi-alstruktur Seit der Antike wurden unterschiedliche Sche-mata von geometrischen Grundrissen (zB Sternform konzentrische Kreise usw) geplant allerdings nur in Einzelfaumlllen umgesetzt Bekannt sind die Entwuumlrfe von Platon und Aristoteles Marcus Vitruvius Pollio Leonardo da Vinci Thomas Morus sowie Tommaso Campanella (Entwurf zum Sonnenstaat civitas solis) Herausragend im Hinblick auf die Fuumllle an perspektivischen Modellen fuumlr Idealstaumldte sind Renais-sance und Barock

Trabantenstadt SchlafstadtVororte einer groumlszligeren Kernstadt die oft Wohngebiete fuumlr PendlerInnen sind und den Wohnraumbedarf in der Kernstadt decken sollen (wenig eigene Infrastruktur wenig Arbeitsplaumltze) Es handelt sich um eine Schlaf-stadt die morgens in Richtung groszlige Stadt verlassen wird Satellitenstaumldte und Trabantenstaumldte sind im Umfeld von groumlszligeren Staumldten angesiedelt stellen von der Grundidee her aber unterschiedliche Konzepte dar

Zwischenstadt zwischen Stadt und LandTransitorische Zonen zwischen Stadt und Land eine Struktur ohne eindeutige Mitte Ein diffuser fragmen-tierter Stadtraum der sich durch eine planlose Gestalt mit vielen mehr oder weniger stark funktional speziali-sierten Bereichen Netzen und Knoten auszeichnet (Vor-stadtsiedlung Gewerbepark Freizeit-Center Autobahn-anschluss Landschaftsreste etc)

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

7

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

mauer geschuumltzt Das Ensemble von Rathaus Kirche und Markt markiert haumlufig das Zentrum und die Zentralitaumlt der europaumlischen Stadt

Global City (World City) vernetzt ndash weltumspannend ndash steuerndAls Global Cities werden Staumldte bezeichnet die aufgrund der Konzentration der Finanzmaumlrkte Management- Kon-troll- und Steuerungsknotenpunkte im transnationalen Feld einer globalisierten Oumlkonomie sind Nordamerika Westeuropa und Suumldostasien (Tokio London New York oder Paris) sind nach wie vor herausragend derzeit holen aber die Laumlnder des Suumldens in Bezug auf neue World Cities stark auf Besonders Beijing Shanghai und Mumbai werden in den naumlchsten Jahren an Bedeutung gewinnen Derzeit zaumlhlen weltweit 55 Staumldte zu den Global Cities

Online-Artikel zu Global Cities (auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung) Global Cities ndash

Urbane Zentren der Weltwirtschaft Globalisierung und Verstaumldterung Von Christof Parnreiter wwwbpbde gt Themen gt Gesellschaft gt Megastaumldte gt Hintergrund Das urbane Millenium

Satellitenstadt Mini-Stadt mit InfrastrukturGeplante Staumldte die im Umfeld von Kernstaumldten ange-siedelt sind und im Unterschied zur Trabantenstadt Arbeitsplaumltze und Infrastruktur (Schulen Krankenhaumluser Freizeitmoumlglichkeiten etc) bieten Typisch fuumlr die ehema-lige UdSSR oder DDR sind standardisierte mehrstoumlckige Gebaumlude in Groszligtafelbauweise (bdquoPlattenbauldquo)

Slum Provisorien auf unsicherem TerrainDer Begriff beschrieb Anfang des 19 Jahrhunderts in England urspruumlnglich eine enge Unterkunft von Fabrik-arbeiterInnen mit schlechter Versorgung Er wurde spaumlter zur generalisierenden Bezeichnung fuumlr Wohngebiete in Stadtvierteln bdquomit schmutzigen Hintergassenldquo bzw zum Begriff fuumlr etwas das schmutzig ist Aktuell definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als bdquoSiedlung in der mehr als die Haumllfte der EinwohnerInnen in Unterkuumlnften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen lebenldquo Es han-delt sich um provisorische informelle Behausungen mit mangelhafter Bausubstanz schlechter Lokalitaumlt (zB an steilen Haumlngen) hoher Belegungsdichte fehlendem Zugang zu Trinkwasser und sanitaumlren Einrichtungen unsi-cheren Wohn- und Aufenthaltsrechten

Stadt-Utopien ideale GesellschaftsformenDie Entwuumlrfe von Idealstaumldten waren meistens Utopien von einer idealen Gesellschaft und entsprechender Sozi-alstruktur Seit der Antike wurden unterschiedliche Sche-mata von geometrischen Grundrissen (zB Sternform konzentrische Kreise usw) geplant allerdings nur in Einzelfaumlllen umgesetzt Bekannt sind die Entwuumlrfe von Platon und Aristoteles Marcus Vitruvius Pollio Leonardo da Vinci Thomas Morus sowie Tommaso Campanella (Entwurf zum Sonnenstaat civitas solis) Herausragend im Hinblick auf die Fuumllle an perspektivischen Modellen fuumlr Idealstaumldte sind Renais-sance und Barock

Trabantenstadt SchlafstadtVororte einer groumlszligeren Kernstadt die oft Wohngebiete fuumlr PendlerInnen sind und den Wohnraumbedarf in der Kernstadt decken sollen (wenig eigene Infrastruktur wenig Arbeitsplaumltze) Es handelt sich um eine Schlaf-stadt die morgens in Richtung groszlige Stadt verlassen wird Satellitenstaumldte und Trabantenstaumldte sind im Umfeld von groumlszligeren Staumldten angesiedelt stellen von der Grundidee her aber unterschiedliche Konzepte dar

Zwischenstadt zwischen Stadt und LandTransitorische Zonen zwischen Stadt und Land eine Struktur ohne eindeutige Mitte Ein diffuser fragmen-tierter Stadtraum der sich durch eine planlose Gestalt mit vielen mehr oder weniger stark funktional speziali-sierten Bereichen Netzen und Knoten auszeichnet (Vor-stadtsiedlung Gewerbepark Freizeit-Center Autobahn-anschluss Landschaftsreste etc)

STAumlDTE IM UumlBERBLICK

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

8

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

11 EuropaumliscHE stadtEnt wicklung im HistoriscHEn ruumlckblick

Fruumlhe Stadtstaaten und Antike

Wachsende Metropolen entstanden nicht erst in der Moderne Archaumlologische Ausgrabungen belegen die Existenz von Staumldten seit etwa 5000 Jahren Die ersten rekonstruierbaren Ursprungsgebiete sind Mesopotamien im Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris (zB die sumerische Stadt Uruk oder Babylon) und das Hochland von Anatolien (Ccedilatal Huumlyuumlk) Vor etwa 2500 Jahren v Chr setzte in Mesopotamien eine Phase der Reichsgruumln-dungen ein Die Entwicklung von Bewaumlsserungsanlagen ermoumlglichte eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und beguumlnstigte die Entstehung von urbanen Zentren Die Stadt entwickelte sich immer mehr zur Herr-schafts- und Lebensform die direkt an die politischen Institutionen angebunden war Sie galt gleichsam als das Abbild einer kosmischen Ordnung und leitete daraus ihre Legitimation ab

Die Welle der Stadtbildungen bewegte sich zunaumlchst von Osten in Richtung Westen und spaumlter von Westen aus in Richtung Norden Vor etwa zweitausend Jahren bildeten sich auch im Mittelmeerraum am Persischen Golf und in China staumldtische Kulturen Die griechische Polis ist fuumlr europaumlische Staumldte und das Konzept einer demokra-tischen oumlffentlichen Sphaumlre ein besonders relevanter Bezugspunkt Was die antike Polis im Besonderen aus-zeichnet ist die Funktionstrennung zwischen privaten Bereichen mit Wohnhaumlusern (Oikos) heiligen Gebieten (Tempeln) und oumlffentlichen Zonen fuumlr die politische Ver-sammlung (Agora)

Fuumlr StadtsoziologInnen und PhilosophInnen des 20 Jahr-hunderts (zB Chicagoer Schule Richard Sennett oder Hannah Arendt) wird die Polis zum Inbegriff von Demo-kratie und Selbstbestimmung Die Agora repraumlsentiert den idealtypischen Raum fuumlr Oumlffentlichkeit und das zen-trale Moment staumldtischer Entwicklungen

Die mittelalterlichen Staumldte Europas

Nach dem Aufstieg und Fall des Roumlmischen Reiches rich-tet sich das Pendel der Verstaumldterung in Richtung isla-mische Welt und Mittelmeerraum wo um 1000 n Chr groszlige Staumldte entstanden sind

Im Unterschied zur antiken Stadt wurde die mittelalter-liche Stadt Europas als baulich und zum Teil auch als sozial geschlossene Struktur (mit einer Stadtmauer begrenzt)

entworfen Ende des 10 Jahrhunderts kam es zu Neu-gruumlndungen von autonomen Stadtstaaten die haumlufig in Buumlnden organisiert waren (zB die norddeutsche Hanse) Diese vergesellschafteten Einheiten bestimmten die sozialen Hierarchien und Rechte der BewohnerInnen im mittelalterlichen Feudalismus (etwa Buumlndnis- und Ver-teidigungsrechte) Was die Bebauung und die Straszligen-netze betrifft waren diese meistens unregelmaumlszligig und nicht an einem einheitlichen Stadtbild orientiert wie in der Antike Die vorindustrielle Stadt-Land-Beziehung war im Groszligen und Ganzen eng an regionale Austauschbezie-hungen gebunden und das Funktionieren des staumldtischen Lebens in hohem Maszlige von der Loyalitaumlt der baumluerlichen Bevoumllkerung abhaumlngig Staumldte konnten ohne diese Unter-stuumltzung nicht existieren

Die Unterscheidung zwischen Saumlkularem und Religioumlsem zwischen Auszligenwelt und Innenwelt (Innerlichkeit) spie-gelte sich in der mittelalterlichen Stadt im Raumlumlichen in der Unterteilung zwischen Urbs und Civitas Urbs bezeich-nete den saumlkularen Teil (Handel Wohnen und Schutz) wohingegen Civitas das religioumlse Zentrum der Stadt reprauml-sentierte Im mittelalterlichen Haus selbst gab es nur wenige Raumlume die spezifischen Funktionen vorbehalten waren Es glich eher einer uumlberdachten Straszlige in welche die oumlffentliche Sphaumlre integriert war Arbeiten und Woh-nen Produktion und Konsumation waren im vorindustri-ellen Haus unter einem Dach vereint

