Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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1 Österreichisches Verfassungsrecht Grundausbildung Verwaltungsfachdienst Gemeinden Jahrgang 2020/2021

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Österreichisches Verfassungsrecht

Grundausbildung Verwaltungsfachdienst Gemeinden

Jahrgang 2020/2021

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Vorwort

Sehr geehrte Lehrgangsteilnehmer/innen!

Dieses Skriptum ist für den Lehrgang Verwaltungsfachdienst der Salz-burger Gemeindebediensteten konzipiert. Es beinhaltet Grundsätzliches zum Österreichischen Verfassungsrecht und zur Europäischen Union. Die Rechtslage ist zum Stand 1. Jänner 2021 berücksichtigt. Der Erwerb von Grundkenntnissen über den Aufbau und die Organe unseres Bun-deslandes, unserer Republik und der Europäischen Union ist namentlich für eine Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung nicht nur für die Prüfung nützlich und wichtig!

Es bleibt sehr zu hoffen, dass die aufgrund der Corona-Pandemie jetzt jeweils geltenden Beschränkungen die organisatorische Durchführung des Lehrgangs 2020/21 nicht allzu sehr beeinträch-tigen! Zur Absolvierung der noch ausständigen Module und zur Vorbereitung auf die Prüfungen wünsche ich Ihnen jedenfalls al-les Gute und viel Erfolg – und bleiben Sie alle gesund!

Salzburg, im Februar 2021 HR Dr. Peter Schernthaner

Copyright 2021 by Dr. Peter Schernthaner, Salzburg – alle Rechte vorbehalten!

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Inhaltsverzeichnis:

Staat, Staats- und Regierungsformen ................................................................ 4 Grundlegendes zur Verfassung .......................................................................... 8 Grundprinzipien .................................................................................................. 9 Neutralität ......................................................................................................... 25 Kompetenzverteilung ........................................................................................ 26 Nationalrat ........................................................................................................ 31 Bundesrat ......................................................................................................... 32 Bundesversammlung ........................................................................................ 33 Salzburger Landtag .......................................................................................... 34 Stellung der Parlamentarier .............................................................................. 36 Bundesgesetzgebung ....................................................................................... 37 Landesgesetzgebung ....................................................................................... 38 Instrumente der direkten Demokratie ............................................................... 39 Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung ......................................... 41 Bundespräsident ............................................................................................... 42 Bundesregierung .............................................................................................. 44 Salzburger Landesregierung ............................................................................ 46 Gemeinderecht - Wirkungsbereiche ................................................................. 49 Gemeindeorgane .............................................................................................. 52 Stadt mit eigenem Statut .................................................................................. 54 Gemeindeaufsicht ............................................................................................. 54 Behördenorganisation ...................................................................................... 59 Rechtsschutz und Kontrolle .............................................................................. 62 Verwaltungsgerichte ......................................................................................... 65 Verwaltungsgerichtshof .................................................................................... 66 Verfassungsgerichtshof .................................................................................... 67 Volksanwaltschaft ............................................................................................. 67 Die Europäische Union ..................................................................................... 69 Organe der EU ................................................................................................. 73 4 Freiheiten der EU .......................................................................................... 76 Rechtssetzungsakte der EU ............................................................................. 77 Der Weg der EU-Gesetzgebung ....................................................................... 78 Die Bundesländer und die Gemeinden im Verhältnis zur EU ........................... 79 Europäischer Ausschuss der Regionen ............................................................ 79

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Staat, Staatselemente und Rechtsordnung

Was ist ein „Staat“?

Der Staat ist ein mit Herrschaftsgewalt ausgestatteter Zu-sammenschluss sesshafter Menschen auf einem fest umgrenzten Territorium. Recht-lich gesehen ist der Staat eine juristische Person, der durch Organe handelt. Die drei Elemente eines Staates sind sohin:

Staatsgebiet: Das Staatsgebiet ist jenes Gebiet, auf dem der Staat seine Herrschaft ausübt, auf dem er also verbindlich anordnen und seine Anordnungen durchsetzen kann. Dies bedeutet, dass der Staat die Gebietshoheit besitzt. Normalerweise dürfen nur die Organe des betreffenden Staates – nicht jedoch die Organe anderer Staaten – auf dem Staatsgebiet Herrschaftsrechte ausüben. Zur Info: Das heutige Staatsgebiet Österreichs geht auf den Staatsvertrag von St. Germain 1919 zurück, wobei der endgültige Grenzverlauf zum damaligen Jugoslawien und zu Ungarn durch Volks-abstimmungen in den Jahren 1920 und 1921 fixiert wurde. Erst im Staatsvertrag von 1955 wurde auch völkerrechtlich festgelegt, dass die Grenzen Österreichs jene vom 1.1.1938 sind. Eine Änderung des Bundesgebietes bzw der Landesgebiete kann nur durch übereinstimmende Ver-fassungsgesetze des Bundes und der betreffenden Länder erfolgen (paktierte Gesetzgebung).

Staatsvolk:

Unter dem Staatsvolk versteht man die Gesamtheit aller Personen mit zugehöriger Staatsbürgerschaft. Im Inland wohnende Personen mit anderer Staatsbürgerschaft oder Staatenlose genießen eingeschränkte Rechte und unterliegen eingeschränkten Pflichten. (Vergleiche in diesem Konnex auch die aktuellen Debatten um den Rechtsstatus von Flüchtlingen.)

Staatsgewalt:

Die Staatsgewalt bedeutet die Befugnis und Fähigkeit, den Herrschaftsunterworfenen mit verbindlichen Befehlen (Gesetzen, Einzelakten) gegenüberzutreten und diese, wenn nötig, mit Zwang durchzusetzen. Die Souveränität eines Staates befähigt die-sen, seine Beziehungen nach außen und seine Angelegenheiten im Inneren selbst zu regeln. Die Beziehungen zwischen den Staaten regelt das Völkerrecht. Öster-reichs Souveränität ist durch die Mitgliedschaft in der EU stark eingeschränkt, da den EU-Organen weitreichende Befugnisse zukommen.

Rechtsordnung: Die für alle verbindliche Ordnung wird durch die Beschlüsse der gesetzgebenden Organe (Nationalrat, Landtage, Rat der EU und Europäisches Parlament) schriftlich in Gesetzen festgehalten. Aus allen geltenden Gesetzen und Verordnungen ergibt sich das in Österreich gültige Recht.

Die Vorschriften der Rechtsordnung unterscheiden sich von anderen „Gebo-ten“ oder „Vorschriften“ dadurch, dass sie mit staatlichem Zwang durchsetz-bar sind.

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P A R L A M E N T

Staats- und Regierungsformen

Staatsform – Monarchie Republik: Bei den Staatsformen kann zwischen der Monarchie und der Republik unterschieden werden, je nachdem, welches Staatsorgan an der Spitze des Staates steht und diesen nach außen repräsentiert. In der Monarchie erhält der Monarch sein Amt in der Regel durch Erbfolge und ist dem Volk gegenüber nicht verantwortlich (nicht „abwählbar“).

In der absolutistischen Monarchie übt der Monarch die oberste Herrschaftsgewalt un-eingeschränkt aus. Er ist an keine Funktionsperiode gebunden und niemandem verant-wortlich (= als Regierungsform eine Diktatur – siehe auch unten). In der konstitutionellen Monarchie teilen sich der Monarch und eine Volksvertretung die Herrschaft (= als Regierungsform eine Demokratie mit bestimmten Einschränkungen zu-gunsten des Monarchen). In der parlamentarischen Monarchie hat der Monarch nur mehr repräsentative Aufgaben (= als Regierungsform eine Demokratie). In der Republik wird in der Regel ein Präsident auf bestimmte Zeit gewählt. In einer demokratischen Republik übt letztlich das Volk die Herrschaftsgewalt aus. Es wählt regelmäßig auf eine bestimmte Zeit seine Volksvertreter. Daneben gibt es andere Arten von Republiken, bei denen die Herrschaftsgewalt nicht oder nicht ausschließlich vom Volk ausgeht. In einer „Volksrepublik“ kommunistischer Prägung zB wird die Herrschaftsgewalt in der Regel durch eine kleine Gruppe ausgeübt (Oligarchie = Herr-schaft einer Clique).

Regierungsform – Demokratie Diktatur:

Ob eine Monarchie oder eine Republik eher demokratisch oder eher als Diktatur organi-siert ist, hängt letztlich von der Regierungsform ab. Diese gibt Auskunft darüber, wie ein Staat regiert wird und wie die regierenden Organe in diese Position gelangen. Hier gibt es in der Realität auch viele Mischformen.

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Staatselemente, Staatsformen, Regierungsformen -

zum Überlegen:

1. Sie entdecken im Ozean eine unbewohnte Insel und wollen dort mit ihrer Familie einen eigenen Staat gründen...

2. Was glauben Sie: Sind Österreichs Grenzen überall ganz klar festgelegt?

3. In einem afrikanischen Staat wurde die bestehende Regierung durch Putschisten abgesetzt, nichts

funktioniert mehr, es "regiert" das blanke Chaos...

4. Besteht für ausländische Kinder mit Wohnsitz in Österreich Schulpflicht? Wenn ja, wieso eigentlich?

5. Wo genießt das Volk mehr Freiheiten: Im Königreich Schweden

oder in der Volksrepublik China?

6. Der Luftraum über Österreich gehört zum österreichischen "Staatsgebiet". Wieso donnern

dann täglich tausende ausländische Flugzeuge über unser Staatsgebiet? 7. Welches Ereignis aus der jüngsten Geschichte Österreichs bedeutete wohl eine sehr

große Beeinträchtigung für seine Souveränität? 8. Die PLO geht von der Existenz eines eigenen Palästinenserstaates aus...

9. War die DDR vor der Wende des Jahres 1989 wirklich eine „demokratische“ Republik? 10. Um welche Staatsformen/Regierungssysteme handelt es sich bei folgenden Staaten: Bundesrepub-

lik Deutschland, Großbritannien, Spanien, Schweden, Ungarn, Polen, Luxemburg, Italien, Vatikan, Liechtenstein, Türkei, Kuba, Nordkorea?

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B–VG

1920

§

Zur Information: DIE ENTWICKLUNG DER ÖSTERREICHISCHEN

BUNDESVERFASSUNG

1867 – 1918: „Dezemberfassung 1867“: Österreich-Ungarn ist eine (konstitutionelle) Dop-pelmonarchie (Kaiserreich Österreich – Königreich Ungarn). Franz Josef I und sein Nachfolger Karl I waren jeweils Kaiser und König in Personalunion. 1918 – 1920:

Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg Zusammenbruch der Monarchie; Friedensvertrag von St. Germain; Errichtung der Republik Österreich als Bundesstaat aus den deutschspra-chigen Teilen der ehemaligen Monarchie (mit Ausnahme von Südtirol, des Sudetenlandes, der Untersteiermark ...). November 1920: Inkrafttreten des Bundes–Verfassungsgesetzes 1920 (B-VG), ausgearbei-tet von Hans Kelsen; starke Stellung des Nationalrates, Bundespräsident hat nur repräsentative Aufgaben. 1929: Einschneidende Änderung des B-VG: Kompetenzverschiebungen zu Gunsten des Bundes; Aufwertung der Befugnisse des Bundespräsidenten. Hintergrund politische und wirtschaftliche Krisenzeit.

1933/34 – 1938: Zuspitzung der politischen Auseinandersetzungen, Bürgerkrieg, „Selbstausschaltung“ des Nationalrates auf Grund des Rücktritts der drei NR-Präsidenten; Bundesregierung stützt sich auf ein kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz aus der Zeit vor 1918 und erlässt

schließlich die „Verfassung 1934“. Österreich bleibt zwar eine Republik („Ständestaat“), es gibt jedoch kein frei gewähltes Parlament mehr, politisch oppositionelle Parteien werden verboten bzw gewalt-sam bekämpft. 1938 – 1945: Bundesverfassungsgesetz vom 13. März 1938: Österreich wird (als die „Ostmark“) mit Deutsch-land „wiedervereinigt“ und damit ein Teil des nationalsozialistischen Führerstaates; später dann Aufteilung in die Alpen- und Donaugaue; umfassende Übernahme von reichsdeutschen Vor-schriften; furchtbares Leid und große Zerstörungen durch Diktatur und den Zweiten Weltkrieg. 1945 – 1955: Bereits im Oktober 1943 erklärten die Alliierten bei einer Konferenz im Kreml als eines ihrer Kriegsziele, die Souveränität Österreichs wieder herzustellen. Diese „Moskauer Deklaration“ war dann eine der Grundlagen für die Wiedererrichtung der Republik, die am 27. April 1945 in Wien durch die „Unabhängigkeitserklärung“ erfolgte. (Der Anschluss an Deutschland wurde darin für „null und nichtig“ erklärt.) Einsetzung einer provisorischen Staatsregierung und Wie-derinkraftsetzung des B-VG 1920 in der Fassung von 1929. Österreich bleibt 10 Jahre lang durch die Alliier-ten besetzt. Erst durch den Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 Ende der Besatzungsära. 26. Oktober 1955 Neutralitätsgesetz. 1955 bis zur Gegenwart: Das B-VG wurde in Anpassung an die gesellschaftlichen Entwicklungen wiederholt novelliert (zB „Gemeinde-rechtsnovelle“ 1962, durch die die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Gemeinderechtes neu gestaltet wurden; Einführung der Volksanwaltschaft; Aufwertung des Bundesrates). Die wesentlichste Änderung seit 1955 bedeutete der mit 1. Jänner 1995 wirksam gewordene Beitritt Österreichs zur EU (B-VG – Novelle

1994), da mit diesem viele hoheitliche Aufgaben an die Organe der EU abgegeben wurden. Mit 1.1.2014 wurde als ein bedeutender Reformschritt eine zweistufige Verwaltungsgerichts-barkeit eingeführt.

November 2020: Unser B-VG besteht seit 100 Jahren!!

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Grundlegendes zur Verfassung Die Verfassung stellt die Grundlage der staatlichen Ordnung dar. Sie baut auf gewis-sen politischen Ideen auf, nach welchen die staatliche Ordnung gestaltet sein soll. Dies spiegelt sich dann in den Grundprinzipien einer Verfassung wider. Die Verfassung regelt insbesondere, wer zur Rechtserzeugung und Rechtsaufhebung be-rufen ist und wie dabei vorzugehen ist. Darüber hinaus enthält die Verfassung eines demokratisch organisiertes Staates die ga-rantierten Grundrechte des Einzelnen und unterwirft das staatliche Handeln genauen Re-gelungen. Verfassungsrecht kann nur wieder durch Verfassungsgesetze (nicht durch einfache Ge-setze) aufgehoben, geändert oder ergänzt werden. (In Österreich bedarf es dazu der An-wesenheit von wenigstens der Hälfte der Nationalratsabgeordneten und einer Zweidrittel-mehrheit bei der Abstimmung.) In Österreich gibt es auf Bundes- und Landesebene eine Vielzahl von Verfassungsgeset-zen und zusätzlich viele Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen. (Dies bedeu-tet eine starke Zersplitterung des Verfassungsrechts.) Beispiele für Bundesverfassungsgesetze

- Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) [ursprüngliche Fassung vom 1. Oktober 1920, in Kraft getre-

ten am 20. November 1920]

- Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichs-

rate vertretenen Königreiche und Länder vom 21. Dezember 1867; - Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und

gewisser Titel und Würden vom 3. April 1919; - Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des

Hauses Habsburg-Lothringen vom 3. April 1919; - Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948) - Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs; - Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit vom 29. No-

vember 1988; - Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union

vom 9. September 1994. Salzburger Landesverfassungsgesetze - Landes-Verfassungsgesetz 1999 - Salzburger Stadtrecht 1966

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DIE GRUNDPRINZIPIEN DER ÖSTERREICHISCHEN BUNDESVERFASSUNG IM ÜBERBLICK:

DEMOKRATISCHES

REPUBLIKANISCHES

BUNDESSTAATLICHES

RECHTSSTAATLICHES

GEWALTEN-

TRENNENDES

NEUTRALITÄT

GRUND-

PRINZIP

PARLAMENT

LEGISLATIVE

JUDIKA-

TIVE

EXEKU-

TIVE

„immer-

währende“

Neutralität!!

26.10.1955

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Allgemeines zu den Grundprinzipien

Die leitenden Prinzipien (bzw Grundsätze) legen fest, wie unser Staat im Wesentli-chen aufgebaut ist. Wird eines dieser Grundprinzipien beseitigt oder wesentlich geän-dert, bedeutet dies eine Gesamtänderung der Bundesverfassung. Um eine derartige Veränderung der Bundesverfassung herbeizuführen, muss neben der Änderung von Verfassungsrecht (Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat erforderlich!) auch zwingend eine Volksabstimmung durchgeführt werden (so geschehen im Jahr 1994 vor dem EU-Beitritt).

Das demokratische Grundprinzip

Art 1 B-VG bestimmt: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Dies bedeutet vor allem, dass die Rechtsunterworfenen selbst das Recht erzeugen und dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind. Demokratie bedeutet Herrschaft durch das Volk. In Österreich nimmt das Volk allerdings in aller Regel nur mittelbar an der Rechtser-zeugung durch die Wahl von Repräsentanten in den Nationalrat und die Landtage teil. In gewisser Weise eingeschränkt ist das demokratische Prinzip bei der Erzeugung von EU-Recht, da dieses Recht ja nicht mehr (nur) vom österreichischen Staatsvolk aus-geht. In Österreich gibt es aber auch Instrumente einer direkten Demokratie, und zwar die Volksabstimmung, das Volksbegehren und die Volksbefragung. Das B-VG sieht auch ausdrücklich eine Mitwirkung des Volkes als Geschworene und Schöffen an der Strafgerichtsbarkeit vor.

Das republikanische Grundprinzip

Der Charakter Österreichs als Republik ergibt sich aus der zeitlich begrenzten, poli-tisch und rechtlich verantwortlichen Position seines Staatsoberhauptes, des Bundes-präsidenten. Der Bundespräsident wird vom Wahlvolk direkt auf sechs Jahre gewählt, er ist absetzbar und für seine Amtsführung verantwortlich. Das republikanische Prinzip bedeutet eine Absage an jede Art der Monarchie, es hängt historisch mit der Gründung des Staates Österreich nach dem Zusammen-bruch der Monarchie 1918 zusammen. (Bis vor wenigen Jahren war Mitgliedern von regierenden oder ehemals regierenden Häu-sern das passive Wahlrecht zum Bundespräsidenten verwehrt.)

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Das bundesstaatliche Grundprinzip

Österreich ist gemäß Art 2 B-VG ein „Bundesstaat“, der aus dem Bund ("Oberstaat") und neun selbständigen Bundesländern ("Gliedstaaten") gebildet wird. (Die Bundesländer waren früher zum Großteil bereits Kronländer der Monarchie.)

