Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in der EU ... · PDF fileunter dem Dach der EVA....

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  • Dr. Christian Mlling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik SWP-Aktuell 13 Februar 2010

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    Stiftung Wissenschaft und

    Politik

    Deutsches Institut fr Internationale

    Politik und Sicherheit

    Problemstellung

    Stndige Strukturierte Zusammenarbeit in der EU-Sicherheitspolitik Auswirkungen des Lissabon-Vertrags auf die Entwicklung von Fhigkeiten und die Rstungskooperation in der Europischen Union Christian Mlling

    Der Vertrag von Lissabon sieht als zentrale Neuerung fr die EU-Sicherheitspolitik die Stndige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) vor. Sie flexibilisiert die Mglichkeiten der Mitgliedstaaten, im Verteidigungsbereich zu kooperieren. So soll dem Missverhlt-nis zwischen der Praxis EU-gemeinsamer Operationen und weitestgehend nationalen Lsungen bei der Fhigkeitenentwicklung begegnet werden, das operationelle wie stra-tegische Defizite bei den Mitteln der EU-Sicherheitspolitik zur Folge hat.

    Wie die SSZ ausgestaltet werden soll, bleibt jedoch unklar. Dies erffnet zwar poli-tischen Spielraum, birgt aber auch Risiken fr den Erfolg der SSZ. Dieser wird vor allem davon abhngen, ob die SSZ einen qualitativen Unterschied bei dem Wer, Was und Wie der Verteidigungszusammenarbeit machen wird. Um die Erfolgswahrscheinlich-keit zu steigern, mssen deshalb bei der weiteren Konkretisierung die richtigen Weichen gestellt werden.

    Die SSZ soll die Entwicklung jener Fhig-keiten kohrenter und effizienter gestalten, die die EU fr ihre Sicherheitspolitik braucht.

    Zwar sind gemeinsame zivile oder mili-trische Missionen der EU-Mitgliedstaaten mittlerweile die Regel. Die dafr notwendi-gen zivilen und militrischen Fhigkeiten, Ausrstungen und Technologien werden jedoch nach wie vor weitgehend unkoordi-niert national bereitgestellt. Obwohl die Mitgliedstaaten bei der Analyse von Bedro-hungen und der Feststellung des Fhig-keitenbedarfs zu gleichen Ergebnissen

    kommen und in der Praxis gemeinsam operieren, bestehen Defizite bei der Ko-ordinierung der Rstungspolitiken und der Generierung von Fhigkeiten. Der Nimbus nationaler Souvernitt sowie klare ko-nomische und industriepolitische Inter-essen zeichnen hierfr verantwortlich.

    Auch der rechtliche Rahmen der EU hat die Kooperation ihrer Mitgliedstaaten erschwert: Bislang war es in der Euro-pischen Sicherheits- und Verteidigungs-politik (ESVP) jenen verwehrt, intensiver als die EU insgesamt zu kooperieren, die dies wollten. So hat sich Rstungskoopera-

  • tion zumeist ad hoc und auerhalb der EU entwickelt. Den Schlssel zu einer besseren Relation zwischen Effektivitt und Kosten konnten oder wollten die Mitgliedstaaten nicht nutzen: die kompatible oder sogar gemeinsam beschaffte Ausrstung sowie Konzepte fr die gemeinsame Nutzung und Versorgung.

    Folge waren zahlreiche Defizite, etwa bei der Interoperabilitt, aber auch stra-tegische Lcken in der EU-Sicherheits-politik: Den EU-Staaten droht die rstungs-industrielle Basis fr ihre gemeinsamen, aber auch ihre nationalen sicherheits-politischen Ziele wegzubrechen, da die individuellen nationalen Ausrster ihre Leistungs- und Wettbewerbsfhigkeit zusehends einben.

