Statement von Dr. Jens Baas auf der Pressekonferenz "Sport als Therapie"

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Statement Dr. Jens Baas Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse zur Vorstellung der TK-Langzeitstudie "Sport als Therapie" am 18. Februar 2015 in Berlin 1 __________________________________________________________________________________ Dr. Jens Baas, Techniker Krankenkasse Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben Sie heute hierher eingeladen, um Ihnen die Ergebnisse einer Drei-Jahres-Studie vorzustellen (eigentlich sind es Zwischenergebnisse, denn das Programm läuft noch weiter und wird auch weiterhin evaluiert). Es ist ja allgemein bekannt, dass Sport gesund ist - aber kann gezieltes Training mehr, also auch wie ein Medikament wirken? Und gilt dies auch für Menschen mit schweren Herzerkrankungen, Diabetiker und stark übergewichtige Patienten? Das Programm "Sport als Therapie" geht genau dieser Frage auf den Grund und zeichnet sich dadurch aus, dass Risikopatienten eine individuelle ärztliche Verordnung und Begleitung erhalten. Denn gerade Zivilisationskrankheiten werden ja durch Bewegungsmangel mit verur- sacht und begünstigt. Über sieben Millionen Menschen in Deutschland - das ist fast jeder zehnte - leiden an Diabe- tes, 1,7 Millionen sind insulinpflichtig. Fünf Millionen leiden an Herz- und Kreislauferkrankun- gen - und diese sind nach wie vor Todesursache Nr. 1. Die Behandlung dieser Krankheiten verschlingt Milliarden - allein im Bereich Herz-Kreislauf sind das über 40 Milliarden Euro pro Jahr. Und dieses Problem wird größer: Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der verordneten Medikamente hier annähernd verdoppelt (180%). Schuld daran ist der Lebensstil, der die Zahl der übergewichtigen Menschen und damit der Kandidaten für typische Zivilisations- krankheiten ansteigen lässt. Bei den Erwachsenen sitzt jeder Dritte (34 %) pro Tag vier Stun- den und mehr vor dem PC, wie unsere Bewegungsstudie 2013 gezeigt hat. Ebenfalls jeder Dritte verbringt danach den Feierabend auf dem Sofa. Und das Problem nimmt zu: Gerade wächst eine Generation heran, die schon in der Kindheit viele Stunden am Computer sitzt und sich weniger bewegt als die Generationen davor. Die Gesellschaft teilt sich in eine Gruppe, die von sich aus motiviert ist, und eine, die zu we- nig für ihre Gesundheit tut. Die Motivierten fragen unsere Angebote stark nach und beugen vor, bevor sie krank werden: So haben 400.000 Menschen allein im vergangenen Jahr eines der TK-Präventionsangebote im Internet genutzt - sei es der Ernährungscoach, das Anti- Raucher-Training oder der Bewegungscoach. Um fit zu bleiben, setzen sich die Teilnehmer dabei persönliche Ziele, deren Einhaltung sie auch selbst überprüfen können.

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Statement Dr. Jens Baas

Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse

zur Vorstellung der TK-Langzeitstudie "Sport als Therapie"

am 18. Februar 2015 in Berlin

1 __________________________________________________________________________________ Dr. Jens Baas, Techniker Krankenkasse

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben Sie heute hierher eingeladen, um Ihnen die Ergebnisse einer Drei-Jahres-Studie

vorzustellen (eigentlich sind es Zwischenergebnisse, denn das Programm läuft noch weiter

und wird auch weiterhin evaluiert). Es ist ja allgemein bekannt, dass Sport gesund ist - aber

kann gezieltes Training mehr, also auch wie ein Medikament wirken? Und gilt dies auch für

Menschen mit schweren Herzerkrankungen, Diabetiker und stark übergewichtige Patienten?

Das Programm "Sport als Therapie" geht genau dieser Frage auf den Grund und zeichnet

sich dadurch aus, dass Risikopatienten eine individuelle ärztliche Verordnung und Begleitung

erhalten. Denn gerade Zivilisationskrankheiten werden ja durch Bewegungsmangel mit verur-

sacht und begünstigt.