Ein zentrales Merkmal der Staumldte in Renaissance und Barock war der groszligangelegte Platz in den staumldtischen Zentren Die Architektur der Gebaumlude manifestierte die politischen oumlkonomischen und sozialen Beziehungen der feudalen Strukturen und Fuumlrstenresidenzen

Siena Piazza del Campo

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

9

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

T i p p L i t e r a t u r fuumlr Urbanophile (Standardwerke)

Loumlw Steets Stoetzer Einfuumlhrung in die Stadt- und Raumsoziologie Stuttgart Verlag UTB 2008

Leonardo Benevolo Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Verlag Campus (8 Auflage) 2000

Richard Sennett Civitas Die Groszligstadt und die Kultur des Unterschieds Frankfurt am Main Verlag Fischer 1991

Frech und Reschl (Hrsg) Urbanitaumlt neu planen Stadt-planung Stadtumbau Stadtentwicklung SchwalbachTs Wochenschau Verlag 2010

Georg Simmel Die Groszligstaumldte und das Geistesleben (verfasst 1903) Als Download verfuumlgbar in Themenportal Europaumlische Geschichte (2006)wwweuropaclio-onlinede2006Article=37 (Februar 2011)

Industrialisierung und Modernisierung in Europa

Die Industrialisierung in Europa bewirkte seit dem 18 Jahrhundert gravierende Aumlnderungen in den staumldtischen Entwicklungen Technische Neuerungen Bevoumllkerungs-wachstum und wirtschaftlicher Aufschwung fuumlhrten zu Produktionssteigerungen und zu einer fortschreitenden Mechanisierung der Produktion (va in der Textil- und Schwerindustrie) Die Entwicklung der Dampfmaschine (1765) und die Erweiterung von Verkehrsverbindungen ermoumlglichten dass neue Standorte fuumlr Fabriken erschlos-sen werden konnten und generell die Bedeutung der Staumldte anwuchs

In den Stadtzentren entstanden Armenviertel und Mas-senquartiere fuumlr die ArbeiterInnen Umweltbelastungen schlechte hygienische Bedingungen Seuchen und Ver-giftungen gehoumlrten ebenso zu ihrem Alltag wie Hunger und Entbehrungen Ab 1805 kam in englischen Fabriken das Gaslicht zum Einsatz und somit konnte auch die Arbeitszeit unbegrenzt ausgedehnt werden

Die Landflucht der baumluerlichen Bevoumllkerung und das Bevoumllkerungswachstum lieszligen die EinwohnerInnen-zahlen in den Staumldten sprunghaft ansteigen Die Struktur der Staumldte war diesem Bevoumllkerungszuwachs kaum mehr gewachsen es kam zur Energieverknappung und zu einem gestiegenen Flaumlchenbedarf fuumlr die Nahrungsmittelpro-duktion Ab der Mitte des 18 Jahrhunderts formierte sich der Widerstand gegen die schlechten Wohnverhaumlltnisse und Arbeitsbedingungen in den staumlndisch organisierten Staumldten verstaumlrkten sich auch die Spannungen zwischen aufstrebendem Buumlrgertum und Adel Der Glaube an eine

bdquogottgegebeneldquo Ordnung mit der Vorherrschaft des Adels wurde abgeloumlst von einer gestaumlrkten buumlrgerlichen Oumlffent-lichkeit die bestrebt war im urbanen Raum ihren ent-sprechenden Platz einzunehmen

Verstaumldterung ndash Urbanisierung ndash Suburbanisierung ndash Reurbanisierung

Die Prozesse der Verstaumldterung und Urbanisierung nah-men im 19 und 20 Jahrhundert weltweit ihren Lauf Waumlhrend Verstaumldterung den quantitativen Aspekt der Massenzuwanderung bezeichnet ist mit Urbanisierung zumeist die Verbreitung staumldtischer Lebensstile (mit all ihren Phaumlnomenen wie Anonymitaumlt Rationalisierung und Buumlrokratie Technisierung Massenkommunikation aber auch Demokratisierung) und ihre Umwandlung zur gesellschaftlichen Normalitaumlt gemeint

Einer der Pioniere der Stadtsoziologie Georg Simmel machte sich bereits 1903 Gedanken daruumlber wie die Zusammenballung groszliger Menschenmassen auf engem Raum und die Geldwirtschaft Verhaltensweisen beeinflus-sten Moderne GroszligstaumldterInnen muumlssten sich demnach mit bdquoBlasiertheit Distanziertheit und Intellektualitaumlt panzernldquo um nicht von der Fuumllle der Eindruumlcke uumlberwaumll-tigt zu werden

Im 19 Jahrhundert traten die Staumldte als Produktionsorte nicht mehr als eigenstaumlndige politische Akteurinnen auf wie zuvor die freien Staumldte sondern es waren der Natio-nalstaat und die Volkssouveraumlnitaumlt die ein verbindliches Regelwerk schufen Der inneren Verdichtung der urbanen Zentren folgte in den Gruumlnderjahren nach 1870 die Expan-sion der Staumldte Es entstanden neue Wohngebiete und aufgrund des Flaumlchenbedarfs verschob sich die Industrie aus den innerstaumldtischen Gebieten in die Randzonen der Staumldte Raumlumliche und soziale Mobilitaumlt gewannen an Bedeutung

In der Zwischenkriegszeit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges brachten vor allem der gestiegene Wohn-bedarf und der soziale Wohnbau Umwaumllzungen in der Wohnungs- und Stadtpolitik Die zweite Haumllfte des staumld-tischen 20 Jahrhunderts ist stark von der Suburbani-sierung und Zersiedelung gepraumlgt ndash sie fuumlhrte dazu dass sich die bis dahin kompakte Stadt immer weiter in ihre Umgebung ausdehnte und Land und Stadt sich noch staumlrker anglichen Suburbanisierung bedeutet die zuneh-mende Auslagerung urspruumlnglich staumldtischer Funktionen an die Raumlnder der Staumldte ndash in die Gewerbeparks Einkaufs-zentren und Einfamilienhaussiedlungen Voraussetzung war das Aufkommen einer finanzkraumlftigen Mittelschicht

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

10

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

und die Verbreitung des Massenverkehrsmittels Auto Es ermoumlglichte immer mehr Menschen die Distanz zwischen Eigenheim und Arbeitsplatz zu vergroumlszligern und doch schnell zu uumlberwinden Die Folgen waren die Zersiede-lung bisher unbebauter Raumlume die Zunahme des Auto-verkehrs und auch die soziale Entmischung der Bevoumllke-rung Schon in den 70er-Jahren gab es die Befuumlrchtung dass die Kernstaumldte vom Zentrum aus veroumlden und die Suburbanisierung die Kernstadt ausbluten koumlnnte

Das Alltagsleben in den Staumldten hat sich im 20 Jahrhun-dert immer staumlrker zwischen Privatheit und Oumlffentlich-keit dh Individualisierung Freizeit und Wohnen auf der einen Seite und Arbeit und Geschaumlftsbetrieb bzw Gewerbe auf der anderen polarisiert Was an europauml-ischen Staumldten und Stadtregionen auffaumlllt Es gibt kaum mehr Stadtgebiete die nicht spezialisiert sind (Wohn-siedlungen Einkaufsorte Freizeitzonen Gewerbe und Industrie usw) sondern offen fuumlr eine Vielfalt unter-schiedlicher Alltagsnutzungen Der Anteil freier Flaumlchen

ist seit der ersten Haumllfte des 20 Jahrhunderts auf einen Restbestand geschrumpft

Ein weiterer urbaner Trend besteht darin dass die Glo-balisierung die lokale Steuerung der Staumldte und die Raumordnungs- und Regionalpolitik schwer kalkulier-bar werden lieszlig weil sie die Bahnen fuumlr lokale Investi-tions- und Finanzierungsbedingungen und Arbeitsmarkt-entwicklungen vorgibt Das fuumlhrte zu neuen raumlumlichen Ungleichgewichten und zu Wanderungsbewegungen (in Deutschland zB von Nord nach Suumld und von Ost nach West) Hand in Hand mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den aktuellen demo-grafischen Veraumlnderungen gingen die innere Fragmentie-rung der Staumldte und die soziale Segregation Die Global City-These geht davon aus dass das Voranschreiten der sozialen Polarisierung (entweder am oberen oder unteren Pol der sozialen Skala) auch die sozialraumlumliche Polarisie-rung der Stadtstruktur forcieren wird

Methodentipps (Sekundarstufe I)

a) Stadt und GeschichteDiese Anregung war Teil des bdquoSchuumllerwettbewerbs zur Politischen Bildung 2010ldquo und wurde leicht adaptiert wwwschuelerwettbewerbde

Die SchuumllerInnen suchen in ihrem Wohnort oder Stadtteil nach Straszligen (und Plaumltzen) die den Namen einer moumlg-lichst regional bedeutenden Persoumlnlichkeit aus Politik oder Geschichte tragen von der sie nichts oder nicht viel wissen Sie entscheiden sich fuumlr bis zu vier Straszligenna-men und uumlberlegen was sie dazu wissen wollen

bull Wer war die Person bull Wann hat sie gelebt bull Warum traumlgt die Straszlige ihren Namen bull Wer vergibt eigentlich die Straszligennamen bull Die SchuumllerInnen formulieren weitere Fragen

Die SchuumllerInnen suchen im Lexikon in Archiven im Internet ua nach weiteren Informationen um mehr uumlber

bdquoihrerdquo Personen und die nach ihnen benannten Straszligen zu erfahren Evtl koumlnnen auch Gespraumlche mit Menschen die Auskuumlnfte uumlber die Personen geben gefuumlhrt werden Vorbereitung der Gespraumlche und im Anschluss Ordnung der Informationen

