Stilkunde 2.Semester

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Liebe Studentinnen und Studenten! Ich mache Sie hiermit darauf aufmerksam, dass das Skriptum (von Studentinnen und Studenten des Jahrgangs 2006/07 angefertigt) nicht den gesamten Semesterstoff abdeckt. Die Prüfungsfragen richten sich nach den in der Vorlesung durchgenommenen Lerninhalten. Mit herzlichen Grüßen Rudolf Jungwirth DIE BAROCKE PHRASIERUNG Die barocke Phrasierung hat in der Sprache ihre Entsprechung im Satzbau. (Hauptsatz, Nebensätze, Beifügungen ...) In der Sprache: durch Satzzeichen (Beistrich, Punkt...). Joh. Mattheson (18. Jh.) bezeichnet die Musik als Klangrede; Musik sei eine „echte und jedem (also international) verständliche Sprache“! Die Akzentuierung erfolgte vor allem durch ein Betonungs- und Regelsystem. Sie war das wichtigste Regulativ in der Dynamik (1600-1800). Es wurden nur sehr selten p und f Zeichen angegeben; entscheidend für die Dynamik war die Sprachlichkeit der Musik. Die GRUNDAKTZENTUIERUNG (ca. 1600-1650) Die Musik vor 1600 (z.B.: Renaissance) wird nicht nach diesem Schema akzentuiert. (Das Denken in Takten ist dieser Musik fremd – Volkalpolyphonie) Die Barockzeit entwickelt den sogenannten Akzentuierungstakt (unterschiedliche Betonung der jeweiligen Taktschläge) 1. Grammatikalischer Akzent Ist das Fundament der Akzentuierung! Im Großen: Taktarten C (=Halbkreis) (4/4) 1 2 3 4 - zwei Akzente! Unser heutiges alla breve Zeichen (2/2) 1 2 3 4 nur 1 Akzent; in Bezug auf den 4/4 Takt bedeutet das nicht, dass das Tempo doppelt so schnell zu nehmen ist! (dies trifft nur zu,

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Stillkunde und Aufführung Praxis

Transcript of Stilkunde 2.Semester

Liebe Studentinnen und Studenten!

Ich mache Sie hiermit darauf aufmerksam, dass das Skriptum (von Studentinnen und Studenten des Jahrgangs 2006/07 angefertigt) nicht den gesamten Semesterstoff abdeckt. Die Prfungsfragen richten sich nach den in der Vorlesung durchgenommenen Lerninhalten.

Mit herzlichen Gren

Rudolf Jungwirth

DIE BAROCKE PHRASIERUNG

Die barocke Phrasierung hat in der Sprache ihre Entsprechung im Satzbau. (Hauptsatz, Nebenstze, Beifgungen ...) In der Sprache: durch Satzzeichen (Beistrich, Punkt...).

Joh. Mattheson (18. Jh.) bezeichnet die Musik als Klangrede; Musik sei eine echte und jedem (also international) verstndliche Sprache!

Die Akzentuierung erfolgte vor allem durch ein Betonungs- und Regelsystem. Sie war das wichtigste Regulativ in der Dynamik (1600-1800). Es wurden nur sehr selten p und f Zeichen angegeben; entscheidend fr die Dynamik war die Sprachlichkeit der Musik.

Die GRUNDAKTZENTUIERUNG (ca. 1600-1650)

Die Musik vor 1600 (z.B.: Renaissance) wird nicht nach diesem Schema akzentuiert.

(Das Denken in Takten ist dieser Musik fremd Volkalpolyphonie)

Die Barockzeit entwickelt den sogenannten Akzentuierungstakt (unterschiedliche Betonung der jeweiligen Taktschlge)

1. Grammatikalischer Akzent

Ist das Fundament der Akzentuierung!

Im Groen: Taktarten

C (=Halbkreis) (4/4) 1 2 3 4 - zwei Akzente!

Unser heutiges alla breve Zeichen (2/2) 1 2 3 4 nur 1 Akzent; in Bezug auf den 4/4 Takt bedeutet das nicht, dass das Tempo doppelt so schnell zu nehmen ist! (dies trifft nur zu, wenn zustzlich zum halbkreis mit Diminutumstrich die Anweisung alla breve steht!!

Bei den 3er Takten gab es 3 verschiedene Akzentuierungsmglichkeiten:

1) schwer / leicht/ leicht

2) schwer/ leicht/ schwer

3) schwer/ schwer/ leicht

Welche Akzentuierung verwendet wurde, war von der Melodie abhngig!

6/8 und 12/8 Takte waren Sonderflle in der Grundakzentuierung!