Im Bundesstaat Österreich

sind die drei Staatsgewalten (Gesetzgebung, Rechtssprechung, Vollziehung) zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt;

sind die Bundesländer durch ein besonderes Organ (Bundesrat) an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt;

sind die Bundesländer im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung an der Vollziehung des Bundes beteiligt;

erfolgt ein der Aufteilung der Staatsfunktionen entsprechender Finanzausgleich.

Das rechtsstaatliche Grundprinzip

Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt wer-den. Das rechtsstaatliche Prinzip bedeutet, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und letztendlich in der Verfassung begründet sein müssen. Die Rangordnung der einzelnen Normen zueinander ergibt sich aus dem Stufenbau der Rechtsordnung. Die niedrigere Rechtsnorm darf nicht gegen eine höhere Rechtsnorm verstoßen. So muss zB ein einfaches Gesetz dem Verfassungsrecht entsprechend und eine Verordnung darf nicht gesetzwidrig sein. Das EU-Recht genießt in allen Fällen An-wendungsvorrang.

EU – Recht

Verfassungsrecht

einfache Gesetze

Verordnungen

Urteile, Bescheide

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Gesetze und Verordnungen: Alle schriftlich festgelegten und allgemein verbindlichen Rechtsnormen, welch sich an einen individuell nicht bestimmten Adressatenkreis richten, bezeichnet man als „Ge-setze im materiellen Sinn“. Alle von gesetzgebenden Organen ergehenden Vorschriften (EU-Vorschriften, Bun-desgesetze, Landesgesetze) sind Gesetze im formellen und im materiellen Sinn. Die von den österreichischen Verwaltungsbehörden zu erlassenden Verordnungen werden auf der Grundlage von Gesetzen erlassen. Da sich diese Vorschriften auch an einen individuell nicht bestimmten Adressatenkreis richten, sind sie (nur) „Gesetze im ma-teriellen Sinn“. Bei den Verordnungen unterscheidet man zwischen Durchführungsverordnungen (Er-lassung aufgrund eines einfachen Gesetzes) und verfassungsunmittelbaren (gesetzes-vertretenden) Verordnungen (Erlassung unmittelbar auf der Grundlage einer Verfas-sungsbestimmung) Gesetze und Verordnungen im Stufenbau der Rechtsordnung:

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Der Rechtsstaat soll sein ein:

Verfassungsstaat Die staatlichen Einrichtungen und das staatliche

Handeln müssen auf die Gesetze bzw die Verfassung

und das EU-Recht rückführbar sein. Dies bedeutet:

Schutz vor willkürlichem Handeln des Staates.

Gesetzesstaat Die Gesetze müssen Rechte und Pflichten des

Einzelnen relativ bestimmt festlegen und allgemein

kundgemacht werden. (Riesenproblem: Gesetzesflut

und unlesbare Gesetze!)

Rechtsschutzstaat Die den Bürgern eingeräumten Rechte müssen für

diese auch durchsetzbar sein. Dies wird vor allem durch

die Existenz unabhängiger Gerichte und

die verfassungsrechtliche Gewährleistung von Grund-

rechten sichergestellt.

Wichtige Kontrolleinrichtungen sind zB:

Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Verwaltungsgerichte des Bundes und

der Länder, Oberster Gerichtshof, Rechnungshöfe, Volksanwaltschaft…

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Das gewaltentrennende Grundprinzip Dieser Grundsatz ist nicht ausdrücklich im B-VG normiert und beruht auf der Überlegung, dass die Staatsmacht (politische Macht) geteilt werden muss, um Missbrauch zu verhin-dern. Diesem Ziel dient in der österreichischen Bundesverfassung die Trennung von Ge-setzgebung, Rechtssprechung (Gerichtsbarkeit) und Verwaltung (Vollziehung) einer-seits und eine gegenseitige Kontrolle dieser Staatsgewalten andererseits. Die Gesetzgebung wird durch den Nationalrat (gemeinsam mit dem Bundesrat) und die Landtage (gesetzgebende Körperschaften) wahrgenommen. Die Rechtssprechung er-folgt durch unabhängige, unabsetzbare und unversetzbare Organe (richterliche Orga-ne). Die Verwaltung erfolgt durch (in der Regel) weisungsgebundene und weisungsbe-rechtigte Organe. Zwischen den einzelnen Staatsfunktionen soll es im Regelfall keine wechselseitigen Wei-sungsbeziehungen oder Instanzenzüge geben. (Über Beschwerden gegen Entscheidun-gen der Verwaltungsbehörden entscheiden seit 2014 aber im Regelfall unabhängige Ver-waltungsgerichte.)

Zur Info: Die Forderungen nach einer Gewaltentrennung setzten bereits im 17.

Jahrhundert ein. Die schrankenlose Machtfülle absolutistisch regierender Monar-

chen, die alle Staatsfunktionen in sich vereinten und damit willkürlich regieren

konnten, sollte beschränkt werden.

Ludwig XIV: „Der Staat bin ich!“

§

Bescheid ....... ....

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Die Grundrechte

Die Grundrechte sind ein Ausfluss vor allem des demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips (Stichwort: Rechtsschutzstaat!). Ein Grundrecht stellt ein Recht dar, das dem Einzelnen (in der Regel) verfassungs-gesetzlich gewährleistet ist. Der Einzelne, der sich in einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht verletzt wird, kann dies beim Verfassungsgerichtshof durchsetzen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtsbeziehung zwischen dem Einzelnen und dem Staat kann man eine Untergliederung in liberale, demokratische und soziale Grundrechte vornehmen. (Soziale Grundrechte sind allerdings in aller Regel verfassungs-rechtlich nicht gewährleistet!) Liberale Grundrechte sichern dem Einzelnen einen Freiraum, in den der Staat nur

in Ausnahmefällen eindringen darf (zB Schutz vor willkürlicher Tötung oder Verhaf-tung, Schutz des Privat- und Familienlebens, Schutz des Briefgeheimnisses, Frei-zügigkeit und Freiheit des Aufenthaltes ...).

Demokratische Grundrechte stellen die Beteiligung der Staatsbürger an der Staatsgewalt sicher. Auf Grund des Gleichheitssatzes sind diese Rechte jedem Staatsbürger in gleichem Ausmaß einzuräumen. Das wichtigste demokratische Grundrecht ist das aktive und passive Wahlrecht!!

Soziale Grundrechte sind Leistungsansprüche des Einzelnen an den Staat (zB Recht auf Arbeit, Recht auf ein Mindesteinkommen, Recht auf Wohnung, Recht auf gesunde Umwelt ...). Soziale Grundrechte sind in Österreich zumeist nur als Staatszielbestimmungen verfassungsrechtlich verankert. (Der Einzelne kann sich daraus keinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsanspruch ableiten!) Auf einfachgesetzlicher Ebene wurde jedoch ein umfangreiches „soziales Netz“ geknüpft (zB Sozialversicherungsgesetzgebung, Arbeitslosenunterstützung, Min-destsicherung, Sozialhilfe, Sozialer Wohnbau…).

Liberale und soziale Grundrechte stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander! Je mehr der Staat seine Bürger mit sozialen Leistungen bedenkt, desto mehr muss er auch in ihre Freiheitssphäre eingreifen (zB mit Steuern, Eingriffe in die freie Disposition der Dienstgeber...). Je nachdem, ob ein Grundrecht nur die Staatsbürger oder alle Einwohner eines Staates begünstigt, spricht man von Bürgerrechten oder Menschenrechten. (Die demokrati-schen Grundrechte sind in der Regel Bürgerrechte!) Wichtig: Die Geltendmachung von Grundrechten kann Einschränkungen unterliegen (zB Militärdienst, Strafvollzug, Enteignung). Viele Grundrechte stehen deshalb unter Gesetzesvorbehalt (Einfache Gesetze regeln näher, unter welchen Voraussetzungen das Grundrecht „durchbrochen“ werden darf. zB Grundstücksenteignung für den Bau einer Autobahn).

§

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Beispiele für liberale Grundrechte: Recht auf Leben: In Österreich ist die Todesstrafe abgeschafft. Staatliche Organe dürfen eine Person nur in Ausnahmesituationen (Notwehr) töten. Das Grundrecht auf Leben kommt jedem Menschen ab dem Zeitpunkt der vollendeten Geburt zu. (Zum Schutz des ungeborenen Lebens hat der Verfassungsgerichtshof das seinerzeit heftig debattierte „Fristenlösungserkenntnis“ erlassen.) Schutz der persönlichen Freiheit: Durch Art 7 Staatsgrundgesetz wurde die Leibeigen-schaft für „immer aufgehoben“. Das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der per-sönlichen Freiheit aus 1988 räumt jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit (per-sönliche Freiheit) ein. Damit ist jeder Mensch in Österreich vor gesetzwidrigem Entzug seiner körperlichen Bewegungsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt. Eingriffe in dieses Recht dürfen nur vorgenommen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme not-wendig ist. Freiheit der Erwerbsbetätigung: Nach Art 6 Staatsgrundgesetz darf jeder Staatsbürger an jedem Ort des Staatsgebietes „unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbs-zweig ausüben.“ Die Freiheit der Erwerbstätigung erfasst die Freiheit des Erwerbsantritts und der Erwerbsausübung. Glaubens- und Gewissensfreiheit: Nach Art 14 Staatsgrundgesetz ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit jedermann gewährleistet. Religionsmündig ist man ab 14. Unverletzlichkeit des Eigentums: Nach Art 5 Staatsgrundgesetz ist das Eigentum unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt (= Beispiel für einen Gesetzesvorbehalt – siehe oben). Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter: Nach Art 83 B-VG darf niemand „seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“ Unter dem „gesetzlichen Richter“ ist jede staatliche Behörde zu verstehen. Für den Bereich der Verwaltungsbehörden bedeutet dies, dass sie ihre sachliche Zuständigkeit immer strikt wahrzunehmen haben.

Grundrechte und Covid-19-Einschränkungen: In Bekämpfung der Corona-Pandemie greift der Staat durch diverse Maß-nahmen auch in Grundrechte, wie zB in die persönliche Freiheit oder die Freiheit der Erwerbsbetätigung, ein. Dabei ist umstritten, wie weit der Staat da gehen darf. Bei aller (mehr oder weniger berechtigten) Kritik an den staatlichen Eingriffen muss man immer bedenken, dass dem Staat auch eine Schutzpflicht zukommt. Wenn zB bei einer beabsichtigten Protestver-

sammlung die Gesundheit und das Leben von Menschen ernsthaft gefährdet sein können, müssen die staatlichen Entscheidungsträger auch deren Schutz angemessen berücksich-tigen und sie stehen da mitunter vor einer sehr schwierigen Abwägung.

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Beispiele für demokratische Grundrechte: Gleichheit vor dem Gesetz: Zweck des Gleichheitssatzes: Die Gesetze und deren Vollziehung dürfen keinen Staats-bürger privilegieren oder diskriminieren. Eine unterschiedliche Behandlung ist nur zulässig, wenn es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt. Hieran knüpfen sich viele Probleme, weil stets bestimmte Wertvorstellungen eine Rolle spielen. So stoßen etwa differenzieren-de Regelungen für Frauen und Männer je nach Standpunkt auf Zustimmung oder Unver-ständnis. Zugunsten bestimmter Personengruppen normiert der Art 7 des B-VG spezielle Vorgaben. Der Artikel 7 B-VG im Volltext: (1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behin-derten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. (2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maß-nahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseiti-gung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig. (3) Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringt. Gleiches gilt für Titel, akademische Grade und Berufsbezeichnun-gen. (4) Den öffentlich Bediensteten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, ist die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.

Ein Beispiel zur Gleichstellung von Frau und Mann – Thema Wehrpflicht: Nach Art 9a Abs 4 B-VG können österreichische Staatsbürgerinnen „freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen leisten und haben das Recht, diesen zu beenden.“ (Das Recht der Frauen auf Dienst im Heer wurde übrigens auch vom Europäischen Gerichtshof bejaht.) Wahlrecht: Dieses wichtigste demokratische Grundrecht ist im B-VG verankert. Das aktive Wahlrecht ist das Recht, zu wählen und damit an der Willensbildung im Staat mitzuwirken. Aktiv wahlberechtigt sind alle Frauen und Männer, die am Stichtag die österreichische Staats-bürgerschaft besitzen, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben. Als Wahlausschlussgrund sind bestimmte gerichtliche Verur-teilungen festgelegt. Geisteskranke (jeden Grades) sind vom Wahlrecht nicht (mehr) aus-geschlossen. Das passive Wahlrecht ist das Recht gewählt zu werden. Passiv wahlberechtigt sind alle ÖsterreicherInnen, die vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und am Wahltag das 18. Lebensjahr (Bundespräsident: 35. Lebensjahr) vollendet haben. Bei Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen sind auch die in der Gemeinde wohnhaften Staatsbürger anderer EU-Mitgliedsstaaten (aktiv) wahlberechtigt. Für die Wahl der Mitglieder des Nationalrates, der Landtage und der Gemeindevertretun-

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gen gelten folgende Wahlgrundsätze: Allgemeines Wahlrecht: Alle Staatsbürger, die das Wahlalter erreicht haben und von der Wahl nicht ausgeschlossen sind, dürfen wählen bzw gewählt werden. Gleiches Wahlrecht: Jede Stimme wiegt gleich viel. Niemandem dürfen zB wegen eines höheren Alters, einer besseren Vorbildung oder einer höheren Steuerleistung mehrere Stimmen zuerkannt werden. Unmittelbares Wahlrecht: Die zu wählende Partei bzw die zu wählenden Personen wer-den direkt gewählt (zB: kein „Wahlmännersystem“ wie in den USA). Persönliches Wahlrecht: Die Abstimmung hat durch persönliche Stimmabgabe der Wahlberechtigten selbst zu geschehen, die Wahl durch Stellvertreter ist verboten. Die Briefwahl steht diesem Prinzip entgegen, wurde aber inzwischen erlaubt. Freies Wahlrecht: ZB: Keine Beschränkung der Wahlwerbung; oder: niemand darf gegen seinen Willen in einen Wahlvorschlag aufgenommen werden. Geheimes Wahlrecht: Die Abgabe der Stimme hat in einer für die Wahlbehörde und für die Öffentlichkeit nicht erkennbaren Weise zu geschehen. (Abgabe der Stimme in einer Wahlzelle, Abgabe des Stimmzettels in undurchsichtigen Wahlkuverts.) Verhältniswahlrecht: Das Verhältniswahlrecht beinhaltet, dass allen wahlwerbenden, politischen Kräften nach Maßgabe ihres Abschneidens bei der Wahl eine Vertretung im Nationalrat (Landtag, Gemeindevertretung) gesichert wird. Um den Einzug von Kleinstpar-teien und damit eine zu große „Zersplitterung“ im Parlament zu verhindern, ist aber die Festlegung einer „Prozenthürde“ mit dem Verhältniswahlprinzip vereinbar (Nationalrat: 4%, Salzburger Landtag: 5%). Ein Mehrheitswahlrecht kann zB so gestaltet sein, dass jene Partei, die zwar die meisten Wählerstimmen, aber nicht die absolute Mehrheit der Wählerstimmen erreicht hat, den-noch eine absolute Mehrheit der Mandate im Parlament zugesprochen erhält.

Beispiele für soziale „Staatszielbestimmungen“

(aus Art 9 der Salzburger Landesverfassung): die Schaffung und Erhaltung der Grundlagen für eine leistungsfähige Wirtschaft und für quantitativ ausreichend und qualitativ gute Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere durch Vor-sorge für eine hochwertige Infrastruktur; die Schaffung und Erhaltung von angemessenen Wohnverhältnissen; das Bestehen von angemessenen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen; das Bestehen von bestmöglichen Bildungseinrichtungen; die Anerkennung der Stellung der Familie in Gesellschaft und Staat und die Erreichung einer kinderfreundlichen Gesellschaft. die Schaffung von Chancengleichheit und Gleichberechtigung für alle Landesbürger, insbesondere für Frauen.

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Die Grundprinzipien und die Grundrechte - zum Überlegen und Vertiefen….

1. Kennen Sie Fälle, wo Personen aus dem Kreis des Staatsvolkes – trotz „laienhafter“ Kenntnisse –

an einer Staatsfunktion mitwirken? 2. Gibt es die Instrumente der Volksabstimmung, Volksbefragung und des Volksbegehrens auch auf

Gemeindeebene? 3. Annahme: Im Nationalrat stimmen 62 von 92 der anwesenden Abgeordneten für die Einführung

eines autoritären Systems nach dem Vorbild Russlands. Wäre mit diesem Schritt die Demokratie in Österreich beseitigt?

4. In den Ländern des früheren Ostblocks war es bei Wahlen üblich, nicht in die Wahlzelle zu gehen,

sondern „offen“ für eine „Einheitsliste“ zu votieren. Welche Wahlprinzipien waren hier tangiert? 5. Der Nationalrat kommt auf die Idee, das Wahlsystem der Österreichisch-Ungarischen

Monarchie wieder einzuführen: Wählen dürfen nur Männer, die Stimmen jener, die viel Steuern zahlen, zählen mehr, als die Stimmen jener, die weniger Steuern zahlen... Wel-che Wahlprinzipien waren hier tangiert?

6. Das Liberale Forum erreichte bei der Landtagswahl 1994 in Salzburg zwar über 5 % der Stimmen,

durfte aber wegen einer damals noch fehlenden Prozenthürde nicht in den Landtag einziehen. Seine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof hatte Erfolg. Welches Wahlprinzip könnte hier verletzt gewesen sein?

7. Jemand wird gegen seinen Willen in einen Wahlvorschlag aufgenommen…Eine Partei wird mas-

siv daran gehindert, Wahlwerbung zu betreiben ... 8. Bei der Bundespräsidentenwahl 1980 fiel auf, dass in Altenheimen überdurchschnittlich viele

Stimmen auf den auf dem Stimmzettel (auf Grund der alphabetischen Reihung) ganz oben ste-henden Kandidaten Dr. Burger (rechtsradikal) entfielen. Man erklärte sich das so, dass ältere Menschen dazu neigen, einfach den/die erstgereihte/n Kandidaten/Partei anzukreuzen. Wäre es zulässig, vorsorglich Personen ab dem vollendeten 70. Lebensjahr vom Wahlrecht auszuschlie-ßen?

9. Bei der ersten Nationalratswahl nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945 waren ehemalige Mit-

glieder der NSDAP vom Wahlrecht ausgeschlossen. Welches Wahlprinzip war hier tangiert? 10. Zu bestimmten Haftstrafen verurteilte Personen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen. Wie beurtei-

len Sie diese Regelung? 11. Bei Gemeinderatswahlen sind auch EU-Bürger wahlberechtigt, dürfen aber nicht für

den Bürgermeisterposten kandidieren. Womit könnte man dies rechtfertigen? 12. Im Fürstentum Liechtenstein sind die Frauen erst seit den 1970er Jah-

ren wahlberechtigt. Erst in einem zweiten Anlauf hatten die (bis dahin ausschließlich wahlberechtigten) Männer dafür gestimmt. Welches Wahlprinzip war hier nicht umgesetzt?