Vier Bildtafeln werden fuumlr Klassen- oder Schulkolle-gInnen angefertigt die interessante Informationen zu

den Personen enthalten deren Namen die ausgesuchten Straszligen tragen Bildnerische oder fotografische Ein- druumlcke der Straszligen werden vermittelt und erklaumlrende Texte hinzugefuumlgt

b) Wissenspuzzle bdquoStadtldquoEine oder zwei Staumldte werden von der Klasse ausgewaumlhlt und thematisch in Kleingruppen bearbeitet Jeweils eine Kleingruppe widmet sich einem thematischen Teilbereich und holt mittels Internet Buumlchern oder anderen Quellen Informationen ein

Einfuumlhrung der Lehrkraft zum Recherchieren im Internet

Webtipp wwwschuleat gt Themen (bei den Dossiers sind auch einige Staumldte wie London Paris Wien oder andere zu finden)

Moumlgliche Themen fuumlr die Arbeitsgruppen bull Bilder Fotografien Stadtplaumlne Ansichtskarten usw bull Geschichte der Stadt bull Literatur Filme Musik und Lieder bull Bekannte Personen die in dieser Stadt lebten bull EinwohnerInnenzahl Verehrseinrichtungen wirt-

schaftliche Bedeutung

Gemeinsame Gestaltung einer Wandzeitung auf der die Staumldte und die Themen praumlsentiert werden

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2 mEgastaumldtE und mEtastaumldtE im globalisiErungsprozEssWie erwaumlhnt existierten bereits etwa um 1800 v Chr Metropolen mit etwa 300000 EinwohnerInnen Mega-staumldte im heutigen Sinne entstanden aber erst auf der Basis der Industrialisierung War London mit rund 65 Mio Menschen um 1900 die groumlszligte Stadt weltweit gab es 1950 schon zwei Staumldte mit mehr als 10 Mio Einwohne-rInnen Tokio und New York Ein regelrechter Boom setzte ab den 70er-Jahren ein (bedingt durch Bevoumllkerungs-wachstum in Entwicklungsregionen und Krisen der laumlnd-lichen Regionen) 2005 zaumlhlte die UN erstmals 20 Mega-staumldte fuumlr 2015 prognostiziert sie 300 Millionenstaumldte weltweit die meisten in Entwicklungs- und Schwellen-laumlndern (siehe Seite 5)

Mittlerweile nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der groumlszligten urbanen Agglomerationen langsam ab waumlh-rend die Zahl kleinerer und mittlerer Staumldte stetig waumlchst (anzumerken ist allerdings dass die Relationen und Zah-len divergieren zB gelten in China Millionenstaumldte als mittlere Staumldte)

Sind diese urbanen Riesen uumlberhaupt noch zu kontrollie-ren und zu verwalten Wie kann die Energie- und Gesund-heitsversorgung funktionieren wie der Staumldtebau gestal-tet werden Wie koumlnnen die Probleme der Armut und der Umweltverschmutzung von der Stadtpolitik angegangen werden

Manche StadtforscherInnen bezeichnen die schnelle Urbanisierung sogar als wirtschaftliche und politische Chance Sie verringere den Pro-Kopf-Flaumlchenverbrauch bringe die Vorteile technischer Innovationen und staumlrke mittelstaumlndische und demokratieorientierte (Stadt-)Gesellschaften Ob dies zutrifft oder nicht ist fraglich ndash sicher ist allerdings dass die Uumlberlebensstrategien der StadtbewohnerInnen in Megastaumldten erstaunlich kreativ sind Am Beispiel von Mexiko-Stadt wird klar dass ohne die improvisierten informellen Systeme der Bewohne-rInnen die den taumlglichen Fluss von Waren Interaktionen und Informationen organisieren nichts mehr funktionie-ren wuumlrde Eine Art Ordnung mitten im Chaos

T i p p M a t e r i a l i e n

Diercke Weltatlas Magazin Themenheft Megastaumldte(wwwdierckede 22007) Unterrichtseinheit fuumlr die Sekundarstufe II Luftverschmutzung der Megastadt Mexiko-Stadt (Seite 8 bis 11) mit Kopiervorlagen DeutschEnglisch wwwdierckedebilderomeda1_ausgabe_2_07_gespdf

BAOBAB (Globales Lernen im Unterricht) Verleih und Verkauf von DVDsBAOBAB bietet rund um Themen des Globalen Lernens DVDs zum Verleih und Verkauf an die besonders fuumlr den

Nr 2

11

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

StadtforscherInnen stellen in Europa zwei Trends seit etwa 30 Jahren fest die nach wie vor anwachsende Suburbani-sierung und andererseits den neuerlichen Zuzug in Rich-tung innerstaumldtische Standorte die bdquoRe-Urbanisierungldquo der Kernstaumldte (ua bedingt durch neue Dienstleistungs-sektoren einen Wertewandel im Hinblick auf den staumld-tischen Lebensraum und laumlngere Ausbildungszeiten in den urbanen Zentren) Diese Revitalisierung setzte in vie-len Faumlllen einen Prozess der Gentrifikation in Gang (zB in traditionellen ArbeiterInnenbezirken) Gentrifikation bedeutet die oumlkonomische Aufwertung eines Standortes durch eine Neunutzung Revitalisierung und kulturelle Umwertung ndash ihre Folgen sind in der Regel Wertsteige-rungen des Wohnungsbestandes die Anhebung der Mie-ten und die Verdraumlngung finanzschwacher Schichten

Seit den 70er-Jahren ist in Europa aber auch in anderen Teilen der Welt (zB in DetroitUSA) ein neues Phaumlno-men der Stadtentwicklung aufgetreten die schrump-fende Stadt Besonders Staumldte der fruumlheren DDR sind aufgrund demografischer Entwicklungen mit ganz neuen Herausforderungen des Stadtumbaus konfron-tiert ndash sei es nun der Ruumlckbau der Plattenbaugebiete die Stabilisierung innerstaumldtischer Altbaubestaumlnde oder Aufwertungsmaszlignahmen

Die Prognose von StadtforscherInnen fuumlr europaumlische Staumldte waren Stadtentwicklung und Wachstum in den letzten Jahrhunderten identisch so werden in Zukunft schrumpfende stagnierende und wachsende Staumldte nebeneinander existieren

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

12

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Unterricht geeignet sind Das Leben in Millionenstaumldten ist ua in folgenden Filmen Thema bull Zwei Maumldchen aus Citeacute Soleil (Haiti Port-au-Prince) bull Quamers Alltag (Indien Hyderabad) bull In den Straszligen von Delhi (Indien Delhi Thema Straszligenkinder)

Naumlhere Informationenwwwbaobabat gt Unsere Zeitschrift gt Weltbilderfilme

T i p p F i l m

MegacitiesMichael Glawogger 1998 90 Minuten ab 16 Jahren

Megastaumldte sind Faszinosum und Moloch zugleich Mit diesem Widerspruch muumlssen sich die BewohnerInnen von Bombay New York Mexiko-Stadt und Moskau Tag fuumlr Tag auseinandersetzen In zwoumllf Kapiteln erzaumlhlt der Film ua von einem Farbensieber einem Huumlhnerbeinverkaumlu-

fer von Straszligenkindern oder einer Kranfahrerin

bdquo(hellip) Menschen die ihren alltaumlg-

lichen Kampf mit Einfallsreichtum

Witz und Wuumlrde fuumlhren Sie alle ver-

bindet eine lllusion der Traum von

einem besseren Leben Ein Film uumlber

Arbeit Armut Gewalt Liebe und

Sex ndash ein Film uumlber die Schoumlnheit des

Menschenldquo (Text Viennale 98)

T i p p L i n k

Dossier bdquoMegastaumldteldquo auf der Webseite der Bundeszen-trale fuumlr politische Bildung (Stadtprofile Grafiken Links uvm)wwwbpbdemegastaedte

Stadtportrait einer Metastadt Mexiko-Stadt (Distrito Federal)

Sonntagmorgen an einem sonnigen Tag des Sommers 2010 im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt Vogel-gezwitscher (fast) kein Autolaumlrm im sonst stets von Taxis Bussen Pkws uumlberquellenden Stadtverkehr Spa-ziergaumlngerInnen und RadfahrerInnen auf der fuumlr Autos gesperrten Prachtstraszlige Avenida Reforma Kaum zu glauben dass es sich um das Zentrum einer Megastadt mit mehr als 20 Millionen (so viele EinwohnerInnen wie Australien) handelt Die amtierende Stadtregierung startete im Fruumlhjahr 2007 die Kampagne bdquoPlan VerdeGruumlner Planldquo um Mexiko-Stadt wieder lebenswert(er) zu machen (nach der Devise bdquoeine Stadt fuumlr Menschen nicht fuumlr Autosldquo) ndash mit Radwegen Fuszliggaumlngerzonen dem Ausbau des Nahverkehrs uvm Die Liste der Umwelt- probleme ist beeindruckend lang Eines der dringlichsten Probleme ist das Wasser Mexiko-Stadt wurde von der Kolonialherrschaft auf einem trockengelegten See erbaut durch das Entziehen des Grundwassers sinken Gebaumlude kontinuierlich tiefer in den Grund Der starke Regen und das Abwasser koumlnnen wegen der Flaumlchenversiegelung nur schlecht abflieszligen Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Smog uumlber der Stadt ndash die Smogbelastung ist zwar in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gesunken an der proble-matischen Kessellage der in Houmlhe von 2300 m gelegenen Stadt hat sich aber natuumlrlich nichts geaumlndert

Eigentlich handelt es sich bei Mexiko-Stadt um mehrere kleine Staumldte jede wiederum mit einem eigenen Zentrum und peripheren Vierteln Die sozialen und architekto-nischen Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt-zonen koumlnnten kaum krasser sein ndash von abgeschotteten Luxusvierteln nahe der Altstadt bis zu improvisierten Siedlungen am Stadtrand Angeblich besteht mehr als die Haumllfte der bebauten Flaumlche aus nicht legalisierten aber geduldeten improvisierten Siedlungen (colonias popu-

lares) Die sozialraumlumliche Polarisierung der Stadt wird nicht nur in den Stadtrandsiedlungen sichtbar sondern auch in den gated communities mit ihren typischen Attri-buten bewachte Wohnviertel bewaffnete Sicherheits-kraumlfte gepanzerte Waumlgen fuumlr die die es sich leisten koumln-nen Das Gefaumllle zwischen Arm und Reich ist wie erwaumlhnt enorm ndash wenig erstaunlich daher dass Kriminalitaumlts-delikte aller Art (Handel mit gefaumllschten Marken und Dro-genhandel Entfuumlhrungen) an der Tagesordnung sind Ein beachtlicher Teil der StadtbewohnerInnen schlaumlgt sich im taumlglichen Uumlberleben auf der Straszlige durch im informellen Sektor oder im Dienstleistungsbereich in unsicheren Jobs aller Art