Bach kombinierte hufig C 12/8 ( 2 Akzente ). Das bedeutete: 12/8 Takt mit der Grundakzentuierung des 4/4 Taks! Oder aber: C durchgestrichen 12/8 (nur 1 Akzent!!)

Im Kleinen: Rhythmische Figuren

Die Hierachie der Tne wurden in diesen Figuren bernommen!

Bei Lufen: schwer/ leicht/ schwer/ leicht oder schwer/ leicht/ leicht

Bei Verzierungen wurde das nicht mehr gemacht, da das Tempo zu schnell war!

2. Pathetischer Akzent

Hatte auch 2 Bedeutungen: Er war

1.) die Verstrkung des Grammatikalischen Akzentes und

2.) ein Entgegenwirken des Grammatikalischen Akzentes (Synkope, dissonante Akkorde).

3. Logischer Akzent

Ist eine Hervorhebung von formalen Strukturen welche eine neue Phrase bilden. Oft Akzentuierung durch die Harmonie gegeben (= Hemiole).

In verschiedenen Formen von Volksmusik, in der Popularmusik sowie dem Jazz ist es nach wie vor durchaus blich, dass sich die Ausfhrung einer przisen rhythmische Notation von dieser mehr oder weniger stark unterscheidet.

Franois Couperins Ausspruch Wir spielen anders als wir notieren! weist auf eine hnliche Praxis in der Barockzeit hin.

Feine rhythmischen Nuancen wurden nicht notiert. Das war zu kompliziert und gehrte zum Verantwortungsbereich des Interpreten und seines Guten Geschmacks.

Zwei gleich notierte Notenwerte (z.B. zwei Achtelnoten) wurden entweder (eher selten) ganz gleich (gal) gespielt; Achtelnote + Achtelnote = 1 : 1

oder (blicherweise) fhrte man diese Zweitongruppen ingal (ungleich) aus:

z.B.:

Punktierte Achtel + Sechzehntelnote = 3 : 1

Triolenviertel + Triolenachtel = 2 : 1

usw.

Bei Orgelwalzen finden wir sogar die Proportion 6:5 oder gar 7:6. (siehe unten)

Die umgekehrte Art: z.B.: Sechzehntel + punktierte Achtel nennt man Lombardischen Rhythmus. (In Frankreich seltener; in Italien hingegen eher die Norm.)

Quellen zur Ingalit:

am hufigsten in Frankreich. Franzsische Barockmusik wird auer bei der gegenteiligen Anweisung (z.B.: spiele gleiche Achtel: croches gales) im jeu ingal (ungleiches Spiel) ausgefhrt.

in Italien: der grundstzlich andere Fingersatz auf Tasteninstrumenten favorisiert

den lombardischen Rhythmus: Sechzehntelnote + punktierte Achtelnote

(meist traurig, seufzend, schluchzend)

Girolamo Frescobaldi: wenn eine von zwei Stimmen (in der Claviermusik) in Sechzehntelnoten und die andere Stimme in Achtelnoten notiert sind, sind die Sechzehntelnoten im lombardischem Rhythmus auszufhren. (Zweiunddreiigstel + punktierte Sechzehntel)

in Spanien: wenige Quellen

im deutschsprachigen Raum mehrere Quellen:

Ch. Bernhard, L. Mozart

L. v. Beethoven in seinem Handexemplar der Cramer-Etden

Eine besondere Quelle des spten 18. Jh. aus Frankreich:

Pre Joseph Engramelle baute Orgelwalzen (erste mechanische Musikaufzeichnung).

(Auch wichtige Quelle fr die Art der Artikulation in Frankreich im spten 18. Jh.)

Inegalit soll laut diversen Autoren (z.B. Fr. Couperin) der Musik mehr Grazie, Ausdruckskraft und Eleganz verleihen.

z.B. bei Achtelketten: 1. Achtelpaar: 1. Achtel quasi punktiert (mit folgender Sechzehntelnote)

2. Achtelpaar:quasi triolisch

3. Achtelpaar: schon nur mehr geringer Unterschied (leicht schwingend)

(d.h. die Punktierungen verebben in einer kurzen Phrase gleich notierter Notenwerte allmhlich.)

Regeln fr die Ingalit:

hngen von der Taktvorschreibung ab

Faustregel:

der nchst kleinere Wert unter der Zhlzeit wird ingalisiert

(z.B. 6/8 Takt: Sechzehntelnoten werden ingalisiert)

davon ausgenommen sind 3/4 (3/2) und 4/4 (2/2) Takt, hier wird der zweitkleinere Notenwert herangezogen, Sechzehntelnoten (bzw. Achtel im 2/2 u. 3/2 Takt)

Die Faustregel gilt ebenfalls nicht, wenn die kleinen Werte zu schnell sind

(nchstgrerer Wert wird ingalisiert) oder wenn im Stck so kleine Notenwerte vorkommen, dass sie von der Dauer her unter den ingal geforderten liegen, sodann werden die krzeren Noten ungleich gespielt. (Wenn diese noch nicht zu

schnell sind)

ber Ausfhrung der Inegalit entscheidet letztendlich der gute Geschmack; ist dem Interpreten berlassen.