13. Welches Wahlprinzip ist bei der Briefwahl tangiert? 14. Inwieweit ist die Bundes-/Landesbevölkerung an der Bildung

a) der Bundesregierung, b) der Landesregierung, c)des Bundesrates beteiligt?

Page 20: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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1. Der Nationalrat beschließt mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Wiedereinfüh-

rung der Monarchie. Ist das bereits das Ende der „Republik“?

2. Ferdinand Habsburg-Lothringen, geboren 1997, Urenkel des letzten österreichischen Kaisers Karl I, kandidiert als Bundespräsident. Geht das?

3. Prince Harry of Wales, geboren 1984, der in Österreich auf viele „Fans“ hofft, will Bundespräsident werden. Welche unüberwindliche „Haken“ stünden einer solchen Kandidatur entgegen?

4. Dem Bundespräsident gefällt sein Amt so gut, dass er es auf Lebenszeit innehaben, an seine Nachkommen weitervererben und hinkünftig den Titel „Schützer Österreichs“ führen möchte. Er und sein Clan sind so beliebt, dass ein von seinen Anhängern initiiertes Volksbegehren über 2 Mio (!!) Unterstützungserklärungen erhält. Wie würden die politischen Parteien darauf reagieren?

5. Ein Bundespräsident möchte ein 3. Mal kandidieren. Wäre das irgendwie möglich?

6. Hat der österreichische Bundespräsident ausschließlich repräsentative Aufgaben?

7. Ein Wahlwerber hat bei der letzten Bundespräsidentenwahl des Jahres 2016 zu den Befugnissen des österreichischen Staatsoberhauptes gemeint: „Sie werden sich noch wundern, was alles mög-lich ist". Welche Befugnisse wird er da im Auge gehabt haben?

8. Kennen Sie aus der Geschichte auch Monarchen, die nicht durch Erbfolge, son-dern durch Wahl gekrönt wurden?

9. Spielt die Kaiserzeit heutzutage in Österreich noch irgendeine eine Rolle? 10. Können Sie ein Gesetz aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg benennen,

das dem Adel in Österreich überhaupt nicht gefiel?

Page 21: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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1. Ein steirischer Landespolitiker schlug vor einigen Jahren vor,

zwecks Vermeidung eines übertriebenen Verwaltungsauf-wandes die Zahl der Bundesländer drastisch von 9 auf rund 3 zu reduzieren. Wäre damit das bundesstaatliche Prinzip ge-fährdet?

2. Immer wieder wird gefordert, den Bundesrat entweder ganz abzuschaffen oder aber im Interesse einer wirksameren Ver-tretung der Länder aufzuwerten. Warum nimmt der Bundesrat sein Einspruchsrecht gegen Nationalratsbeschlüsse so gut wie nie wahr?

3. Ist der EU-Beitritt Österreichs für die Zuständigkeiten der Bundesländer eher günstig oder ungüns-tig?

4. Ein Landtag beschließt im Sinn einer offensiven Frauenförderungspolitik eine Änderung seiner Landesverfassung, wonach in der Landesregierung jeweils zumindest zwei Frauen vertreten sein müssen.

5. Sind die Bundesländer nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 „aus dem Nichts“ gebildet worden?

6. Warum gehört das Land Salzburg zu den besonders föderalistisch eingestellten Bundesländern?

7. Was würde es für Österreich geografisch bedeuten, wenn Salzburg kein österreichisches Bundes-land wäre?

8. Kann ein Bundesland durch eine Änderung seiner Landesverfassung seinen Austritt aus dem Bundesstaat Österreich erklären?

9. Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, dass der österreichische Föderalismus übertrieben sei. Es mache etwa keinen Sinn, dass zB der Jugendschutz, das Baurecht, das Jagdrecht und das Raumordnungsrecht im kleinen Österreich neunmal unterschiedlich geregelt wird. Wie beurteilen Sie diese Kritik?

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1. Hans Neugierig liegt mit einem gebrochenen Bein im St. Johanns-Spital. Er möchte das

Salzburger Krankenanstaltengesetz lesen, um sich über seine Rechte als Patient bes-ser zu informieren. Nach einer halben Stunde gibt er resigniert auf, das Gesetz er-scheint ihm unlesbar, und er greift lieber zu einem spannenden Kriminalroman...

2. Ihr Bauansuchen wird durch einen letztinstanzlichen Bescheid der Gemeindevertretung abgelehnt, obwohl Sie alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bauführung erfüllen. Was tun?

3. Jedes Jahr erscheinen mehrere dicke Bände an Bundesgesetzblättern. Bei einzelnen Vorschriften kennen sich nur wenige Fachspezialisten aus...

4. Bezirksrichter Dr. Streng fällt folgendes Strafurteil: Jochen B. ist schuldig, Ehebruch begangen zu haben, er wird dafür als abschreckendes Beispiel für andere potenzielle Übeltäter/innen zwei Tage auf dem Residenzplatz an den Pranger gestellt. Ist das rechtskonform?

5. Der Nationalrat ändert die Strafprozessordnung dahin, dass unter ganz gewissen Umständen auch die Folter angewendet werden darf. Wäre das zulässig?

6. Sie werden von der Polizei mitten in der Nacht verhaftet und verdächtigt, einer kriminellen Organi-sation anzugehören. Sie werden eine Woche in Einzelhaft gehalten und es wird Ihnen jeglicher Kontakt zur Außenwelt verweigert. Schließlich sind Sie mürbe und unterschreiben ein umfangrei-ches Geständnis, obwohl Sie mit den Vorwürfen nichts zu tun haben. Hat die Staatsmacht korrekt

gehandelt?

7. Sie wurden bei Rotlicht geblitzt. Drei Wochen später erhalten Sie den Strafbe-scheid der Landespolizeidirektion. Sie müssen eine Woche lang in der Polizeidi-rektion die WC-Anlagen reinigen. Ist das rechtskonform?

8. Bis Mitte der 1970er Jahre stand im ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetz-buch) bei den familienrechtlichen Bestimmungen, dass der Mann das „Haupt der Familie“ sei. War das verfassungskonform?

9. Sie erhalten Ihren Steuerbescheid und sind entsetzt: Sie sollen um 50% mehr Lohnsteuer zahlen als letztes Jahr, da laut geändertem Einkommensteuergesetz für öffentlich Bedienstete aufgrund der Sicherheit des Arbeitsplatzes ein eigener Steuersatz festgesetzt wurde. Beim Finanzamt er-klärt man Ihnen lapidar, „Vorschrift ist Vorschrift“. Sind sie chancenlos?

10. Ein Häftling wird an der Teilnahme am Gottesdienst im Gefangenenhaus gehindert. Er protestiert dagegen und beruft sich auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit.

11. Die Briefe eines Strafgefangenen werden zensuriert. Liegt hier ein Verstoß gegen das Briefgeheimnis vor?

12. Ein Firmeninhaber stellt prinzipiell nur rothaarige Sekretärinnen ein. Verletzt er damit eine Vor-

schrift? 13. Jemand wird wegen des Baues einer Hochleistungsstrecke der ÖBB enteignet. Auf Grund geän-

derter Planung wird die Strecke dann aber nicht gebaut. Nachdem das Grundstück nun schon einmal enteignet ist, plant die ÖBB dort die Errichtung eines Lehrlingsheimes. Kann der Enteigne-te sein Grundstück zurückfordern?

14. Eine Person wird von der Polizei durchsucht. Liegt hier ein Eingriff in die persönliche Freiheit vor?

Page 23: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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15. Der 14-jährige Thomas Ungläubig erklärt vor dem Magistrat Salzburg seinen Austritt aus der röm.-kath. Kirche. Seine Eltern sind entsetzt, gehen zur Behörde und teilen dort mit, diesem Kirchen-austritt als Erziehungsberechtigte nicht zuzustimmen. Haben sie eine Chance?

16. Ein Pole möchte Mitglied des Salzburger Höhlenvereines werden, dort ist man sich aber unsicher,

ob Nichtösterreicher das dürfen...

17. Eine Partei meldet eine Anti-Corona-Kundgebung mit ca 1.000 Teilnehmenden in einer Halle an. Die Behörde untersagt die Veranstaltung unter Hinweis auf die gesundheitliche Gefährdung von Menschen. Dagegen erhebt die Partei Rechtsmittel. Wird sie durchdringen?

18. Der Wehrmann Hans Lebefroh will sich beim Verfassungsgerichtshof beschweren, weil er wäh-

rend der Grundausbildung in der Kaserne schlafen muss....

19. Sie wollen ein Haus auf der Grenze zwischen zwei Gemeinden bauen. Beide Bürgermeister erklä-ren sich für unzuständig. Wie können Sie sich helfen?

20. Eine in Hallein wohnhafte türkische Staatsbürgerin will sich beim Verfassungsgerichtshof be-

schweren, dass Nicht-EU-Bürger an den Gemeinderatswahlen nicht teilnehmen dürfen, obwohl diese ca 10% der Halleiner Bevölkerung darstellen.

21. Ein Vater enterbt seine Tochter, weil diese einen Farbigen geheiratet hat. Die Tochter ficht das

Testament nach dem Tod des Vaters an. Wird sie mehr als den Pflichtteil erstreiten? 22. Jutta Ohnegeld ist auf Wohnungssuche. Trotz wiederholter Vorsprachen wird sie vom Wohnungs-

amt des Magistrates immer wieder vertröstet. Schließlich platzt ihr der Kragen und sie richtet an den Verfassungsgerichtshof die Beschwerde, der Staat verweigere ihr – trotz ihrer Armut – eine Sozialwohnung. Dringt sie durch?

23. Franz Fleißig hat sein Medizin-Studium abgeschlossen und bewirbt sich für einen Posten im St.

Johanns-Spital. Er kommt nicht zum Zug. In der Meinung, im Sozialstaat Österreich existiere doch sicher das Recht auf einen Arbeitsplatz, führt er Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Hat er Erfolgsaussichten?

24. Der Nationalrat erlässt ein Enteignungsgesetz, wonach alle Grundstückeigentümer einer Talschaft

mit rund 2000 Bewohnern, die als Truppenübungsplatz für das Bundesheer vorgesehen ist, ent-eignet werden können. Wäre das rechtlich zulässig?

25. Eine neugierige Person plündert den Briefkasten des Nachbarn und liest gierig die an diesen ge-

richteten Liebesbriefe. Verletzt die neugierige Person damit ein Gesetz?

Page 24: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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1. Der französische König Ludwig XIV. tat angeblich den Ausspruch: „l'etat ce moi!“

(„Der Staat bin ich!“). Was sagen Sie dazu unter dem Aspekt der Gewaltentrennung

2. Gibt es neben den drei klassischen Staatsgewalten noch weitere einflussreiche Mächte im Staate Österreich?

3. Die Bundesregierung beschließt eine Regierungsvorlage und kann sich sicher sein, dass der Na-tionalrat auf Grund der gegebenen Mehrheitsverhältnisse das vorgeschlagene Gesetz beschlie-ßen wird. Wer ist hier der eigentliche Gesetzgeber?

4. Der Nationalrat sorgt mit einem Misstrauensvotum dafür, dass der Bundespräsident einen Minister seines Amtes entheben muss. Welche Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein?

5. Hugo Frech, der Sohn des Bezirkshauptmannes Dr. Ernst Frech, hat als betrunkener Lenker eine alte Frau angefahren und verletzt. Hugo wird wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Sein Vater gibt dem Strafrichter die Weisung, über Hugo keinesfalls eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Welche Staatsgewalt versucht hier auf welche andere Staatsgewalt einzuwirken?

6. Sie werden beim Falschparken erwischt, pöbeln die Politesse an und erhalten schließlich von der Landespolizeidirektion Salzburg einen Strafbescheid über € 220. Sie verweigern die Bezahlung mit der Begründung, dass auf Grund der Gewaltentrennung nur unabhängige Gerichte Strafen verhängen dürfen. Dringen Sie mit Ihrer Beschwerde durch?

7. Der Bundespräsident begnadigt im Rahmen einer Weihnachtsamnestie Strafgefangene. Welche Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein?

8. Der Gerichtspräsident erteilt einem der Richter seines Landesgerichtes die Weisung, in einem bestimmten Strafverfahren jedenfalls einen Freispruch zu fällen. Ist das zulässig? Sind hier meh-rere Staatsgewalten oder nur eine betroffen?

9. Gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden geht der Rechtszug im Regelfall an ein Verwaltungs-gericht. Welche Staatsgewalt kontrolliert hier welche andere Staatsgewalt?

10. Der Verfassungsgerichtshof ist ua dazu berufen, verfassungswidrige Gesetze aufzuheben. Wel-che Staatsgewalt wirkt hier auf welche andere Staatsgewalt ein?

Legislative Judikative Exekutive

Page 25: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die immerwährende Neutralität

Österreich hat im Jahre 1955 durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz seine immer-

währende Neutralität erklärt. Gleichzeitig hat sich Österreich verpflichtet, diese Neutralität

mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen. Die

Neutralität verpflichtet Österreich ua zur

- Nichtteilnahme an den Kriegen anderer Staaten

- zur Nichtteilnahme an Bündnissen militärischer Natur und

- zur Unparteilichkeit gegenüber Krieg führenden Staaten.

Die Konsequenzen des österreichischen Beitritts zur EU für den Status der Neutralität sind

umstritten. Aus der Pflicht zur Unparteilichkeit entspringen nämlich auch wirtschaftliche

Pflichten, auf deren Einhaltung schon im Friedenszustand Rücksicht genommen werden

müsste. (Wenn etwa die EU einen Wirtschafts-Boykott gegen ein Nichtmitgliedsland ver-

hängt, kann sich Österreich nicht einfach heraushalten.)

Seit dem EU-Beitritt gibt es Überlegungen in Richtung Neudefinition der Neutralität. Sollte

Österreich einem Militärbündnis im Rahmen der EU beitreten, müsste dem dann eigentlich

die Aufhebung des Neutralitätsgesetzes vorausgehen.

Die Neutralität ist nach überwiegender Lehrmeinung kein Grundprinzip der Bundes-

verfassung!! Formale Begründung: Sie wurde nicht durch Volksabstimmung eingeführt.

(Folglich könnte der Nationalrat das Neutralitätsgesetz jederzeit mit einer Zweidrittelmehr-

heit aufheben.)

NEUTRAL ! ?

Page 26: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern

Die Aufteilung der staatlichen Aufgaben zwischen dem Bund und den Ländern bildet das Kernstück des bundesstaatlichen Grundprinzips. Sie ist im Wesentlichen in den Art 10 bis 15 B-VG, aber auch in anderen Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen geregelt.

Kompetenz-Kompetenz:

Die wichtige Befugnis, die Aufteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder vorzuneh-men, nennt man „Kompetenz – Kompetenz“. Diese Befugnis liegt beim Bund. Kom-petenzänderungen erfolgen durch den Nationalrat als Bundesverfassungsgesetzgeber. Der Bundesrat hat aber ein Einspruchsrecht, wenn Kompetenzen der Länder beschnitten werden sollen. Was unterliegt der Aufteilung? Der Aufteilung unterliegen die bereits beim Grundprinzip der Gewaltentrennung geschil-derten Staatsgewalten Gesetzgebung, Rechtssprechung (Gerichtsbarkeit) und Vollziehung (Verwaltung). Hinweis: Die Kompetenzverteilungsregeln gelten nur für die Hoheitsverwaltung (nicht für die Privatwirt-schaftsverwaltung)!

Gerichtsbarkeit: Die Gerichtsbarkeit ist im Wesentlichen Bundessache. Nur für die Landesverwaltungsgerichte sind die Bundesländer zuständig. Gesetzgebung und Vollziehung: Die Aufteilung der Gesetzgebung und Vollziehung auf den Bund und die Länder wird nach vier Haupttypen vorgenommen

ART 10

Gesetzgebung

Vollziehung

B U N D

ART 11

Gesetzgebung Vollziehung

B U N D L Ä N D E R

ART 12

Grundsatz Ausführungs

gesetzgebung gesetzgebung

+

Vollziehung

B U N D L Ä N D E R

ART 15

Gesetzgebung

Vollziehung

L Ä N D E R

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Erster Haupttyp: Gesetzgebung und Vollziehung sind Bundessache

Zweiter Haupttyp: Die Gesetzgebung liegt beim Bund, die Vollziehung bei den Ländern Diese Zuständigkeit bezieht sich zB auf das Staatsbürgerschaftswesen und die Straßenpolizei. Die Erlassung von Durchführungsverordnungen zu diesen Bundesgeset-zen liegt beim Bund, soweit die betreffenden Bundesgesetze diesbezüglich nicht die Län-der ermächtigen.

Dritter Haupttyp: Die Grundsatzgesetzgebung liegt beim Bund, die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung bei

den Ländern Diese Zuständigkeit bezieht sich zB auf das Sozialhilfewesen, die Jugendfürsorge und die Krankenanstalten. Grundsatzgesetze und Grundsatzbestimmungen in Bundesgeset-zen sind ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Alleiniger Normadressat eines Bundes-grundsatzgesetzes ist der Landesgesetzgeber, der das Ausführungsgesetz zu erlassen hat. Das Bundesgrundsatzgesetz als solches ist nicht vollziehbar. Wenn der Bundesgesetzgeber kein Grundsatzgesetz erlässt, so kann die Landesgesetz-gebung solche Angelegenheiten frei regeln. Sobald aber der Bund Grundsätze aufgestellt hat, sind die landesgesetzlichen Bestimmungen binnen einer bestimmten Frist dem Grundsatzgesetz anzupassen.

Bund regelt und vollzieht

zB

Außenpolitik

Zivilrecht, Strafrecht

Bundesfinanzen

Wasserrecht Gewerberecht

Forstrecht

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Vierter Haupttyp: Gesetzgebung und Vollziehung liegt bei den Ländern Der Art 15 B-VG beinhaltet eine Generalklausel für die Länder. Soweit sich nämlich der Bund in den vorhergehenden Artikeln nicht ausdrücklich eine Kompetenz vorbehalten hat, fallen sie in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder.

Hinweis: Die Zuständigkeiten für das Gemeinderecht sind im B-VG gesondert (in den Art 115-120) geregelt.

Sonstige Kompetenzbestimmungen (beispielhaft): Finanzen: Gemäß Art 13 B-VG sind die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf dem Gebiet des Abgabenwesens einem eigenen Bundes-verfassungsgesetz vorbehalten. Auf Grund dieser Verfassungsbestim-mung wurde das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 erlassen.