Über sieben Millionen Menschen in Deutschland - das ist fast jeder zehnte - leiden an Diabe-

tes, 1,7 Millionen sind insulinpflichtig. Fünf Millionen leiden an Herz- und Kreislauferkrankun-

gen - und diese sind nach wie vor Todesursache Nr. 1. Die Behandlung dieser Krankheiten

verschlingt Milliarden - allein im Bereich Herz-Kreislauf sind das über 40 Milliarden Euro pro

Jahr. Und dieses Problem wird größer: Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der verordneten

Medikamente hier annähernd verdoppelt (180%). Schuld daran ist der Lebensstil, der die

Zahl der übergewichtigen Menschen und damit der Kandidaten für typische Zivilisations-

krankheiten ansteigen lässt. Bei den Erwachsenen sitzt jeder Dritte (34 %) pro Tag vier Stun-

den und mehr vor dem PC, wie unsere Bewegungsstudie 2013 gezeigt hat. Ebenfalls jeder

Dritte verbringt danach den Feierabend auf dem Sofa. Und das Problem nimmt zu: Gerade

wächst eine Generation heran, die schon in der Kindheit viele Stunden am Computer sitzt

und sich weniger bewegt als die Generationen davor.

Die Gesellschaft teilt sich in eine Gruppe, die von sich aus motiviert ist, und eine, die zu we-

nig für ihre Gesundheit tut. Die Motivierten fragen unsere Angebote stark nach und beugen

vor, bevor sie krank werden: So haben 400.000 Menschen allein im vergangenen Jahr eines

der TK-Präventionsangebote im Internet genutzt - sei es der Ernährungscoach, das Anti-

Raucher-Training oder der Bewegungscoach. Um fit zu bleiben, setzen sich die Teilnehmer

dabei persönliche Ziele, deren Einhaltung sie auch selbst überprüfen können.

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Seit Jahren investiert die TK mit durchschnittlich fünf Euro je Versicherten und Jahr deutlich mehr

in die Gesundheitsförderung als den gesetzlich vorgeschriebenen Richtwert von gut drei Euro.

Dabei ist es uns wichtig, das Geld nicht mit der Gießkanne auszuschütten. Es muss gezielt darum

gehen, dass Krankenkassen als Solidargemeinschaft die Eigenkompetenz und Verantwortung

fördern. Doch die finanziellen Anreize sind in diesem Bereich falsch gesetzt – gegenwärtig findet

sich das Engagement für Prävention in der Systematik des morbiditätsorientierten Risikostruktur-

Ausgleichs nicht wieder. Dabei ist es gerade bei den klassischen Zivilisationskrankheiten ent-

scheidend, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen.

Doch ist es wirklich zu spät - wie manche annehmen - wenn man erst einmal krank ist? Chro-

nisch kranke Menschen profitieren von mehr Bewegung, wie unter klinischen Bedingungen

durchgeführte Studien bereits seit längerem zeigen. Sport ist demnach bei ganz unterschied-

lichen Erkrankungen wie im Bereich Herz-Kreislauf, Depressionen oder Rückenleiden nicht

nur gut, sondern kann sogar wie ein Medikament wirken.

Und auch wenn es bisher noch keine Studien unter Alltagsbedingungen gegeben hat, setzen

viele auf gezieltes Training, um gesund zu werden oder zu bleiben: Patienteninitiativen ma-

chen im Wortsinn mobil und organisieren sich zu Laufgruppen wie im Diabetes Programm

Deutschland, das auch wir als TK aktiv im Rahmen eines Patienten-Schulungsprogramms

unterstützen. Marathon laufen trotz Diabetes? Was für manchen erst einmal zu hoch gegrif-

fen scheint, ist für viele Diabetiker inzwischen mehr als nur eine fixe Idee. Ab diesem Monat

starten übrigens die Trainings in 17 Städten, und die Teilnehmer bereiten sich dabei gemein-

sam auf jeweils ein Laufevent in diesem Jahr vor. "Jeder so viel, wie er schafft!" ist dabei das

Motto. Nicht jeder will oder muss die Marathonstrecke schaffen. Aber alle Teilnehmer sind

motiviert, mit einem Ziel vor Augen ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Und auch eine kürzere

Etappe als Geher gilt dabei als Erfolg - ist sie doch ein persönlich gesetztes Ziel, das erreicht

wird.