    Ziel und Bedeutung der SSZ Die SSZ setzt am Schnittpunkt zwischen EU-rechtlichen und rstungspolitischen Hemmnissen an und flexibilisiert die Ko-operationsmglichkeiten im Verteidigungs-bereich. Sie soll jenen Mitgliedstaaten eine intensivere Kooperation in der Gemein-samen Sicherheits- und Verteidigungs-politik (GSVP, wie die ESVP seit Lissabon heit) ermglichen, die dies wnschen.

    Gerade Deutschland hat ein Interesse am Erfolg dieser Initiative. Neben der gesteiger-ten Effektivitt eingesetzter Beschaffungs-mittel ist die mit der SSZ verbundene Be-reicherung der Mglichkeiten, Streitkrfte zu koordinieren, fr die Bundesrepublik von zentraler Bedeutung, da sie auf die multilaterale Einbindung im Krisen-management angewiesen ist. Auerdem weist die SSZ den Weg zu einem Deutsch-land wichtigen strategischen Ziel der EU-Sicherheitspolitik: der strkeren Integra-tion im militrischen Bereich.

    Die Bedeutung der SSZ geht jedoch weit ber die Rstungskooperation hinaus. Die SSZ ist die einzige konkrete Neuerung der GSVP. Ein Scheitern dieses Projekts wrde der GSVP schweren Schaden zufgen. Ein Erfolg der SSZ wre hingegen ein Schritt zur Integration jenes Bereichs, der seit

    jeher von der europischen Einigung aus-geschlossen war: Rstung.

    Sicherheitspolitisch wrde eine erfolg-reiche SSZ erlauben, die strategische Lcke zwischen EU-gemeinsamer Bedrohungs-analyse und Fhigkeitendefinition einer-seits und EU-gemeinsamen Operationen andererseits zu schlieen. Denn die Bereit-stellung der Fhigkeiten und die Beschaf-fung der Ausrstung wrde mehr und mehr von gemeinsamen Entscheidungen auf EU-Ebene abhngen.

    Vage Aussagen zu Wer, Was und Wie Die Grundlage der SZZ bildet das entspre-chende Protokoll im Lissabon-Vertrag. Dessen Ausfhrungen sind jedoch so all-gemein, dass eine Debatte ber deren Deu-tung entbrannt ist. Fr die Teinahme an der SSZ wurden zwei Kriterien definiert. Erstens mssen Mitgliedstaaten bereit sein, ihr Engagement bei der Entwicklung ihrer militrischen Fhigkeiten zu verstrken, indem sie Beitrge zu multinationalen Streitkrften leisten und sich an den wich-tigsten Beschaffungsvorhaben der Euro-pischen Verteidigungsagentur (EVA) betei-ligen. Dahinter steht die Idee, einen exklu-siven Club jener zu etablieren, die im EU-Verteidigungssektor mehr tun knnen und wollen. Umgekehrt macht ein solcher Club durch naming and shaming auch trans-parent, welche Mitgliedstaaten weniger leisten. So soll der Druck auf diese Staaten erhht werden, sich strker zu engagieren, um in den Club aufgenommen zu werden.

    Als zweite Bedingung sollen die Teilneh-mer an einer SSZ die Fhigkeit besitzen, entweder national oder als Teil eines multi-nationalen Verbandes Streitkrfte bereit-zustellen, die den Bereitstellungskriterien der EU-Battlegroups (EUBG) entsprechen.

    Die Europische Verteidigungsagentur nimmt eine zentrale Rolle in der Gesamt-konstruktion der SSZ ein. Die Agentur erhlt die Aufgabe, zur regelmigen Evaluierung der Fortschritte der Mitglied-staaten beizutragen.

    SWP-Aktuell 13 Februar 2010

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  • Als mgliche Bereiche der Kooperation unter der SSZ nennt das Protokoll:

    Sicherstellung der Investitionsniveaus fr Beschaffung,

    Synchronisierung der nationalen Streit-krftestrukturen,

    Erhhung der Einsetzbarkeit von Streit-krften,

    Bi- und multinationale Kooperation, um Defizite im Mechanismus der EU-Fhig-keitenentwicklung zu minimieren,

    Gemeinsame Beschaffungsprogramme unter dem Dach der EVA.