Ausnahmen von der Ingalit: (Frankreich)

Hinweis des Komponisten (gal)

Punkte oder Keile ber mehreren ansonsten ingal zu spielenden Noten

Noten, die zu dritt zusammengefasst werden (Triolen)

Repetierende Noten

Gebundene Noten (teilweise gefordert, teilweise verboten)

Folgen von Intervallsprngen

Bassstimmen in Sarabanden (widersprchliche Quellenlage)

Notenwerte, die in die Kategorie Verzierungen bzw. Passagen fallen

DAS REZITATIV

ist eine Art Sprechgesang (einen Text rezitieren); freie Deklamation, Text steht im Mittelpunkt

es gibt 2 Arten von Rezitativen:

Rezitativo accompagnato (accompagnare begleiten)

von musikalischer Handlung her ist es dem Rez.secco hnlich, gravierender Unterschied:

das gesamte Ensemble begleitet (genau auskomponierte Textur)

Bsp.: alle Streicher + Basso Continuo

wird, wegen des doch groen Ensembles, dirigiert

Rezitativo secco (secco trocken)

wird nur von der Generalbassgruppe (Akkord- + Bassinstrument(e)) begleitet

z.B.: Cello + Orgel; oder ein bisschen erweitert: Kontrabass + Cello + Orgel)....

kein Dirigat notwendig, das Rezitativ wird vom Snger gefhrt.

Notation:

Italien

ist immer im 4/4 Takt notiert (Lange Basstne (+Harmonie) + rezitativische Melodiestimme

wird aber im Prinzip ohne Rcksicht auf den notierten Takt gesungen (wird daher nicht dirigiert);

die Musik folgt gleichsam dem Sprachrhythmus!

genauere rhythmische Notation wird in Deutschland blich z.B.: J. S. Bach)

man verwendete aber auch in Deutschland die ital. Art der Notation (4/4 Takt).

Frankreich

die freie Art des Musizierens der Italiener war den Franzosen zuwider, daher wird versucht (u.a. durch Jean Babtiste Lully) den natrliche Sprachfluss rhythmisch sowie mithilfe von Taktwechseln und durch Kombination unterschiedlicher Taktqualitten zu fassen. (z.B.: 3er Takt + 4er Takt = 7er Takt!)

Auffhrungspraxis

Im Barock entwickelten sich 3 Arten von Auffhrungsstilen des Rezitativo Secco:

1) Der Akkord kann verschieden lang ausgehalten werden. (z.B.: notierte Ganze = Viertel + punkt. Halbe Pause, etc.)

2) Der Akkord wird in voller Notationslnge ausgehalten (als bleibende Harmoniesttze)

3) Das Akkordinstrument spielt kurz, das Cello hlt den Ton aus. (ohne Vibrato!)

DIE ORNAMENTIK VERZIEHRUNGSLEHRE

der Tonsatz eines Stckes bildet quasi das Skelett; die Verzierung ist ein Teil der Interpretation

Jede Interpretation braucht also die Auslegung eines Satzes (vor allem eines langsamen, in dem die Verzierungen offensichtlich nicht notiert sind)

Manieren = Vernderung = Verzierungen (Ornamente)

Die Verzierungslehre wurde in Italien und in Frankreich unterschiedlich gelehrt und gehandhabt.

italienisch

franzsisch

Willkrliche Verzierungen

Wesentliche Verzierungen

Spielmanieren

Satzmanieren

Der Komponist berlsst dem Ausfhrenden viel Raum fr die IMPROVISATION

Alles wird durch den Komponisten im Satz festgehalten wenig bis KEIN Spielraum fr IMPROVISATION

frei

vorgegeben

Italien: Manieren sind improvisatorisch und dem

Spieler berlassen; eher frei gestaltet. (Passaggi)

Diese Verkleinerungen werden auch Diminutionen genannt und in seltenen Fllen auch ausgeschrieben. (Deutschland)

Frankreich: Vernderungen/Manieren werden in Tabellen in Form von Zeichen (Chiffren)

dargestellt und erklrt.

Der Komponist schreibt die Verzierungen quasi vor (auch bei J.S.Bach meist uerst genau).

1) Wesentliche Verzierungen (Fra.)