Um die persönliche Leistungsfähigkeit geht es auch in unserem Programm "Sport als Thera-

pie". Aber im Unterschied zum Behindertensport, den Herzsportgruppen oder den marathon-

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laufenden Diabetikern richtet sich dieses Programm an eine Gruppe von Menschen, die sich

oftmals bereits mit ihrer Krankheit arrangiert hat. Wir haben uns gefragt, ob es möglich ist,

diese Menschen dennoch zu motivieren und ihre Eigenverantwortung zu stärken. Das Ziel:

durch ein sportmedizinisch begleitetes Programm wieder zu einem gesünderen und auch

erfüllteren Leben zurückzukehren. Es ging uns im Kern darum, ein alltagsfähiges Programm

zu entwickeln, das auf die Eigenverantwortung setzt und den Teilnehmern dabei hilft, ihren

Alltag besser meistern zu können.

Ein solches Programm hat Professor Dr. Halle entwickelt: Bei "Sport als Therapie" macht

nicht der Patient den Anfang, sondern die Krankenkasse: Wir haben dazu Risikopatienten

aus unserem Disease-Management-Programm mit dem Ziel angerufen, sie zu einer Teilnah-

me zu motivieren. Wir waren dabei selbst erstaunt, dass jeder Zweite sich spontan interes-

siert hat und jeder Vierte mitmachen wollte. Immerhin geht es dabei um die aktive Teilnahme

über den Zeitraum von einem halben Jahr. Ein Commitment für mehr Bewegung und engma-

schige ärztliche Kontrolle.

Aber vielleicht ist es dieser Schubs, den Menschen in dieser Lebenssituation brauchen. Ein

Anstoß, um den inneren Schweinehund zu überwinden und mit dem "sich Abfinden mit der

Krankheit" aufzuhören. Das ist eine Erfahrung, die wir auch aus unseren Telefon-Coachings

bestätigen können. (Wir hatten Ihnen ja vor einem Jahr hierzu eine Studie präsentiert, die bei

Diabetes, Herzinsuffizienz und KHK ebenfalls eine substanzielle Verbesserung der subjekti-

ven Gesundheit gezeigt hat). Spricht man die Patienten aktiv an, nehmen sie die Angebote

gern an und bleiben auch dabei. So auch hier: Nur wenige Teilnehmer sind abgesprungen.

Und wenn, dann aus gutem Grund - zum Beispiel einer Verletzung oder sonstigen Verhinde-

rung.

Diese Erkenntnis ist für uns wichtig, denn uns ist bewusst, dass wir mit diesem Angebot in

eine Veränderung des Lebensstils investieren. Ein Investment, das sich erst mittelfristig "aus-

zahlt", wenn die Medikation zurückgeht oder Klinikaufenthalte vermieden werden. Und das ist

auch das Besondere an den Ergebnissen dieser Studie: Hier geht es nicht um die theoreti-

sche Frage, ob sich medizinische Parameter unter klinischen Bedingungen verändern lassen.

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Sie zeigt vielmehr, wie das auch bei älteren Menschen (die Patienten waren im Schnitt 66

Jahre alt) unter den Bedingungen des täglichen Lebens gelingt. Aber auch hier kommt es auf

die Compliance an. Und auf die richtige, individuelle Dosis. Dann ist Bewegung in nahezu

jeder Lebenssituation eine gute Medizin.

Und die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Teilnehmer des Programms profitieren

schon nach 26 Wochen von einem verbesserten Gesundheitszustand und der damit einher-

gehenden höheren Lebensqualität. Die Studie zeigt, dass wichtige medizinische Parameter

sich deutlich verbessern lassen, wenn die Eigenverantwortung der Patienten geweckt wird.

Die Leistungsfähigkeit steigt messbar, die Medikation konnte verringert werden und die Le-

bensqualität gesteigert. Prof. Dr. Halle erläutert Ihnen gleich im Detail die Ergebnisse. Sie

bestätigen uns, dass wir mit dem Mix aus motivierendem Coaching, sportmedizinischer Be-

treuung und eigenem Engagement der Patienten auf dem richtigen Weg sind.

Ob sich das Ganze auch rechnet, können wir Ihnen im kommenden Jahr berichten - dann

erwarten wir die Ergebnisse der ökonomischen Evaluation. Bis dahin werden wir dieses Pro-

jekt weiter ausbauen und das Angebot auch auf Patienten mit Krebs ausdehnen.

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