Sonderfall der Bedarfskompetenz: In gewissen Bereichen ist der Bund ermächtigt, eine Materie zu regeln, soweit „ein Be-dürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften“ besteht oder als vorhanden erachtet wird. (Von besonderer Bedeutung ist hier die Bedarfskompetenz des Bundes zur Erlas-sung der Verwaltungsverfahrensgesetze im Interesse einer Vereinheitlichung des Verfah-rens in ganz Österreich.) Weitere Fälle der Bedarfskompetenz bestehen etwa auf dem Gebiet der Luftreinhaltung und der Abfallwirtschaft.

Die Länder regeln und

vollziehen zB

Naturschutzrecht

Baurecht

Kindergartenrecht

Landesverfassungsrecht

Jagd-, Fischerei-

recht Veranstaltungswesen

EGVG AVG VStG VVG

Page 29: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die gesetzgebenden Organe Wichtig ist, dass in der Verfassung auch geregelt ist, welche Organe (des Bundes, der Länder und der EU) die

Wer erzeugt die Gesetze, die in Österreich gelten? Nationalrat (mit dem Bundesrat) BUNDESGESETZE

Landtage LANDESGESETZE

Rat der EU + Europäisches Parlament EU-Verordnungen EU-Richtlinien

und

erzeugen

vollziehen

Page 30: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die allgemeinen Vertretungskörper: Der Nationalrat (mit dem Bundesrat) und die Landtage sind die gesetzgebenden Körper-schaften. Gemeinsam mit der Bundesversammlung und den Ortsgemeindevertretungen bilden sie die allgemeinen Vertretungskörper. Der Nationalrat

Wahl des Nationalrates Das Bundesvolk wählt den Nationalrat für die Dauer von fünf Jahren nach den Grundsät-zen des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Verhält-niswahlrechtes. Vor Ablauf der fünfjährigen Gesetzgebungsperiode ist eine vorzeitige Auflösung des Na-tionalrates möglich, wenn - der Nationalrat selbst durch Gesetz seine vorzeitige Auflösung beschließt (zB um vorzei-tige Neuwahlen herbeizuführen) - der Bundespräsident den Nationalrat über Vorschlag der Bundesregierung auflöst; dies darf jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass geschehen - eine von der Bundesversammlung verlangte Volksabstimmung zur Absetzung des Bun-despräsidenten zu Gunsten des Bundespräsidenten ausgeht. Zusammensetzung des Nationalrates Der Nationalrat hat 183 Abgeordnete. Organe des Nationalrates Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten den 2. und 3. Präsidenten den Hauptausschuss, dieser einen ständigen Unterausschuss. Der Hauptausschuss ist das Organ des Nationalrates, durch welches dieser an der Voll-ziehung des Bundes mitwirkt (zB bei der Festsetzung der Postgebühren oder der Bezü-ge von Bediensteten in Bundesbetrieben). Der ständige Unterausschuss wirkt unter an-derem bei der Erlassung von Notverordnungen des Bundespräsidenten mit.

Page 31: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Daneben gibt es Pflichtausschüsse (zB Immunitätsausschuss, Unvereinbarkeitsausschuss) und weitere Ausschüsse zur Vorbehandlung von Beratungsgegenständen (zB Sozialausschuss). Hat eine Partei zumindest fünf Abgeordnete, so können sich diese zu einem Klub zusammen-schließen. Die Erlangung des Klubstatus hat insbesondere den Vorteil, dass dem Klub verstärkte finanzielle Mittel und Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Sitzungen Der neugewählte Nationalrat ist vom Bundespräsidenten längstens innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl zur konstituierenden Sitzung einzuberufen. Der Bundespräsident beruft den Nationalrat auch zu den ordentlichen Tagungen (15.9.-15.7.) sowie zu außerordentlichen Tagungen ein. Innerhalb der Tagungsperiode wird der Nationalrat vom Präsi-denten einberufen. Den Vorsitz in den Sitzungen führt der Präsident. Die Sitzungen sind in der Regel öffentlich.

Beschlusserfordernisse Beschlussgegenstand Anwesenheitserfordernis Abstimmungserfordernis einfache Gesetze 1/3 d. Abgeordneten einfache Mehrheit d. abgegeb. Stimmen Verfassungsgesetze mind. ½ d. Abgeordneten 2/3 Mehrheit Beharrungsbeschluss mind. ½ d. Abgeordneten einfache Mehrheit d. abgegeb. Misstrauensvotum Stimmen „Einfache Mehrheit“ bedeutet: Mehr als die Hälfte der Anwesenden stimmen dafür.

Aufgaben des Nationalrates

Bundesgesetzgebung (gemeinsam mit Bundesrat)

Mitwirkung an der Voll-ziehung (siehe Seite 30 unten)

Kontrolle der Vollziehung

politische Kontrolle

finanzielle Kontrolle

rechtliche Kontrolle

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Der Bundesrat Der Bundesrat fungiert als „Länderkammer“ und hat die Interessen der Länder bei der Bundesgesetzgebung wahrzunehmen. Die 61 Bundesratsmitglieder werden von den Landtagen für die Dauer ihrer Gesetzge-bungsperiode gewählt. Die Zusammensetzung der entsandten Bundesratsmitglieder er-folgt nach dem Parteienverhältnis im Landtag. Salzburg entsendet vier Mitglieder. Der Bundesrat hat keine Gesetzgebungsperiode, er tagt in „Permanenz“ und wird nach den jeweils stattfindenden Landtagswahlen „partiell“ erneuert. Der Vorsitz im Bundesrat wechselt halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge der Bundes-länder. Die Landeshauptleute sind berechtigt, an allen Verhandlungen des Bundesrates teilzu-nehmen. Zu einem gültigen Beschluss des Bundesrates ist in der Regel die Anwesenheit von mindestens 1/3 der Mitglieder und die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Der Beschluss über die Zustimmung zu einem Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesverfassungsgesetz oder in einfachen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen, durch die die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung eingeschränkt wird, bedarf der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Bundesräte und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stim-men. (Hier hat der Bundesrat ein absolutes Vetorecht, siehe auch Seite 37.) Aufgaben des Bundesrates Die wichtigste Aufgabe des Bundesrates ist die Mitwirkung an der Bundesgesetzge-bung. Daneben kommen dem Bundesrat Kompetenzen zur Mitwirkung an der Vollziehung (zB bei der Genehmigung von Staatsverträgen, bei der Bestellung von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes, bei der Auflösung von Landtagen durch den Bundespräsiden-ten) und zur Kontrolle der Vollziehung zu.

Der Bundesrat in der Kritik Da der Bundesrat seiner Aufgabe, die Länderinteressen wahrzunehmen, offenkundig nicht ausreichend nachkommt, ist er immer wieder mal Gegenstand von Reformvorschlägen. Seine eher „passive“ Haltung hängt ua damit zusammen, dass in der Verfassungsrealität auch die den Regierungsparteien angehörenden Bundesratsmitglieder das Koalitionsab-kommen mittragen.

Page 33: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die Bundesversammlung Die Bundesversammlung ist ein teils direkt, teils indirekt demokratisch gebildetes, kollegiales Vollzugsorgan. Sie setzt sich aus den Mitgliedern des Nationalrates und des Bundesrates zusammen. Die Aufgaben der Bundesversammlung beziehen sich großteils auf den Bundespräsiden-ten: Angelobung des Bundespräsidenten Beschlussfassung über die Abhaltung einer Volksabstimmung zwecks Absetzung des Bundespräsidenten (über Antrag des NR) Erhebung einer Anklage gegen den Bundespräsidenten beim Verfassungsge- richtshof wegen Verletzung der Bundesverfassung (über Antrag des NR) Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Bundespräsidenten Beschlussfassung über eine Kriegserklärung

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Der Salzburger Landtag

Wahl des Landtages Hinsichtlich der Wahlgrundsätze und des aktiven und passiven Wahlrechtes gelten im Wesentlichen die selben Bestimmungen wie für die Wahlen zum Nationalrat. Der Landtag wird für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Zum Zweck der Wahl ist das Landesgebiet in Wahlbezirke aufgeteilt. Diese sind mit den politischen Bezirken ident. Es gibt zwei Ermittlungsverfahren. Das erste Ermittlungsverfahren wird auf Grund der in den Bezirken gültig abgegebenen Stimmen durchgeführt. Die so vergebenen Mandate nennt man Grundmandate. Am zweiten Ermittlungsverfahren dürfen nur Parteien teil-nehmen, die im ersten Ermittlungsverfahren in einem der sechs Wahlbezirke mindestens ein Mandat oder im gesamten Landesgebiet mindestens 5 % der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Konstituierung des neugewählten Landtages Der neu gewählte Landtag wird von seinem ältesten Mitglied zur ersten (konstituierenden) Sitzung eingeladen. Dieses Mitglied führt bis zur Wahl und Angelobung des neuen Präsidenten den Vorsitz. Neben der Ablegung des Gelöbnisses durch die Abgeordneten werden in der konstituierenden Sitzung die zwei Präsidenten gewählt. Sie bilden den Vorstand des Landtages. Weiters werden gewählt. Die fünfjährige Gesetzgebungsperiode des Landtages wird in jährliche Sessionen untergliedert. Die Sitzungen des Landtages, zu denen der Präsident einberuft, sind in der Regel öffentlich.

- die Mitglieder der Landesregierung - die Ausschüsse und - die Vertreter des Landes Salzburgs im Bundes-

rat

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Beschlusserfordernisse im Salzburger Landtag: Beschlussgegenstand Anwesenheitserfordernis Abstimmungserfordernis einfache Landes- mind. 18 LT-Abgeordnete einfache Mehrheit d. abgegeb. gesetze (1/2 von 36) Stimmen Landesverfassungs- mind. 18 LT-Abgeordnete 2/3 Mehrheit gesetze (1/2 von 36) Misstrauensvotum mind. 18 LT-Abgeordnete einfache Mehrheit der Beharrungsbeschluss (1/2 von 36) abgegeb. Stimmen

Aufgaben des Salzburger Landtages

Gesetzgebung

Kontrolle der Vollziehung

Wahl der Mit-glieder der Lan-desregierung

Wahl der vom Land zu entsendenden vier Mitglieder in den Bun-desrat

politische und rechtliche Kontrolle

finanzielle Kontrolle

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Die Stellung der Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage

Das freie Mandat Die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage sind “bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden.” Nach dem Prinzip des freien Mandates ist der Abgeordnete bei Ausübung seiner Funktion als Volksvertreter rechtlich völlig unabhängig. Besondere Probleme für die Unabhängigkeit der Abgeordneten ergeben sich aus der in Österreich dominierenden Stellung der Parteien im politischen Leben. Dies kommt besonders im sogenannten Klubzwang – einer faktischen, aber nicht rechtlichen “Bindung” – zum Ausdruck.

Berufliche Immunität Abgeordnete dürfen für die in Ausübung ihres Berufs erfolgten Abstimmungen niemals und für die in diesem Beruf im Parlament gemachten mündlichen oder schriftlichen Äusserungen nur vom Parlament selbst verantwortlich gemacht werden. (Artet die parlamentarische Redefreiheit in Anstandsverletzungen oder Beleidigungen aus, steht dem Präsidenten zB der

“Ruf zur Ordnung” zur Verfügung.) Außerberufliche Immunität Abgeordnete dürfen wegen einer strafbaren Handlung ohne Zustimmung des Parlaments nur dann strafgerichtlich oder verwaltungsstrafbehördlich verfolgt werden, wenn die Handlung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht. Auch die Verhaftung eines Abgeordneten wegen einer strafbaren Handlung darf, ausser bei Ertappung auf frischer Tat in Verübung eines Verbrechens*, nur mit Zustimmung des Parlaments erfolgen. *Verbrechen sind Vorsatzdelikte, die mit einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe bedroht sind. Zur Info: Wie kam es zur Immunität? Die Einrichtung der Immunität stammt aus der Zeit der Monarchie: Abgeordnete sollten vor willkürlicher Verhaftung geschützt werden. Ob die außerberufliche Immunität auch in einem demokratischen Rechtsstaat aufrecht erhalten werden muss, ist immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen. Unvereinbarkeitsbestimmungen Die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage unterliegen strengen Unvereinbarkeitsbestimmungen. So darf etwa kein Abgeordneter zugleich dem Nationalrat und dem Bundesrat angehören, das Amt des Bundespräsidenten bekleiden oder Präsident des Rechnungshofes bzw Mitglied eines Höchstgerichtes sein.

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Der Weg der Bundesgesetzgebung Wer darf ein Bundesgesetz vorschlagen (initiieren)? mind. 5 Mitglieder des Nationalrates (Initiativanträge) die Bundesregierung (Regierungsvorlage: dieser geht in der Regel ein Gesetzes- entwurf voraus, der einem allgemeinen Begutachtungsverfahren unterzogen wird) der Bundesrat Volksbegehren ein Ausschuss des Nationalrates, falls das beantragte Gesetz mit dem dem Ausschuss zur Vorberatung zugewiesenen Gegenstand in Verbindung steht. Behandlung der Gesetzesanträge im Nationalrat Für die Behandlung der Gesetzesanträge im Plenum sieht die Geschäftsordnung des Na-tionalrates drei Lesungen vor, wobei die erste Lesung nur ausnahmsweise stattfindet. Findet keine erste Lesung statt, weist der Präsident den Gesetzesvorschlag dem zustän-digen Ausschuss zur Vorberatung und Berichterstattung zu. Auf Grund des Ausschussbe-richtes kommt es dann im Plenum des Nationalrates zur zweiten Lesung. Diese besteht aus einer Generaldebatte über die Gesetzesvorlage im Allgemeinen und daran anschlie-ßend aus einer Spezialdebatte über die einzelnen Teile der Gesetzesvorlage. Nach durchgeführter Einzelberatung ist über den jeweiligen Teil der Vorlage abzustimmen. Es kann aber auch beschlossen werden, den Gesetzesantrag fallen zu lassen oder die Verhandlungen zu vertagen und mit dem Gesetzesantrag nochmals einen Ausschuss zu befassen. Wurde der Antrag in der zweiten Lesung beschlossen, wird in einer dritten Lesung über das zu beschließende Gesetz im Ganzen abgestimmt. In der dritten Lesung könne nur Anträge auf Behebung von Widersprüchen, die sich bei der Beschlussfassung in der zwei-ten Lesung ergeben haben, gestellt werden. Ferner können Schreib-, und Druckfehler rich-tig gestellt werden. Ferner kann die Vorlage im Ganzen abgelehnt werden. Einspruchsrecht des Bundesrates Jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist unverzüglich dem Bundesrat zu übermit-teln. Dieser kann binnen acht Wochen einen begründeten Einspruch gegen das Ge-setz erheben. Über diesen Einspruch hat der Nationalrat zu entscheiden. Der Nationalrat kann einen Beharrungsbeschluss fassen. Bei Verfassungsgesetzen oder in einfachen Gesetzen enthaltenen Verfassungsbe-stimmungen, durch die die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollzie-hung eingeschränkt wird, hat der Bundesrat ein absolutes Vetorecht! Ein Behar-rungsbeschluss durch den Nationalrat ist hier nicht möglich! Andererseits: In bestimmten Fällen unterliegen gewisse Gesetzesbeschlüsse nur der Kenntnisnahme des Bundesrates (zB Bundesfinanzgesetz).

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Beurkundung durch den Bundespräsidenten Der Bundeskanzler legt das beschlossene Gesetz dem Bundespräsidenten vor! Der Bun-despräsident beurkundet durch seine Unterschrift das verfassungskonforme Zustande-kommen des Bundesgesetzes. Diese Beurkundung ist vom Bundeskanzler gegenzu-zeichnen. Hinweis: Vereinzelt wurde und wird die Rechtsauffassung vertreten, der Bundespräsident dürfe ein Bundesgesetz auch inhaltlich auf seine Verfassungsmäßigkeit prüfen (und bei diesbezüglichen Bedenken sogar seine Unterschrift verweigern). Diese Befugnis steht aber dem Verfassungsgerichtshof zu. Kundmachung Bundesgesetze sind via Internet im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Der Weg der Salzburger Landesgesetzgebung

Wer darf ein Landesgesetz vorschlagen (initiieren)? Antrag von mindestens 2 Landtags-Abgeordneten (Initiativantrag) Antrag eines Landtagsausschusses Vorlagen der Landesregierung (Regierungsvorlage: Dieser geht in der Regel ein Gesetzesentwurf voraus, der einem allgemeinen Begutachtungsverfahren unterzogen wird.) Volksbegehren Behandlung der Gesetzesanträge im Landtag Die Gesetzesanträge werden vom Plenum (sog. „Haussitzung“) zur weiteren Behandlung dem Verfassungs- und Verwaltungsausschuss des Landtages zugewiesen. Dort wird der Antrag einer General- und einer Spezialdebatte unterzogen. Anschließend wird darüber im Ausschuss abgestimmt. Wird das Gesetzesvorhaben im Ausschuss nicht fallen gelassen, wird dieser dem Plenum zur Beschlussfassung unterbreitet. Unter gewissen Voraussetzungen ist auch die Bundesregierung zu involvieren. Sieht zB ein Lan-desgesetz die Mitwirkung von Bundesorganen oder die Verleihung eines Stadtstatuts vor, bedarf dieses der ausdrücklichen Zustimmung der Bundesregierung. Beurkundung und Kundmachung Die Beurkundung des verfassungsmäßigen Zustandekommens der Gesetzesbeschlüsse erfolgt durch den Präsidenten des Landtages und der Gegenzeichnung durch den Lan-deshauptmann. Die Kundmachung erfolgt via Internet im Landesgesetzblatt.

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Wann treten Gesetze in Kraft? Die Bundes- und Landesgesetze treten, sofern in ihnen nichts anderes bestimmt wird, nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das betreffende Bundesgesetzblatt bzw Landesgesetzblatt via Internet kundgemacht wird. Vergleichender Hinweis: EU-Verordnungen treten, sofern in ihnen nichts anderes bestimmt wird, am 20. Tag nach ihrer Kundmachung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Tritt ein Gesetz erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft, wird der Zeitraum zwischen der Kundmachung und dem Inkrafttretensdatum Legisvakanz genannt. Während der Legisvakanz gehört ein Gesetz dem Rechtsbestand bereits an, es darf aber noch nicht angewendet werden. Gesetze können auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Die Menschenrechtskonvention verbietet allerdings rückwirkende Strafgesetze, durch die jemand schlechter gestellt wird (Tat war zur Zeit ihrer Begehung noch nicht strafbar, oder im Fall der Strafverschärfung). Verordnungen dürfen nur dann rückwirkend erlassen werden, wenn im Gesetz eine derartige Ermächtigung vorgesehen ist. Die “Aufhebung” eines Gesetzes oder einer einzelnen Gesetzesbestimmung geschieht entweder ausdrücklich oder durch die Erlassung einer mit der früheren Vorschrift inhaltlich in Konflikt stehenden neuen Vorschrift.