Tabellen variieren sehr stark zeitlich und regional (z.B.: England ganz anders als Frankreich)

WICHTIG: J. S. Bach

Verzierungstabelle aus Notenbchlein vor Wilhelm Friedemann Bach

Zu finden im Internet unter der Adresse:

http://icking-music-archive.org/scores/bach/explica.pdf

J. S. Bachs Verzierungstabelle ist franzsisch orientiert.

Triller: eine der wichtigsten und hufigsten Verzierungen

besteht aus Hauptnote plus obere Nebennote (zur Belebung der Hauptnote)

Es gibt viele verschiedene Varianten.

Der Triller beginnt (in franzsischer Musik) mit der oberen Nebennote (Dissonanz)!

Die Ausfhrung (Tempo) wird vom Affektgehalt des Musikstck bestimmt.

In Italien und auch im sddeutsch-sterreichischen Raum (Barock) wurde der Triller von der Hauptnote aus begonnen (blicher Kadenztriller auf einer Vorhaltsnote (Dissonanz)).

Verschiedene Trillerarten:

- Eintontriller (Cimbelo): Schneller werdende Tonrepetitionen. ...wie ein liebliches Sausen

- Groppo (Notengruppen): Leitton wird umspielt

- Tremblement simple = einfacher Triller, von oben

- Tremblement appuy (Sttztriller)

- Tremblement li:

die vorhergehende Note wird bergebunden (in die obere Nebennote des Trillers) daraus folgt ein etwas verzgerter Trillerbeginn (eigentlich von der Hauptnote aus)

Mordent Pinc = Triller in Gegenrichtung

Doppelschlag (Kurzform eines Trillers von oben mit Nachschlag) (siehe Bach-Tabelle)

zahlreiche Kombinationen von Doppelschlag, Triller und Mordent. (siehe Bach-Tabelle)

Langer Triller trillo lungo franz.: Tremblement continu

Notation: tr mit Wellenlinie ber den ganzen Noten oder berbundenen ganzen Noten.

Ist ein (Lrm)Triller, der ber die ganze Dauer durchgeschlagen wird.

Ribattutta Widerschlag - ist ein rhythmisches Einschlagen des Trillers, meist im lombardischen Rhythmus. (sehr pathetisch, ekstatisch) Bsp. nach Georg Muffat:

GroppoRibattutta

Ribattutta bei Bach:

(gut abgezogene 2. Sechzehntel): Ausfhrung auch:

Zeichen werden oft unterschiedlich verwendet. Triller: tr, t, Kreuz bedeutet auch eventuell Mordent oder sogar Vorschlag.

In England wird eine andere Notation verwendet:

Shake = Triller; Backfall + Shake = Sttztriller; Beat = Mordent

Georg Muffat und nach ihm auch andere sterreichische Komponisten wie z. B. Johann Josef Fux und Heinrich Schmelzer verwendeten eigene Trillerart: sie wird franzsisch (von oben) begonnen und bleibt auf der Hauptnote stehen. Notation: tv. Auch Bach bedient sich dieser Form, notiert sie aber wieder anders.

MuffatBach

Triller nie vor dem Schlag! (nicht antizipiert spielen!)

Vorschlag:

Zitat von Leopold Mozart:

Kein Bauer wrde ein einfaches Lied ohne Vorschlge singen

Es wird argumentiert, dass es in der Natur der Sache liegt, eine einfache Melodie mit Vorschlgen zu versehen. Ein Vorschlag ist meist improvisatorisch anzubringen, manchmal wird aber ausdrcklich von dem Komponisten gekennzeichnet:

Die kleinen Stichnoten (Vorschlagsnoten) sind in barocker Notation nie durchgestrichen und sind entweder von der oberen oder von der unteren Nebennote aus zu spielen. Vorschlag ist kurz oder variabel.

Zur Problematik der kurzen Vorschlge in der Barockmusik:

Carl Philipp Emmanuel Bach schreibt (1752): In der Zeit vor etlichen Jahren, seien die kleinen Ntchen alle Zeit kurz abgefertigt worden. (das hiee: kleine Stichnoten in barocker Notation immer kurz ausfhren!)

J. S. Bach hat mit kleinen Noten bezeichnete Vorschlge im Generalbass nicht bercksichtigt! (z.B. 4-3 oder 7-6...); das deutet auch auf eine kurze Ausfhrung hin!!

Dazu im Widerspruch stehen die Auflsungen der Vorschlagbgen in der Bachschen Verzierungstabelle (siehe dort unter Accent!)

Der Sachverhalt ist aufgrund mangelnder Quellenbelege bis heute umstritten!!