Angesichts der prekaumlren gesellschaftlichen Situation in Mexiko ist die Verehrung des Todes in Gestalt der Santa Muerte (heiliger Tod) als relativ neues Phaumlnomen der

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

13

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

aumlrmeren Stadtviertel nicht verwunderlich Der Grad der Verehrung soll angeblich in der Hauptstadt sogar schon dem der heiligen Jungfrau von Guadalupe (indianische Mutter Gottes) den ersten Rang abgelaufen haben

Der wichtigste Platz im historischen Zentrum ist nach wie vor der Zoacutecalo Dort errichteten die spanischen Koloni-satoren im 16 Jahrhundert direkt uumlber dem zerstoumlrten aztekischen Zeremonialgebaumlude eine repraumlsentative Kathedrale Bis zum 20 Jahrhundert war der Platz funk-tionales Zentrum der Stadt danach gewann er an symbo-lischer Bedeutung In den 50er-Jahren wurde er zu einer 240 mal 240 Meter groszligen Flaumlche zubetoniert Diese riesige bdquoleere Mitteldquo ist faszinierend weil sie sowohl fuumlr die Manifestationen politischer Macht und fuumlr nationale Symbole (zB das Fahnenritual mit der Nationalflagge) ein geeigneter Schauplatz war und ist wie auch als Protestort oppositioneller Bewegungen Tomar el zoacutecalo

(den Platz besetzen) heiszligt die Devise seit den 60er-Jah-ren ndash fuumlr Kundgebungen von StudentInnen Proteste urbaner Initiativen oder unzaumlhliger Gruppen die manch-mal mehr als 1000 Kilometer anreisen um ihre Anliegen oumlffentlich zu machen Wie an kaum einem anderen Ort wird hier anschaulich was das vielzitierte symbolische

bdquoAushandeln Umkaumlmpfen und neu Besetzenldquo des oumlffent-lichen Raumes in der Realitaumlt bedeuten kann

War der Hauptplatz von Anfang an Buumlhne fuumlr die offizi-ellen politischen Manifestationen wurde er in den letz-ten Jahrzehnten an den Wochenenden auch zu einem kulturellen Veranstaltungsort (zB Freiluftkinos Kon-zerte usw) und zu einem Eventplatz im jeweils passenden Sponsorenoutfit

Ein typischer Samstagnachmittag bedeutet Alles ist dichtgedraumlngt auf dem Platz Taco-VerkaumluferInnen neben Hungerstreikenden protestierende Gruppen aus dem Suumlden des Landes und Menschenmassen die in Richtung einer riesigen Musik-Buumlhne stroumlmen Unuumlbersehbar und mittendrin die mexikanische Nationalflagge

Wie schon vor Jahrzehnten warten an den Raumlndern des Platzes StraszligenhaumlndlerInnen und HandwerkerInnen auf KundInnen waumlhrend die Danzantes (TaumlnzerInnen) mit ihren aztekischen Federkronen und Zeremonien die umstehenden TouristInnen erfreuen

Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Kathedrale

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

14

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

3 stadt-raumlumEIm Folgenden geht es um die Konzepte von Raum die den vielschichtigen Stadtraum von mehreren Perspektiven aus betrachten (geografisch sozial von der Wahrneh-mung und vom Image einer Stadt aus)

31 dimEnsionEn dEs raumEs

Urbaner Raum besteht aus dem PHYSISCHEN Raum (gebaute Umwelt Architektur Materialien usw) der einen bestimmten Ort charakterisiert und dem SOZIALEN Raum Der soziale Raum spiegelt die gesellschaftlichen Verhaumlltnisse er steht fuumlr das Aushandeln und Verhan-deln von Lebensraum und fuumlr Machtbeziehungen Er kann wie eine Buumlhne vorgestellt werden auf der Aktionen und Interaktionen zwischen den StadtakteurInnen stattfin-den Der dritte Stadt-Raum ist der DISKURSIVE Raum Darunter sind die Ideen und Ideologien zur Stadt die Darstellung des Urbanen und das Image eines Ortes zu verstehen Aus dem Zusammenwirken dieser Parameter ergibt sich die Bedeutung eines Standortes Anders aus-gedruumlckt Staumldte sind nicht nur gebaute Umwelt Straszligen und Plaumltze also materielle Substanz und sozial gestaltete Raumlume Wie ein Ort von seinen BewohnerInnen und Besu-cherInnen wahrgenommen wird und welche Deutungen und Botschaften (zB Was ist innen oder auszligen Was ist vertraut oder fremd Was ist laut oder leise) ihn zugaumlng-lich machen auch das bestimmt ihn

Die sinnliche Wahrnehmung eines Ortes (zB akustisch oder olfaktorisch) spielt hier eine besondere Rolle Uumlber die Stadt Wien als sich veraumlndernder Klangraum uumlber den vielstimmigen Chor der Straszligengeraumlusche der gegen Ende des 19 Jahrhunderts einsetzte und dazu fuumlhrte dass die Straszlige nun nicht mehr den FuszliggaumlngerInnen allein gehoumlrte (wegen der gesteigerten Verkehrsdichte durch Pferdefuhrwerke und Pferdetramway bzw der Elek-trifizierung der Straszligenbahn ab der Jahrhundertwende) schreibt der Historiker und Stadtforscher Peter Payer (siehe Linktipp) bdquoDie Straszlige entwickelte sich zum heraus-

ragenden Schau- und Houmlrplatz der Moderne Sie repraumlsen-

tierte die Groszligstadt schlechthin wurde ndash fuumlr Kritiker wie fuumlr

Apologeten ndash zum unverkennbaren Symbol fuumlr Modernitaumltldquo Abgesehen vom Verkehrslaumlrm war besonders die oumlffent-liche Beleuchtung visuelles Erkennungszeichen einer Groszligstadt

T i p p L i n k

Peter Payer Der Klang von Wien Zur akustischen Neu-ordnung des oumlffentlichen Raumes (Teil des Forschungs-projekts bdquoDie Stadt und der Laumlrm Zur Geschichte des Houmlrens Wien 1850-1914ldquo)wwwstadt-forschungat gt Downloads

Raumbotschaften koumlnnen sich aumlndern oder verloren gehen ndash im Groszligen wie im Kleinen Die Namen von Straszligen

Materialien zu Megastaumldten

Auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bil-dung gibt es ein umfangreiches Themendossier zu Mega-staumldten Es enthaumllt neben Links Grafiken Statistiken und Interviews auch Stadtprofile von 14 MegastaumldtenDossier Megastaumldte auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung Beispiel Mexiko-Stadtwwwbpbde gt Themen gt Megastaumldte gt Mexiko-Stadt

Weiters bietet die Ausgabe Nr 24 des Magazins fluter (Was machst du wenn du groszlig bist Das Megacity-Heft) Einblicke in die Megastaumldte Lagos Tokio Mexiko-Stadt Shenzhen Mumbai und Kairo Download der Artikel in pdf-Versionwwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Impulse (Sekundarstufe II)

bull Recherche zu einer Megastadt oder Metastadt bull Praumlsentation der Ergebnisse (Basisdaten Grafiken

besondere Problemstellungen Soziales usw) bull Das Themen-Magazin fluter enthaumllt Portraits von Jugendlichen die in Megastaumldten leben Die Schuumlle-rInnen lesen die Artikel und verfassen selbst einen Text in Ich-Form uumlber das Leben als JugendlicheR in einer dieser Staumldte (oder einen bestimmten Aspekt davon) wwwbpbde gt Publikationen gt fluter (Nr 24)

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

15

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

und Plaumltzen aber auch Denkmaumller Statuen und Gedenk-tafeln waumlren hier beispielhaft zu nennen Das Denkmal des sterbenden Loumlwen der die tausenden Toten in der Schlacht von Aspern symbolhaft auf dem Sieges-platz im 22 Wiener Gemeindebezirk verkoumlrpert regt heute kaum noch jemanden zum Nachdenken uumlber dieses Kriegser-eignis an Umgekehrt sorgt etwa das Denkmal des Wiener Buumlrgermeisters Karl Lueger (1897 bis 1910 das Denkmal wurde 1926 enthuumlllt) auf der Wiener Ringstraszlige seit eini-gen Jahren fuumlr Diskussionen und gab sogar Anlass zur Bil-dung eines Arbeitskreises (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitis-mus und Rassismus in Oumlsterreich und Ausschreibungs-projekt zur Umgestaltung des Denkmals wwwluegerplatzcom)

32 stadt waHrnEHmungEn und stadt-imagEs

Freiheit und Unabhaumlngigkeit die Hoffnung auf ein bes-seres Leben oder ein besonderes Flair ndash Staumldte waren und sind beliebte Projektionsflaumlchen fuumlr Stimmungen Sehn-suumlchte und ein bestimmtes Lebensgefuumlhl Dementspre-chend groszlig ist auch die Anzahl der Lieder in denen von der ganz gewissen Atmosphaumlre einer Metropole gesun-gen wird ndash sei es dass bdquoganz Paris von der Liebe traumlumtldquo jemand bdquoin einer Stadt aufwachen will die nicht schlaumlftldquo (New York New York) oder ein anderer der laut Text noch niemals in New York war sich vorstellt durch San Francis-co bdquoin zerissenen Jeans zu gehenldquo (Ich war noch niemals

in New York) Angeblich laumlsst sich auch vom bdquoHerz von an

echten Weana manches sbquolernalsquo (lernen)ldquo ndash was man wahr-scheinlich am besten in einer Wiener Straszligenbahn zur Stoszligzeit uumlberpruumlfen koumlnnte