Instrumente der direkten Demokratie Die hierzu vorgesehenen Instrumente sind: Volksabstimmung Wie bereits zu den Grundprinzipien angeführt, ist jede Gesamtänderung der Bundes-verfassung zwingend (“obligatorisch”) einer Volksabstimmung zu unterziehen. Dasselbe gilt auch für eine Gesamtänderung der Landesverfassung. Ansonsten sind Bundes- bzw Landesgesetze nur über Verlangen des Nationalrates (bei Verfassungsgesetzen auch des Bundesrates) bzw des Landtages einer Volksabstimmung zu unterziehen. Wird das Gesetz vom Volk abgelehnt, darf es nicht kundgemacht werden.

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Volksbegehren Inhalt eines Volksbegehren ist ein Gesetzesvorschlag. Ein Teil des Wahlvolks begehrt quasi die Erlassung eines bestimmten Gesetzes. Bei Bundesgesetzen muss der Antrag von mindestens 100.000 Stimmberechtigten oder von je 1/6 der Stimmberechtigten dreier Bundesländer unterstützt werden. Der Nationalrat muss sich mit dem Vorschlag auseinander setzen, ist jedoch nicht verpflichtet, ein derartiges Gesetz zu beschließen. Volksbegehren im Bundesland Salzburg Für die Landesgesetzgebung in Salzburg gilt die Besonderheit, dass jede von wenigstens 10.000 Stimmberechtigten gestellte Gesetzesanregung zunächst einer Volksabstimmung zu unterziehen ist. (In diesem “Salzburger Sonderfall” findet die Volksabstimmung ausnahmsweise nicht über ein bereits beschlossenes Gesetz statt.) Wird eine Gesetzesanregung in der Volksabstimmung angenommen, so hat die Landesregierung diese in Form einer Regierungsvorlage dem Landtag zur Behandlung vorzulegen. Auch hier besteht aber dann keine Verpflichtung des Landtages, das Gesetz in der vorgeschlagenen Form zu beschließen. Die Volksbefragung Gegenstand einer Volksbefragung auf Bundesebene ist eine Angelegenheit grund-sätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist. Eine derartige Volksbefragung ist vom Nationalrat auf Antrag seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung zu beschließen. (Die bisher einzige Volksbefragung auf Bundesebene war jene zur allgemeinen Wehrpflicht.) Im Land Salzburg dient die Volksbefragung auf Landesebene dazu, die Meinung der Stimmberechtigten zu einer oder mehrerer Fragen aus dem Bereich der Landes-vollziehung festzustellen. (Es handelt sich sohin auf Landesebene um keine Mit-wirkung des Volkes an der Gesetzgebung, sondern um eine Mitwirkung an der Vollziehung). Gegenstand einer solchen Volksbefragung darf kein einzelner konkreter Vollziehungsakt sein, es muss sich vielmehr um eine allgemeine Angelegenheit der Vollziehung handeln (zB Tempolimit 80/100 km, Olympiabewerbung).

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Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung In der Hoheitsverwaltung treten die Organe der Behörden mit Befehls- und

Zwangsgewalt auf. Sie setzen einseitig verbindliche Rechtsakte (zB Erlassung eines

Baubescheides, eines Strafbescheides, Verhaftung einer Person…). In der

Hoheitsverwaltung sind die Behördenorgane den Adressaten ihrer Rechtsakte

übergeordnet.

In der Privatwirtschaftsverwaltung treten die Behördenorgane dagegen nicht in

“Überordnung” über den „Bürgern“ auf, sondern auf gleicher Ebene im Rahmen des

Privatrechts (zB Abschluss eines Kaufvertrages zwischen einer Gemeinde und einem

Geschäftsinhaber, Abschluss eines Dienstvertrages zwischen einer Gemeinde und einer

Bautechnikerin…)

Weisungen

Die auf Zeit gewählten oder ernannten berufsmäßigen Behördenorgane sind

Eine Weisung muss jedoch abgelehnt werden, wenn

diese von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder

die Befolgung der Weisung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

Die Organe der Verwaltung sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Es besteht

jedoch – soweit die Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegen steht – im Rahmen

des jeweiligen Wirkungsbereiches die Auskunftspflicht.

Den vorangeführten Verpflichtungen unterliegen sowohl Beamte als auch

Vertragsbedienstete.

und/oder

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Oberste Vollzugorgane Entsprechend den Kompetenzbestimmungen ist die gesamte Verwaltung in Bundesverwaltung und Landesverwaltung getrennt. Als oberste Vollzugsorgane des Bundes fungieren ua der Bundespräsident sowie die Bundesregierung und deren Mitglieder. Als oberstes Vollzugsorgan der Landesverwaltungen sind die Landesregierungen tätig. Oberste Vollzugsorgane haben “niemanden über sich”, der ihnen eine Weisung erteilen könnte. Sie sind demokratisch legitimiert.

Der Bundespräsident Stellung als oberstes Vollzugsorgan Der Bundespräsident ist eines der obersten Vollzugsorgane des Bundes. Dies bedeutet, dass die Bundesregierung dem Bundespräsidenten nicht untergeordnet ist und ihre Geschäfte nicht nach seinen Weisungen durchführt. Sie bedarf jedoch des Vertrauens des Bundespräsidenten, da er die Regierung jederzeit aus dem Amt entlassen kann. Wahl des Bundespräsidenten Wie bereits beim republikanischen Prinzip angeführt, wird der Bundespräsident direkt vom Bundesvolk auf sechs Jahre gewählt. Es gelten die Wahlgrundsätze des allgemeinen, gleichen, freien, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes. In unmittelbarer Folge kann der Bundespräsident nur für eine weitere Funktionsperiode auf sechs Jahre gewählt werden. Vor Ablauf der Funktionsperiode kann der Bundespräsident nur auf Verlangen der Bundesversammlung durch das Bundesvolk abgesetzt werden. Passiv wahlberechtigt sind alle wahlberechtigten Staatsbürger, die am Wahltag das 35. Lebensjahr überschritten haben. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen auf sich vereint. Erfüllt keiner der Kandidaten dieses Kriterium, ist eine Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Wahlwerbern durchzuführen. Stellt sich nur ein Wahlwerber der Wahl, ist die Wahl in Form einer Abstimmung durchzuführen.

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Wichtige Aufgaben des Bundespräsidenten Bei der Wahrnehmung folgender Aufgaben entscheidet der Bundespräsident rechtlich völlig frei (ohne Vorschlag der Bundesregierung oder einer anderen Stelle): Ernennung des Bundeskanzlers: Hier ist der Bundespräsident rechtlich völlig frei, durch die politischen Verhältnisse jedoch in seiner Entscheidungsfreiheit de facto beschränkt. Entlassung des Bundeskanzlers Entlassung der gesamten Bundesregierung Beurkundung des verfassungsmäßigen Zustandekommens von Bundesgesetzen Oberbefehl über das Bundesheer. Einige Kompetenzen, die dem Bundespräsidenten über Vorschlag des Bundeskanzlers zustehen: Ernennung des Vizekanzlers und der Bundesminister Entlassung des Vizekanzlers und der Bundesminister Ernennung und Entlassung von Staatssekretären Einige Kompetenzen, die dem Bundespräsidenten über Vorschlag der Bundesregierung zustehen: Vertretung der Republik nach Außen (einschl. des Abschlusses von Staatsverträgen) Ernennung von Bundesbeamten Schaffung und Verleihung von Berufstiteln Begnadigungsrecht im Einzelfall Auflösung des Nationalrates oder eines Landtages Erlassung von Notverordnungen: Seit der B-VG Novelle 1929 hat der Bundespräsident für den Krisenfall ein Notverordnungsrecht. Eine solche Notverordnung darf nur erlassen werden, wenn der Nationalrat

nicht rechtzeitig zusammentreten kann, oder

in seiner Tätigkeit durch höhere Gewalt verhindert ist, um einen offenkundigen, nicht wiedergutzumachenden Schaden für die Allgemeinheit abzuwehren. Eine Notverordnung darf ein Verfassungsgesetz nicht ändern und keine finanziellen Belastungen zum Gegenstand haben. Bei einer solchen Notverordnung handelt es sich um eine verfassungsunmittelbare (gesetzesvertretende) Verordnung, da sie nicht auf Grund eines einfachen Gesetzes, sondern direkt auf Grund der Verfassung erlassen wird. Die Akte des Bundespräsidenten werden Entschließungen genannt.

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Verantwortlichkeit des Bundespräsidenten Der Bundespräsident ist politisch dem Bundesvolk verantwortlich, was sich in erster Linie bei einem Antreten zur Wiederwahl zeigt. Vorzeitig ist er über Verlangen der Bundesversammlung durch eine Volksabstimmung absetzbar. Rechtlich ist der Bundespräsident für die Einhaltung der Bundesverfassung ver-antwortlich. Wegen schuldhafter Verletzung der Bundesverfassung kann er durch Beschluss der Bundesversammlung beim Verfassungsgerichtshof angeklagt werden. Eine behördliche Verfolgung des Bundespräsidenten darf nur mit Zustimmung der Bundesversammlung erfolgen.

Die Bundesregierung Zusammensetzung der Bundesregierung Die Bundesregierung besteht aus der/dem/den Die Anzahl der Bundesministerien und deren Wirkungsbereiche wird mit Gesetz festgelegt. In aller Regel wird für jedes Ministerium ein(e) Minister(in) ernannt. Es kann jedoch auch ein(e) Minister(in) mit der Leitung zweier oder mehrerer Ministerien betraut werden. Der Bundespräsident ernennt zunächst den Bundeskanzler (ohne an einen Vorschlag gebunden zu sein), die übrigen Regierungsmitglieder über Vorschlag des Bundeskanzlers. Ressortverantwortlichkeit Die Regierungsmitglieder leiten ihr jeweiliges Ressort eigenständig und selbstver-antwortlich. In bestimmten Fällen ist jedoch die Entscheidung der Bundesregierung als Kollegialorgan (Ministerrat) erforderlich (zB Beschlussfassung einer Regierungs-vorlage). Die Ministerratsbeschlüsse müssen einstimmig gefasst werden.

- Bundeskanzler/in - Vizekanzler/in

- übrigen Minister/innen

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Entlassung Zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung durch den Bundespräsidenten ist ein Vorschlag nicht erforderlich. Die Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung erfolgt auf Vorschlag des Bundeskanzlers. Versagt der Nationalrat der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder das Vertrauen (Misstrauensvotum), so hat der Bundespräsident die Bundesregierung oder das betreffende Regierungsmitglied des Amtes zu entheben. Die Mitglieder der Bundesregierung können wegen Gesetzesverletzungen durch Beschluss des Nationalrates beim Verfassungsgerichtshof angeklagt werden. Zuständigkeit Die Bundesministerien sind nach dem Ressortsystem eingerichtet. Dies bedeutet, dass sich ihre örtliche Zuständigkeit auf ganz Österreich bezieht; sachlich sind sie aber auf einzelne Sachgebiete, die im Bundesministeriengesetz geregelt sind, beschränkt. Der Bundesminister ist für die gesetzmäßige Besorgung der seinem Ministerium zugewiesenen Agenden verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit nennt man die Ministerverantwortlichkeit. Bundeskanzleramt und Ministerien Der Hilfsapparat für den Bundeskanzler ist das Bundeskanzleramt. Für die Bundesminister sind dies die Bundesministerien und die diesen unterstellten Ämter. Behörde auf oberster Bundesvollzugsebene ist stets der Bundeskanzler, der Vizekanzler oder ein Bundesminister, nicht jedoch das Bundeskanzleramt oder ein Bundesministerium! Die Staatssekretäre Den Bundesministern können zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung Staatssekretäre beigegeben werden, die in gleicher Weise wie die Bundesminister bestellt werden und aus dem Amt scheiden. Der Staatssekretär ist dem Bundesminister unterstellt und an seine Weisungen gebunden. Die Staatssekretäre sind nicht Mitglieder der Bundesregierung und haben dem entsprechend auch nicht Sitz und Stimme im Ministerrat. (Sie werden im B-VG unrichtigerweise bei den obersten Vollzugsorganen des Bundes angeführt.)

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Die Salzburger Landesregierung

Stellung und Zusammensetzung der Landesregierung Die Landesregierung ist für die Landesvollziehung das oberste Organ. Sie wird auf die Dauer der Wahlperiode vom Landtag gewählt. Die Landesregierung setzt sich zusammen: Landeshauptmann/-frau 2 Landeshauptmann-Stellvertreter/innen 4 Landesrät(inn)en

Die Mitglieder der Landesregierung müssen nicht dem Landtag angehören, jedoch zum Landtag wählbar sein. Wahl der Landesregierung Im Jahr 1999 wurde das bis dahin geltende Zwangsproporzprinzip durch das Prinzip der freien Koalitionsbildung abgelöst. Bis 1999 hatte der Landtag die Mitglieder der Landesregierung so zu wählen, dass alle Parteien mit einer entsprechenden Stärke im Landtag auch in der Landesregierung in diesem Kräfteverhältnis vertreten sein mussten. Seit 1999 gilt nun: Jene Partei, die bei der Wahl des Landtages die größte Zahl an Stimmen erhalten hat, lädt die anderen Wahlparteien, die Landtagsmandate erhalten haben, zu Verhandlungen zwecks Bildung der neuen Landesregierung ein. Die Parteien, die sich über die Bildung der Landesregierung einigen und die Unterstützung von mehr als der Hälfte Mitglieder des Landtages besitzen, stellen die Landesregierung. Es gilt also nun das Koalitionsprinzip. Die Mitglieder der Landesregierung werden vom Landtag in einem Wahlgang mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Alle Mitglieder der Landesregierung werden vom Präsidenten des Landtages auf die Landesverfassung angelobt. Der Landeshauptmann wird vom Bundespräsidenten, die übrigen Mitglieder der Landesregierung vom Landeshauptmann auf die Bundesverfassung angelobt.

- dem Landeshauptmann

- 2 Landeshauptmann-Stv.

- 4 Landesräten

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Starke

Kontrolle

Gesetzge-

bung

Vollziehung

Landes-

Verfassungsgesetz 1999

Freie Regierungs-

bildung

Einstimmigkeit bei

Regierungsbe-

schlüssen

Wichtige Staatsziele

und Staatsaufgaben

werden in die Ver-

fassung aufgenom-

men

Aufwertung der Kon-

trollrechte des Land-

tages: - Akteneinsicht

- Misstrauensvotum mit

einfacher Mehrheit

- Enquete-Recht auf An-

trag von nur 9 Abge-

ordneten

Abschaffung des Zwangsproporzes

Stärkung der Kontrollrechte des Landtages

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Geschäftsführung der Landesregierung Die Aufgaben der Landesregierung werden auf die einzelnen Regierungsmitglieder aufgeteilt. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung. In dieser werden auch alle Geschäfte einzeln angeführt, die der kollegialen Beschlussfassung bedürfen (zB Regierungsvorlagen, Bestellung von Abteilungsleitungen…). Die Sitzungen der Landesregierung werden vom Landeshauptmann geleitet. Die Landesregierung ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen worden sind und mehr als die Hälfte der Mitglieder, darunter der Landeshauptmann oder ein Landeshauptmann-Stellvertreter anwesend sind. Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden. Die nicht der kollegialen Beschlussfassung unterliegenden Geschäftsfälle werden von den Mitgliedern der Landesregierung selbständig erledigt. Aufgaben des Landeshauptmannes Der Landeshauptmann vertritt das Land nach Außen ist die zentrale Behörde in der mittelbaren Bundesverwaltung leitet sein Ressort ist Vorstand des Amtes der Salzburger Landesregierung.

Verantwortlichkeit der Mitglieder der Landesregierung Die Mitglieder der Landesregierung sind für den Bereich der Landesvollziehung dem Landtag verantwortlich. Für den Bereich der Bundesvollziehung sind der Landeshauptmann und die Mitglieder der Landesregierung, denen die Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung übertragen wurden, an die Weisungen der Bundesregierung sowie der einzelnen Bundesminister gebunden und diesen verantwortlich. Amt der Landesregierung Das Amt der Landesregierung ist der Hilfsapparat der Landesregierung und des Landeshauptmannes. Vorstand des Amtes der Landesregierung ist der Landeshauptmann, den inneren Dienst leitet der Landesamtsdirektor. Dieser muss ein rechtskundiger Beamter sein. Ausnahmsweise kann das Amt der Landesregierung auch als Behörde fungieren.

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Die Salzburger Gemeinden Wo ist das Gemeinderecht geregelt? Die Grundsätze des Gemeinderechts sind im B-VG (Art 115-120) geregelt. Es obliegt der Landesgesetzgebung, das Gemeinderecht nach diesen Grundsätzen näher zu regeln. Der Bund hat sich jedoch die Regelung einzelner Angelegenheiten, wie etwa die Aufsicht der Gemeinden in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Bereich der Bundesvollziehung, vorbehalten. (Er hat hiezu das Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz erlassen.) Die wichtigsten Gesetze für das Gemeinderecht im Land Salzburg sind einerseits für die Landgemeinden die Salzburger Gemeindeordnung 2019 und andererseits für die Stadtgemeinde Salzburg das Salzburger Stadtrecht 1966. Bestandsgarantie: Durch das B-VG ist lediglich der Bestand der Institution Gemeinde verfassungsmäßig garantiert. Nicht jedoch besitzen die einzelnen Gemeinden eine solche Bestandsgarantie.

Eigener und übertragener Wirkungsbereich

Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener und ein vom Bund und vom Land übertragener. Sie hat das Recht auf Selbstverwaltung und ist zugleich ein Verwaltungssprengel.

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Welche Angelegenheiten gehören zum eigenen Wirkungsbereich? Bereits im B-VG sind eine Reihe von Angelegenheiten angeführt, die jeden-

falls im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen sind, wie zB: Bestellung der Gemeindeorgane und der Gemeindebediensteten örtliche Sicherheitspolizei Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde örtliche Marktpolizei örtliche Gesundheitspolizei örtliche Baupolizei örtliche Raumplanung örtliche Feuerpolizei

Selbstständiger Wirtschaftskörper: Die Gemeinde ist ein selbständiger Wirtschaftskörper mit dem Recht, Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmen zu betreiben, sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben vorzuschreiben.