Die frhklassischen Komponisten klren fr ihre eigene Musik diese, in der Barockzeit nicht eindeutige Spielart:

Die Hauptnote wird in zwei gleiche Teile geteilt und so ausgefhrt: bei einer halben Note, werden zwei 1/4 Noten gespielt, bei punktierter Note bekommt der Vorschlag den doppelten Wert der Auflsung. (Dieses einfache Prinzip wird auf alle Notenwerte bertragen!)

Regeln zum kurzen Vorschlag, denn die Notation unterschied sich meist nicht vom langen Vorschlag!: Also, wann ist der Vorschlag kurz zu spielen:

Bei Tonwiederholungen

Am Anfang eines Musikstck (als Verziehung der ersten Note) (z.B.: W.A. Mozart Sonate a-moll fr Klavier, KV 310, 1. Satz)

Vor Motiven, die eindeutig eine rhythmische Prgnanz aufweisen (z.B.: vor Triolen)

Vorschlge vor Vorschlgen

Bei Sprngen

Alle anderen werden lang (variabel) gespielt.

Ausfhrung

Den kurzen Vorschlag kann man auf folgende zwei Arten spielen: etwas von dem Schlag (leichter, seufzend, beruhigend, traurig) oder direkt auf den Schlag (schrfer leicht verwechselbar mit dem lombardischen Rhythmus)

Der lange Vorschlag (pathetisch) ist immer gut gebunden, meistens berbunden berlegato auf Clavier-Instrumenten. Immer decrescendo zur Hauptnote hin. (Vorhalt Auflsung: forte piano)

Vorschag heit in Italien: Appoggiatura (vor allem in der Gesangskunst hufig verwendet!)

Franzsische Bezeichnung:

Port de voix Vorschlag von unten; Coul Vorschlag von oben.

Tierce coul (Vorschlge als Fllung von absteigenden Terzen) hufig!

Wurde in Frankreich und auch in Deutschland verwendet:

Vibrato (historische Bezeichnung: Tremolo)

Das Tremolo (Vibrato) wird in der Barockmusik als Verzierung eines Tones gesehen und ist hufig an einen Affekt (Trauer (Traurigkeit) oder Liebe (Lieblichkeit)) gebunden. Erst ab der Frhklassik wird das Vibrato aufgrund einer bewussten Klangverschnerung auf manchen (vor allem langen) Tnen verwendet. Leopold Mozart beschreibt drei Arten von Tremolo:

Langsames Tremolo (UUUU)

Schnelles Tremolo (uuuuuuuu)

Allmhlich schneller werdendes Tremolo (UUuuuu)

Bsp:

= langsames (mensuriertes) Vibrato (vergleiche: Orgeltremulant !)

Weitere, hufig verwendete wesentlicheVerzierungen:

Arpeggio: Einen Akkord auf Harfenart zerlegt spielen (von unten nach oben, von oben nach unten); eine franzsische Cembalospielart: Jeu harpge den gesamten Satz leicht arpeggiert spielen (Stimmen nie ganz zusammen anschlagen!: Polyphonie kommt besser zur Geltung)

Frhklassik: Anschlag, Schleifer

2.) Willkrliche Verzierungen (Italien): Diminution(en), Passaggo (-i)

Hufig gehrte in der Alten Musik das (improvisatorische) Erfinden von sogenannten Diminutionen (Ver- bzw. Zerkleinerungen) zum Aufgabenbereich der Interpreten. Diese Form der spontanen Verzierung wurde vor allem bei langsamen Stzen angewandt (bei Skelettstzen = ohne notierte Verzierungen).

Aber es gab auch Komponisten, die diese Art der freien Verzierungen aufschrieben (z.B.: J.S. Bach), vielleicht um zu vermeiden, dass ihr Werk nicht durch schlechte Interpreten verunstaltet werde (z.B. Italienisches Konzert; 2. Satz)

Natrlich will improvisiertes Verzieren gelernt sein!

1. Dazu beschftigt man sich heute am Besten mit historischen Lehrschriften (Tabellen mit zu benden, standardisierten Verzierungsfloskeln je nach zu verzierenden Intervallen) wie denen von Ganassi, Ortiz oder Bovicelli (siehe Quellentabelle 1. Semester), in denen alle wichtigen Methoden und Vorgehensweisen des Diminuierens erklrt werden.

Ein spteres Beispiel hiefr stellen die Tabellen von Joh. J. Quantz in im Anhang von dessen Fltenschule dar.

2. G. Ph. Telemann (Methodische Sonaten fr Violine (Flte) und B.c.), die aufgrund pdagogischer Absichten fr die langsamen Sonatenstze einen oder mehrere beispielgebende ausgezierte Stimmen beinhalten.