Megastaumldte werden oft als Moloch als Monster Krebs-geschwuumlr Zeitbombe oder aumlhnliches beschrieben Sie sind kaum Thema in der Populaumlrmusik gewinnen als Stoff

fuumlr Kunst Literatur und Unterhaltung jedoch immer mehr an Bedeutung (Comics Manga-Serien Science Fiction-Romane) Ein bekannter Film aumllteren Datums zu einer fik-tiven Riesenstadt ist bdquoMetropolisldquo von Fritz Lang

Die mentalen Landkarten haben noch einen weiteren Aspekt fuumlr das Alltagsleben Die gebaute Umwelt vermit-telt Sicherheit man kann sich in ihr zu Hause fuumlhlen weil die Stadt auf gewohnte Art und Weise bdquolesbarldquo und einteil-bar wird (Wohnhaumluser Kirche Rathaus usw)

Die Erinnerungsorientierung ist nicht neutral son-dern durch ein selektives und maumlnnlich ausgerichtetes Geschichtsbild gepraumlgt Erkennbar wird dies an der Wer-tigkeit von Orten Waumlhrend die Lokalitaumlten des Geburts-hauses von Mozart oder des Johann-Strauszlig-Denkmals all-gemein bekannt sind kennen nur wenige die Lebensorte von Rosa Mayreder oder Elise Richter Auch die Straszligen-namen weiblicher Persoumlnlichkeiten der Geschichte sind im staumldtischen Raum eindeutig gegenuumlber maumlnnlichen Beruumlhmtheiten in der Minderzahl

T i p p L i t e r a t u r zur weiblichen Seite der Stadt

Elke Krasny (Hrsg) Stadt und Frauen Eine andere Topo-graphie von Wien Wien Metroverlag 2008

Die urbane Spurensuche ist ein idealer Ansatzpunkt fuumlr die Politische Bildung Die Stadt nach bestimmten Fra-gestellungen zu bdquolesenldquo kann nicht nur die Wahrneh-mung schaumlrfen sondern auch wie von selbst Perspektiven und Wissen erweitern Unterschiedliche Themen bieten sich an die Recherche zu historischen Persoumlnlichkeiten (weiblichmaumlnnlich) anhand von Straszligennamen ist ein bdquoKlassikerldquo (siehe Seite 10) Eine andere Moumlglichkeit waumlre das Thema Europa in der Stadt

Gedankenimpulse fuumlr SchuumllerInnen der Sekundar-stufe II und DiskussionNach einer Einfuumlhrung zur Person des Politikers Lueger Was soll deinereurer Meinung nach mit dem Denkmal passieren Soll es bleiben wegkommen oder ein Mahn-mal gegen Rassismus und Antisemitismus werden Wie koumlnnte dieses aussehen

Methodentipp Europaspuren

Das Projekt regt zu Stadtspaziergaumlngen zum Thema Europa an Zielgruppe sind Schuumllerinnen und Schuumller ab der 8 Schulstufe denen Informationen zu Bezugs-punkten Spuren Beruumlhrungspunkten bdquoDenkmaumllernldquo Einrichtungen uauml zum Thema Europa angeboten wer-den Das Projekt ist ein innovativer Zugang um Europa im Stadtbild sichtbarer zu machenStadtplaumlne Textbausteine und mp3-files koumlnnen kostenlos im Internet heruntergeladen werdenwwweuropaspurenat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

16

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

33 OumlffEntlicHEr raum rEguliErung funk tion nutzung anEignung

Im Allgemeinen wird unter dem oumlffentlichen Raum ein Raum der fuumlr alle zugaumlnglich (ohne Eintritt) und fuszlig-laumlufig ist verstanden Er gilt als kollektives Gut von all-gemeinem Interesse Diejenigen die ihn nutzen sind gleichzeitig BeobachterInnen und Beobachtete Akteu-rInnen und ZuschauerInnen Der Begriff des oumlffentlichen Raumes ist allerdings nicht klar abgrenzbar Ein Beispiel Parks oder Fuszliggaumlngerzonen werden von den meisten StadtbewohnerInnen als oumlffentliche Raumlume empfunden Wie ist es aber mit einem Einkaufszentrum das zwar frei zugaumlnglich ist aber doch Privateigentum darstellt

In den modernen Industriegesellschaften ist der urbane oumlffentliche Raum (fast schon luumlckenlosen) Regeln und Reglementierungen unterworfen Urbane Zeitrhythmen formen den Alltag der Menschen ndash ihre Charakteristika sind Beschleunigung straffe Zeitregime (just in time) und hohe Anforderungen an die Flexibilitaumlt Der oumlffentliche Raum soll so rasch wie moumlglich durchquert werden um von A nach B zu kommen das Verweilen ist nur an ganz spezifischen Zonen des Flanierens vorgesehen So gese-hen gewinnt er eher die Funktion eines Transitraumes und weniger eines Aufenthaltsraumes Durch die Verbrei-tung der Massenmedien hat der oumlffentliche Raum im Lauf der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts seine Kommu-nikationsfunktionen weitgehend an den privaten Raum verloren

Die Kommerzialisierung des urbanen oumlffentlichen Raumes hat tiefgreifende Veraumlnderungen im Staumldtischen bewirkt Der Marktplatz der Gegenwart die Shopping Mall aumlhnelt einem Durchgangsraum der auf Konsumfunktionen zugeschnitten ist und kaum etwas von einem oumlffent-lichen Kommunikations- und Versammlungsort hat (auch wenn Einkaufszentren mittlerweile beliebte Treffpunkte von Jugendlichen sind) Der oumlffentliche Straszligenraum erweiterte sich in die Innenraumlume dieser Shopping Malls bzw Passagen und wurde dort privatisiert bzw kommer-zialisiert (bewacht von privaten Sicherheitskraumlften)

Ein weiterer Trend Das gestiegene unternehmerische Selbstverstaumlndnis der Stadtverwaltungen in europauml-ischen Groszligstaumldten fuumlhrte im letzten Jahrzehnt zu einer bdquoFestivalisierungldquo des kulturellen Lebens und oumlffent-lichen Raumes (Groszligereignisse ganzjaumlhrige Bespielung von Plaumltzen usw) In erster Linie geht es um Angebote fuumlr ein konsumfreudiges Publikum fuumlr welches die Stadt

attraktiv erscheinen soll (bdquosauber sicher serviceorien-tiertldquo) und entsprechend moumlbliert bzw exklusiv gestal-tet wird Symbolische Abgrenzung und Ausgrenzung von missliebigen Gruppen ist manchmal die andere Seite der Medaille

Politik hinterlaumlsst ihre Spuren im oumlffentlichen Raum ndash von Kommunalpolitik und Gesetzen bis zur alltaumlglichen Praxis im Umgang mit bevorzugten oder benachtei-ligten Gruppen unterschiedlichen Machtverhaumlltnissen und Ausschlussprinzipien Es liegt auf der Hand dass er immer wieder zum Austragungsort von gesellschaftlichen Konflikten und unterschiedlichen Interessen welche die Pluralitaumlt der Stadt ausmachen wird

Wie oumlffentlich ist der Raum der Stadt noch im Sinn einer Sache die jede(n) etwas angeht und darum oumlffentlich verhandelt wird (res publica) Wenn es um die Staumldte der Zukunft oder um offene und veraumlnderbare Stadtraumlume geht die einen zweckungebundenen Austausch aller Gesellschaftsschichten ermoumlglichen sollen ist der oumlffent-liche Raum immer ein zentrales Thema In diesem Zusam-menhang wird den Commons oder Allmende ndash Gemein-guumlter die voruumlbergehend genutzt werden ndash wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt nachdem die Begriffe lange als uumlberholt galten

bdquoPlatz Moumlglichkeiten und Anreize schaffenldquo ndash das ist das Leitbild vieler Projekte und Stadtinterventionen im oumlffentlichen Raum (zB im Rahmen des European Prize

for Urban Public Space wwwpublicspaceorg oder wwwtransparadisocom) Die temporaumlre Nutzung von Flaumlchen im Stadtraum sowie die Ruumlckgewinnung und der Ausbau der Commons ist im Mittelpunkt was die BewohnerInnen aus einem Ort machen ist meistens noch nicht vordefi-niert Es geht um Kleinteiligkeit um menschengerechtere Strukturen und die Herstellung von Zusammenhaumlngen zwischen den getrennten Lebensbereichen Die Zielrich-tung ist ein Gebrauch von der Stadt der auch zukuumlnf-tigen Generationen nichts nimmt

Wem gehoumlrt der oumlffentliche Raum und welche Spielregeln soll es dort geben Datenschutz Uumlberwachungskameras oder Google Street View tauchen derzeit als Thema in den Medien oumlfters auf Die zentrale Frage ist ob der oumlffent-liche Raum noch oumlffentlich ist (man kann sich darin anonym bewegen) oder schon ein veroumlffentlichter Raum eine permanente bdquoSelbstveroumlffentlichungldquo bei der unklar

Commons sind Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen Sie brauchen die community die sie pflegt und erhaumllt das kollektive Handelnwwwcommonsat Commons und solidarische Oumlkonomie

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

17

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

bleibt welche Daten gesammelt werden und was mit ihnen genau gemacht wird

In Oumlsterreich sind derzeit uumlber 160000 Uumlberwachungs-kameras installiert Sie sind Teil der urbanen Normalitaumlt die auch von Kindern wahrgenommen und in ihre Welt-sicht integriert wird Mein fuumlnfjaumlhriger Neffe ist jedes Mal begeistert wenn er wieder ein derartiges Objekt ent-deckt Was den Sinn und Zweck der Kameras betrifft ist fuumlr ihn die Sache ganz einfach bdquoNa ja da darf man nicht

schlimm sein sonst kommt die Polizeildquo

T i p p M a t e r i a l i e n

Zum Thema Datenschutz

Unter Beobachtung ndash Comic fuumlr junge EuropaumlerInnen zum Thema bdquopersonenbezogene DatenldquobdquoUnder Surveillanceldquo sensibilisiert Jugendliche fuumlr ein modernes Ver-staumlndnis von PrivatheitPrivat-sphaumlre und den Umgang mit perso-nenbezogenen Daten Derzeit ist

eine englische Version verfuumlgbar Im Lauf des Jahres 2011 erarbeitet Zentrum polis eine deutsche Fassungwwwrespektnetprojekte-unterstuetzendetailsprojekt48