Generalklausel im B-VG: Neben den bereits im B-VG aufgelisteten Angelegenheiten und den Rechten als selbständiger Wirtschaftskörper umfasst der eigene Wirkungsbereich gemäß der so genannten „Generalklausel“ alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse einer Gemeinde bzw deren Einwohnerschaft gelegen sind, und die zudem geeignet sind, durch die Gemeindeorgane innerhalb der örtlichen Grenzen der Gemeinde besorgt zu werden. Die Generalklausel stellt nicht auf die Bedürfnisse von speziellen (zB kleinen oder großen) Gemeinden, son-dern auf die einer abstrakten Gemeinde („Einheitsgemeinde“) ab. Was neben den im B-VG bereits aufgezählten Materien sonst noch alles zum eige-nen Wirkungsbereich einer Gemeinde gehört, ist den zahlreichen Materiengeset-zen des Bundes und der Länder zu entnehmen. Ob dort eine Materie dem eige-nen Wirkungsbereich zugeordnet werden kann, ist anhand der Generalklausel zu beurteilen. Bejahendenfalls muss die Materie im Gesetz ausdrücklich als eine sol-che des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet werden = „Bezeichnungspflicht“ Fehlt eine derartige Bezeichnung in einem Bundes- oder Landesgesetz, dann ist die betreffende Materie/Vorschrift von der Gemeinde im übertragenen Wirkungsbe-reich zu vollziehen.

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Was resultiert aus der Zugehörigkeit einer Materie zum eigenen Wirkungsbereich? Der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde ist der ihr durch die Verfassung garantierte Raum der Selbstverwaltung, in dem sie die betreffenden Aufgaben im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes, in eigener Verantwortung, frei von Weisungen seitens Behörden außerhalb der Gemeinde und unter Ausschluss eines ordentlichen Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde besorgt. Instanzenzug beim eigenen Wirkungsbereich: In jenen Gemeinden, in denen der innergemeindliche Instanzenzug abgeschafft wurde: 1. Instanz: Bürgermeister (in der Regel) 2. Instanz: Verwaltungsgericht Info: Folgende Gemeinden haben zum Stand 1.1.2021 den innergemeindlichen Instanzenzug im eigenen Wir-kungsbereich aufgegeben: Filzmoos, Goldegg, Hollersbach, Mittersill, Oberalm, Oberndorf, Puch, Rauris, St. Margarethen, Schwarzach, Uttendorf, Wald, Werfen, Zell am See

In jenen Gemeinden, in denen der innergemeindliche Instanzenzug noch aufrecht ist (gilt nur für die Vollziehung von Landesgesetzen): 1. Instanz: Bürgermeister (in der Regel) 2. Instanz: Gemeindevertretung [2. Instanz in Abgabenangelegenheiten: Gemeindevorstehung] Gegen Bescheide der 2. Instanz geht der Rechtszug an das Verwaltungsgericht. Übertragener Wirkungsbereich Im übertragenen Wirkungsbereich besorgt die Gemeinde Angelegenheiten der staatlichen Verwaltung im Auftrag und nach Weisung der übertragenen Staatsgewalt. Es gibt einen vom Land und einen vom Bund übertragenen Wirkungsbereich. Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden nur vom Bürgermeis-ter besorgt. Während beim eigenen Wirkungsbereich Weisungen von außerhalb der Ge-meinde nicht möglich sind, können im übertragenen Wirkungsbereich von den übergeord-neten Organen jederzeit Weisungen erteilt werden. (Deshalb ist im übertragenen Wir-kungsbereich auch keine Gemeindeaufsicht erforderlich!)

Delegierungsverordnung Auf Antrag einer Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches durch Verordnung der Landesregierung (in Angelegenheiten der Landesvollziehung) oder des Landeshauptmannes (in Angelegenheiten der Bundesvoll-ziehung) auf eine staatliche Behörde übertragen werden. (So haben im Land Salzburg viele Gemeinden die baubehördliche Bewilligung von Gewerbebetrieben an die Bezirks-hauptmannschaft delegiert.) Eine solche Verordnung ist aufzuheben, sobald die Gemein-de den Antrag wieder zurücknimmt. Im Fall einer solchen Delegierung wird die Angele-genheit zu einer solchen der delegierten Behörde.

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Ortspolizeiliche Verordnungen In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, durch die Gemeindevertretung ortspolizeiliche Verordnungen zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben stören-der Missstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnun-gen des Bundes und des Landes verstoßen. Wer eine ortspolizeiliche Verordnung übertritt, begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet. Diese Verwal-tungsübertretung ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu € 1.000 zu bestrafen. Bei den ortspolizeilichen Verordnungen handelt es sich um so genannte verfassungsun-mittelbare (gesetzesvertretende) Verordnungen, die nicht auf Grund eines einfachen Gesetzes als Durchführungsverordnungen, sondern direkt auf Grund der Bundesverfas-sung erlassen werden können.

Die Organe der Gemeinde Das B-VG bestimmt, dass in den Gemeindeordnungen (Stadtstatuten) als Organe jeden-falls eine Gemeindevertretung, der Gemeindevorstehung und der Bürgermeister vor-zusehen sind. Daneben können durch die Landesgesetzgebung auch weitere Gemeindeorgane einge-richtet werden. In Salzburg ist dies durch die Einrichtung der ermächtigten Ausschüsse geschehen. „Normalen“ Ausschüssen obliegt die Vorberatung und Antragsstellung an die Gemeindevertretung bzw –vorstehung. Ermächtigte Ausschüsse sind hingegen berechtigt, selbst (an Stelle der Gemeindevertretung bzw –vorstehung) Beschlüsse zu fassen. Gemeindevertretung Die Gemeindevertretung ist ein von den Wahlberechtigten der Gemein-de zu wählender allgemeiner Vertretungskörper; aktiv wahlberechtigt sind alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsbürger der ande-ren EU-Mitgliedsstaaten, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet und in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben sowie vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind. Für die passive Wahlberechtigung ist die Vollendung des 18. Lebensjahres erforderlich. Die Gemeindevertretung ist als beschließendes und überwachendes Organ der Gemeinde vorgesehen. Ihr sind alle anderen Gemeindeorgane für die Erfüllung ihrer Aufgaben aus dem eigenen Wirkungsbereich verantwortlich. Sie hat weiters den Gemeindevoranschlag und den Gemeinderechnungsabschluss zu beschließen. Ihr sind auch die Bestellung, Kündigung oder Bestätigung einer Entlassung des Amtsleiters vorbehalten. Die Gemeindevertretung ist im eigenen Wirkungsbereich stets die höchste sachlich in Betracht kommende Oberbehörde. Soweit die Gemeindeordnung einzelne Aufgaben nicht dem Bürgermeister oder der Vorstehung zuweist, sind diese der Gemeindevertretung zu übertragen (Generalkompetenz der Gemeindevertretung).

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Gemeindevorstehung Die Gemeindevorstehung ist quasi die „Gemeinderegierung“. Ihr obliegen zB: die Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Gemeinde-Abgabensachen; die Entscheidung in bestimmten dienst- und besoldungsrechtlichen Angelegen- heiten; die Entscheidung über den Erwerb und die Veräußerung von (un)beweglichen Sachen bis zu bestimmten Wertgrenzen.

Bürgermeister Die Bürgermeister werden im Land Salzburg direkt gewählt. (Dies gilt auch für eine all-fällige Abwahl!) Passiv wahlberechtigt sind nur Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Dem Bürgermeister obliegt zB die Vertretung der Gemeinde nach Außen. im eigenen Wirkungsbereich die Besorgung der behördlichen Aufgaben in erster Instanz (in der Regel); die Besorgung aller Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches; der Bür

germeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches einzelnen Mitgliedern der Gemeindevorstehung zur Besorgung in seinem Namen übertragen. Ab einer gewissen Gemeindegröße hat dies zu geschehen. der Abschluss von Rechtsgeschäften des laufenden Amts- und Betriebsaufwandes bis zu bestimmten Wertgrenzen; der Abschluss von Rechtsgeschäften über bewegliche Sachen und die Vergabe von Arbeiten und Lieferungen bis zu bestimmten Wertgrenzen (Oberlimit: € 40.000); die Generalzuständigkeit für dienstrechtliche Maßnahmen, soweit nicht bestimmte Zu- ständigkeiten der Gemeindevertretung und der Gemeindevorstehung zugeordnet sind. Gemeindeamt Das Gemeindeamt ist der Hilfsapparat für die Organe der Gemeinde. Als solches hat

das Gemeindeamt die Geschäfte der Gemeinde zu führen. Das Gemeindeamt einschließlich der Gemeindebediensteten untersteht dem Bürgermeister. Leiter des inneren Dienstes ist der Amtsleiter, der durch Beschluss der Gemeindevertretung zu bestellen ist. Als Leiter des inneren Dienstes ist der Amtsleiter für die ordnungsgemäße Verwaltung und Führung der Gemeindegeschäfte durch das Gemeindeamt verantwortlich. Als solcher ist er auch Dienstvorgesetzter aller Gemeindebediensteten und weisungsberechtigt. Er untersteht der

unmittelbaren Aufsicht des Bürgermeisters.

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Bezeichnungen bei den Salzburger Gemeinden: Stadt mit eigenem Statut Eine Stadt mit eigenem Statut ist eine Ortsgemeinde, der neben den Aufgaben der Ge-meindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zur Besorgung im übertragenen Wirkungsbereich übertragen ist. Folglich stellt eine derartige Stadt auch einen eigenen politischen Bezirk dar. Die Bezirksverwaltungsagenden werden vom Bürgermeister (=Bezirksverwaltungsbehörde) geführt. Das B-VG sieht vor, dass einer Gemeinde mit min-destens 20.000 Einwohnern – wenn dadurch Landesinteressen nicht gefährdet werden – auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) verliehen werden kann; ein solcher Gesetzesbeschluss darf nur mit Zustimmung der Bundesregierung kundgemacht werden. Derzeit haben in Österreich 15 Städte ein eigenes Statut. Im Land Salzburg ist nur die Stadt Salzburg eine Stadt mit eigenem Statut. Gemeindeaufsicht Die Gemeinde unterliegt in ihrem eigenen Wirkungsbereich der Staatsaufsicht. Dieses Aufsichtsrecht kommt dem Bund und dem Land zu. Es hat sich darauf zu erstrecken, dass die Gemeinde bei der Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Ver-ordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und dass sie die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt. Ferner hat das Land das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmä-ßigkeit zu überprüfen. Aufsichtsbehörde für die Vollziehung von Bundesrecht ist der Landeshauptmann, für die Vollziehung von Landesrecht die Landesregierung.

Gemeinde „Parlament“ „Regierung“ BM Hilfsapparat

Orts- oder Gemeinde- Marktgem. vertretung Gemeindevorstehung BM Gemeindeamt Stadtgem. Gemeinde- (Land) vertretung Stadtrat BM Stadtamt Stadt Salzburg Gemeinderat Stadtsenat BM Magistrat

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Die Mittel der Gemeindeaufsicht Die Salzburger Gemeindeordnung 2019 sieht für das Wirken der Gemeindeaufsicht eine Reihe von Mitteln vor. Alle Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben. Die wichtigsten Aufsichtsmittel sind: Auskunfts- und Prüfungsrechte Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, der Aufsichtsbehörde Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen; im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Gebarungskontrolle Das Land hat das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen; das Ergebnis ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat mitzuteilen. Der Bürgermeister hat der Aufsichtsbehörde die getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten mitzuteilen. Eingreifen bei gesetzwidrigen Maßnahmen: Gesetzwidrige Maßnahmen von Gemeindeorganen (zB Beschlüsse oder Bescheide) können unter bestimmten Voraussetzungen durch Bescheid der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden. Zudem kann die Durchführung von (noch nicht vollzogenen) gesetzwidrigen Maßnahmen untersagt werden („Sistierung“). Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordungen nach Anhörung der Gemeinde durch Verordnung aufzuheben und der Gemeinde die Gründe hiefür mitzuteilen. Gegen derartige Verordnungen der Aufsichtsbehörde kann die Gemeinde einen Antrag auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof stellen.

Aufgabe der Staatsaufsicht Die Gemeindeaufsicht hat darauf zu achten, dass die Gemeinde im eigenen Wirkungsbe-reich

die ihr gesetzlich obliegenden Auf-gaben erfüllt

die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt

+

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Genehmigungsvorbehalt Durch die Aufsichtsgesetzgebung kann angeordnet werden, dass einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen im besonderen Maß berührt werden, der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen. Überörtliche Interessen sind dabei besonders solche finanzieller Natur (Wahrung der Finanzkraft der Gemeinden, Vermeidung von unverhältnismäßigen Finanzzuschüssen des Staates) sowie der Gleichbehandlung bzw der Gewährleistung einer möglichst einheitlichen Vollziehung. Ersatzvornahme Erfüllt eine Gemeinde die ihr obliegenden Aufgaben trotz Aufforderung binnen einer gesetzten Frist nicht, so kann die Aufsichtsbehörde an Stelle der Gemeinde und auf deren Kosten und Gefahr diese Maßnahmen setzen. Auflösung der Gemeindevertretung Dies ist das äußerste Mittel der Gemeindeaufsicht. Aufsichtsbeschwerden: Jedermann kann bei der Aufsichtsbehörde über die Amtsführung von Gemeindeorganen eine schriftliche Beschwerde einbringen. Die Aufsichtsbehörde hat dann innerhalb einer bestimmten Frist zu prüfen, ob durch das betreffende Gemeindeorgan eine Verletzung von Gesetzen oder Verordnungen erfolgt ist.

Gemeindeverbände:

Zur Besorgung bestimmter einzelner Aufgaben der Gemeinde können

Gemeindeverbände errichtet werden. Sie können aus zwei oder aus mehreren

Gemeinden bestehen.

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1. Woraus ergibt sich, dass die Länder zur Regelung des Gemeinde-

rechts zuständig sind?

2. Welche Landesgesetze regeln das Gemeinderecht in Salzburg?

3. Wer ist im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinden Behörde?

4. Was bedeutet, dass die Gemeinde ein eigener Wirtschaftskörper ist?

5. Worin besteht das Wesen des eigenen Wirkungsbereiches der Ge-meinden?

6. Wo muss man überall nachschauen, wenn man genau wissen will, welche Aufgaben den Gemein-den im eigenen Wirkungsbereich obliegen?

7. Nennen Sie einige Angelegenheiten, die bereits im B-VG dem eigenen Wirkungsbereich zugeordnet werden.

8. Woran hat sich der Bundes- und Landesgesetzgeber zu orientieren, wenn er bestimmte Angele-genheiten dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zuordnen will?

9. Schildern Sie den Inhalt der Generalklausel über den eigenen Wirkungsbereich!

10. Was bedeutet die „Bezeichnungspflicht“ bei der Aufgabenzuweisung zum eigenen Wirkungsbereich!

11. Eine kleine Gemeinde mit nur rund 300 Hauptwohnsitzen soll aufgelöst und an eine größere Ge-meinde angegliedert werden. Die Gemeindevertretung der kleinen Gemeinde wehrt sich mit Hän-den und Füßen und behauptet, die Existenz der einzelnen Gemeinden sei in Österreich verfas-sungsrechtlich garantiert. Stimmt das?

12. Die großen Gemeindezusammenlegungen im Land Salzburg fanden in den Jahren 1935 und 1939 statt. Fällt Ihnen dazu etwas auf? (Tipp: Schauen Sie ins Kapitel über die Entwicklung des B-VG seit 1920.)

13. Tamsweg soll nach dem Wunsch einiger Gemeindevertreter zur Stadt erhoben werden. Kritiker wenden ein, das bringe außer Unkosten nichts ...

14. Könnte im Land Salzburg neben der Landeshauptstadt eine weitere Gemeinde eine Stadt mit eige-nem Statut werden?

15. Welche Funktion ist einem Bezirkshauptmann und dem Bürgermeister der Stadt Salzburg gemein-sam?

16. Sie belästigen via Lautsprecheranlage Ihre Nachbarschaft und verstoßen damit gegen eine Vor-schrift der ortspolizeilichen Verordnung Ihrer Gemeinde. Können Sie dafür von Ihrer Gemeinde be-

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straft werden?

17. Wieso ist eine ortspolizeiliche Verordnung keine Durchführungsverordnung?

18. Ein Bürgermeister tritt bei Sitzungen immer sehr cholerisch auf. Alle Mitglieder der Gemeindevertre-

tung wünschen seinen Rücktritt. Er selbst will aber nicht freiwillig gehen …

19. Was unterscheidet einen „ermächtigten Ausschuss“ von anderen „Ausschüssen“ in der Gemeinde?

20. Ein Bürgermeister kündigt ohne Beschluss der Gemeindevorstehung einen Dienstnehmer…

21. Der Bürgermeister von Zell am See erlässt einen ablehnenden Bescheid in Bauangelegenheiten. Der Bauwerber erhebt dagegen das Rechtsmittel der Berufung …

22. Der Bürgermeister von Hallwang erlässt einen ablehnenden Bescheid in Bauangelegenheiten. Der Bauwerber erhebt dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht …

23. Das Baurecht ist von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehen. Dennoch kann es vorkommen, dass in einer Gemeinde die Baugenehmigung für einen Gewerbebetrieb von der Be-zirkshauptmannschaft erteilt wird. Wie kommt es dazu?

24. Die Gemeinde X ist sehr reich und möchte deshalb ihre Bediensteten generell mit einem Gehalts-zuschlag in Höhe von € 250,- beglücken. Die Gemeindevertretung beschließt einen derartigen „Ge-neralzuschlag“ und legt den Beschluss der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vor. Bei den Be-diensteten der (armen) Nachbargemeinde Y beginnt es bereits zu rumoren ...

25. Sie wollen in Ihrer Gemeinde Straßwalchen ein Haus bauen. Der Bürgermeister hat Ihr Bauansu-chen mit Bescheid abgelehnt. Sie beschweren sich darüber empört bei der Gemeindeaufsichtsbe-hörde ...

26. Zwei Gemeinden möchten gemeinsam ein Seniorenwohnheim betreiben. Wie werden sie das an-stellen?

27. Die Bürgermeister von fünf kleinen Gemeinden planen, für die Abwicklung der Baurechtsangele-genheiten gemeinsam einen tüchtigen Bauingenieur anzustellen ...

28. Zwischen zwei Gemeinden soll der Grenzverlauf geändert werden. Was ist dazu erforderlich?

29. Ein Jahr vor den nächsten Gemeinderatswahlen hören immer einige Bürgermeister auch deshalb auf, um einem Nachfolger für den Wahlkampf einen Amtsbonus zu verschaffen. Muss der neue Bürgermeister vom Gemeindevolk gewählt werden?

30. Einem kritischen Gemeindebürger kommt die Amtsführung der Gemeindevertretung äußerst „spa-nisch“ vor. Er „wittert“ gesetzwidrige Beschlüsse. Obwohl er davon selbst nicht direkt negativ betrof-fen ist, möchte er seinem Missbehagen an kompetenter Stelle Luft ver-schaffen. Welches Rechtsinstrument könnte er nutzen?