Die 2. verziert oder gendert aufgeschriebene Mglichkeit einer oder mehrerer Stimmen nennt man "Double". (J.S. Bach: Sarabanden in den Englischen Suiten fr Clavier).

3.

selbst mglichst viele verschiedene Variationen ein und desselben Skelettsatzes spielend erarbeiten und notieren,

oder

versuchen, durch Weglassen etwaiger Manieren aus dem bereits ausgeziert komponierten Satz, den ursprnglichen Skelettsatz fr Vergleichs- und bungszwecke freizulegen.

(J.S. Bach: Italienisches Konzert)

Affektenlehre:

Affektenlehre = die im Anschluss an Vorstellungen der Antike entwickelte Lehre, wonach Musik Affekte (seelische Zustnde, Leidenschaften) typisiert darstellen kann. Im musikalischen Barock wurde die Affektenlehre beherrschend fr die Musikanschauung: Melodik, Harmonik, Rhythmik, Tempo, Dynamik, sogar die Stilistik dienten der Affektdarstellung.

Affekte sind zeitweilige Strungen der Seelenruhe, Leiden der Seele, aber auch wie ein reinigendes Gewitter suchen sie den Menschen heim

Man kann (und muss) sie durch die Vernunft steuern!!

(Barockzeit = Epoche des Rationalismus; Mathematik gilt als das Ideal aller Erkenntnis)

Daraus folgt die Entwicklung eines Systems (bzw. einer Theorie) der Affecte

Spinoza (um 1660), Ren Descarts (1596 1650), Athanasius Kircher (Jesuit; 1601 1680)

Physiologische Begrndung der Affektenlehre nach Descarts; klingt heute sehr kurios: Gesamtentwurf einer umfassenden Welterklrung nach mathematischen und mechanischen Prinzipien!

(Half die Herrschaft der Affektenlehre bis weit ins 18. Jh. zu sichern und zu sttzen!)

Welt = Maschine; Tier- und Menschenkrper = Automaten; Gott = genialer Konstrukteur

(Musikautomaten und Komponiermaschinen wurden erfunden, auch mechanische Krippen....)

(Hellbrunn (Salzburg) hydraulisch bewegte Figurenwelt = Nachahmung der realen Welt (der gttlichen Schpfung) durch den Menschen.

Zum Regulativ der Affektenlehre wird die (antike) Temperamentenlehre

Welt besteht aus 4 Elementen (Feuer, Erde, Wasser, Luft)

Mensch besteht aus 4 Krpersften (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle)

berwiegt ein Saft so bilden sich folgende Temperamente mehr oder weniger stark aus:

Blut: Sanguiniker heiter

Schleim:Phlegmatiker trge

Gelbe GalleCholeriker aufbrausend

Schw. GalleMelancholiker melancholisch

Es gibt also eine (glaubt man) naturgesetzlich geregelte bereinstimmung zwischen musikalischer und seelischer Bewegung!

Die Affektwirkung der Musik verstrkt oder schwcht ab; je nach Temperament des Zuhrers!

Die 6 Grundaffecte: (nach Ren Descarts)

Verwunderung

Liebe (die ruhige, stille Liebe) konsonierende Harmonien, sanfte, angenehme

Melodien

Hass widerwrtige, raue Harmonien und Melodien

Begehren

Freude geschwinde Bewegung, lebhafte, triumphierende Melodien, weite Sprnge

bevorzugt, konsonierender harmonischer Grund

Traurigkeitlgs. Bewegung, matte, schlfrige Melodien, von vielen Seufzern unterbrochen,

enge Intervalle, dissonierende Harmonien vorherrschend

Mischungen der 6 Grundaffecte ergeben neue Affekte:

z.B.: Furcht, Angst, Bangigkeit (zitternde, unterbrochene Tne, Musik mehr in der Tiefe als Hhe)

Verzweiflung (hoher Grad an Furcht)

Schrecken pltzliche Furcht

Verlangen (Verdruss ber das Ausbleiben von Gutem) gezogene, matte Tne

Mitleiden, Erbarmen sanft, gelind, aber chzende und klagende Melodien, lgs. Bewegung

Oft lange liegende Tne

Lachen, Scherzen mit Tnen der Freude (s.o.)

Weinen mit Tnen der Traurigkeit (s.o.)

Ungeduld, Unruhe durch abwechselnde, verdrieliche Melodien

Schadenfreude, Verspottung wie Hass

In der Barockzeit wird in einem Stck (Satz, Arie ...) die Einheit eines Affects gesucht, bzw. ist zu suchen!

Im galanten Stil und Sturm und Drang (Frhklassik 1720 1760) beherrschen viele, schnell wechselnde Affekte die Musikstcke.