Auch das Bettelverbot ist ein Beispiel fuumlr einen strittigen Punkt wenn es um den oumlffentlichen Raum geht Seit 1993 ist in Wien das sogenannte bdquoaufdringlicheldquo bdquoaggressiveldquo und bdquoorganisierteldquo Betteln verboten ndash seit 2008 auch das Betteln mit Kindern 2010 wurde das Verbot des bdquogewerbs-maumlszligigen Bettelnsldquo beschlossen Auf der Armutskonferenz 2008 bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Betteln die als BettelLobbyWien auftritt und die Abschaffung der Bettelverbote fordert (wwwbettellobbywienwordpresscomforderungen-der-bettellobbywien)

BuumlrgerInnenbewegungen lokale Initiativen Protestbe-wegungen haben seit langem die Straszlige als Medium fuumlr sich entdeckt Die Besetzung des bdquoBacherplatzesldquo im 5 Wiener Gemeindebezirk ist ein Beispiel fuumlr die Forderung der AnrainerInnen mitzuentscheiden wie der oumlffentliche Raum gestaltet wird Zweieinhalb Jahre Protest und eine dreimonatige Besetzung mit Zelten bewegten die Kom-munalpolitikerInnen in Margareten zu einer Befragung bei der dann im Sommer 2005 eine Garage unter dem Park eindeutig abgelehnt wurde Partizipation ist keine einfache Sache ndash manchmal ist es langwierig und muumlhe-voll bis unterschiedliche Interessensgruppen zu einer

Entscheidung kommen Die Teilnahme aller gesellschaft-lichen Gruppen an der Gestaltung ihres Lebensraumes ist uumlbrigens Zielrichtung des Aktionsprogrammes der Lokalen Agenda 21 die derzeit in sechs Wiener Bezirken umgesetzt wird (Webseite der Lokalen Agenda 21 Wien wwwla21wienatla-21-plus)

Noch vor einigen Jahrzehnten spielten junge Menschen ganz selbstverstaumlndlich auf der Straszlige ndash daran erinnert sich die Generation die in der ersten Haumllfte des 20 Jahr-hunderts geboren wurde in der Regel gut Man versteckte sich in verwinkelten Hinterhoumlfen heckte Plaumlne aus spielte Fuszligball oder traf andere SpielkameradInnen auf der Straszlige

Kindern und Jugendlichen steht immer weniger bdquowilderldquo Raum zur freien Verfuumlgung um ihre Beduumlrfnisse zu befrie-digen und Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu nutzen Oumlffentliche Plaumltze gerieten buchstaumlblich unter die Raumlder der Mobilitaumlt von freier Flaumlche ist wenig zu sehen und somit koumlnnen Freiraumlume als Lernraumlume fuumlr Selbstorganisation kulturelle und gesellschaftliche Teil-habe von Kindern und Jugendlichen kaum mehr genutzt werden

In den letzten Jahren mehren sich die Stimmen die ein Mitgestaltungsrecht fuumlr Kinder und Jugendliche bei der Stadtentwicklung und der Gestaltung des oumlffentlichen Raumes fordern (in Uumlbereinstimmung mit der UN-Kinder-rechtskonvention und dem Recht bdquoKinder und Jugendli-che in angemessener Form an saumlmtlichen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligenldquo) Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer staumld-tischen Lebenswelt ist daher kein Gnadenakt sondern ein Anspruch der in der Kinderrechtskonvention verankert ist (zB in Artikel 12 Recht auf Meinungsaumluszligerung) Der Stadtplanung kommt in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle zu weil sie entsprechende Strukturen foumlrdern kann

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

18

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Abschlieszligend zusammengefasst Themenfelder die sich fuumlr die Politische Bildung im Hinblick auf den Stadtraum und den oumlffentlichen Raum eignen (tlw entnommen dem Materialientipp Politik im oumlffentlichen Raum auf Seite 21)

bull Konfliktfeld oumlffentlicher Raum Anspruumlche Interes-sensgegensaumltze Auseinandersetzungen (Beispiel waumlren etwa groszlige Planungsprojekte wie Stuttgart 21)

bull Oumlffentliche Raumlume im Wandel der Zeit von Aufmarsch-plaumltzen zu touristischen Anziehungspunkten vom Kriegsschauplatz zur Spielwiese

bull Geschlechtergerechtigkeit im oumlffentlichen Raum

bull Oumlffentlicher Raum als Ort der politischen Instrumenta-lisierung und als Ort von Widerstand und Protest

bull Minderheiten und Mehrheiten im oumlffentlichen Raum

bull Wer darf bleiben wer muss gehen Stadtpolitik im oumlffentlichen Raum und das Betteln

bull Nutzungsformen des oumlffentlichen Raumes von Kindern und Jugendlichen

T i p p L i n k s

Kinderrechte und PartizipationAuf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es eine Zusammenstellung zu den Partizipationsmoumlglich-keiten in Wien nach verschiedenen Kriterien geordnet (ua Alter) wwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Partizi-pation in Wien

Webseite des oumlsterreichischen Netzwerks Kinderrechtewwwkinderhabenrechteat

Schon gewusstIm 20 Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) gibt es einen bdquoPlatz der Kinderrechteldquowwwwiengvatrkmsg20081120020html

Methodentipp zur visuellen Wahrnehmung von StadtraumlumenStop and Go Fotografieren im oumlffentlichen Raum (ab der 8 Schulstufe)

Ein Fotospazierung durch die Stadt bei dem die mit-gebrachten (Digital)kameras der SchuumllerInnen zum Einsatz kommen

Verschiedene Fragestellungen koumlnnen den Rahmen fuumlr ein urbanes Foto-Shooting der SchuumllerInnen bilden ndash entweder sehr offene (Was faumlllt den Schuumlle-rInnen auf an ihrer Schulumgebung wie erleben sie die Stadt und den oumlffentlichen Raum) oder spezifische wie zB bdquomeine Lieblingsplaumltze in der Stadtldquo bdquoSpu-ren der Geschichteldquo bdquoan diesem Ort wuumlrde ich etwas veraumlndernldquo

Bei entsprechender Vorbereitung und Nachbe-sprechung mit der Klasse eignen sich auch Themen wie bdquoArmut in der Stadtldquo oder bdquoSpuren von Aus-grenzung und Rassismusldquo (zB Graffiti Zeichen Beschmierungen usw) Eine sensible Herangehens-weise beim Fotografieren und ein thematischer Ein-stieg im Unterricht sind hier unbedingt wichtig

Zum Thema Rassismus und Beschmierungen ein Tipp ZARA-Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit Kampa-gne bdquoRassismus streichenldquo wwwrassismusstreichenat

Methodentipp Volksschule

Die Stadt als Lebensraum kann auch schon Thema in der Volksschule sein Von Ideen zu einer kinderge-rechten Stadt bis zur Gestaltung des Lieblings-Spiel-platzes oder konkreten Vorschlaumlgen fuumlr einen sicheren Schulweg in verkehrsreichen Zonen gibt es zahl-reiche Moumlglichkeiten mit den Kindern in das Thema einzusteigen

Eine davon ist die Entwicklung von Visionen zur Stadt Wie koumlnnte eine Stadt ohne oder mit weniger Autos aussehenDazu koumlnnten Sie Fotos aus dem Bezirk und der Umge-bung der Schule verwenden bei denen die Autos herausmontiert sind oder mit alten Bildern arbeiten auf denen noch keinenicht so viele Autos zu sehen sindFragen an die SchuumllerInnen

bdquoWas wuumlrdet ihr dort tun wenn keine Autos dort ste-henfahren wuumlrden Uumlberlegt wie euer Schulweg dann aussehen wuumlrdeldquo Dazu koumlnnen kurze Texte geschrie-ben oder Zeichnungen angefertigt werden

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

4 politiscHE bildung und urbanitaumltStaumldte eroumlffnen ein weites Themenspektrum fuumlr die Poli-tische Bildung ndash ob es nun um Armut Stadt-Land-Bezie-hungen oder um Globalisierung geht Urbane Zentren sind wie Kristallisationspunkte an denen diese Themen sichtbar werden und im Unterricht bearbeitet werden koumlnnen (im Rahmen des Unterrichtsprinzips Politische Bildung in allen Faumlchern) Der Lehrplanbezug kann auch uumlber geschichtliche Fragestellungen wie zB zu bdquoErinne-rungskulturen im Wandelldquo an Lehrplaumlne der Politischen Bildung in unterschiedlichen Schulformen (AHS BS HAK HTL) anknuumlpfen (naumlhere Informationen zu Lehrplauml-nen und Raum siehe Didaktik-Tipp auf Seite 21)

Phaumlnomene der Ideologisierung oder der emotionalen Aufladung in Verbindung mit Raumlumen und deren kritische Betrachtung durch die SchuumllerInnen finden bisher wenig Eingang in den Schulunterricht Das ist insofern schade als Objekte wie Denkmaumller Symbole und Repraumlsentations-gebaumlude eine reichhaltige Quelle fuumlr die Erweiterung der Schluumlsselkompetenzen in der Politischen Bildung waumlren Sie regen zum Hinterfragen von Mythen Klischees und der Bewertung von Raumlumen an Das didaktische Angebot bdquoPolitik im oumlffentlichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer Bildungldquo (siehe Seite 21) ist dafuumlr eine geeignete Grundlage

Ute Wardenga (Leibniz-Institut fuumlr Laumlnderkunde in Leip-zig) hat ein praktikables Orientierungsschema fuumlr den Unterricht entwickelt das den Raumbegriff uumlber den geo-grafischen Raum hinaus erweitert Ihr Zugang ist inso-fern relevant als er deutlich werden laumlsst dass Raumlume nicht per se existieren und dass Raum nicht gleich Raum ist Es kommt auf den Blickwinkel und die Interessen desder Betrachtenden an

Wardenga unterscheidet auf der Funktionsebene vier Dimensionen des Raumes

Geografischer RaumContainerraumDer Raum ist wie ein Behaumllter und alle Objekte sind als verortbare Sachverhalte darstellbar deren Informationen abgerufen werden koumlnnen Das Konzept unterstuumltzt vor allem die Vermittlung von Faktenwissen