    Der doch nicht so exklusive Club Bei genauerer Betrachtung der Eintritts-bedingungen kommen Zweifel an der angestrebten Exklusivitt des Clubs und damit an seiner Effektivitt auf. Faktisch kann jeder EU-Staat ber die Beteiligung an den EUBG auch an der SSZ teilnehmen. Beim ersten Kriterium steht die weitere Konkretisierung noch aus. Deren Aushand-lung droht Opfer von tagespolitischem Kuhhandel zwischen den Hauptstdten zu werden. Das zweite Kriterium erfordert nur einen marginalen Beitrag im Rahmen der EUBG durch sogenannte Nischenfhig-keiten. Zwar hatten Frankreich und Gro-britannien auf grere Anstrengungen in Form einer rein nationalen Bereitstellung von Verbnden gedrngt. Die Forderungen wurden im Zuge der Verhandlungen durch die weniger leistungsbereiten EU-Staaten je-doch so stark aufgeweicht, dass weder eine maximale Zahl von Teilnehmern an den nun vor allem multinationalen Verbnden noch Qualittsminima definiert wurden.

    SSZ aber wie? Der Anzahl mglicher SSZ sind keine Gren-zen gesetzt. Zu erwarten ist ein Flicken-teppich von thematisch sehr heterogenen SSZ. Eine SSZ kann durch eine qualifizierte Mehrheit beschlossen werden also min-destens 15 EU-Staaten, die mindestens 65% der EU-Bevlkerung reprsentieren. Ent-scheidend fr den Erfolg ist jedoch der Mix

    an politisch und militrisch relevanten Partnern und deren Effizienzorientierung. Die weitere Gestaltung der SSZ (Ziele, Proze-duren etc.) obliegt allein ihren Teilnehmern nur sie sind stimmberechtigt. Trans-parenz fr alle EU-Staaten soll durch die Diskussion von SSZ im Rahmen regulrer Ratssitzungen entstehen. Wie praktikabel dieses Forum ist, wird sich ebenso erweisen mssen wie die Frage, ob eine SSZ gegen den expliziten Willen einzelner Staaten realisiert werden kann. Auch wann und wie Teilnehmer von einer SSZ ausgeschlossen werden knnen, ist nicht generell geregelt.

    Driver or back seat Die Rolle der EVA Welche Rolle die EVA erhlt, wird sich daran entscheiden, ob die EU-Staaten das Steuer oder wenigstens die Straenkarte an die EVA abgeben. Der erste Lackmustest werden die Kriterien zur Fortschritts-evaluierung sein. Das Protokoll zur SSZ lsst offen, wer diese Kriterien entwickelt, ob sie verffentlicht werden, wie sie ber-prft werden und welche Folgen eine Nicht-einhaltung htte. Diese Fragen markieren absehbar den Verlauf der politischen Aus-einandersetzungen die Antworten weisen den Weg, den die SSZ einschlagen wird: Wer die Kriterien bestimmt, kann Richtung und Geschwindigkeit vorgeben und damit letztlich ber den Erfolg entscheiden.

    Umsetzungsoptionen Eine SSZ kann durch Umwandlung exis-tierender Projekte und Kooperationen in eine SSZ oder deren Neuschaffung ent-stehen. Ein Beispiel fr eine Umwandlung wre die Transformation der anvisierten Europischen Lufttransportflotte (EATF) in eine SSZ. Ergebnis wre die koordinierte Verwendung bereits vorhandener oder ge-planter nationaler Fhigkeiten. Die EATF-Staaten wrden sich den Betrieb der Flug-zeuge teilen. Fhren und Koordinieren knnte das gerade im Aufbau befindliche Europische Lufttransportkommando.

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  • Ein Beispiel fr eine neue Initiative wre der Aufbau einer