Ein Hauptmittel fr die Entwicklung des affektiven Stils wurde die Anwendung der

Rhetorik (Redekunst)

auf die Musik, wobei die Wurzeln dieser Entwicklung im Sprechgesang liegen.

Gemeint ist die auf Wirkung bedachte Rede (z.B. die auf Anklage bzw. Verteidigung bedachte Gerichtsrede, die Kirchenrede (Predigt), die philosophische Rede...)

Man forderte, dass der Aufbau des Musikstcks dem Aufbau der Rede (nach Mattheson z. B. Exordium, Narratio, Propositio, Confutatio, Confirmatio, Peroratio) und die einzelne musikalische Figur (z. B. Motiv) der Figur der Rede (Rede-Floskeln) entsprechen msse.

Es bildeten sich insgesamt ca. 220 solche sogenannte rhetorische Figuren (= Figurenlehre). Siehe unten.

Die Komposition ist folglich eine genau vorbereitete musikalische Rede. Die Musik muss von den ausfhrenden Musikern so interpretiert werden, dass die Zuhrer in ihren Bann gezogen werden.

Das Pathos des neuen Affektenstils beruht also nicht auf freier und willkrlicher Expression, sondern auf der genau kalkulierten Anwendung von Kunstregeln.

Johann Mattheson (Der vollkommene Capellmeister) versteht Musik als Klangrede (Zitat) : Weil nun die Instrumental-Music nichts anders ist, als eine Ton-Sprache oder Klang-Rede, so mu sie ihre eigentliche Absicht allemahl auf eine gewisse Gemths-Bewegung richten, welche zu erregen, der Nachdruck in den Intervallen, die gescheute Abtheilung der Stze, die gemessene Fortschreitung u. d. g. wol in Acht genommen werden mssen. Der Komponist mu wahrhafftig alle Neigungen des Hertzens, durch bloe ausgesuchte Klnge und deren geschickte Zusammenfgung, ohne Worte dergestalt auszudrcken wissen, da der Zuhrer daraus, als ob es eine wirckliche Rede wre, den Trieb, den Sinn, die Meinung und den Nachdruck... vllig begreiffen und deutlich verstehen mge.

Beispiel:

Rhetorischer Aufbau:

J.S. Bach Brandenburgisches Konzert Nr. 4 G-Dur 1. Satz

Rhetorische Figuren (Figurenlehre)

Vergleichbar mit Redewendungen, Reizwrter oder Wortwiederholungen in der Sprache.Zur damaligen Zeit ein wichtiges Unterrichtsfach an Lateinschulen und Universitten.

Joachim Burmeister (~1564)war der erste Theoretiker der in seinen Schriften eine systematische, musikalische Figurenlehre beschrieb.

Weitere Theoretiker verfassten Traktate ber die Figurenlehre im Laufe des spten 17. und frhen 18. Jahrhunderts.

Johann Nikolaus Forkel (~1749)(Erster Bachbiograph) Beschrieb die Figurenlehre als Letzter, schon rckblickend auf eine vergangene Musikepoche.

Verschiedene Arten von rhetorischen Figuren:

a) echte Symbolik

Es ndert sich das Notenbild z.B.: die Schwrze der Nacht ( die schwarzen Noten werden immer dichter

Nicht immer kann der Zuhrer dies auch erkennen.z.B. bei Bach:Kreuzstabkantate ( genau eine Note mit einem Kreuz als Vorzeichen beim Text Ich will den Kreuzstab gerne tragen

Noten:b a c h 2 1 3 8 = 14 ( Thema mit 14 Tne (BspWTKlav. I; Fugenthema I)j s b a c h = 41 ( = Krebs von 14Zahlen ben eine Macht aus7 = Kirche5 = Mensch4 = Welt u.s.w.ein Kunstwerk muss solche Details besitzen

b) musikalische Allegorik (Bspe. aus der Matthuspassion J.S.Bachs)

Der Vorhang zerriss ( schnelle Tonleitern von oben nach unten

Die Erde erbebte ( schnelle Tonwiederholungen im Bass

Donner und Grollen

Himmel ( z.B. Dur Akkorde

Mrder Barrabas ( z.B. verminderter Septakkord

c) Nachahmung

z. B. Vogelstimmen

Spielt eine weniger wichtige Rolle im Barock (zu wenig kunstvoll, knstlich); wird wichtig in der Programmmusik des 19. Jahrhunderts!!

d) musikalische Affekterzeugung

siehe Zettel: Einige wichtige musikalisch-rhetorische Figuren:

Einige wichtige musikalisch-rhetorische Figuren:

(orientiert an der antiken Ars oratoria;

gibt in Bezug auf die Rhetorik Anleitungen zur Erregung von Affekten;

von Musiktheoretikern des 17. u. 18. Jhs. definiert)