Relationaler RaumRaumlume werden als Systeme von Lagebeziehungen mate-rieller Objekte betrachtet Erinnerungsorte koumlnnen in Abhaumlngigkeit von raumlumlicher und zeitlicher Distanz zum Lerninhalt werden Die Frage der Identitaumltsbildung und Bedeutungswahrnehmung steht hier im Vordergrund

Wahrnehmungsraum und WahrnehmungsorientierungDie Einordnung und selektive Bewertung des Einzelnen erhaumllt handlungsleitende Funktion Erfahrung Soziali-sation und Wissen Interessen und Wuumlnsche spielen eine maszliggebende Rolle Es kann sichtbar gemacht werden wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein koumlnnen

Konstruierter RaumRaumlume sind an Interessen gebundene Konstrukte es geht um die soziale technische und gesellschaftliche Kon-struiertheit des Raumes und um die Frage wer wie uumlber bestimmte Raumlume kommuniziert

Nr 2

19

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

Didaktischer Bezug Welche natuumlrlichen und mensch-lichen Faktoren sind in einem bestimmten Stadtraum wirksam Welche Ereignisse haben dort stattgefunden Beispiele Umweltverschmutzung in Mexiko-Stadt Geschichte von Staumldten

Didaktischer Bezug Inwieweit ist ein bestimmter Ort etwa der Heldenplatz in Wien Identitaumltsfaktor in unterschiedlichen Zeitkontexten und in Bezug zu konkreten Fragestellungen Stichwoumlrter Lichtermeer Aufmaumlrsche Protestbewegungen 2 April 1938 usw

Didaktischer Bezug Welche Rolle spielen unter-schiedliche Bewertungen von Orten und Objekten zB eines Denkmals im oumlffentlichen Raum

Didaktischer Bezug Mit welchem Image wirbt eine Stadt wie stellt sie sich dar und bewirkt eine Art Vor-Konstruktion eines Raumes Wer profitiert von diesem Bild wer koumlnnte Nachteile haben

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

20

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

Naumlhere Informationen

Ute Wardenga Raumlume der Geographie ndash zu Raumbegriffen im Geographieunterricht In Geographie heute 200 23 Jg S 8-10 2002Online-Artikel zum Thema (Institut fuumlr Geografie Uni-versitaumlt Wien) als Download unter httphomepageunivieacatChristianSitteFDartikelute_wardenga_raeumehtm

41 stadt und politik fEst- und protEstkulturEn und rEpraumlsEntativE OumlffEntlicHkEit

Im Folgenden geht es um den politischen urbanen Raum ndash einerseits um die Stadt als politische Buumlhne und ande-rerseits um die repraumlsentative Oumlffentlichkeit der gebauten Architektur

Stadt als politische Buumlhne

Was macht den politischen Raum einer Stadt aus welche gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihn als Buumlhne fuumlr ihre Anliegen fuumlr Protest oder fuumlr institutionalisierte Insze-nierungen ndash zB Festauftritte zum 1 Mai und andere Massenveranstaltungen Die Buumlhnen der politischen Auf-tritte geben auf anschauliche Weise Auskunft uumlber die konkreten gesellschaftlichen und politischen Konzepte oder Konfliktfelder in einer bestimmten Epoche

Urbanitaumlt bedingt das Zusammenleben unterschiedlicher Interessensgruppen auf engem Raum Der oumlffentliche Raum erfuumlllt(e) in diesem Zusammenhang fuumlr die Stadt-bewohnerInnen auch immer die Funktion sich entspre-chend ihrer Rolle und Zugehoumlrigkeit in der Gesellschaft darzustellen Die politischen Szenarien einer Gesell-schaft ihre Spannungsfelder und Widerspruumlche zeigen sich auf den Straszligen und Plaumltzen der Stadt in den Kampf- und Aufmarschzonen der Geschichte

Welcher Platz koumlnnte sich am Beispiel Wien besser dazu eignen den Spuren der Geschichte und Politik in den letzten 200 Jahren nachzugehen als der Hel-denplatz Vom Vormaumlrz bis zum Lichtermeer gegen Ras-sismus (1993) von der Arbeiterolympiade 1931 bis zum Anschluss Oumlsterreichs an Deutschland 1938 ndash der Platz wurde immer wieder symbolisch aufgeladen und fuumlr ganz unterschiedliche politische Botschaften genutzt Eine Timeline der politischen Ereignisse die an diesem Platz stattgefunden haben waumlre eine Moumlglichkeit diesen Spu-ren im Unterricht nachzugehen

T i p p L i n k s

Onlinematerial Wiener Ringstraszlige

Barbara Dmytrasz (Hrsg) Die Wiener Ringstraszlige Exkur-sionsdidaktisches Konzept In Online-Plattform bdquoMedien-serviceldquo des bmukkwwwbildungsmedientv gt im Suchmodus bdquoExkursionsdidaktisches Konzeptldquo einge-ben gt Die Wiener Ringstraszlige (Staumldtebau)

Ausfuumlhrliches Material mit detaillierten Beschreibungen der unterschiedlichen Repraumlsentationsgebaumlude und einer Zusammenstellung von Fragen fuumlr die SchuumllerInnen zum staumldtebaulichen Projekt bdquoWiener Ringstraszligeldquo Anhand der Informationen zu den kaiserlichen buumlrgerlichen sowie den politischen und kulturellen Repraumlsentationsbauten koumlnnen sowohl Geschichte und Staumldtebau als auch Archi-tekturstile von Neo-Renaissance bis Neoklassizismus anschaulich nachvollzogen werden

Der Heldenplatz Ein Stuumlck europaumlischer Geschichte im Herzen von WienArtikel von Herbert Hauptwwwdemokratiezentrumorg gt Themen gt Wien gt Wien-Images gt Artikel

Der 1 Mai ist ein weiteres geeignetes Thema zum poli-tischen Stadtraum 1989 legte ihn die Zweite Interna-tionale in Paris als Kampftag der sozialdemokratisch organisierten ArbeiterInnenschaft fest An diesem Tag wurden die wichtigsten Plaumltze und Straszligen der Staumldte eingenommen um symbolisch die Kraft der ArbeiterIn-nenbewegung zu demonstrieren Spaumlter entwickelte sich dieser Tag zu einem institutionalisierten (Staats-)Feiertag Anhand von Bildmaterial und Filmen koumlnnen im Unterricht die Unterschiede zwischen sozialdemokra-

Schwerpunkt Wien

Auf der Webseite des Demokratiezentrums Wien gibt es einen Wien-Schwerpunkt (Wien und Politik Wien und Europa Wien-Images usw) mit einer Fuumllle an Artikeln und Bildmaterialien die sich gut fuumlr die Politische Bil-dung eignen

wwwdemokratiezentrumorg

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

21

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

tischer Festtagskultur und christlich-sozialer Festtags-kultur oder die Instrumentalisierung der Feiern zum 1 Mai durch den Austrofaschismus und Nationalsozialismus erarbeitet werden

Der oumlffentliche Raum in den Staumldten Oumlsterreichs war uumlber Jahrzehnte hindurch immer wieder Schauplatz von Aufmaumlrschen aller politischen Lager ndash von den Wehrver-baumlnden (Republikanischer Schutzbund Heimwehr und Frontkaumlmpferverband) bis zum autoritaumlren Staumlndestaat und dem nationalsozialistischen Regime In der Nach-kriegszeit waren es ab den 70er-Jahren vor allem die Friedensbewegung UmweltaktivistInnen und Menschen-rechtsgruppen die gegen die bdquoPolitik von obenldquo auf die Straszlige gingen Nach wie vor ist die Straszlige politische und soziale Sphaumlre einer demokratischen Oumlffentlichkeit ndash ob es nun um Kundgebungen von StudentInnen gegen Bil-dungsabbau oder ndash wie im Jahr 2000 ndash um Protest gegen eine Regierungskoalition geht Soziale Netzwerke im World Wide Web brachten seit einigen Jahren neue Moumlg-lichkeiten um Oumlffentlichkeit zu organisieren und die Leute spontan zum Protest auf die Straszlige zu bringen Ob sie dann aber auch wirklich kommen ist allerdings eine andere Frage

Repraumlsentative Oumlffentlichkeit und Herrschaftsformen

In den Raumlumen der Staumldte bildeten und bilden sich gesell-schaftliche soziale und fruumlher auch sakral begruumlndete Ordnungen ab Die Monumente der Macht sollen sie mate-riell veranschaulichen und in Erinnerung rufen (monere lat = erinnern) Die Stadt ist unter diesem Blickwinkel gebaute Textur der politischen sozialen und kulturellen Geschichte

Die repraumlsentative Oumlffentlichkeit und ihre Architektur dient(e) der Legitimation und dem Fortbestand von welt-licher oder sakraler Herrschaft ndash das trifft auf die Stadt-staaten Mesopotamiens ebenso zu wie auf die Bauten absolutistisch Regierender von bdquoGottes Gnadenldquo

Das staumldtebaulich geschlossene Ensemble von Helden-platz und Wiener Ringstraszlige offenbart auf einzigartige Weise das habsburgische Konzept von Herrschaft Die Ringstraszlige wurde im 19 Jahrhundert als bdquoPrachtstraszligeldquo angelegt die gleichzeitig militaumlrische Funktionen erfuumll-len sollte (ua gegen die Nachwehen der Aufstaumlnde des Vormaumlrz von 1948) Sie war architektonisch darauf aus-gerichtet die Innere Stadt und die 1850 eingemein-deten Vorstaumldte Wiens zu verbinden bdquoDer Ringldquo wirkte in der Folge nicht nur fuumlr Kaiser und Adel als baulicher

Repraumlsentationsraum sondern auch fuumlr das aufstrebende Groszligbuumlrgertum und fuumlr Industrie und Wirtschaft

Materialientipp online

Didactics online (Fachdidaktikzentrum Geschichte)

Die politische Festkultur am Beispiel des 1 Mai (Texte Uumlbungen Glossar usw)wwwdidacticseuindexphpid=1800

Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl Politik im oumlffent-

lichen Raum Der oumlffentliche Raum als Lernort politischer

Bildung (Texte Unterrichtseinheiten Arbeitsaufgaben)