Page 59: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Behördenorganisation

A) Untergliederung nach der Organisationskompetenz: Fragestellung: Wer ist für die Einrichtung bzw Organisation der Behörde zuständig, wer ist Dienstgeber der Bediensteten?

zB Bundespräsident, Bundesre-

gierung, Bundesminister, Fi-

nanzämter, Bundesdenkmalamt,

AMS

Bundesbedienstete

zB Landesregierung, Bezirks-

hauptmannschaft, Landes-

hauptmann, Agrarbehörde, Lan-

desabgabenamt

Landesbedienstete

zB Bürgermeister, Gemeinde-

vorstehung, Gemeindevertre-

tung

Gemeindebedienstete

Page 60: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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B) Unterteilung nach der funktionalen Zuständigkeit: Fragestellung: Welche Angelegenheiten werden vollzogen?

ausschließlich

Bundesvollziehung

zB: Bundespräsident, Bun-

deskanzler, Finanzämter,

Landeshauptmann (als „Chef“

der mittelbaren Bundesver-

waltung)

ausschließlich

Landesvollziehung

Bundesvollziehung

und Landesvollzie-

hung

zB: Landesregierung,

Landesabgabenamt

zB: Bezirksverwaltungsbe-

hörden (Bürgermeister der

Städte mit eigenem Statut und

Bezirkshauptmannschaften),

Landespolizeidirektionen,

Bürgermeister

Page 61: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

61

Eigene Bundesbehörden Der Bund kann seine Angelegenheiten entweder unmittelbar durch eigene Behörden vollziehen lassen oder mittelbar durch andere Behörden.

Beispiele für Bundesbehörden: Bundeskanzler, Vizekanzler, Bundesminister Finanzämter und Zollämter Arbeitsmarktservice Bundesdenkmalamt Bundessozialämter Landespolizeidirektionen Mittelbare Bundesverwaltung Mittelbare Bundesverwaltung ist die Vollziehung von Bundesangelegenheiten durch den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Behörden. Zentrale Instanz in der mittelbaren Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Behörden üben im Bereich des Landes die “mittelbare Bundesverwaltung” aus, soweit nicht eigene Bundesbehörden zur unmittelbaren Bundesverwaltung berufen sind. Insoweit sind die Behörde "Landeshauptmann" und die dieser unterstellten Behörden an die Weisungen der übergeordneten obersten Organe des Bundes (Minister) gebunden. Nach der Geschäftsordnung der Landesregierung können Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung auch an Mitglieder der Landesregierung übertragen werden. Die Bezirkshauptmannschaften Die Bezirkshauptmannschaften sind monokratisch eingerichtete Verwaltungsbehörden für den Bereich eines politischen Bezirkes. An ihrer Spitze steht der Bezirkshauptmann, der ein rechtskundiger Beamter sein muss. Die Bezirkshauptmannschaften sind multifunktionale Behörden und vollziehen Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, der Sicherheitsverwaltung und der Landesverwaltung. Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung sind der Landeshauptmann, die Landesregierung und die Bezirkshauptmannschaften. Sie haben nämlich innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches Allzuständigkeit, soweit nicht ausdrücklich durch Gesetz eine andere Behörde zur Erledigung berufen ist.

Page 62: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Rechtsschutz und Kontrolle

Wie bereits bei den Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung erwähnt, muss der Rechtsstaat unter anderem ein Rechtsschutzstaat sein, das heißt, er muss die Einhaltung von Verfassung und Gesetz durch entsprechende Kontrolleinrichtungen abgewährleisten. Der Nationalrat und die Landtage kontrollieren die Vollziehung in politischer und finanzieller Hinsicht:

Der Nationalrat und die Landtage haben auch ein rechtliches Kontrollrecht: Ein Regierungsmitglied kann wegen schuldhafter Gesetzesverletzung beim Verfassungsgerichtshof angeklagt werden. Weiters kann der Nationalrat die Bundesversammlung zwecks Erhebung einer Anklage gegen den Bundespräsidenten einberufen.

Fragerecht

Nationalrat und

Landtage kontrollie-

ren die Vollziehung

Resolutionsrecht

Enqueterecht

Misstrauensvotum

politisch

finanziell

Bundes (Landes)

voranschlag

Bundes (Landes)

Rechnungsabschluss

Rechnungshof

in den Ländern zu-

sätzlich: Landesrech-

nungshöfe

Page 63: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die rechtliche Kontrolle besteht ansonsten im Wesentlichen in der Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und die Verwaltungsgerichte. Der Verfassungsgerichtshof prüft die Rechtmäßigkeit von Verordnungen sowie die Verfassungsmäßigkeit individueller Verwaltungsakte. Der Verwaltungsgerichtshof und die Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder prüfen die Rechtmäßigkeit der übrigen Verwaltungsakte. Die Volksanwaltschaft ist ein Kontrollinstrument der besonderen Art und prüft Missstände in der Verwaltung.

Die politischen Kontrollrechte Fragerecht (Interpellationsrecht): Die Mitglieder des Nationalrates bzw der Landtage dürfen die Regierungsmitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung befragen und alle einschlägigen Antworten verlangen. Entschließungsrecht (Resolutionsrecht): Das Resolutionsrecht besteht darin, dass der Nationalrat bzw die Landtage ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck geben können. Anhörungsrecht (Enqueterecht): Der Nationalrat (die Landtage) kann (können) durch Beschluss Untersuchungs-ausschüsse und auf diese Weise Angelegenheiten der Bundesvollziehung (Landesvollziehung) einer Überprüfung unterziehen. Die Gerichte und alle anderen Behörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten. Alle öffentlichen Ämter haben auf Verlangen ihre Akten vorzulegen. Im Salzburger Landtag kann bereits ¼ der Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss verlangen. Gegenüber einem Untersuchungsausschuss besteht die strafrechtlich sanktionierte Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage. Ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht! Er ist nur zur Feststellung von

tatsächlichen Verhältnissen und ihrer Bekanntgabe an den Nationalrat (Landtag) befugt.

Info: Von dieser Art des Enqueterechts unterscheidet sich die parlamentarische Enquete. Diese kann über Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Bundes- bzw Landessache ist, abgehalten wurde. Die Enquete besteht in der Einholung schriftlicher Äußerungen sowie Anhörung von Sachverständigen und anderen Auskunftspersonen. Die parlamentarische Enquete ist kein Kontrollinstrument; sie dient nur zur Information der Abgeordneten. Misstrauensvotum: Der Nationalrat bzw die Landtage können der Bundes- bzw Landesregierung oder einzelnen Mitgliedern derselben – ohne besondere Gründe – das Vertrauen entziehen. Zu einem Beschluss des Nationalrates, mit dem das Vertrauen versagt wird, ist die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder erforderlich.

Page 64: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die finanzielle Kontrolle: Budget und Rechnungsabschluss: Alljährlich wird vom Nationalrat bzw vom Salzburger Landtag festgelegt, welche Ausgaben von der Regierung geleistet werden dürfen und welche Einnahmen in diesem Jahr erzielt werden sollen (Voranschlag). Die Verwaltung ist an diese Festlegung gebunden. Die Prüfung, ob die Voranschläge eingehalten wurden, erfolgt durch die Rechnungsabschlüsse. Der Rechnungshof: Der Rechnungshof überprüft die gesamte Staatswirtschaft des Bundes, ferner die Gebarung der von Bundesorganen verwalteten Stiftungen, Fonds und Anstalten, sowie von Unternehmungen, an denen der Bund allein oder zusammen mit anderen vom Rechnungshof zu überprüfenden Körperschaften mit mindestens 50 % beteiligt ist. Im selben Umfang überprüft der Rechnungshof die gesamte Gebarung der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden ab 10.000 Einwohnern. Über Antrag der Landesregierung kann der Rechnungshof auch fallweise die Gebarung von Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern überprüfen. Die Überprüfung des Rechnungshofes bezieht sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Rechtmäßigkeit, sowie die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Der Rechnungshof untersteht unmittelbar dem Nationalrat und ist von der Bundesregierung und den Landesregierungen unabhängig. Er ist in Angelegenheiten der Bundesgebarung als Organ des Nationalrates, in Angelegenheiten der Länder und Gemeinden als Organ des Landtages tätig. Der Salzburger Landesrechnungshof: Zusätzlich zum Rechnungshof (des Bundes) ist für Salzburg ein Landesrechnungshof eingerichtet. Er überprüft ua die Gebarung des Landes und von Einrichtungen mit entsprechender Landesbeteiligung sowie auch die Gebarung von Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern. Der Landesrechnungshof ist ein Organ des Salzburger Landtages. Die Landesregierung kann jedoch den Landesrechnungshof ersuchen, eine Überprüfung einer Gemeinde (oder eines Gemeindeverbandes) durchzuführen. Bei Durchführung eines solchen Sonderauftrages gilt der Landesrechnungshof als eine dem Amt der Salzburger Landesregierung einbezogene Einheit und wird im Rahmen der Gemeindeaufsicht des Landes tätig!

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Die rechtliche Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte, den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof Zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit („9+2-Modell“) Seit 2014 besteht eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit und im Gegenzug wurden die administrativen Instanzenzüge abgeschafft. Eine Ausnahme ist für den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden vorgesehen (siehe unten). Gegen die von einer Verwaltungsbehörde erlassenen Bescheide kann Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht erhoben werden, welches idR in der Sache selbst entscheidet (reformatorisch). Neben zwei Verwaltungsgerichten des Bundes wurde in jedem Bundesland ein Lan-desverwaltungsgericht eingerichtet („9+2“ Modell). Die Zuständigkeiten der Bundes-verwaltungsgerichte sind abschließend aufgezählt. Den Landesverwaltungsgerichten kommen alle übrigen Angelegenheiten zu (subsidiäre Allzuständigkeit). Die Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte unterliegen der Kontrolle durch den Verwaltungs- bzw den Verfassungsgerichtshof. Regelung des Instanzenzuges in den Salzburger Gemeinden Bei den Salzburger Gemeinden (ausgenommen die Stadt Salzburg) blieb ab 2014 in Vollziehung von Landesrecht der bisherige („innergemeindliche“) Instanzenzug zu-nächst erhalten. Gegen den Bescheid des Bürgermeisters ist hier also weiterhin eine Berufung an die Gemeindevertretung bzw -vorstehung zulässig. Erst gegen die Ent-scheidung der 2. Instanz kann dann das Rechtsmittel der Beschwerde an das Lan-desverwaltungsgericht erhoben werden. Die Gemeindevertretungen konnten/können Beschluss fassen, ob sie den „innerge-meindlichen Instanzenzug“ aufgeben. Zum Stand 1.1.2021 haben die Gemeinden Filzmoos, Goldegg, Hollersbach, Mittersill, Oberalm, Oberndorf, Puch, Rauris, St. Margarethen, Schwarzach, Uttendorf, Wald, Werfen und Zell am See auf den „in-nergemeindlichen Instanzenzug“ verzichtet. In diesen Gemeinden kann gegen erstin-stanzliche Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungs-gericht erhoben werden.

Wofür sind die Verwaltungsgerichte sachlich zuständig? Die Verwaltungsgerichte erkennen ua über: Beschwerden gegen Bescheide wegen ihrer Rechtswidrigkeit

(Bescheidbeschwerden), Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Be-

fehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit (Maßnahmenbeschwerden),

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwal-tungsbehörde (Säumnisbeschwerden).

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Die zwei Verwaltungsgerichte des Bundes Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Beschwerden in Rechts-

sachen der unmittelbaren Bundesverwaltung (zB Asyl- und Fremdenrecht, Ausländerbeschäftigungsgesetz…)

Das Bundesfinanzgericht entscheidet im Wesentlichen über Beschwerden bei „Steuerangelegenheiten“. (Von der Zuständigkeit ausgenommen sind die Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden.)

Die neun Landesverwaltungsgerichte Die neun Landesverwaltungsgerichte sind ua zuständig

für alle Angelegenheiten, die in Landesvollziehung besorgt werden (wie zB Naturschutz, Jagdrecht, Baurecht…);

für alle Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung vom Landes-hauptmann oder Bezirksverwaltungsbehörden (wie zB Gewerberecht, Wasser-recht, Forstrecht) besorgt werden.

für alle Angelegenheiten des eigenen und des übertragenen Wirkungsbe-reichs der Gemeinden

für alle Verwaltungsstrafsachen. Der Verwaltungsgerichtshof: Der Verwaltungsgerichtshof ist ua zur Entscheidung berufen: über Revisionen gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichts. Über die Zulässigkeit der Revision entscheidet das Verwaltungsgericht. Es wird daher zwischen ordentlicher und außerordentlicher Revision entschieden. Die Revision ist binnen sechs Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Dieses trifft vor der Befassung des Verwaltungsgerichtshofes bestimmte Vorentscheidungen. Der Verwaltungsgerichtshof kann die Revision mit Erkenntnis als unbegründet abweisen, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufheben oder in der Sache selbst entscheiden (reformatorische Entscheidung). über Fristsetzungsanträge, bei Verletzung der Entscheidungspflicht durch ein Verwaltungsgericht. Ein Fristsetzungsantrag kann nur dann gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht binnen einer Frist von sechs Monaten nicht entschieden hat. Der Fristsetzungsantrag ist beim Verwaltungsgericht einzubringen. Der Verwaltungsgerichtshof setzt dem Verwaltungsgericht eine angemessene Frist zur Nachholung der Entscheidung, wird aber selbst nicht in der Sache zuständig. (Hinweis: Der Verwaltungsgerichtshof kann bei einem

Fristsetzungsantrag also nicht die Entscheidung anstelle des Verwaltungsgerichts vornehmen. Wenn das Verwaltungsgericht den Auftrag zur Nachholung der Entscheidung missachtet, kann dies nur im Wege der Amtshaftung geahndet werden.)

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Der Verfassungsgerichtshof: Im obliegen eine Reihe von Zuständigkeiten, die im B-VG erschöpfend aufgezählt sind. Unter anderem erkennt der Verfassungsgerichtshof über: die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen. Zum Beispiel kann auch eine Gemeinde an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Überprüfung einer Aufhebungsverordnung der Aufsichtsbehörde stellen, Beschwerden gegen Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten soweit der Beschwerdeführer behauptet, dadurch a) in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder b) wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung oder c) wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes oder d) wegen Anwendung eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein.

Volksanwaltschaft Die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft erstreckt sich auf die Bundesverwaltung sowie auf die Landesverwaltung dort, wo die Länder durch Landesverfassungs-gesetz die Volksanwaltschaft für den Bereich der Verwaltung für zuständig erklärt haben. Im Land Salzburg ist dies geschehen. (Tirol und Vorarlberg haben dagegen eigene Landesvolksanwälte eingerichtet). Auch die Bundes- und Landesvollziehung durch die Gemeinden obliegt somit der Kontrolle der Volksanwaltschaft!

Der Verfassungsgerichtshof ist zur

Entscheidung in allen verfassungs-

rechtlichen Streitfragen berufen.

Der Volksanwaltschaft obliegt die Prüfung von

Missständen in der Verwaltung. Sie ist ein Organ

des Nationalrates und der Landtage. Ihre Zustän-

digkeit erstreckt sich sowohl auf die Hoheitsverwal-

tung als auch auf die Privatwirtschaftsverwaltung.

Page 68: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Das Beschwerderecht an die Volksanwaltschaft steht ohne zeitliche Begrenzung jedermann zu, der geltend machen kann, von behaupteten Missständen in der Verwaltung betroffen zu sein. In den Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung kann die Volksanwaltschaft erst dann angerufen werden, wenn keine ordentlichen oder außerordentlichen Rechtsmittel mehr zur Verfügung stehen. (Ob mögliche Rechtsmittel ausgeschöpft wurden oder nicht, ist dabei unwesentlich.) Die Befugnisse der Volksanwaltschaft erschöpfen sich vornehmlich im Recht zur Erteilung von Empfehlungen und der Möglichkeit zur Anfechtung von Verordnungen beim Verfassungsgerichtshof. Die Volksanwaltschaft kann vermutete Missstände in der Verwaltung auch von Amts wegen prüfen.

Die Empfehlungen der Volksanwaltschaft sind an die obersten

Vollzugsorgane der betroffenen Dienststellen bzw an betroffene

weisungsfreie Behörden zu richten. Diese Organe sind sodann

verpflichtet, binnen einer 8-Wochenfrist diesen Empfehlungen zu

entsprechen oder andernfalls schriftlich zu begründen, warum sie

der Empfehlung nicht entsprechen.

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Die Europäische Union (EU) Entwicklung: 1951: Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten gründen die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Dieser Vertrag trat 1952 in Kraft und

wurde auf 50 Jahre befristet. 1957: Die sechs EGKS-Staaten gründen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, heute: Europäische Gemeinschaft, EG)) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG oder Euratom). Bis 1986 treten den europäischen

Gemeinschaften noch Dänemark, Großbritannien, Irland, Griechenland, Spanien und Portugal bei. 1992: Durch den Vertrag von Maastricht wird die EU als Staatenverbindung begründet. Durch die EU soll letztendlich eine politische Union geschaffen werden. Grundlage der EU sind die drei genannten Gemeinschaften. Außer den Aufgaben, die diesen Gemeinschaften zukommen, bezweckt die EU auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres.

Der Vertrag (von Maastricht) über die EU („EUV“) ist am 1. November 2003 in Kraft getreten. 1995: Österreich, Schweden und Finnland treten der EU bei.

1997: Durch den Vertrag von Amsterdam weiterer Ausbau der EU. Unter anderem Aufwertung der Befugnisse des

Europäischen Parlaments und Intensivierung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Februar 2001: Unterzeichnung des Vertrages von Nizza:

Fortführung des 1997 eingeleiteten Erweiterungsprozesses der EU. Entwurf einer europäischen Grundrechtscharta. Der Vertrag von Nizza trat am 1. Februar 2003 in Kraft. 1. Jänner 2002: Euro Einführung:

Seit 2002 ist der Euro in 12 der 15 EU-Länder (in allen außer Dänemark, Schweden und England) als Bargeld in Verwendung. Juli 2002: Auslaufen der EGKS:

Seitdem unterliegt auch der gemeinsame Markt für Kohle und Stahl den Bestimmungen des Vertrages über die EG. Dezember 2002: Vertrag von Koppenhagen:

Erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen mit 10 Beitrittskandidaten. (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn und Zypern). Für Bulgarien und Rumänien ist das Jahr 2007 als Beitrittsdatum in Aussicht genommen. 2002/2003: EU-Konvent zur Erarbeitung einer EU-Verfassung:

Ziele zB: Abgrenzung und Neuordnung der verschiedenen Kompetenzen in der EU (auch unter Bedachtnahme auf das Subsidiaritätsprinzip); Vereinfachung der Politikinstrumente der EU; mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz in der EU. Im Juli 2003 hat der EU-Konvent den Vorschlag für eine europäische Verfassung vorgelegt.

1. Mai 2004: Beitritt von 10 neuen Mitgliedsstaaten (EU-Osterweiterung). 18. Juni 2004: Einigung auf den Text einer neuen EU-Verfassung.