Abbildende Figuren

Sammelbegriff Hypotoposis (Abbild)

z.B.:Anabasis (Aufstieg),

Catabasis (Abstieg)

Hyperbole (berwerfen)berschreitung (des Modus-, des Stimmumfangs)

z.B.: bei Himmel

Hypobole (Darunterwerfen)Unterschreitung

Dubitatio (Zweifel)zweifelhafte Modulation,

Stillstand auf einer gewissen Stelle,

Ungewissheit der Empfindungen

Dissonanzfiguren

z.B.:Parrhesia (Redefreiheit)Querstand, melodischer od. harmonischer Gebrauch

verm. od. berm. Intervalle

z.B.: bei Schrecken, Hlle, Angst

Saltus duriusculusTritonussprung, Septsprung...

(harter Sprung) z. B.: bei Leiden, Not, Qual, Tod....

Pathopoeia meint die Affektendarstellung mit Hilfe von

(Affektendarstellung)chromatischen Tnen

Sonderform der Pathopoeia:

Passus duriusculuschromatischer Gang

(harter Gang)(versinnbildlicht bei Bach ausgehend vom Leiden Christi alles menschliche Leid)

Pleonasmusweite Synkopierungen, dissonierende Durchgangsnoten

(berfluss)z.B.: Ben

Satz- und Klangfiguren

z.B.:Antithesis (Gegensatz)gegenstzliche Textausdeutung

(z.B.: obwohl im Text die Rede von einer bereits berwundenen Qual zum Ausdruck gebracht wird, wird diese Qual in der Musik ausgedrckt.)

Noema (Gedanke)

Tnze Tanzstze

Durch die enge Verbindung zwischen Tanz und theatralischer Ausdruckskunst entsteht eine besondere Beziehung zum Affekt der Musik.

Der Charakter der verschiedenen Tnze, ihre ausgeprgte Rhythmik sowie die Tanzschritte fhren zu einem spezifischen Tempo.

Die Entwicklungslinie der Tnze ist recht verschieden. Neben Umformungen (schnelle Tnze werden pltzlich ganz langsam, ...) entstehen immer wieder ganz neue Tnze (Menuett im 18. Jh.; und avancieren zu Modetnze).

Im Barock werden die Tanzfolgen (Suiten = Aneinanderreihung von tonartlich gleichen bzw. in der Tonart zueinander passenden Tanzstzen) die wichtigste Instrumentalform neben dem Concerto.

Die sogenannte klassische Tanzfolge wurde gegen Ende des 17. Jh. in Norddeutschland ausgebildet:

Aus dem sogenannten Urtanzpaar (Dantz Hupfauf (od. Nachtanz)) langsam schnell (gerader Takt ungerader Takt; tempus integer valor (Puls) proportio tripla)

wird:

Allemande, Courante und Sarabande, Gigue (quasi das formale Strandardgerst einer Suite)

Voran gestellt wird hufig ein Prlude (Praeludium) oder ein unbetitelter freier Fantasiesatz oder eine Ouvertre.

Zwischen den Gerststzen der Suite werden hufig andere Tnze eingeschoben; meist zwischen Sarabande und Gigue:

Menuett, Passepied, Polonaise, Air, Bourre, Gavotte, Loure, Marche, Chaconne (oder Ciacona) Passacaglia, Forlane.

Die franzsische Ouvertre - 2 Teile- punktierter, feierlich einleitender Teil - Fugatoteil

Das Prlude 2 Arten: 1.) freies Prlude Fantasieform;

bzw.2.) Praeludium (Inventions-Charakter: meist ein Thema, oft motorischer Art

Allemande 4/4 Takt (2/2) Viertel = Puls (MM ~ 60), Textur von Sechzehntelnoten bestimmt, dtsch. Tanz, kurzer Auftakt

Courante franzsisch 3/2 (Halbe ~ 60); italienisch (Ganzer Takt ~ 60)

Sarabande 3/2, 3/4 Takt, Betonung oft auf dem 2. Schlag! Langsamer Schreittanz; spanischer Ursprung (da aber oft sehr schnell als Schlusssatz)

Gigue engl., schneller 6/8, 9/8, 12/8, punktierter Rhythmus

Menuett Franzsischer Modetanz des 18. Jh., mig schnell bis schnell; 3 kurze Schlge,

auer in der Suite auch bald in der Sonate und Sinfonie (ab Frhklassik) als

neuer Satz an 3. Stelle (vor dem Finale).

Chaconne (Ciacona), Passacaglia: Variationsform ber einen ostinaten Bass. bzw. 3/2 Takt.

langsam, feierlich

Ingalit - Ungleichheit