Geschichte online (wwwdidacticseu) gt Datenbank gt Themendossiers PB gt Politik im oumlffentlichen Raum

Zum Themenfeld bdquoRepraumlsentation von Herrschaft in Stadtplanung Architektur und Politikldquo finden sich im oben erwaumlhnten Download von Christian Vielhaber und Friedrich Oumlhl zahlreiche Anregungen die in erster Linie auf Wien bezogen sind ua zu folgenden Perspektiven bull Der Blick auf die zentralen staumldtischen Plaumltze und

die Stadtplanung Wiens in verschiedenen Epochen bull Repraumlsentationen oumlffentlicher politischer Macht

anhand von Symbolen (etwa Stilmittel der Architek-tur Gebaumludegroumlszlige Lage) zum Thema bdquoHerrschaft der Habsburger und ihre Legitimationldquo

Fragen die in diesem Zusammenhang an die SchuumllerInnen gestellt werden bull Welche Herrschaftssymbole sind (anhand von Fotos

oder bei einer Exkursion) erkennbar bull Wie war ihre Wirkung damals und heute bull Wie wird Herrschaft in oumlffentlichen Raumlumen

legitimiertAls Beispiele werden Doppeladler Oktogon neobarocker Baustil erwaumlhnt und naumlher erlaumlutert

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

2011

22

pol is aktuel l

wwwpol i t ik- ler nenat

5 initiativEn zur nacHHaltigEn stadtEnt wicklungDass der Lebensraum Stadt Vielfalt braucht ndash oumlkologische kulturelle oder sprachliche ndash ist der gemeinsame Nenner vieler Initiativen und Projekte

Ein Versuch in diese Richtung ist zB Stadt und Land wieder anzunaumlhern und auch die Landwirtschaft in die Stadt zu holen Die Gartenbewegung setzt sich dafuumlr ein ungenutzte staumldtische Brachflaumlchen in oumlkologische Nutz-gaumlrten zu verwandeln Zu erwaumlhnen ist in diesem Zusam-menhang der Utopia Award (awardutopiade) der Utopia Stiftung (2010 vergeben an Stiftung Interkultur Netz-werk Interkulturelle Gaumlrten Prinzessinnengarten Berlin Muumlnchner Krautgaumlrten siehe wwwurbanackernet)

Das bdquoVertical farmingldquo (siehe wwwverticalfarmcom) die Nutzung von mehrstoumlckigen Gebaumluden fuumlr urbane Land-wirtschaft ist eine weitere Idee zum Themenkomplex Landwirtschaft und Stadt die vor allem das Problem des gestiegenen Nahrungsmittelbedarfs durch das Bevoumllke-rungswachstum in Staumldten loumlsen moumlchte

Das Leitbild einer nachhaltigen Stadtentwicklung umfasst der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (BNE) nach fol-gende Punkte

bull ein ressourcensparendes umweltgerechtes Lebensumfeld

bull gerechte und umweltschonende Mobilitaumlt

bull gerechte Versorgung der BuumlrgerInnen zB mit Strom Wasser und anderen Guumltern

bull vorausschauendes Verwaltungshandeln (Local Governance)

bull zukunftsfaumlhige lokale Wirtschaft

bull verantwortungsvolles generationengerechtes Wirt-schaften mit oumlffentlichen Mitteln

Stadt UND Land nachhaltig entwickeln Jahresthema 2011 des oumlsterreichischen Dekaden-buumlros Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung

Das Dekadenbuumlro Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung wurde 2008 uumlber Initiative des Unterrichtsministeriums und Lebensministeriums einge-richtet um oumlsterreichische Aktivitaumlten im Rahmen der UN-Dekade Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung (2005-2014) zu koordinieren und sichtbarer zu machen Die Auf-gaben umfassen ua die Vernetzung von AkteurInnen die sich zu den Standards einer Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung bekennen wie auch die Bildung einer Platt-form fuumlr den formalen non-formalen und informellen Bildungsbereich Inhaltlich widmet sich das Dekaden-buumlro jaumlhrlich einem der von der UNESCO definierten acht Handlungsfelder Nach den Jahresthemen bdquoNachhaltiger Konsumldquo und bdquoLebensvielfaltldquo folgt im Jahr 2011 das Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Auf der Webseite des Dekadenbuumlros wwwbildungsdekadeat wer-den breit gefaumlcherte Informationen zu den Jahresthemen bereitgestellt fokussiert werden die Themen bei der jaumlhr-lichen Vernetzungsveranstaltung behandelt

Merken Sie sich heute schon den 18 Mai 2011 vor ndash an diesem Tag veranstaltet das Dekadenbuumlro eine Tagung zum Jahresthema 2011 zu der alle am Thema Interessier-ten herzlich eingeladen sind Genauere Informationen finden Sie unter wwwbildungsdekadeat

Die Portale der Bildung fuumlr nachhaltige Entwicklung in Oumlsterreich und Deutschland bieten zum Thema bdquoStadt UND Land nachhaltig entwickelnldquo Hintergrundinformati-onen Bildungsmaterialien Projekte Veranstaltungshin-weise uvm

Web Dekadenbuumlro Oumlsterreichwwwdekadenbueroat gt Thema 2011 Stadt UND Land

Web Dekadenbuumlro Deutschlandwwwbne-portalde

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

Nr 2

23

St adt und Pol i t ik

wwwpol i t ik- ler nenat

6 mEdiEn links und matErialiEnCurritiba Itrsquos possible

DVD 8film 2008Curritiba ist eine Millionenstadt im suumld-oumlstlichen Brasilien Sie gilt seit fast 40 Jahren als soziales oumlkonomisches und oumlko-logisches Musterbeispiel in Lateinamerika und daruumlber hinaus Die StadtplanerInnen Curritibas haben auf kostenguumlnstige und nachhaltige Loumlsungen gesetzt und einen

fuumlr die Region hohen Lebensstandard geschaffenKonzept Gestaltung amp Schnitt Joumlrg Pibal und Paul RomauchTrailer und Bestellung www8filmat

umwelt amp bildung 22010 Ruumlckbau ndash Umbau ndash TransformationDie Ausgabe widmet sich ua dem Themenbe-reich Stadt und Schule (zB im Artikel Hidden Curriculum Uumlber die Stadt als Schule Von Johannes Bilstein)Infos und Download wwwumweltbildungat gt Publikationen gt umwelt amp bildung

Wissenspool Die Stadt im spaumlten Mittelalter (geeignet fuumlr Sekundarstufe I)Die Multimedia-CD-ROM bdquoDie Stadt im spaumlten Mittel-alterldquo auf Planet Schule (wwwplanet-schulede) macht als Lernsoftware das Mittelalter erfahrbar Die Benutze-rInnen bewegen sich auf den Straszligen und Plaumltzen einer typischen mittelalterlichen Stadt Die DVD-ROM beinhal-tet vier Sprachversionenwwwplanet-schulede gt Wissenspool gt Geschichte und Zeitgeschehen gt Die Stadt im spaumlten MittelalterbdquoDie Stadt im spaumlten Mittelalterldquo laumlsst sich auch online erforschenwwwplanet-schuledestadt-im-mittelalter

Transition Town TrainingTransition Town Initiativen beschaumlftigen sich auf lokaler Ebene mit der Frage Wie kann eine Stadt bzw eine Gemeinschaft auf die Herausforderungen und Chancen reagieren die durch das Oumllfoumlrdermaximum und den Kli-mawandel entstehen Und wie kann sie dabei freudvoll und kraftvoll arbeitenwwwrespektnet gt Projekte finden gt bdquotransition town trainingldquo im Suchmodus eingeben

NECE (Networking European Citizenship Education)Eine Nachlese zur Konferenz bdquoCities and Urban Spaces Chances for Cultural and Citizenship Educationrdquo (Sep-temberOktober 2010 Triest) ist auf der Webseite der Bundeszentrale fuumlr politische Bildung verfuumlgbar (in eng-lischer Sprache)wwwbpbde gt Veranstaltungen gt NECE (Suchmodus) gt Events amp Documentation gt Documentation (SeptemberOctober 2010)

Dauerausstellung bdquoDas Rote WienldquoDie Ausstellung im Waschsalon des Karl-Marx-Hofs widmet sich dem bdquoNeuen Wienrdquo der 1920er- und fruumlhen 1930er-Jahre Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche Die Geschichte des bdquoRoten Wienldquo von 1919 bis 1934 Kom-munaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen Bildungs- und Kulturarbeit Die Fest- und Feier-kultur der Wiener Arbeiterbewegungwwwdasrotewien-waschsalonat

Online-Spiel EnerCities (wwwenercitieseu)Im kostenlosen Online-Spiel des EU-Projekts EnerCities lernen SchuumllerInnen der Sekundarstufe I und II den nachhaltigen Umgang mit Energie Dazu muumlssen die Spie-lerInnen eine eigene Stadt planen und bauen Ziel des Spiels in englischer Sprache ist es eine komplette Stadt mit Wohn- und Industriegebieten Erholungsraumlumen und Energieversorgung zu bauenUnterrichtsmaterialien (auch auf Deutsch) fuumlr Lehrkraumlfte als Download sowie Links zu anderen Materialien wwwenercitieseutoolboxphp (Toolbox Enercities)

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat

polis aktuell Stadt und Politik Nr 2 2011

Herausgeber Zentrum polis ndash Politik Lernen in der Schule Helferstorferstraszlige 5 1010 Wien

T 0142 77-274 44 servicepolitik-lernenat wwwpolitik-lernenat

Autorin dieser Ausgabe Elisabeth Turek

Titelbild fotoliacom Bilder im Kern fotoliacom

Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums fuumlr Unterricht Kunst und Kultur ndash

Abteilung I6 Projekttraumlger Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Menschenrechte ndash Forschungsverein

2011Nr 2polis aktuell

Pbb Verlagspostamt 1010 W

ien GZ 03Z035275M

Einstiegsportal wwwpolitische-bildungat

Serviceeinrichtung fuumlr Lehrkraumlftewwwpolitik-lernenat

Lexikon fuumlr junge Menschen wwwpolitik-lexikonat

I

Aktionstage Politische Bildung

27 April bis 15Mai 2011

Aktionstage

wwwaktionstagepolitische-bildungat