2005: Vorläufiges Scheitern der neuen EU-Verfassung, da Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden negativ ausgingen. 1.1.2007: Bulgarien und Rumänien werden EU-Mitglieder. 2007: Unterzeichnung des EU-Reformvertrages (Vertrag von Lissabon), gilt seit dem 1.12.2009.

1.7.2013: Kroatien wird das 28. Mitglied der EU.

23.6.2016: Großbritanniens Bevölkerung votiert mehrheitlich für den Austritt aus der EU („Brexit“) .

1.2.2020: Nach endlosen Verhandlungen ohne konkretes Ergebnis verlässt Großbritannien die EU. Es läuft eine Übergangsfrist bis Ende 2020. 1.1.2021: Ein zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich „in letzter Minute“ ausverhandelter

Partnerschaftsvertrag tritt vorläufig in Kraft. Er stellt die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf eine neue Grundlage.

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Bekämpfung der Covid-19-Pandemie – Maßnahmen der EU:

Nach anfänglichen Alleingängen von Mitgliedstaaten arbeiten diese nun gemeinsam mit den Institutionen der EU verstärkt daran, die Pandemie zu bekämpfen.

Zum Stand Februar 2021 sind ua folgende Maßnahmen beabsichtigt:

Koordinierung von Reisebestimmungen

Verlangsamung der Ausbreitung von Covid-19

Forcierung der Zulassung und Produktion von Impfstoffen

Unterstützung der Gesundheitssysteme in der EU

Schutz von Arbeitsplätzen

Unterstützung der am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige

Eine Partnerschaft zur weltweiten Unterstützung

Was ist neu seit dem „Vertrag von Lissabon“ aus 2007? (gültig seit 1. September 2009) die Ausstattung der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit eine Ausweitung der gesetzgeberischen Zuständigkeiten des

Europäischen Parlaments die Ausweitung der Mehrheitsenscheidungen im Rat der EU das neue Amt des Präsidenten des Europäischen Rates, der

künftig für je zweieinhalb Jahre vom Europäischen Rat ernannt wird

die Einführung eines „EU-Außenministers” (Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik)

eine Verschärfung der Beitrittskriterien die Regelung des freiwilligen Austritts von Mitgliedstaaten

aus der EU.

Page 71: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Die EU – eine supranationale Organisation

Die EU ist kein (Bundes-)Staat, sondern ein Staatenverband, an den gewisse Aufgaben zur gemeinsamen Wahrnehmung abgegeben sind. Näheres dazu regeln zwei zwischen den Mitgliedsstaaten abgeschlossene Verträge: EUV (Vertrag über die EU): enthält grundsätzliche Regelungen

AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU): enthält die

Detailbestimmungen Mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind auf EU-Ebene:

die Europäische Union (EU)

die Europäische Atomgemeinschaft (EAG)

Als supranationale Organisationen verfügen die EU und die EAG über Hoheitsrechte, welche ihnen von den Mitgliedsstaaten übertragen wurden. Dies bedeutet, dass diesen Organisationen in bestimmten Bereichen die Befugnis zukommt, unmittelbar verbindliche Normen für die Mitgliedsstaaten zu erlassen. Nicht supranational, sondern auf der Basis zwischenstaatlicher Zusammenar-beit ist in der EU die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) organisiert. Für diesen Bereich gelten besondere Bestimmungen und Verfahren. Der Europäische Gerichtshof ist grundsätzlich nicht zur Überprüfung der im Rahmen der GASP gefassten Beschlüsse befugt.

Die Beitrittvoraussetzungen

Jeder Staat, dessen Hoheitsgebiet zumindest teilweise in Europa liegt, kann unter folgenden Voraussetzungen einen Beitrittsantrag stellen: Politische Voraussetzungen Der Beitrittswerber muss die Werte der EU respektieren und fördern: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Minderheitsrechte.

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Wirtschaftliche Voraussetzungen Der Beitrittswerber muss sich zu einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung mit freiem Wettbewerb (=Wirtschaftsordnung der EU) bekennen. Rechtliche Voraussetzungen Der Beitrittswerber muss bereit sein, als neuer Mitgliedsstaat das gesamte Recht der EU zu übernehmen. Übergangsfristen können vereinbart werden. Des Weiteren müssen die sogenannten „Kopenhagener Kriterien” erfüllt sein:

Institutionelle Stabilität als Garantie für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechts- und Minderheitenschutz;

Funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standhalten zu können;

Übernahme der aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen sowie der Ziele der Politischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion.

Austritt/Ausschluss aus der EU: Jeder Mitgliedsstaat kann aus der EU austreten. Eine diesbezügliche Absicht ist dem Europäischen Rat mitzuteilen. Die EU handelt mit dem austretenden Staat die Einzelheiten des Austritts aus. In diesem Abkommen werden auch die künftigen Beziehungen der EU zum austretenden Staat festgelegt. Kommt ein Abkommen nicht zustande, finden die Unionsverträge jedenfalls zwei Jahre nach der Austrittsmitteilung auf den ausgetretenen Staat keine Anwendung mehr (Frist verlängerbar).

Der Ausschluss eines Mitgliedsstaates ist in den Verträgen nicht geregelt. Die Rechtswissenschaft erachtet einen Ausschluss dann für zulässig, wenn ein Mitgliedsstaat dauerhaft von den gemeinsamen marktwirtschaftlichen und demokratisch-rechtsstaatlichen Grundsätzen

abweicht.

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Die Organe der EU Europäischer Rat Zusammensetzung: Staats- oder Regierungschefs aller Mitgliedsstaaten, Präsident der Kommission, Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Aufgaben: Der Europäische Rat bestimmt die politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU. Vorsitzführung: Der Europäische Rat wählt sich einen Vorsitzenden (Präsidenten) auf zweieinhalb Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist erlaubt. Beschlussfassung: In der Regel gilt das Konsens-Prinzip, dh ein Beschluss kommt dann zustande, wenn niemand dagegen ist. Erfolgt ausnahmsweise eine formale Abstimmung, dann sind die Präsidenten des Europäischen Rates und der Kommission sowie der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik nicht stimmberechtigt. Rat der EU: Zusammensetzung: Der Rat (der EU) setzt sich aus je einem bevollmächtigten Vertreter jedes Mitgliedsstaates auf Ministerebene zusammen. Als Minister treten in der Praxis die jeweils kompetenten Fachminister auf. Für Österreich ist vorgesehen, dass ausnahmsweise auch ein Mitglied der Landesregierung als Ratsmitglied fungieren kann. Hauptaufgabe: Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament ist der Rat der „Gesetzgeber der EU”. (Das Recht, Gesetze vorzuschlagen,

hat im Regelfall aber nur die Kommission!).

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EU-Kommission: Zusammensetzung: Die Kommission ist ein Kollegialorgan, deren Mitglieder (EU-Komissare) gegenüber ihren Herkunftsländern weisungsfrei agieren. Die EU-Kommission setzt sich aus 27 Kommissaren, je einem aus jedem Mitgliedsstaat, zusammen. Einige wichtige Aufgaben: Die Kommission

ist der „Motor der EU” und hat im Regelfall das ausschließ-liche Recht zur Gesetzesinitiative. Durch dieses Vorschlagsmonopol („Initiativmonopol“) soll das ordnungsgemäße Funktionieren und die kontiniuierliche Entwicklung der EU gewährleistet werden.

darf Durchführungsbestimmungen zu den EU-Gesetzen erlassen. entwirft und verwaltet den EU-Haushalt. verwaltet die diversen Fonds der EU. übt die Wettbwerbsaufsicht aus. Sie untersagt zB Kartelle oder

verhängt Bußgelder. ist die „Hüterin der Verträge”: Sie überwacht die Umsetzung des

EU-Rechts in nationales Recht. Bei Verstößen kann sie den Europäischen Gerichtshof anrufen und gegen den betreffenden Mitgliedsstaat ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengen.

Europäisches Parlament Zusammensetzung: Das Europäische Parlament besteht seit aus 705 Abgeordneten, die von der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten auf jeweils fünf Jahre direkt gewählt werden. Österreich stehen 19 Abgeordnete zu. Wichtige Aufgaben:

Vertretung der Interessen der Bevölkerung auf EU-Ebene Gesetzgebung der EU gemeinsam mit dem Rat Beschluss über den Haushaltsplan (Jahresbudget) der EU Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplans, Kontrolle der Kommission,

Recht zu Anfragen an die Kommission Wahl des Kommissonspräsidenten und Zustimmungsrecht betreffend

die Bestellung des gesamten Kommissionskollegiums Möglichkeit eines Misstrauensantrages betreffend die gesamte

Kommission (nicht aber hinsichtlich einzelner Kommissare) Aufnahme weiterer Mitgliedsstaaten nur mit Zustimmung des

Parlaments.

Page 75: Österreichisches Verfassungsrecht - Salzburg

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Europäischer Gerichtshof Dem Europäischen Gerichtshof kommt die Aufgabe der Rechtskontrolle bei der Auslegung und Anwendung des EU-Rechts zu. Er entscheidet

in letzter Instanz. Er ist zuständig für

direkte Klagen, die zB von der Kommission, dem Europäischen Rat, dem Rat, dem Parlament, einem Mitgliedsstaat oder auch von Einzelpersonen unter bestimmten Voraussetzungen eingebracht

werden können. Vorabentscheidungsverfahren: Letztinstanzliche Gerichte der Mitgliedsstaaten

können bei offenen Fragen über die Auslegung von EU-Recht den EuGH um eine Vorabentscheidung ersuchen. Das ersuchende Gericht muss in weiterer Folge die vom EuGH entschiedene Auslegung in seinem Urteil berücksichtigen.

Europäischer Rechnungshof Zusammensetzung: Der Europäische Rechnungshof besteht aus einem Staatsangehörigen je Mitgliedsstaat. Die Mitglieder werden auf sechs Jahre ernannt, können wiederernannt werden und üben ihr Amt in voller Unabhängigkeit aus. Aufgaben: Der Rechnungshof prüft die Einnahmen und Ausgaben der Union auf Rechtmäßigkeit (Einnahmen und Ausgaben müssen auf die Rechtsakte der Union zurückzuführen sein) und Ordnungsmäßigkeit (Ausgaben müssen mit Zahlungsermächtigungen übereinstimmen). Der Rechnungshof überzeugt sich außerdem, ob die Haushaltsführung der EU wirtschaftlich bzw sparsam ist. Er erstellt nach Abschluss eines jeden Haushaltsjahres einen Jahresbericht. Er kann zu bestimmten Bereichen Sonderberichte erstellen oder auf Antrag eines EU-Organes Stellungnahmen abgeben. Er unterstützt das Europäische Parlament und den Rat bei der Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplanes.

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Die vier Freiheiten der EU

Auf Grund des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gelten in der EU folgende “vier Freiheiten” des Binnenmarktes: Freiheit des Warenverkehrs Die EU bildet eine Zollunion. Innerhalb der EU gibt es keinerlei Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen und gegenüber Drittländern einen gemeinsamen Zolltarif. Freiheit des Personenverkehrs Alle Unionsbürger genießen innerhalb der EU Niederlassungsfreiheit bzw die Freiheit der Arbeitsplatzauswahl. Geregelt ist aber insbesondere die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, soweit diese zur Berufsausübung erforderlich sind. Die Freiheit des Personenverkehrs bedeutet etwa für eine Gemeinde, dass sie ohne weiteres Bürger anderer EU-Mitgliedsstaaten als Vertragsbedienstete einstellen kann. Ausgenommen davon sind nur Positionen, für die wegen der Besorgung von hoheitlichen Aufgaben die österreichische Staatsbürgerschaft Voraussetzung ist (zB Amtsleiter). Freiheit des Dienstleistungsverkehrs Dienstleistungen (zB von Bauunternehmungen, Banken, Reiseveranstaltern, Versicherern oder Energieversorgern) dürfen innerhalb der EU uneingeschränkt angeboten werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass öffentliche Auftraggeber (so auch die Gemeinden) ab einem bestimmten Auftragswert einen Auftrag EU-weit ausschreiben müssen. Eine einseitige Bevorzugung von örtlichen Unternehmungen wäre verboten. Beispiel: Die Gemeinde X errichtet ein Gemeindezentrum um 5,1 Mio Euro. Dieser Bauauftrag muss EU-weit ausgeschrieben werden. Freiheit des Kapitalverkehrs Wo es keine Grenzen für Waren, Personen und Dienstleistungen gibt, müssen zwangsläufig auch alle Beschränkungen für den Kapital- und Zahlungsverkehr von Land zu Land aufgehoben werden. Diese Frei-heit umfasst das Recht, Vermögen in andere Mitgliedsstaaten zu transferieren und dort anzulegen, sich an Kapitalgesellschaften zu beteiligen und diesem Zweck Anteile an Rechten (Produktionsmittel oder auch Grundstücke) zu erwerben. Auch der Grundstückserwerb zu privaten Zwecken unterliegt den unionsrechtlichen Bestimmungen, die die Kapitalverkehrs-freiheit sicherstellen. Der Euro ist zum Stand 1.1.2021 in 19 von 27 EU-Mitgliedsländern als Bargeld eingeführt.

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Die Rechtssetzungsakte der EU Primäres Unionsrecht: Unter primärem Unionsrecht bzw Primärrecht versteht man vor allem jene Bestimmungen, die in den Verträgen festgelegt sind. Die wichtigsten Verträge sind der Vertrag über die Europäische Union (EUV), der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), sowie die verschiedenen Beitrittsverträge. Sekundäres Unionsrecht: Alle jene Rechtsakte, die von den Unionsorganen aufgrund des Primärrechts erlassen werden, sind sekundäres Unionsrecht (bzw Sekundärrecht), und zwar: Die Verordnung ist eine abstrakte generelle Anordnung, welche die beabsichtigte Regelung bereits selbst enthält. Sie entspricht dem Gesetz in der innerstaatlichen Rechtsordnung. Das Wesentliche der Verordnung liegt also darin, dass sie bereits unmittelbar wirkt und keiner Transformation in das nationale Recht bedarf. Die Verordnung geht also notfalls dem nationalen Recht vor (auch dem Verfassungsrecht) und ist daher unmittelbar von jeder Gerichts- und Verwaltungsbehörde, also auch von den Gemeindebehörden, anzuwenden. Die EU-Verordnungen treten, falls sie nicht selbst anderes bestimmen, am 20. Tag nach ihrer Kundmachung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Die Richtlinie ist ebenfalls ein Rechtssetzungsakt generellabstrakter Art. Sie wirkt aber im Gegensatz zur Verordnung nicht unmittelbar, sondern sie legt nur das zu erreichende Ziel fest und überlässt es den Mitgliedsstaaten, die Transformation in das nationale Recht durchzuführen. Adressat ist also der Mitgliedsstaat. Die Richtlinie wirkt also nicht schon von sich aus und ist ausnahmsweise nur dann unmittelbar anzuwenden, falls der Mitgliedsstaat die Richtlinie nicht oder nicht zeitgerecht oder

nicht vollständig umsetzt und die Richtlinie so bestimmt ist, dass sie Grundlage des behördlichen

Handelns sein kann. Die Dienstleistungsvergaberichtlinie der EU war vom Bund und von einigen Ländern (darunter Salzburg) mangels fristgerechter Umsetzung längere Zeit direkt anzuwenden.

Neben den Verordnungen und Richtlinien gibt es als sekundäres Unionsrecht noch die Beschlüsse (sind für die Adressaten verbindlich) sowie Empfehlungen und Stellungnahmen (das sind nicht verbindlich Rechtsakte).

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Der Weg der EU-Gesetzgebung

Gesetzesvorschlag der Kommission

Europäisches Parlament und Rat beraten in jeweils bis zu drei Lesungen über den Vorschlag und beschließen nach den allgemeinen Abstimmungsgrundsätzen (Parlament mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, Rat mit qualifizierter Mehrheit), sofern die Verträge nichts anderes vorsehen.

Kommt es in erster oder zweiter Lesung zu keiner Einigung, aber

auch nicht zum Scheitern, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen. Dieser besteht aus den Mitgliedern des Rates und aus ebenso vielen des Parlaments (derzeit jeweils 28). Der Vermittlungsausschuss soll binnen sechs Wochen eine Einigung auf der Grundlage der Standpunkte von Rat und Parlament herbeiführen. Scheitert der Vermittlungsausschuss, gilt der vorgeschlagene Rechtsakt als nicht erlassen.

Einigt sich der Vermittlungsausschuss auf einen gemeinsamen

Entwurf, muss dieser von Rat und Parlament in jeweils dritter Lesung binnen sechs Wochen angenommen werden, widrigenfalls der vorgeschlagene Rechtsakt wiederum als nicht erlassen gilt.

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Die Bundesländer und die Gemeinden im Verhältnis zur EU:

Die Länder haben in ihrem selbständigen Wirkungsbereich alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, insbesondere die Erlassung von Gesetzen und Verordnungen zwecks Umsetzung von Rechtsakten im Rahmen der Europäischen Union. Kommt ein Land dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach und wird dies von einem Gericht im Rahmen der EU gegenüber Österreich festgestellt, so geht die Zuständigkeit auf den Bund über. Sobald das Land die erforderliche Maßnahme getroffen hat, tritt die Bundesmaßnahme außer Kraft.

Der Bund hat die Länder unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der EU, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder berühren oder sonst für sie von Interesse sein könnten, zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Gleiches gilt zu Gunsten der Gemeinden, soweit der eigene Wirkungsbereich oder sonstige wichtige Interessen der Gemeinden berührt werden. Die Vertretung der Gemeinden obliegt in diesen Angelegenheiten dem Österreichischen Städtebund und dem Österreichischen Gemeindebund. Einheitliche Stellungnahmen der Länder in Angelegenheiten, die die Landesgesetzgebung betreffen, sind für den Bund bindend. Ausschuss der Regionen: Dieser Ausschuss ist kein Organ der EU, sondern zählt zu den „sonstigen Ein-richtungen”. Aufgaben: Der Ausschuss der Regionen genießt Anhörungsrechte und das Recht auf Stellungnahme. Er beschäftigt sich mit der Wahrung der Rechte der einzelnen Regionen in der EU. Er hat in bestimmten Fällen das Recht, wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips Klage an den EuGH zu erheben. Dieses Prinzip besagt im Wesentlichen, dass die Mitgliedsstaaten bzw die Regionen für alle Angelegenhei-ten, die sie selber gut machen können, auch selber zuständig sein sollen. Auf EU-Ebene soll demnach nur das (zentralistisch!) geregelt wer-den, was notwendigerweise im gesamten EU-Raum einheit-lich gelten soll. (Vergleiche in diesem Zusammenhang auch die „Generalklausel“ beim eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden.) Österreich stellt von den 329 Mitgliedern zwölf (je ein Mitglied pro Bundesland sowie drei Mitglieder, die von Städte- und Gemeindebund benannt werden).